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Full text of "Deutsches Wörterbuch;"

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Weigand 

Deutsches  Wörterbuch 


Erster  Band 
A  bis  K 


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Deutsches  Wörterbuch 


von 


Fr.  L.  K  Weigand 


Fünfte  Auflage 

in  der  neusten  für  Deutschland,  Österreicli  und  die  Schweiz 
gültigen  amtUchen  Rechtschreibung 


Nach  des  Yerfassers  Tode  vollständig  neu  bearbeitet  von 
Karl  von  Bahder       Herman  Hirt  Karl  Kant 

a.  0.  Prof.  a.  d.  (iiiv.  Leipzig  a.  o.  Prof.  a.  d.  Univ.  Leipzig  Privatgelehrtem  in  Leipzig 

Herausgegeben  von  Herman  Hirt 


Erster  Band 
A  bis  K 


Ter  lag  von  Alfred  Töpelmann 
(vormals  J.  Rick  er)  Gießen  1909 


Druck  von  C.  G.  Röiler  G.m.b.H.,  Leipzig; 


Vorwort  zur  fünften  Auflage. 

F.  L.  K.  Weigands  Wörterbuch  hat  eine  lange  Geschichte.  Es  ist  ur- 
sprünglich eine  Bearbeitung  des  „Kurzen  deutschen  Wörterbuchs  für  Etymologie. 
Synonymik  und  Orthographie''  von  Friedrich  Schmitthenner,  1834,  2.  Aufl. 
1837  gewesen.  Aber  wie  schon  Jacob  Grimm  dem  Verfasser  schrieb:  ..In 
Ihrem -Wörterbuch  ist  nicht  mehr  Schmitthenner,  sondern  bloß  Weigand",  so 
war  es  in  der  Tat,  und  so  durfte  und  mußte  mit  Recht  dieser  Name  auf  dem 
Titel  stehen.  Das  Werk  hat  dann  zu  Lebzeiten  des  Verfassers,  dank  dem  aus- 
gezeichneten Inhalt,  drei  Auflagen  erlebt;  während  des  Druckes  der  vierten 
starb  der  Verfasser,  es  konnten  aber  noch  die  zahlreichen  in  seinem  Xachlaß 
vorgefundenen  Notizen  für  die  neue  Auflage  benutzt  werden. 

Daß  es  sich  bei  einer  weitern  Auflage  nicht  nur  um  einen  etwas  ver- 
besserten Abdruck  handeln  konnte,  sondern,  daß  den  Fortschritten  der  Wissen- 
schaft entsprechend  eine  gründliche  Umarbeitung  stattfinden  mußte,  war  dem 
Verleger  klar.  Leider  hat  diese  manche  Schwierigkeiten  gehabt.  Zunächst 
hatte  sie  Prof.  v.  Bah  der  übernommen.  Er  hat  nach  mehrjährigen  Vorarbeiten, 
die  in  umfangreichen  Sammlungen  bestanden,  A  bis  Fleckeil  geliefert  und  diesen 
Teil  auch  später  bei  der  Drucklegung  noch  einmal  durchgearbeitet.  Dann  ist,  da 
er  die  Arbeit  im  Jahre  1896  aus  Gesundheitsrücksichten  aufgeben  mußte,  Dr.  Kant, 
der  längere  Zeit  neben  Hildebrand  am  Deutschen  Wörterbuche  gewirkt  hatte, 
eingetreten,  und  dieser  hat  die  weitern  Teile  bis  stark  im  Manuskript  fertig- 
gestellt (init  Ausnahme  des  Buchstaben  P).  Leider  hat  Dr.  Kant  das  Werk  nicht  so 
fördern  können,  wie  man  wohl  hätte  wünschen  müssen.  War  doch  das  Buch  schon 
seit  langem  vergriffen,  und  der  Wunsch  nach  einer  neuen  Auflage  dringend. 

Meine  eigene  Tätigkeit  hat  »lamit  begonnen,  daß  ich  mich  auf  Wunsch 
von  Prof,  v.  Bahder  und  auf  Veranlassung  des  Verlegers  im  Jahre  1902 
verpflichtete,  den  etymologischen  Teil  des  Werkes  durchzusehen  und  zu  er- 
gänzen. Es  war  dies  um  so  mehr  unbedingt  nötig,  als  Dr.  Kant  auf  dem 
Gebiete  der  indogermanischen  Etymologie  kein  Fachmann  war. 

Unter  diesen  L^m.ständen  hat  der  Satz  begonnen.  Bald  darauf  mußte  aber 
auch  Dr.  Kant  von  der  Überwachung  der  Herau.sgabe  und  der  weitern 
Bearbeitung  zurücktreten.  Da  ich  bei  der  Bearbeitung  der  Etymologie  und 
der  Durchsicht  des  fertigen  Manuskriptes  den  hohen  Wert  des  bisher  Geleisteten 
kennen  gelernt  hatte,  so  habe  ich  mich  unter  diesen  Verhältnissen,    namentlicli 


VI 


Vorwort. 


um  das  Neuerscheinen  des  Weigand  nicht  wieder  auf  unabsehbare  Zeiten  zu 
verschieben,  und  um  das  bisher  Geleistete  bald  zugänglich  zu  maclieu,  ent- 
schlossen, im  Einverständnis  mit  Prof.  v.  Bahder  in  die  Bresche  zu  treten,  und 
meinerseits  die  Herausgabe  und  Fertigstellung  des  Werkes  zu  übernehmen. 
Ich  war  mir  sehr  wohl  bewußt,  daß  ich  dadurch  auf  Jahre  hindurch  von  mir 
lieb  gewordenen  Ar])eiten  Abschied  nehmen  mußte,  aber  ich  habe  das  gern 
getan,  weil  ich  auch  der  Wissenschaft  einen  Dienst  zu  leisten  glaubte,  wenn 
ich  den  Weigand  wieder  allgemein  zugänglich  machte. 

Durch  diese  verschiedenen  Hände,  die  an  dem  Werke  beteiligt  sind, 
mögen  namentlich  im  Anfang  einige  Ungleichmäßigkeiten  in  das  Werk  ge- 
kommen sein,  die  indessen,  wie  ich  bestimmt  glaube,  seinem  Wert  keinen  Ab- 
l)ruch  tun.  Im  übrigen  ist  meine  Arbeit  an  dem  fertigen  Manuskript  im  Laufe 
der  Zeit  immer  stärker  geworden.  Ich  habe  es,  namentlich  in  den  Teilen,  die 
Dr.  Kant  bearbeitet  hat,  noch  einmal  gründlich  durchgearbeitet,  Artikel  ver- 
ändert und  nach  bestem  Ermessen  gestrichen  und  zugesetzt,  und  diese  Arbeit 
wird  vermutlich  in  den  spätem  Teilen  immer  noch  zunehmen.  Trotzdem  wird 
vielleicht  doch  manches  stehen  bleiben,  was,  wenn  ich  es  selbständig  gemacht 
hätte,  anders  ausgefallen  wäre. 

Während  anfangs  die  Xeuausgabe  in  einem  Bande  geplant  war,  hat  es 
sich  jetzt  doch  als  wünschenswert  herausgestellt,  sie  in  zwei  Bände  zu  teilen, 
namentlich  da  dies  bei  künftigen  Auflagen,  wo  der  Umfang  wohl  noch  wachsen 
wird,  doch  nötig  geworden  wäre.  Außerdem  ist  es  dadurch  möglich  geworden, 
schon  jetzt  das  Verzeichnis  der  Abkürzungen  und  die  Angaben  über  die  Ein- 
richtung des  Werkes  zu  geben.  Auch  die  Benutzung  des  nunmehr  abgeschlos- 
senen bis  zum  Schluß  von  K  reichenden  ersten  Bandes  wird  in  gebundenem 
Zustand  angenehmer  sein  als  in  den  Lieferungen. 

Nach  Erscheinen  der  einzelnen  Ijieferungen  sind  mir  von  den  verschieden- 
sten Seiten  Ergänzungen  und  AVünsche  mitgeteilt  Avorden.  Sie  sind,  soweit  es 
möglich  war,  benutzt  worden,  und  ich  kann  den  Schreibern  hier  nur  meinen 
besten  Dank  aussprechen  und  die  Bitte  hinzufügen,  mich  durch  weitere  Mit- 
arbeit zu  unterstützen. 

Über  die  Ziele  und  Einrichtung  des  Buches  sei  nun  noch  zum  Teil  unter 
Wiederholung  des  im  Vorwort  früherer  Auflagen  ausgeführten,  folgendes  bemerkt; 

1.  Weigands  Werk  war  das  erste,  das  die  Etymologie  genügend  berück- 
sichtigte, und  es  hat  sich  dadurch  hauptsächlich  sein  Ansehen  erworben.  Dieser 
Teil  mußte  natürlich  besonders  gründlich  erneuert  werden,  um  den  Anforde- 
rungen der  Zeit  zu  entsprechen.  Man  kann  das  sagen,  ohne  Weigand  zu  nahe 
zu  treten,  dessen  etymologischen  Scharfsinn  und  Takt  man  nur  bewundern  kann. 
Die  Bearbeitung  der  Etymologie  rührt,  soweit  andre  indogermanisclie  Sprachen 
heranzuziehen  waren,  von  mir  her.  Mir  schien  es  nun  ein  unabw^endbares  Be- 
dürfnis zu  sein,  auch  die  Literatur  der  etymologischen  Forschung  anzuführen. 
Die  Rücksicht  auf  den  verfügbaren  Raum  gebot  mir  aber,  mich  kurz  zu  fassen, 
und  so  habe  ich  mich  bemüht,  solche  Stelleu  zu  geb^n,  wo  Aveitere  Literatur 
über  die  betreffenden  Fragen  zu  finden  oder  wo  ausführlich  über  die  betreffende 
Etymologie  gehandelt  ist.    Insbesondere  genügten  oft  die  Hinweise  auf  Waldes 


l 


Vorwort.  VII 

vortreffliches  lateinisches  etymologisches  Wörterbuch.  Vollständigkeit  konnte 
schon  wegen  des  Raummangels  nicht  durchgeführt  werden.  Die  Etymologie 
wird  freilich  immer  ein  Feld  bleiben,  auf  dem  man  oft  nicht  zur  Sicherheit 
kommen  kann.  Bei  der  Aufklärung  der  aus  dem  Orient  entlehnten  Wörter  hat 
mich  mein  Kollege  Prof.  Stumme  auf  das  dankenswerteste  unterstützt. 

2.  Was  die  aufgenommenen  Wörter  betrifft,  so  enthält  das  Werk  die  gegen- 
wärtigen gangbaren  Wörter  des  neuhochdeutschen  Sprachschatzes  mit 
der  durch  den  Umfang  des  Buches  gebotenen  Beschränkung,  besonders  in  Hin- 
sicht der  Ableitungen  und  Zusammensetzungen.  Neben  diesen  gangbaren  AVörtern 
aber  hat  Weigand  eine  große  Zahl  von  weniger  üblichen  und  seitnern,  die  in 
Luthers  Bibelübersetzung  und  bei  den  mustergiltigen  Schriftstellern  aus  der 
Blütezeit  der  neuhochdeutschen  Literatur,  namentlich  bei  Schiller  und  Goethe, 
sich  finden,  aufgenommen,  auch  bezeichnende,  und  zumal  hier  und  da  in  Schriften 
vorkommende  mundartliche  Wörter.  In  dieser  Beziehung  kann  man,  glaulje 
ich,  in  einem  solchen  Werke  gar  nicht  weit  genug  gehen.  Schon  Prof.  v.  Bahder 
und  Dr.  Kaut  haben  sehr  viel  nach  dieser  Richtung  hin  getan.  Ich  selbst  habe, 
namentlich  in  den  spätem  Lieferungen,  noch  manchen  in  der  norddeutschen 
Umgangssprache  üblichen  Ausdruck  hinzugefügt,  wobei  das  reichhaltige  Wörter- 
verzeichnis im  Buchdrucker-Duden  dankbar  benutzt  wurde.  Das  Verbreitungs- 
gebiet derartiger  landschaftlicher  Wörter  ist  nach  ^Möglichkeit  mit  Heranziehung 
der  Idiotika  gegeben  worden,  ohne  daß  freilich  Vollständigkeit  erzielt  werden 
konnte.  Auf  eine  Angabe  der  Werke,  aus  denen  geschcipft  wurde,  ist  meist  ver- 
zichtet worden,  da  die  unten  gebotene  Liste  (S.  XI)  die  Quellen  angibt. 

Die  Aufnahme  der  Fremdwörter  wird  stets  eine  Schwierigkeit  bleiben, 
da  man  dem  einen  zuviel,  dem  andern  zu  wenig  bietet.  Immerhin  wird  man 
Ijemerken,  daß  je  länger,  je  mehr  Fremdwörter  aufgenommen  sind,  und  es  wird 
das  Buch  auch  nach  dieser  Richtung  hin  nicht  im  Sticli  lassen.  Die  Zeiten  sind 
ja  glücklicherweise  vorüber,  in  denen  man  die  Fremdwörter  in  der  Geschichte 
der  deutschen  Sprache  ungestraft   vernachlässigen  zu  können  glaubte. 

Weigand  hat  auch  die  Vornamen  berücksichtigt  und  auch  oft  eine  Er- 
klärung versucht.  Da  es  meine  feste  Überzeugung  ist,  daß  die  alten  Namen 
keine  bestimmte  Bedeutung  gehabt  haben,  so  habe  ich  diese  Erklärungen  ge- 
strichen, und  hätte  am  liebsten  die  Namen  überhaupt  fortgelassen.  Da  dies 
aber  nicht  mehr  angängig  war,  so  sind  wenigstens  keine  neuen  melir  aufge- 
nommen worden,  und  man  hat  infolgedessen  einige  vermißt. 

„Übrigens  herrecht  bei  allen  verzeichneten  Wörtern  alphabetische  Ord- 
nung, und  dieselbe  wird  selbst  in  den  den  Wurzel-  und  Stammwörtern  gleich 
beigefügten  abgeleiteten  und  zusammengefügten  Wörtern  nicht  gestört,  ausge- 
nommen, daß  die  abgeleiteten  zuerst  stehen  und  dann  die  zusammengesetzten." 
Man  suche  also  Ableitungen  und  Zusammensetzungen  unter  dem  Grundwort.  Doch 
ist  durch  häufige  Verweise  an  der  richtigen  alphabetischen  Stelle  dafür  gesorgt,  daß 
man  ein  Wort  auch  dann  findet,  wenn  man  den  obigen  Grundsatz  nicht  beachtet. 

3.  Weigand  hatte  die  Bezeichnung  der  Betonung  durch  den  Akzent  {/), 
in  Wörtern,  die  den  Ton  nicht  nach  deutscher  Weise  auf  der  Stammsilbe  tragen, 
durchgeführt.     Ich    habe    es   gleichfalls   getan.     Da   dies  aber  anfangs  nicht  be- 


YJJJ  Vorwort. 

absichtigt  war,  so  fehlt  es  im  Buchstaben  A  und  im  Anfang  von  B.  Die  Wörter 
auf  -ieren  haben,  da  sie  stets  auf  dem  i  betont  sind,  keinen  Akzent  bekommen. 

Ebenso  habe  ich  die  Länge  der  Vokale  in  deutschen  Wörtern,  wo  diese 
nicht  durch  die  Regeln  der  Rechtschreibung  von  selbst  gegeben  ist,  nach  den 
Vorschriften  der  deutschen  Bühnenaussprache,  vgl.  Siebs  Deutsche  Bühnen- 
aussprache, 2.  Aufl.  1901,  durch  einen  -  bezeichnet,  allerdings  auch  nicht  gleich 
vom  Anfang  an.  Eingeklammerte  Buchstaben  bedeuten,  daß  die  Schreibung 
mit  ihnen  und  ohne  sie  erlaubt  ist,  z.  B.  Kram(me)tsvogel  heißt,  man  kann 
Kramtsvogel  und  Kramnietsvogel  verwenden. 

Was  die  sonstige  Umschreibung  der  fremden  Sprachen  betrifft,  so  habe 
ich  für  das  Indische,  Awestische,  Altbulgarische,  Russische,  Litauische,  Lettische, 
Armenische  und  Albanesische  die  einheitliche  L^mschreil)ung  der  fremden 
Alphabete  durchgeführt,  wie  ich  sie  Lidogermanische  Forschungen  21,  145  ff. 
schon   im   Hinblick   auf   dieses   Werk   vorgeschlagen    habe.      Es    bedeutet    also: 

1.  ~  die  Länge  des  Vokals.  Nur  in  althochdeutschen  und  mittelhochdeutschen 
Worten  ist   ^   beibehalten  worden. 

2.  '   und    ^  auf  einem  Vokal  bezeichnen  die  Stelle  des  Haupttons. 

3.  '   hinter  einem  Konsonanten  drückt  die  PalataHsation  (Erweichung)  aus. 

4.  Abgesehen  von  den  deutschen  Dialekten  bezeichnet  s  den  stimmlosen  Zischlaut 
(deutsch  SS,  ß),  z  den  stimmhaften  (deutsch  s),  s  den  scha-,  z  den  entsprechenden  stimm- 
haften Laut  (franz.  §),  c  ist  gleich  ts,  c  =  tsch,  j  ==  dsch. 

5.  Die  sonstigen  Sph-anten  sind  durch  ß  (engl,  stimmloses  th),  ä  (der  entsprechende 
stimmhafte  Laut),  /  und  b  (deutseh  iv),  x  und  y  (deutsch  cli  und  ndd.  gr)  bezeichnet  worden. 

6.  )d  =  dem  gutturalen  Nasal,  deutsch  ng. 

7.  ^  unter  einem  Vokal  z.  B.  a^  drückt  die  'Nasalierung  aus,  franz.  on. 

8.  d  ist  ein  unbestimmter  Vokal  (sog.  schwa). 

9.  Im  Litauischen  bezeichnet  '  den  Stoßton:  *  auf  Diphthongen,  '  auf  einfachen 
Längen  den  Schleifton. 

10.    Im  Indischen   bezeichnet   ein  .   unter    dem  Konsonanten,   z.  B    t  die  Zerebrali- 
sierung;  g  ist  ein  palataler  Zischlaut,  der  etymologisch  einem  k  entspi'icht. 

4.  Die  Biegung  der  Wörter  ist  angegeben  worden,  bei  den  männlichen 
und  sächlichen  Substantiven  mit  Angabe  der  Endung  des  Genitivs  im  Singular 
und  des  Nominativs  im  Plural,  bei  den  weiblichen  bloß  des  letzten,  bei  dem 
Pronomen,  wo  es  nötig  schien,  durch  alle  Kasus  des  Singulars  oder  des  Plurals, 
bei  den  starken  Verben  mit  Anführung  der  Hauptformen,  sowie  des  Präteri- 
tums im  Konjunktiv  oder  des  Imperativs,  und  bei  den  schwachbiegenden  nur 
dann,  wenn  ihre  Unterscheidung  von  gleichlautenden  starkbiegenden  hervorzu- 
heben war.  Die  Steigerung  der  Adjektive  und  Adverbien  ist  stets  angegel)en, 
wo  sie  in  derselben  den  Umlaut  bekommen,  aber  auch  sonst  gelegentlich  angeführt. 
Wie  schon  in  den  frühern  Auflagen  ist  auch  in  dieser  auf  die  Entwicklung  der 
neuhochdeutschen  Wortbiegungen  hingewiesen;  diese  Beiträge  zu  der  immer  noch 
fehlenden    historischen   neuhochdeutschen   Grammatik    werden  willkommen  sein. 

5.  Die  Rechtschreibung  ist  natürlich  die  heute  durchgeführte  einheit- 
liche,  und  zwar  geben  die  fettgedruckten  Wörter  diese  wieder.     Doch  sind  am 


Vorwort.  J5[ 

Anfang  die  Abweichungen  der  bayrischen  und  österreichischen  Schreibung,  so- 
wie erlaubte  Doppeischreibungen  noch  nicht  regelmäßig  mit  angeführt  worden. 
Später  ist  dies  unter  ausdrücklicher  Hervorhebung  der  amtlichen  Schreibung 
nach  Dudens  Orthographischem  Wörterbuch  geschehen. 

6.  Weigand  hat  außer  auf  die  Etymologie  besonderes  Gewicht  darauf 
gelegt,  das  erste  Auftreten  eines  Wortes  nachzuweisen.  In  diesem  Punkt  ist 
die  neue  Auflage  dank  den  umfassenden  Vorarbeiten  Prof.  v.  Bahders,  die  sich 
auf  das  ganze  Werk  erstrecken,  dank  der  Belesenheit  Dr.  Kants  und  infolge  der 
Fortschritte,  die  das  Grimmsche  Wörterbuch  in  den  letzten  30  Jahren  ge- 
macht hat,  über  das  von  Weigaud  geleistete  hinausgekommen.  Xatürlich  werden 
eine  Anzahl  der  angeführten  Belegstellen  mit  der  Zeit  noch  durch  ältre  ersetzt 
werden  können,  weil  eben  hier  das  Wort  gilt:  dies  diem  docet.  Ich  selbst  habe, 
da  ich  eine  Reihe  bisher  unbenutzter  Werke  einsehen  konnte,  manchen  Beleg,  der 
früher  war  als  die  bisher  bekannten,  anführen  können.  Die  Weiland  sehen 
Zitate  sind  natürlich,  soweit  sie  wichtig  waren,  bewahrt  worden.  Bei  der  Um- 
schreibung dieser  auf  die  neuern,  jetzt  maßgebenden  Ausgaben  —  eine  müh- 
same und  zeitraubende  Arbeit,  die  ich  z.  T.  erst  durchgeführt  habe,  —  hat  sich 
aber  herausgestellt,  daß  sie  nicht  in  allen  Fällen  zuverlässig  waren,  z.  T.  haben 
sich  bei  der  Drucklegung  der  vierten  Auflage  Druckfehler  gegenüber  der  dritten 
eingeschlichen,  z.  T.  aber  müssen  direkte  Versehen  vorliegen.  So  waren  einige 
Zitate  bei  H.  Sachs  nach  den  alten  Ausgaben  nicht  auffindbar.  Ich  habe  sie 
aber  in  []  stehen  lassen,  weil  vielleicht  ein  andrer  den  Fehler  ermittelt,  der 
hier  vorliegt.  Ebenso  ergaben  sich  bei  dem  Xachschlagen  der  Zitate,  die 
Kant  vielfach  ohne  Nachprüfen  dem  Grimmschen  AVörterbuch  entnommen  hat, 
nicht  nur  unauffindbare  Angaben,  sondern  auch  direkt  falsches,  was  natür- 
lich beseitigt  wurde.  Seitdem  ich  dieses  bemerkt  habe,  ist  der  Nachprüfung 
der  Zitate  eine  erhöhte  Aufmerksamkeit  zugewendet  Avorden,  so  daß  nunmehr 
alles,  was  nur  irgend  zugänglich  ist,  nachgesehen  werden  wird.  Nachträglich 
wird  dies  auch  noch  für  die  frühern  Lieferungen  geschehen,  und  es  werden 
etwaige  Fehler  am  Schluß  berichtigt  werden.  Für  den  Nachweis  irgendwelcher 
Versehen  bin  ich  sehr  dankbar.  Im  übrigen  hat  sich  natürlich  die  überwiegende 
iSfcnge  der  Anführungen  als  richtig  ergeben. 

7.  Ein  weitrer  Vorzug  des  Weigand  bestand  in  der  genauen  Angabe  der 
Bedeutungen  des  Wortes.  Hierbei  hat  Weigand  meist  auch  die  der  gewöhn- 
lichsten Wörter  angegeben,  was  nur  durch  etwas  schwerfällige  Umschreibungen 
möglich  war.  Man  kann  zweifeln,  ob  eine  Erklärung  des  Auges  als  ^  Seh  Werk- 
zeug des  menschlichen  und  tierischen  Körpers"  nötig  ist;  da  aber  die  Bearbeiter 
diese  Eigentihnlichkeit  Weigands  beibehalten  haben,  so  konnte  ich  nicht  davon 
abgehen.  Mancher  wird  vielleicht  auch  eine  eingehendere  Darstellung  der  Be- 
deutungsentwicklung vermissen.  Da  aber  die  meisten  heutigen  Bedeutungen, 
die  selbständigen  durch  ;  getrennt,  außerdem  die  mittel-  und  althochdeutschen 
genau  angeführt  sind,  so  wird  man  sich  bei  einigem  Nachdenken  die  Be- 
deutungsentwicklung leicht  klar  machen  können.  —  In  den  Ansichten  über  die 
Bedeutungsentwicklung  scheint  sich  indessen  gerade  heute  ein  prinzipieller  Fort- 
schritt zu  vollziehen,  und  daher  ist  es  vielleicht  ganz  gut  gewesen,  daß  mit  einer 


y  Vorwort. 

gänzlichen  Umarbeitung  dieses  Punktes  noch  gewartet  wurde.  Der  Kundige 
wird  erkennen,  daß  bei  der  Zurückführung  auf  die  vorgeschichtlichen  Sprach- 
stufen nur  selten  die  früher  so  beliebten  allgemeinen  Bedeutungen  der  Wurzeln 
angenommen  sind,  j 

Das  Nacharbeiten  und  Durcharbeiten  des  fertigen  Manuskriptes  ist  jedenfalls 
mühsamer  und  undankbarer  gewesen,  als  die  eigne  Arbeit  sein  wird.  Vorläufig 
muß  ich  es  mir  gefallen  lassen,  daß  das  Lob  für  den  Weigand  den  beiden 
andern  Bearbeitern  dieses  Bandes  zuteil  wird,  der  Tadel  aber  auf  meine 
Schultern  fällt.  Ich  werde  das  im  Bewußtsein  dessen,  was  ich  an  dem  Werke 
getan  habe,  zu  ertragen  wissen. 

In  Druck  und  Format  hat  sich  die  neue  Ausgabe  dem  heute  üblichen 
angeschlossen. 

Trotz  allem,  was  bisher  angeführt  worden,  ist  die  neue  Auflage  des 
Weigand  eben  doch  der  Weigand  geblieben.  Möge  sie  sich  in  der  neuen  Form 
die  alten  Freunde  bewahren  und  viele  neue  gewinnen. 

Die  weitern  Lieferungen  werden,  wie  ich  bestimmt  glaube,  in  demselben 
Zeitmaß  wie  bisher  erscheinen  können,  so  daß  der  zweite  Band  am  Schluß  des 
nächsten  Jahres  fertig  vorliegen  wird. 

Leipzig,   im  Fel)ruar  1 909. 

H.  Hirt. 


Angeführte  ünelleii. 

Das  Yei-zeichnis  i-utliält  dit-  wichtigsten  Quellen,  soweit  sie  nicht  im  Text  selbst  ausführlich  bezeichnet  sind. 
Bei  vielen  altem  Werken,  die  kurz  angeführt  sind,  gibt  Goedekes  Grundriß  (s.  n.i  genauere  Auskunft.  Das 
Weigandsehe  Verzeichnis  zur  4.  Auflage  ist  im  •wesentlichen  wieder  abgedruckt.  Was  Prof.  v.  Bahder  benutzt  hat, 
hat  er  mir  kurz  angegeben.  In  bezug  auf  die  Kantischen  Angaben  war  der  Herausgeber  auf  die  Sammlung 
aus  dem  Manoski-ipt  angewiesen.  Es  kann  daher  einiges  übersehen  sein,  was  am  Schluß  des  2.  Bandes  leicht 
nachgeholt  werden  kann.   Dr.  Kant  hatte  aber  die  Güte,  die  Korrektur  durchzusehen  und  seine  Ausgaben  genau 

festztistellen.  H.  Hirt. 


Abraham  a  Santa  Clara  Sämmtliclie Werke. 
Passau  1835  ff.  Auch  nach  den  ersten  Drucken. 

Adelung  Versuch  eines  vollständigen  gram- 
matisch-kritischen 'Wörterbuches  der  hoch- 
deutsciien  Mundart.  Leipzig  1775 — Sd  Zweite 
Auflage  1793—1801. 

Adrian  ilitteilungen  aus  Handschriften  und 
seltenen  Druckwerken.     Frankfurt  1846. 

AfdA.  =  Anzeiger  für  deutsches  Altertum. 

Agricola  oder  Georg  Agricola,  Beschrei- 
bung des  Bei-gwerks.  Basel  1557.  Bermannus 
sive  de  re  metallica  dialogiis.  Basileae  1530. 
1546. 

Ahd.  Gl.  =  Althochdeutsche  Glossen,  hrsg.  von 
Steinmeyer  und  Sievers.    Berlin   1879  fg. 

Albertinus  Der  Kriegßleut  Weckuhr.  Mün- 
chen 1601.  Landstörzer.  München  1615, 
1616.  W^eiblicher  Lustgarten.  München  1605. 
Lucifers  Königreich  und  Seelenge jaidt.  Her- 
-ausg.  von  Liliencron  ^Kürschner).  Landleben, 
Contemptus  vitae  aulicae  et  laus  ruris.  Mün- 
chen 1610. 

Alberus,  Erasmus,  dict.  =  novtim  dictionarii 
genus  1540.  Fabeln.  Frankf.  a.  M.  1550.  Neu- 
druck bei  Braune.  Widder  Jörg  Witzeln.  1539. 

Aler.  Paul,  dictionarium  germanico-latinum. 
Köln   1727. 

Alsfelder  Passions  spiel,  aus  der  Hand- 
schrift, die  Weigand  1847  auszog.  Ausgabe 
von  Grein,  Cassel  1874. 

Altd.  Blätter.  Altdeutsche  Blätter  von  Moriz 
Haupt  u.  Heiniich  Hoffmann.  2  Bde.  Leipzig 
1836.   1840. 

Altdeutsche  Predigten  und  Gebete  aus 
Handschriften.  Gesammelt  und  zur  Her- 
ausgabe voi'bereitet  von  W.  Wackernagel. 
Basel  1876. 

Altenstaig  vocabularius,  Basileae  1508.   1514. 

Amadis,  hrsg.  von  Keller,  Stuttgart  1857. 

Amaranthes  nutzbares,  galantes  und  curiöses 
Frauenzimmerlexicon.  1.  Aufl.  Leipzig  1715. 
2.  Aufl.  1739.     3.  Aufl.    1773. 

Anzeiger  des  Germanischen  Museums.  Nürn- 
berg 18.54  ff. 

Apherdianus  tirocinium.    1581. 

Apiniis  Glossarium  novum.     Nürnberg  1728. 

Archenholtz  Geschichte  des  siebenjährigen 
Krieges.    Berlin  1793. 


Arndt,  E.  M.,  Gedichte.    Leipzig  1843.    1860. 

Arnim,  Achim  von,  Sämmtliche  Werke.  Ber- 
lin 1839  ff. 

Augustin  Lexikon  der  Studentensprache  1795. 
Neudruck  Halle  1894. 

Aventinus  grammatica.  Norinberge  1513. 
Sämmtliche  Werke.     München  1881—1908. 

Ayrer,  Opus  theatricum,  hrsg.  von  Keller, 
Stuttgart  1865.  Ein  paar  mal  nach  den  Seiten- 
zahlen des  alten  Druckes,  die  bei  Keller  ver- 
zeichnet sind. 

Barlaam,  Ausg.  von  Fr.  Pfeiffer.   Leipzig  1843. 

Basler  Chroniken,  hrsg.  von  der  histor.  Ge- 
sellschaft  in   Basel.     Leipzig   1872 ff. 

B  a  u  r  Arnsb.  Lrk.  =  Urkundenbuch  des  Klo- 
sters Arnsburg  in  derWetterau;  hess.  Urk. 
=  hessische  Urkunden ,  5  Bde.  Darmstadt 
1860—1873. 

Bechstein  Deutsches  Mu.seum  für  Geschichte 
usw.     Jena  1842  ff. 

Beheim  Wiener  =  Mich.  Beheims  Buch  von 
den  AVienern.  hrsg.  von  Karajan.    Wien  1843. 

B ellin,  Job..  Hochdeutsche  Rechtschreibung. 
Lübeck  1657. 

Benecke  mittelhochdeudsches  Wörterbuch, 
mit  Benutzung  des  Nachlasses  von  G.  Fr. 
Benecke  ausgearbeitet  von  W.  Müller  und 
F.  Zarncke.     Leipzig  1854—1866. 

Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  (BSGW.)  =  Berichte 
der  Kgl.  sächsischen  Gesellschaft  der  Wissen- 
schaften. 

Berneker  Die  preußische  Sprache.  Texte. 
Grammatik.  Et3'mologisches  Wörterbuch. 
1896. 

Berthold  =  Berthnld  von  Eegensburg.  voll- 
ständige Ausgabe  seiner  Predigten  hrsg.  von 
Fr.  Pfeiffer.    Wien  1862—80. 

Besold  Thesaurus  practicus.    Nürnberg  1697. 

Bezz.  Beitr.  =  Bezzenberger  Beiträge  zur 
Kunde  der  indogermanisch  enSprachen.  1877  ff. 

Bindseil,  s.  Luther. 

Birlinger,  Anton,  schwäbisch-augsburgisches 
Wörterbuch.  München  1864.  Wörterbüchlein 
zum  Volksthümlichen  aus  Schwaben.  Frei- 
burg i.  Br.   1862. 

Blumauer  Aeneis.    Wien  1784 — 88. 

Bock  Kräuterbuch.     1546.     1572. 


XII 


Quellen. 


(Bode.  Joh.  Joachim  Christoph)  Humphry 
Klinkers  Reisen.  Aus  dem  Englischen.  3  Bde. 
Lpz.  1772.  Der  Dorfprediger  von  Wakefield. 
Von  neuem  verdeutscht.  Ebd.  1777.  Ge- 
schichte des  Thomas  Jones  eines  Findelkindes. 
(iBde.  Aus  dem  Englischen.  Ebd.  1786— 88. 
Yorricks  empfindsame  Eeise  durch  Frankreich 
und  Italien.     2.  Aufl.  4  Bde.  1769—70. 

Bödiker,  Johannes,  Grund-Sätze  der  Deut- 
schen Sprachen.      Colin  an  der  Spree    1690. 

Böhmer  Urkundenbuch  der  Eeichsstadt Frank- 
furt a.  M.     Frankf.  1836. 

Boisacq  Dictionnaire  etymologiqvxe  de  la 
langue  Grecque.     Heidelberg  1907. 

Boner,  hrsg.  von  Pfeiffer.     Leipzig  1844. 

Borchardt -Wnstmann  Die  Sprichwört- 
lichen Redensarten  im  deutschen  Volksmunde 
nach  Sinn  und  Ursprung  erläutert.  5.  Aufl. 
Leipzig  1895. 

Böschenstcyn  Rechenbuch  1514. 

Brack  voc.  rer.  ^  vocabularius  rerum.  1487. 
1489.    1491.    1495. 

Brant  Layenspiegel  =  Der  neu  Layenspiegel. 
Augsburg  1509.  Narrenschiff  Z.  =  Ausgabe 
von  Zarncke,  sonst  nach  den  Nummern  der 
Abschnitte  zitiert. 

Brem.  Wtbch.  =  Vei'such  eines  bremisch- 
niedersächsischen  Wörterbvichs.  6  Teile. 
Bremen  1767—71  u.   1869. 

Brock  es, 'Barthold  Heinrich,  irdisches  Ver- 
gnügen in  Gott.  I.  Hambiirg  1737  (1744). 
IL  1739.  in.  1736.  IV.  1735.  V.  1736. 
VI.  1789.    VII.  1743.    VIII.  1746.    IX.  1748. 

Brunfels,  Otto,  Kräuterbuch  1530. 

Btr.  =  Beiträge  zur  Geschichte  der  deutschen. 
Sprache  und  Litteratur,  hrsg.  von  Paul  und 
Braune.     Halle  1874  ff. 

Bürger,  Gottfr.  Aug.,  Gedichte,  hrsg.  von 
A.  Sauer  bei  Spemann.  (Bohtz)  =  Sämmt- 
liche  Werke,  hrsg.  von  Bohtz.  Göttingen 
1835.  Gelegentlich  auch  nach  den  Original- 
ausgaben unter  Anführung  des  Jahres. 

Bürster,  Sebastian,  Beschreibixng  des  schwe- 
dischen Krieges.     Leipzig  1875. 

Calepinus  Dictionarium  linguarum  septem. 
Basel  1579.  Dictionarium  undecim  lingua- 
rum.    Basel  o.  .1. 

Campe  1801  ='VVörterbuch  zur  Erklärung  und 
Verdeutschung  der  unserer  Sprache  aufge- 
drungenen fremden  Avxsdrücke.  Braunschweig 
1801.  1813  =  2.  Aufl.  1813.  Die  übrigen 
Zahlen  beziehen  sich  auf  das  AVörterbuch 
der  deutschen  Sprache.  Braunschweig 
1807—1811. 

Castelli  italiänisch-teutsch-  und  tevitsch-ital. 
Wörterbuch.     Leipzig  1700.   1709. 

Chamisso,  Adalbert  v.,  Werke  6  Bde.  Lpzg. 
1836-39. 

Chemnitz  (Kemnitz),  B.  Ph.  v..  Königlichen 
Schwedischen  inTeutschland  geführten  Kriegs 
Erster  Theil.  Alten-Stettin  1648.  Neudruck 
Stockholm  1855 — 59. 

Chron.  d.  d.  St.  =  Chroniken  der  deutschen 
Städte  vom  14.  bis  ins  16.  Jh.    Lpzg.  1862  ff. 

Chyträus  Nomenciator  latinosaxonicus.  Ham- 
burg 1594  u.  ö. 


Clajus,  Johannes,  grammatica  germanicae 
linguae.     Lipsiae  1578. 

Claudius,  Matthias,  Sämmtliche  Werke  des 
Wandsbecker   Bothen.      Wandsbeck    1774  ff. 

clevisch  1477  bezieht  sich  auf  G.  van  der 
Schueren's  Teuthonista  (s.  d.). 

Colerus  oeconomia  oder  Hausbuch.  Witten- 
berg  1595  fg.    1604.    1610.    Mainz  1615— 51. 

Comenius,  Johannes  Amos,  Auffgeschlossene 
Güldene  Sprachen-Thür.  Leipzig  1639.  1640. 
1666.     Orbis  pictus.     1657  u.  ö. 

Corvinus  Föns  Latinitatis  Bicornis  .  .  .  Opus 
ab  Andrea  Corvino  Oratoriae  et  Linguae 
Latinae  quondam  in  Academia  Lipsiensi 
P.  P.  inchoatum;  Nunc  verö  ä  Joanne 
Georgio  Schledero  Eatisbonensi,  priori 
parte  auctius  reddita  et  posteriori  noviter 
adjecta,  in  hanc  formam  digestum,  ac  publicae 
utilitatis  gratia  t3^pis  exscriptum.  Franco- 
furti  1653.   1660. 

Crecelius  Oberhessisches  Wörterbuch.  Darm- 
stadt 1890  —  1899. 

Dähnert,  Johann  Karl,  plattdeutsches  Wörter- 
buch nach  der  alten  und  neuen  pommerschen 
und  rügischen  Mundart.     Stralsund   1781. 

Dann  eil,  Johann  Friedrich,  Wörterbuch  der 
altmärkisch -plattdeutschen  Mundart.  Salz- 
wedel  1859. 

Dasypödius  dictionarium.  Argentorati  1537 
u.  ö.,  so  1642. 

Decameron^  Stainhoe  weis  Decamcron,  hrsg. 
von  Keller.     Stuttgart  1860. 

Delbrück  Grundriß  =  Brugmann- Delbrück 
Grundriß  der  vergleichenden  Grammatik  der 
indogermanischen   Sprachen.     Bd.  8,   1893  ff. 

Dentzler,  Joh.  Jacob,  clavis  germanico-latina, 
als  anderer  Teil  der  clavis  linguae  latinae. 
Basileae  1709.   1713. 

Dictionariolum  puerorum  Germanico-lati- 
num,  in  gratiam  stiidiosae  juventutis  conge- 
stum.  Tiguri  1556.  8^  319  S.  Von  Fri- 
sius  (s.  d.).    Ein  Vorläufer  von  Maaler  (s.  d.). 

Dictionarium,  s.  Neues  usw. 

Diefenbach,  Laurentius,  gl(oss.)  =  glossarium 
latino-germanicum  mediae  et  infimae  aetatis. 
Francofurti  a.  M.  1857.  —  nov.  gl(oss).  = 
Novum  glossarium  latino-germaniciim  mediae 
et  infimae  aetatis.  Frankfurt  a.  M.  1867.  — 
Mlat(einisches)  -  h(och)d(  eutsch)  -  böhmisches 
Wörterbuch.     Frankfurt  a.  M.   1846. 

Dief enbach-Wülcker,  Hoch-  und  nieder- 
deutsches AVörterbuch  der  mittleren  und 
neueren  Zeit.     Basel  1885. 

Diemer,  Deutsche  Gedichte  des  XI.  u.  XII.  Jh. 
.  .  .  hrsg.  von  J.  Diemer.     Wien  1849. 

Dietenberger,  Johann,  Biblia.    Meynz  15o4. 

Dietz,  Philipp,  Wörterbuch  zu  Dr.  Martin 
Luthers  deutschen  Schriften.    Leipzig  1870. 

Diut.  =  Diutiska,  von  Graff.   Stuttgart  1826 fg. 

Döbel,  Heinrich  Wilhelm,  Eröffnete  Jäger- 
Practica.     Leipzig  1746.     3  Teile. 

Dögens  Kriges  Baukunst,  übersetzt  von  Zesen. 
Amsteldam  1648. 

Dornblüth   Observationes.     Aiigsburg    1755. 

Drollinger  Gedichte,  hrsg.  von  J.  J.  Spreng, 
Basel  1743. 


Quellen. 


XIII 


Droste-Hülshof f ,  Annette  von.  Gedichte. 
Stuttsrart  u.  Tübingen  1844. 

Duez  (Dhuesius)  nova nomenclatura  quatuor  ' 
linguarum.  gallico,  germanico,  italico  et  la-  ' 
tino  idiomate  conscripta.   1644.  Dictionarium 
gallico-germanico-lat.  et  germ.-gall.-lat.   Am- 
sterdam 1664. 

DW(B).  =  Deutsches  Wörterbuch  der  Brüder 
Grimm. 

Eber-Peucer  =  Vocabula  rei  numariae,  pon- 

derum  et  mensurarum  graeca  usw..  ex  Budaei, 

Camerarü  etMelanthonis  annotationibus.  Ad- 

ditae  sunt  appeliationes  quadrupedum  u. s.w.. 

collectae  a  Paulo  Ebero  et  Caspero  Peucero. 

Recognitae  et  auctae.     "Witteb.  1558. 
E  c  k  h  a  r  t ,  Meister  Eckhart,  hrsg.  von  Fr.  Pfeiffer  j 

in   Deutsche   Mystiker  des    14.  Jhs.      Bd.  2.  , 

Leipzig  1657. 
Ehingen  Eeisen.     Stuttgart,  Lit.  Ter.    1842. 
Eichendorff   Taugenichts.     Berlin   1842. 
Elisabeth,  Das  Leben  der  heiligen  Elisabeth 

hrsg.  von  Eieger.     Stuttgart  1868. 
Elis.    Charl.    v.    Orleans    Briefe,    hrsg.    von 

W.  Holland.     Stuttgart  1867.   1871. 
Ems  er   Anmerkungen  zum  neuen  Test.   1524. 
Erberg,  Matthias  von.  Das  Grosse  L'niversal- 

und   Yollkomene   Dictionarium.      Xürnberg. 

Martin  Endters   1710. 
Erec.   Die  2.  Ausg.  von  M.  Haitpt.   Lpzg.  1871. 
Erlösung,  die,  hrsg.  von  E.  Bartsch.    Qued- 
linburg u.  Leipzig  1858. 
Eulenspiegel.     Abdruck   der   Ausgabe   vom 

Jahre  1515.     Halle  1884. 
Exodus   in  Hoffmanns   Fundgruben.      Teil  2. 

S.  85—101. 
Eyb.  Alb  recht  von,   Spiegel   der  Sitten.     Co- 

medien   Plauti.     1511.      Deutsche   Schriften, 
-hrsg.  von  Herrmann.    Berlin  1890. 
Ej-chman,    Jodocus,    vocabularius    predican- 

tium.    Nürnberg  1482.  1483.     S.  Melber. 
Eyering  Proverbiorum  Copia.  1601. 

Facetiae  Facetiarum.     Frankfurt  1615.  1645. 

Falk-Torp  =  Hjalmar  Falk  og  Alf  Torp  Ety- 
mologisk  Ordbog  over  det  uorske  og  det 
danske  Sprog.  Kristiania  1903.  Auch  deutsch 
u.  d.  T.  Xorwegisch-dänisches  etymologisches 
Wörterbuch.     Heidelberg  1907. 

Fastnachtsspiele  aus  dem  15.  Jh.  (hrsg. 
von  A.V.Keller).  Stuttg.  1853.  Nachlese  1858. 

Felsenburg,  s.  Schnabel. 

Fick,  A.,  Vergleichendes  Wörterbuch  der 
Indogermanischen  Sprachen.     4,  Aufl. 

Fi  schart  (Kz.)  =  J.  Fischarts  sämmtliche 
Dichtungen.  Herausg.  von  Heinrich  Kurz. 
Garg(antua),  hrsg.  von  Alsleben,  Halle  1891. 
Pract.  =  Aller  Practick  Großmutter.  1572, 
hrsg.  von  Braune;  sonst  Original  Drucke. 
Binenkorb.  Christiingen  I58i.  Auch  1588 
u.  ö.  Die  Dichtungen  nach  Kurz.  Bodiuus 
1586.     Onomastica  1574. 

Fischer,  H.,  Schwäbisches  Wörterbuch.  Tü- 
bingen 1904  ff. 

Fleming,  H.  Fr.  v..  Der  vollkommene  Teut- 
sche  Jäger.  Leipzig  1719.  Der  vollkommene 
Teutsche  Soldat.    Leipzig  1726. 


Fleming,  Paul.  Deutsche  Gedichte.  Hrsg. 
von  Lappenberg.    2  Bde.    Stuttgart  1865. 

Forer.  Conrad,  Fischbuch.     Zürich   1563. 

Förstemann  Altdeutsches Xamenbuch.  1854 ff. 

Franc isci,  Erasra.,  Oriental.  Staats-  u.  Lust- 
garten 1668. 

Franck.  Etymologisch  Woordenboek  der 
Xederlandsche  Taal.     1892. 

Franck,  Mich.,  Kriegsbrand.     Coburgk  1651. 

Franck.  Sebastian.  Weltbuch.  1534.  Germaniae 
chronicon.  1588.  Cronica  der  Türekey.  1530. 
Sprichwörter.  1541.    Morie  Encomion.   1531. 

Frangk.  Fabian,  Teutscher  Sprach  Art  und 
Eygenschafft,  Orthographiausw.  Frankf.  a.M. 
1531. 

Freida.nk.  hrsg.  von  W.  Grimm.  2.  Ausgabe. 
Göttingen   1860. 

Frey  er.  Hieronymus,  Anweisung  zur  Teut- 
schen  Orthographie.     Halle  1722. 

Freytag.  G. .  Gesammelte  Werke.  Leipzig 
1887;8ö. 

Friedberger  Passionsspiel,  aus  der  Hand- 
schrift (s.  ZfdA.  7.  545—556). 

Frisch,  Joh.  Leonh.,  Französisch -teutsches 
Wörterbuch.  1712.  Teutsch- Französisches 
AVörterbuch  1714.  Teutsch-Lateinisches  Wör- 
terbuch.    1741. 

Frischlin  Xomenclator  trilinguis,  graecola- 
tinogermanicus.     Frankfurt  1594.   1616. 

FrisiuS;  Johannes,  dictionarium  latino-germa- 
nicum.  Tiguri  1541.  2.  Ausgabe  1556.  S.  a. 
Dictionariolum  und  Xomenclator. 

Fritzner.  John,  Ordbog  over  det  gamle  norske 
Sprog.     2.  Aufl.     Kristiania  1886. 

Frommann,  G.  Karl.  Die  deutschen  Mund- 
arten.    Halle  1876  ft\ 

Fronsperger  L..  Bauw- Ordnung.  Frank- 
furt 1564.'  Kriegsbuch.  Frankfurt  1573.  1596. 

Fulda  Sammlung  und  Abstammung  Germa- 
nischer Wurzel-Wörter.     Berlin  1788. 

Fundgr.  =  Fundgruben  für  Geschichte  deut- 
scher Sprache  und  Literatur,  herausg.  von 
H.  Hoffmann.     2  Teüe.     1830.  1837. 

Galmy  ein  schöne  und  liebliche  History  1588. 

Garg.  s.  Fischart. 

Geliert  Fabeln  und  Erzählungen  I.  Leipzig 
1748.  n  1751.  Lehrgedichte.  Ebd.  1754. 
Lustspiele.  Ebd.  1748.  Sämmtliche  Schriften 
1784.  W.  =  sämmtliche  Schriften.  Berlin 
1867.    Weidmann. 

Gemma,  Kölner  von  1495.  Straßburger  von 
1505.  1508.  Hagenauer  von  1510.  Siehe 
voc.  gemma  gemmarum. 

Genesis,  in  Hoff manns  -Fundgruben .  Teil  2 
S.  9—84. 

Germania.  Hrsg.  von  Fr.  Pfeiffer.  Stuttgart 
1856  ff.  —  Jahrbuch  der  Berlinischen  Gesell- 
schaft für  deutsche  Sprache  und  Alterthums- 
kunde.  Hrsg.  von  F.  H.  von  der  Hagen. 
Berlin  1836—53. 

Gesamtabenteuer,  hrsg.  von  F.  H.  von  der 
Hagen.     Stuttgart  1850. 

Gesner  Fischbuch  1563  =  Forer  (s.d.). 

Geßner,  Salomon.  Schriften.  4  Teile.  Zürich 
1762. 

Gisander  s.  Schnabel. 


XIV 


Quellen. 


gl.  =  glossae. 

gl.  Jun.  Nyerup  =  Juuius,  Glossaria  antiqua- 
latino-theotisca  bei  Nyerup  Symbolae  ad 
literaturam  teutonicam  antiquiorem,  Havniae 
1787,  S.  17.3—416. 

Göckingk,  L.  F.  Günther,  Lieder  zweier  Lie- 
benden. Leipzig  1779  (verglichen  mit  der 
Ausg.  1777).  Gedichte.  3  Teile.  Ebd.  1780 
—  1782. 

Goedeke,  Karl,  Grundriß  zur  Geschichte  der 
deutschen  Dichtung.  2.  Aufl.  Dresden  1884  ff. 

Golius.  Theophilus.  onomasticum  latino-ger- 
manicum.  in  usum  scholae  Argentorensis 
collectum.     1571.    1579.    1582.    1588. 

Gombert  Bemerkungen  und  Ergänzungen 
zu  Weigands  deutschem  Wörterbuche  u.  a. 
9  Schulprogram_me.  nach  der  Eeihenfolge  des 
Erscheinens  mit  1  usw.  bezeichnet.  1.  Gymn. 
Groß-Strehlitz  in  Oberschi.  1875/76.  2.  Ebd. 
1876/77.  3.  Ebd.  1877/78.  4.  Ebd.  1879/80. 
5.  Ebd.  1881/82.  6.  Ebd.  1888/89.  7.  Ebd. 
1892/93.    8.  Ebd.  1896,7.    9.  Breslau  1898/99. 

Der  j.  Goethe  ^  S.  Hirzel  Der  junge  Goethe. 
Leipzig  1887. 

Goethe.  Zitiert  nach  der  Weimarer  Sophien- 
ausgabe. Ein  paarmal  (1.  H.)  =  Aiisgabe 
letzter  Hand,  60  Bände  in  16".  Stuttgart 
1828 — 42.  Der  junge  Goethe,  s.  o.  Naturw. 
Sehr..  2.  Abteilung  der  Weimarer  Ausgabe. 
Tagebücher  3.  Abteiliuig.  Briefe  4.  Ab- 
teilung. Zuweilen  nach  dem  Datum  an- 
geführt. 

Gott  er  Gedichte  1787. 

Gottsched,  Johann  Christoph,  Grundlegung 
der  deutschen  Si^rachkunst.  Leipzig  1748. 
Vollständigere  und  neuerläuterte  deutsche 
Sprachkunst.  (5.  Aufl.  jenes  Werkes.)  Ebd. 
1762.  Beobachtungen  über  den  Gebrauch 
und  Misbrauch  vieler  deutscher  Wörter  und 
Redensarten.  Straßburg  und  Leipzig  1755. 
1758.     Critische  Dichtkunst  1730. 

Graff  Althochdeutscher   Sprachschatz.     1834. 

Grand  dict.  s.  Pomey.     (1709.) 

Grein.  C.  W.  M.,  Sprachschatz  der  angelsäch- 
sischen Dichter.  2  Bde.  Cassel  u.  Göttingen 
1861—64. 

Grienberger  Untersuchungen  zur  gotischen 
Wortkunde.     Wien  1900.  " 

Grimmeishausen  Ivz.  =  herausg.  von  Kurz. 
K(elle)r  =  hrsg.  von  Keller.  Simpl.  von  1669. 
Neudruck.     Halle  1880. 

Grolman,  F.  L.  A.  v.,  Wörterbuch  der  in 
Teutschland  üblichen  Spitzbuben-Sprachen. 
Gießen  1822.  Benutzt  ist  v.Grolmanns  durch- 
schossenes Handexemplar  mit  reichen  Ein- 
trägen (Weigand). 

Grüwel,  Johann,  Eicht-Schnnr  der  hochteut- 
schen  Orthographie,     Neu-Euppin  1707. 

Gryphius,  Andreas.  Trauer-Spiele,  auch  Oden 
und  Sonnette.  Breßlau  1663.  Horribilicribri- 
fax.     Neudruck  Halle  1876. 

Gueintz.  Gh.,  Die  deutsche  Kechtschreibung. 
Halle  1645. 

Günther.  Sammlung  von  J.  Chr.  Günthers 
Gedichten.     Breslau  und  Leijjzig  1735. 

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Sprache  Livlands.     Eiga  1864  ff. 


Haas,  Johann  Gottfried,  Neues  Teutsches  und 
Französisches  Wörterbuch.  2  Bde.  Leipzig 
1786  u.  1788.  Vollständiges  deutsch-lateini- 
sches Handwörterbuch.    Zwickau  1801  (1811). 

Hagedorn,  Friedrich  von.  Versuch  einiger 
Gedichte,  oder  Erlesene  Proben  Poetischer 
Neben-Stunden.  Hamburg  1729.  Versuch  in 
poetischen  Fabeln  und  Erzehlungen.  Ebd. 
1738.  Oden  und  Lieder  in  fünf  Büchern. 
Ebd.  1747.  Neue  Fabeln  und  Erzehlungen 
in  gebundener  Schreibart.  Ebd.  1749.  Mo- 
ralische Gedichte.  Ebd.  1750.  Sämmtliche 
Poetische  Werke.    3  Teile.    Ebd.  1764.  1771. 

Hahns  Passional.  Das  alte  Passional  (das  1. 
und  das  2.  Buch),  hrsg.  v.  K.  A.  Hahn.  Frank- 
furt 1857. 

Haller   Gedichte.     1753.     Bern  1828. 

Halt  aus  Glossarium  germanicum  medii  aevi. 
Leipzig  1758. 

Halt  rieh  Plan  zu  Vorarbeiten  für  ein  Idio- 
tikon der  siebenbürgisch-sächsischen  Volks- 
sprache.    Kronstadt  1865. 

Hans.  Bruder  Hansens  Marienlieder  aus  dem 
14.  Jahrhundert,  herausg.  von  E.  Minzloff. 
Hannover  1863. 

Happel,  E.  Werner,  academischer  Eoman. 
Ulm  1690. 

Harsdörffer,  G.Ph..  Frauenzimmer-Gesprechs- 
spiele.  1.  1644.  2.  1657.  3.  1643.  4.  1644. 
5.  1645.  6.  1646.  7.  1647.  8.  1649.  Mathe- 
matische und  philosophische  Erquickstunden. 
1636—53. 

Hatzfeld-Darmesteter -Thomas  diction- 
naire  general  de  lalanguefrancaise.  Paris  o.  J. 

Hätzlerin  Liederbuch  =  Liederbuch  der  Clara 
Hätzlerin,  hrsg.  von  Haltaus.  Quedlinb.  1840. 

Hechtenberg.  Clara,  Fremdwörterbuch  des 
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Hederich,  Benj..  Teutsch-Lateinisches  Lexi- 
kon,    Leipzig  1729.  1736. 

Hedio  Josephus.     Straßbui-g  1556. 

Heine,  Heinrich,  AVerke,  hrsg.  von  Elster. 
1887  ft". 

Heinrich  Jul.  v.  Braunschweig,  s.  Herzog 
von  Braunschweig. 

H eiber,  Sebastian,  Teutsches  Syllabierbüch- 
lein.     Freiburg  im  Vchtland  1593. 

Helvicus  (Helvig)  Allgemeine  Sprachkunde. 
1611.     Neudruck  von  Eoethe. 

Henisch,  Georg,  Teütsche  Sprach  und  Weiß- 
heit.    Augsburg  1616. 

Hennig.  G.  E.  S. ,  preußisches  Wörterbuch. 
Königsberg  1785. 

Heppe,  Chr.  W\  v.,  Wohlredender  Jäger. 
Eegensburg  1763  u.  ö. 

Herbort  von  Fritslar,  liet  von  Troj^e,  hrsg. 
von  George  Karl  Frommann.  Quedlinburg 
u.  Leipzig  1837. 

Herder,  Joh.  Gotfried  v. ,  Fragmente  über 
die  neuere  deutsche  Literatur.  1767.  Kri- 
tische Wälder  1769.  Älteste  Urkunde  des 
Menschengeschlechts.  Eiga  1774—76.  1776. 
Plastik.  Ebd.  1778.  Lieder  der  Liebe.  Leip- 
zig 1778.  Das  Buch  von  der  Zukunft  des 
Herrn,  des  Nehen  Testaments  Siegel.  Eiga 
1779.  Vom  Geist  der  Elsässischen  Poesie. 
2   Teile.     Dessau    17S2— 1783.        Zerstreute 


Quellen. 


XY 


Blätter.       Gotha    1791  —  1797.        Ideen    zun 
Philosophie  der  Geschichte  der  Menschheit,  j 
4  Teile.    Riga  und  Leipzig  1784—91.     Briefe 
zur   Beförderung   der  Humanität.     10  Teile.  ■ 
'Riga.  1793—97.     Terpsichore.    3  Teile.    Lü- 
beck 1795—96.     Kalligone.   3  Teile.   Leipzig 
1 800.      Adrastea.    Ebd.    1801—4.      Der   Cid. 
Tübingen    1805.      Gedichte.    2  Teile.     Stutt-  ' 
gart  und  Tübingen  1817.  Sämmtliche  Werke. 
Tübingen  1805 — 20.  Sämmtliche  Werke,  hrsg. 
von  Suphan  iS)  1877  ff. 

Hermes.  Joh.  Timotheus)  Sophiens  Reise 
von  Memel  nach  Sachsen.  6  Bde.  3.  Ausg. 
Leipzig  1778.  Zween  litterarische  Märtyrer 
und  deren  Frauen.     2  Bde.     Ebd.  1789. 

Herzog  von  Braunschweig,  Susanna  1598. 
Die  Schauspiele  des  Herzogs  von  Braun- 
schweig. Hrsg.  von  W.Holland.  Stuttg.  1855. 

Heußlin  Yogelbuch.     Zürich  1557. 

Heynatz,  Johann  Friedr. .  Deutscher  Anti- 
barbarus.  2Bde.  Berlin  1796f.  Handbuch  1775. 

Heyne.  Moriz,  Fünf  Bücher  deutscher  Haus- 
altertümer. Leipzig  1899  ff.  DWB.  =  Deut- 
sches Wörterbuch,  von  Moriz  Heine.  Leipzig 
1890,  2.  Auflage  1905/6. 

Heyse  Deutsches Wprterbuch.    Magdebg.  1833. 

Hildebrand.  R.  Tom  deutschen  Sprach- 
unterricht. Leipzig  und  Berlin.  1890.  Gesam- 
melte Aufsätze  und  Vorträge.     Leipzig  1890. 

Hirt  Der  indogermanische  Ablaut.  Straß- 
burg 1900.    Die  Indogermanen.    Ebd.  1905  f. 

Höfer,  Matthias,  etymologisches  Wörterbuch 
der  in  Oberdeutschland,  vorzüglich  in  Öster- 
reich üblichen  Mundart.    3  Teile.    Linz  1815. 

Höf  er  Urk.  =  Auswahl  der  ältesten  Urkunden 
deutscher  Sprache  im  Königl. Geheimen  Staats- 
und Kabinets-Archiv  zu  Berlin .  hrsg.  von 
Ludwig  Franz  Höfer. 

Hoffmanns  waldau  Vermischte  Gedichte. 
1680.    Heldenrufe  1680.    Getr.  Schäfer  1678. 

Hohberg,  Georgica  curiosa.     Nürnberg  1687. 

Hölty  Gedichte,  hrsg.  von  Halm.  1869. 

Höniger,  Xic.  Weltspiegel  oder  Narrenschiff. 
Basel   1574. 

hör.  belg.  =  horae  belgicae  1830 — 1862. 

Hübner  1709  usw.  Von  Joh.  Hübner  gibt  es 
zwei  enzyklopädische  Handbücher :  das  Staats- 
Zeitungs-  und  Konversationslexicon  Merse- 
burg 1709  und  Curieuses  und  reales  Xatur- 
Kunst-,  Berg-,  Gewerck-  und  Handlungs- 
Lexicon.  1712.  Benutzt  sind  außerdem  Aus- 
gaben dieser  Werke  von  1727.  1741.  1745. 
1760.   1776  u.  a. 

J.  Hübner  1731  =  .1.  Hübners  neu  vermehrtes 
Poetisches  Handbuch.     Leipzig  1731. 

Hug  Rhetorica.     Tübingen  1540. 

HugSchapler.  Straßburg  1500.  1508.  1537. 
Auch  Ausgabe  von  H.  Urtel.    Hamburg  1905. 

Hugo  von  Trimberg  der  Renner.  Hrsg.  vom 
Histor.  Vereine  zu  Bamberg  1833  (Facsimile 
Neudruck  Berlin  1904;.  Ausgabe  des  Literar. 
Vereins  in  Stuttgart   1908. 

Hulsius  teutsch-ital.  und  ital.-teutsches  Dic- 
tionarium.  Fraucf.  a.  M.  1596.  1605.  Schiff- 
fahrt 1595  ff. 

Hupel  Livländisches  Idiotikon  1795. 

Hutterus    Lexicon   harmonicum  1598. 


Ickelsamer.  „Ein  Teütsche  Grammatica"  von 
Yalentinusickelsamer.  Neudruck  von  Kohler. 
3.  durchgesehene   Auflage.      Freiburg   1881. 

Idg.  Forsch.^  Indogermanische  Forschungen, 
hrsg.  von  Brugmann  und  Streitberg.  Straß- 
burg 1891  ff. 

Immermann  Münchhausen.  2.  Ausg.  Düssel- 
dorf 1841. 

Insel  Felsenburg.  s.  Schnabel. 

Jablonski  Versuch  zu  einer  ordentlichen  und 
beständigen  Richtigkeit  der  Hochteutschen 
Sprache  im  Reden  usw.      1721  u.  ö. 

Jacobsson  Technologisches  Wörterbuch. 
8  Bde.    Berlin  1781  ff. 

.Janssen  Frankfurts  Reichscorrespondenz. 
Freiburg  1863—72. 

Jeroschin.  hrsg.  von  Ernst  Strehlke.  Aber 
auch  nach  den  Seitenzahlen  zitiert.  Die 
Deutschordenschronik  des  Nicolaus  von  Je- 
roschin, von  Franz  Pfeiffer. 

Junius  nomenclator.  omnium  rerum  propria 
nomina  variis  Unguis  explicata.  Antwerpen 
1567.     1577  u.  ö. 

Kant  ('H  .  =  Kants  Werke,  hrsg.  von  Harten- 
stein.    10  Bände.     Leipzig  1838  ff. 

Karschin,  Anna  Louisa,  auserlesene  Gedichte. 
Berlin  1764.  Neue  Gedichte.  Mitau  u.  Leip- 
zig  1774.     Gedichte.    Berlin  1792. 

K  e  h  r  e  i  n ,  Joseph,  Volkssprache  im  Herzogthum 
Nassau.    W^eilburg  1862. 

Keisersberg^=  Geiler  von  Keisersberg  Arbor 
humana  1521.  Christlich  Bilgerschafft  1512. 
Brösamlin  1512.  Evangelibuch  1512.  Granat- 
apfel 1510.  Narrenschiff  1520.  Postill  1522. 
Predigen  1508.  Schiff  der  Penitentz  1514. 
Seelen  Paradiß  1510.  Sünden  des  Munds  1518. 

Keller,  Johann  Heinrich.  Beyträge  zu  einem 
Idiotikon  des  Thüringer  Waldgebirges.  Jena 
1819. 

Keller,  Ad.  von,  Erzählungen  aus  altdeutschen 
Handschriften.     Stuttgart  1855. 

Kiechel,  Die  Reisen  des  Samuel  Kiechel. 
hrsg.  von  Haßler.    Stuttgart  1866. 

Kilian(us)  Dufflaeus,  Kiel  aus  Düffel,  Ety- 
mologicum  teutonicae  linguae.  1598.  1599. 
1632  u.  ö. 

Kindleben,  Chr.W.,  Studentenlexikon.  Halle 
1781.     Neudruck  Leipzig  1899. 

Kirchenordnungen,  sächsische. 

Kirchhoff  Wendunmuth,  hrsg.  von  Österlej-, 
Litterar.  Verein  in  Stuttgart  1869 — 70.  Mili- 
taris  disciplina  1602. 

Kirsch.  Kirschii  abundantissimum  cornu  co- 
piae  linguae  latinae  et  germanicae  selectum. 
Noribergae  1718.  1723. 

Klein,  Anton  v..  Deutsches  Provinzialwörter- 
buch.     Frankfurt  und  Leipzig  1792. 

Klop  stock,  Friedr.Gottlieb.sämmtlicheWerke. 
Leipzig  1823  ff.  Der  Messias.  Halle.  4  Bde. 
(I  1760.  II  1756.  III  1769.  IV  1773).  Oden. 
Leipzig  1798  (auch  Hamburg  1771).  Die 
deutsche  Gelehrtenrepublik.  Hamburg  1774. 
Grammatische  Gespräche.     Altona  1794. 

Kloster,  das,  hrsg.  von  Scheible.  Stuttgart 
1845  ft. 


XYI 


Quellen. 


Kloster  Altenberger  Hs. .  s.  ZfdA.  6,  352. 

Kluge  Etj'inologisches  Wörterbuch  der  deut- 
schen Sprache.  6.  Aufl.  Deutsche  Studenten- 
sprache. Straßburg  1895.  Eotwelsche  Quellen 
und  Wortschatz  der  Gaunersprache  und  der 
verwandten  Geheinisprachen.  I.  Eotwelsches 
Quellenbuch.  Straßburg  1901.  Die  zeitlichen 
Belege  für  Worte  der  Gaunersprache  stammen 
aus  diesem  Werk  und  sind  dort  unter  dem 
angegebenen  Jahr  zu  finden. 

Ködiz  Das  Leben  des  heiligen  Ludwig,  hrsg. 
von  H.  Rückert.    Leipzig  1851. 

Konrad  troj.  Kr.  Der  trojanische  Krieg  von 
Konrad  von  Würzburg,  nach  den  Vorarbeiten 
K.  Frommanns  und  F.  Roths  herausg.  durch 
Adelbert  v.  Keller.     Stuttgart  1858. 

Köpkes  Passional.  Das  Passional  (drittes 
Buch),  hrsg.  von  Köpke.    Quedlinburg  1852. 

Kr  am  er  (Krämer),  Matthias,  das  neue  Dic- 
tionarium  oder  Wort-Buch  in  Teutsch-Italiä- 
nischer  Spraach.  Nürnberg  1678.  Allge- 
meiner Schau-Platz,  auf  welchem  vermittelst 
einer  kurtzenFrag-Ordnung  vorgestellet  wird 
die  Teutsche  und  Italienische  Benennung 
aller  Haupt-Dinge  der  Welt.  Ebenda  1679. 
Das  Königliche  Nider-Hoch-Teutsch  usw. 
Dictionarium.  Nürnberg  1719.  3te  Auflage 
von  Moerbeek  1768.     4te  Auflage  1787. 

Krünitz  Ökonomisch -technologische  Enzy- 
klopädie.   1773—1858. 

Kuen,  Dionys,  Oberschwäbisches  Wörterbuch 
der  Bauernsprache.     Buchau  1844. 

Kursächsische  Schulordnung   1580. 

KZ  =  Kuhns  Zeitschrift  für  vergleichende 
Sprachwissenschaft.    1852  ff. 

Lacomblet  ürkundenbuch  für  die  Geschichte 
des  Niederrheins.     1840  ff. 

Ladendorf  Historisches  Schlagwörterbuch. 
Straßburg  1906. 

Lamprecht  Alexander.  Ausg.  von  Weismann. 
Frankfurt  a.  M.  1850. 

Lamprechts  Tochter  von  Syon,  Gießener 
Handschrift,  auch  mit  Yergleichung  von 
Zeithammers  Handschr.  und  der  Lobriser. 
Ausgabe  von  Weinhold,  Paderborn  1880. 

Langbein  Gedichte.  1788.  Sämmtliche  Schrif- 
ten, Stuttgart  1841. 

L aurin.  Laurin  und  Walberan.  im  devitschen 
Heldenbuch  I. 

Lehmann  Chronica  der  Stadt  Speyer.  Frank- 
furt a.  M.  1612  u.  ö. 

Leibniz  Deutsche  Schriften,  herausg.  von 
Guhrauer.     Berlin  1838—40. 

Leipziger  Ordn.  =  der  Stadt  Leipzig  allerley 
Ordnungen.     Leipzig  1544. 

L  e  s  s  i  n  g ,  Gotthold  Ephraim,  sämmtl.  Schriften, 
hrsg.  von  Karl  Lachmann.  13  Bde.  Berlin 
1888-1840. 

Levy  Die  semitischen  Fremdwörter  im  Grie- 
chischen.    Berlin  1895. 

Lex  er.  Matthias,  kärntisches  Wörterbuch. 
1862.  Mittelhochdeutsches  Handwörterbuch. 
1872  ff. 

lib.  ord.  rer.  =  liber  ordinis  rerum.  Hand- 
schrift von  1429,  s.  ZfdA.  6,  393. 

Lichtwer,   Magnus   Gottfr. ,   Fabeln.     Berlin 


u.  Stralsund  1775.    Nach  Buch  und  Nummer 
zitiert. 

Liden  Studien  =  Studien  zur  altindischen 
und  vergleichenden  Sprachgeschichte.  Up- 
sala  1897. 

Liebe,  Georg,  Teutsches Wörterbüchlein.  1686. 

Liliencron  Die  historischen  Volkslieder  der 
Deutschen.     4  Bde.     Leipzig  1 865  ff. 

Limburger  Chronik,  hrsg.  von  K.  Rössel. 
Wiesbaden  1860. 

Lindener  Rastbüchlein  und  Katzipori,  hrsg. 
von  Lichtenstein.     Tübingen  1883. 

Liscow  Sammlung  Satyrischer  und  Ernst- 
hafter Schriften.    Frankfurt  u.  Leipzig  1739. 

Livländische  Reimchronik.  Ausgabe  von 
Franz  Pfeiffer,  Stuttgart  1844:  von  L.  Mever, 
Paderborn   1876. 

Logau  Sinn-Getichte  1654,  hrsg.  von  Gustav 
Eitner.  Nach  Tavasenden,  Hunderten  usw. 
angeführt;  einige  Male  nach  Seiten. 

Lohenstein  Hyacinthen.  Breslau  1680.  Sopho- 
nisbe.  Breslau  1680.  Rosen.  Breslau  1680. 
Ibrahim  Sultan   1673.     Cleopatra   1661. 

Londorp  Acta  publica  des  Teutschen  Krieges. 
1622. 

Lonicerus,  Adam,  Kreuterbuch.     1587. 

L  o  r i  t z  a ,  neues  Idioticon  Viennense.  Wien  1847. 

Lübben  Mittelniederdeutsches  Handwörter- 
buch.   1888. 

Ludwig,  Christian,  Teutsch-Englisches  Lexi- 
con.  Leipzig  1716.  2.  Aiafl.  (mit  der  ersten 
gleichlautend)  1745.  4.  Aufl.  1789.  Englisch- 
Teutsch-Frantzösisch  Lexicon.    Leipzig  1706. 

Luther.  Luthers  Bibelübersetzung,  im  ur- 
sprünglichen Texte,  nach  Bindseils  und  Nie- 
meyers Abdruck.  Luther  mit  Zahl  zeigt 
Luthers  Bücher  und  Schriften  nach  den 
einzelnen  Teilen  der  Jenaer  Ausgabe  an: 
1 1575  usw.  Auch  mit  dem  Zusatz  J.  oder  Jen. 
Auch  nach  der  Eisleber  (Eisl.),  Erlanger  (Erl.) 
und  Weimarer  (W.)  Ausgabe.  Die  Briefe 
nach  de  Wette,  Berlin  1825—28;  Tischreden, 
Frankfurt  1578,  auch  nach  Förstemann  und 
Bindseil.  Berlin  1845  ff.  An  den  christlichen 
Adel.     Neudruck,  hrsg.  von  Braune. 

Maaler,  J.,  Die  Teütsch  Spraach.   Tiguri  1561. 
;  Magdeb.  Blume  =  Die  Blume   von   Magde- 
burg, hrsg.  von  Böhlau.     Weimar  1868. 
Magdeburger  Fragen,   hrsg.  von  Behrend. 

1865. 
Mar  et  a,  Hugo,  Proben  eines  Wörterbuches  der 
österreichischen   Volkssprache.      AVien    1861 
I      u.   1865.     Zwei  Programme. 
Mathesius,  Historien  von  M.  Luthers  anfang 
!      usw.     Nürnberg  1566.    Postilla.    Ebd.  1579. 
!      Sarepta  oder  Bergpostill.  Ebd.  1562.  1571  u.  ö. 
Syrach.    Leipzig   1586  (s.  DW.  5,  XXXIV). 
Matthisson,  Gedichte.     Zürich  1802. 
Megenberg,  Kom-ad  von.    Buch   der  Natur, 

hrsg.  von  Pfeiffer.    Stuttgart  1861. 
Melber,  Johannes,   vocabularis  predicantium 
sive  variloquus.  Argentinae  1482.   1486.  Eine 
neue  Ausgabe  des  Eychman  (s.  d.). 
Melissus  g.  Schede. 

Menantes,  Die  Allerneueste  Art  zur  Reinen 
und  Galanten  Poesie.    1706. 


Quellen. 


XVII 


Messerschmid  Die  kluge  Narrheit.  Dielustige 

Narrheit.    Straßbiu-g  1615. 
Meurer,   Hermann,  lexikalische  Sammlungen 

aus    Friedrich   Eückerts   Werken.      Weimar 

1872.     Programm. 
Michaelis  poetische  Werke.     Wien  1797. 
Micrälius.  J..  Sechs  Bücher  vom  Alten  Pom- 

merlande.     Stettin  1639. 
Miller,  J.  M..  Siegwart.    Leipzig  1777.    Bey- 

trag  zur  Geschichte  der  Zärtlichkeit.     Ebd. 

1776.  2.  Aufl.1780.   Die  Geschichte  Gottfried 

Walthers,  eines  Tischlers.     Ulm  1786. 
Milstäter    Exodus    und    Milstäter    Genesis. 

Genesis    und    Exodus    nach     der    Milstäter 

Handschrift    herausg.    von    Joseph    Diemer. 

Wien  1862. 
]Mone  Anz.  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen 

Vorzeit,  herausg.  von  Mone.     1835  ff. 
Mone  Zeitschr.   Zeitschrift  für  die  Geschichte 

des  Oberrheins.   Herausg.  von  Mone.  1850fg. 
Montanus,  Martin.  Schwankbücher.  Herausg. 

von  F.Bolte.     Tübingen  1899. 
Monumenta  Boica.     München  1763ff. 
Moerbeek,    Ad.    Abr.    van,    neues    deutsch- 
holländisches    Wörterbuch.       Leipzig     1768. 

S.  Kramer. 
Mörike  Werke  in  4  Bänden.     Stuttgart  1899. 
Moritz,  Karl  Philipp,  Vorlesungen  über  den 

Styl.     Neue   Ausgabe   von   Johann  Joachim 

Eschenburg.     Braunschweig   1808. 
Moscherosch,    Hans    Michael,    wunderliche 

und  wahrhafftige  Geschichte  Philanders  von 

Sittewald.     2  Teüe.    Straßburg  1646.    1650. 

Insomnis    cura    parentum.      Neudruck    von 

Ludwig  Pariser.     Halle   1893. 
Moser,  Justus,  patriotische  Phantasien.  4  Teile. 

Berlin    1775 — 1786.      Vermischte    Schriften 

1797.   98. 
Müller   und  Weitz,    die   Aachener   Mundart, 

Idiotikon.     Aachen  1836. 
Müller,    Johann    Gottwerth.     Siegfried    vou 

Lindenberg.    4  Teile.  Leipzig  1790.    Strauß- 

fedem  1790. 
Müller,  Maler,  Werke.    Heidelberg  1811.    Bei 

einzelnen    Schriften    mit    A'ergleichung    der 

ersten  Drucke. 
Müller,  Laur..  polnische  usw.  Historien  1585. 
Münchhausen  Reisen. 
Münster,  Coämographey  1567.     1628. 
Murner,    Geuchmatt,   hrsg.  von  Uhl.     Luthe- 
rischer Narr.  hrsg.  von  Kurz.  Schelmenzunft. 

Narrenbeschwörung   nach   den   Neudrucken. 
M  usäus,  .Johann  Karl  August,  Volksmährcheu 

der  Deutschen.    5  Teile.     Gotha  1787.    1804. 

1826.    Moralische  Kinderklapper.  Ebd.  1788. 

Der  deutsche  Grandison    2  Teile.    Eisenach 

1781  f.     Physiognomische    Eeisen.     4  Hefte. 

Altenburg  1788. 
Mtiskatblut.  Lieder.   Hrsg.  von  E.  v.  Groote. 

Cöln  1852. 
Myst.  =  Mystiker,  hrsg.  von  Pf eiffer.    Leipzig 

1845—57. 

Nas,  J.,  Practica  Practicorum.    1571. 
ndl.  1598.  1599.  =  Kilian. 

Nehring,   Joh.  Christoph,  manuale  juridico- 
politicum    diversorum    tenninorum   vocabu- 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


loruni  usw.  Frankfurt  u.  Leipzig  1694.  1697, 
1710,   1717. 

Nemnich,  Wörterbücher  der  Naturgeschichte. 
Hamburg  1798.  Polyglottenlexikon.  1793—95. 

Neues  Teutsch-Frantzösisch-Lateinisches  Dic- 
tionarium  oder  Wort-Buch.  Genf,  in  Ver- 
legung Wiederhol  ds  1669.  Auch  Wieder- 
holds  Dicionarium  genannt. 

Neues  Dictionarium  oder  Wörter -Buch  Für 
einen  Reisenden.  Teutsch-Frantzösisch-  und 
Lateinisch.  Genf  1683.  Eine  neue  mit  erst 
aufgekommenen  Wörtern  vermehrte  Auflage 
erschien  ebd.  1695. 

Neukirchs  Sammlung  =  Herrn  von  Hoff- 
mannswaldau  und  anderer  Deutschen  auser- 
lesener . .  .  Gedichte  erster  Teil.  Leipzig  1697. 
Dann  noch  5  Teile  1703—27. 

Nib.  oder  Nibel.  Nibelungenlied.  Ausg.  von 
Karl  Lachmann. 

Nicl.  V.  Wyle  s.  Wyle. 

Niebergall,  Ernst  Elias,  des  Burschen  Heim- 
kehr, oder:  der  tolle  Hund.  Lustspiel  in 
vier  Aufzügen.  Li  der  Mundart  der  Darm- 
städter, Worms,  1837.  Niebergall  schrieb 
unter  seinem  Studentennamen  Streff. 

Nieremberger,  Benedikt  Friederich,  Deutsch- 
lateinisches Wörterbuch.     Kegensburg  1753. 

Nomenciator  Latinogermanicus  novus.  Ex 
optimis  quibusque  authoribus,  juxtu  vaiias 
rerum  classes  digestus.  Tiguri  1556.  Von 
Frisius  (s.  d.).  Von  S.  149a— 203b  ist  ein 
Nomenciator  Germanicolatinus  beigefügt. 

Noreen,  Urgermanische  Lautlehre.     1894. 

Notariat  und  teutsche  Khetorik.   1565. 

Notker,  Ps.  =  Notker  Psalmen. 

Notker  Boethius,  Martianus  Capella,  aristo- 
telische Abhandlungen,  die  Ausgabe  von  Graff. 

Nouveau  dictionnaire  AUemand-Franfois.  Straß- 
burg 1762. 

Nürnberger  Polizeiordnungen,  hrsg.  von  Baader, 
Stuttgai-t  1861. 

Oheims  Chronik  von  Keichenau.  hrsg.  von 
Barack.     Stuttgart  1866. 

Olearius,  Adamus,  newe  orientalische  Eeise- 
beschreibung.  Schleßwig  1647.  Angehangen 
mit  eigner  Seitenzahl  ,.Ein  Schreiben  des 
Wol  Edlen,  Gestrengen  und  Vesten  Hohen 
Albrecht  von  Mandelslow".  Schleßwig  1645. 
Moskowitische  und  Persianische  Keisebe- 
schreibung,  Hamburg  1696,  darin:  Persiani- 
sches  Eosenthai.    Persianischer  Baumgarten. 

Ölinger.  Albert.  Vnderricht  der  Hoch-Teut- 
schen  Spraach  (Grammatica).  Argento- 
rati  1574  am  Ende  1573),  zitiert  nach  dem 
alten  Druck,  dessen  Seitenzahlen  im  Neu- 
druck von  W.  Scheel  Halle  a.  iS.  1897  ange- 
geben sind,  z.  T.  auch  übertragen. 

Opel  und  Cohn.  Der  dreißigjährige  Krieg. 
Eine  Sammlung  von  historischen  Gedichten. 
Halle  1862. 

Opitz,  Martin,  opera  poetica  1629.  Amst.  = 
Amsterdam.  I.  1646.  TL.  1646.  JH.  1645. 
Das  Buch  von  der  teutschen  Poeterey.  Nach 
dem  Neudruck  bei  Braune.  Ein  paar  Mal 
nach  Witkowski. 

Ordnungen,  s.  Eeichsordnungeu. 

b 


XYIII 


Quellen. 


Orthographisches  Handbuch.     Bonn  1873. 
Ortnit,  Im  deutschen  Heldenbuch  III. 
Osthoff  Etymologische  Parerga.  Leipzig  1901. 
Oswald    V.   AVolkenstein ,    hrsg.  von    Schatz, 

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Otfr.     Otfried,     Evangelienharmonie     (Krist), 

Ausg.  von  Kelle.     Eegensburg  1856. 
Ottokars  österreichische  Reimchronik,  hrsg. 

von  Seemüller.     Hannover  1890. 
Overbeck,  Vermischte  Gedichte.  Lübeck  1 794. 

Paracelsus,  Opus  chirurgicum.   1565. 

Passional,  s.  Hahns  Passional  und  Köpke's 
Passional. 

Passionsspiel,  s.  Alsfelder  Passionsspiel  und 
Eriedberger  Passionsspiel. 

Paul,  Jean,  Sämmtliche Schriften.  Berlin  1826 f. 
Auch  nach  den  ersten  Ausgaben. 

Pauls  Grd.  =  H.  Paul  Grundriß  der  germani- 
schen Philologie. 

PBrBtr.  s.  Btr. 

Pegius  Dienstbarkhaiten.     Ingolstadt  1559. 

Persianischer  Baumgarteu.  Hambg.1696. 
Ein  Teil  des  Werkes  von  Olearius,  s.  d. 

Peypus.  Nomenclatura  rerum  domesticarum. 
Norimb.  apud  Er.  Pe3'pus.     1530. 

Pfeffel  poetische  Versuche.  Basel  1789— DO. 
4.  Auflage.    Tübingen  1802—9. 

Pf  ist  er,  Chattische  Stammeskunde.  Kassel 
1880. 

Picander,  emst-,  schertzhaffte  und  satyrische 
Gedichte.     5  Bände.     1727—51. 

Pistorius  thesaurus  paroemiacus  1716. 

Platen,  Aug.  von,  gesammelte  Werke.  Stutt- 
gart 1843. 

Platter,  hrsg.  von  Boos.    Leipzig  1878. 

Pomey  (Pomai),  Franciscus,  Das  Grosse  König- 
liche Wörterbuch,  I.  Teutsch-Frantzösisch- 
Lateinisch.  Frankfurt  am  Majni  1690.  Etliche 
Beschreibungen  (diverses  descriptions) ,  als 
Anhang  zu  „11.  Frantzösisch-Lateinisch- 
Teutscla'-.    Auch  1709,  zitiert  als  Grand  dict, 

Prätorius  Mägdetröster  1663. 

Preciosa,  s.  Wolff. 

Pudor,  Christian,  der  Teutschen  Sprache 
Grundrichtigkeit  und  Zierlichkeit.  Colin 
an  der  Spree  1672. 

Raben  er,  Gottlieb  Wilh.,  Satiren.  4  Teile. 
Leipzig  1755.     1766. 

Rabenschlacht,  im  deutschen  Helden- 
buch III. 

Rachel  Sat.  =  Joachim  Rachels  Satyrische 
Gedichte  hrsg.  von  K.  Drescher.  Halle  1903. 

Rädlein,  europäischer  Sprachschatz.  Erster 
Teil.     Leipzig  1711. 

Ramler,  Karl  Wilhelm,  poetische  Werke. 
Berlin  1800  u.  1801.    Gedichte.    Berlin  1779. 

Rauwolff,  Beschreibung  der  Raiß  ...  in  die 
Morgenländer.     Laugingen  1582. 

Rebhun,P.  Susanna.  Zwickau  153G.  Dramen, 
hgb.  von  Palm.     Stuttgart  1859. 

Regel,  Karl,  die  Ruhlaer  Mundart.  Weimar  1 868. 
Das  mittelniederdeutsche  Gothaer  Arznei- 
buch.    Gotha  1872  f. 

Reichel,  Eugen,  Kleines  Gottsched -Wiirtev- 
buoh.     Berlin   1902. 


Reichsordnungen  =  des  Heyligen  Römi- 
schen Reichs  Ordnungen.  Worms  1536.  1539. 
Mainz   1579. 

Reinwald,  hennebergisches  Idiotikon.  Berlin 
1793—1801. 

Renner,  s.  Hugo  von  Trimberg. 

Reuter,  Christian,  nach  den  Neudrucken  bei 
Braune,  1696  erste  Fassung,  21696  oder  1697 
zweite  Fassung  des  Schelmufsky. 

Richey ,  Idioticon  Hamburgense.  Hamb.  1743, 
1755. 

Richthofen,  Karl  v.,  altfriesisches  Wörter- 
buch. 

Ringwald t.  Christliche  Warnung  des  Trewen 
Eckharts.  1590.  Die  lauter  Wahrheit.  1586. 
1598.     Evangelia  1581. 

Robinson  Crusoe,  Leben  und  Begebenheiten 
des.     Leipzig  1720.    Vgl.  Goedeke^  3,  263. 

Röding,  J.  H.,  Allgemeines  Wörterbuch  der 
Marine.     Hamburg  1793  ff. 

Rolle nhagen  Froschmeuseler.  Ein  paarmal 
nach  der  alten  Ausgabe  von  1599  auf  der 
Leipziger  l'niversitätsbibliothek,  dann  nach 
Buch,  Teil,  Kapitel  (Vers). 

Romanische  Forschungen. 

R  o  n  d  e  a  u  Neues  Teutsch-FranzösischesWörter- 
buch.     Verbesserte  Auflage.      Leipzig  1765. 

Rößlin  Kräuterbuch  1533. 

Rost,  Johann  Christoph,  Versuch  von  Schäfer- 
erzählungen 1744,  Als  vermehrte  Aiiflage: 
Versuch  von  Schäfergedichten  1768.  Das 
Vorspiel  1742. 

Rot,  Simon,  Ein  Teutscher  Dictionariiis, 
Augspurg  1571,    1572. 

Roth,  J,  F, ,  gemeinnütziges  Lexikon,  Neue 
Auflage.     iSTürnberg  1791. 

Rothe  Düringische  Chronik,  hrsg.  von  Lilien- 
cron  1859. 

rot\^elsch,  s.  Kluge. 

Rückert  Poetische  Werke.  Frankf.  a.M.  1868. 
Gesammelte  Gedichte.  6  Bde.  Erlangen  1834. 

Rüdiger  Neuester  Zuwachs  der  teutschen 
Sprachkunde.     Leipzig  1782 — 93, 

Sachs,  Hans,  zitiert  ohne  Zusatz  nach  Keller, 
Ein  paarmal  sind  alte  Zitate  AVeigands,  weil 
nicht  auffindbar,  stehen  geblieben.  W.  be- 
nutzte I,  Nürnberg  1590,  U.  1591.  JIl.  1588. 
IV.  1578.  V.  1579.  Die  Fastnachtsspiele  und 
Fabeln  und  Schwanke  auch  nach  den  Goetze- 
schen  Neudrucken  (Halle,  Niemeyer),  zit, 
Fastn.,  Fab. 

S  a c h  s  e n  s  p  i  e  g  e  1 .  nd.  hrsg.  von  Horae3'er,  md. 
von  Hildebrand. 

Salis,  Gedichte.     Zürich  1800. 

Sallust.  übersetzt  V.  Pleningen.  Worms  1513. 
1515. 

Salomönis  hüs,  in  Adrians  Mitteilungen  aus 
Handschriften  usw.  S.  417 — 455. 

Sattler  Teutsche  Orthographey.  Basel  1607. 
1616. 

Schaidenroisser  Odyssea.     Augsburg  1538. 

Schambach.  Geoi'g,  Wörterbuch  der  nieder- 
deutschen Mundart  der  Fürstentümer  Göt- 
tingen lind  Grubenhagen.      Hannover  1858. 

Schede,  Paul  (Melissus),  Die  Psalmen  Davids 
in  teutischeGesangsrevmen.  Haidelberg  1572 


Quellen, 


XIX 


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von   Jellinek,  Halle  1896;. 

Scheible,  Das  Kloster.  Stuttgart  1845.  Das 
Schaltjahr.     Stuttgart  1846. 

Scheibner  Galant  interprete.     1685. 

Seh  ei  dt  Grobianus.     Neudruck.    Halle  1882. 

Schelmufsky  s,  Eeuter,  Chr. 

Scherff  er,W.  Gedichte.  1652.  Der  Grobianer. 
Brieg  1640. 

Schiller,  Friedrich  von.  Es  sind  die  ein- 
zelnen Werke  und  Gedichte  zitiert  und  die 
Stellen  den  ältesten  Drucken  oder  Karl 
Goedekes  kritischer  Ausgabe  entnommen. 
Die  Braut  von  Messina  wurde,  weil  ohne 
Abteilung  in  Aufzug  und  Auftritt,  nach  der 
Seitenzahl  des  ersten  Druckes  (Tübingen  1803) 
zitiert. 

Schiller  Karl,  zum  Thier- und  Kräuterbuche 
des  mecklenburgischen  Volkes.  3  Hefte  (Pro- 
gramme). Schwerin  1861 — 1864.  Beyträge 
zu  einem  mittelniederdeutschen  Glossar. 
Schwerin  1867. 

Schiller  undLübben,  Mittelniederdeutsches 
Wörterbuch.     Bremen  1875  —  81. 

Schiltberger.  Hans,  Beisetagebuch.  Heraus- 
gegeben  von   Langmantel.     Tübingen  1885. 

S  chiltb  ergers  Keisen  von  1394 — 1427.  Hrsg. 
von  Neuniann.     München  1859. 

Schmeller*  =  Schmeller  -  Frommann,  Bay- 
risches Wörtei'buch.  2.  Ausgabe.  München 
1872. 

Schmid,  J.  Chr.  v.,  schwäbisches  Wörterbuch. 
Stuttgart  1831. 

Schmidel  Reise  nach  Südamerika  (1534 — 54). 
hrsg.  von  Langmantel.     Tübingen  1889. 

Schmidt  (Prediger  zu  Werneuchen),  Friedrich 
Wilhelm  August,  Gedichte.  Berlin  1797. 
Almanach  romantisch -ländlicher  Gemähide. 
Ebenda  1798.  Almanach  der  Musen  und 
Grazien   für   das   Jahr  1802.      Ebenda  1802. 

Schmidt  Klamer  Eberhard  Karl,  poetische 
Briefe.  Dessau  1782.  Neue  poetisch.  Briefe. 
Berlin  1790.  Ohne  Beisetzung  des  Namens 
erschienene  Erzählungen  aus  der  Geschichte 
der  Actäontischen  Nachkommen.  Berlin  1789. 
Komische  und  Humoristische  Dichtungen. 
Berlin  1802. 

Schmidt  wQsterwäldisches  Idiotikon.  Hada- 
mar  1800. 

Schnabel,  Ludwig,  Wunderliche  Fata  einiger 
Seefahrer.  I.  Noi'dhausen  1731.  IL  Halber- 
stadt 1772.  IIL Nordhausen  1739.  IV.Ebd.l743. 
Soweit  der  Neudruck,  die  Insel  Felsenburg, 
hrsg.  von  H.  Ullrich  vorliegt,  danach  ange- 
führt. 

Schönsleder ,  Wolfgang,  promptuarium  ger- 
manico-latinum.  Augustae  Vindelicoriun  1618. 
Monachii  1647.     Dillingen  1663. 

Schöpf,  tirolisches  Idiotikon.   Innsbruck  1866. 

Schottelius,  Justus  Georg,  Teutsche  Sprach- 
kunst. Braunschweig  1641.  Die  1663  er- 
schienene dritte  Auflage,  auch  bloß  Schotte- 
lius zitiert,  unter  besonderem  Titel,  ,,aus- 
führliche  Arbeit  von  der  Teatschen  Haubt- 
Sprache". 

Schrader,  Otto,  Eeallexikon  der  indogerma- 
nischen Altertumskunde.     1901.  1 


Schröer  Yocab.,  lateinisch -deutsches  Voca- 
bular  von  1420.  Presburg  1859.  Beitrag 
zu  einem  Wörterbuch  der  deutschen  Mund- 
arten des  ungrischen  Berglandes.  Wien  1857 
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Schubart,  Christian  Friedr.  Daniel,  Gedichte, 
2  Bde.     Frankfurt  a.  M.   1787. 

Schulze,  W.,  Zur  Geschichte  lateinischer 
Eigennamen.     Göttinger  Ges.  d.  Wiss. 

(Schummel,  Joh.  Gottlieb),  Spitzbart,  eine 
komi-tragische  Geschichte  für  unser  päda- 
gogisches Jahrhundei't.     Leipzig  1779. 

Schupp  (ins),  Balthasar,  Schrifften.  Hanau  1663. 

Schütz,  Siegerländer  Idiotismen,  in  den  Jahres- 
berichten der  höheren  Bürger-  und  Eeal- 
schule  zu  Siegen  1845  u.   1848. 

Schütze,  Johann  Friedr.,  holsteinisches  Idio- 
tikon.    4  Teile.     Hamburg  1800  ff. 

Schwartzenbach,  Leonhard,  Synonyma. 
Frankfurt  a.  M.   1580. 

Schwarzenbcrg.  J.  v..  der  teütsch  Cicero. 
Augsburg  1534. 

Schweinichen.  Hans.  Leben  und  Abenteuer, 
hrsg.  von  Büsching.     Leipzig  1823. 

Schweizerisches  Idiotikon.  Wörterbuch 
der  schweizerdeutschen  Sprache.  Bearbeitet 
von  F.  Staub  u.  L.  Tobler.    Frauenfeld  1881  ff. 

Scriptores  rerum  Silesiacarum,  herausg.  von 
Stenzel. 

Sebiz,  Melch..  Siben  Bücher  von  dem  Feld- 
bau.    Straßburg   1580. 

Serapeum,  Zeitschrift  für  Bibliothekswissen- 
schaft.    Leipzig  1840. 

Serränus,  dictionarium  latino-germanicum, 
Norimbergae  1539.  Synon3anorum  libellus, 
Norimbergae  1552. 

Sleidanus,  übersetzt  von  Stamler  1557. 

Soltau,  Ein  Hundert  deutsche  Volkslieder. 
Zweite  Ausgabe.  Leipzig  1845.  Zweites 
Hundert.   Hrsg.  von  Hildebrand.   Lpzg.  1856. 

Soranus  epitome  quatuor  librorum  Conr. 
Gesneri  de  historia  animalium.    1571.  1587. 

Spee  Trutz -Nachtigal,  hrsg.  von  G.  Balke. 
Leipzig  1879. 

Sp  er  ander,  ä  la  Mode-Sprach  der  Teutschen 
(Fremdwörterbuch).  Nürnberg  1727,  1728, 
Der  eigentliche  Name  des  Verfassers  ist 
F.  Gladow. 

Städtechroniken  s.  Chron.  d.  d.  Städte. 

Stalder,  Versuch  eines  schweizerischen  Idio- 
tikon.    Aarau  1812. 

Steinbach,  Deutsches  Wörterbuch  1725.  Voll- 
ständiges deutsches  Wörterbuch  1734. 

Steinmej'er-Sievers  Althochdeutsche  Glos- 
sen.    4  "Bde.     Berlin  1879  ff. 

Stiel  er,  C.  Der  Teutschen  Sprache  Stamm- 
baum und  Fortwachs,     Nürnberg  1691, 

Stolberg,  Christian  und  Friedrich  Leopold, 
Gedichte.  Leipzig  1779.  In  2  Bändchen. 
Leipzig  1821. 

Stoppe,  Neue  Fabeln.  Gedichte  1728.  Parnaß 
1735. 

S  t  o  e  r.  Dictionarium  Germanico-Gallico-Lati- 
num.  Genevae,  Stoer,  1662.  2.  Teil  des 
Dictionnaire  Francois-Alleman-Latin  et  Alle- 
man-Fran9ois-Latin,par  Jacob  Stoer.  Geneve, 
Stoer,  1664. 

b* 


k 


XX 


Quellen. 


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Zusammengest.  von  J.  Brucker.  Straßb.  1882. 

Streff ,  E..   s.  Mebergall. 

Strodtmann,  Idioticon  Osnabrugense.  Leip- 
zig 1756. 

Stumpf  f,  Job.,  Gemeiner  Eydgnoschafft  Chro- 
nik. Zürich  1548.  ZweiteAusgabe :  Schweytzer 
Chronik.     Zürich  1606. 

Stürenburg,  C.  H. ,  ostfriesisches  Wörter- 
buch.   Aurich   1857. 

der  Sunden  widerstrit,  Gießener  Handschrift 
von  1278.  Xach  der  Seitenzahl  derselben 
lind  auch  zuweilen  nach  der  Verszahl  von 
Weigands  Abschrift  zitiert. 

Taberuä  montan  US  Kräuterbuch.    1588. 

T eich n er.  Über  Heinrich  den  Teichner,  von 
Karajan.     Wien  1855. 

Teuerdank,  herausg.  von  Haltaus.  Quedlin- 
burg 1836. 

Teuthonista,  G.  von  der  Schueren"s  Teu- 
thonista  of  Duytschlender.  1477.  Leiden  1804. 
In  eene  nieuwe  bewerking  uitgegeven  door 
J.  Verdam.     Leiden  1896. 

Teutscher  Michel.  Ein  ue-n-  Klaglied,  Teutsche 
Michel  genannt,  o.  O.    1617. 

Theatrum  diabolorum,  Frankf.  1575.  1587. 

Thomas(ius),  Einleitung,  Sittenlehre  u.  a. 
Schriften. 

Thümmel,    Moritz  August   von,  Wilhelmine,  i 
Leipzig  1769,  auch  mit  Berücksichtigung  der  j 
ersten  Ausg.  von  1764.    Reise  in  die  mittäg- 
lichen  Provinzen   von  Frankreich    im   Jahr  | 
1785—1786.     10  Teile.     Ebd.  1791—1805. 

Thurneysser  Onomasticon.    1588. 

Tieck  gesammelte  Novellen.  Breslau  1847. 
Schriften.     Berlin  1828—54. 

Tob  1er,  appenzellischer  Sprachschatz.   Zürich 

1837.  ; 

Tristan,  Ausg.  von  Maßmann.  Leipzig  1843.  ■ 
TrochuSj     Baidassar,     vocabulorum     rerum  [ 

promptuarium.     Lipsiae  1517.  i 

Tscher ning    Deutscher   Gedichte    Fi'ühling.  ' 

Breslau  1642. 

Uhland,  Ludwig,  Gedichte.  Stuttgart  und 
Tübingen  1839.   Volkslieder.   Stuttgart  1844. 

Uhlenbeck,  kurzgefaßtes  Etymologisches 
Wörterbuch  der  gotischen  Sprache.  2.  Aufl. 
Amsterdam  1900. 

Der  L^nartige  teutsche  Sprach  verderber.  1643. 

Veith  Deutsches  Bergwörterbuch.  Breslau 
1871. 

Vilmar  Idiotikon  von  Kurhessen.  Marburg 
1868. 

Vintler  Die  pluenien  der  tugend.  Herausg. 
von  Zingerle.     Innsbruck  1874. 

Virginal,  Im  deutschen  Heldenbuch.  V. 

voc.  oder  vocab.  vocabularius,  vocabularium. 

voo.  ex  quo,  Eltuil  1469. 

voc.  gemma  gemmarum.  Köln  1495.  Straß- 
burg 1505.  1508.  Hagenau  1610.  Vgl.  Gemma. 

voc.  incip.  teut.,  vocabularius  incipiens  teu- 
tonicum  ante  latinuni.    Gegen  oder  um  1500. 

voc.  opt.  =  vocabularius  optimus,  aus  dem 
14.  Jh.,  hrsg.  von  W.Wackei-nagel.  Basel  1847. 


vocabularius  optimus.     Liptzk  1501. 

voc.  praed.  =  Melber. 

vocabula  pro  juventute  scholastica  1517. 

voc.  rerum  s.  Brack. 

voc.  theut.  =  vocabularius  theutonicus.  Nürn- 
berg 1482. 

Voß,  .Johann  Heinrich.  Luise,  Königsberg 
1823.  Idyllen,  Leipzig.  Gedichte,  Königsberg 
1802.  Die  tausend  und  eine  Nacht,  arabische 
Erzählungen.  Aus  dem  Französischen  (des 
Herrn  Anton  Galland)  übersetzt.  6  Bände. 
Bremen,   1781—1785.     Briefe.    1829-38. 

Wächter,  Georg,  Glossarium  germanicum. 
Leipzig  1737. 

Wächtler  Commodes  Maniial  oder  Handbuch 
1711.  1714.  (Soeben  wird  mir  eine  ältere 
Ausgabe  von  1703  zugänglich,  die  fast  den 
gleichen  Stoff  zu  enthalten  scheint,  so  daß  die 
meisten  Belege  auf  dieses  Jahr  zu  setzen  sind). 

Wackernagel,  Wilhelm,  altdeutsches  Lese- 
buch. Fünfte  Aufl.  (1873),  auch  die  vierte  Aus- 
gabe (1861).  Wörterbuch  zum  altdeutschen 
Lesebuch.  Die  Umdeutschung  fremder  Wör- 
ter. Basel  1863.  Altdeutsche  Predigten,  s. 
Altdeutsche  Predigten  und  Gebete. 

Wagner,  Heinrich  Leopold,  die  Kindermör- 
derin. Neudruck  Heilbronn  1883,  in  dem 
die  Seitenzahlen  des  ersten  Druckes  ange- 
geben sind. 

Walde,  Lateinisches  etymologisches  Wörter- 
buch.    Heidelberg  1906. 

Waldis,  Burkhard,  Esopus,  nach  Buch  und 
Nummer  der  Ausgabe  von  H.  Kurz.  Leip- 
zig 1862.  Streitged.  =  Streitgedichte  gegen 
Herzog  Heinrich  den  Jüngern  von  Braun- 
schweig.   Hrsg.  von  Koldewey.    Halle  1883. 

Wallhausen,  Corpus  militare.  1617,  Kriegs- 
kunst zu  Pferde  1616.    Kriegß  Manual  1616. 

Walther,  Walther  von  der  Vogelweide,  hrsg. 
von  Karl  Lachmann. 

Weber,  Johann  Adam,  Teutsch-Lateinisches 
Universal -Wörter -Buch  (Zweiter  Teil  des 
kurz  gefaßten  Lateinisch  -  Teutschen  und 
Teutsch  -  Lateinischen  Universal  -  Wörter- 
buches). Chemnitz  1734.  Die  Seitenzahlen 
sind  nach  dem  deutsch -lateinischen  Teil 
zitiert.  Verglichen  ist  die  dritte  von  Johann 
Daniel  Heyde  besorgte  Ausgabe  in  3  Teilen 
(Dresden  1770),  deren  dritter  das  deutsch- 
lateinische Universal  -Wörterbuch  enthält. 

Weckherlin,  G.  E.,  Gedichte,  herausg.  von 
Fischer.     Tübingen  1894—1907. 

Wedels  Hausbuch.     Tübingen  1882. 

Weim.  Jahrb.  =  Weimarisches  Jahrbuch  für 
deutsche  Sprache.     Hannover  1854. 

Weinhold,  Karl,  Die  Deutschen  Monats- 
namen. Halle  1869.  Beiträge  zu  einem  schle- 
sischen  Wörterbuch.     Gießen  1857. 

Weise,  Chr.,  Die  drei  ärgsten  Erznarren  in 
der  ganzen  Welt.  Abdruck  der  Ausgabe  von 
1673.  Halle  1878.  Politischer  Näscher. 
Catharina  bei  Kürschner.  Der  betrogne 
Betrug.    1678. 

"Weis  m  a  n  n , Erycus,  lexicon  bipartitum,  latino- 
gennanicum  et  germanico-latinum.  Stutt- 
grardiao  1715.    Auch  1703  in  der  ersten  Aus- 


Quellen. 


XXI 


gäbe  des  deutsch-lateinischen  Teiles  zitiert, 
mit  welcher  ganz  der  von  1713  stimmt. 

Weisth.  =  Weisthümer ,  gesammelt  von 
J.  Grimm.     Göttingen  1840fg. 

Weiße,  Christian  Felix,  Gedichte.  3  Bände. 
Leipzig  1772.  Trauerspiele.  5  Teile.  Ebd. 
177B_1780.  Lustspiele.  3  Bände.  Ebd.  1783. 
Komische  Opern.  3  Teile.  Ebd.  1777  (ver- 
glichen die  Ausg.  1768 — 1772;.  Der  Kinder- 
freund.   12  Teile.    Ebd.    1780—1782.     Jagd. 

Well  er  Dichtungen  des  16.  Jh.  Tübingen  1874. 

W  e  1  s  e  r  -  Werlichius  Augsburgische  Chronica. 
Frankf.   1595. 

Werlhof.  Paul  Gottlieb.  Gedichte.  Han- 
nover 1749. 

Werner,  Eechtschreibung  1629. 

Wickram,  Eollwagenbüchlein,  hrsg.  von  Kurz. 
Werke,  hrsg.  von  J.  Bolte.  8  Bände.  Tübingen 
1901—6. 

Wiedemann,  Mich.,  bist,  poetische  Gefangen- 
schaften.  Leipzig  1690.   Monatsweise  zitiert. 

Wieland,  Christoph  Martin.  Comische  Er- 
zählungen. 1768.  Dieselben  sind  einzeln  mit 
der  Yerszahl   zitiert.      Idris.    Leipzig    1768. 

-  Der  neue  Amadis.  2  Bände.  Ebd.  1771.  Die 
Abderiten.  2  Teile.  Ebd.  1781.  Oberon. 
Ebd.  1792.  Nach  Gesang  und  Strophenzahl 
zitiei-t.  Horazens  Briefe.  Übersetzt.  2  Teile. 
Dessau  1782.  Horazens  Satyren,  aus  dem 
Lat.  übersetzt.  2  Teile.  Leipzig  1786.  Ge- 
heime Geschichten  des  Philosophen  Pere- 
grinus  Proteus.  2  Teile.  Ebd.  1791.  Sämmt- 
liche  Werke.  Leipzig  1794  ff.  Dazu  6  Supple- 
mentbände 1797—98. 

Wiener  S.  B.  =  Sitzungsberichte  der  K. 
Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien.  Phil.- 
hist.  Klasse. 

Wierstraat  =  des  Stadt-Secretarius  Christia- 
nus Wierstraat  Eeimchronik  der  Stadt  Xeuss. 
Herausg.  von  G^rote.  Köln  185.5.  Auch  in 
den  Chroniken  der  deutschen  Städte  XX,  479  ff. 

Wigalois,  Ausg.  v.  Franz  Pfeiffer.  Leipzig 
1847. 

Wilhelmi,  .Joh.  Gerlacus,  Lexicon  Germanico- 
Latinum,  als  zweiter  Teil  seines  Lexicon 
proso-metricum  Latino-Graeco-Germanicum. 
Francofurti  ad  Moenum  1706. 

Williram.  Ausg.  v.  H.  Hofimann.  Breslau 
1827;  von  J.  Seemüller,  Straßburg  1878. 

Wilwolt  von  Schaumburg.  1507.  Hrsg.  von 
Keller.     Stuttgart  1859. 

Withof,  Johann  Philipp  Lorenz,  academische 
Gedichte.  2  Teile.  Cleve  und  Leipziir  1782 
und  1783. 


Wolf  dietrich,  im  deutschen  Heldenbuch  LQ. 
'Wolff.    Christian.    Vollständiges    mathemati- 
sches  Lexicon.      Leipzig  1716.    1734.    1746. 
:  Wolff.   Pius  Alexander.   Dramatische  Spiele. 

I  (worin  59—200  Preciosa).     Berlin  1823. 
W^olfram  v.  Eschenbach  Parzival.  hrsg.  von 

Lachmann.     Berlin  1854. 
\  Wtbch.  d.  d.  Syn.     Weigands  Wörterbuch  der 
deutschen  Synonymen.     Mainz  1852. 
Württembergische  Zollordnung  von  1661. 
jWyle,   Translationen   von   Niclas   von  Wyle, 
!      hrsg.  von  Keller.     Stuttgart  1861. 
I 

Zachariä,    Friedrich    Wilhelm.    Scherzhafte 
Epische    und    Lyrische   Gedichte.     2  Bände. 
Braunschweig    und  Hildesheim    1761.      Die 
einzelnen   epischen   Gedichte    sind    mit  Na- 
I      men   und  Verszahl  zitiert.    Die  Tageszeiten. 
I      Zweyte  Aufl.    Eostock  1757.    Die  vier  Stufen 
des  weiblichen  Alters.  Ebd.  1757.  Eenommist. 
Poetische  Schriften.     Braunschweig  1772. 
Zauber -Lex.  =  Onomatologia   curiosa  artifi- 
ciosa  oder  ganz  natürliches  Zauber-Lexicon. 
2.  Aiifl.  Xürnberg  1764. 
Zehner  Xomenclator  1622. 
Zeiller  Episteln  1644. 

Zeit. -Lex.  =  Christian  Weisens  Curieuse  Ge- 
danken  von   den  Xouvellen  oder  Zeitungen 
.  ,  .   und    dann    Ein    .  .  .    Zeitungs- Lexikon. 
Frankfurth  u.  Leipzig  1703. 
Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskunde. 
Z  e  r  n  i  t  z ,  Christian  Friedrich .  Versuch  in  mora- 
lischen und  Schäfer-Gedichten.    Hamburg  u. 
Leipzig  1748.   Zeruitz  stai'b  am  1.  Febr.  1745. 
Zesen.  Deutscher  Helikon  1641.  1649.  Adria- 
tische  Eosemund  1645.    Xeudruck  von  .Jelli- 
nek.  Halle  1897.  Eosenmänd.  1651.  Ibrahim. 
1645.     Dögens  Kriges  Baukunst  1648. 
ZfdA.  =  Zeitschrift   für   deutsches   Altertum. 
Z  f  h  d  M  a.  =  Zeitschrift  für  hochdeutsche  Mund- 
arten. 
ZfdPh.  ^  Zeitschrift  für  deutsche  Philologie, 
hrsg.  von  Ernst  Höpfner  und  Julius  Zacher. 
Halle  1869  ff. 
ZfdW.    =    Zeitschrift     für    deutsche    Wort- 
'      forschung. 
Zimmerische   Chronik,   hrsg.  von  Barack. 
2.  Aufl.     Freiburg  1881. 
i  Zincgref   Apophthegmata  1626.    1631.    1639. 

Auch  Amsteldam  1653,  fünf  Teile. 
j  Zupitza,  Ernst,  Die  germanischen  Guttvirale. 
i      Berlin  1896. 
Bei  Anführung   von   Schauspielen   deuten   die 
beigesetzten  Zahlen  Aufzug  und  Auftritt  an. 


Verzeichnis  Yorkoininender  Abkürzungen. 


a.  .  .  =  alt  .  .   . 

a.  a.  O.  =  am  angefülirten  Ort. 

ABL.  =  Ableitung;. 

ab(uljg.  =  altbulgarisch  (auch 
altkirchenslavisch  genannt). 

adj.  =  adjektiv(isch). 

adv.  =  adverb(ial). 

afr(än)k.  =  altfränkisch 

afr(an)z.  =  altfranzösiscli. 

afr(ie)s.  =  altfriesisch. 

agerm.  =  altgermanisch. 

ags.  =  angelsächsisch. 

ahd.  =  althochdeutsch  (hoch- 
deutsch Yom  7.  bis  ins  1 2.  .Jh.) 

ai(ud).  =  altindisch. 

a(lt)ir.  =  altirisch. 

aisl.  =  altisländisch. 

ai'lt)kelt.  =  altkeltisch. 

Akk.  =   Akkusativ. 

akymr.  =  altkj^mrisch. 

alb.  ==  albanesisch. 

alem.  =  alemannisch. 

älternhd.  =  älterneuhoch- 
deutsch. 

an.  =  altnordisch. 

a(lt)rom.  =  altromanisch. 

an.  s.  anord. 

and(d).  =  altniederdeutsch  (die 
kleinern  altniederdeutschen 
Sprachdenkmäler  bezeich- 
nend). 

andfr(än)k.  =  altniedei'fräu- 
kisch. 

andl.  =  altniederländiscli 

an(ord).  =  altnordisch. 

Anm.  =  Anmerkung. 

apers.  =  altpersisch  (Sprache 
der  pers.  Keilinschriftenj. 

apreuß.  =  altpreuBisch  (die 
Sprache  der  alten  Preußen, 
s.  o.  Berneker). 

arab.  =  arabisch. 

aram.  =  aramäisch. 

arm.  =  armenisch. 

Art.  =  Artikel. 

asächs.  =  altsächsisch 
fSprache  des  Heliand). 

aw(est).  ^  awestisch. 


bayr.  =  bayerisch. 

Bch.  =  Buch. 

bed.  =-  bedeutet,  bedeuten. 

Bed.  =  Bedeutung. 

Bedd.  =  Bedeutungen. 

bes.  =  besonders. 

Bez.  =  Beziehung,  Bezug. 

bildl.  =  bildlich, 

Bl.  =  Blatt. 

bret.  =  bretonisch. 

chin.   =  chinesisch, 
czech.  =  tschechisch. 

d.  vgl.  s.  d. 

d.  i.  =  das  ist. 

dän.  =  dänisch. 

Dat.  =  Dativ. 

dial.  =  dialektisch.    • 

dim.  =  diminutiv. 

ebd.  =  ebenda, 
eig.  =  eigentlich. 
els(äss.)  =  elsässisch. 
engl.  =  englisch. 
entl.  =  entlehnt. 

f.,  F(em).  =  Femininum. 
Fakt.  =  Faktitivum. 
ff.  =  folgende, 
flekt.  =  flektiert, 
flg.  =  folgend. 
fr(än)k.  =  fränkisch. 
fr(an)z.  =  französisch, 
fries.  =  friesisch, 
frühnhd.  ^=  frühneuhoch- 
deutsch. 

gall.  =  gallisch. 
Gen.  ==  Genitiv, 
germ.  =  germanisch, 
gew.  =  gewöhnlich. 
gl(eich)bd.  =  gleichbedeutend, 
got.  =  gotisch. 
gr.  =  griechisch. 
Gramm.  =  Grammatik. 
Grdbed.    =   Grundbedeutung. 


H.  =   Hälfte,   z.  B.    1.  H.    = 
erste  Hälfte. 

hd.  =  hochdeutsch. 
'  hebr.  =  hebräisch. 

hess.  =  hessisch. 
I  hochd.   =  hochdeutsch. 

holst.  =  holsteinisch. 

Hs.  =  Handschrift. 

Id.  =  Idiotikon. 
Imp.  =  Imperativ, 
impers.  =  impersonal. 
Inf.  =  Infinitiv, 
insbes.  =  insbesondere. 
Interj.  =  Interjektion, 
intrans.  =  intransitiv. 
ion.  =  ionisch. 
ir.  =  irisch, 
isl.  =  isländisch. 
I  ital.  =  italienisch. 

!  Jh.  =  Jahrhundert. 

I 

I  Kaj).  =  Kapitel. 
j  kämt.   =  kämtisch. 

kelt.  =  keltisch. 

Komp(ar).  =  Komparativ. 

Konj.  =  Konjunktion. 

Konj.  =  Konjunktiv. 

körn.  =  kornisch. 

kurhess.  =  kurhessisch. 

kymr.  =  kymrisch. 

lad.  =  ladinisch. 
laus.  =  lausitzisch, 
lat.  =  lateinisch, 
leipzig.  =  leipzigerisch. 
lett.  =  lettisch. 
Lex.  =  Lexikon, 
lit.  =  litauisch. 

m.  .   .  ==  mittel  .  .  . 
m.  :^  Maskulinum. 
M(ask).  =  Maskulinum. 
Ma.  =  Mundarten, 
md.  =  mitteldeutsch  (Sprache 
I      Mitteldeutschlands  vom  12. 

bis  ins  15.  Jahrhundert), 
mengl.  =  mittelenglisch. 


Abkürztmo:en. 


XXIJJ 


mhd.  =  mittelhochdeutsch 

(hochdeutsch   von    1150   bis 

gegen  15Ö0). 
mlat.  =  mittellateinisch. 
mnd(dj.  =  mittelniederdeutsch 

(s.  Schiller  und  Lübben,  und 

Lübben). 
mndfrk.    =    mittelniederfrän- 

kisch. 
mndl.  =  mittelniederländisch, 
mrhein.  =  mittelrheinisch, 
mundaitl.  =  mundartlich. 

n.  .  .  ==  neu  .  .  . 

n.  N.  =  Xeutrum. 

nass.   =  nassauisch. 

nd.  .  .  ^  nieder  .  .  . 

nd(d).  =  niederdeutsch  ('platt- 
deutsch). 

ndfränk.  =  niederfränkisch. 

ndh  =  niederländisch. 

nengl.  =  neuenglisch. 

nfr(an;z.  neufranzösisch. 

nhd.  =  neuhochdeutsch. 

nlat.  u.  (;^neul.;:^  neulateiniscli. 

nnd.  =  neuniederdeutsch. 

nndl.  =  neuniederländisch. 

Nom.  =  Xominativ. 

nordd.  =  norddeutsch. 

Xorddtschld.  =  Xordeutsch- 
land. 

norw.  =  norwegisch. 

npers.  =  neupersisch. 

n(eu)prov.  =  neuprovenzalisch. 

n('d)rhein.  =  niederrheinisch. 

Xtr.  =  Neutrum. 

ob(er)d.  =  oberdeutsch. 
ob(er)hess.  =  oberhessisch, 
obsäclis.  =  obersächsisch, 
od.  =  oder, 

omd.  =  ostmitteldeutsch, 
osk.  ==  oskisch. 
oss.  =  ossetisch. 
Ost.  =  östen-eichisch. 
ostfrfänlk.  =  ostfränkisch. 


Part.  =  Partizipium. 
Pass.  =  Passiv. 
Perf.  =  Perfektum. 
Pers.  =  Person. 
PKttr,.  =  Plural, 
polab.  ==  polabisch. 
poln.   =  polnisch, 
pomm.  =  pommerisch. 
portfug).  =  portugiesisch. 
Präp.  =  Präposition. 
Präs.  =  Präsens. 
Prät.  =  Präteritum, 
preuß.^  preußischi'die  Sprache 

der  Provinz  Preußen), 
provienz).  =  provenzalisch. 

RA.  =  Redensart, 
rätorom.  =  rätoromanisch, 
refl    =  reflexiv, 
rhein.  =  rheinisch, 
rom.  =  romanisch, 
russ.  =  russisch. 

S.  =  Seite,  auch  sieh. 

s.  ==  siehe. 

Sachs.  =  sächsisch. 

SB.  =  Sitzungsberichte. 

schles.  =  schlesisch. 

schw.  =  schwachbiegend. 

Schwab.  =  schwäbiscli. 

schwed.  =  schwedisch. 

Schweiz.  =  schweizerisch. 

s.  d.  =  siehe  dieses. 

seit.  =  selten. 

sem.  =  semitisch. 

serb.  =  serbisch. 

Sg.  =  Singular. 

skr.   ==  sanskrit. 

slav.  ^  slavisch. 

slov.  =  slovenisch. 

sorb.  =  sorbisch. 

span.  =  spanisch. 

spätahd.  =  spätahd. 

spr.  =  sprich. 

st.  =  statt. 

stk    =  starkbiegend. 


I  Subst.  =  Substantiv. 

I  südd.  ==  süddeutsch. 

1  Süddtschld.=  Süddeutschland. 

Sup.  =  Superlativ. 
!  s.  V.  =  sub  V.  ce   'unter   dem 
i       Wort). 
'■  s.  V.  a.  =  soviel  als. 

s.  V.  w.  =  soviel  wie. 

thür.   ^  thüringisch, 
thrak.  =  thrakisch. 
tirol.  =^  tirolisch. 
,  trans.  =  transitiv, 
tschech.  =  tschechisch, 
türk.  =  türkisch. 

I  u.  =  und. 

übertr.  =  übertragen. 

umbr.  =  iimbrisch. 

u.  o.,  u.  ö.  =  und  oft,  und  öfter, 
i  unpers.  =  unpersönlich. 
1  urspr.  =  ursprünglich. 

urverw.  ^   urverwandt. 
.  usw.  =  und  so  weiter. 

V.  =  Verb. 

I  V.  =  Vers. 
Vb.  =  Verbum. 
verw.  ^  verwandt, 
vgl.  =  vergleiche. 

wend.  =  wendisch, 
westfl.  =  westfälisch, 
wetterau.  =  wetterauisch. 
Wtbch.  ==  Wörterbuch. 
Wz.  =  Wurzel. 

zgs.  =  zusammengesetzt. 
ZUS.  =  Zusammensetzung. 
Zss.  =  Zusammensetzungen, 
zuw.  =  zuweilen. 

*  =  erschlossene,  nicht  be- 
legte Form. 

—  =  bis,  z.  B.  1.5.— 18.  Jh. 

(  )  in  Wörtern,  z.  B.  ahd. 
(h)linen  bedeutet,  daß  Minen 
und  liiicit  vorkommt. 


Notiz  der  Verlagsbuchhandlung. 

Diese  Lieferung  kann  zur  Einsichtnahme  aufgeschnitten  werden. 
Das  Vorwort  wird  zusammen  mit  Titel,  Quellenverzeichnis,  usw. 
der  Schlußlieferung  nochmals  beigelegt. 


Vorwort  des  Herausorebers. 


Die  Neubearbeitung  des  Weigandschen  AVörterbuches  hat  manche  Schwierig- 
keiten gehabt.  Da  es  von  mehreren  Gelehrten  Ijearbeitet  ist,  so  muß  ich  hier 
über  diese  Tätigkeit  Bericht  erstatten.  Herr  Prof.  von  Bahder  hat  A  bis 
Flecken  geliefert.  Dann  ist,  da  er  die  Arbeit  im  Jahre  1896  aus  Gesundheits- 
rücksichten aufgeben  mußte,  Herr  Dr.  Kant  eingetreten,  und  dieser  hat  die 
weiteren  Teile  bis  stark  ausgearbeitet  (mit  Ausnahme  des  Buchstabens  P).  Den 
Rest  hat  der  Herausgeber  übernommen,  nachdem  auch  Herr  Dr.  Kant  die  Be- 
arbeitung nicht  weiter  fortführen  konnte.  Meine  Tätigkeit  hat  damit  begonnen, 
daß  ich  mich  auf  Veranlassung  des  Verlegers  im  Jahre  1902  verpflichtete,  den 
etymologisxihen  Teil  des  Werkes  durchzusehen  und  zu  ergänzen.  Da  Weigands 
Werk  das  erste  war,  das  die  Etymologie  genügend  berücksichtigte  und  sich 
dadurch  hauptsächlich  sein  Ansehen  erwarb,  so  mußte  dieser  Teil  natürlich 
besonders  gründlich  erneuert  werden,  um  den  Anforderungen  unsrer  Zeit  zu  ent- 
sprechen. Es  schien  mir  dabei  ein  unabwendbares  Bedürfnis,  auch  die  Literatur 
der  etymologischen  Forschung  anzuführen.  Um  aber  den  Umfang  nicht  durch 
zahlreiche  Zitate  noch  mehr  anzuschwellen,  habe  ich  mich  bemüht,  solche  Stellen 
zu  geben,  wo  weitere  Literatur  über  die  betreffenden  Fragen  zu  finden  ist  oder 
wo  ausführlich  über  die  betreffende  Etymologie  gehandelt  ist.  Bei  dieser  Arbeit 
an  der  Etymologie  habe  ich  den  hohen  Wert  des  bisher  Geleisteten  schätzen 
gelernt  und  bin  daher  gern  bereit  gewesen,  nach  Dr.  Kants  Rücktritt,  meiner- 
seits auch  den  Rest  der  Neubearbeitung  sowie  die  Durchsicht  der  bereits 
abgeschlossenen  Teile  auf  mich  zu  nehmen,  wobei  ich  mich  des  Rates  nnd 
der  Beihilfe  Prof.  von  Bahders  erfreuen  konnte. 


Vorwort  zu  Weigand.  Deutsches  Wörterbuch. 

Weigand  hat  außer  auf  die  Etymologie  besonderes  Gewicht  darauf  gelegt, 
das  erste  Auftreten  eines  Wortes  nachzuweisen.  In  diesem  Punkt  ist  die  neue 
Auflage  dank  den  umfassenden  Vorarbeiten  Prof.  von  Bahders,  die  sich  auf  das 
ganze  Werk  erstrecken,  und  der  reichen  Kenntnis  und  Belesenheit  Dr.  Kants 
weit  über  das  von  Weigand  Geleistete  hinausgekommen.  Natürlich  werden  eine 
Anzahl  der  angeführten  Belegstellen  mit  der  Zeit  noch  durch  ältere  ersetzt 
werden  können,  weil  eben  hier  das  Wort  gilt:  dies  diem  docet. 

Ein  weiterer  Vorzug  des  Weigandschen  Werkes,  den  kein  anderes  Werk 
hat,  bestand  darin,  daß  es  auch  die  Fremdwörter  mit  heranzog.  Dieser 
Vorzug  war  natürlich  beizubehalten.  Freilich  konnte  nicht  die  ganze  Flut 
der  Fremdwörter  angeführt  werden,  und  eine  Auswahl  muß  immer  subjektiv 
bleiben,  aber  ich  hoffe,  daß  man  nicht  allzuviel  wichtige  Fremdwörter  ver- 
missen wird.  Für  unsere  Kulturgeschichte  sind  die  Fremdwörter  und  ihre 
Aufnahme  in  den  Sprachschatz  von  ganz  hervorragender  Bedeutung,  und  des- 
halb erhalten  sie  mit  Recht  einen  Platz  in  einem  deutschen  Wörterbuch. 

Außerdem  hat  Weigand  zahlrsiche  seltene  und  landschaftliche  Wörter  auf- 
genommen, was  in  keinem  andern  kurzen  Wörterbuch  der  Fall  ist.  Die  Be- 
arbeiter haben  sich  bemüht,  die  reichen  Ergebnisse  der  mundartlichen  Forschung 
in  den  letzten  Jahren  in  dieser  Beziehung  zu  verwerten.  Auch  die  Ab- 
weichungen in  dem  Sprachgebrauch  von  Luthers  Bibelübersetzung  sowie  der 
Schriftsteller  aus  der  Blütezeit  unserer  Literatur  hatte  Weigand  berücksichtigt 
und  dadurch  ein  nicht  zu  unterschätzendes  Hilfsmittel  für  das  Verständnis  der 
altern  Sprache  geschaffen.  Auch  das  ist  beibehalten  und  nach  KJräften  ver- 
mehrt worden.  Zum  Schluß  aber  muß  ich  betonen,  daß  das  Werk  eben  doch, 
wenn  auch  die  Anordnung  des  Stoffes  innerhalb  der  einzelnen  Artikel  eine 
andere  ist  als  in  den  frühern  Auflagen,  in  den  Grundlagen  doch  Weigands 
Werk  bleibt.  Insbesondere  ist  darum  auch  die  genaue  Bestimmung  der  Be- 
deutungen, wie   sie  Weigand  gegeben  hatte,  beibehalten  worden. 

Soviel  diene  zur  Vorbemerkung.  Weiteres  auszusprechen,  das  Quellen- 
verzeichnis anzuführen,  wird  sich  am  Schluß  des  Werkes  Gelegenheit  finden. 

Leipzig-Gohlis,  Sommer  1907. 

H.  Hirt. 


Verzeichnis  der  wichtigsten  Abkürzungen. 


a.  .  .  =  alt  .  .  . 
adj.  =  Adjektiv. 
ABL.  =  Ableitung. 
ab(l)g.  =  altbulgarisch. 
adv.  =  Adverb. 
AfdA.  =  Anzeiger  für  deut- 
sches Altertum, 
afranz.  =  altfranzösiscb. 
afr(ies).  =  altfriesisch, 
ags.  =  angelsächsisch, 
ahd.  =  althochdeutsch. 
ai(nd).  =*  altindisch. 
air.  =  altirisch. 
alb.  =  albanesisch. 
alem.  =  alemannisch, 
anord.  =  altnordisch, 
apers.  =  altpersisch, 
apreuß.  =  altpreußisch, 
arab.  =  arabisch, 
arm.  =  armenisch, 
aw.  =  awestisch. 

Bezz.Beitr.  =  Bezzenbergers 
Beiträge  zur  Kunde  d.  indo- 
germanischen Sprachen. 

bret.  =  bretonisch. 

Btr.  =^  Beiträge  zur  Geschichte 
der  deutschen  Sprache  und 
Literatur. 

czech.  =  czechisch. 

dän.  =  dänisch, 
dim.  =  diminutiv. 
DWB.  =  Deutsches  Wörter- 
buch der  Brüder  Grimm. 

elsäss.  --=  elsässisch. 


engl.  =  englisch. 

f.  =  Femininum, 
fränk.  =  fi-änkisch. 
franz.  =  französisch, 
fries.  =  friesisch. 

Gen.  =  Genitiv, 
germ.  =  germanisch, 
got.  =  gotisch, 
gr.  =  gi-iechisch. 

hd.  =  hochdeutsch. 

hess.  =  hessisch. 

Id.  =  Idiotikon. 
Idg.  Forsch.  =  Indogermani- 
sche Forschungen, 
ital.  =  italienisch, 
ir.  =  irisch. 

Komp.  =  Komparativ, 
kymi-.  =  kymrisch. 

lat.  =  lateinisch, 
lett.  =  lettisch/ 
lit.  =  litauisch. 

m.  .  .  =  mittel  .  .  . 
m.  ^  Maskulinum, 
md.  =  mitteldeutsch, 
mhd.  =  mittelhochdeutsch, 
mlat.  =  mittellateinisch. 
nmd.  =  mittelniederdeutsch. 

n. .  .  =  neu  .  .  . 

n.  =  Neuti-um. 

nass.  =  nassauisch. 

nd.  ndd.  =  niederdeutsch. 


ndl.  =  niederländisch. 

ndr.-  =  nieder-. 

nhd.  =  neuhochdeutsch. 

obd.  =  oberdeutsch, 
oss.  =  ossetisch. 

Part.  =  Partizipium. 

PI.  =  Plural. 

poLn.  =  polnisch. 

portug.  =  portugiesisch. 
!  Prät.  =  Präteritum. 
j  prenß.  =  preußisch. 
!  provenz.  =  provenzahsch. 

russ.  =  nissisch. 

s.  =  siehe. 

SB.  =  Sitzungsberichte. 
Schwab.  =  schwäbisch, 
schwed.  ^  schwedisch. 
Schweiz.  =  schweizerisch, 
serb.  =  serbisch, 
skr.  =  Sanskrit, 
slaw.  =  slawisch, 
slov.  =  slowenisch. 
Span.  =  spanisch, 
südd.  =  süddeutsch. 
Sup.  =  Supei'lativ. 

V.  =  Verb. 

ZfdA.  =  Zeitschrift  für  deut- 

I       sches  Altertum. 
ZfdPh.  =  Zeitschrift  für  deut- 
sche Philologie. 
ZfdW.  =  Zeitschrift  für  deut- 
sche Wortforschung. 
ZUS.  =  Zusammensetzung. 


Zur  Umsclireibuiig  der  fremden  Alphabete. 


In  diesem  Werke,  das  sich  an  weitere  Kreise  wendet,  ist  im  allgemeinen  die 
einheitliche  Umschreibung  der  fremden  Alphabete  durchgeführt  worden,  wie  ich  sie  Idg. 
Forsch.  21, 145 ff.  schon  im  Hinblick  auf  dieses  Werk  vorgeschlagen  habe.    Es  bedeutet  also: 

1.  "die  Länge  des  Vokals.  Nur  in  althochdeutschen  und  mittelhochdeutschen 
Worten  ist  ^   beibehalten  worden. 

2.  '  und  ^  auf  einem  Vokal  bezeichnen  die  Stelle  des  Haupttons. 

3.  '   hinter  einem  Konsonanten  drückt  die  Palatahsation  (Erweichung)  aus. 

4.  Abgesehen  von  den  deutschen  Dialekten  bezeichnet  s  den  stimmlosen  Zischlaut, 
z  den  stimmhaften,  s  den  scha-,  z  den  entsprechenden  stimmhaften  Laut  (franz.  j), 
c  ist  gleich  ts,  c  ==  tsch,  j  =  dsch. 

5.  Die  sonstigen  Spiranten  sind  durch  p  (engl,  stimmloses  th),  d  (der  entsprechende 
stimmhafte  Laut),  f  und  8  (deutsch  w),  x  und  y  (deutsch  cli  und  ndd.  g)  bezeichnet  worden. 

6.  19  =  dem  gutturalen  Nasal,  deutsch  ng. 

7.  unter  einem  Vokal  z.  B.  (j  drückt  die  Nasalierung  aus,  franz.  on. 

8.  9  ist  ein  unbestimmter  Vokal  (sog.  scivwa). 

9.  Im  Litauischen  bezeichnet  '  den  Stoßton;  '*'  auf  Diphthongen,  '^  auf  einfachen 
Längen  den  Schleifton. 

10.    Im  Indischen   bezeichnet   ein  .  unter   dem  Konsonanten,   z.  B.  t   die  Zerebrali- 
sieining;  g  ist  ein  palataler  Zischlaut,  der  etymologisch  einem  k  entspricht. 


Aas 


a,  der  erste  Buchstabe  des  Alphabets.  Re- 
densart: das  Ä  und  das  0,  «das  Erste  und 
das  Letzte»  (Offenb.  Joh.  1,  8),  denn  Ä  ist  der 
erste  und  das  lange  0  der  letzte  Buchstabe 
des  griechischen  Alphabets. 

-a,  -ach,  Endung  bei  Fluß-  und  danach  bei 
Ortsnamen,  z.  B.  Fulda,  Salzach.  Mhd.  -ä  und 
-ahe,  ahd.  -ä  und  -aha.  Urspr.  ein  selbständiges 
Wort  (als  Flußname  Äa,  Achet  noch  erhalten), 
inder  Bedeutung  «fließen  des  Quellwasser»,  mhd. 
ahe,  ahd.  aha  f.  «Wasser,  Fluß  » ;  dazu  asächs.  aha, 
ags.  ea,  anord.  ä,  schwed.  ä,  dän.  aa,  got.  aha  f. 
«Fluß».  Verwandt  ist  lat.a^itaf. «Wasser»;  viel- 
leicht aind.  agva-  in  ägvävant-  «wässerig»  und 
kam  «Wasser».  Vgl.  Zupitza  Gntt.  60,  Walde 
s.  V.  aqua,  dagegen  Uhlenbeck  Btr.  30,  257. 
Eine  Nebenform  ist  -äff,  z.  B.  in  Aschaff  (ndd. 
-ep,  z.B.  in  Lennep),  ahd.  -aff'a,  die  auf  ein  kelti- 
sches apa  (p  für  qic  eingetreten)  zurückgehen 
soll.  Doch  vgl.  Bremer  Pauls  Grd.  ^  i,  774. 801  f. 

ä,  Interj.  des  Verabscheuens  (pfui!  was 
ist  das  ein  ä  Geschmack,  Goethe  Satyros  1), 
Schon  1573  bei  Ölinger  Gramm.  165  äh  als 
Adv.  (Interj.)  des  Spottens,  Höhnens  neben 
pftty,  pfudich  und  häh:  ä  als  Interj.  des 
Scheltens  1541  bei  Frisius  399%  auch  des 
Nachrufens  und  Klagens  bei  Maaler  11^. 

Aal,  m.  (-S,  PI.  -e),  schon  bei  Dasypodius 
1537  Aal.  Aus  mhd.  ahd.  älm.;  dazu  ndl.  aal, 
ags.  ^l,  engl,  eel,  anord.  all,  schwed.  äl,  dän. 
aal  m.  Kaum  nach  E.  Schröder  Zf  d A.  42, 63  aus 
*edlos  «der  eßbare  Fisch»  oder  «der  Fresser», 
vielmehi*  besteht  wohl  Verwandtschaft  zu  dem 
2.  Teil  von  lat.  angu-illa  f.  gr.  ^Yx-e^uc  f.  «Aal». 
Der  PI.  lautet  älternhd.  wie  im  mhd.  gewöhn- 
lich Äle  (so  noch  1773  Goethe  im  Götz,  d.  j. 
Goethe  2,  344),  doch  Aale  schon  bei  Henisch 
1616,  seit  Adelung  (der  Äle  nur  aus  der  j 
Schweiz  kennt)  Regel.  | 

Aalbauni,  -beere,  s.  Albaum,  -beere.       | 

Aalraupe,  f.  (PI. -n):   breitmäuliger  und  | 
breitköpfiger  aalähnlicher  Fisch,  gadus  Iota. 
Mhd.  bloß  rupe  (rüpe?),  ruppe,  ahd.  ruppa,  da- ! 
neben  mhd.  rutte  f.,  entlehnt  aus  lat.  rubeta  f. 
«Frosch,  Kröte»,  wohl  wegen  Ähnlichkeit  in  der 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch,    ö.  Aufl. 


Kopfgestalt  mit  der  Froschbrut.  Zusammenges. 
Alrup  bei  Alberus  Fab.  19, 144,  Aalrupp  1563 
in  Forers  Fischbuch  172  neben  Bup,  Raup, 
später  wird  Aalraupe  herrschend  (doch  Aal- 
ruppe  noch  bei  Adelung  1793).  Im  Ndd.  gleich- 
bedeutend Aalquappe,  s.  Quappe. 

Aar,  m.  (-S,  PI.  -e):  (dichterisch)  Adler. 
Aus  mhd.  ar,  ahd.  aro  m. ;  dazu  anord.  are,  got. 
ara,  daneben  (mit  andrer  Suffixbildung)  mhd. 
ahd.  am,  ndl.  arend,  ags.  earn,  anord.  schwed. 
örn,  dän.  örn.  Verwandt  sind  abg.  orilü,  lit, 
erelis,  preuss.  arelis,  kymr.  eryr,  bret.  er 
«Adler»;  das  griech.  öpvic  m.  f.  scheint  als 
Grundbedeutung  «Vogel»  zu  erweisen  (vgl. 
auch  mnd.  duf-arne  m.  «Täuber»).  Luther  ge- 
braucht das  sonst  im  16.  Jh.  häufige  Wort 
(z.  B.  bei  Hans  Sachs,  Aventin,  Mathesius, 
Fischart,  Arn  bei  Waldis,  Ringwald,  Rollen- 
hagen) nicht  (nur  das  Komp.  Fischar),  daher 
wird  es  später  ungebräuchlich  (Schottel,  Stieler, 
Dentzler,  Rädlein,  Steinbach  verzeichnen  es 
nur  in  der  schon  im  15.  und  16.  Jh.  auftre- 
tenden Bed.  «Falke,  Habicht,  Sperber»,  oder 
«Geier»,  Frisch  1741  «jeder  große  Raubvogel, 
besonders  Adler»),  in  der  zweiten  Hälfte  des 
18.  Jh.  lebt  es  (im  Anschluß  an  das  im  Ndd. 
erhalten  gebliebene  Arn)  als  poetisches  Wort 
wieder  auf,  von  Bürger,  Voß  u.  a.  gebi'aucht, 
während  es  Schiller  nm-  11,  295,  Goethe  im 
Faust  5462  verwendet.  Vgl.  v.  Bahder  Btr. 
22,  520 f.  Die  ursprüngliche  schwache  Flexion 
ist  fast  ganz  der  starken  gewichen  (Adelung 
1793  verlangt  noch  den  PI.  Aaren). 

"'Aas,  n.  (^Gcen.  Aases,  PI.  Äser) :  verwesendes 
Fleisch;  Schimpfwort.  Aus  ahd.  mhd.  äs  n., 
dazu  mnd.  äs,  ndl.  aas,  ags.  ces  n.,  altes  ^Parti- 
zipium  {*etto-)  von  essen,  also  eigentl.  «Speise 
der  Raubtiere  und  Vögel».  Bei  Luther  aß  mit 
gleichlautendem  PL,  bei  Dasj^podius  1537  aaß, 
bei  Gueintz  1645  Aas.  ABL.  aasen,  v.:  das 
Fleisch  von  dem  FeUe  schaben  beim  Gerben 
(bei  Frisch  1741);  (in  etwas  a.)  in  unrein- 
licher Weise  in  etwas,  z.B.  einer  Speise,  herum- 
wühlen, es  vergeuden  (norddeutscher,  von 
Heynatz  1775  verzeichneter  Ausdruck). 


Aas 


Abele 


-Aas,  n.  (Gen.  Aases;  besser  Aß  zu  schrei- 
ben): Viehfutter.  Mhd.  ahd.  «5  n.  ist  allge- 
meiner «Speise».  Dazuasächs.auord.  äf  D.,  ags. 
^f  m.  «Speise»  Dehnstufige  Bildung  von  essen, 
entspricht  abg.  jadi  f.,  lit.  edis  m.  «Speise». 
Vgl.  auch  Walde  s.  v.  jejunm.  ABL.  aaßeu, 
V. :  fressen  (vom  Wilde).  Als  weidmänn.  Aus- 
druck bei  Jablonski  1721.    S.  äsen. 

ab:  weg  von,  nieder  von.  1)  Präp.  mit 
Dat.,  veraltet  und  nur  noch  obd.  (bei  Hebel, 
Gotthelf)  z.  B.  ah  den  Bergen  «nieder  von 
den  Bergen».  Das  kaufmännische  ah  Hamhurg 
ist  verkürzte  Ausdrucksweise  füi*  von  H.  ah. 
In  Zusammensetzungen:  abhanden,  abseifen 
(s.  d.).  2)  Raumadv.  In  der  verbalen  Zu- 
sammensetzung bezeichnet  es  auch  bloß  die 
Vollendung  der  Tätigkeit,  z.  B.  ablaufen, 
ablehen,  ahscMießen,  die  Erschöpfung  der 
Tätigkeit  in  bezug  auf  ein  Objekt,  z.  B.  ah- 
ängstigen,  ah  füttern,  ahprUgeln,  sowie  die 
Üljertragung  auf  ein  anderes,  z.  B.  abbilden, 
abdrucken.  In  der  nominalen  Zusammen- 
setzung kann  Ab-  zur-  Bezeichnung  des  Ver- 
kehrten, Minderwertigen,  Negativen  stehen,  so 
schon  ahd.  in  abgot  und  weiter  ausgebreitet  im 
Mhd.,  indem  es  vielfach  an  Stelle  eines  altern  n- 
tritt,  so  mhd.  abegunst  f.  «Mißgunst»  neben 
ägunst,  abekust  f.  «Schlechtigkeit»  neben 
dkiist,  abeicitze  f.  «Torheit»  neben  äwifze 
(vgl.  aber-,  after-).  Viele  Zusammensetzungen 
wie  Abbild,  Abdruck  haben  sich  von  den 
verbalen  aus  entwickelt.  'Mhd.  abe,  ah,  ahd. 
aha;  dazu  asächs.  ndl.  af,  ags.  engl,  of,  anord. 
schwed.  dän.  af,  got.  af  «von»,  verwandt  mit 
ski-.  dpa  «ab,  hinweg»,  gr.  dirö  «von»,  lat.  ab, 
a\h.  2}rapd  «wieder,  zurück»  (ans  *2iera2)9'),  lit. 
in  apaba  «der  untere  Teil».  Bei  Luther  und 
sonst  im  altern  Nhd.  kommt  auch  noch  die 
Form  ahe  vor,  die  archaisierend  auch  Goethe, 
Faust  11191  (abestürzf),  Pandora  762  (mit 
ahegewendetem  Blick)  braucht  faber  ahe  als 
Ausruf  bei  Schiller  Räuber  4,  3  ist  dialektisch 
für  abhin  =  hinab). 

Abart,  f.  (PI.  -en):  (veraltet)  herunterge- 
kommene Art  (so  noch  Schiller  Räuber  1, 1); 
Nebenart,  Spielart  (von  Adelung  1774  als 
naturwissenschaftlicher  Ausdruck  angeführt). 
Von  abarten,  v.:  aus  der  Art  schlagen.  Bei 
Comenius  1640. 

abäscheru,  v.:  sich  abmüden.  Eig.  sich 
beim  Äschern  (s.  d.),  «beizen  mit  Asche»  müde 
machen.     Bei  Adelung  1774  aheschern. 

Abbild,  n.  [-es,  PL  -er) :  Wiedergabe  eines 
Bildes.     Schon  frühnhd.  vorkommend  (1515 


Sallust  N  6  abpild),  aber  erst  in  der  neuem 
Dichtersprache  üblicher  geworden.  Von  ab- 
bilden, V.:  frühnhd.  fauch  bei  Luther). 

Abbiß,  m.  (Gen.  Abhisses):  die  Pflanze 
scabiösa  succTsa.  Eig.  Teufels  A.  Der  Name, 
weil  die  unten  wie  abgebissen  aussehende 
stumpfe  Wurzel  nach  dem  Volksglauben  vom 
Teufel  abgebissen  ist.  In  frühnhd.  Glossaren 
( Dief.- Wülcker  4). 

abblitzen,  v.:  ohne  Erfolg  abziehen,  mit 
einem  Anliegen  schroff  abgewiesen  werden. 
Erst  in  der  neuem  Spi-ache.  Bildlich  aus  der 
bei  altern  Schießgewehren  vorkommenden 
Bed.  «aufblitzend  ohne  Erfolg  veiüiegen»  (das 
Pulver  auf  der  Pfanne,  das  Gewehr  blitzte  ab). 

abbrCTÜeren,  v. :  Wörter  in  der  Schrift 
abkürzen.  Aus  mlat.  abbreviäre  «abküi'zen». 
In  der  frühnhd.  Kanzleisprache.  ABL.  Ab- 
breviatur, f. :  Abkürzung  (Reichsordnungen 
82 '^  vom  J.  1512),  aus  mlat.  ahbreviatüra. 

Abbruch,  m.  (-es,  PI.  Abbruche):  das  Ab- 
brechen ;  Schädigung,  Beeinträchtigung.  Spät- 
mhd.  äbehruch  m.  Die  2.  Bedeutung  (jetzt 
nur  noch  in  A.  tun)  schließt  sich  an  mhd, 
abebrechen,  älternhd.  abbrechen  (mit  Dat.) 
«wegnehmen,  entziehen,  schädigen»  an. 

Abc,  n.  (-S,  PI.  -e):  die  (nach  den  drei  ersten 
benannten)  Buchstaben  in  ihrer  Reihenfolge 
(1452  bei  Janssen  Frankf.  Reichscorr.  2, 118); 
die  Anfangsgiiinde  einer  Wissenschaft.  ZUS. 
Abcbucll,  n.  (in  frühnhd.  Glossaren).  Abc- 
schütz,  m.  {-en,  PI.  -en):  Anfänger  im  Lesen- 
lernen (bei  Stieler  1691).  Im  15./16.  Jh.  wurden 
die  Jüngern  Schüler,  die  von  den  altem  unter- 
richtet wm'den,  Schützen  genannt  fSchmeller- 
2,  493  von   1418.) 

Abdachung,  f.  (PI.  -en) :  allmähliche  Nei- 
gung einer  Fläche  wie  bei  einem  Dache.  1616 
bei  Londoii?  Acta  publica  1,  153^. 

abdanken,  v. :  1)  intrans.  (veraltet)  eine 
Dankrede  halten,  bes.  bei  einem  Leichenbe- 
gängnis; sein  Amt  (eig.  dankend)  niederlegen. 
2)  trans.  jemand  (eig.  mit  Dank)  verabschie- 
den. Das  ältere  Nhd.  kennt  dies  a.  nur  mit 
dem  Dativ,  der  trans.  Gebrauch  tritt  zuerst 
bei  Comenius  1640  auf;  a.  «sein  Amt  nieder- 
legen» bei  Stieler  1691. 

Abdecker,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  Schinder. 
Eig.  der  dem  gefallenen  Vieh  die  Decke  d.  i. 
Haut  abzieht.  Im  16.  Jh.  Von  dem  veralteten 
abdecken  «die  Haut  abziehen,  schinden»  (Lilien- 
cron  4,  56,  v,  J.  1532). 

abdrieselu,  s.  ahtröseln. 

Abele,  f.  (PI.  -n):  Pappel.    Von  Voß  aus 


I 


Abend 


abermal 


dem  Ndd.  (schon  mnd.  abele)  aufgenommen. 
Verkürzt  rheinfränk.  Belle  f.  Mit  ndl.  abeel 
m.,  engl,  abele  aus  afranz.  mibel  (auf  lat. 
(übellus  füi-  alhulus  <i^^'eiQ»  zurückgehend)  ent- 
lehnt.   Vgl.  Alher. 

Abend,  m.  (-s,  PI.  e  i :  Zeit,  dann  auch  Ge- 
gend des  Sonnenunterganges.  Aus  mhd.  äbent, 
ahd.  äbant  m. ;  dazu  asächs.  ätand,  ndl.  avond, 
ags.cefen  und  cefning,  wovon  engl.evening.  Das 
Wort  enthielt  urspiiinglich  ein  t  hinter  dem 
Labial,  wie  anord.  aptmm,  schwed.  afton,  dän. 
äffen  m.  zeigen.  Vgl.  Brugmann  Idg.  Forsch. 
5,  376 f.  Vielleicht  zu  gr.  ö\\il  «nachher,  spät», 
ÖTrdipa  «Nachsommer».  Davon  abends,  genetivi- 
sches Adv.  (bei  Lutherj.  ABL.  abendlich, 
adj.,  mhd.  äbentlich,  ahd.  äbanfWi.  ZUS. 
Abendbrot,  n.:  Abendessen,  in  der  nordd. 
Umgangssprache  (schon  spätmhd.  äbentbrotn.). 
Abendland,  n.:  Okzident,  im  altern  Nhd. 
nur  im  Pk  Abendländer  (noch  Adelung  be- 
zeichnet den  Sg.  als  ungel^räuchlich).  Abend- 
mahl, n.,  mhd.  äbentmäl  «Abendessen»,  seit 
Luther  Bezeichnung  des  am  Abend  eingesetzten 
Saki'aments  des  Altars  und  im  urspr.  Sinn 
wenig  mehr  gebräuchlich.  Abendrot, n.,  mhd. 
äbentrot  m.  und  n.,  mit  Anlehnung  an  rot,  nach 
dem  bereits  ahd.  abgeleiteten  tagaröt  m.,  ags. 
dcegredn.  «Morgenrot»  gebildet.  Abendstern, 
m.,  mhd.  äbenfsferne,  ahd.  abantsterno. 

Abenteuer,  n.  (s,  PI.  wie  Sg.):  wunder- 
bares Erlebnis:  ritterliches  Wagnis;  dessen 
Erzählung;  (erst  fiühnhd.)  seltsame  Gestalt, 
Mißgestalt.  Aus  mhd.  äventiure  f.,  entlehnt 
aus  frz.  avenfure,  mlat.  advenfura  f.  (von  ad- 
venlre  «zukommen,  sich  ereignen»).  Das  ur- 
sprünghche  f.  nur  vereinzelt  im  altern  Nhd. 
(z.B.  bei  Gryphius,  Grimmeishausen)  erhalten. 
Ältere  nhd.  Nebenformen  sind  Ebenteuer  (so 
bei  Luther  und  bei  einigen  noch  im  18.  Jh.) 
und  (ausdeutend)  Abendteuer.  ABL.  aben- 
teuerlich, adj.,  'i]idXmhd..äventiurlich.  aben- 
teuern, V.,  mhd.dventiuren.  Abenteurer, 
m.,  mhd.  äventiurcere  m. 

aber,  l)  Zeitadv.  wiederum  (veraltend), 
a.  und  a.  tausend,  2)  stärkern  oder  gelindem 
Gegensatz,  auch  bloß  Fortführung  der  Rede 
bezeichnende  Konjunktion.  Diese  als  Subst. 
das  Aber  «entgegenstehendes  Bedenken,  zu 
bedenkende  Schwierigkeit».  ^Ihd.  aber,  aver 
(auch  verkürzt  abe,  ave),  ahd.  ahur,  avar; 
dazu  gehört  got.  afar  Präp.  «nach»,  Adv. 
«nachher»,  das  als  komparativische  Bildung 
zu  got.  af  «von»  zu  betrachten  ist.  Als 
Grundbed,  ist  «weiter  weg»,    dann  «später» 


anzusehen,  vgl.  aind.  dparas  «der  Spätere» 
und  asächs. abaro, ags. eaf'ora  m. «Nachkomme». 
Vgl.  äfern.  In  der  nominalen  Zusammenset- 
zung mit  Aber-  sind  aus  der  Bed.  «wiederum, 
wiederholt»  folgende  andere  hei-vorgegangen: 
l)  «nach hinten,  zuiiick»  in  Aöerraferm.« Groß- 
vater» (bei  Luther),  Aberwamlel  m.  «Rück- 
gang», Aberklaue  f.  (s.  Afterklaue),  mhd.  aber- 
loette  n.  f.  «hinterlegtes  Pfand»;  2 )  die  Bed.  des 
Verkehrten,  Minderwertigen,  Negativen  (vgl. 
Aberglaube,  Aberwitz,  älternhd.  Abergunst 
<<Mißg\mst»,Abername  «Beiname»,  ievner  Aber- 
glaube, Aberwitz),  in  dieser  Bed.  tritt  abey--  seit 
Mitte  des  15.  Jh.  an  SteDe  von  ab-  (s.  d.,  so- 
wie After-).  Detter  ZfdA.  42,  53  verbindet 
dies  aber  mit  anord.  aur-  «miß-». 

aber,  aber,  äper,  adj.:  schneefrei.  In 
obd.  Mundarten  (auch  ostfrk.  äfer,  elsäss.  a/er). 
Aus  mhd.  aber,  ceber,  ahd.  dpiri.  Das  Wort, 
das  auch  «leer,  trocken,  mild  (vom  Wetter), 
sicher»  bedeutet,  kann  nicht  aus  lat.  apricus 
<  sonnig»  entlehnt  sem,  auch  Urverwandtschaft 
damit  ist  unwahrscheinlich.    Vgl.  Ebbe. 

Aberacht,  f.:  die  über  andi-er  Acht  ste- 
hende kaiserhche,  als  vogelfrei  erklärende  Acht. 
Spätmhd.  aberähte,  (unter  Anlehnung  an  aber 
«wiederum»)  hervorgegangen  aus  oberähtet, 
mndd.  over ächte  (Sachsenspiegel  3,  34,  in  der 
md. Fassung  diu  iibere  ächte),  1437  mä.obiracht 
(Janssen  Frankf. Reichscorr.  1,  419)f.  S.  -Acht. 

Aberglaube,  m.  (-ns,  PI.  -n)  -.  verkehrter 
Glaube.  1482  erscheint  aberglaub  im  voc. 
praed.  Co  7%  femer  bei  Brant  (Narrenschiff 
38,  37.  Layenspiegel  J  1  ^)  und  Luther  (neben 
Äbglaube),  wie  es  auch  1540  bei  AlbenisDict. 
und  1541  bei  Frisius  auftritt.  Aber-  ist  hier 
nicht  entstellt  aus  ober-  wie  man  nach  lat. 
superstitio  f.,  ndl.  overgeloof  n.,  dän.  overtro 
«Aberglaube»,  denken  könnte,  darf  auch  nicht 
mit  dem  anord.  in  Zusammensetzungen  erschei- 
nenden afar-  «sehr»  zusammengebracht  wer- 
den (etwa  duixh  übermäßiges  Glauben  ver- 
kehrter Glaube j,  sondern  bedeutet  «vom  rech- 
ten Glauben  abweichender  Glaube»  (s.  aber). 
ABL.  abergläubisch,  adj.,  bei  Luther,  1541 
bei  Frisius  abergläubisch,  mit  andrer  Endung 
1482  im  voc.  praed.  abergloubig,  noch  bei  Hage- 
dorn und  Herder  abergläubig. 

Aberklaue,  s.  Afterklaue. 

abermal,  abermals,  adv.:  wiederum, 
beide  bei  Luther.  Verbindung  von  aber  mit 
dem  Akk.  Mal,  woran  weiter  das  adverbiali- 
sche -s  antreten  konnte.  ABL.  abermalig, 
adj.,  in  der  fmhnhd.  Kanzleisprache. 

1* 


Aberraute 


abgeführt 


8 


Aberraute,  f.:  die  Stabwm-z,  artemisia 
abrötanum.  Mit  Anlehniing  an  Baute  aus  dem 
gr.-lat.  abrötanum  n.  gebildet.  Urspr,  niederd. 
Form  (im  15.  Jh.  averrüte).  Dagegen  mit  Ver- 
schiebung des  t  zu.  g  ahd.  avaru^a,  woraus 
mundartf.  Äfrusch  m.  (1538  bei  Rößlin  131° 
Äbrausch).    Vgl.  auch  Eheritz. 

aberweise,  adj.:  verkehi-t  weise  (Goethe 
38,  21).  Wie  aberklug  u.  a.  Neubildung  nach 
Aberglaube,  Aberwitz  (s.  d.). 

Aberwitz,  m.:  Verkehrtheit  des  Geistes. 
Mhd.  abenvitze  neben  früherm  abewitze  f.  «Un- 
verstand, Wahnsinn».  (Vgl.  aber  und  Aber- 
glaube.) Das  ui'sprüngliche  fem.  erhält  sich 
im  altem  Nhd.,  z.  B.  Lohenstein  Hyac.  46. 
ABL.  aberwitzig,  adj.,  frühnhd.  (Dief.- 
Wülcker  26). 

abescliern,  s.  abäschem. 

abfahren,  v.:  l)  intr.  eine  Fahrt  antreten, 
weggehen;  sterben  (Ludwig  1716,  als  bui'schi- 
kos  bei  Kindleben  1781  und  Augustin  1795  an- 
geführt); abgleiten,  mit  seinem  Anliegen  ab- 
gewiesen werden  (Goethe  41,  153)  vgl.  ab- 
fertigen. 2)  trans.  durch  Fahren  wegschaffen 
oder  lostrennen.  Mhd.  abevarn\%t  «weggehen, 
sein  Besitztum  abtreten,  abfallen»,  ahd.  aba- 
varan  «verschwinden». 

Abfall,  m.  (-es,  PI.  Abfälle):  das  Meder- 
und  Wegfallen  wovon,  mhd.  abeval;  jähe 
Neigung,  abschüssige  Lage  (1711  beiRädlem); 
geiingwertiges  Abgefallenes  wovon  (1716  bei 
Lud^vig);  Sich-Lossagen  und  Trennung  von 
einem  Verbände  (Esra  4,  19);  Übergang  aus 
gutem  in  schlechten  Zustand  (bei  Luther); 
Geringersein  in  Vergleich  zum  rechten  Maß 
(1711  bei  Rädlein);  übeiTaschende  Verschie- 
denheit (Schiller  Räuber  2,  3);  Abstufung 
(Moser  Verm.  Schi-.  1,  105);  ungünstige  Be- 
ui'teilung  im  Gegensatz  zu  Beifall  (1663  bei 
Schotteis);  Mißerfolg.  ABL.  abfällig,  adj. 
und  adv.  (jetzt  nur  in  der  Bed.  «ungünstig 
beurteilend»,  die  Adelung  1793  und  Heynatz 
1796  noch  nicht  kennen;  bei  Luther  in  der 
Bed.  «abtrünnig»). 

abfeimen,  v. :  den  Feim  (Schaum)  wovon 
abnehmen,  klären  (Goethe  7,  125),  wie  raffi- 
nieren (s.  d.).  Das  Part.  Prät.  abgefeimt,  wie 
raffiniert:  abgeschäumt;  geklärt;  gewandt  in 
schlimmen  Streichen.  Schon  1463  den  abge- 
vaimpten  schalk  (Beheim  Wiener  285, 10),  da- 
neben auch  dbgefamnt  (Fastnachtsp.  202,  19), 
ahgefeunipt  (Montanus  291,  15),  wie  noch  Les- 
sing 7,  154  eine  abgefäumte  Buhlerin  schreibt. 

abfertigen,  v.:  zum  Abgehen  fertig  ma- 


chen ffiühnhd.  z.  B.  Rhetorica  52*');  auf  eine 
Fahrt  entsenden  (Sattler  1607  j;  schroff  zurück- 
weisen (Opitz  1,  187),  vgl.  abfahren. 

abfinden,  v.:  durch  eüi  Abkommen  be- 
friedigen. Eig.  den  Weg  zur  Seite  jemandes 
finden,  vgl.  ein  Abkommen  treffen  und  mnd. 
afdrepen  «  sich  vergleichen  ».  Refl.  sich  a. «  über- 
einkommen, befriedigt  sein».  Als  Rechtsaus- 
druck bei  Sattler  1607.  Davon  Abfindung, 
f.,  zu  Anfang  des  17.  Jh.  in  Wedels  Hausbuch  226. 

abfolgeu,  s.  verabfolgen. 

abführen,  v.:  l)  intr.  zur  Seite  führen. 
2)  trans.  wegführen,  mhd.  abeviieren,  ahd.  äba- 
vuoren :  (Gelder)  einer  Kasse  zuführen,  eig.  wohl 
als  Zins  usw.  gegebene  Tiere  wegführen  (im 
17.  Jh.  z.  B.  Logau  3,  127);  einem  eine  Nie- 
derlage beibringen,  ihn  ablaufen  lassen  (Les- 
sing 1, 416,  als  studentisch  bei  Kindleben  1781), 
vgl.  abfertigen:,  abrichten,  nur  im  Part.  a&- 
gre/iV/iri  «verschlagen»  (1531  bei  Franck  Chron. 
304^),  hier  entstellt  aus  abgeviert  (a.  wie  ein 
Würfel),  eig.  «viereckig».  Refl.  sich  a.  (in  ver- 
ächtlichem Sinn)  «weggehen»' (1711  bei  Räd- 
lein, Günther  530,   Schiller  Fiesko  1,  9). 

Abgang,  m.  [-s,  PI.  Abgänge):  das  Weg- 
gehen wovon;  was  abgeht,  AbfaU;  Abnahme, 
Verminderung;  Mangel,  Gebrechen;  Absatz 
(von  Waren).  Mhd.  abeganc  m.  ABL.  ab- 
gängig, adj.  (nach  den  drei  letzten  Bedd. 
von  Abgang). 

abgeben,  v.:  weggeben,  von  sich  geben; 
(etwas  a.)  darstellen,  sich  zeigen  als  (im  17.  Jh.). 
Refl.  sich  a.  «sich  beschäftigen  mit»  (1755  von 
Gottsched  Beob.  3  als  ein  seit  weniger  Zeit 
etncrerissener  Mißbrauch  bezeichnet,  von  Ade- 
lung  1774  verteidigt). 

abgebrannt,  adj.:  aller  Mittel  beraubt. 
Eig.  dui'ch  Brand  um  seine  Habe  gekommen. 
Nach  Moscherosch  Phil.  2,  685  zui*  Zeit  des 
30jährigen  Krieges  aufgekommen. 

abgebrüht,  adj.:  sittlich  abgestumpft 
(priapische  abgebrüete  Ammen,  Fischart  Garg. 
201).  brühen  geht  hier  auf  das  ndd.  brüden, 
brüen  «coire»  zurück,  vgl.  DW  4, 1,  2342,  doch 
wird  jetzt  an  brühen  «sieden»  gedacht,  vgl. 
hartgesotten. 

abgedroschen,  adj.:  (von  Erzählungen 
usw.)  oft  vorgebracht  und  daher  für  niemand 
von  Wert  (bei  Rädlein  1711).  Ursprünglich 
Part.  Prät.  von  abdreschen  «ganz  ausdreschen, 
durch  Dreschen  der  Kerne  (des  Inhalts)  be- 
nehmen».    Wohl  nach  lat.  verba  trita. 

abgefeimt,  s.  abfeimen. 

abgeführt,  s.  abführen. 


abs'eschmackt 


ablassen 


10 


abgeschmackt,  adj.:  reizlos  widrig  für 
den  Geschmacksinn.  Mit  angetretenem  t  statt 
des  altern  dbgeschmack  und  so  gleichsam  in 
das  Part.  Prät.  eines  Verbums  abschmecken 
«den  Geschmack  verlieren»  umgebildet.  Bei 
Duez  1664. 

Abgott,  m.  i-es,  FLAbgötte)-) :  Abbild  eines 
Gottes,  nachgemachter  Gott;  falscher  Gott  im 
Gegensatz  des  wahi'en.  Mhd.  ahd.  ahgot  n. 
(selten  m.).  Zu  dem  got.  Adj.  afgitps  «von 
Gott  abgewichen,  gottlos  >.  ABL.  abgöt- 
tisch, adj.,  spätmhd.  abgötisck.  Abgötterei, 
f.,  spätmhd.  abgöten. 

Abgrund,  m.  (-s,  PI.  Abgründe):  in  die 
Tiefe  hinabgehender  Grund.  Spätmhd.  ab- 
grunt  m.  neben  häufigenn  abgründe  n.,  ahd. 
äbgrunti  n.,  ndl.  afgrond.  Got.  afgnmdipa  f. 
«Abgrund»  mit  andrer  Ableitung. 

Abgunst,  f.:  die  von  jemand  abgewandte 
freundliche  Gesinnung.  Mhd.  abegunst,  ge- 
wöhnlich abegimste  f.  ABL.  abgünstig,  adj., 
1482  abgunstig  (voc.  theut.  a  3^). 

abhanden,  adv. :  nicht  zu  Händen,  weg, 
verloren.  'Mhd.  abe  lianden,  ahd.  aba  liantum. 
Aus  der  Präp.  ab  mit  dem  Dat.  PL  von  Hand 
(s.  d.).  Ältemhd.  bei  Mitteldeutschen  selten 
und  noch  von  Adelung  und  Hejnatz  Antib. 
1,  30  als  oberd.  Redensart  bezeichnet. 

Abhandlung,  f.  (PI.  -en),  im  17.  Jh.  von 
Schottel  gebildet  für  lat.  tractatus. 

Abhang,  m.  (-s,  PI.  Abhänge):  nieder- 
wärts gehende  Seite  einer  Fläche.  Wohl  von 
Zesen  (inDögens  Kriegsbaukunst)  gebildet.  Von 
abhängen,  durch  Vermischung  mit  dem  tran- 
sitiven Verbum  auch  abhängen,  v.:  nieder- 
wärts hangen  (frühnhd.);  wodurch  bestimmt 
werden,  etwas  zur  Voraussetzung  haben  (nach 
frz.  dependre  in  der  1.  Hälfte  des  18.  Jh.  ent- 
wickelt, bei  Xieremberger  1753  verzeichnet). 
ABL.  abhängig,  adj.  Tum  1480  im  voc.  ine. 
teut.  a  2^  abhängig,  «acclivus»,  in  der  über- 
tragenen Bed.  bei  Adelung). 

abhold,  adj.:  abgeneigt.  Spätmhd.  abholt. 
ürspr.  oberd.  Wort,  aber  seit  1700  allgemein 
in  den  Wörterbüchern,  doch  noch  bei  Hey- 
natz Antib.  1,  33  beanstandet. 

Abhub,  m.  {-es,  PI.  Abhübe) :  was  wovon 
aufgenommen  und  weggetan  wii-d.  Von  ab- 
heben. Im  18.  Jh.  erscheinende  Neubildung 
(Jablonskil721,  übertragen  bei  Goethe  21, 259). 

äbicht,  adj.:  verkehrt.  Nur  mundartlich 
(auch  äbisch,  äbsch,  entsprechend  ndl.  aafsch). 
Mit  angetretenem  t  aus  mhd.  ebich,  ahd.  abuh ; 
dazu  asächs.  abuh,   anord.  öfngr,   auch  engl. 


awk-  in  aiükward  «ungeschickt».  Von  ab 
abgeleitet,  also  eig.  «abgewendet». 

Abiturient,  m.  {-en,  PI.  -en):  der  nach 
vollendeter  Schulzeit  von  der  Schule  Ab- 
gehende. Aus  abiturieyis  (Gen.  abittirientis), 
Part.  Präs.  von  neulat.  äbiturire  «abzugehen 
verlangen». 

abkauzeln,  v. :  tüchtig  ausschelten.  Eig, 
von  der  Kanzel  herab  eine  Strafpredigt  hal- 
ten. Als  Wort  der  Umgangssprache  bei  Ade- 
lung erwähnt  vxnd  von  Voß  1,  67  gebraucht. 

abkapitelu,  s.  kapiteln. 

abkappen,  v.:  zui-echtweisen  (Schiller 
Räuber  4,  3).  Eig.  tüchtig  mit  Kappen  d.  i. 
Ohrfeigen  (s.  DW  5,  193)  versehen.  Schon 
im  16.  Jh.  (Fischart  Nacht  Rab  8641). 

abkarten,  v.:  heimlich  verabreden.  Eig. 
die  Karten  nach  heimlicher  Verabredung 
mischen  oder  geben.    Bei  Rädlein  1711. 

Abklatsch,  m.  {-es,  PI.  -e) :  genaue  Nach- 
bildung ohne  eigenen  Wert.  Moderne  Bil- 
dung. Von  abklatschen,  v.:  (bei  den  Buch- 
druckern usw.)  eine  Nachbildung  durch  Auf- 
klopfen herstellen. 

Abkomme,  m.  (-»,  PI.  -n):  Nachkomme. 
Zuerst  bei  Campe  1807  verzeichnet,  von  älter- 
nhd.  abkommen  «abstammen».  —  Abkömm- 
ling, m.  (-.s,  PI.  -e).  Bei  Schottel  370  ab- 
kömling.      Im   Mhd.  erscheint  nächkomelinc. 

Abkommen,  n.:  Übereinkommen.  Zuerst 
bei  Steinbach  1734.  Urspr.  subst.  Inf.  des  V. 
abkommen  i^mit  einem  a.  «übereinkommen»). 

abkonterfeien,  s.  Konterfei. 

abkratzen,  v. :  durch  Kratzen  wegbringen 
oder  von  etwas  befreien;  sich  entfernen,  ster- 
ben. In  der  2.  Bed.,  die  der  neuem  Um- 
gangssprache eigen  ist,  geht  kratzen  auf  das 
Scharren  mit  den  Füßen  beim  Weggehen, 
vgl.  abschurren. 

Abkunft,  f.:  Abstammung  (bei  Stieler 
1691);  Übereinkommen  ferst  bei  Adelung  1774). 

abküpsen,  v. :  (der  Feder)  die  Spitze  ab- 
schneiden (Lessing  3,  308);  küpsen  ist  eine 
Weiterbildung  von  kuppen  «die  Kuppe,  Spitze 
abhauen»,  obersächs.  die  Feder  abkippen. 

Ablaß,  m.  (-sses,  PI.  Ablässe):  Erlassung 
der  Sünden;  Lossprechung  von  Kirchenstrafe. 
!Mhd.  abeläß,  abläß  m.,  seltener  n.  (auch  bei 
Luther  n.),  ahd.  ablag  m.  neben  ablägi  n.; 
dazu  mnd.  aflät  n.  und  got.  aflets  m.  «Erlaß, 
Vergebung»  neben  afletan  v.  «erlassen»,  ags. 
oflöetan,  ahd.  oblä^^an  «entlassen». 

ablassen,  v. :  l )  intrans.  sich  von  der  Fort- 
setzung einer  Tätigkeit  abwenden.    2j  trans. 


11 


Ablativ 


Abriß 


12 


weglassen,  gehen  lassen;  (Flüssigkeit)  weiter 
laufen  machen;  (einem  a.)  überlassen.  Mhd. 
äbeläßen,  abelän. 

Ablativ,  m.  ('S,  PI.  -e),  der  im  Deutschen 
durch  Präposition  mit  Dativ  ersetzte  Kasus 
der  lat.  Deklination,  Aus  lat.  ablativus  (näm- 
lich casus),  zu  auferre  «wegnehmen». 

Ablaut,  m.  {-es,  PI.  -e):  gesetzmäßiger 
Wechsel  des  Wurzelvokals  bei  Verben  und 
Nominibus,  z,  B.  hinäe  band  gebunden,  Binde 
Band  Bund.  ABL.  ablauten,  v.:  diesen 
Wechsel  des  Wurzelvokals  an  sich  haben. 
1819  von  Jac.  Grimm  eingeführte  gramma- 
tische Kunstausdiücke. 

ablegen,  v.:  l)  trans.  weg-,  beiseitelegen, 
mhd.  abelegen;  (eine  Pflicht  usw.)  erfüllen 
(mhd.  «Geld  erstatten»,  also  wohl  eig.  vom 
Niederlegen  der  überbrachten  Zinse  usw.); 
(Arbeiter)  entlassen  (mhd.  und  ällernhd.  mit 
Dativ,  vgl.  das  Handtcerk  legen).  2)  intr. 
schwach  werden,  versagen  (aus  älternhd.  einem 
a.  «im  Stiche  lassen»,  nach  Rüdiger  2, 63  ein  ober- 
sächsischer Ausdi'uck,  Adelung  «im  gemeinen 
Leben»,  Goethe  25,  165  1.  H.).  ABL.  Ab- 
leger, m.  (-s) :  durch  Niederlegen  in  die  Erde 
gebildeter  neuer  Pflanzentrieb.  BeiFrischl741. 

ablehnen,  v.:  etwas  von  sich  wegwenden, 
entfernt  halten,  zurückweisen ;  auf  einen  Vor- 
schlag nicht  eingehen,  ausschlagen  (diese  ab- 
geblaßte Bed.  erst  um  die  Mitte  des  18.  Jh., 
z.  B.  bei  Nieremberger  1753).  Das  Wort,  noch 
nicht  mhd.,  erscheint  in  der  frühnhd.  Kanzlei- 
sprache, z.  B.  Reichsordnungen  68  als  ableinen 
(mhd.  leinen  neben  lenen,  s.  leimen),  daneben 
auch  ablehnen,  z.  B.  bei  Luther;  ableinen  auch 
später  bei  Oberdeutschen  (noch  von  Heynatz 
1796  erwähnt  und  von  Wieland  gebraucht). 

abluchsen,  v.:  einem  etwas  listig  (mit 
Luchsaugen)  abspähen;  einem  etwas  listig  ab- 
und  sich  zuwenden.  Von  Luchs,  vgl.  beluchsen. 
Bei  Adelung  1774  fälschlich  ablugsen  (mit 
Anlehnung  an  kujen)  geschrieben. 

abmachen,  v.:  wegmachen;  fertigmachen, 
festsetzen.  Schon  mnd.  afinaken  «fertig  ma- 
chen», aber  im  Hochd.  zuerst  bei  Dentzler  1709 
angeführt  (mit  einem  a.)  und  noch  von  Hey- 
natz 1796  als  nicht  edel  bezeichnet. 

abmarachen,  v. :  abmatten.  In  der  nordd. 
Umgangssprache  (im  bremisch -nieders.  Wör- 
terbuch 3, 129  wii'd  marakken  «ermüden»,  bei 
Rüdiger  2, 116  als  obersächsisch  Schmarach  m. 
«schmutzige,  beschwerliche  Arbeit»  und  da- 
von schmarachen  aufgeführt),  aus.  dem  Rot- 
welschen aufgenommen.  1801  beiReinwald2, 19. 


abmeiern,  v.:  den  Meier  (s.  d.)  d.  i.  Bauer 
von  seinem  Hof  vertreiben.  1768  bei  Moser 
(patr.  Phant.  1,  145). 

abmergeln,v.:  ki-aftlos  machen.  Frühnhd. 
(Franck  teutsche  Chronik  270  a).  S.  mergeln. 
Vgl.  Liebich  Btr.  23,  223. 

abmurksen,  v.:  heimlich  umbringen.  Aus 
der  Studentensprache  bei  Heine  2,  324.  Das 
md.  murksen  l^edeutet  «schlecht  arbeiten,  an 
etwas  heiTimschneiden,  würgen».  Anklingend 
abmucken,  elsäss.  abmuckse,  s.  mucken. 

abmüßigen,  v. :  von  einer  Beschäftigung 
frei  (zur  Muße  bestimmt)  machen.  Im  17.  Jh. 
Wohl  in  der  Kanzleisprache  entwickelt,  vgl. 
mhd.  müe^egen  «befreien». 

abnehmen,  v.:  l)  intrans.  mehr  und  mehr 
schwinden,  2)  trans.  wovon  tun;  wovon  her- 
unter tun;  von  jemand  sich  dargeben  lassen, 
z.  B.  eine  Rechnung;  wovon  als  Erkenntnis 
ziehen,  z.  B.  aus  jemandes  Worten  abnehmen 
(in  der  frühnhd.  Kanzleisprache,  z.  B.  Janssen 
Frankf.  Reichscorr.  2,  448  von  1486).  Mhd. 
abenemen  ist  «geringer  werden,  abschaffen 
usw.»,  ahd.  abaneman  «wegnehmen». 

abnorm,  adj.:  von  der  Regel  abweichend. 
Aus  lat.  abnormis  (s.  Norm).  Wohl  erst  im 
18.  Jh.  entlehnt.  ABL.  Abnormität,  f.  (PI. 
-en) :  Regelwidrigkeit.  Aus  neulat.  äbnormitas 
f.  (Gen.  abnormitatis). 

abonnieren,  v. :  worauf  voraus  bezahlend 
unterzeichnen.  Aus  dem  gleichbed.  franz.  a&ow- 
ner,  ital.  abbon'are  (aus  ad  und  bonne,  einer 
Nebenform  von  hörne  «Grenze»).  Kaum  vor 
1770—80  entlehnt,  bei  Adelung  1793  —  Abon- 
nent, m.  {-en,  PI.  -en) :  der  mit  Vorausbezah- 
lung Unterzeichnende.  Nach  franz.  aboiinant, 
Part.  Praes.  von  abonner,  aber  mit  der  sonst 
bei  lat.  Bildungen  üblichen  Endung  -ent. 

Abort,  m.  {-es,  PI.  -e):  abgelegener  Ort 
(Ludwig  1716),  heimliches  Gemach  (erst  Campe 
1807,  vielleicht  aus  dem  Ndd.,  wo  es  1755 
Richey  für  Hamburg  als  Af-Ort  verzeichnet). 

abrackern,  refl.  v. :  sich  abschmden  (s. 
Backer).  Aus  der  nordd.  Umgangssprache  bei 
Campe  1807. 

Abrede,  f.  (PI.  -n)  -.  Festsetzung  durch  Be- 
sprechung; Entgegensetzung  durch  Rede  (na- 
mentl.  in  A.  stellen).    Mhd.  aberede  f 

abrichten,  v. :  völlig  gerade  machen ;  eine 
Fertigkeit  wozu  beibringen.  In  der  altern 
Sprache  überhaupt  «unterrichten»;  mhd.  abe- 
rihten  «gut,  recht  machen,  abschaffen». 

Abriß,  m.  (Gen.  Abrisses,  PI.  Abrisse): 
nur  in  den  Hauptlinien  gemachtes  Bild  wovon 


13 


Absage 


abseiten 


14 


(1562  bei  Mathesius  Sar.  60**).  Von  abreißen, 
V.  in  der  Bed.  «ein  Bild  im  Umriß  entwerfen  > 
(bei  Luther).    Vgl.  reißen,  Biß. 

Absage,  f.  (PI.  -n):  Aufkündigung  der 
Freundschaft  und  Ankündigung  von  Feind- 
seligkeit. Spätmhd.  absag,  aber  erst  neuerdings 
wieder  in  die  Sprache  aufgenommen  (nach 
Heynatz  Antib.  1,  46  ungebräuchlich).  Von 
absagen,  v. :  Gesagtes  wideniifen ;  {einem  a.) 
die  Freundschaft  auf-  imd  Fehde  ansagen; 
(bildlich)  sich  wovon  lossagen.  Mhd.  ahesagen. 
Daher  ein  abgesagter  Feind:  einer  der  sich  als 
Feind  erklärt  hat». 

Absatz,  m.  (-es,  PI.  Absätze):  Aufhören 
und  Wiederanfang  wovon,  dann  das  soWieder- 
anfangende  selbst  (bei  Luther ) ;  Zufernsein  des 
einen  vom  andern  bei  Vergleichung  (Wieland 
Idris  7);  Abgeben  von  Ware  gegen  Bezahlung 
(bei  Frisch  1741).  ^Mhd.  ahesaz  m.  ist  «Ver- 
ringerung^). 

äbsch,  s.  abteilt. 

Abschach,  n.  {-s):  Schach,  das  den  König 
beim  Wegziehen  eines  Steines  durch  eine  hinter 
diesem  stehende  Figur  angreift  (1616  bei  Sele- 
nus  Schach-  oder  Königspiel  111).  Auch  Aber- 
schach (vgl.  ab-  und  aber-).  Schon  mhd.  ab- 
scMch,  Yü,r.  aberschäch  n.,  und  dann  bei  Lessing 
Nathan  2,  1.    Vgl.  v.  Bahder  Btr.  22,  522. 

abschätzig,  adj.  u.  adv. :  geringwertig;  ge- 
ringschätzig. Frühnhd.  (Wickram  Rollw.  128) 
und  auch  später  in  oberd.  Quellen ;  von  Wie- 
land gebraucht  (als  erklärungsbedürftig  bei 
Lessing  6,  32  erwähnt). 

Abschaum,  m.  (-s,  ohne  PI.) :  von  wallender 
Flüssigkeit  ausgestoßene,  oben  wegzuräumende 
ünreinigkeit ;  als  zu  schlecht  und  verächtlich 
ausgestoßener  Mensch.  Bildlich  bei  BrantXarr. 
o4,19  abschürn, wie  schuni^l-amev  Genchm.Bl'i. 

Abscheu,  m.  (-es,  ohne  PI.);  das  Zurück- 
schrecken vor  etwas ;  Gegenstand,  vor  dem  man 
zurückschreckt;  heftige  Abneigung,  Wider- 
wille. Frühnhd.  abschew  (Keichsordnungen 
180  von  1531),  abscheueh  m.,  seltener  f.  (z.  B. 
Harsdörfer  Gesprächspiele  1,  2),  daneben  ab- 
schewen,  n.,  vgl.  Scheu.  ABL.  abscheulich, 
adj.  u.  adv.:  abschreckend  (frähnhd.,  z.  B. 
Fischart  Barfüßermönche  4557,  zum  abscheu- 
lichen Exempel  Carolina),  Wider\^alIen  erre- 
gend (bei  Maaler  1561  abscheüchlich). 

Abschied,  m.  (-es,  PI.  -e) :  das  Weggehen 
aus  der  Mitte  eines  Kreises;  die  Beurlaubung 
bei  diesem  Anlaß;  Dienstentlassung;  richter- 
licher Ausspruch  als  Endurteil  in  einer  Rechts- 
angelegenheit;  Willenserklärung   des  Staats- 


oberhauptes zum  Schlüsse  einer  in  öffentlichen 
Landesangelegenheiten  gehaltenen  Versamm- 
lung, z.  B.  Landtagsa.  Spätmhd.  abeschif, 
häufiger  abescheit  m.  «Abschied,  Tod,  Ent- 
scheidung, Bescheid,  Beschluß  eines  Reichs-, 
Städtetags»,  auch  im  altem  Nhd.  oft  Äb- 
scheicl  m. 

Abschlag,  m.  (-es,  PI.  Abschläge):  abge- 
hauenes Holz,  mhd.  abeslac:  Zurückweisimg 
eines  Angriffs  (im  Teuerdank  82,  6  «Zurück- 
weisung, abschlägige  Antwort»);  Geringer- 
werden des  Preises  wovon  (mhd.  abeslac  «Er- 
niedrigung der  Fordening»);  vorläufige  Min- 
derung der  Schuld  (im  16.  Jh.,  zu  spätmhd. 
dbsiahen  «abbezahlen»),  z.  B.  auf  A.  zahlen. 
ABL.  abschlägig,  adj:  entschieden  von 
sich  weisend  (1562  bei  Mathesius Sarepta  192^). 
abschläglich,  adj.:  wie  abschlägig:  zahlend 
zu  vorläufiger  Mindening  der  Schuld  (1509 
bei  Janssen  Frankf.  Reichscorr.  2,  767).  — 
abschlagen,  v.:  l)  trans.  durch  Schlagen 
wovon  trennen;  an  einer  Rechnimg  abziehen; 
zum  Entfernen  nötigen;  entschieden  von 
sich  weisen,  verweigern.  2)  intrans.  im 
Preise  geringer  werden.  ^Ihd.  abeslahen,  abe- 
slän  in  allen  Bedd.,  ahd.  abaslahan  «weg- 
schlagen». 

abschmiereu,  v.:  tüchtig  pi-ügeln,  eig. 
mit  Schlägen  salben.    Bei  Duez  1642. 

abschrecken,  v.:  einen  durch  eingeflößte 
Furcht  von  etwas  abbringen,  m\i(\.abesclir  ecken; 
Warmes  oder  Kaltes  durch  Hinzutun  von  Kal- 
tem oder  Warmen  in  der  Temperatur  um- 
springen machen  (schon  frühnhd.).  Vgl.  wegen 
dieser  Bed.  schrecken. 

abschurren,  v.:  hinweggleiten;  abfahren, 
sterben  (s.  schurren).  Aus  der  nordd.  Um- 
gangssprache bei  Voß  2,81.    Vgl.  abkratzen. 

abschüssig,  adj.:  stark  abhängig.  Erst 
beiDentzler  1709  verzeichnet  (doch  früher  «&- 
schießig,  Opitz  Poeterey  181).  Von  Abschuß 
m.  in  der  Bed.  jähe  Neigung  einer  Erdfläche, 
daß  sich  darauf  ein  Körper  schnell  und  heftig 
niederbewegt  (bei  Ludwig  1716). 

Abseite,  f.  (PI.  -n):  überwölbter  Neben- 
raum des  Schiffes  der  Kirche;  Nebengebäude 
(Flügel)  am  Hauptgebäude.  Aus  mhd.  absite 
(mit  Anlehnung  an  ab  und  Seite ),  ahd.  absita, 
absida  f.,  entlehnt  aus  gr.-mittellat.  absida,  gr. 
ävpic.  Gen.  ötnjiboc  f.  «Verbindung,  Rundung, 
Gewölbe». 

abseiten,  adv.:  (veraltet)  abseits,  von  selten 
(mit  Gen.).  Spätmhd.  absiten,  Verbindung  der 
Präp.  ab  mit  dem  Dat.  PI.  siten. 


15 


abseits 


abstoßen 


16 


abseits,  adv,:  weg  zur  Seite,  auch  mit  Gen. ; 
verbunden.   Erst  bei  Stieler  1691  verzeichnet, 
mit  angetretenem  genet.  -s,  früher  äbseit,  vgl.  j 
diesseits,  jenseits.  \ 

Absicht,    f.  (PL  -en):    (veraltet)   abrei- ! 
chende  Richtung   der  Augen   worauf,   z.  B.  j 
beim  Zielen;   Richtung   des  Geistes  worauf,! 
z.  B.  in  Absicht  (mit  Gen.  oder  auf)  in  Be-  \ 
tracht;  die  als  ein  zu  Erstrebendes  gesetzte 
Vorstellung.    Absicht  (verzeichnet  bei  Frisch 
1712,  noch  nicht  bei  Stieler  1691  und  Rädlein 
1711)  ist  in  der  2.  Hälfte  des  17.  Jh.  für  den 
subst.  Inf.  Absehen  eingetreten;  dies  Wort 
bezeichnet  auch  konkret  das  Visier  an  Meßwerk- 
zeugen (bei  Goethe  50, 107  1.  H.)  und  Gewehren 
(daher  sein  Ä.  auf  etwas  richten).   ABL.  ab- 
sichtlich, adj.  u.  adv.,  erst  bei  Adelung  1793. 

Absinth, m.  (-es,  Pl.-e) :  Wermut;  Brannt- 
wein daraus.  Ans  franz.  absinthe  m.,  aufgr.-lat. 
apsinthium,  gr.dnJiv6iovn.«Wermut» beruhend. 

absolut,  adj.  u.  adv.:  unbedingt;  unum- 
schränkt. Aus  lat.  absolütus,  Part.  Perf.  Pass. 
von  äbsolvere  s.  u.  Um  1700  in  der  phi- 
losophischen Sprache  (Thomas  Einleitung 
195).  —  Absolution,  f.  (PI.  -en):  Losspre- 
chung von  Sünden.  Spätmhd.  (Liliencron  2, 
205).  Aus  lat.  absolutio,  Gen.  absolrdiönis. 
—  absolvieren,  v.:  lossprechen  von  Sünden, 
beendigen.  Mhd.  absolvieren.  Aus  lat.  äb- 
solvere «ablösen,  losmachen». 

absonderlich,  adj.:  getrennt  von  andern 
(frühnhd.);  eigentümlich  (Ludwig  1716),  selt- 
sam (Eichendorff  Taugenichts  74).  Als  Adv. : 
vor  allem  (1664  bei  Duez). 

•'abspannen,  v. :  der  Spannung  benehmen, 
mhd.  abespannen:  schlaff  machen;  von  Fort- 
zuziehendem losmachen.     S.  spannen. 

^abspannen,  v. :  Gesinde  durch  Verlockung 
von  jemand  abziehen.  Bei  Luther.  Vermischt 
mit  dem  vorigen  Worte,  während  es  spätmhd. 
abspenen,  bei  Hans  Sachs  abspennen  heißt. 
S.  Spänen. 

abspenstig,  adj.:  durch  Verlockung  eine 
Verbindung  verlassend.  1566  bei  Hans  v. 
Schweinichen  (Script,  rer.  Sil.  4,  74),  häufiger 
erst  im  18.  Jh.  (bei  Frisch  1712  erwähnt).  Zu- 
sammengesetzt mit  dem  ahd.  Kdi}.spenstig  «ver- 
lockend», abgeleitet  von  spans^  f.  «Verlockimg». 

absprechen,  v.:  jemand  etwas  durch 
entschiedene  Erklärung  entziehen,  mhd.  abe- 
sprechen;  womber  sich  entschieden  erkläi'en, 
daß  es  nicht  so  sei;  womber  bis  zu  Ende 
und  zu  gegenseitiger  Zustimmung  sprechen 
(erst    bei    Adelung    «besonders    in    Nieder- 


sachsen üblich»,  von  Heynatz  1796  empfohlen). 
—  Absprache,  f.  (nach  der  3.  Bed.  von  ab- 
sprechen). Bei  Ludwig  1716  Absprach,  aber 
nicht  bei  Adelung  und  Campe. 

Abstamm,  m.  (-es,  ohne  PL):  Abstam- 
mung; Nachkommenschaft,  Abkömmling  (Her- 
der Cid  33).     Jägerwort  des  18.  Jh. 

Abstand,  m.  (-es,  PI.  Abstände):  Weg- 
treten, Verzichtleistung  auf  ein  Recht  (früh- 
nhd., erhalten  in  A.  nehmen);  Entfemtstehen 
wovon  (Zesen  in  Dögens  Kriegsbaukunst). 

abstatten,  v.:  an  der  dazu  bestimmten 
Stelle  anbiingen.     Frühnhd.  Kanzleisprache. 

abstechen,  v.:  l)  trans.  durch  Stechen 
wovon  entfernen  oder  trennen,  mhd.  abe- 
stechen;  (Tiere)  tot  stechen,  schlachten;  über- 
treffen, eig.  im  Tui'nier  beim  Gegenrennen 
vom  Pferde  stechen;  im  Kartenspiel  durch 
eine  höhere  Karte  zum  Untern  machen; 
durch  Stechen  nachbilden.  2)  intrans.  in  die 
See  stechen  (eig.  mit  der  Schifferstange),  fort- 
fahren (Fischart  Garg.  117);  sich  merkbar 
unterscheiden  (bei  Ludwig  1716,  gleichzeitig 
auch  sich  a. :  diese  Bed.  scheint  von  der  von 
a.  oder  abstecken  «abgrenzen»  aus  entwickelt). 

Abstecher,  m.  (-s,  PI.  wie  Sing.) :  kurze 
Nebenreise.  Nach  Heynatz  Antib.  1,35  zuerst  von 
Bode  und  Mylius  gebraucht  und  aus  dem  Nie- 
dersächs.  aufgenommen,  wo  es  als  dialektischer 
Ausdrack  1781    bei  Dähnert  verzeichnet  ist. 

abstehen,  v.:  l)  intrans.  (veraltet)  wo- 
von niederstehen,  z.  B.  vom  Pferde,  mhd. 
abestän,  -sten:  wovon  entfernt  stehen;  aUzu 
lange  stehen  und  dadm'ch  schwächer  werden, 
alle  innere  Kraft,  die  Lebenskraft  verlieren, 
sterben,  z.  B.  der  Essig,  Baum,  Fisch  ist 
abgestanden  (bei  Maaler  1561,  mhd.  mit  dem 
töde  abesfen);  (von  etwas  a.)  von  etwas  ab- 
lassen, darauf  verzichten  (mhd.  eines  ding  es 
abesten).  2)  trans.  einem  andern  überlassen 
(nach  Adelung  1774  besonders  m  Nieder- 
sachsen häufig). 

Abstich,  m.  {-es,  PI.  -e):  Abgestochenes, 
z.  B.  von  Torf,   eines  Budes;    Sich -Hervor- 
heben gegen  anderes  im  Widerstreit  mit  die- 
,  sem,  Kontrast  (Wieland  9,  21,  Schiller  10,  lOl). 

abstimmen,  V.:  l)trans.gründlich  stimmen, 

1  z.  B.  ein  Instrument.    2)  intrans.  abweichend 

stimmen,   eine   andere   Meinung   haben   (bei 

Luther,  noch  bei  Adelung  1793):  seine  Stimme 

abgeben  (nach  Heynatz  1796  obd.  Ausdruck). 

abstoßen,  v. :  l)  trans.  weg-  oder  herunter- 
stoßen, m\\d..abestd^en\  (Verpflichtungen usw.) 
beseitigen  durch  Erfüllmig  (erst  bei  Adelung 


17 


abstrakt 


Al)wesen 


18 


«im  gemeinen  Leben»):  einen  unangenehmen 
Eindruck  auf  jemand  machen  (Gegensatz  an- 
ziehen, also  übertr.  von  den  Wirkungen  des 
Magnets);  Redensart:  das  Herz  a.  d.  i. 
brechen,  eig.  vom  Henker  durch  das  Rad 
(schon  spätmhd.).  2)  intrans.  (vom  Schiff)  ab- 
fahren, eig.  durch  Stoßen  mit  der  Schiffer- 
Stange  (schon  mhd.). 

abstrakt,  adj.:  abgezogen  in  Gedanken, 
für  sich  allein  betrachtet;  nicht  wh'klich, 
bloß  gedacht.  In  der  1.  Hälfte  des  18.  Jh. 
aufgenommen.  Aus  lat.  ahstradus,  Part. 
Perf.  Pass.  von  abstr allere  «weg-,  abziehen». 

Abstreich,  m.  [-es,  PI.  -e):  öffentlicher 
Zuschlag  auf  Mindergebot  (Schiller  Räuber 
1,  2).     Gegensatz  Aufstreich  (s.  d.). 

abstufen,  y.  :  in  Stufen  abbauen  (beim  j 
Bergbau) ;  bestimmte  Unterscliiede  festsetzen  | 
(nach  Adelung  1793  neues  Wort,  von  Heynatz  ' 
1796  empfohlen). 

Absud,  m.  {-es,  PI.  -e):  Handlung  des 
Absiedens;  die  durch  Absieden  gewoimene 
Flüssigkeit,  s.  Sud.  Xeues,  von  Adelung  1793 
verzeichnetes  Wort.  ■ 

absurd,  adj.:  lächerlich- widersinnig.  Aus  | 
lat.  dbsurdus.     Um  1700  in   der  philosophi- 
schen Sprache   (Thomas  Einleitung  127). 

Abt,  m.  {-es,  PI.  Äbte):  Vorsteher  einer 
Abtei.  Mhd.  abt,  abbet,  ahd.  abbat  von  dem 
aus  syrisch  dbba  «Vater»  in  die  kirchhch-lat. 
Sprache  aufgenommenen  abbas,  Gen.ahbatism. 
ABL.  Abtei,  f.  (PI.  -en) :  höheres  klösterliches 
Stift;  Gebiet  desselben;  Wohnung  und  Pfründe 
eines  Abtes,  mhd.  abtei,  abbeteie,  ahd.  abba- 
teia  von  mJat.  abbatia  f.  Äbtissin,  f.  (PI. 
-nen) :  Vorsteherin  emer  Abtei,  mhd.  abtissin, 
eppetissin,  ahd.  abbatissa  aus  mlat.  abbatissa  f. 

abtakeln,  v.:  die  gehörigen  Taue,  Segel, 
Blöcke,  Rahen  etc.  vom  Schiffe  abnehmen 
(nach  ndl.  aftakelen  bei  Stieler  1691);  (bild- 
lich)  seiner  Stellung  entkleiden. 

Abtrag,  m.  {-es,  PI.  Abträge):  was  als 
übrig  geblieben  wovon  hinweggetragen  wird; 
Beeinträchtigung,  Schmälerung;  Beseitigung 
einer  Verpflichtung  durch  Erfüllung,  Ersatz, 
Genugtuung.  Spätmhd.  abctrac  in  der  2.  und 
3.  Bed.  Von  abtragen,  v.:  wovon  hinweg- 
tragen, mhd.  abetragen:  durch  Ansichtragen 
abnutzen;  etwas  durch  Wegtragen  davon 
gleichmachen;  durch  Leistung  einer  Obliegen- 
heit genugtun  (spätmhd.  abetrage)i). 

abtreten,  v.:   l)  intrans.  beiseite  gehen, 
mhd.   abetreten;   weggehen;    {von   einem  a.) 
abfallen  (bei  Luther,  mhd.  mit  Dativ);  vom 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


Pferde  niedersteigend  einkehren.  2)  trans. 
durch  Treten  beseitigen,  abnutzen  oder  wo- 
von trennen;  {einem  etwas  a.)  überlassen  (mhd. 
eines  dinges  abetreten). 

Abtritt,  m.  (-es,  PI.  -e):  das  Weggehen 
wovon  nach  ausdmcklicher  Erklärung  (fi-üh- 
nhd.);  Hinscheiden  durch  den  Tod;  einstwei- 
liges Weggehen  wovon  zur  Seite;  geheimer 
Ort  zur  Verrichtung  natürlicher  Bedürfnisse 
(schon  beiKrämer  1678) :  dasXiedersteigen  vom 
Pferde  zur  Einkehr;  Vorrichtung  daß  etwas 
tiefer  aufgetreten  wei'den  muß ;  Getrenntsein, 
bedeutsamer  Unterschied  (Haller  Ged,  122). 

abtröseln,  v. :  faserartig  abwinden  (Thüm- 
mel  Reise  4,  300).     S.  auftröseln. 

abtrumpfen,  v.:  mit  Überlegenheit  zu- 
rückweisen, eig.  beim  Kartenspiel  eine  Karte 
nait  Trumpf  stechen;  {einem  etivas  a.)  mit 
Gewaltsamkeit  entziehen.  Erst  in  der  neuern 
Sprache.    Vgl.  auftrumpfen. 

abtrünnig,  adj.:  sich  von  einer  Verbin- 
dung lossagend.  Mhd.  abetrünnec,  ahd.  aba- 
trunnig,  mit  mhd.  trünne  f.  «abgesonderter 
Haufe,  Schar»  zu  einem  verlorenen  starken  V, 
trinnan,  wovon  auch  trennen  (s.  d,),  vgl.  ent- 
rinnen. 

abwägen,  s.  abwiegen. 

abwamsen,  v. :  ein  tüchtige  Tracht  Schläge 
geben,  eig.  das  Wams  (s.  d.)  vollschlagen. 
Bei  Campe  1807. 

abwandeln,  V.:  verändern;  abbüßen  (nach 
der  altern  Rechtssprache  bei  Wieland,  zu  mhd. 
icandel  «Buße,  Strafgeld»);  (in  der  Grammatik) 
flektieren.  In  dieser  Bed.  zuerst  von  Schottel 
(für  deklinieren)  gebraucht.  ABL.  Abwand- 
lung, f ,  1748  bei  Gottsched  füi-  Konjugation, 
1672  bei  Pudor  (^DerTeutschen  Sprache  Gx'und- 
richtigkeit)  für  Deklination. 

abwärts,  adv. :  nach  unten  geiüchtet ;  zur 
Seite.     Spätmhd.  abiverts. 

Abweg,  ni.  {-es,  PI.  -e) :  vom  rechten  ab- 
führender Weg.     jSIhd.  abetoec  m. 

Abwehr,  f.:  Fernhaltung  durch  Vertei- 
digung. Jung,  noch  nicht  bei  Adelung  1793 
(gebraucht  von  Voß  2,  255);  von  abwehren. 

abwendig,  adj.:  sich  abwendend,  abfal- 
lend (nur  noch  in  a.  machen).  Frühnhd. 
(Diefenbach  gloss.  60^). 

abwerfen,  v. :  nieder-  oder  zur  Seite  wer- 
fen, mhd.  abewei'fen;  Ertrag  bringen,  eig.  wohl 
von  dem  Früchte  tragenden  und  herabwer- 
fenden Baum  (Weise  Erzn.  52). 

Abwesen,  n.  {-s)  -.  das  Nichtdasein.  Spät- 
mhd. abeu'esen,  eig.  subst.  Inf.  zu  abetvesen 

2 


19 


abwiegen 


Acht 


20 


«fehlen,  mangeln»,  ahd.  abaicesan.  —  abwe- 
send, Part.  Praes.  zu  diesem  Verbum.  ABL. 
Abwesenheit  (für  Ahu-esendheit),  f.:  wie 
Älmesen.     Zuerst  bei  Hulsius  1596. 

abwiegen,  v.:  die  Schwere  wovon  prüfen 
und  bestimmen.  Jüngere  Bildung  (Stieler 
1691)  neben  abicägen,  mhd.  ahewegen,  bei 
Luther  Sir.  42,  7  abivegen. 

abzirkeln,  v.:  genau  abmessen,  eig.  mit 
dem  Zirkel.     Bei  Luther. 

Abzucht,  f.  (PI.  -en):  Ableitung  für  un- 
reine Wasser  (1562  bei  Mathesius  Sar.  211a). 
Auch  Abzug  m.  (-es,  PI.  Abzüge).  Durch 
Umdeutschung  (Anlehnung  an  abziehen)  aus 
lat.  aquaeductus  m.  «Wasserleitung»  hervor- 
gegangen, vgl.  Anäauche. 

abzwacken,  v.:  kleinlich  entziehen.  Mhd. 
abezwacken,  auch  bei  Luther.    S.  zivacken. 

Acc-,  s.  Akk-  u.  Akz-. 

ach!  Äußerung  der  Schmerzempfindung, 
Anstrengung,  Rührung,  seltener  der  Freude. 
Mhd.  ach,  ahd.  ah:  nach  Grienberger  Unter- 
such, z.  got.  Wortkonde  17  mit  got.  ak  «aber» 
zu  verblöden.  Vgl.  aber  auch  lat.,  ital.,  span., 
portug.  a/t.  Substantiviert:  Ach  n.,  wie  schon 
mhd.  Redensart:  mit  Ach  und  Krach,  d.i.  mit 
Stöhnen  aus  gi'oßer  Anstrengung,  mit  genauer 
Not,  kaum. 

-ach,  s.  -a. 

Achat,  m.  (-es,  PI.  -f) :  ein  Halbedelstein. 
Mhd.  achat  oder  achates.  Aus  dem  gleichbed. 
gr.-lat.  achates,  gr.  dxdxric  m.,  von  dem  Fluß 
Achates  in  Sizilien  benannt,  an  dessen  Ufern 
dieser  Stein  nach  Plinius  bist.  nat.  37,  54  zu- 
erst gefunden  wurde. 

Achel,  f.  (PI.  -n):  Ähi-enstachel  (Voß  2, 
255);  abgefallener  Ähren stachelsphtter;  Sten- 
gelsplitter bearbeiteten  Flachses  oder  Hanfes. 
Aus  dem  Ndd.,  wo  aggel  mit  (spirantischem 
g)  gesprochen  wird.  Adelmig  verzeichnet 
Achel  als  ndrsächs,  neben  dem  hd.  Agel,  das 
friihnhd.  (z.  B.  1537  bei  Dasypodius  agel  oder 
egel  «festuca»)  erscheint,  auch  noch  bei  Schu- 
bart 2,  211  die  Ageln  (in  der  3.  Bed.  von  Achel). 
Dazu  ahd.  ahil  f.  «Ähre»,  vgl.  auch  ags.  egle  PI. 
«Ährenspitzen»,  engl.  a?7  «Granne».  S.Akne 
und  Ähre. 

acheln,  v.:  essen.  Li  der  Juden-  und 
Gaunersprache.  Aus  hebr.  äkhäl  «essen».  Schon 
bei  Fischart  (Pract.  Großm.  50),  als  rotwelsch 
1510  im  Liber  Vagatorum  (Kluge  53). 

Achse,  f.  (PI.  -n) :  Stange,  dann  Linie,  um 
die  sich  etwas  im  Kreise  bewegt.  Mhd.ahse, 
ahd.  ahsa  f. ;  dazu  ndl.  as,  ags.  eax  f.  und  mit 


Weiterableitung  anord.  öxidl,  schwed.  dän. 
axel  m.  «Achse».  Urverwandt  mit  lat.  axis  m,, 
gr.  äSuuv  m.,  abg.  osi  f.,  lit.  asls  f.,  prenß. 
assis,  kymr.  echel,  aind.  ciksas  m.  «Achse».  Ob 
das  Wort  weiter  auf  die  Wurzel  ag  (in  lat. 
agere,  gr.  äyeiv  «bewegen»,  anord.  afca  «fahren, 
führen»)  zumckgeht,  ist  unsicher. 

Achsel,  f.  (PI.  -n) :  der  Körperteil,  der  die 
bewegliche  Verbindung  des  Armes  mit  dem 
Rumpf  ausmacht.  Mhd.  ahsel,  ahd.  ahsala  f.; 
dazu  asächs.  ahsla,  ags.  eaxl,  anord.  öxl,  schwed. 
dän.  axel  f.  «Achsel»,  abgeleitet  von  Achse.  Lat. 
axilla  «Achselhöhle»  (auch  äla  «Flügel»  aus 
*axla)  ist  urverwandt.  Aus  dem  Germ,  gehört 
noch  (mit  Ablaut)  ahd.  nohsana,  mhd.  uohse, 
üehse  f.,  Schweiz,  uechs  «Achselhöhle»  (dazu 
ndl.  oksel  m,  «Achsel»)  hierher.  Redensarten: 
über  die  A.  ansehen,  d.  i.  geringschätzig,  stolz 
oder  mit  Hohn;  auf  beiden  Achseln  tragen 
«sich  zweideutig  benehmen,  um  es  mit  keinem 
zu  verderben»;  die  Achseln  zucken  «unent- 
schlossen sein».  ZUS.  Achselbein,  n. :  Schul- 
terknochen, mhd.  ahselbein,  ahd.  ahsalbein  n. 

acht,  Zahlwort.  Aus  mhd.  o/«fe,  ahd.  a/«to; 
dazu  asächs.  ahto,  ndl.  acht^  afries.  achta,  ags. 
eahta,  engl,  eight,  anord.  ätta,  schwed.  ätta, 
dän.  otte.  Urverwandt  mit  lat.  octo,  gr.  oktüj, 
altir.  ochtn,  ht.  astuoni,  abulg.  osmt,  arm.  uth, 
aind.  astau  (ein  alter  Dual).  Substantivisch: 
Acht  f.  "(1556  bei  Frisius  913^  eyn  achte).  — 
ABL.  achte,  Ordnungszahl.  Mhd.  ahte, 
früher  ahtocle,  ahd.  ahtodo;  dazu  asächs.  ahtodo, 
ndl.  achtsfe,  afries.  achtunda,  ags.  eahtoda, 
anord.  ätti,  schwed.  ättonde,  dän.  ottende:  1540 
bei  AlbenisDict.rr  1^  der  achtest. — Achter, 
m.:  die  Zahl  8,  Münze  von  8  guten  Groschen, 
von  8  Pfennigen,  bei  Stieler  1691.  ZUS. 
Achtel,  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.),  geschwächt  aus 
Achtteil:  der  achte  Teil;  ein  aus  8  Teilen 
bestehendes  Trockenmaß,  mhd.  ahtteil,  ahtel. 
achtzig,  s.  -zig. 

•^Acht,  f.:  Richtung  des  Geistes  worauf; 
Aufmerksamkeit,  Füi-sorge.  Mhd.  aht,  ahte, 
ahd.  ahta  f.;  dazu  ags.  eaht  f.;  got.  anord, 
nicht  vorhanden,  doch  erscheint  hier  die  Ab- 
leitung cefla  (aus  *ahtilön)  «meinen».  Die 
gleiche  Wurzel  (Grundbed.  wohl  «sinnen»), 
zeigen  got.  aha  m.  «Verstand»,  rt/y'a»  «meinen» 
(zu  gr.  öcco|uai  «im  Geiste  sehen»),  ahnia  m. 
«Geist».  Die  Verwandtschaft  der  germ.  Worte 
mit  lat.  oculus,  gi".  öiruuTra,  wird  von  Uhlen- 
beck,  Btr.  17, 115  bestritten,  aber  sein  eigener 
Vergleich  der  Worte  nüt  gr.  ökv^u)  «zaudern» 
ist  kaum  richtig.  —  achten,  v.:  den  Geist 


I 


21 


Acht 


Adel 


22 


worauf  richten;  eine  daraus  hei*vorgehende 
Meinung  wovon  haben;  in  seiner  Meinung 
höher  oder  tiefer  stellen  (ohne  Adv.  =  hoch- 
achten erst  bei  Adelung  1774);  Aufmerksam- 
keit und  Fürsorge  schenken.  Mhd.  ahten,  ahd. 
dlltön;  dazu  ndl.  achten,  ags.  eahtian.  ABL. 
achtbar,  adj.  und  adv.:  höhere  Meinung  ver- 
dienend, mhd.  ahtbmre. —  achtlos,  adj.  und 
adv.:  ohne  Aufmerksamkeit,  bei  Stieler  1691. 
—  achtsam,  adj.  und  adv.:  Aufmerksam- 
keit und  Fürsorge  zeigeiad,  mhd.  nur  in  iin- 
ahtsam.  —  Achtung,  f.:  Wendung  der  Auf- 
merksamkeit und  Fürsorge  worauf;  aner- 
kennende Memung  wofür,  spätmhd.  ahhmge, 
ahd.  ahtunga  f. 

"Acht,  f. :  Ausschließung  vom  Rechtsschutz. 
Mit  Kürzung  des  Vokals  (doch  Aacht  noch 
Oelinger  S.  34)  aus  mhd.  ähte,  ahd.  dhta  f. 
«Verfolgung» :  dazu  ags.  öht.  Als  germ.  Gnind- 
form  ist  *cmlitö  anzusehen,  die  kaum  zu  eng 
(s.  d.),  also  eig.  «Bedrängung»,  eher  zu  gr. 
ävÖTKri,  altir.  ecen  «Zwang»,  kymr.  angen 
«Notwendigkeit,  Zwang»,  lat.  necäre  «töten», 
nocere  «schädigen»  usw.  (vgl.  Walde  s.v.  neco) 
gehört..  ABL.  ächten,  v. :  außer  Recht  und 
Heimat  setzen:  der  Verfolgung  preisgeben. 
Mhd. cehten,  ahd. ähten  «verfolgen»;  dazuasächs. 
ähtian,  ags.  ehtan  «verfolgen».  —  Achter,  m. 
(-S,  PI.  wie  Sg.l:  der  in  der  Acht  steht  (üh- 
land  Ernst  von  Schwaben  2, 1 ).  Mhd.  cehtcere, 
aber  auch  in  der  Bed.  «Verfolger»,  ahd.  ähtäri 
«Verfolger». 

Achterdeck,  n.  {-s,  PI.  -e|:  Hinterdeck 
des  Schiffes.  In  der  niederd.  Seemannssprache ; 
achter  ist  ndd.  Form  für  after  (s.  d.). 

achtsam,  Achtung,  s.  ^Acht 

ächzen,  v.:  ach  schreien;  tief  aus  der 
Brust  gepreßte  Schmerzenslaute  ausstoßen. 
Mhd.  ächzen,  echzen.     Von  ach. 

Acker,  m.[-s,  Vl.Äcke^-}:  Pflugland;  einem 
Eigentümer  angehöriges  abgegi'enztes  Stück 
Pflugland;  ein  gewisses  Landmaß.  'Mhd.  acker, 
ahd.  acchar,  ackar  m.;  dazu  asächs.  accar,\ 
ndl.  akker,  ags.  cecer,  engl,  acre,  anord.  akr, 
schwed.  äker,  dän.ager  m.  «Acker».  Es  stimmt 
der  Lautverschiebung  gemäß  mit  den  gleich- 
bed.  lat.  ager,  gr.  dfpöc  m.  und  skr.  djras 
«Flur,  Ebene»  und  wird  gewöhnlich  zu  der 
Wurzel  gestellt,  die  sich  in  lat.  ago,  gr.  afü), 
ai.  äjämi  «treibe,  tue»,  anord.  aka  «fahren», 
zeigt,  unter  Annahme  einer  Entwicklung,  wie 
in  Trift  zu  treiben.  Doch  ist  dies  durchaus 
unsicher.  Vgl.  Hirt  Idg.  Forsch.  Anz.  13,  9  f. 
ABL.  ackern,  v. :  mittelst  des  Pfluges  Land 


bauen,  spätmhd.  ackern  (dafür  früher  ern^ 
s.  Ernte).  ZUS.  Ackerbau,  m.,  frühnhd. 
(bei  Luther ).  —  Ackermann,  m.,  mhd. acker- 
man,  ahd.  accharman,  ags.  mcermon.  Dazu  das 
Dim.  Ackermännchen  n.,  in  vielen  Gegen- 
den Benennung  der  Bachstelze,  weil  sie  sich 
imFiühling  ihrer  Nahrung  wegen  beim  Pflügen 
i  Ackern)  regelmäßig  einfindet.  1517  bei  Tro- 
chus  H  4^  ackermenchen. 

Ackermennig,  s.  Odermennig. 

Acker  würz,  f.:  der  Kalmus,  dessen  Wurzel 
als  Gewürz  und  Heilmittel  dient.  IMhd.  acker- 
ivurz.  Acker-  geht  hier  auf  den  gr.-lat.  Namen 
dieser  Pflanze  zurück:  acorus,  gr.  oKopoc  f. 

Adam,  Eigenname,  hebr.  adam  «Mensch», 
Redensart:  der  alte  A.  d.i.:  der  alte  sündige 
Mensch,  die  angeborne  sündhafte  Natur  (häufig 
bei  Luther).  ZUS.  Adamsapfel,  m.:  der 
vorstehende  Teil  der  Luftröhre  (bei  Jablonski 
1721).  Früher  dafür  Adamshiß;  nach  einem 
verbreiteten  Volksglauben  ist  Adam  beim  Ge- 
nuß des  verbotenen  Apfels  im  Paradies  ein 
Stück  davon  (meist  wird  an  den  Apfelbutzen 
gedacht)  im  Halse  stecken  geblieben. 

addieren,  v. :  zusammenzählen.  Von  lat. 
addere  (aus  ad  «zu»  und  dare  «geben»  ge- 
bildet) «hinzutun».  Schon  1514  bei  Böschen- 
steyn  A  3^^. 

ade,  Interj.:  lebe  wohl!  Substantiviert: 
Ade  n.:  das  Lebewohl.  Mhd.  ade,  verkürzt 
aus  franz.  adieu  (eig.  ä  dieu  «zu  Gott!  Gott 
befohlen»!).  Diese  franz.  Form  selbst  wui-de 
wieder  seit  1600  üblich  (volkstümlich  in  adjes 
entstellt),  während  ade  der  poetischen  Sprache 
verblieb. 

Adebar,  Adebär  (Claudius  3,  66;,  m. 
(-n,  PI.  -en):  in  Niederdeutschland  verbreitete 
(fiüher  allgemeinere)  Benennung  des  Storches. 
Aus  mhd.  odehar,  odeher,  ahd.  odohero,  dazu 
mnd.  odevare,  ndl.  ooievaar  m.  Gewöhnlich 
als  Glückbringer  (od  «Glück»,  s.  Allod,  hero 
«Träger,  Bringer»,  s.  gebären)  erklärt. 

Adel,  m.  (-S,  ohne  PI.):  Geschlechts-  und 
Standesvorzug;  Gesamtheit  der  so  Bevorzug- 
ten: Erhabenheit  über  das  Gemeine  als  sitt- 
licher Vorzug.  Aus  mhd.  adel  n.,  seltener  m., 
ahd,  adal  n.  «Geschlecht,  von  dem  man  her- 
stammt, besonders  ausgezeichnetes»;  dazu 
asächs.  aäali  n.  «Geschlecht,  Gesamtheit  der 
Edeln»,  ndl.  adel  m.,  ags.  ceäelu  n.  PI.  «natür- 
hche  Anlage,  vornehme  Geburt»,  anord.  aäal  n, 
«natürliche  Beschaffenheit,  natürhche  Anlage». 
Grundbed.  «Geschlecht»  als  Vorzug  der  im 
Stande  höher  Stehenden.  Dazu  noch  (mit  Ab- 

2* 


23 


Adept 


adoptieren 


24 


laut)  ahd.  uodil  nodal,  asächs.  ödü,  ags.  edel, 
anord.  ödal  n.,  «Erbgut,  Heimat».  ABL. 
adlig  (eigentlich  adlich  zu  schreiben,  vgl. 
hülig),  adj.,  mhd.  adeUich,  ahd.  adallih.  adeln, 
V.:  in  den  Adelstand  erheben;  über  das  Ge- 
meineerheben. Bei  Dasypodius  1537,  während 
mhd.  dafür  edehi  erscheint.  Mit  Adel-  zus.- 
gesetzt  sind  viele  Eigennamen:  Adall)ert,  ge- 
kürzt Albert,  Albrecht,  ahd.  Adalbert,  ur- 
sprünghch  Adalperaht  (ahd.  peraht,  «glän- 
zend»); Alfons,  ahd.  Adalfims  (urspiüng- 
lich  wohl  Hadnfuns,  ahd.  liadu,  «Kampf», 
funs  «bereit»,  vgl.  H.  Kern  ZfdW.  9,  If.); 
Adelheid ,  ahd.  Adalheit,  franz.  Adelaide 
(ahd.  heit  «Gestalt»,  s.  heit);  Adele,  franz. 
Adele,  geht  zurück  auf  ahd.  Adala  «die  aus- 
gezeichneten Geschlechtes  ist»;  abgeleitet  ist 
der  Familienname  Adelung,  ahd.  Adahinc. 
S.  edel. 

Adept,  m.  (-en,  PI.  -en):  der  in  die  ge- 
heime Kunst  des  Gohlmachens,  der  Bereitung 
des  Lebenswassers  usw.  Eingeweihte.  Von 
lat.  adeptus  «wer  etwas  erlangt  hab>,  Part.  Perf. 
von  adipisci  «erlangen».  Bei  Sperander  noch 
in  lat.  Form  adepti  (PI.). 

Ader,  f.  (PI.  -n):  den  tierischen  KöqDer 
durchziehender  Gang,  Sehne,  Blutgang;  sonst 
innerer  Gang,  z.  B.  des  Erzes,  im  Holze;  be- 
sondere Begabung  wofür,  z.  B.  dichterisclie  A. 
(die  Adern  galten  fiüher  als  Organe  des  Seelen- 
und  Gemütslebens).  ^Ihd.  äder,  ahd.  ädara 
f.;  dazu  ndl.  ader,  aar,  ags.  ädre,  schwed. 
äder,  ädra,  dän.  aare  f.;  anord.  cedr  (r  ist 
Nominativendung)  entbehi-t  des  ableitenden  r. 
Das  Wori,  das  im  Got.  *ej>ra  lauten  wüi'de, 
gehört  mit  gr.  rirop  n.  «Herz»,  firpov  n.  «Bauch» 
zusammen,  also  Grundbed.  «Eingeweide»  (diese 
Bed.  hat  das  mhd.  incedere  n.  noch).  ABL. 
äderig,  adj.,  spätmhd.  ce(?enc.  —  ädern,  v.: 
der  Adern  durch  Herauslösen  benehmen,  mit 
Adeni  künstlich  versehen,  mhd.  cedern.  ZüS. 
Aderlaß,  m.,  seltener  n.,  (Gen.  Aderlasses, 
PI.  Aderlässe  und  -lasse) :  Ablassen  von  Blut 
dui'ch  Einschnitt  in  eine  Ader,  spätmhd.  dder- 
läg  f.  (?),  gewöhnlich  dderlce^e  f.  (wie  auch 
einfach  Ice^e  f.,  alem.  Ice^i);  auch  nhd.  er- 
scheint ein  fem.  Aderlässe  (bei  Frisius  270% 
Maaler,  Henisch,  Frisch,  sogar  noch  bei  Schu- 
bai-t  2,  78,  Schiller  9,  377  u.  andern  Schwaben) 
oder  Aderlasse,  -laß  (noch  bei  Ludwig  1716), 
während  Adelung  für  das  Mask.  eintritt  (nach 
Analogie  von  Durch-,  Einlaß  usw.).  —  Ader- 
SChlag,  m.:  Schlag  der  Pulsader  (Schiller 
Kab.  u.  L.  5,  2),  mhd.  äderslac. 


Adjektiv,  n.  (-es,  PI.  -e):  aus  niat.  ad- 
jectivuni  «was  sich  wozu  setzen  läßt»,  von 
adjicere  «hinzutun».  VonHelvicus  durch  «zu- 
ständiges Nennwort»,  von  Zesen  Helikon  1649 
durch  «beiständiges  Wort»,  von  Schottel  durch 
«beiständiges  Nennwort»,  von  Gottsched  durch 
«Beiwort»  verdeutscht;  in  neuerer  Zeit  ist 
«Eigenschaftswort»  beliebter. 

adj  es,  s.  ade. 

Adjunkt,  m.  {-en,  PI.  -en):  der  beige- 
gebene Amtsgehilfe.  Aus  lat.  adjunctus,  Part. 
Perf.  Pass.  von  adjungere  «zu-,  beifügen».  Bei 
Frisch  1741  Adjuncte. 

Adjutant,  m.  (-en,  PI.  -en):  Hilfsoffizier 
zur  Befördening  der  Befehle.  Aus  lat.  ad- 
jutans,  Gen.  adjufantis,  Part.  Praes.  von  ad- 
jutare «.helien».  Schon  1617imteutschenMichel. 
I  Adler,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  aus  mhd. 
adelar,  adlar,  adler  (Gen.  adelarn  etc.),  auch 
adelarn  m.,  wie  ndl.  adelaar,  zusammengesetzt 
aus  ahd.öw^aZi  «edel»  und  aro  «Aar»  (s.  d.).  Bei 
Luther  auch  adeler,  was  sich  in  der  poeti- 
schen Sprache  bis  ins  18.  Jh.  erhält  (bei  Voß). 
Die  urspr.  schwache  Flexion  ist  schon  bei  Lu- 
ther der  starken  gewichen,  der  Akk.  Adlern  je- 
doch noch  bei  Hoffmannswaldau  Verm.  Ged.  3. 
ZUS.  Adlerblick,  m. :  ausgezeichnet  scharfer 
Blick  (Gotter  1,  398).  —  Adlernase,  f.:  stark 
gebogene  Nase  (bei  Henisch  1616  adler s  nas). 

administrieren,  v. :  ein  Amt  verwalten. 
Von  lat.  administrare  «hilfreich  an  die  Hand 
gehen,  besorgen,  verwalten»  (von  ad  und 
niinistrare  «bedienen,  besorgen»).  Li  der  früh- 
nhd.  Kanzleisprache.  ABL.  Administration, 
f.  (Fl.-en):  Verwaltung  (Ordnungen  SO^j.  Von 
lat.  administratio.  Gen.  -önis. 
\  Admiral,  m.  {-s,  PI.  -e):  Flottenführer. 
Aus  afi-anz.  admiral,  das  auf  arab.  'amir-almä 
«Befehlshaber  des  Wassers»  beruht.  Schon 
mhd.  findet  sich  amiral,  admirät  als  Titel  des 
morgenländischen  Kalifen,  um  1500  erfolgte 
Neuentlehnung  in  der  Bed.  «Flottenbefehls- 
haber» (1507  bei  Wilwolt  von  Schaumburg 
118  fg.  amirall.  amerall,  bei  Fronsperger 
Ki-iegsbuch  1,109^  Admiral).  ABL.  Admi- 
ralität, f.:  die  Gesamtheit  derer,  die  die 
Oberaufsicht  über  das  Seewesen  haben.  Im 
,  17.  Jh. 

Adolf,  Mannsname,  aus  einem  got.  Namen, 
der  latinisiert  Ataulfus  lautet  und  dessen  ulfiis 
got.  wulfs  «Wolf»  (s.  d.)  ist. 

adoptieren,  v. :  an  Kindesstatt  annehmen. 
Von  lat.  adoptare  «annehmen,  bes.  an  Kindes- 
statt» (von  ad  und  optare  «sich  ausersehen»). 


25 


Adresse 


after 


26 


Fiühnhd.  (Franck  teutsche  Chronik  26^).  — 
Adoption,  f.  (PI.  -en) :  Annakme  an  Kindes- 
statt, fiühnhd.  (Sallust  0  4).  Von  lat.  adoptio, 
Gen.  -onis. 

Adresse,  f.  (PI.  -n  j :  Aufschrift  auf  einem 
Brief;  feierhches  Schreiben.  Aus  franz.  adresse 
im  17.  Jh.  entlehnt  (Weise  pol.  Näscher  34), 
in  der  2.  Bed.  zugleich  unter  Einfluß  des  engl. 
address  «Schreiben  des  Parlaments  an  den 
König». —  adressieren,  v.:  wohin  zum  Emp- 
fang überschreiben.  Aus  franz.  adresser,  das 
auf  dem  mlat.  directiare  «wohin  richten»  (von 
directus,  s.  direkt)  beruht. 

Advent,  m.  {-es,  ohne  Pl.i:  die  Zeit  vom 
vierten  Sonntag  vor  Weihnachten  bis  zu  diesem 
als  dem  Feste  der  Ankunft  Christi  im  Fleische 
d.  i.  seiner  Geburt,  iihd.  ad.vent,  advenfe  m. 
von  lat.  adventus  m.  «Ankunft». 

Adyerb,  n.  (s,  PI.  Adverhien)-.  das  Be- 
stimmungswort des  Verbums  und  des  Adjek- 
tivs. Aus  lat.  adverhium,  das  nach  ad  verlyum 
«zumVerbimi  (Zeitwort)  gehörig»  gebüdetist. 
Von  Helvicus  durch  «Beiwort»,  von  Schott el 
durch  «Zuwort»,  von  Gottsched  durch  «Xeben- 
wort»  verdeutscht,  in  neuerer  Zeit  dm-ch  «Um- 
standswort» (schon  1619  bei  Helvicus  allgem. 
Sprachkunde  10  üinhstandwort). 

AdTOkat,  m.  (-ew,  PI.  -en)  -.  wer  als  Eechts- 
gelehrter  jemandes  Sache  vor  Gericht  zu  führen 
hat,  der  Sachwalter,  Anwalt,  (schweizerisch) 
Fürsprech.  Aus  lat.  advocatiis  m.  «"der  zur 
Rechtshilfe  Herbeigerufene»,  Part.  Praet.  Pass. 
von  a<ii;oca?"e  «herbeirufen».  Im  15.  Jh.  entlehnt 
(Eyb  2,  98,  Fastnachtspiele  821,  Lüiencron 
2,5.31).  ABL.  AdTOkatur,  f.:  das  Advo- 
katenamt. Aus  nlat.  advocatura  f.  Bei  Spe- 
rander  1728. 

äfern,  v.:  wiederholen.  Bei  Luther  Spr. 
Sal.  17,  9  evern,  wobei  am  Rande  «widerholen, 
wider  anziehen,  wider  regen  etc.».  Mhd.  äveren, 
ahd.  avarön  von  avar,  s.  aber.  Noch  jetzt  bayr. 
Schwab.  Schweiz,  äfern  «wiederholt  in  Worten 
vorhalten,  tadeln»,  dafür  oberhess.  äftern. 

afF,  s.  -a. 

Altäre,  f.  (PI.  -n):  Angelegenheit,  Sache: 
kriegerisches  Treffen.  Aus  dem  gleichbed. 
franz.  af faire  f.,  entstanden  aus  ä  faire  «zu 
tun».  In  der  1.  Bed.  im  17.  Jh.  entlehnt  (Weise 
Cath.  110);  in  der  2.  z.  B.  bei  Lessing  (Minna 
V.  Barnhelm  1,  12). 

Affe,  m.  (-n,  PI.  -n):  das  Tier;  wer  etwas 
lächerücherweise  nachmacht;  eitler,  törichter 
Mensch.  Mh.  äffe,  ahd.  a/fo  m.;  dazu  ndl.  cwp, 
ags.  apa,  engl,  ape,  anord.  ajji,  schwed.  apa. 


dän.  abe  m.  Aus  dem  Germ,  stammt  slav.  opica. 

Zusammenhang  mit  gr.  Krj-rroc,  skr.  kapis  m. 
«Affe»  ist  sehr  unsicher.  Vgl.  0.  Schrader  Real- 
lex.  19.  ABL.  äffen,  v. :  zum  Toren  machen, 
zum  besten  haben,  mhd.  effen.  Davon  Afferei, 
f.  (bei  Luther).  Affin,  f.  (PI.  -nen),  mhd. 
äffinne,  effinne,  effin:  ahd.  affinna:  anord. 
apynja.  äffisch,  adj.,  bei  Luther  1,  514^  ef- 
fisch.  ZUS.  Aifenliebe,  f.:  blinde,  verzär- 
telnde Elternliebe  (Grimmeishausen  Simpl.347). 
Affenspiel,  n. :  Narrenpossen,  mhd.  affenspil. 

Affekt,  m.  (-es,  PI. -e):  Gemütsbewegung. 
Von  lat.  affediis  m,  «Gemütsstimmung,  -er- 
regung/>  von  afficere  (s.  affizieren).  Fmhnhd. 
(15.34  bei  Franck  Weltbuch  a  4^j.  ABL.  af- 
fektieren, V.:  zum  Schein  annehmen,  be- 
sonders auf  gezierte  Weise,  erkünsteln.  Aus 
fi-anz.  affecter,  das  auf  lat.  affedare  beruht. 
Im  17.  Jh.  entlehnt,  das  Part.  Praet.  bei 
Günther  429  affediert,  während  bei  Schupp 
2,  183,  der  lat.  Form  näher,  affedat. 

äffen,  Äifiu  usw.,  s.  Affe. 

affizieren,  v.:  angi-eifend  erregen,  Ein- 
di'uck  machend  berühren.  Aus  lat.  afficei-e 
(von  ad  und  facere  «tun,  machen»  gebildet) 
«hinzutun,  Eindruck  machen,  in  eine  gewisse 
Stimmung  versetzen».  Schon  bei  Rot  1571 
affidrn. 

Affodill,  m.  (-S,  PI.  -e)  -.  lilienartiges  Gar- 
tengewächs mit  vielen  kleinen  Wurzelknollen. 
Spätmhd.  affodiUe  m.  Mit  Anlehnung  an  Affe 
und  Dill  aus  gleichbed.  gr.-lat.  asphodüus, 
gr.  äcqpöbeXoc  m. 

Affolter,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.) :  Apfelbaum 
(fast  nur  noch  in  Ortsnamen  wie  Ajfolterhadi 
erhalten).  Von  mhd.  äff  alter,  ahd.  affoltra, 
apholtra  (ZfdWf.  2,  210)  f.;  dazu  ags.  apulder 
m.  und  apuldre,  cepiddre  f.,  anord.  apaldr  m., 
schwed.  apel  (früher  apald),  dän.  ahild.  Ab- 
geleitet von  Apfel  (s.  d.);  wegen  der  ange- 
tretenen Ableitung  vgl.  Hollunder,  Maßhol- 
der, Wachholder. 

Afrusch,  s.  Äbeyraute. 

After,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  der  Ausgang 
des  Mastdarms.  Mhd.  after  (Gen.  aftern), 
ahd.  aftaro,  substant.  gebrauchtes  M.  des  ahd. 
Adj.  aftaro,  mhd.  (selten)  after  «der  hintere, 
nachfolgende,  andere»  von  after  (s.  d.).  Vgl. 
Hintere.  Die  ui'spr.  schwache  Flexion  (noch 
bei  Ludwig  1716)  ist  jetzt  ganz  der  stai-ken 
gewichen. 

after  (veraltet),  Adv.  und  Präp.  mit  Dat., 
seltener  Akk. :  hinter,  nach.  Mhd.  after,  ahd. 
aftar  «hinter,  nach»;  dazu  nd.  und  ndl.  achter 


27 


Agel 


ah! 


28 


(s.  Ächterdeck),  ags.  ceßer,  engl,  after  «nach», 
got.aftra  «zurück,  wiederum».  Weiterbildung 
von  got.  af,  s.  ah  und  aber.  In  Zusammen- 
setzungen nimmt  after-  gern  den  Begi-ift'  des 
Scheinrechten  und  Schlechten  an;  es  kommt 
in  dieser  Bed.  des  Negativen,  Verkehrten  schon 
mhd.  neben  den  gleiehbed.  Präfixen  ah-  und 
aber-  (s.  d.)  vor  und  verdrängt  diese  im  nhd. 
bis  auf  einzelne  Reste.  ZUS.  Afterbürde 
{b.Mos.  28,  bl  Äffterhihi)  f.:  die  Xachgebui-t. 
Aftergröße,  f.  (Schiller  11,  323):  Schein- 
größe, falsche  Größe.  Afterklaue,  f.  (auch 
Äberklaue):  die  kleine  Hornspitze  über  dem 
Ballen  an  den  Läufen  des  Wildes  (bei  Duez 
1664).  Afterkönigill,  f.  (vgl.  Afterkönig 
bei  Nieremberger  1753):  unrechtmäßige  und 
Scheinkönigin  (Schiller  Maria  Stuart  1,  6). 
Afterlehen,  n.  (bei  Henisch  1616):  das  von 
einem  Lehnsträger  an  einen  Dritten  vergebene 
Lehen.  Aftermiete,  f.  (erst  bei  Campe  1807) : 
Vermietung  durch  den  zur  Miete  Wohnenden 
an  einen  Dritten.  Aftermontag,  m.;  (im 
östl.  Schwaben)  der  Tag  nach  dem  Montag, 
der  Dienstag,  mhd.  aftermäntac.  afterredeil, 
V.  (vgl.  mhd.  afterrede  f.):  verleumderisch 
nachreden  (bei  Luther).  Aftersal)bath,  m. 
(Luk.  6, 1) :  der  Tag  nach  dem  Sabbath.  After- 
TVeise,  m.  (bei  Aventin  afterweis):  Schein- 
weiser. Afterwelt,  f. :  Nachwelt  (Hoffmamis- 
waldau  Heldenbr.  .51). 

Agel,  s.  Acliel.- 

Agende,  f.  (PI.  -n):  Formularbuch  für 
das,  was  der  Geistliche  bei  seinen  Amtshand- 
lungen vorschriftsmäßig  zu  reden  hat.  Aus 
lat.  agenda,  eig.  «die  vorzunehmenden  Hand- 
lungen», N.  PI,  von  dem  Part.  Fut.  Pass.  von 
agere  «tun».  In  den  Kii'chenordnungen  von 
1582  agend. 

Agent,  m.  (-en,  PI.  -en) :  Geschäftsbesorger. 
Aus  dem  gleiehbed.  ita\. agente,  franz.  agentva.., 
das  auf  lat.  agens.  Gen.  agentis  «tuend,  aus- 
führend», Part.  Praes.  von  agere  «tun,  aus- 
führen» beruht.  1586  bei  Fischaxt  Bodinus  336. 
ABL.  Agentur,  f.  (PI.  -en):  die  Geschäfts- 
besorgung als  Gewerbe.  Aus  einem  nlat. 
agentvra. 

Ägide,  f.:  kräftiger  Schutz.  Eig.  der  (mit 
einem  Ziegenfell  überzogene?  oder  aus  Eichen- 
holz bestehende)  schreckende  SchUd  des  Zeus. 
Nach  fi-anz.e'gfiJef.aus  gr.  lat.  «e^/s,  Gen.aegidis, 
gr.  ai-fic,   Gen.  aiYiboc.     Junge  Entlehnung. 

agieren,  v. :  handeln,  wh-ken;  mit  Ab- 
sicht sich  benehmen  als  — .  Aus  lat.  agere 
(s.  Agent).    Schon  bei  Bot  1571  agirn. 


Agio,  n.  (spr.  äschjo):  das  Aufgeld  beim 
Umtausche  von  Münzsorten  oder  Wechsel- 
briefen gegen  bares  Geld.  Aus  piemontesisch 
agio,  ital.  aggio  m.  eig.  «Gemächlichkeit,  gute 
Gelegenheit»,  dann  «Erkenntlichkeit»,  die  man 
dem  Wechsler  für  den  Umtausch  gibt.  Bei 
Nehring  1694  mit  den  Nebenformen  lagio  (mit 
dem  Artikel  l'),  lazo,  von  denen  die  letzte 
schon  van.  die  Mitte  des  17.  Jh.  vorkommt, 
bei  Krämer  1678  Lasch  i. 

agitieren,  v.:  en-egend  auf  die  Menge 
einwirken,  bes.  in  politischer  Absicht.  Aus 
franz.  agifer  «eiTegen,  (politisch)  aufwiegeln», 
entlehnt  aus  \at.agitare,  «in  Bewegung  setzen», 
abgeleitet  von  agere  (s.  Agent).  Erst  in  der 
neuern  Sprache.  ABL.  Agitator,  m.  (-s, 
PI.  -en).  Mit  der  lat.  Endung  -ator  nach  fi-anz. 
agitateur  m. 

Aglei,  f.:  eine  glockenblumenartig  blühende 
Gartenzierpflanze.  Mhd.  agleie,  ageleie,  ahd. 
agaleia,  agleia  f.,  aus  ital.  aquilegia  d.  i.  die 
wassei'ziehende  (?).    S.  Akelei. 

Agnat,  m.  (-en,  PI.  -en) :  Blutsvei-wandter 
von  väterlicher  Seite.  Aus  dem  gleiehbed. 
lat.  agnatus  m.  d.  i.  ad-gnatus.  In  der  früh- 
nhd.  Rechtssprache  (Liliencron  2,  531).  !Mhd. 
sagte  man  sicertmäc. 

Agnes,  Fraueimame.  Aus  mlat.  Agnes,  dem 
Namen  einer  um  300  zu  Rom  enthaupteten 
jungfräulichen  Heiligen,  frtiher  von  lat.  ag- 
nus  m.,  agna  f.  «Lamm»  abgeleitet,  vielleicht 
zu  gr.  äfvii,  Fem.  des  Adj.  öiyvöc,  ötvöc  «rein, 
keusch,  heilig». 

Agralfe,  f.  (PI.  -n):  die  Hakenspange; 
Hutschleife.  Aus  dem  gleiehbed.  franz.  agraffe, 
agrafef.  von  a^ra/er  «zuhäkeln»,  gebildet  aus 
ad  und  einem  v.  *grafer  aus  ahd.  kräphön  von 
krdplw  «Haken»,  s.  Krapfen.  Im  17.  Jh.  ent- 
lehnt (1710  bei  Nehring). 

Agrarier,  (-.s-,  PI.  wie  Sg.):  Mitglied  einer 
auf  Begünstigung  der  Landwirtschaft  ab- 
zielenden Partei.  Neues  seit  1874  aufkom- 
mendes Wort  von  lat.  agrarius  adj.  «zum 
Acker  (ciger)  gehörig». 

Agtstein,  m.  {-s,  PI. -e):  Bernstein.  Aus 
mhd.  agestein.  agetstein  «Bernstein,  Magnet»; 
aget-  geht  wohl  auf  rom.  (ital.  span.)  agata  f. 
«Achat»  zuiiick,  da  Achat,  Bernstein,  Magnet 
hinsichtlich  der  großem  oder  geringem  An- 
ziehungskraft venvechselt  wm'den.  Bei  Agri- 
cola  de  re  metalhca  1546  gagates,  schwartzer 
agatstein  oder  aidstein. 

.      ah!    Ausmf  des  Staunens   und  Wohlge- 
I  fallens.    Mhd.  a.    Vgl.  franz.  ital.  span.  ah. 


29 


äh 


ähuelu 


30 


äh!    Interj.,  s.  ä. 

aha!  Ausruf  der  Üben'aschung,  mhd.  aha. 
Das  an  a  (hier  kurz)  angehängte  ha  ist  wohl 
Ausdruck  des  Lachens. 

ahl!  Ausruf  der  lebhaften  Freude  und 
der  freudevollen  YerwTinderung.  Dichterisch 
(bei  Goethe,  Bürger,  Hölty).  Mhd.  ahi,  Aus- 
ruf des  Schmerzes,  des  Vei-langens,  der  Ver- 
wunderung.   Aus  fi'anz.  ital.  ahi. 

Ahle,  f.  (PI.  -n):  an  ein  Heft  befestigter 
stählerner  Stachel  zum  Vorstechen  bei  Leder- 
arbeit. Aus  mhd.  ale,  ahd.  äla  f.;  dazu  ndl. 
aal,  ags,  ml  f.  (daneben  äicel,  engl,  awl),  anord. 
alr  m.  «Ahle».  Eine  "Weiterbildung  zeigt  ahd. 
alansa  (daher  Schweiz.- schwäb.  Alse),  vgl. 
franz.  alene  aus  alesne  und  ndl.  eis  f.  «Ahle». 
Verglichen  wird  aind.  ärä  f.  «Pfiiem,  Ahle», 
lit.  ila,  preuß.  ylo,  lett.  tletis  «Ahle».  Vgl. 
noch  Liden  Idg.  Forsch.  18,  492.  Die  Schrei- 
bung AJil  "bei  Gueintz  1645,  sonst  im  17.  Jh. 
auch  oft  Aal;  AJiIe  erst  bei  Xieremberger  17-53. 
Neben  dem  F.  auch  ein  M.  AJil  (noch  bei 
Heynatz  1775  imd  Adelung,  daneben  nochX.). 

Ahm,  f.,  s.  Ohm. 

ahmen,  s.  nachahmen. 

Ahn,  Ahne,  m.  (-n,  PI.  -n):  (veraltet) 
Großvater;  Vorvater  eines  Geschlechts  (1626 
bei  Zinkgref  Apophth.  1,  339).  Ahne,  f.: 
Großmutter,  Vormutter  eines  Geschlechts. 
Der  PI.  AJmen :  Voreltern.  Mhd.  an,  ane,  ahd. 
ayio  m.  «Großvater»:  mhd.  ane,  ahd-.  ana  f. 
«Großmutter».  Nicht  in  den  andern  germ. 
Sprachen,  vgl.  Enkel.  Verwandt  ist  lat. 
anns  «alte  Frau»,  apreuß.  rt«e«Altmutter/>,  lit. 
a«i^a  «Schwiegermutter»,  arm.  han  «avia»,  gr. 
dvvic  «Schwester  des  Vaters  oder  der  Mutter» 
Hesych.  Die  urspr.  schwache  Flexion  des  M. 
weicht  jetzt  im  Sg.  z.  T.  der  starken  (Gen. 
Alins,  Platen  2,  246 :  Dat.  Ahn  Schiller  Teil  2,  2, 
LTiland  254;  Akk.  Ahn  Goethe  2,  249,  Heine 
1,  33).  Davon  abgel.  das  Schweiz.  Dim,  Ähni 
{Ehni  Schiller  Teil  3,1,  schon  1384  eni,  1448 
äny  «Großvater»,  1541  bei  Frisius  697  der  äne, 
des  großvatters  vatter).  ZUS.  Ahnherr, 
mhd.  anherre  m. «  Großvater,  Voi^ater ».  Ahn- 
fran,  mhd.  anvrouwe  f.  «Großmutter,  Vor- 
mutter». Dafür  bei  Voß  Luise  3, 1, 636  Ahnin  f. 

^ahnden,  v.:  (veraltet)  seinen  Unmut  über 
ein  zugefügtes  tJbel  äußern,  rügen;  rächend 
bestrafen.  Mhd,  anden,  ahd.  andön,  anadön 
«strafen,  rügen»,  mnd.  anden  auch  «andeuten»: 
dazu  ags.  andian  «zornig  sein».  Abgeleitet  von 
mhd.  a«  de  m.  «erbitternde  Kränkung»,  ahd.  ando, 
anado  m.  «heftige  Erbitterung,  Aufwallung  über 


Kränkung,  Eifer»;  asächs.  ando  m.  «Aufgeregt- 
heit, Zorn ;,  ags.anda  m.  «Haß,  Arger,  Eifei*»,  alle 
zurückgehend  auf  got.  anan  «hauchen,  atmen» 
in  usanan  «sterben»  vgl.  anord.  a«*^^' m.,  öndi. 
«Atem,  Geist»  (verwandt  mit  lat.  animus 
«Geist»,  anima  f.  «Seele»,  gr.  aveuoc  m.  «Wind»). 
Doch  vgl.  Brugmann  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  W. 
1897, 30,  der  gr.  vöcoc  «Krankheit»  mit  dem  germ. 
Wort  verbindet,  auch  lat.  nota,  noiäre  «kenn- 
zeichnen, tadeln,  rügen ^.  läßt  sich  vergleichen. 
Das  Wort  lautet  ältemhd.  meist  anden  (so 
noch  Frisch  1741,  wähi-end  Xieremberger  1753 
ahnden  hat)  vmd  entstammt  dem  Obd.,  wo 
es  auch  noch  in  der  altem  Bed.  «sich  über 
etwas  beklagen»(Schönsleder  1618),  «seinenUn- 
mut  über  etwas  äußern»  (Dentzler  1709)  vor- 
kommt (vgl.  auch  das  in  md.  und  obd.  Mund- 
arten verbreitete  es  ist  mir  and  «es  ist  krän- 
kend für  mich,  tut  mir  leid»,  in  Leipzig  es  tut 
mir  ände):  in  der  2.  Bed.  ist  es  aus  der  Kanz- 
leisprache in  die  Schiiftsprache  übergegangen 
(z.  B.  bei  Moscherosch  Phil.  2,  917j.  ABL. 
Ahndung,  f.:  (veraltet)  Äußerung  des  Un- 
muts, Zorn:  Bestrafung.  Frühnhd.  (bei  Franck 
Chron.  176^). 

-ahnden,  v.:  wie  ahnen  (s.  d.).  Dazu 
ahndeTOll,  adj.undadv.:  voll  einer  dunklen 
Vorempfindung  wovon  (Goethe  2,  65  u.  ö.). 

^Ahne,  f.:  Groß-,  Vormutter,  s.  Ahn. 

-Ahne,  f.  (PI  -n)-.  StengelspHtter  von 
Flachs  oder  Hanf:  StachelspHtter  vom  Barte 
des  Getreides.  Zusammengezogen  (bei  Alberus 
Dict.  Qq  l''  und  tt  1^  unrichtig  aus  der 
wetterauischen  Mundart  verhochdeutscht  aun 
statt  an)  aus  mhd.  agene.  agen,  md.  auch 
äne,  aine,  ahd,  agana  f.  «Spreu»;  dazu  ags. 
egenu,  anord.  ögn  «Spreu»,  schwed.  agn  f, 
«Granne»,  dän.  avne  «Spreu»,  engl,  (entlehnt) 
aicn  «Abfall  von  Ährenspitzen»,  got.  ahana  f. 
«Spreu».  Aus  der  gleichen  Wurzel  yde  Agel 
oder  J.cÄeZ(s.d.)und.4Äre(s.d.).  Verwandt  sind 
lat.  agna  f.  aus  *acna  «Ährenstachel»,  gr.  a.-%yr\ 
f.  «Spreu»,  preuss.  ackons  «Granne»  und  mit 
andrer  Ableitung  auch  lit.  aknotas  «Granne». 
Ahne  ist  erst  neuerdings  schriftsprachlich; 
Stieler  1691  setzt  Agen  (daneben  Aunen)  an, 
Adelung  Age  f.  und  bezeichnet  AJine  als 
mundartlich. 

ähneln,  v. :  nur  etwas  ähnlich  sein:  einiger- 
maßen ähnlich  machen  (Goethe  Faust  5079). 
Zuerst  1652  bei  W.  Scherffer  Ged.  197,  1775 
bei  Heynatz  als  ein  Wort  aus  dem  gemeinen 
Leben  angeführt,  im  altem  Nhd.  dafiü'  ähn- 
lichen. 


31 


ahnen 


Akkord 


32 


ahnen,  v.:  dunkel  vorempfinden.  Auch 
unpersönlich  mit  Dat.  oder  Akk.  (oft  bei 
Klopstock)  verbunden.  Mhd,  (in  md.  Quellen) 
mir  anet  und  mich  anet,  daneben  auch  andet, 
aus  dem  aber  anet  nicht  hei-vorgegangen  sein 
kann,  vielmehr  Ableitung  von  der  Pi-aep.  ane 
also  eig.  «es  kommt  mich  etwas  an»;  später 
mit  anden  (s.  ahnden)  vermischt.  Im  16.  Jh.  bei 
Luther  mir  (mich)  ahnt,  bei  Alberus  Dict.  V  2^ 
es  anet  mir,  daneben  wird  anden  (Formen 
wie  ant,  andt  als  3.  Sing,  sind  zweifelhaft) 
auch  in  der  Bed.  «vorempfinden»  gebraucht, 
z.  B.  bei  Hans  Sachs.  Im  17.  Jh.  tritt  ahnen 
ganz  hinter  ahnden  zurtick  (in  der  Bed.  «dunkel 
vorempfinden»  bei  Duez,  Krämer;  Stieler  hat 
ahnen  und  anden).  Im  18.  Jh.  stehen  lange 
ahnen  und  ahnden  nebeneinander,  Heynatz  1775 
im  Handbuch  und  noch  1796  im  Antibarbarus 
zieht  ahnden  vor,  Adelung  verwirft  noch  1793 
ahnen  (in  ndd.  Dialektwörterbüchern  mehr- 
fach verzeichnet)  als  niedersächsisch,  während 
Campe  1807  in  der  jetzt  üblichen  Weise 
zwischen  ahnen  und  ahnden  unterscheidet. 
Goethe  gebraucht  ahnden  (s.  ahndevoll),  doch 
in  der  Ausgabe  letzter  Hand  meist  ahnen. 
Aus  dem  Deutschen  schwed.  ana,  dän.  ane. 
ABL.  Ahnung,  f.,  bei  Stieler  1691. 

ähnlich,  adj.  und  adv.:  der  Überein- 
stimmung annähernd.  Aus  mhd.  änelich, 
anelich,  ahd.  analih,  gew.  anagüih,  abgeleitet 
von  ana  «an»;  dazu  got.  analeikö  adv.  «ähn- 
lich». Mit  diesem  Adj.  (bei  Luther  enlich, 
bei  Frisius  129^,  Maaler  12^  änlich,  bei 
Dasypodius  296  Äenlichheijt)  scheint  ein  md. 
einlich  (z.  B.  voc.  praed.  x  8^  einlich  vel 
glich  machen  «similare»,  einlicher  Waldis  2, 
22,  6,  eynligkeyt  Alberus  Dict.  o  2^^)  ver- 
mischt zu  sein,  abgeleitet  von  oder  angelehnt 
an  ein.  Vergl.  Z.  f.  hd.  Ma.  1,  299,  ZfdW.  6, 
100,  ABL.  ähnlichen,  v.:  ähnlich  sein  oder 
werden,  mhd.  anelichen. 

Ahorn,  m.  {-es,  PI.  -e):  Platane.  Mhd. 
ahd.  ahorn  (die  Quantität  des  a  ist  unsicher) 
m.,  eigentlich  ein  Stoffadjektiv,  vgl.  Osthoff 
Parerga  188.  Verwandt  mit  lat.  acern.  «Ahorn», 
gr.  cxKacToc-  y]  c(p^vbaf.ivoc  («Rüster,  Ahorn») 
Hesych.  ABL.  ahornen,  adj.,  mhd.  ahornin. 
ZUS.  Ahornbaum,  m.:  spätmhd.  ahorn- 
houni,  früher  ahornenhoum. 

Ähre,  f.  (PI.  -n):  der  oberste  Blüte-  und 
Fruchtteil  der  Gras-  und  Getreidearten.  Aus 
dem  PI.  von  mhd.  äher,  eher,  ahd.  ehir,  ahir  n. 
«Ähre»;  dazu  ndl.  aar,  ags.  ear  und  cehher, 
engl,  ear,  ferner  mit  erhaltenem  s  der  Ab- 


leitung, das  sonst  in  r  übergegangen  ist, 
anord.  schwed.  dän.  ax,  got.  ahs  n.  «Ähre». 
Verwandt  ist  lat.  acus  f..  Gen.  aceris  «Ge- 
treidestachel», lit.  aküotas  m.  «Granne»,  und  da 
als  Grundbed.  der  Wurzel  der  Begiiff  des 
Spitzigen  anzusehen  ist,  auch  lat.  acies  f. 
«Schärfe»,  acuere  «schärfen»,  gr.  ölkvjv  m. 
«Wurfspieß»  usw.,  s.  Walde  s.  v.  acus,  vgl. 
Ecke.  S.  auch  Achel  und  Ahne.  Bei  Luther 
ist  das  Wort  schon  Fem.  (die  Ehr,  Eher), 
ebenso  bei  Henisch  (die  Ar,  Ähr)  und  Gueintz 
(die  Ähre),  während  z.  B.  Dasj^podius  noch 
das  N.  (Äher)  hat. 

Aiche,  aichen,  s.  Eiche. 

Akademie,  f.:  Hochschule,  Gelehrten-, 
Künstlervereinigung.  Aus  gr.-lat.  Academia, 
gr.  ÄKabriiLiia  f.,  der  angeblich  nach  einem 
Heros  Akademos  benannte,  zu  Leibesübungen 
bestimmte  Platz  zu  Athen,  auf  dem  Plato 
lehrte;  dann  die  von  Plato  gestiftete  Schule. 
Im  16.  Jh.  entlehnt  (Mathesius  Luther  70 
Academie).  ABL.  akademisch,  adj.,  1586 
bei  Fischart  Bodinus  39,  nach  lat.  academicus, 
gr.  dKabrmiKÖc. 

Akazie,  f.:  der  Schotendorn.  Aus  gr.-lat. 
acacia,  gr.  dKOKia  f. 

Akelei,  f.:  wie  Aglei  (s.  d.).  Spätmhd. 
ackeley,  ahd.  ackeleia  und  acoleia  (Stein- 
meyer-Sievers ahd.  Glossen  3,  402,  53),  dazu 
mnd.  acoleie,  nid.  akelei.  Aus  spätlat.  aculegia 
stait  aquilegia. 

Akklamation,  f.  (Pl.-en):  Beistimmung 
durch  Zuruf.  Aus  lat.  acclamatio.  Gen.  accla- 
mationis  f.  «Zuruf»,  von  acclamare  (d.  i.  ad- 
claniare)  «zurufen».    Bei  Sperander  1728. 

akkomodieren,  v. :  anbequemen.  Aus  lat. 
accomodare  (d.  i.  ad-comodare)  «anbequemen». 
Schon  bei  Rot  1571  acconiodirn. 

akkompagnieren,  v.:  in  der  Musik  mit- 
spielend begleiten.  Aus  franz.  accompagner 
«begleiten»,  s.  Kompagnie.  Um  1600  entlehnt 
(Albei'tinus  Kriegsleut  Weckuhr  48^). 

Akkord,  m.  (-es,  PI.  -e):  Übereinkunft, 
abgeredeter  Vertrag,  im  besondern  der  Lohn- 
vertrag; der  stimmende  Zusammenklang  m  der 
Musik.  Aus  dem  gleichbed.  franz.  accord  m. 
von  mlat.  accordum  (d.  i.  ad-cordum)  oder  ac- 
cordium  n.,  das  auf  lat.  cor.  Gen.  cordis,  «Herz» 
zurückgeht.  Im  16.  Jh.  entlehnt.  ABL.  ak- 
kordieren,v.:  vertragsweise  übereinkommen; 
auf  den  Preis  imterhandehi ;  in  Lohnvertrag 
übernehmen.,  Aus  dem  gleichbed.  franz.  ac- 
corder.  Im  teutschen  Michel  1617  erwähnt, 
auch  bei  Moscherosch  Phil.  1,  322. 


33 


akkurat 


Akzise 


34 


akkurat,  adj.  und  adv.:  sorgfältig,  ganz 
genau.  Aus  lat.  accuratus,  eig.  Part.  Perf. 
Pass.  von  accurare  (d.  i.  ad-curare)  «Sorgfalt 
worauf  verwenden,  pünktlich  besorgen».  Im 
17.  Jah.  entlehnt  (Weise  Erzu.  7).  ABL. 
Akkuratesse,  f.:  Sorgfalt,  völlige  Genauig- 
keit im  Tun,  Pünktlichkeit.  Mit  der  franz. 
Endung  -esse  nach  ital.  accuratezza  f.  ge- 
bildet, das  lat.  acciiratitia  lauten  würde.  Bei 
Sperander  1728. 

Akkusativ,  m.  {-es,  PI.  -e):  der  auf  die 
Frage  wen?  oder  was?  stehende  Fall.  Aus 
lat,  accusativus  «anklägerischer  (Kasus)»,  von 
accusare  «anklagen»,  eine  Übersetzung  des 
griechischen  Grammatikerwortes  airiaTiKr)  f. 
(nämlich  tttujcic). 

akquirieren,  v.:  erwerben.  Von  lat. 
acquirere  (aus  ad  und  ^waerere  gebildet)  «dazu 
erwerben,  erwerben».  Schon  bei  Rot  1571 
aequirirn. . 

Akt,  m.  (-es,  PI.  -e):  Handlung,  Ver- 
handlung; Verhandlungsschrift  (daher  von 
einer  Sache  Ä.  nehmen,  d.  i.  zur  Kenntnis 
nehmen,  eig.  schriftlich) ;  Aufzug  im  Bühnen- 
spiel. Aus  lat.  actus,  Part.  Perf.  Pass.  von 
agere  «handeln,  tun».  In  der  1.  Bed.  bei  Al- 
bertinus  Lustg.  61,  in  der  3.  Bed.  schon  im 
16.  Jh.  in  lat.  Form  actus,  bei  Opitz  Akt.  — 
Akte,  f.:  Verhandlung,  Verhandlungsschrift, 
namentl.  eines  Parlaments.  Bei  Wächtler  1711. 
Aus  lat.  acta,  Neutr.  PI.  von  actus.  —  Akten, 
PI.:  Verhandlungsschriften,  Gerichtsschriften. 
Aus  lat.  acta.  In  der  frühnhd.  Kanzleisprache 
(Eeichs-Ordnungen  42^  von  1500  neben  acta). 

Aktie,  f.  (PI.  -n):  Anteilschein  als  Ver- 
sicherungsurkunde bei  einem  auf  Gewinn 
gegründeten  gesellschaftlichen  Unternehmen. 
Aus  ndl.  actie,  das  auf  lat.  actio  «Handlung» 
beruht,  zu  agere.  Bei  Ludwig  1716.  ABL. 
Aktionär,  m  {-s,  PI.  -e):  Inhaber  eines 
solchen  Anteilscheins.  Aus  franz.  actionnaire, 
das  auf  mlat.  actionarius  beruht,  von  actio, 
Gen.  actionis  «Handlung».  Erst  im  Beginn 
des   19.  Jh. 

aktiv,  adj.  und  adv.:  tätig,  wirkend.  Aus 
lat.  activus  «tätig»,  von  actus,  s.  Akt.  Bei 
Wächtler  1711  actif.  Dazu  Aktivum,  n.: 
die  Form  des  Verbums,  in  der  es  eine  Tätig- 
keit ausdrückt,  Tätigkeitsform.  —  Aktiva, 
PI.:  tatsächliches  Vermögen,  ausstehende 
Schulden.     Im   18.  Jh. 

Aktuar,  m.  {-s,  PI.  -e)-.  der  zum  Auf- 
schreiben amtlicher  Verhandlungen  oder  Aus- 
sagen Angestellte.   Aus  lat.  actuarius  m.  «Ge- 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


Schwindschreiber,  Rechnungsführer»,  von  actus, 
s.  Akt.  In  dieser  lat.  Form  schon  bei  Rot  1571, 

Akustik,  f. :  Wissenschaft  von  Schall  und 
Ton,  Klang-  und  Gehörlehre.  Aus  gr.  cikou- 
cTiKr)  «die  zum  Hören  gehörige»  (nämlich  x^x^n 
«Wissenschaft»),  F.  des  Adj.  dKoucxiKöc  von 
diKoüeiv  «hören».  Im  18.  Jh.  entlehnt.  — 
akustisch,  adj.:   der  Akustik  gemäß. 

Akzent,  m.  {-es,  PI.  -e)-.  hervorhebender 
Silben-  oder  Wortton;  Redeton;  Tonzeichen 
z.  B.  a  a  a.  Aus  lat.  accentus  m.  von  acci- 
nere  (d.i.  at^-dwere)  «wozu  singen».  Um  1500 
entlehnt  (Luther  3,  58*  Jen.).  J.5Z/.  akzen- 
tuieren, V.,  aus  mlat.  accentuare,  im  18.  Jh. 
entlehnt  (Lessing  7,  37). 

akzeptieren,  v.:  anerkennend  annehmen. 
Wie  franz.  accepter  aus  gleichbed.  lat.  accep- 
tare  (d.  i.  ad-ceptare).  1403  acceptiren  (Frankf. 
Reichscorresp.  1,  739). 

Akzeß,  m.  {-sses,  PI.  -esse):  Zutritt  zu 
einem  Amt,  um  sich  in  Ausübung  desselben 
vorzubereiten.  Aus  lat.  accessus  m.  «Zugransf» 
von  accedere  (d.  i.  ad-cedere)  «herzutreten, 
-kommen».  Bei  Rot  1571  in  der  allgemeinen 
Bed.  «Zugang»,  unsre  spez.  Bed.  erst  im  18.  Jh. 
ABL.  Akzessist,  m.  {-en,  V\.-en):  der  sich 
einem  Akzeß  Unterziehende  (GotterGed.  1, 100). 
—  Akzessit,  n.:  dem  Hauptpreise  für  eine 
Leistung  fast  gleichgeltender  Nebenpreis.  Aus 
I  franz.  accessit  «Nebenpreis»,  d.  i.  lat.  accessit, 
I  «es  ist  hinzugekommen»,  der  3.Pers.  Sing.  Perf, 
von  accedere  (d.  i.  ad-cedere)  «her zutreten». 

Akzidenzien,  PI.:  Nebeneinnahmen  in 
einem  Amte.  Aus  lat.  accidentia  PI.  «zufällig 
Zukommendes»,  eig.  «Zufall»,  von  accidens, 
Part.  Praes.  von  accidere  (d.  i.  ad-cidere) 
«zufallen».     Bei  Krämer  1678  verzeichnet. 

Akzise,  f.  (PI.  -n)-.  Zehr-  und  Waren- 
steuer; SteUe,  wo  sie  in  Empfang  genommen 
wird.  Aus  dem  gleichbed.  franz.  accise  f.,  das 
auf  mlat.  accisia  von  accisum,  Part.  Perf. 
Pass.  von  accidere  «an-,  einschneiden»  zui'ück- 
geht,  also  eig.  «Einschnitt,  nämlich  in  die  Kerb- 
stöcke, auf  denen  der  Steuerbetrag  des  Pflich- 
tigen eingeschnitten  war»  (diese  Stöcke  wurden 
gespalten  und  dienten,  indem  die  eine  Hälfte 
in  der  Hand  des  Steuerpflichtigen,  die  andere 
in  der  des  Erhebers  blieb,  auch  zur  Quittung 
und  Kontrolle).  Schon  seit  1300  nrhein. 
assise,  accise,  accinse  u.  dgl.,  allgemeiner 
im  16.  Jh.  (Schupp  1,  512  hat  Accis  als  m., 
Schottel  1663  dagegen  Accis  f.,  bei  Fischart 
Pract.  Großm.  1607  C  6^  Acciser  m.  «Steuer- 
einnehmer)». 

3 


35 


Alabaster 


Aldermann 


36 


Alabaster,   m.  (s,    PI.  wie  Sg.):    fein- 
körniger, harter,  polierbarer  Gipsstein.   Mlid.  ^ 
alabaster  n.  aus  lat.  alabastrum,  gr.  äXäßacrpov  j 
n.  (daher  got.  alabalstrawi),  früher  dXcißacTpoc 
m.  «sinteriger  faseriger  Kalkstein,  daraus  ge- : 
arbeitetes  Gefäß».    Dies  stammt  vielleicht  aus 
dem  Orient.  Ygl.  Levy  Sem.  Fremdwörter  55. 
J.J5I/.  alabastern,  adj.:  aus  Alabaster;  (bild- 
hch)  blendend  weiß. 

^Alant,  m.  {-es,  PI.  -e):  in  schnellfließen- 
dem Wasser   lebender,    dickköpfiger,    wohl- 
schmeckender Fisch  vom  Karpfengeschlecht,  j 
cyprinus  cephalus.     Mhd.  alant,   ahd.  alant,  \ 
ahmt;  dazu  asächs.  alund  m.     Dunkler  Her- 
kunft, A-i eileicht  mit  Aal  zusammenhängend. 

'Alant,    m.   {-es,  PI.  -e):    bei  uns  wild- 
wachsende Pflanze  mit  gewürzhafter,    bitter  i 
schmeckender  Wurzel,  die  als  magenstärkendes  i 
Arzneimittel  dient,  inula  helenium.  Mhd.  ahd. 
alant  m.     Wahrscheinlich   von  dem  \'xilgär- 
lat.  und  span.  port.  ala  (Isidorus  orig.  17, 11,  9), ' 
vgl.  Älbeere;    die    Pflanze    (lat.  inula  f.,    gr.  ^ 
^\^viov  n.)    hat   im    Mlat.    schwankende    Be- 
nennung, z.  B.  anula,  elna.  ellenius.  \ 

Alarm,  m.  {-es):  aufregendes  Geschrei  i 
und  Getöse.  Aus  dem  gleichbed.  franz.  i 
alarme  f.,  span.  allarma  f.,  ital.  allarme  m. 
«zu  den  Waffen!»  Seit  dem  15. -Jh.  als  Älerni, ' 
Älann,  Alarmen,  s.  Lärm.  ABL.  alar- 1 
mieren,  v. :  dm-ch  Lärm  beunruhigen  oder  i 
aufschi-ecken.  Aus  fi-anz.  alarme^- .  Im  17.  Jh. 

Alaun,  m.  und  n.  {-es,  PI.  -e):  weißes,] 
halbdurchsichtiges,  zusammenziehendes  Erd- 
salz. Mhd.  alün  m.,  aus  dem  gleichbed.  lat. 
almnen  n.  (vgl.  darüber  Walde  s.  v.),  woher 
auch  franz.  ahm,  ital.  alume  m.  ABL.  alail-  \ 
neu,  V.:  mittelst  Alaun  bearbeiten,  mhd. 
alunen.  ' 

Alb,  s.  Alp.  ! 

AI  bäum,  m.  {-s,  Vl.Albäume):  der  Hecken- 
kirschbaum,   die   Hundsbeerstaude,   lonicera  1 
xylosteum.      Frisch  1741    hat   als   schlesisch 
Aalkirsche-,    die   Frucht   ist   nach   der   Ähn- 
lichkeit mit  der  Albeere  (s.  d.)  benannt, 

^Albe,  f.  (PI.  -n):   das  weiße  Chorhemd  | 
des    Geistlichen.      Mhd.  albe,   ahd.  alba   aus  I 
dem  gleichbed.  kirchlich-lat.  alba  f.,    zu  lat. 
albus  «weiß». 

-Albe,  f.  (PI.  -n):  fi-üher  Albel,  f.  (PI.  -n):  ^ 
der  kleine  Weißfisch,  cyprinus  alburnus.  Mhd.  i 
albel  m.  aus  dem  lat.  albula,  f.  von  albulus, 
Dem.  von  albus  «weiß». 

Albeere,  f.:  die  schwarze  Johannisbeere. 
In    Niederdeutschland    (schon    mnd.   albere, 


ndl.  aalbes  f.).  Auch  Alantbeere;  der  Name 
wegen  der  Ähnlichkeit  im  Geschmack  mit 
der  Alantivurzel. 

Alber,  f.  (PI.  -n)-.  die  Weißpappel,  poprdus 
alba.  Mhd.  alber,  ahd.  albari  m.  «Pappel», 
entlehnt  aus  ital.  albero  (aus  lat.  albulus) 
«Weißpappel».    Vgl.  Abele. 

albern,  adj.und  adv.:  (veraltet)  natürlich- 
einfach  und  ohne  verfeinernde  Ausbildung; 
geistig  unfähig,  ungeschickt.  Mit  Antritt 
eines  n  aus  mhd.  alwcere  «einfältig»,  ahd. 
alawäri  aber  «gütig,  freundlich  zugeneigt», 
im  got.  alawerei  f.  «volle  Aufrichtigkeit» 
(dui'ch  Konjektm-  hergestellt),  zusamraenges. 
aus  einem  verstärkenden  ala-  und  -wärt 
«freundlich»,  auf  welche  Bedeutung  auch  das 
got.  unwerjan  «unfreundlich  werden,  unwillig 
sein»,  schließen  läßt.  Vgl.  DWB.  13,  689.  Die 
älternhd.  Form  (auch  bei  Luther)  ist  alber  (so 
noch  bei  Krämer  1678  und  Stieler  1691,  hier 
aber  daneben  albern,  und  selbst  bei  Frisch 
1741),  das  auch  im  18.  Jh.  noch  vorkommt 
{albre  Haller  Ged.  71,  Akk.  albern  Lessing  2, 
231).  ABL.  albern,  v.:  sich  albern  benehmen 
(bei  Stieler  1691).  Dazu  Alberei,  f.  (bei 
Lessing).  Albernheit,  f  (dafür  Alberheit 
bei  Krämer  1678). 

Albert,  Albreelit,  s.  Adel. 

Album,  n.  {-s,  PI.  -s  oder  Alben):  Stamm-, 
Gedenkbuch.  Aus  lat.  album  n.  «das  Weiße», 
biet  das  zu  Beschreibende,  subst.  Neutr.  des 
Adj.  albus  «weiß».  Im  17.  Jh.  aufkommend, 
bei  Nehring  1710  verzeichnet. 

Albus,  m.  (Gen.  u.  PI.  ebenso):  Weiß- 
pfennig, seit  1360  geschlagene  Münze  in 
Westdeutschland,  zuletzt  im  Kurfürstentum 
Hessen  im  AVerte  von  9  Pfennigen.  Aus 
mlat.  albus  (näml,  nummus)  «weiße  Münze, 
Silberscheidemünze  ». 

Alchimie,  f.:  die  Goldmacherkunst.  1512 
bei  Murner  Narrenbeschw.  6,  39  alchimey, 
mhd.  alchemie,  alchamie  aus  mlat.  alchimia  f., 
dieses  aus  gr.  xnM^ia  (mit  Aussprache  des 
T]  =  i)  «die  Chemie»  (von  xvpiöc  m.  «Saft, 
Flüssigkeit»  gebüdet,  von  x^eiv  «gießen»)  durch 
Vermittlung  der  Araber  und  daher  mit  dem 
arab.  Artikel  al,  arab.  alkimijä,  woraus  auch 
span.  alquimia.  ABL.  Alchimist,  m.:  der 
die  Goldmaclierkunst  beti'eibt,  mhd.  alchiniiste 
von  mlat.  alchimista  m. 

Aldermann,  m.  {-s,  PI.  -männer):  Älte- 
ster in  seiner  Würde  als  Ratsherr  oder  über- 
haupt als  Vorstand.  Schon  mhd.  (in  mitteld. 
Quellen)  aldirman,  aber  erst  wieder  in  den 


37 


Ale 


Alkoven 


38 


70  er  Jahren  des  18.  Jh.  auftauchend,  und  zwar 
entlehnt  aus  engl,  alderman  «RatsheiT»,  ags. 
ealdorman  «Fürst,  Vornehmer»,  zusammenges. 
aus  ags.  ealdor  «Ältester,  Herr»  und  man 
«Mann». 

Ale,  n.  (spr.  el) :  das  englische  ungehopfte, 
süße  Weizenbier.  Das  engüsche  ale,  ags.  ealu  n., 
asächs.  alo  (in  alo-fat  n.  «Biergefäß»),  anord. 
schwed.  dän.  öl  «Bier»  gehört  zu  abg.  olü 
«sicera»  lit.  alüs,  lett.  alus  «Bier»,  Stamm 
alu-,  von  dem  auch  wohl  lat.  cdUmen  «Alaun» 
(s.  d.)  abgeleitet  ist,  vgl.  Walde  s.  v. 

Alemanne,  m.  (-w,  PI.  -n):  Name  der 
am  Oberrhein  wohnenden  Völkerschaft,  die 
zuerst  im  Anfange  des  3.  Jh.  n.  Chr.  genannt 
wird.  Lat.  Alemannus  aus  ahd.  Alaman,  zu- 
sammenges. aus  ala-  (in  Zusammensetzungen) 
«all,  ganz»  und  man  «Mann»,  vgl.  got.  alamans, 
PI.  «alle  Menschen,  Menschheit».  Daraus 
franz.  Ällemand,  ital.  Älamanno,  span.  Aleman 
(mit  erweitertem  Begrüf)  «Deutscher»,  danach 
auch  mhd.  Ahnan.  Das  Adj.  alemanniscll 
als  Bezeichnung  des  am  Oberrhein  gespro- 
chenen Dialekts  erst  im  Anfang  des  19.  Jahrh. 
(durch  Hebel). 

alert,  adj.:  flink,  munter.  Aus  franz. 
alerte,  span.  alerto  «muntei*,  wachsam»,  zu- 
sammengerückt aus  franz.  ä  Verte,  span.  al 
erta  «auf  der  Hut»,  eig.  auf  der  Höhe,  wo 
man  von  nahenden  Feinden  nicht  überrascht 
werden  kann.     Im   17.  Jh.   entlehnt., 

Alexandriner,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  aus 
6  Jamben  bestehender  Vers  mit  einem  Ein- 
schnitt in  der  Mitte.  Nach  franz.  {vers) 
alexandrin,  zuerst  angewandt  in  dem  franz. 
Heldengedicht  Alexander  der  Große  (roman 
d'Alixandre)  und  danach  benannt  (im  12.  Jh.). 

Alfanz,  m.  (-es,  PI.  -e):  Possenreißerei; 
falsche  Vorspiegelung,  Betrug.  Mhd.  alefanz 
«Betrug,  Schalkheit»;  auch  persönlich  «Schalk». 
—  alfanzen,  v.:  Possen  reißen.  Betrug 
üben  (bei  Luther).  Man  vergleicht  ahd.  giana- 
venzön  «Gespött  treiben»,  ganavenzöd  «Spöt- 
terei» (vgl.  hess.-thür.  fanzen  «Possen  treiben», 
bayr.  fenzeln  «zum  besten  haben»,  gefenz 
«Spott»),  mhd.  anvanz  «Betrug»,  die  zurück- 
gehen auf  ein  Masc.  vanz  «Schalk»  (mhd. 
Dem.  vänzelin  «junger  Schalk»,  vgl.  auch 
Fant),  dazu  anord.  fantr  «Vagabund,  Gaukler». 
Alfanz  erscheint  aber  zunächst  in  der  Bed. 
«Betrug»  (bes.  in  der  Redensart  den  alefanz 
slahen)  und  geht  daher  wohl  auf  ital.  alV 
avanzo  «zum  Vorteil,  zum  Gewinn»  zurück, 
indem   es   zunächst   ein   betrügferisches  Ver- 


fahi-en  beim  Handel  bezeichnet,  erst  später 
erfolgte  Anlehnung  an  Fanz.  Vgl.  Firlefanz. 
ABL.  Alfanzerei,  f.  (bei  Luther). 

Alfons,  s.  Adel. 

Alfred,  Mannesname.  Aus  ags.  Alfred 
(ahd.  Albrät),  zusammenges.  aus  ags.  (elf  m. 
«Alp»  (s.  d.)  und  red,  rced  «Rat». 

Algebra,  f.:  die  Buchstabenrechnung. 
Nach  span.  ital.  algehra,  franz.  algebre  f.  aus 
arab.  (mit  dem  Artikel  al)  al-jahr  (bei  den 
arab.  Mathematikern)  « Zurückführung  gebro- 
chener Zahlen  aufs  Ganze»,  eig.  «Verbindung 
getrennter  Teile  zu  einem  Ganzen»,  von  arab. 
jabara  «Getrenntes  an  einander  befestigen, 
verbinden». 

Alizarintinte,  f.:  schwarze  Tinte  mit 
anfangs  blaugiliner  ^Färbung,  imter  Zusatz 
von  Krapprot  zuerst  1855  durch  Leonhardi 
in  Dresden  hergestellt.  Zusammenges.  mit 
Alizarin  n.  «Krapprot»,  von  span.  alizari  ni. 
«levantischer  Krapp»,  einem  aus  dem  Morgen- 
land stammenden  Worte  (arab.  'osära  «aus- 
gepreßter Saft»  von  \isara  «auspressen»). 

Alkali,  n.  (-S,  V\.  Alkalien):  das  (aus  der 
Pflanzenasche  gezogene)  Laugensalz.  Im  16.  Jh. 
bei  Paracelsus  (Opera  1,  697)  Alkali,  1594  bei 
Fischart  Onomast.  389  Aleali.  Nach  franz. 
alcali,  span.  alcali  m.  aus  arab.  (mit  dem  Ar- 
tikel aT)  al-qäli  «die  salzhaltige  Asche  aus  der 
bes.  in  Südspanien  wachsenden  Pflanze  Glas- 
schmalz (salicornia)»,  von  arab.  (j'fl^ä «im  Tiegel 
kochen,  rösten». 

Alkohol,  n,  und  m.  (s,  PI.  -e) :  der  reinste 

Weingeist.   Aus  span.  alcohol  von  arab.  (mit 

dem  Artikel  al)  alkuhl  «feines  Spießglanzpulver 

zum  Färben  der  Augen»  (daher  engl,  alkool 

«Antimonschminke»  und  frühnhd.  bei  Thur- 

neysser  Onomast.  1583  alcofol  Puder,  1574  in 

Fischarts  Onomastica  388  Alcohol  est  pulvis 

'  suhtilissimus),  dann  auf  den  feinsten  Wein- 

j  geist  übertragen  (bei  Fischart  a.  a.  0.  Alcohol 

;  vini).    Vgl.  Mahn  Etymol.  Unters.  S.  107. 

Alkorau,  m.  {-s,  PI.  -e):  der  Koran,  die 
heilige  Schiift  der  Mohammedaner.  Nach  span. 
I  franz.  alcoran,  ital.  alcorano  aus  arab.  (mit 
dem  Artikel  al)  alquränu  «Lesung,  Buch», 
von  arab.  garaa  «lesen».  1562  bei  Mathesius 
Sarepta  94''  Alcoran.   S.  Koran. 

Alkoven,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.) :  zum  Schlaf- 
cremach bestimmte  Seitenvertiefung  eines  Zim- 
mers.  Aus  franz.  engl,  alcove,  ital,  alcova,  span. 
alcoha  f.  «Schlafgemach»,  entlehnt  aus  arab. 
(mit  dem  Artikel  al)  al-qohha  «Wölbung,  ge- 
wölbtes Gemach,  Zelt»  (daher  atVanz.  aucuhe 

3* 


39 


all 


allerhand 


40 


und  daraus  mhd.  bei  Wolfram  Willeh.  ekub 
«Zelt»)  von  arab.  qabba  «abschneiden,  aus- 
höhlen». 1711  bei  Wächtler  als  Älcove,  Al- 
coven  und  1716  bei  Ludwig  als  Alcove  m. ;  diese 
Form  findet  sich  auch  noch  später,  z.  B.  bei 
Uhland  78  (bei  Voß  Luise  2  zu  ÄlJcov  verkürzt). 

all,  adj.:  die  einzelnen  zusammengenom- 
men, so  daß  nichts  fehlt;  zuweilen  auch  wie 
ganz  (alle  Gegend  Goethe  16,  47)  und  jeder 
(mid  so  schläft  nun  aller  Vogel  Goethe  6,  220, 
allen  Augenblick  Goethe  Egm.  1).  Mhd.  ahd. 
al  (Gen.  alles);  dazu  asächs.  ndl.  al,  ags.  eall, 
engl,  all,  anord.  allr,  schwed.  dän.  all,  got. 
alls.  Verwandt  ist  altir.  uile  «ganz,  jeder,  all», 
lit.  al-  in  alvienas  «ein  jeder»  (Mikkola,  Bezz. 
Btr.  25,  73).  Da  neben  all  auch  ein  ahd.  ala- 
in  Zusammensetzungen  (s.  albern)  steht,  wird 
das  zweite  /  in  all  durch  Assimilation  eines 
suffixalen  n  erklärt,  vgl.  Bnigmann  Die  Aus- 
drücke für  den  Begriff  der  Totalität  66  ft'.  all 
flektiert  stark,  daneben  kann  wie  mhd.  ein  un- 
flektiertes all  in  allen  Kasus  stehen.  Außerdem 
gibt  es  (schon  bei  Luther)  ein  unflektiertes  alle 
(auf  das  auch  all  z.  T.  zurückgeführt  werden 
kann),  dies  ist  aus  dem  urspr.  nur  nach  Präp. 
gesetzten  alten  mask.und  neutr.  Instrumentalis 
mhd.  alle,  ahd.  allu  hervorgegangen,  z.  B.  nach 
alle  dem,  mit  alle  dem  Heere  (l.Mos.  33,  8), 
der  dann  auch  adverbiell  (wie  mhd.  mit  alle, 
bei  alle  «vollständig»)  verwendet  worden  ist, 
z.  B.  alle  dis  volck  (2.  Mos.  18,  23)  d.  i.  «voll- 
ständig, ohne  Ausnahme  dies  Volk»,  dann  ganz 
entsprechend  dem  unflekt.  all  verwendet.  Auch 
in  alle  machen,  alle  sein,  alle  werden  (seit 
Luther  vorzugsweise  bei  Mitteldeutschen)  geht 
alle  auf  den  advei'biell  gewordenen  Instnimen- 
talis  zurück,  also  eig.  «vollständig»,  dann  «ab- 
geschlossen, vorbei,  nicht  mehr  vorhanden». 
Subst.  All,  n.  (-s):  die  gesamte  Schöpfung. 
Im  17.  Jh.  In  Zusammensetzungen  steht  all- 
(mhd.  al-,  ahd.  ala-)  höchst  verstärkend,  z.  B. 
allgegenwärtig,  allwissend,  s.  auch  albern. 

allaf!  es  lebe  hoch!  Niederrheinisch,  z.B. 
Allaf  Köln!  Eig.  «alles  ab»,  wie  mhd.  ivol  ab, 
das  in  der  Bedeutung  «Hurra  hoch»  um  1280 
bei  einem  schwäb.  Spruchdichter  in  einem 
gegen  Rudolf  von  Habsburg  gerichteten  Spruch 
begegnet  (Kluge  ZfdWf.  2,  71). 

allda,  adv.:  das  demonstrative  räumliche 
da,  verstärkt  durch  all.    Mhd.  aldä. 

alldieweil,  s.  dieweil. 
alle  sein,  werden,  s.  all. 
Allee,  f.  (PI.  -n):  Baumgang.   Aus  franz. 
allee  f.  «Lustgang  zwischen  zwei  dazu  ange- 


legten Baumreihen»,  urspr.  allata,  von  franz. 
aller  «gehen».   1644  bei  Zeiller  Episteln  4,  261. 

Allegorie,  f.  (PI.  -n)-.  sinnbildliche  Dar- 
stellung. Mit  gleichbed.  franz.  allegorie  aus 
gr.-lat.  allegoria,  gr.  äWriTopia  f.  eig.  «was 
anders  gesagt  ist,  als  es  verstanden  werden  solb 
(äWoc  «andrer»  und  dYopeiv  «reden»).  Schon 
frühnhd.  (Luther  3,  76^  Jen.),  allegorisch, 
adj.,   1586  Fischart  Bodinus  Vorr.  13. 

allein,  alleine  (dichterisch,  z.  B.  bei 
Goethe,  ühland),  adj.  (nur  prädikativ):  ohne 
ein  anderes.  Aus  mhd.  aleine  (mit  schwacher 
Flexion)  «ganz  für  sich  seiend»  (auch  das  un- 
verstärkte schwache  eine,  ahd.  eino  hat  die 
Bed.  «allein»);  entsprechend  ndl.  alleen,  engl. 
alone.  allein,  adv.:  ausschließlich, nur;  auch 
in  allein  daß  =  «nur  daß»  und  (dem  sondern 
auch  voraufgehend)  nicht  allein  =  «nicht  nur». 
Als  satzeinleitende  Partikel  bezeichnet  allein 
Entgegensetzung  und  Beschränkung  =  «  doch, 
aber»  (von  Luther  gebraucht,  aber  später  nicht 
allgemein,  noch  1755  vonDomblüth  bekämpft). 

allemal,  adv.:  jedesmal  ohne  Ausnahme; 
so  und  nicht  anders,  gewiß ;  doch  wohl,  gleich- 
wohl (Geliert  Fab.  1,  51).  Gebildet  aus  den 
aneinandergefügten  Akk.  PI.  mhd.  alliu  mal. 

allenfalls,  adv.:  eintretendenfalls,  mög- 
licherweise. Mit  angetretenem  adverbialischen 
-s  gebildet  aus  den  aneinandergefügten  Akk. 
Sg^  allen  Fall,  also  eig.  «auf  jeden  Fall,  ohne 
Ausnahme,  alle  möglichen  Fälle  ins  Auge  ge- 
faßt»; bei  Stieler  1691.  A-BL.allenfalsig,adj.: 
nur  in  der  Kanzleisprache;  1775  bei  Heynatz. 

allenthalben,  adv.:  auf  allen  Seiten. 
Mhd.  allenthalben,  aneinandergerückte  Dat. 
PI.  mit  eingeschobenem  t,  ahd.  allenhalbon. 
zu  mhd.  halbe,  ahd.  halba  f.  «Seite,  Richtung», 

aller-,  der  zur  Verstärkung  vor  den  Super- 
lativ eines  Adj.  oder  Adv.  tretende  Gen.  PI. 
von  all,  z.  B.  allererst,  allerliebst,  wie  mhd. 
aller,  das  aber  noch  nicht  mit  dem  folgen- 
den Wort  fest  verbunden  ist. 

allerdings,  adv.:  (veraltet)  in  allen 
Stücken,  gänzlich;  gewiß  und  wahrhaftig, 
(konzessiv  gebraucht)  freilich.  IVIit  angetre- 
tretenem  adv.  -s  aus  den  aneiniuidergemckten 
Gen.  PI.  aller  dinge  (so  bei  Luther  und  noch 
im  17.  Jh.);  tritt  um  1600  auf  (Albertinus 
weibl.  Lustgarte  179). 

allerhand,  adv.,  auch  attributiv  mit  einem 
Subst.  verbUiiiden:  von  jeder  Art,  mancherlei. 
Aneinandergei-ückte  Gen.  PI.  mhd.  aller  hande, 
aller  hende,  worin  hende  s.  v.  a.  Art,  eig.  die 


41 


Allerheiligen 


Allotria 


42 


durch  die  Hand  bestimmte  Richtung  (mhd. 
z.  B.  auch  dner  hande  «dreierlei»). 

Allerheiligen  (unverändert,  weil  eig. 
Gen,  PL):  das  allen  Heiligen  gewidmete,  hohe 
Fest  der  römisch-kath.  Kirche  am  1.  Nov. 
Mhd.  aller  heiligen  tac. 

allerlei,  adv.,  auch  attributiv  mit  einem 
Subst.:  in  Vielheit  verschiedenartig.  An- 
einandergerückte Gen.  PI.,  mhd.  edler  leige, 
aller  lei.  s.  lei.     Substantiviert:  Allerlei,  n. 

Allermanusharnisch,  m.  [-es):  die 
Pflanzen  allium  victorialis  und  andrösaces. 
Benannt,  weil  sie  nach  dem  Volksglauben 
unverwundbar  machen.  Schon  bei  Rößlin 
1538  S.  292 d  Allermannharnisch. 

allerorten,  allerorts,  adv.:  an  allen 
Orten.  Die  1.  Form  (z.  B.  bei  Albertinus 
weibl.  Lustgarte  59^)  geht  auf  die  aneinander-  i 
gerückten  Gen.  PI.  aller  ort  mit  angetretenem 
adverb.  -eu,  die  2.  (erst  junge)  Form  auf 
dieselbe  Grundform  mit  angetretenem  adv. 
-.s  zurück.  i 

Allerseelen  (unverändert,  weil  eig.  Gen.  j 
PI.) :  in  der  römisch-katholischen  Kirche  der 
Gedächtnistag    der   Verstorbenen    (2.  Nov.). 
Urspr.  Aller  Seelen  Tag. 

allerseits,  adv.:  auf,  nach,  von  allen 
Seiten  oder  Richtungen.  Auf  die  aneinander- 
gerückten Gen.  PI.  aller  seifen  (daher  das 
veraltete  Adv.  allerseiten)  zurückgehend,  mit 
angetretenem  adverb.  -s.  Um  1600.,  ABL. 
allerseitig,  adj.,  1663  bei  Schottel  347  ä. 

allerwärts,  adv.:  nach,  in  allen  Rich- 
tungen. Verbindung  des  Gen.  PI.  aller  mit 
wärts  (s.  d.).  Erst  in  der  2.  Hälfte  des  18.  Jh. 
von  Niederdeutschen,  z.  B.  Klopstock  ge- 
braucht, aber  von  Hejnatz  1775  beanstandet. 

allerwegen,  adv, :  an  allen  Orten.  jVIhd. 
(in  md.  Qaellen)  aller  wegen.  Aus  den  an- 
einandergerückten Gen.  PI.  aller  wege  mit 
angetretenem  adverbialen  -n. 

allewege,  adv.:  stets  fort,  immer.  Die 
aneinandergerückten  Akk.  PI.  mhd.  alle  icege, 
von  räumlicher  Bezeichnung  in  zeitliche  über- 
gegangen. ^ 

alleweile,  adv. :  zu  jedem  Zeitpunkt,  eben. 
Nur  mundartlich  (ober-  und  mitteld.).  Aus 
dem  Akk.  Sg.  mhd.  alle  teile,  s.  Weile. 

allezeit,  allzeit,  adv.:  zu  jeder  Zeit. 
Aneinandergerückte  Akk,  PI,  mhd.  alle  zite, 
ahd.  allo  ziti. 

allgemein,  adj.  und  adv.:  Allen  gemein- 
schaftlich. Mhd.  findet  sich  nur  das  adv. 
algemeine  «insgesamt,  auf  gemeinsame  Weise». 


Das  Adj.  fi-ühnhd.  (1541  bei  Frisius  180'', 
1561  bei  Maaler). 

alliieren,  refl.  v.:  sich  vereinigen.  Aus 
dem  gleichbed.  franz.  s'aUier,  dessen  allier 
aus  lat.  alligare  d.  i.  ad-ligare  «an-,  festbinden, 
verpflichten».  Bei  Krämer  1678.  —  Allianz, 
f.  (PI.  -en):  Bündnis.  Aus  franz.  alliance  f., 
das  auf  ein  mlat.  alligantia  (vom  Part.  Praes. 
alligans,  Gen.  alligantis  gebildet)  zurückgeht. 
Schon  1617  im  teutschen  Michel. 

Alligator,  m.  (-.9.  PI.  -s):  das  amerika- 
nische Krokodil.  1594  bei  Frischlin  Nomencl. 
Cap.  45  Allegarden,  Crocodil.  Aus  franz.  engl. 
alligator,  entstellt  aus  span.  el  lagctrto  (eig. 
el  lagarto  de  Indias),  vom  lat.  lacerfus  m,, 
lacerta  f.  «Eidechse». 

Alliteration,  f.  (PI.  -en) :  der  gleiche  An- 
laut verschiedener  Wörter.  Nach  dem  gleich- 
bed. franz.  alliferation  aus  einem  neulat.  allite- 
ratio  (aus  ad-liferafio),  von  litera  «Buchstabe». 

Allmacht,  f:  Macht  über  alles.  Ahd. 
alamahf  f.,  aber  mhd,  nicht  belegt,  erst  wieder 
bei  Henisch  1616  (nicht  bei  Luther),  Wohl 
neu  gebildet  von  dem  Adj,  allmächtig,  mhd. 
almähtec.  almehtec,  ahd. alamaht ig;  dazuasächs, 
alamahf  ig.  ags.  celmihtig,  engl,  almighty,  anord. 
almätfigr. 

allmählich,  adv.:  ganz  bequem,  ohne  alle 
Geschwindigkeit.  Aus  mhd.  (in  einer  mitteld. 
Quelle)  ahnechlich,  später  auch  algemechlich, 
aus  al  und  gemechlich,  woraus  mit  Anlehnung 
an  Mal,  die  auch  bei  gemechlich  vorkommt 
(gemählig  Moscherosch  Phil.  1,  225),  aUgemäh- 
lich  und  allmählich  (allmählig)  wurde.  Beide 
bei  Stieler  1691  verzeichnet.    Vgl.  mählich. 

Allmende,  f.  (PI.  -n):  gemeinheithcher 
Grund  imd  Boden  zu  Nutzung,  besonders 
Gemeinweide,  Gemeindebezirk  (Goethe  16,  47). 
In  Südwestdeutschland  noch  übHch.  Aus  mhd. 
almende,  almeinde  (daneben  auch  almeine, 
algemeine),  hervorgegangen  aus  algemeinde  f., 
zu  gemeine  «gemeinschaftlich»  (vgl,  bayr,  die 
Gemein  «  Gemeinweide »). 

AUod,  n,  {-es,  PI,  -e):  das  Ganzeigeu,  das 
echte  (vererbhche)  Eigentum,  im  Gegensatz 
zu  Lehngut,  Aus  gleichbed.  mlat.  allodium, 
das  auf  ahd.  alöt,  afränk.  alödis  zurückgeht, 
dies  aus  al  «ganz»  und  6t  n,  «Besitz»  (davon 
ahd,  ötag  «reich»,  vgl.  asächs.  öd,  ags.  eaä  n., 
anord.  audr  m.  «Reichtum,  Besitz»  got.  auda- 
haffs  «beglückt»).  ABL.  allodial,  adj.:  frei 
erb-  und  eigentümlich,  aus  mlat.  allodialis. 

Allotria,  PI.:  ungehörige  Dinge.  Aus  gr. 
dXXöxpia,    N.  PI.  von   äXXÖTpioc  «fremdartig, 


43 


alls 


Alphabet 


44 


nicht  zur  Sache  gehörig»,  abgeleitet  von  äXXoc 
•;;der  andere».  Im  18.  Jh.  aufgenommen  (der 
j.  Goethe  2,  449). 

alls,  adv.:  in  einem  fort,  immer;  wieder- 
holt. Nur  noch  mundartlich  (in  Südwest- 
Deutschland,  Hessen,  Thüringen,  auch  bei 
Schiller  in  Kab.  u.  Liebe  1,  l).  Aus  mhd. 
alle^  «immer»,  dem  adverbiell  gebrauchten 
Akk.  Ntr.  von  aJ. 

Alltag,  m.  (s,  PI.  -e):  der  gewöhnliche 
Werktag,  den  Feiei-tagen  entgegengesetzt. 
In  der  altem  Sprache  nur  das  Adv.  alitag, 
alltags  «täglich»  (vgl.  mnd.  aldages)  aus  den 
aneinandergerückten  Akk.  PI.  alle  tage  mit 
angetretenem  adv.  -s  entstanden,  das  dann  in 
Zusammensetzungen  wie  AlltagsM eider  (Stieler 
1691)  erscheint,  daraus  erst  das  Subst.  Alltag. 
ABL.  alltäglich,  adj. :  werktäglich  (aber  all- 
tä^glich  ist  das  durch  all  verstärkte  täglich). 

Allvater,  m.  (s):  Vater  des  Weltalls, 
Gott.  Nach  anord.  alfaäir  (der  Bezeichnung 
Odins)  von  Klopstock  gebildet. 

allzumal, adv.:  allinsgesamt.  ^l\idi.aXzemal. 

Alm,  f.  (PI.  -en):  Gebirgsweide.  Neben- 
form von  Alpe  (s.  d.),  mhd.  alhe,  Gen.  alhen, 
woraus  im  Bayrischen  der  Nom.  alm,  der 
schon  in  frühnhd.  Quellen  des  15./16.  Jh. 
erscheint.  ZTJS.  Almrausch,  m.  {-es): 
Alpenrose.     Bayrisch. 

Almauach,  m.  (-es,  PI.  -e):  Jahrbuch. 
Aus  franz.  ahnanacli,  das  auf  griech.<iA,|uevixiaKd 
zurückgeht,  wie  nach  Eusebius  (f  340)  prae- 
paratio  evangelica  3,  4  mit  Beziehung  auf 
den  Syrer  Porphyrius  (f  304)  die  ägyptischen 
Kalender  genannt  worden  sind.  Dies  stammt 
vielleicht  aus  dem  Koptischen.  Almanach 
erscheint  bei  dem  Astronomen  Georg  von 
Peurbach  (f  1461)  zu  Wien  in  einer  lat. 
Schrift  für  astronomische  Beobachtungen 
und  Jahresberechnungen  und  büi-gerte  sich 
im   16.  Jh.  in  Deutschland  ein. 

Almer,  f.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Kasten,  Wand- 
schrank in  oberd.  und  md.  Mundarten.  Im 
15.  Jh.  almerl,  armer,  meist  weitergebildet 
almerei,  vgl.  Heyne  Hausalt.  1,  262.  Aus 
mlat.  ahnaria  f.  «Geräteschrank»,  hervorge- 
gangen aus  dem  Plur.  des  gleichbed.  mlat. 
almarium,  armarium  n.,  von  lat.  nrnia  pl. 
«Gerät,  Waffen». 

Almosen,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Armen- 
gabe.  Aus  mhd.  almuosen,  ahd.  alamuosan, 
ahrwsan  n.  (daneben  auch  elemosyna,  elimuo- 
sina,  alamuasa  f.);  dazu  ndl.  aalmoes,  ags. 
(elmesse,    engl,   ahns    (PL),    anord.   ölmusa, 


schwed.  abnosa,  dän.  nlmisse  f.  Aufgenommen 
aus  dem  in  der  Kirchensprache  üblichen  gr.- 
lat.  eleemosyna,  gi\  ^XeriMoc'J'vn  durch  Ver- 
mittlung des  Romanischen,  wo  es  afranz. 
almosne,  nfranz.  aumöne,  prov.  span.  almosna, 
ital.  limosina  f.  lautet.  Die  Form  Almosen 
(bei  Luther,  aber  sonst  im  16.  Jh.  oft  Al- 
müsen,  Älmusen,  Hulsius  1596  hat  Allemosen) 
erklärt  sich  durch  Einwirkung  des  Grund- 
wortes. Altemhd.  auch  an  arm  angelehnt 
Armüsen  n.  (Hug  Rhetorica  1540).  ABL. 
Almosenier,  m.  (-s,  PI.  -e):  Almosenpfleger. 
Nach  franz.  aumonier  gebildet,  das  auf  mlat. 

'  eleemosynarius  zm-ückgeht. 

Aloe,  f.  (PI.  -s,  -n),  Name  mehrerer  aus- 
ländischer Pflanzen.  Mhd.  ahd.  aide,  aus  gr.- 
lat.  aloe,  gr.  ä\6r]  f.,  das  auf  hebr.  'ahäUm 
PI.  «Aloeholz»,  npers.  älwä  zuiückgeht. 

Alose,  gekürzt  Alse,  f.  (PI.  -n):  der  Mai-, 
Gangfisch.  Aus  franz.  alose,  und  dies  aus 
altkeit.  lat.  alausa  f.  (Ausonius  Mosella  127). 
Alse  schon  1563  in  Forers  Fischbuch  179^. 
Alp,  m.  (-es,  PI.  -e):  lastend  aufliegende, 
brustbeklemmende  Traumgestalt.  Mhd.  alp 
(Pl.elbe)  bedeutet  «gespenstiges  Wesen,  Nacht- 
gespenst», ebenso  nmd.aZ/'m.,  übereinstimmend 

;  mit  ags.  celf,  anord.  dlfr  m.  «Elfe«,  das  man  zu 
skr.  fbhüs-  «kunstreich,  Bildner»,  auch  Name 
von  drei  kunstreichen  Elfen,  gestellt  hat. 
Vgl.  Mogk  Pauls  Grd.  ^  3,  268.     Alp  ist  md. 

j  und*  findet  sich  bei  Luther  und  Alberus  in 
der  Bed.  «Kobold,  Dämon»,  die  sich  später 

[auch  in  der  Anwendung  auf  Menschen  zeigt; 

[jetzt  hat  sich  nur  die  auch  schon  mhd.  Bed. 
«aufliegendes  Nachtgespenst»  erhalten. 

Alpe,  f.  (PI.  -n):  Bergweide  auf  den 
Alpen.  Mhd.  alhe,  Gen.  alhen  (s.  Alm),  ahd. 
alpa f.  (PI.  alpim  «Alpen»)  «hoher  Berg»,  hängt 

I  mit  lat.  Alpes,  gr.-gall.  "AXireic  zusammen. 
Diese    sind    kaum   zu  lat.  albus   «weiß»   zu 

'  stellen,  sondern  gehören  zu  einem  wahr- 
scheinlich   vorindogeiTD.   Worte    alh    «Berg, 

i  Höhe»,  das  in  zahh-eichen  Örtlichkeitsnamen 

i  wie  Albion,  ir.  Alba  «Schottland»,  ital.  Alba 

I  longa,  Alburnus  «ein  Gebirge  in  Lukanien» 

i  über  Westeui'opa  verbreitet  ist.  Vgl.  Walde 
s.  V.  albus.     Im  Nhd.  erhielt  sich  die  Bed. 

i  «Gebirge»    nur    in    den   Namen    {die   rauhe 

;  Alb  auch  mit  der  ui'sprünglichen  Lautfonn). 

I  ABL.  Alpiier,  m.  (-s) :  Alpenbewohner,  uin 

\  1480  im  voc,  ine.  teut.  a  5*  alhner.  Daneben 
Älpler,  Älpler  m. 

Alphabet,  n.  {-s,  PI.  -e)-.  das  Abc.    Mhd. 

:  alfabete  aus  dem  urspr.  von  Kirchenschrift- 


45 


Alpranke 


Alter 


46 


steilem  gebrauchten  gr.-lat.  alphahetum  n., 
gr.  äXqpctßnToc  m.  f.,  nach  den  !Samen  der 
beiden  ersten  griech.  Buchstaben  äXqpa  =  a 
und  ßfixa  =  h.    ABL.  alphabetisch,  adj. 

Alprauke,  f.  tPl.  -/n:  der  strauchartig 
kletternde  Nachtschatten  (solanum  dulca- 
maraj,  der  als^Iittel  gegen  das  Alpdrücken  gilt. 
Bei  Frisch  1741.    In  Schlesien  Alpkraut  p.. 

Alraun,  f.  i^Pl.  -en)  und  m.  i  -s,  PI.  -e,  -en): 
Pflanze  mit  rettigartiger,  in  Form  verschi-änk- 
t«r  Beine  gespaltener  Wui-zel,  mandragora. 
Aus  mhd.  alrüne,  ahd.  alruna  f.  eig.  Be- 
nennung des  weissagenden  teuflischen  Geistes, 
der  nach  dem  Aberglauben  aus  der  AYurzel 
geschnitten  wird.  Zusammenges.  mit  ahd.  rü)ia 
f.  «Geheimnis,  geheimnisvolles  Zuflüstern»  ('s. 
raunen). 

'als,  adv.:  in  einem  fort,  ?>.  alls. 

"als,  adv.:  1.  vergleichend.  So  noch  oft 
bei  Luther  und  im  älteren  Nhd.,  jetzt  aber 
diu"ch  wie  (daneben  als  icie )  zurück  gedrängt : 
erhalten  hat  sich  als  in  Bez.  auf  ein  voraus- 
gehendes so  (so  tinscJmldig  als  ein  Lamm), 
auf  ein  vorausgehendes  negierendes  Wort 
{nietyiand  als  du,  nichts  als  Kleinigkeiten), 
femer  wird  es  nach  Komparativen  (dafür 
ältemhd.  denn)  und  zui*  Einleitung  von  Ver- 
gleichssätzen (als  icenn,  als  ob)  gebraucht. 
2.  demonstrativ,  bei  Aufzählungen  (die  edeln 
Metalle  als  Gold,  Silber  usw.)  und  beim 
prädikaten  Attribut  (er  kam  als  ein  Bote, 
ich  achte  dich  als  einen  Freund).  3.  zeit- 
bestimmend, eig.  vergleichend  in  der  Zeit, 
als  Satzeinleitung  {als  er  kam,  war  es  zwölf 
Uhr).  Mhd.  als,  alse,  geschwächt  aus  also, 
das  durch  al  verstärkte  $ö. 

alsbald,  adv.:  gleich  nach  dem  Augen- 
blicke. Das  Mhd.  verwendet  also  balde,  also 
oder  so  als  Konj.  =  sobald  als,  bei  Luther 
findet  sich  alsbald  in  gleicher  Verwendung, 
aber  gewöhnlich  als  Adv. 

alsdann,  adv. :  verstärktes  dann,  aus  also 
dann.  Frühnhd.  (als  dann  in  den  Ordnungen 
S.  73  V.  J.  1512,  als  denn  bei  Luther). 

Alse,  s.  Alose. 

also,  adv.:  1.  hinweisend,  z.  B.  sprich  zu 
ihm  also.  2.  folgernd,  z.  B.  also  ist  er  tot? 
Mhd.  also,  durch  al  verstärktes  so:  dazii  ndl. 
alzoo,  ags.  ealsivä,  engl.  also. 

Alt,  m.  (-es,  PI.  -e):  die  tiefe  Frauen- 
stimme. Spätmhd.  Aus  ital.  gleichbed.  alto 
vmd  dies  aus  lat.  altus  «hoch». 

alt,  adj.  (Komp.  älter,  Sup.  ältest):  hoch 
an  Jahren;  länger  der  Zeit  nach  da  als  an- 


'  deres;  an  Jahren  zählend:  vor  langen  Jahren: 
vorhergewesen  (nach  dieser  Bed.  z.  B.  auch 
I  in  der  Schweiz  Altammann  «gewesener  Am- 
mann», in  Baden  Altbürger meis f er  usw.).  Ahd. 
mhd.  alt:  dazu  asächs.  ald,  ndl.  oud,  ags.  eald. 
;  engl,  old,  anord.  im  Komp.  ellri  "älter»  (sonst 
für  «alt»  gamall),  got.  aljjeis.  Eig.  «durch 
Xahrung  groß  geworden,  aufgewachsen»  von 
dem  starken  V.  got.  alan  «aufgenäkrt  werden  , 
anord.  ala  «nähren,  hervorbringen»  (das  mit 
lat.  alo,  altii'.  alim  <  ernähre ;>  übereinstimmt), 
von  dem  es  (wie  lat.  altus  «hoch»j  vermittelst 
des  partizip.  Suffixes  -to-  gebildet  ist.  Weiter 
sind  verwandt  gr.  ävaXxoc  «unersättlich»,  ir. 
alt  «Höhe:  Ufer,  Küste >;,  kymr.  allt  .rupes», 
ir.  altram   «nutritio:.    Vgl.  Eltern. 

Altan  und  Altan  (^Schiller  11,  228j  m.  [^s, 
PL  -e),  Altane, f.  (PI.  -n):  Austi-itt  ins  Freie 
hoch  an  einem  Gebäude.  Aus  dem  gleich- 
bed. ital.  altana,  von  altus  «hoch».  Das  Fem. 
oltan  um  1-170  in  Österreich  von  Beheim  ge- 
braucht, später  z.  B.  von  Hans  Sachs  (Fab.  8, 
280);  das  Mask.  erscheint  im  16.  Jh.,  bei  Pe- 
gius  Dienstbarkhaiten  (Ingolstadt  1557)  60^, 
1598  bei  Hutteras  Lexic.  harmonicum  533 
ein  AJfhan. 

Altar,  m.,  selten  n.  i-s,  PI.  Altäre):  der 
Kirchentisch.  Mhd.  altäre,  gewöhnlich  aber 
mit  deutscher  Betonung  älter,  ahd.  altari, 
alter i,  aus  lat.  altare  n.  «Opfertisch».  ImNhd. 
überwiegt  die  mit  dem  Lat.  übereinstimmende 
Betonung  Altar  (so  auch  'üe  Bühne),  doch 
kommt  auch  (dichterisch  und  in  der  nordd. 
Umgangssprache^  Mtar  vor. 

altbacken,  adj.:  trocken  als  Backwerk. 
backen  ist  hier  das  Part.  Praet.  (statt  ge- 
backen). Mhd.  zufällig  nicht  belegt  (erst  1593 
bei  Colerus  Hausbuch  1,  153),  doch  nach  dem 
Gegensatz  niubachen  «neubacken»  als  alfbarhen 
anzusetzen.     S.  backen. 

altdeutsch,  adj.:  den  alten  Deutschen 
eigen,  nach  Art  der  alten  Deutschen.  Erst 
nhd.  (alt-teutsch  1648  bei  Weckherhn  2,  261. 
437  Fischer,  alt  teutsch  1588  bei  Fischart 
Peter  v.  Stauffenberg  V.  79). 

Altenteil,  m.  n.  (-s,  PI.  -e):  der  den 
Eltern  nach  Abtretung  des  Gutes  verbleibende 
Teil,  der  Auszug.  Norddeutscher,  von  Voß 
gebrauchter  Ausdruck.  ABL.  Alteuteiler, 
m.  (s):  der  Auszügler,  Altsitzer. 

Alter,  n.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  höhere  Lebens- 
zeit; Zeit  des  Daseins;  Zeitabschnitt,  Zeit- 
alter; vergangenes  Zeitalter  (in  der  Redens- 
art  vor  Alters).     Aus  rnhd.  alter,  ahd.  altar 


47 


alterieren 


Amberg 


48 


n.;  dazu  asächs.  aldar  «Lebenszeit,  Leben», 
aCTs.  ealdor  «Leben»,  anord.  aldr  m.  «Lebens- 
zeit,  hohe  Lebenszeit»,  schwed.  älder,  dän. 
alder  m.,  got.  in  framaldrs  «in  Jahren  vor- 
gerückt» enthalten.  Wie  alt  (s.  d.)  von  got. 
alan  abgeleitet.  ABL.  altern,  v.:  alt  werden. 
Erst  bei  Steinbach  1734,  während  älternhd. 
mhd.  alten,  ahd.  alten  gesagi  wird. 

alterieren,  v.:  in  schädigender  Weise 
beeinflussen.  Refl.  sich  a.  «sich  in  Unruhe 
des  Gemütes  versetzen».  Aus  franz.  alterer 
«schädigen, eine  Gemütsbewegunghervorrufen  >> 
usw.,  von  lat.  alterare  «anders  machen»,  von 
aZfer «der  andere».  Im  17.  Jh.  entlehnt  (Schupp 
Schriften   1,  567). 

Ältermiltter,  f.  (PL  -matter):  Groß- 
mutter, Urahne.  Mhd.  (in  md.  Quellen) 
eltermüter  f.  Älteryater,  m.  {-s):  Groß-, 
Yorvater.  Mhd.  eltervater  m.  Beide  zu- 
sammenges.  mit  dem  Kompar.  ■  elter. 

Altertum,  n.  (-.9,  PI.  Altertümer):  (im 
17.  Jh.,  bei  Krämer  1678,  jetzt  veraltet,  doch 
z.  B.  noch  bei  Klopstock  Oden  75)  Hoch- 
sein in  Jahren;  (seit  etwa  1700,  z.  B.  bei 
Günther  Ged.  312)  längst  vergangenes,  fernes 
Zeitalter;  aus  alter  Zeit  Herrührendes,  mit 
dem  PI.  Altertümer  «Denkmäler  jenes  fernen 
Zeitalters»  (bei  Steinbach  1734).  ABL.  alter- 
tümeln,  v.:  die  Art  des  Altertums  haben 
oder  diese  zu  geben  suchen  (Goethe  41,1,109). 
altertümlich,  adj.,  erst  am  Ende  des  18.  Jh. 
gebildet  (bei  Kl.  Schmidt  und  Yoß). 

Altervater,  s.  Ältermutter. 

altfränkisch,  adj.:  veraltet  u.  der  Gegen- 
wart nicht  angemessen.  Mhd.  altfremch  d.  i. 
altfrenkisch.  Wahrscheinlich  zur  Ritterzeit  in 
rheinischen  Landen  aufgekommen,  wo  man 
die  an  der  einfachen  Sitte  der  Vorfahren  fest- 
haltenden Franken  in  Gegensatz  stellte  zu  den 
durch  die  neumodischen,  aus  Frankreich  kom- 
menden Sitten  Beeinflußten,  vgl.  Hugos  von 
Trimberg  Renner  22267.  Vgl.  ZfdWf.  7,  15. 
Anders  bei  Leibniz  Unvorgreifl.  Gedanken  §  32 
das  Alt-Fränckische  und  das  Alt- Säcksische, 
ohne  tadelnden  Beisinn,  von  der  Sprache. 

Althee,  f.,  auch  m.  {-s,  nach  Tee) :  das  Ei- 
bischkraut, eine  Malvenart.  Aus  gr. -lat.  althaea, 
gr.  d\eaia,  eig.«Heükraut»,  von  äXöeiv  «heilen». 

altklug,  adj.:  (veraltet)  durch  Alter  klug; 
für  finihes  Alter  zu  klug.  Ei-st  1711  bei 
Rädlein  verzeichnet. 

ältlich,  adj.:  ein  wenig  alt.  Mhd.  altlich. 

Altmeister,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  hervor- 
ragender Meister  (1807  bei  Campe,  auchGoethe 


47, 98  LH.).  Eig.  der  unter  den  Meistern  (einer 
Zunft)  der  älteste  und  deshalb  erste  ist. 

Altreiß,  m.  (-en,  PI.  -en) :  der  alte  Schuhe 
flickt;  Ti'ödler.  Mit  Übergang  von  eu  in  ei 
aus  mhd.  altriii^e.    Vgl.  Biester. 

Altyater,  m.  (-.§.  PI.  -väter):  ehrwürdiger, 
alter  Vater,  Patriarch.  Mhd.  altvater  m. 
ABL.  altvaterisch,  adj.:  nach  Art  der 
Vorfahren,   altfränkisch.    Frühnhd. 

altvettelisch,  adj.:  nach  Art  der  alten 
Weiber.    Bei  Luther.    S.  Vettel. 

Altvordern,  PI.:  die  Urväter.  Mhd.  alt- 
vordern,  ahd.  altfardoron,  PI.  zu  fordoro  adj. 
«der  frähere»,  mit  alt  verstärkt.  Der  später 
veraltete  Ausdruck  ist  in  der  1.  Hälfte  des 
18.  Jh.  durch  die"  Schweizer  Schriftsteller 
wieder  aufgebracht  worden  (Schönaich  ver- 
spottet ihn,  Adelung  1793  führt  ihn  noch 
nicht  an,  Heynatz  1796  kennt  ihn  nur  aus 
«einigen  Gegenden»). 

Altweihersommer,  m.  (-s,  PI.  wie 
Sg):  die  zur  Herbstzeit  im  Freien  fliegenden 
Spinnenfäden;  schöne  späte  Herbsttage.  Erst 
bei  Campe  1807.  Eig.  Sommer,  der  den  alten 
Frauen  zufällt  (ebenso  bayi*.  änlsumnier),  der 
für  die  Jugend  nicht  srut  genug  ist. 

am  vor  einem  Subst.,  aus  an  dem  zusam- 
mengezogen.   Mhd.  ame,  aus  an  deme. 

Amalgam,  n.  (-es,  PI.  -e):  die  chemische 
Verbindung  von  Metall  mit  Quecksilber  zu 
eineV  weichern  Metallmasse  (1594  bei  Fisch- 
art Onomast.  390  Amalgama):  (bildlich)  Ge- 
menge durch  Verbindimg.  Aus  gleichbed. 
span.  ital.  amalgama  f.,  von  gi\  ^dXaYMa  «Er- 
weichungsmittel, weicher  Körper». 

Amarant,  m.  {-es,  PI.  -e):  der  Garten- 
fuchsschwanz. Aus  gr.-lat.  amarantiis,  gr. 
ä|udpavToc  m.  «nicht  welkende  Blume,  Papier- 
blume», dem  als  Subst.  gesetzten  Masc.  desgr. 
Adj.  d)ndpavToc  «unverwelklich»,  dann  wegen 
der  Dauer  der  Blüten  auf  den  Gai-tenfuchs- 
schwanzübertragen.  BeiMaaler  IbQl Amaranth. 

Amarelle,  f.  (PI.  -«):  die  Weinkirsche. 
Spätmhd.  von  dem  gleichbed.  mlat.  amarel- 
lum  n.,  dem  Neutr.  des  mlat.  Adj.  amarellus, 
das,  von  lat.  amanis  «bitter»  abgeleitet,  zuerst 
«bitter»  und  dann  etwa  «weinsäuerlich»  be- 
deutet. 

Amazone,  f.  (PI.  -n):  Helden weib  eines 
fabelhaften  Weiberstaates  in  Skythien;  über- 
haupt kriegerisches  Heldenweib.  Nach  franz. 
amazone  aus  gr.-lat.  Amazon,  gr.  'A,uaZ;iüv  f. 
Schon  mhd.  amazone  f. 

Amberg,  s.  Anhöhe. 


49 


Amboß 


Ammer 


50 


Amboß,  m.  (-es,  PI.  -e) :  der  eiserne  Häm- 
merblock  einer  Schmiede.  Aus  mlid.  amhö^, 
aribö^.  anebo^,  ahd.  andbo^  m.,  zusammenges. 
aus  ana  und  mhd.  ho^  m.,  «Schlag»  von  hö^en. 
ahd.  hö^an  ^schlagen,  stoßen»,  wozu  auch  ags. 
heatan.  engLbeaf.  aisl. &a?(/a  c< schlagen,  stoßen». 
Letzteres  ist  wurzelverwandt  mit  fu  in  lat.  con- 
fufäre  «niederschlagen  ,  refutäre  «widerlegen  , 
fustis  «Knüttel»,  s.  Walde  s.  v.  s.  v.  Die  Länge 
des  ö  in  der  2.  Silbe  nur  noch  landschaftlich. 

Ambra,  m.  (-.si,  Aniber,  m.  (s):  ein 
wohlriechendes  Erdharz.  ^Ihd.  amber.  ämer  m. 
aas  mlat.  ital.  ambra  f.,  das  auf  gleichbed. 
arab.  'amhar  zuiückgeht. 

Ambrosia,  f.:  Götterkost.  Aus  gr.-lat. 
amhrosia,  gi-.  öiußpocia,  eig.  die  unsterblich 
machende  Götterspeise,  Fem.desAdj.äußpöcioc 
«unsterblich».  ABL.  ambrosisch,  adj.: 
himmlisch  süß. 

Ameise,  f.  (PI.  -ny.  Älit  Entwicklung  eines 
s  aus  ß  in  zweiter  Silbe  aus  mhd.  ämei^e, 
ahd.  ämeiyi,  dazu  ags.  öemette  f.,  engl,  emmef 
und  ant.  Dunkler  Herkunft;  wird  gewöhn- 
lich zu  ahd.  ema^ig  «emsig»,  Grundbed.  also 
«das  geschäftige  Tier»  gestellt,  was  aber  kaum 
das  richtige  trifft.  Eher  als  Zusammensetzung 
zu  ahd.  ))iei^an,  got.  maifan  «hauen,  schneiden» 
(s.  Meißel)  zu  stellen  (wegen  des  Präfixes  o- 
s.  Ohnmacht,  vgl.  auch  mhd.  äschröt  «Abge- 
schnittenes», äsirinc  «Abfall  von  Flachs»),  so 
daß  auf  eine  Bezeichnung  des  aus  kleinen  Holz- 
tt'ilchen  bestehenden  Waldameisenhaufens  zu- 
rückzugehen wäre.  ImFrühnhd.  erscheint  ebd. 
(mit  Übergang  des  a  in  6  vor  Nasal)  Omeis 
(noch  im  17.  Jh.  z.  B.  bei  Harsdörfer  Ge- 
sprächsp.  1,  25  vorkommend),  im  Md.  gewöhn- 
lich mit  Umlaut  (_wie  in  Erheit]  Emeis  und 
Emmeis,  bei  Luther  (wahrscheinlich  mit  An- 
lehnung an  ein,  dessen  n  als  assimiliert  be- 
trachtet wurde)  Eimmeis,  worauf  die  Formen 
Ämse  (Wieland  18,  94 1,  Emse  und  (mit  dialekt. 
Verwandlung  des  umlautenden  (p  in  f)  Imse 
(Goethe  Faust  7585)  zurückgehen.  In  den 
mundartlichen  Formen  (die  z.  T.  auf  a-  in 
der  1.  Sübe'  führen)  vielfach  durch  Volks- 
etymologie umgestaltet. 

Amelmehl,  n.  {-s,  PL  -e)-.  Kraftmehl. 
Mit  Wandlung  des  r  zu  l  aus  mhd.  amer 
(auch  schon  amel),  ahd.  amar  n.  «Sommer- 
dinkel», 1546  bei  Bock  245 *>  Ammeikorn.  Engl, 
amelcorn  «Dinkel»  ist  rein  gelehrt,  vgl.  MuiTay 
New  Engl.  Dict.  s.  v. 

amen,  als  gewöhnUcher  Gebetsschluß: 
wahrhaftig  I  so  soll  es  sein  I  Subst.:  Amen,  n. 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


Mhd.  amen,  nach  lat.  amen,  dies  aus  gr.  duriv 
aus  dem  gleichbed.  hebr.  Adv.  amen. 

Amethyst,  m.  (-es,  PI.  -e):  ein  violett- 
farbener  Edelstein.  Mhd.  ametiste  m.  nach 
franz.  amethyste  f.  aus  gr.-lat.  amethystus,  gr. 
äueOucToc  f.,  eig.  Adj.  in  der  Bed.  icnicht  trun- 
ken, den  Rausch  stillend»,  da  diese  Eigenschaft 
dem  Edelstein  beigelegt  wurde. 

Amiant,  m.  (-e.s,  PI.  -e):  der  feinfaserige, 
biegsame,  weiße  Asbest.  Aus  gi'.-lat.  amianhis, 
gr.  d.uiavToc  m.,  eig.  Adj.  in  der  Bed.  «unbe- 
fleckt, rein»  und  als  Subst.  Name  des  Steines 
wegen  seiner  schimmernden  Weiße. 

Ammann,  m.  (-es,  PI.  Ammänner):  (in 
der  Schweiz  i  höchste  obrigkeitüche  Person 
einer  Gemeinde  oder  eines  Landes.  Mhd,  (in 
alem.  Quellen)  animan  «Diener,  niederer  Be- 
amter, urteilsprechende  Gerichtsperson»,  zu- 
sammengezogen aus  mhd.  amhetman .  ahd. 
amhahtnmnn,  s.  Amtmann. 

Amme,  f.  (PI.  -?n:  Aufnährerin  und  Mut- 
terstelle einnehmende  Pflegerin  eines  Kindes. 
Mhd.  amme,  ahd.  amma.  Eig.  wohl  Mutter, 
^vie  noch  jetzt  schwäbisch  fdamach  Wieland 
18, 127 ),  vgl.  auch  anord.  amma  «Großmutter»; 
weitverbreitetes  Lallwort  der  Kindersprache 
wie  Mamu  (s.  d.),  vgl.  gr.  ctinudc,  äjniaia, 
d^^la  (bei  Hesych)  «Mutter,  Amme»,  bask. 
amu  «Mutter»,  altrom.  amma,  span.  port.  aina 
«Amme»  und  mit  Ableitung  lat.  annta  «Vaters 
Schwester :. 

Ammeister,  m.  (-.s,  PI.  wie  Sg.):  (noch 
im  18.  Jh.  in  Straßburg)  der  bürgerliche 
Obervorstand  der  Stadt.  Mhd.  (in  elsäs- 
sischen  Quellen)  ammeister.  ammemeister. 
ammanmeister,  eig.  der  Meister,  der  Am- 
mann (s.  d.)  ist,  der  Obermeister  (Vorsteher 
der  Zünfte). 

^Ammer,  f.  (PI.  -n):  ein  Singvogel,  embe- 
nza  citrinella.  Mhd.  amer,  ahd.  amaro  m. 
Vielleicht  von  amer  «Sommerdinkel»,  also 
Vogel,  der  gern  Sommerdinkel  frißt  [wieHänf- 
ling  eig.  Hanfsamenfresser,  von  Hanf)  vgl. 
Liebich  PBr.  Btr,  23,  223.  Mlat,  amarellm 
stammt  entweder  aus  dem  Deutschen  oder  ge- 
hört zu  span.  aniariUo,  port.  amarello  «gelb  ■. 
ABL.  Ammerliug,  m.  wie  Ammer.  Mhd. 
(mit  einfachererAbleitung)  amerinc  m. 

"Ammer,  f.  (PI.  -«) :  die  große  säuerliche 
Kirsche,  die  schwärzliche  wie  die  hellrote 
oder  Amarelle  (s.  d.).  Scheint  geküi-zt  aus 
ital.  amarisca  f.  «Weichselkirsche»  von  ital. 
amaro  dat.  amdnis)  «bitter,  herb»,  hier  «säuer- 
Uch  .    Vgl.  Liebich  PBr.  Btr.  23,  223.    Schon 

i 


51 


Ammer 


Amt 


52 


im  14.  Jh.  amerhoum,  mlat.  amarillus  «Ama- 
rellenbaum». 

^Ammer,  f.  (PI.  -n):  Punkenasche;  in  der 
Asche  erhaltener  Funke,  Bei  Luther,  jetzt 
noch  mundartlich.  1482  im  voc.  theut.  f  7^ 
der  Plur.  eymeren  «lieisze  asche»,  mhd.  einiere, 
ahd.  eimurja  f.,  dazu  ags.  cemyrje  f.,  engl. 
enibers,  anord.  eimyrja  f.,  dän.  emmer,  zu 
anord.  eimr  m.  «Rauch,  Dampf» und  an.  ysja  f. 
«Feuer». 

Ammonshorn,  n.  {-es,  V\.Ammonshörner) : 
das  gleich  einem  (dem  Jupiter  Ammon  bei- 
gelegten) Widderhorne  gewundene,  verstei- 
nerte, vorweltliche  Schneckengehäuse  (Schiller 
Teil  4,  3). 

Amnestie,  f.  (PI.  -n):  (öflfentlich  erklär- 
tes) Vergeben  und  Vergessen  eines  Vergehens. 
Aus  gr.-mlat.  anmestia,  gv.  dinvricreia  f.  «das 
Nichteingedenksein,  besonders  eines  erlittenen 
Unrechts«  (d  «un-,  nicht»;  juväcGai  «einer  Sache 
gedenken»).  Schon  1643  im  unartigen  teut- 
schen  Sprachverderber.  In  der  altern  Sprache 
dafür  ündacht 

Ampel,  f.  (PI.  -n):  Hängelampe.  Ober- 
deutsch. Mhd.  ampel,  ampulle,  ahd.  ampla, 
ampulla,  mit  ags.  ampelle  f.,  anord.  ampli  m. 
«Gefäß»  aus  lat.  ampulla  f.  «Flasche,  Gefäß», 
vgl.  Pulle. 

ampeln,  v.:  wonach  strebend  zappeln; 
überhaupt  wonach  streben.  Ein  ndd.  Wort, 
schon  mnd.,  im  18.  Jh.  mehrfach  als  dialektisch 
aufgeführt,  auch  von  ndd.  Schriftstellern  wie 
Voß  Briefe  2,  105  und  Göckingk  Ged.  2,  128 
gebraucht.    Vgl.  Hampelmann. 

Ampfer,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  eine  sauer 
schmeckende  Pflanze,  lat.  rumex.  M.h.d.ampfer, 
ahd.  ampharo  m.,  dazu  ags.  ampre,  ompre  f. 
«Ampfer».  Eig.  subst.  Mask.  eines  Adj.,  das  ndl. 
amper  «scharf,  bitter,  unreif»,  anord.  apr  (für 
*awtpr) «scharf,  kalt»,  schwed.  amj)er  «scharf», 
lautet.  Wenn  das  p  als  eingeschoben  zu  gelten 
hat,  so  kann  man  lat.  amärus  «bitter»  (s.  Walde 
s.v.),  skr.  aw?as  «sauer»  (als  subst.  Mask.  «Säure, 
Sauerklee»),  alh.  9nibl' 9  «süß»,  tdmWd  Galle  ver- 
gleichen. Anders  Johansson  Idg.  Forsch,  3, 240. 

Amphibie,  f.  (PI.  -n)-.  beidlebiges  (im 
Wasser  wie  auf  dem  Lande  lebendes)  Tier. 
Aus  dem  gleichbed.  gr.-lat.  anipJiibium,  gr. 
d|uq)ißiov,  dem  Neutr.  des  Adj.  di|uqp{ßioc  «beid- 
lebig»  (gr,  ä|uq)i-  «rundherum,  von  beiden  Sei- 
ten», ßioc  m.  «Leben»),    Im  18,  Jh.  entlehnt. 

Amphitheater,  n.  {-s,  PI.  wieSg.):  halb- 
runde Schaubühne.  Aus  dem  gleichbed.  gr.- 
lat,  amphitheatrum ,   gr,  diucpie^aTpov  n.,  zu- 


sammenges,ausc(|uq)i  «rundherum»  und  G^axpov 
n,  «Schauspielhaus».    Im  18,  Jh,  entlehnt, 

amputieren,  v.:  ein  Glied  des  Körpers 
abschneiden.  Aus  dem  gleichbed.  franz.  am- 
puter  von  lat.  amputare  «abschneiden»,  aus 
am(hi)  «herum»  \mdi  putäre  «schneiden».  Erst 
bei  Pampe  1801. 

Amse,  s.  Ameise. 

Amsel,  f.  (PI,  -n)\  die  Schwarzdrossel, 
lat.  mex'ula.  Mhd.  amsel,  ahd.  amsala,  amsila, 
amsla,  auch  amfsla  (daher  jetzt  mundartlich 
anspel,  wie  wespe  aus  ivefse)  f.;  dazu  ags. 
(mit  ausgefallenem  Nasal)  ösle  f.,  engl,  ousel 
«Amsel»,  Verwandt  ist  vielleicht  das  gleichbed, 
lat,  merula  (für  *mesula)  f,  Fick  I*  515,  Hirt 
Ablaut  132  (Bedenken  dagegen  bei  Kluge**, 
Walde  s.  v.  merula).  Im  altern  Nhd.  und 
mundartlich  erscheint  auch  die  Form  Amschel 
(vgl.  Geischel  neben  Geisel). 

Amt,  n.  {-es,  PI.  Ämter):  Inbegriff  der 
Obliegenheiten,  die  eine  Stellung  mit  sich 
führt;  Gebäude  zur  Ausübung  dieser  Obliegen- 
heiten; Behörde  zur  Verwaltung  und  Recht- 
sprechung; gottesdienstliche  Verrichtung  des 
Geistlichen.  Aus  mhd.  ampt,  amhet,  amheht, 
ahd.  amhahf.  amhahti  n.  «Dienst,  Amt»,  dazu 
ein  persönliches  ahd.  amhahtm.  «Diener»;  aus 
den  verwandten  Dialekten  gehört  hierher 
asächs.  amhaht  «Dienst»  (in  amhahtman  m. 
«Diener»,  amhahtskepi  m,  «Dienst»),  ndl,  am- 
bacJit  n.  «Handwerk»,  amht  n.  «Amt»,  ags. 
amhiht,  ombilit  n.  «Dienst»  (dazu  omhilit  m. 
«Diener»),  got,  andhahti  n.  «Dienst»  (dazu 
andhahts  m.  «Diener»),  vgl.  auch  anord,  am- 
bätt  f.  «Sklavin»,  Das  persönliche  Mask,  geht 
zurück  auf  keltisch-lat.  amhactus  (Cäsar  bell, 
gall.  6, 15,  2)  eig.  «Herumgesandter,  Bote»,  ge- 
bildet von  gall.  amb-  «herum»  und  einer  Bil- 
dung von  der  Wurzel  ag  (s.  Acker)  «treiben», 
hier  «senden»  (mlat.  ambactia  ambactiata «Auf- 
trag», ital.  ambasciata,  franz.  ambassade  f. 
gehen  erst  wieder  auf  das  germanische  zu- 
i-ück).  Vgl.  Baist  ZfdWf.  9,  33.  Das  Lehn- 
wort ist  im  Got.  an  die  Bildungen  mit  der 
Vorsilbe  and-  angelehnt  worden  (nicht  etwa 
selbständige  Bildung  mit  einer  Ableitung 
von  germ.  bak  «Rücken»,  also  der  im  Rücken 
stehende).  ABL.  amtieren,  v.  (dafür  in  der 
älteren  Sprache  amten):  ein  Amt  verwalten. 
Junge,  bei  Campe  1807  noch  nicht  verzeichnete 
Bildung  mit  der  fremden  Ableitungsendung 
-ieren.  amtlich,  adj.,  spätmhd.  ambetlich. 
ZUS.  Amthaus,  n.,  mhd.  ambethüs,  ahd. 
ambahthüs  n.     Amtmann,   m.:    Vorsteher 


53 


Amulett 


Anarchie 


54 


eines  landesherrlichen  Amtes  (PI.  amtleute 
bei  Luther,  aber  1532  bei  Birck  Öusanna 
474fg.  amptlüte  «Gerichtsknechte»);  (in  Nord- 
deutschland auch)  Vorsteher  eines  Gutes.  ^Ihd. 
amhefman,  ahd.  amhahtman  m.  -^^ Beamter,  Auf- 
seher». S.  SLXich  Ärmttann,  Ammeister.  Amts- 
genOSSe,  m.-.  Verdeutschung  des  lat.  coUega 
m.,  1579  bei  Calepinus  amptgenossen. 

Amulett,  n.  (-es,  PI.  -e):  am  Kör]oer  ge- 
tragener Schutzgegenstand  gegen  Zauberei 
oder  zukommendes  Übel.  Mit  franz.  armdette, 
ital,  amulefo  m.  aus  dem  gleichbed.  lat.  amu- 
letum,  auch  amoletum  und  amolimentum  n., 
als  Nachbildung  des  gr.  cpuXaKxripiov  von  lat. 
amoliri  «abwenden,  entfernen,  beseitigen»,  also 
eig.  Abwendungsmittel,  Präservativ  gegen  das 
Böse.  Vgl.  Schrader  Reallexikon  729,  Walde 
s.  V.  Die  deutsche  Form  ÄiHulet  wird  erst 
im  18.  Jh.  üblich. 

amüsieren,  v.:  unterhalten,  belustigen. 
Aus  franz.  amuser  «miterhalten,  aufhalten, 
hinhalten»,  eig.  «die  Zeit  vertrödeln  lassen», 
gebüdet  aus  a-,  lat.  ad  und  muser  «gaifen», 
eig.  «das  Maul  aufspeiTen»,  zu  ital.  miiso,  franz. 
niuseau  «Maul,  Schnauze»,  das  noch  unaufge- 
klärt ist  imd  von  Sainean  im  1.  Beiheft  der 
Zeitschr.  f.  rom.  Phil.  75  zu  nmse,  einem  Namen 
der  Katze,  gezogen  wird.  Das  Wort  erscheint 
schon  im  17.  Jh.  in  der  Bed.  «aufhalten»,  die 
auch  im  18.  Jh.  anfangs  herrscht  (noch  bei 
Nieremberger  1753  erscheint  sie  aiosschüeß- 
lich);  später  wird  die  Bed.  «unterhalten»  die 
gewöhnliche  (Lessing  6,  15,  Wieland  Amadis 
136,  auch  1775  bei  Heynatz). 

an:  nahe  zu  oder  bis  zur  Berührang 
mit  — ;  (abstrakt)  was  betrifft.  1.  Präp. 
mit  Dat.  (auf  die  Frage  wo?)  und  mit  Akk. 
(auf  die  Frage  wohin?).  2.  Raumadv.  Li 
der  verbalen  Zusammensetzung  bezeichnet  an 
auch  den  Anfang  einer  Tätigkeit,  z.  B.  an- 
bohren, anbrennen,  anreißen,  oder  eine  nur 
geringe  Tätigkeit,  z,  B.  anfeuchten,  ferner 
auch  eine  anhaltende  Tätigkeit,  z,  B.  anfüllen, 
anbauen,  andauern  oder  eine  erfolgi'eiche 
Tätigkeit,  z,  B,  anblasen;  vielfach  ist  es  (na- 
mentlich in  der  Kanzleisprache)  vor  schon  zu- 
sammengesetzte Verba  verstärkend  getreten, 
z,  B,  anbelangen,  anempfehlen,  angehören. 
Li  der  nominalen  Zusammensetzung  kann  an 
den  Anfang  oder  einen  geringern  Grad  be- 
zeichnen, z,  B,  Anbeginn,  Anhöhe,  viele  Zu- 
sammensetzungen wie  Anfall,  Anklang  haben 
sich  von  der  verbalen  aus  entwickelt.  Mhd. 
ane,   ahd.    ana:    dazu   asächs.  an,   ndl.  aan. 


ags.  engl,  on,  anord.  (mit  Tilgung  des  n)  ä, 
schwed.  a,  dän,  aa.  Verwandt  ist  gr.  ävd 
«auf,  an»,  avest.  ana  «über-hin»,  lat,  an  in  an- 
heläre  «aufatmen»,  abulg,  fj-,  vü-  «auf,  an». 
Vgl.  Walde  s.  v.  Neben  der  jetzt  herrschen- 
den Aussprache  mit  Kürze  findet  sich  auch 
gedehntes  an  (Zesen  im  Reimverzeichnis  zum 
Hehkon  reimt  an  auf  Wörter  mit  langem  a). 

Anabaptist,  m.  (-en,  PI.  -en):  Wieder- 
täufer. Aus  dem  gleichbed.  lat.  gr.  anabap- 
tista,  gr.  ävaßaiTTicTric  m.  zu  ctvaßaTTTiZuu  «wie- 
derholt untertauchen».  Daneben  auch  Anti- 
baptist  (Schiller  Wallensteins  Lager  485),  da 
die  Wiedertäufer  Gegner  der  Kindertaufe  sind 
(gr.  dvTi  «gegen»). 

Anagramm,  n.  (-es,  PI.  -e):  Buchstaben- 
versetzung als  W^ortspiel,  z.  B.  Regen  in 
Neger,  Dame  in  Made  usw.  Aus  dem  gleich- 
bed. gr.-mlat.  anagraninia,  gr,  ävd-fpauiua  n., 
zusammenges.  aus  ävd,  in  Zusammensetzungen 
«auf,  aufwärts,  wieder,  zuiiick»  und  Ypäiu|Lian, 
«Buchstabe».  Im  18.  Jh.  aufgenommen,  bei 
Jablonski  1721   noch  Anagramma. 

analog,  adj.:  gleichförmig,  wie  ein  an- 
deres sich  verhaltend.  Aus  gr.  dvdXoYoc  «der 
Vernunft  (gr.  Xöyoc  m.)  entsprechend,  über- 
einstimmend.» Im  18,  Jh.  erscheint  dafür 
analogisch  (Lessing  4,  117,  noch  bei  Adelung 
1793),  Analogie,  f.  (PI.  -n):  Übereinstim- 
mung, Gleichförmigkeit.  Aus  gr,-lat.  ana' 
logia,  gr.  dva\o-fia  f.  vom  Adj.  dvdXoYoc.  Bei 
Ludwig  1716. 

analysieren,  v. :  auflösend  zergliedern. 
Aus  dem  gleichbed.  franz.  analyser  v.,  ge- 
büdet von  analyse  f.  «Auflösung»,  das  auf 
gr.  dvdXucic  f.  (von  dvaXüeiv  «wieder  lösen, 
auflösen»)  beruht.     Bei  Wächtler  1711. 

Ananas  f.  Aus  span.  port.  ananas,  das 
aus  dem  Peruanischen  stammt.  Das  Wort 
erscheint  um  1600  in  deutschen  Schriften 
(z.  B.  bei  Hulsius  Schiffahrten  7,  155,  neben 
Ananasos  7,  85,  1628  bei  Münster  Cosmogr. 
S.  1724  Ananas). 

Anapäst,  m.  {-es,  PI.  -e):  der  Versfuß 
^  ^  —  Aus  lat.  anapaestus,  gr.  avdxraicToc 
zuiückgeschlagener  d,  i,  umgekehrter  Dak- 
tylus, dem  als  Sahst,  gesetzten  Mask.  des  gr. 
Adj.  dvdTTaicToc  «zuiückgeschlagen»  von  dva- 
Traieiv  « zurückschlagen ». 

Anarchie,  f,  (PI.  -n) :  Regierungslosigkeit, 
Nach  franz.  anarchie  von  gr.-mlat.  anärchia, 
gr.dvapxiaf  «Herrschaftslosigkeit»  vonävapxoc 
adj.  «ohne  Oberhaupt»  (dv-  «un-,  ohne»,  dpxöc 
m.  «Führer,  Oberhaupt»).   Bei  Wächtler  1711, 

4* 


55 


Anatomie 


Andauche 


56 


ABL.  anarchisch,  adj.   Anarehist,  m. 

(-en,  PI.  -en)  schon  im  18.  Jh. 

Anatomie,  f.  (PI.  -n):  die  Kunst  Leichen 
zu  zergliedern;  das  zur  Leichenzergliederung 
bestimmte  Gebäude.  Aus  lat.  anatomia  l,  dies 
aus  gr.  ävaTOian  f.  (äva-  und  TO|uri  «Schnitt») 
«Aufschneiden,  Zergliedening».  Schon  im 
16.  Jh.  (1565  bei  Paraeelsus  Op.  chirui'g.  611 
Anatomey).  ABL.  anatomieren,  \.,  1551 
bei  Scheidt  Grobiauus  4270.  anatomisch, 
adj.,  bei  Krämer  1678. 

anbahnen,  v. :  einer  Sache  den  Weg  be- 
reiten, sie  ins  Werk  setzen  und  fördern. 
Bei  Campe  1807,  als  landschaftliches  Wort. 

Anbeginn,  m.  (-es):  der  erste  Beginn. 
Mhd.(md.)  anhegin  m.,  gewöhnlich  anheginnen. 

anbei,  adv. :  (veraltet)  zugleich,  daneben; 
hiebei.  Aus  der  Kanzleisprache  von  Stieler 
1691  aufgenommen,  von  Adelung  1793  und 
Heynatz  1796  noch  als  oberdeutsch  empfunden. 

anbelangen,  v. :  betreffen,  eig.  bis  an  et- 
was heranreichen.  Aus  der  obd.  Kanzlei- 
sprache bei  Krämer  1678  angeführt;  bei  Ade- 
lung und  Heynatz  1775  noch  beanstandet, 
1796  aber  im  Antibarl)arus  zugelassen,  vgl. 
belangen,  anlangen. 

anbequemen,  v.:  anpassen.  Eine  am 
Ende  des  18.  Jh.  (nach  Heynatz  1796  «bei 
neueren  Schi-iftstellern»)  auftretende  Ver- 
deutschung von  franz.  accomoder,  vgl.  be- 
quemen. 

anberaumen,  v.-.  von  etwas  festsetzen, 
wann  es  sein  soll.  Mit  Verwandlung  eines 
ä  in  au  (unter  Einfluß  von  Baum)  aus  an- 
beramen,  so  noch  Adelung  1793  (wähi-end 
Heynatz  1775  und  1796  anberaumen  vorzieht), 
spätmhd.  berämen,  von  mhd.  ramen,  ahd.  rämen 
«zum  Ziele  nehmen,  worauf  hin  sich  richten», 
dazu  asächs.  rämön  «trachten,  streben».  Aus 
der  Kanzleisprache  bei  Stieler  1691. 

anbeten,  v. :  aufs  höchste  verehren.  Mhd. 
anebeten,  ahd.  anabeton.  ABL.  Anbeter, 
m.,  mhd.  anebetcere,  ahd.  anabetäri.  An- 
betung, f.,  spätmhd.  anebetunge  f. 

Anbetracht,  m. :  erwägende  Anschauung, 
Erwägung  ( nur  in  der  Verbindung  in  A.). 
Aus  der  Kanzleisprache  bei  Gottsched  1758, 
Adelung  1793,  Hej'^natz  1796  angeführt,  aber 
als  oberdeutsch  bekämpft. 

anbinden,  v.:  durch  Binden  anheften, 
Mhd.  anebinden,  ahd.anabintan.  Redensarten: 
mit  einem  a.  «mit  jemand  Streit  anfangen» 
(abgeschwächt  «überhaupt  sich  mit  jemand 
einlassen»),  dafür  in  der  altern  Sprache  mit 


einem  aufbinden  (s.  DW.  1,  622),  was  auf 
das  Aufsetzen  und  Festbinden  des  Helmes 
von  selten  dessen,  der  sich  zum  Kampf  rüstet, 
^eht  [mit  einem  a.  zuerst  bei  Krämer  1678); 
kurz  angebunden  d.  i.  bald  in  Harnisch  kom- 
mend, leicht  gereizt,  zum  Streite  geneigt 
(zuerst  bei  Schönsleder  1618).  Aus  der  Bed. 
«festbinden»  geht  die  von  «beschenken»  her- 
vor (z.  B.  bei  Fleming  42),  da  Geschenke  an 
den  Hals,  Arm  usw.  gebunden  zu  werden 
pflegten.  Redensart:  einen  Bären  a.  «Schulden 
machen»  (so  1781  bei  Kindleben);  früher  heißt 
einetti  einen  Bären  a.  «einen  belügen»  (so 
schon  bei  Grimmeishausen  Simpl,  243  und 
noch  bei  Wieland)  eig.  einem  eine  ei-logene 
Jagdgeschicht«  aufbinden,  woraus  dann  wohl 
die  Bed.   «durch  Vorspiegelungen  Geld   aus 

jemand  herauslocken»  hervorgegangen  ist. 

Anblick,  m.  (-es,  PI.  -e):  worauf  ge- 
richteter Blick;  Angeblicktes.  ^Ihd.  aneblic 
m.  —  anblicken,  v.:  den  Blick  worauf 
richten.     Mhd.  aneblicken. 

anbrechen,  v.:  l.  trans.  etwas  wovon 
abzubrechen  anfangen,  z.  B.  einen  Kuchen, 
eine  Flasche.  2.  intrans.  als  Zeit  oder  zeit- 
liche Erscheinung  (mit  Geschwindigkeit,  mit 
Macht)  anfangen  zu  sein,  z.  B.  der  Morgen, 
das  Jahr,  die  Schlacht  bricht  an.  Frühnhd. 
(auch  bei  Luther).  —  Anbruch,  m.:  der 
Anfang  etwas  wovon  abzubrechen,  sowie  dieses 
Abgebrochene  selbst;  der  Anfang  des  Über- 
ganges zur  Verderbnis  an  sonst  Gesundem, 
z.  B.  Anbruch  des  Obstes,  Weines;  der  Be- 
ginn einer  zeitlichen  Erscheinung.  Frühnhd. 
ABL.  anbrüchig,  adj.  (bloß  nach  der 
2.  Bed.  von  Anbruch),  bereits  im  16.  Jh. 

AnchOTi,  f.  (PI.  -s):  eine  Sardellenart. 
Nach  ndl.  ansjovis  f.,  engl,  anchovy,  aus  port. 
anchova,   span.  anchoa,  franz.  anchois  f.,  das 

1  aus  dem  Baskischen  abgeleitet  wird.  Bei 
Anchinoander  Gramm.  Ital.  Vocab.  c  2*^  1653 
Anschioven,  bei  Duez  1664  Anchove. 

Andacht,  f.  (PI.  -en):   die  feste  betrach- 

I  tende  Richtung   der  Gedanken,  insbesonders 

'  auf  Gott  und  Göttliches;  inniges  Gebet.  Mit 
Kürzung  des  zweiten  a  aus  mhd.  anedäht, 
ahd. anadähtt,  von  denken.  A5L. andächtig, 
adj.,  mhd.  anedcehtec,  ahd.  anadähtir. 

Andauche,  f.  (PI.  -»):  überdeckter  Ab- 
zugsgraben an  Gebäuden,  auch  an  nassen 
Äckern.    Am  Mittelrhein.    Spätmhd.  ädüche 

;  (1304  fluxum  et  motum  per  aqueductum  qui 
dicitur  aeduche  Böhmer  cod.  dipl.  Francofur- 

i  tanus  S.  360),  ädücht,  mit  Anlehnung  an  das 


57 


Andenken 


Anfall 


58 


aus  mhd.  ahe  f.  zusammengezogene  a  (s.  -a) 
aus  lat.  aquaedudus  f.  '^< Wasserleitung».  \^ 
Ahzucht. 

Andenken,  n.  i-s,  PI.  wie  Sg.):  Richtung 
der  Gedanken  auf  jemand  oder  überhaupt 
einen  Gegenstand,  um  ihn  sich  wieder  vor- 
zustellen; was  zum  Andenken  gegeben  wird. 
Spätmhd.  andenken  n.  «Erinnerung,  Wissen», 
substantivierter  Inf.  des  Y.  mhd.  anedenken, 
ahd.  anadenken.  Die  2.  Bed.  (nach  franz. 
Souvenir)  bei  Stieler  1691. 

ander,  adj.:  (veraltet)  Ordnungszahlwort 
der  Zweizahl:  über  bereits  Bezeichnetes  vor- 
handen: außer  dem  Bezeichneten  vorhanden 
und  davon  verschieden.  Mhd.  ander,  ahd. 
andar,  dazu  asächs.  ääar,  ödar,  ndl.  ander, 
afries.  öther,  ags.  öder,  engl,  other,  anord. 
annar,  schwed.  annan,  dän.  ander,  got.  anpar. 
Eine  komparativische  Bildung,  übereinstim- 
mend mit  Jit.  rt/7f/-a.9,  preiLß.  änters,  lett.  otrs 
«der  andere»,  ^^.anüiräs  «ein  andrer,  verschie- 
dener/-^ (zu anjäs «der andere»).  ABL. ändern, 
V. :  anders  machen,  mhd.  endern,  andern. 
anders,  genetiv.  adv.:  auf  andere  Weise, 
sonst,  mhd.  anders,  spätmhd.  auch  änderst, 
vgl.  einst,  was  auch  nhd.  selbst  schriftsprach- 
lich vorkommt  (Haller  Ged.  58.  Wieland 
Aurora  u.  Ceph.  583.  Schiller  Eäuber  3,  2), 
ZUS.  anderseits,  adv.  (bei  Gombert  5,  9 
Belege  von  1610  und  1618):  mit  angetretenem 
genetiv.  -s  aus  mhd.  andersit.  Ein^  Neben- 
form, die  auch  den  1.  Bestandteil  des  Wortes 
genetivisch  gestaltet,  ist  andrerseits  (bei 
Gombert  mit  Beleg  von  1661 1.  anders  WO, 
adv.:  mhd.  arulerswä,  zusammenges.  mit  dem 
genet.  Adv.  anders,  anderthalb,  adv.  Mit 
eingetretenem  t  aus  mhd.  anderhalp,  auch 
anderthaip.  anderwärts,  adv.:  anderswo- 
hin, anderswo,  zum  andern  Male  (in  der 
letzten  Bed.  von  Dasvpodius  1537  angeführt): 
davon  anderivärtig,  adj.  (bei  Gombert  7,  5 
von  1618  andericertig).  anderweit,  adv.: 
(veraltet)  zum  zweiten  Male;  an  andrer 
Stelle,  anders.  Mhd.  anderweide  (ebenso  dri 
weide  «dreimal»  usw.j  in  der  1.  Bed.,  wie 
amleriveyt  bei  Luther;  daneben  mhd.  auch 
in  der  2.  (heil.  Ehsabeth  3774  andertceit 
«anderwärts»,  6526  <^^^auf  eine  andere  Art»). 
Davon  anderweitig,  adj.  (bei  Gombert  7,  6 
vom  J.  1641 ),  in  der  Kanzleisprache,  wo  aber 
auch  andertceit  als  Adj.  verwendet  wiid,  wie 
1663  bei  Schottel  Vorr.  u.  S.  344. 

andeuten,  v.:  etwas  durch  einen  Hin- 
weis  zu  verstehen   geben:   nur   obenhin  be- 


zeichnen. Im  16.  Jh.  aufgekommen  (belegt 
z.  B.   bei  Albertinus   weibl.    Lustgai-te  246). 

Andorn,  m.  {-es,  PI.  -e^•.  die  Pflanze 
marrubium.  Mhd.  ahd.  andorn  m.  n.  Dunkler 
Herkunft. 

Anekdote,  f.  (PI.  -«):  unterhaltendes 
(neuesj  Geschichtchen  aus  jemandes  Leben. 
Aus  dem  gleichbed.  franz.  anecd.ote  f.,  das 
auf  gr.-lat.  anecdota,  gr.  dveKbora,  Xtr.  PI. 
von  dvexboToc  «nicht  ausgegeben,  nicht  be- 
kanntgemacht» (dv-  «un-,  nicht»,  bibövai  «ge- 
ben») beruht.  Um  die  Glitte  des  18.  Jh.  auf- 
genommen (Gottsched,  Lessing  7,  225;  Ade- 
lung hat  noch  die  Bed.  «eine  unbekannte  Be- 
gebenheit»). 

Anemone,  f.  (PI.  -n)-.  Windröslein,  Wind- 
bliime.  Aus  dem  gleichbed.  gr.-lat.  anemone, 
gr.dveuujvrif.,  abgeleitet  vondveuocm.  «Wind»; 
die  Benennung,  weil  sich  die  Blume  nui-  bei 
wehendem  Winde  öflEnet  (Plinius  bist.  nat.  21, 
94).  Doch  vgl.  Levy  Die  semit.  Fremdw. 
im  Griech.  49.  1546  bei  Bock  Kreuterb.  49^ 
Anemonerößlin  und  Anemone. 

Anerbe,  m.  (-n,  PI.  -«):  der  Erbe,  der 
den  nächsten  Anspruch  an  ein  hinterlassenes 
Gut  hat.     Mhd.  anerbe  m.    Vgl.  Ganerhe. 

Anerbieten,  n.  (-.s,  PI.  wie  Sg.);  an  je- 
mand gerichtetes  Erbieten.  Ln  17.  Jh.  aufge- 
kommen ( Harsdörfer  Gesprächspiele  2,  AIII^). 
Eig.  substantivierter  Lif.  des  V.  anerbieten, 
bei  Schönsleder  1618  verzeichnet,  stammt  wohl 
aus  der  Kanzleisprache. 

anerkennen,  v.:  etwas  durch  bestimmt-e 
Erklärung  als  richtig  und  giltig  annehmen, 
insbesondere  bei  Gericht:  etwas  ausdi-ücklich 
billigen.      Erst  bei  Adelung  1774. 

anfachen,  v. :  zum  volleren  Dasein  auf- 
regen, eig.  anblasen.  Wie  fachen  (s.  d.)  erst 
der  neuem  Dichtersprache  geläufig,  bei  Gott- 
sched, J.  E.  Schlegel  u.  a.,  von  Wieland  seit 
1751  (Suppl.  1,  145)  gebraucht  (bei  Xierem- 
berger  anfacheht). 

anfaliren,  v.:  l.  intrans.  zu  Schiff  oder 
Wagen  dicht  herankommen.  2.  trans.  zu 
Wagen  heranbringen;  sich  mit  harter  Rede 
gegen  jemand  wenden  (bei  Luther).  Mhd. 
anevarn  «ein  Gut  in  Besitz  nehmen»,  ahd. 
anavaran  «herangehen,  jemand  anfallen». 

Anfall,  m.  {-es,  PI.  Anfälle):  das  plötz- 
liche Herankommen  z.  B.  von  Feinden,  mhd. 
aneval  m.;  plötzlicher  Anstoß  von  Krank- 
heiten, Gemütsbewegungen;  unvermutetes  Zu- 
fallen von  Eigentum  und  das  Zugefallene 
selbst  (auch  schon  mhd.). 


59 


Anfang 


angenehm 


60 


Anfang,  m,  (-es,  PI.  Anfänge) :  das  Erste 
wovon.  Mhd.  anevane,  ahd.  anafang  m.  Von 
anfangen,  früher  anfallen  ( s.  fangen),  v. :  am 
Beginn  wovon  sein  (eig.  Hand  woran  legen  zum 
Halten,  woran  tätig  werden);  im  Beginn  be- 
griffen sein.  ]yilid.  anevähen,  ahd.  anaßhan. 
ABL.  anfangs,  genetivisches  adv.,  frühnhd. 
anfänglich,  adj.  und  adv.:  bei  Luther.  ZUS. 
Anfangsgründe,  PL:  1710  vom  Philosophen 
Chr.  Wolff  gebraucht,  s.  Gombert  6,  3. 

anfechten,  v.:  (veraltet)  mit  Waffen  wo- 
rauf eindringen:  worauf  empfindlich  ein- 
wii-ken,  beunruhigen;  besti'eiten.  Mhd.  ane- 
vehten,  ahd.  anafehtan. 

Anflug,  m.  i^-es,  PI.  Anflüge) :  da.s  Heran- 
kommen durch  die  Luft,  sowie  das  Heran- 
gekommene selbst;  (veraltet)  eine  äußerlich 
wahrnehmbare  Ki-ankheit.  z.  B.  ein  Gesichts- 
ausschlag; eine  schwach  ausgeprägte  Eigen- 
schaft, vorübergehende  Stimmung  (erst  bei 
Campe  1807j. 

anführen,  v. :  an  der  Spitze  stehend  leiten; 
(veraltet)  worin  unterweisen,  (dann)  mißleiten, 
hintergehen  (nach  Gombert  6,  i  schon  1557 
mit  geschmierten  Worten  a.):  zum  Beweise 
für-  Gesagtes  beibringen,  z.  B.  Woiie  eines 
andern  (bei  Gottsched).  ]SIhd.  anevüeren  «an 
sich  tragen»,  ahd.  anafuaren  «herbeibringen». 
ABL.  Anführung,  f.  (nach  der  L  und  4.Bed. 
von  anführen).  Damit  zusammenges.  Anfüh- 
rungszeichen, n.,  bei  Adelung  1774. 

Anfurt,  f.  (PI.  -en)  Landeplatz.  Bei  Luther 
als  m.  und  f.    Wie  Furt  (s.  d.)  zu  fahren. 

angehen,  v.:  l.  intrans.  (beim  Karten- 
spiel) zuerst  geben;  Töne  hervorbringen  (von 
Instrumentenj.  2.  trans.  ansagen,  vorbringen; 
veranlassen,  anordnen;  zur  Bestrafung  an- 
zeigen, mhd.  anegebeyi.  ABL.  angeblich, 
adj,  und  adv.  (nach  der  1.  Bed.  des  trans. 
V.),  bei  Frisch  1741,  aber  von  Adelung  1793 
noch  beanstandet. 

Angebinde,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Fest- 
geschenk (eig.  Gebui-tstagsgeschenk,  das  dem 
Feiernden  an  den  Hals  oder  Ann  gebunden 
wurde).  Im  1 7.  Jh.  aufgekommen, vgl.  anhinden. 

angedeihen,  v.:  zuteü  werden,  nur  in 
der  Redensart  a.  lassen.  In  der  altern  Sprache 
ist  an  mich  oder  mir  gedeihet  es  «gerät  an 
mich,  widerfährt  mir,  wü'd  mü-  zuteü». 

Angedenken,  n.  (-s):  wie  Andenken 
(s.  d.).  Im  14.  Jh.  angedenken  «Erinnerung» 
(bei  dem  Mystiker  Eckhart). 

angehen,  v. :  l.  intrans.  anfangen,  in 
einen  Zustand  geraten,  z.  B.  (vom  Feuer  und 


Brennbarem)  entbrennen,  mhd.  anegan,  gen, 
ahd.  anagän,  gangan;  erträglich,  hinreichend 
sein  (bei  Luther  und  im  altem  Nlid.  nur 
mit  dem  Dat.:  »mV  gehet  an  '<mir  gelingt, 
meine  Sache  hat  Fortgang»).  2.  trans.  sich 
gegen  jemand  wenden,  feindlich  oder  freund- 
lich; (von  Dingen)  jemand  berühren,  betreffen 
(beide  Bed.  auch  mhd.  ahd.). 

Angel,  f.  (PI.  -n\  als  m.  nur  noch  mund- 
artlich «Bienen-,  Wespen- usw.  Stachel») :  spitzer 
Haken  zum  Fischfange:  Einhängehaken  für 
Tüi-e,  Fenster  usw.  Mhd.  angel  m.  f.,  ahd. 
angiilm.;  dazu  asächs.  angul  m.  «Angelhaken», 
mnd.  angel  m.  «Stachel,  Fisch-,  Türangel»,  ndl. 
angel  m.  «Stachel,  Angel»,  ags.  ongel  m.,  engl. 
angle  «Angelhaken»,  anord.  öngull  m.,  dän. 
angel  «Angelhaken»,  aisl. öll,  all  m.  aMS*anhulas 
«Keim»  (Noreen  ürgerm.  Lautlehre  25);  ent- 
spricht genau  aiad.  atdkuräs  m.  «Sprößling, 
junger  Schoß»,  gi'iech.  ciyküXoc  «ki'umm».  Das 
einfache  Wort  hegt  vor  in  mhd.  ange  m. 
«Fisch-,  Türangel»,  ahd.  a«^o  m.  «Spitze,  Tür- 
angel», ags.  onga  m.  «Stachel»,  anord.  angi 
m.  «Spitze»,  verwandt  mit  lat.  ancus  «mit 
krammem  Arm»,  uncus  m.  «Haken»,  gi*.  öykoc 
m.  «Widerhaken»,  öykiüv  m.  «Bug,  Ellenbogen», 
oYKOc  n.  «Bucht,  Tal»,  skr.  aidkäs  m.  «Haken». 
Luther  gebraucht  das  Wort  in  der  Bed.  «Pisch- 
angel»als  m.,  was  auch  später  bis  in  die  neueste 
Zeit  nicht  selten  ist,  z.  B.  Günther  873,  Wieland 
Musarion  85,  Goethe  1,  169,  Schiller  Picc.  5, 
1,  Eückert  5,  51.  ABL.  angeln,  v.:  mit 
der  Fischangel  fischen,  mhd.  angeln,  ahd.  an- 
gilon;  übertragen  zu  fangen  suchen.  ZUS. 
Angelstern,  m. :  Polarstern.  Verdeutschung 
des  17.  Jh.  (bei  Fleming  160.  625).  angel- 
weit,  adj.  und  adv.:  so  weit  offen,  als  die 
TüiangeLn  zulassen.  Fiühnhd.  (1562  bei  Ma- 
thesius   Sarepta  203*). 

augelegen,  Angelegenheit,  s.  anliegen. 

angemessen,  adj.  und  adv.:  so  abge- 
messen, daß  es  einer  Sache  entspricht,  passend, 
ziemhch.     1749  bei  Gottsched. 

angenehm,  adj.:  gern  angenommen; 
Wohlgefallen  erweckend.  Fiühnhd.  (im  Tri- 
strant,  ed.  Pfatf  63,  21,  Wormser  Druck  an- 
genäm,  Sallust  B  3  und  Murner  luth.  NaiT 
3040  angenem,  Luther  8,  513  Weim.  und  später 
angeneme).  Im  Mhd.  (ohne  an)  genceme,  um 
1100  genäme  (in  «vi^ena^ne  «unangenehm»),  da- 
neben annceme,  mnd.  annäme  und  angenäme, 
vgl.  ahd.  nämi  «angenehm»,  got.  andanems 
«angenehm»  zu  andniman  «entgegennehmen». 
Vgfl.  annehmlich. 


61 


Anger 


Auhöhe 


62 


Anger,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  wildgmnes 
Grasland,  Grasfleck.  ^Ihd.  anger,  ahd.  angar 
m.  «ungepflügtes,  wildgrünes  Bauland,  Gras- 
land»; dazu  anord.  e^gr  f.,  engin.  «Wiese»  und 
•weiter  zu  griech.  a-fKoc  n.  -Tab,  vgl.  unter  J.w^e?. 

Augesicht,  n.  i-es,  PI.  -e,  -er):  worauf 
fallender  Blick;  (dem  Blick  zugekehrte)  Vor- 
derseite des  menscliliclien  Kopfes.  Aus  mhd. 
angesihte  n.  «Anschauen)^,  (in  md.  Quellen) 
«AntHtz»,  daneben  angesilit  f.  «Anschauen», 
ahd.  (ohne  ge-)  anasilit  f.  Anschauen,  An- 
blick». S.  Gesicht.  ABL.  Angesichts,  genetiv. 
adv.:  im  Anblicke;  im  Augenblick,  sofort. 
Bei  Luther. 

angreifen,  v. :  mit  den  Händen  Avoran 
rühren,  mhd.  anegnfen,  ahd.  anagrifan;  Hand 
anlegen,  sich  zu  etwas  schicken;  (von  Geldern) 
anfangen  zu  zehren  (in  diesen  beiden  Bedd. 
auch  schon  spätmhd.):  sich  feindlich  gegen 
jemand  wenden  (bei  Luther);  die  Kräfte  in 
Anspruch  nehmen  (auch  bei  Luther).  In 
dieser  Bed.  auch  refl.  sich  a.  —  Angriff,  m. 
{-es,  PI.  -e):  Beginnen,  Unternehmen;  Anfall. 
Mhd.  angrif,  ahd.  a;i «gm/ «Betastung.  Anfall;/. 

Angst,  f.  (PI.  Ängste):  das  Engewerden 
in  der  Brust,  beengendes  Gefühl  worüber. 
Li  unpersönlichen  Redensarten  mir  ist,  wird. 
macht  angst,  erscheint  das  Subst.  A.  adjekti- 
visch. Aus  mhd.  angest  f.,  seltener  m.,  ahd. 
angust  f.,  wie  mnd.  angest  m.,  abgeleitet  von 
angi  «eng».  Entsprechend  lat.  angustia  f. 
«Enge»  und  angustus  «enge»  von  lat.  anger e 
«zusammendrücken,  beklommen  machen»,  abg. 
qzosti  «angustiae».  ABL.  ängsten,  häufiger 
ängstigen,  v.:  mhd.  engesten,  ahd.  angusten 
und  engstigen,  das  von  dem  Adj.  engstig 
(bei  Luther),  ahd.  angustig  abgeleitet  ist. 
ängstlich,  adj.  und  adv.:  Angst  habend, 
Angst  verursachend,  mhd.  angestlich,  engest- 
lich,  ahd.  angustUh.  ZUS.  Angstschweiß, 
m.,  bei  H.  Sachs. 

^ Angster,  m.  (-s,  PL  wie  Sg.);  hohe  eng- 
halsige  Trinkflasche  oder  Krug.  Süddeutsch. 
Mhd.  angster  m.  aus  gleichbed.  mlat.  angu- 
strum,  florent.  anguistära,  inguistära,  von  lat. 
angustus  «eng//. 

"Angster,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.j :  alte  kleinste 
Schweizer  Scheidemünze,  ^/g  Schilling.  Seit 
dem  14.  Jh.  bezeugt.  Wahrscheinlich  aus  lat. 
angustus  «eng,  schmal,  klein,  dünn». 

anhahen,  v. :  am  Leibe  haben  ( bei  Lutherj ; 
[einem  etwas  a.)  an  jemand  Anhalt  ziir 
Schädigung  gewinnen  (mhd.  einem  anehaben 
«sich  an  jemand  halten,  Hand  an  ihn  legen»). 


anhalten,  v.:  l.  trans.  festhalten;  in  der 
Bewegung  aufhalten,  zurückhalten;  {zu  etwas 
a.)  andauernd  zu  etwas  nötigen  (bei  Luther). 
2.  intrans.  Halt  machen;  fortdauern:  [um 
etwas  a.)  andauernd  um  etwas  bitten  (in 
beiden  Bedd.  bei  Luther). 

Anhang,  m.  {-es,  PI.  Anhänge) :  was  sich 
anhängt;  als  unwesentlich  Beigefügtes;  eine 
zugetane  in  Tun  und  Treiben  folgende  Per- 
son oder  eine  Gesamtheit  solcher  Personen. 
Mhd.  anehanc  m.  —  anhangen,  durch  Ver- 
mischung mit  dem  trans.  V.  auch  anhängen, 
V. :  woran  hangen ;  fest  zugetan  sein.  Mhd. 
anehangen.  ABL.  Anhänger,  m.:  der  einer 
Person  oder  Sache  zugetan  ist  (bei  Luther). 
anhängig,  adj.:  (veraltet)  zugetan:  zu- 
gehörig; (von  Prozeßsachen)  schwebend,  der 
Entscheidung  entgegensehend  (aus  der  Kanz- 
leisprache bei  Luther).  —  anhänglich,  adj.: 
dauernd  zugetan.  Bei  Adelung  1793,  aber 
von  Heynatz  1796  als  wenig  üblich  bezeichnet. 
—  Anhängsel,  n. :  anhangender  Gegenstand. 
1733  bei  Gottsched. 

anheben,  v.:  anfangen,  eig.  angreifen 
zum  Bewegen.  Mhd.  aneheben.  Nur  in  feier- 
licher Sprache. 

anheim,  akkusat.  adv.:  eig.  an  das  Haus 
(vgl.  Heim);  zu  freier  Verfügung.  Li  der 
Kanzleisprache  des  16.  Jh.  erscheint  a.  in 
festen  Verbindungen  mit  Verben  (vgl.  a.  ziehen 
Reichs-Ordnungen  136^),  von  denen  jetzt  noch 
anheimfallen,  -gehen,  -stellen  üblich  sind  (da- 
für bei  Luther  3,  112''  Jen.  heimfallen,  3,  125^ 
heimgehen). 

anheimeln,  v. :  heimisch  anmuten.  Bei 
Dentzler  1709  verzeichnet  und  durch  Schweizer 
Schriftsteller  ins  Hochd.  gekommen,  aus  dem 
es  Campe  1807  anführt,  heimeln  ist  mit  einer 
diminut.  Endung  von  heim   gebildet. 

anheischig,  adj.:  durch  Versprechen  ver- 
pflichtet (nur  noch  in  sich  a.  machen).  Ent- 
standen durch  Ernwü-kung  von  heischen  (s.  d. ) 
aus  mhd.  anthei^ec  «durch  Versprechen  schul- 
dig», abgeleitet  von  mhd.  ahd.  anthei^  m. 
«Gelübde»,  dazu  got.  andahaitn.  «Bekenntnis» 
neben  andhaitan  «bekennen».  1576  beiMathe- 
sius  Luther  104^  anheischig  (1566  anheschig). 

anher,  adv. :  hierher,  bis  hierher.  Frühnhd. 
Kanzlei  ( Janssen  Frankf.  Reichscoir.  1,  913 ). 

anherrschen,  v.:  herrisch  anfahren. 
Junges   Wort,    noch    nicht    bei  Campe  1807. 

Anhöhe,  f.  (PI.  -n):  mäßige  Erhöhung. 
1741  von  Gottsched  und  1748  von  Klopstock 
(Messias  2,  43)  gebraucht.    Schon  mnd.,  auch 


63 


Anis 


Anlaß 


64 


später  bei  Niederdeutschen  erscheint  Amberg 
(d.  i.  Än-berg)  «Hügel»,  eig.  «mäßig  ansteigen- 
der Berg»,  wonach  wohl  Anhöhe  gebildet  ist. 

Anis,  m.  (Gen.  Anises,  PI.  Anise):  eine 
Gewürzpflanze  und  ihr  Same.  Spätmhd.  ants 
und  (umgelautet)  enis  n.  aus  dem  gleichbed. 
gr.-lat.  amsum  n.,  gr.  avicov  n.,  einer  Neben- 
form von  gr.  ävricov  n.,  ävrixov,  äviiGov  «Dill». 
In  der  Schriftsprache  ist  die  mit  dem  Lat. 
übereinstimmende  Form  durchgedrungen,  wäh- 
rend älternhd.  oft  aneis  und  (mit  Ton  auf 
der  1.  Silbe  wie  jetzt  obd.)  enis  vorkommt. 

anitzt,  anjetzt,  adv.:  Erweiterungen  von 
itzt  (s.  d.)  «jetzt»,  aus  der  Kanzleisprache 
[anietzt  bei  Opitz  2,  265). 

^Anke,  f.  (PI.  -n)  -.  «Nacken».  In  Thüi'ingen, 
Franken,  Schwaben  und  am  Mittelrhein  (Maler 
Müller  2,  67).  Mhd.  anke  f.  «Genick,  Gelenk 
am  Fuß»,  ahd.  ancha  f.  «Genick»,  encha  (mit 
Umlaut)  f.  «Beinröhre».  Urspr.  s.  v.  a.  Gelenk, 
Gliedkrümmimg  zur  Bewegung.  Vgl.  auch 
got.  halsagga  m.  (für  überliefertes  balsagga 
vermutet)  «Nacken»;  zu  gr.ciYKÜJv «Ellenbogen» 
s.  Angel.     S.  auch  Enkel. 

"Anke,  Anken,  m.  (Gen.  und  PI.  Anken), 
selten  f.:  Butter.  In  der  Schweiz,  dem  Elsaß, 
am  Oberrhein.  Mhd.  anke  m.,  ahd.  anko  m. 
und  anka  f.,  auch  in  Zusammensetzung  ajic- 
smero  m.  «Butter».  Verwandt  sind  lat.  un- 
guere  «schmieren»,  unguen,  umbr.  mnen  «Salbe, 
Fett»,  altir.  imb,  preuß.  anktari  «Butter»,  aind. 
ats'j  «salben»,  ajjam  «Opferschmalz».  ABL. 
anken,  v.:  buttern. 

^Auker,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Eisen  mit 
Widerhaken  zum  Auswerfen  ins  Wasser, 
wenn  das  Schiff  stehen  soll.  Mhd.  anker, 
spätahd.  anchar  m.;  mit  ndl.  anker  n.,  ags. 
ancor,  oncor  m.,  engl,  anchor,  anord.  akkeri 
n.,  schwed.  ankare  n.,  dän.  anker  n.,  entlehnt 
aus  gr.-lat.  ancora  f.,  gr.  ä^Kupa,  Grundbegrifi" 
«das  Gekrümmte»,  zu  der  unter  Angel  be- 
sprochenen Sippe  gehörig.  Der  eig.  ahd. 
Ausdruck  senchil  m.,  sinchila  f.  «Senkel»  (s.  d.) 
wurde  durch  das  von  Norden  her  eindringende 
entlehnte  A.  verdrängt.  ABL.  ankern,  v. : 
mhd.  ankern,  auch  (umgelautet)  enkern. 

"Anker,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  ein  etwa 
■■/g  Eimer  haltendes  Maß.  Aus  dem  ndl. 
anker  n.  ins  Hochd.  aufgenommen  (bei  Frisch 
1741  verzeichnet),  das  auf  dem  eine  kleinere 
Tonne  als  Maß  bezeichnenden  mlat.  aneheria, 
anceria  f.  beruht. 

Anklang,  m.  {-s,  PI.  Anklänge):  durch 
Anschlag  hervorgerufener  Klang;  anhebender 


Klang :  sich  anschließender,  verwandter  Klang, 
(bildlich)  entsprechende  Empfindung  usw.  (in 
A.  finden).  Ein  Adelung  noch  unbekannter 
Ausdruck  der  neuern  Dichtersprache  (in  der 
3.  Bed.  bei  Voß  3,  169,  dann  auch  bei 
Goethe). 

anklingen,  v.  (mit  starker  Flexion):  mit 
dem  Klange  woran  rühren.  Dagegen  an- 
klingen (mit  schwacher  Flexion):  Glas  wider 
Glas  anstoßen,  daß  es  einen  Klang  gibt.  Oft 
bei  Voß  (aber  bei  Goethe  Faust  5276  mit 
starker  Flexion  angeklungen). 

ankommen,  v.:  wohin  kommen  um  da 
zu  sein;  an  jemand  herankommen,  über  jem. 
kommen  (jetzt  noch  im  Ausruf  komm  an!, 
Schiller  Braut  v.  Mess.  3,  2,  Lessing  Nathan 
1,  3,  früher  wie  mhd.  anekonien ,  ahd.  ana 
quenian  mit  trans.  Akk.);  etwas  kommt  mich 
an  «ich  werde  davon  befallen»  (jetzt  auch  mit 
Dat.  wie  schon  bei  Luther  Weish.  16,  21), 
mit  Adv.  z.  B.  schwer  «ich  werde  wovon  er- 
griffen» (bei  Luther);  es  darauf  a.  lassen 
«das  Herantreten,  den  Verlauf  einer  Sache  ab- 
warten »  (bei  Stieler  1691) ;  es  kommt  an  auf — 
es  tritt  an  —  heran,  um  dadurch  in  seinem 
Verlauf  bestimmt  zu  werden  (bei  Ludwig  1716). 
ABL.  Ankömmling,  m.  (s,  PI.  -e):  wer 
ankommt.  Bei  Krämer  1678.  —  Ankunft,  f.: 
(veraltet,  doch  noch  bei  Goethe  16,  50)  Ab- 
stammung; Ankommen  (so  schon  bei  Luther). 

ankörnen,  v.:  anlocken,  eig.  Vögel  durch 
ausgestreute  Körner  (Goethe  Götz  2, 13).  Bei 
Duez  1664. 

Anlage,  f.  (PI.  -n):  Beilage;  die  dem  Ein- 
zelnen auferlegte  Steuerleistung  (frühnhd.); 
Aufwendung  von  Geldern  zu  bestimmtem 
Zwecke ;  Entwurf  eines  Gebäudes,  Gartens  usw. 
und  das  Angelegte  selbst  (Frisch  1741);  an- 
geborne  Fälligkeit  (erst  um  1750,  z.  B.  Lessing 
7,  363).    Mhd.  anläge  f.  «Bitte,  Anliegen». 

anlanden,  v.:  ans  Land  fahren.  In  der 
altern  Sprache  dafür  anlanden  (so  noch  bei 
Wieland  20,  260). 

anlangen,  v.:  l)  intrans.  ans  Ziel  ge- 
langen, mhd.  anelangen.  2)  trans.  (veraltet) 
bittend  angehen  (bei  Luther  Ap. -Gesch.  25, 
24);  betreffen  (frühnhd.,  auch  bei  Luther). 

Anlaß,  m.  (Gen.  Anlasses,  PI.  Anlässe): 
das  Bewegende  zu  einer  Handlung.  Mhd.  anelä^ 
m.  «Ort,  von  dem  aus  das  Rennen  losgeht; 
schiedsrichterlicher  Austrag  einer  Sache»  (die 
jetzige  Bed.  ^chon  frühnhd).  ABL.  anläß- 
lich, adv.  (nnt  Gen.) :  in  der  neuern  Kanzlei, 
spräche  (noch  nicht  bei  Adelung). 


65 


anlassen 


annektieren 


66 


anlassen,  v.:  wohin  oder  wozu  los  lassen, 
mhd.  anelä^en,  anelän,  ahd.  analä^an;  an 
den  Körper  angelegt  oder  angetan  lassen; 
harte  Worte  an  jemand  richten  (Stieler  1691). 
Refl.  sich  a.  «Fähigkeit  und  Tätigkeit  wozu 
zeigen»  (frühnhd.). 

Anlauf,  m.  (-es,  PI.  Anläufe) :  ausholende 
geschwinde  Bewegung  woi'aufhin.  Mhd.  ane- 
loufm.  «Anrennen,  Angriff»,  ahd.  anahlouf  m. 
«Ansturz».  —  anlaufen,  v.:  laufend  wider  etwas 
kommen,  mhd.  aneloufen,  ahd.  anahloufan; 
(bildlich,  zunächst  vom  Wüd,  das  gegen  die 
Waffe  des  Jägers  rennt)  widerrennen,  in  seinem 
Tun  durch  Übeln  Erfolg  abgeschreckt  werden; 
anschwellen;  von  etwas  Leichtem  überzogen 
werden,  z.  B,  der  Spiegel,  der  Wein  läuft  an 
(1696  im  Persian.  Baumgarten  9,  19). 

Anlaut,  m.  (-es,  PI.  -e) :  der  Anfangslaut 
eines  Wortes.  Grammatischer  Kunstausdruck 
Jäc.  Giimms. 

anlegen,  V.:  woran  legen,  mhd.  anelegen, 
ahd,  analeggen;  an  sich  legen  als  Kleid  oder 
Schmuck  (schon  mhd.  ahd.);  (von  Schiffen) 
sich  ans  Ufer  legen;  (von  Gewehren)  zum 
Ziele  richten  (daher  es  ivorauf  a.  «es  worauf 
abgesehen  haben»);  zu  einem  bestimmten 
Zwecke  nutzbringend  verw^enden  (spätmhd.); 
anrichten,  anstiften  (bei  Luther  mit  Dat. 
«einem  etwas  zufügen»);  entwerfen  und  zur 
Ausführung  bringen. 

Anlelien,   n.  {-s,  PI.  wie   Sg.):  Hingabe 
von  Geld  gegen  Zinsen.    Mhd.  anlehen,  ahd. 
analehan  n.  (s. Lehen). —  Anleihe,  f.  (PI.  -n),  j 
in  gleicher  Bed.,  aber  mehr  von  hohen  Geld-  ] 
summen.    Erst  bei  Adelung  1774  («in  Ober- 
deutschland»), j 

anliegen,  v.:    sich    dicht    woran   fügen; 
einem    andauernd    bittend    zusetzen;    einem  I 
Nachdenken   und  Sorge   verursachen,     Mhd. ' 
aneligen,    ahd.  analiggen  in   diesen  3  Bedd. 
Substantiviert  Anliegen,  n.  (-s,  Pl.wieSg.),  \ 
nach  der  2.  und  3.  Bed.  von  anliegen.   Früh- : 
nhd.     Das  Part.  Prät.  angelegen  steht  oft ! 
adjektivisch:  Nachdenken  und  Sorge  mit  Eifer 
zvir  Tätigkeit  verursachend  (bei  Luther).  Da- , 
von  Angelegenheit,  f. :  was  mit  Nachdenken 
und  Sorge  beschäftigt  (so  noch  Lessing  Nath. ! 
3,  2),  daun  überhaupt  Geschäft  (Gombert  7, ! 
6  V.  J.  1619),  rmd  angelegentlich,  adv.:  mit  I 
eifriger  Fürsorge  (bei  Dentzler  1709  noch  ohne  ' 
das  eingeschobene  t  angelegenlich).  \ 

anmaßen,  v.  (mit  refl.  Akk.  und  Gen.  der  j 
Sache  oderDat.  und  Akk.  der  Sache):  naehMaß-  ! 
gäbe  des  Zustehenden  in  Anspruch  nehmen;  über 

Weiganä,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


das  Maß  des  Zustehenden  in  Anspruch  nehmen. 
Mhd.  sich  anemä^en  (mit  Gen.)  auch  schon  in 
der  2.  Bed.    ABL.  Anmaßung,  f.,  frühnhd. 

Anmerkung,  f.  (PI.  -en)-.  mündliche  oder 
schriftliche  Bemerkung  (1663  bei  Schottel  als 
Verdeutschimg  des  lat.  ohservatio,  noch  bei 
Lessing,Goethe);  gelegentlich  angefügte  schrift- 
Hche  Bemerkung. 

Anmut,  f.:  (veraltet)  die  Seelenstimmung 
zu  etwas,  das  Vergnügen  macht,  Neigung, 
Verlangen  (so  zuerst  1514  bei  Lilien  ci"on  3, 
147,  aber  als  M.,  daneben  schon  im  16.  Jh. 
als  F.);  Freude,  Lust  (noch  bei  Hagedom, 
Werke  3, 93) ;  wohlgefälliges  anziehendes  Wesen 
(so  zuerst  bei  Stieler  1691).  Diese  jüngere  Bed. 
im  Anschluß  an  das  Adj.  anmutig:  Neigung 
hei'vorrufend,  Verlangen  erweckend,  daher  ge- 
fällig, lieblich  (so  schon  bei  Mumer  Schelmen- 
zunft 12,  20  anmietig  red  d.i.  wohlgefälhge), — 
anmuten,  v.:  ein  Verlangen  an  jemand  rich- 
ten, einem  etwas  ansinnen,  mhd.  aneniuoten 
(mit  Akk,  der  Person  und  Gen.  der  Sache, 
später  mit  Dat.  der  Person  und  Akk,  der  Sache) ; 
(mit  Akk.  der  Pers.)  das  Gemüt  ansprechen, 
Wohlgefallen  erregen  (noch  nicht  bei  Adelung 
1793,  von  Wieland  23,  341  füi-  interessieren 
empfohlen  und  dann  von  Goethe  in  der  jetzigen 
Bed.  gebraucht), 

Anna,  Frauenname.  Aus  der  kirchlichen 
gr.-lat.  Form  Anna  nach  dem  hebr.  Frauen- 
namen Channäh  (l.  Sam.  1),  urspr.  Appellativ 
in  der  Bed.  «Gnade,  Flehen  um  Gnade». 

Annalen,  PI. :  geschichthche  Ereignisse  ver- 
zeichnende Jahrbücher.  Aus  demgleichbed.lat. 
annales  (nämlich  Zi&ri  «Bücher»),  dem  subst.Pl. 
des  M.  des  Adj.  annalis  «das  Jahr  betreffend», 
von  annus  m.  «Jahr».    Im  18.  Jh.  entlehnt. 

Annaten,  PI.:  die  im  ersten  Jahr  an  die 
päpsthche  Schatzkammer  fallende  Hälfte  des 
Zinses  von  einer  geisthchen  Pfmnde.  Aus  dem 
gleichbed.  mlat.  PI.  annatae  von  annus  m. 
«Jahr».    Frühnhd,  (Luther  8,  708  Weim.). 

annehmlich,  Adj,:  gerne  angenommen 
und  gefallend.  Gebildet  aus  dem  mhd.  Adj, 
annceme  «angenehm.  Heblich»,  mit  der  Ab- 
leituugsendung  -lieh.    Frühnhd. 

annektieren,  v.:  sich  ein  Land  anghe- 
dern;  überhaupt  «sich  aneignen».  Nach  franz. 
annexer  «anhängen,  einverleiben»  aus  lat. 
annectere  (aus  ad-nectere)  «anknüpfen,  ver- 
einigen». Rot  1571  hat  annectirn  in  der  Bed. 
«aneinander  knüpfen»,  die  auch  Campe  1811 
allein  kennt.  Die  jetzige  Bed.  wurde  nach 
1859  üblich.    Vgl.  Ladendorf  Hist.  Schlagwb. 


67 


aunoch 


Ansicht 


68 


annoch,  Adv.,  mit  an  verstärktes  7ioch. 
Schon  in  der  Kanzleisprache  des  15.  Jh. 

Annonce,  f.  (PI.  -n);  Ankündigung  in  der 
Zeitung.  Aus  dem  gleichbed.  franz.  annonce  f. 
von awwowcer« ankündigen»,  das  auf  lat.anwMW- 
ciare  d.  i.  ad-nunciare  «ankündigen»  beruht. 
Gegen  Ende  des  18.  Jh.  entlehnt  (1795  bei 
Campe  Bereicherimg  besprochen). 

Anomalie,  f.  (PI.  -n);  Abweichung  von 
der  gemeinen  Regel.  Aus  dem  gleichbed. 
gr.-lat.  anomalia  i.,  gr.  dvuujuaXia  f.  eig. 
«Ungleichheit»  von  dem  Adj.  dvuj|aa\oc  «un- 
gleich» (dv-  «un-»,  b^dköc  «gleich»).  Bei 
Sperander  1728. 

anonym,  Adj.:  ungenannt  (ohne  Angabe 
des  Namens).  Aus  gr.  dvdjvu|uoc  «namenlos» 
(dv-  «un-,  ohne»  und  övu|uafür  övoiuan,  «Name»). 
Im  18.  Jh.  dafür  anonymisch  (Schiller  2,  381). 

anranzen,  s.  ranzen. 

Anrecllt,  n.  (-es,  PI.  -e)  -.  das  Recht  woran. 
Wohl  in  der  Kanzleisprache  gebildet,  im  18.  Jh. 
allgemeiner  gebraucht  (Herder  1,  2). 

anregen,  v.:  (veraltet)  an  etwas  rühren, 
mhd.  aneregen:  berühren,  erwähnen  (früh- 
nhd.) ;  den  Anstoß  zu  etwas  geben  (schon  bei 
Luther) ;  (mit  Akk.  der  Person)  einen  zu  etwas 
bewegen  oder  auf  etwas  hinleiten. 

Anrichte,  f.  (PI.  -«) ;  der  Küchentisch,  die 
fertigen  Speisen  zum  Auftragen  zu  bereiten. 
Mhd.  anrihte  f.  —  anrichten,  v.:  fertige 
Speisen  zum  Auftragen  zurecht  machen ;  über- 
haupt «zurecht  machen;  entstehen  machen». 
Mhd.  anerihten. 

anrüchig,  Adj.:  in  keinem  guten  Rufe 
stehend.  In  neuerer  Zeit  an  Stelle  des  zuerst 
im  15.  Jh.  auftretenden  anrüchtig  (noch  bei 
Campe  1807)  getreten.  Dies  bezeichnet  etwas 
oder  jemand,  dessen  Ruf,  Gerücht  (s.  d.)  an- 
fängt schlecht  zu  werden.  Die  Umgestaltung 
des  Wortes  (gleichsam  «anfangend  übel  zu 
riechen»)  erfolgte  unter  Einfluß  von  Wörtern 
wie  Geruch  =  Ruf,  ruchhar  (s.  d.). 

aus,  zusammengez.  aus  an  das.  Mhd.  ang. 

ansässig,  adj.:  festen  Wohnsitz  habend. 
Gebildet  von  einem  frülmhd.  Anseß  «fester 
Wohnsitz»,  das  entweder  auf  ein  mhd.  anse^ 
(mhd.  se^  m.  n.  «Sitz»)  oder  wahrscheinlicher 
mit  Kürzung  des  Vokals  auf  ein  mhd.  an- 
soe^e  n.  (vgl.  mnd.  ansete  n.  «Besitz  eines  un- 
beweglichen Erbes»)  zurückgeht.  Im  18.  Jh. 
gebraucht  (bei  Apinus  1728  Anseß igkeif). 

Anschein,  m.  (-es)-,  die  Art,  wie  sich 
etwas  den  Augen  zeigt,  als  Grundlage  der 
Beurteilung.  Mhd.  anscMn  m.  «Erscheinung». 


—  anscheinend,  Adj. :  den  Anschein  habend, 
eig.  Part.  Präs.  eines  V.  anscheinen,  mhd. 
ane  schtnen. 

anschicken,  v. :  anordnen,  zurecht  machen 
(noch  bei  Wieland  4,  113),  mhd.  aneschicken. 
Refl.  sich  a.  «sich  zu  etwas  fertig  machen» 
(Stieler  1691). 

anschlagen,  v. :  woran  schlagen,  ml^d. 
aneslahen,  aneslän,  ahd.  anaslahan:  durch 
Schlagen  festmachen;  den  ersten  hellen  Laut 
hören  lassen;  das  Gewehr  an  die  Wange  nehmen; 
(danach  vom  Anschlagen  und  Zielen  mit  dem 
Gewehre)  nach  Berechnimg  oder  Erwägung 
bestimmen  (spätmhd.);  gedeihlich  sich  zeigen 
(bei  Rädlein  1711  und  Ludwig  1716,  schon  mnd. 
anslän). —  Anschlag,  m.  {-es,  PI.  Anschläge), 
nach  den  Bedd,  des  Verbums.  Mhd.  aneslac, 
im  15.  Jh.  auch  «worauf  zielender  Gedanke, 
Plan».  Davon  anschlägig,  Adj.:  reich  an 
Einfällen,  fiühnhd.  (auch  bei  Luther). 

anschmieren,  v.;  durch  Schmieren  woran 
haften  machen  (Maaler  1561  anschmirwen); 
(einem  etwas  a.)  einem  betrügerisch  aufhalsen 
(Ludwig  1716,  während  im  17.  Jh.  sich  die  Bed. 
«fälschlich  eine  Schuld  beimessen»  findet); 
{einen  a.)  betrügen  (in  der  neuern  Sprache). 

anschnauzen,  v.:  an  jemand  harte  Worte 
heftig  richten.  Frühnhd.  (Luther).  Zusammen- 
ges.  mit  schnauzen  von  Schnauze  (s.  d.),  das  auf 
ndd.  snuten  beruht.  Eig.  s.  v.  a.  «anschnauben, 
anfauchen»,  dann  «vmgestüm  anfahren». 

anschwärzen,  v.:  schwarze  Farbe  an 
etwas  bringen;  schlecht  machen,  verleumden 
(bei  Stieler  1691). 

Ansehen,  n.  {-s,  eig.  subst.  Inf,  des  V. 
ansehen^.  Anschauung,  mhdi.  anseilen  n.;  äußere 
Erscheinung  {mhdt..  ansehen  «Angesicht»);  Be- 
rücksichtigung, Wertschätzung  (bei  Luther). 
J.J5L.  ansehnlich,  Adj.:  in  der  äußern  Er- 
scheinung hervorragend;  allgemeine  Berück- 
sichtigung, Wertschätzung  findend.  Finihnhd. 
(z.  B.  Carolina  158),  doch  daneben  auch  (vom 
V.  ansehen  aus  gebildet)  ansehelich. 

Auselm,  Mannsname.  Ahd.  Anshelm,  zu- 
sammenges.  mit  ahd.  ans  (nur  als  erstes  Wort 
in  Zusammensetz.),  anord.  äss,  ags.  ös  «Ase, 
Gott»  und  heim. 

Ansicht,  f.  (PI.  -en):  das  Heften  des 
Augenlichtes  worauf;  die  Art  der  Auffassung 
wovon  durch  die  Sehkraft  oder  (bildKch) 
den  Geist;  das  Gesehene  wiedergebendes  Bild. 
Mhd.  anesihty  ahd.  anasiht  f.  ist  «Anblick», 
später  verschwindet  das  Wort  im  Hochd., 
erhält  sich   aber  im  Ndd.,   aus   dem   es  bei 


69 


ansiedeln 


anstellen 


70 


Ludwig  1716  angefahrt  wird,  dagegen  be- 
zeichnet Frisch  1741  das  Wort  als  nicht  ge- 
bräuchlich und  selbst  Adelung  1793  kennt 
es  in  der  Bed.  «Art  der  geistigen  Auffassung» 
nicht.  ABL.  ansichtig,  adj.,  jetzt  nur  in 
ansichtig  werden  «im  Bereiche  der  Augen 
haben,  daß"  diese  darauf  fallen».  Mhd.  an- 
sihtec  in  ansihtec  iverden,  aber  auch  s.  v.  a.  «an- 
sehnlich», ahd.  anasiktig  «gesehen  werdend». 

ansiedeln,  s.  siedeln. 

ansinnen,  v.  (mit  Dat.  der  Person  und 
Akk.  der  Sache):  an  jemand  die  Forderung 
einer  Tätigkeit  richten.  Frühnhd.  (Brant 
Layensp.  L  2,  mhd.  nur  an  eüien  sinnen 
«jemand  angehen  um  etwas»).  Der  Inf.  sub- 
stantivisch Ansinnen,  n.  fi-ühnhd.  (Nürn- 
berger Pol.-Ordn.  109.    Brant  Layensp.  L  3). 

anspielen,  v. :  zuerst  spielen  und  so  das 
Spiel  anfangen;  spielend  anklingen  lassen; 
(daher)  etwas  in  leiser  Beziehung  worauf 
sagen  oder  tun  (Lessing  8,  71). 

Ansporn,  m.  (-s) :  Antrieb  zu  tatkräftigem 
Handeln.  Neugebildetes  Wort  (noch  nicht 
bei  Campe  1807)  vom  V.  anspornen,  eig.  das 
Pferd  mit  dem  Sporn  antreiben. 

ansprechen,  v. :  Worte  an  jemand  richten, 
besonders  um  etwas,  mhd.  anesprechen,  ahd. 
anasprehhan;  ausdrücklich  als  sein  erklären 
und  sonach  verlangen  (auch  schon  mhd.); 
ausdrücklich  wofür  erklären  (bei  Goethe 
Wahlverw.  2,  2  und  öfter) ;  freundlichen  Ein- 
druck auf  jemand  machen  (noch  nicht  bei 
Adelung  1793,  aber  von  Goethe  oft  gebraucht, 
der  es  49, 1,  401  ein  Wort  der  Konversations- 
sprache nennt). 

Anspruch,  m.  (-es,  PI.  Ansprüche):  die 
an  jemand  gerichteten  Worte;  das  Erheben 
einer  Forderung  gegen  jemand  (in  in  A. 
nehmen,  vgl.  mhd.  anspruch  «rechthche  For- 
derung»); eine  für  begiündet  gehaltene  For- 
derung und  deren  Kundgebung;  (Ansprüche) 
allgemeine  Forderungen,  die  man  ans  Leben 
und  andere  richtet  (erst  in  der  neuem  Sprache). 
ZUS.  anspruchlos,  adj.  Seit  dem  18.  Jh. 
(Wieland  Suppl.  4,  17),  jetzt  gewöhnUch  an- 
spruchslos. —  anspruchsvoll,  adj.,  zuerst 
bei  Campe  1807  als  Neubildung. 

Anstalt,  f.  (PI.  -en):  die  Anordnung  und 
Vorbereitung  etwas  auszuführen,  namentlich 
in  A.  machen,  Anstalten  treffen  (mhd.  ver- 
einzelt anstaltf.  «Begründung»,  in  der  jetzigen 
Bed.  im  17.  Jh.  Diefenbach  - Wülcker  72);  in 
umfassenderer  Weise  zu  körperlicher  oder  gei- 
stiger Pflege  usw.  Eingerichtetes  (im  18.  Jh.). 


-stalt  ist  Abstraktbüdung  zu  stellen,  die  sich 
an  das  frilhere  Praet  stalte  anschUeßt. 

Anstand,  m.  (-es,  PI.  Anstände):  das 
Stillstehen,  vorläufige  Aufhören  wovon  (mhd. 
anstant  m.  «Waffenstillstand»);  das  Venveüen 
des  Jägers  auf  einem  Standorte,  sowie  dieser 
Standort  selbst;  der  Aufenthalt  in  einer  Sache 
mit  Bedenklichkeit  in  dieser  fortzufahi-en 
(Duez  1642);  äußerliches  schickliches  Ver- 
halten (erst  um  die  Mitte  des  18.  Jh.  aus 
dem  Adj.  anständig  entwickelt,  z.  B.  bei 
Lessing  2,  94,  Wieland  Amadis  117).  ABL. 
anständig,  adj.:  passend,  schicklich.  Seit 
dem  17.  Jh.  (unter  Einfluß  des  V.  anstehen, 
daher  anfangs  meist  mit  Dat.  der  Person, 
z.  B.  Grimmelshausen  Simpl.  880). 

anstatt,  Praep.  mit  Gen.:  an  Stelle  von. 
Zusammengerückt  aus  an  und  dem  Dat.  Sg. 
von  Statt,  mhd.  an  stete,  an  stat,  in  der 
Kanzleisprache  des  15.  Jh.  schon  als  Praep. 
verwendet  (1444  anstad  Germania  28,  359). 
a.  daß,  Konj.:  an  der  Stelle  daß. 

anstechen,  v. :  woran  stechen,  mhd.  ane- 
stechen,  ahd.  anastehhan;  mit  dem  Stachel 
(Sporn)  antreiben  (noch  in  angestochen  kommen 
d.  i.  angeritten);  (bildlich)  reizen,  mit  emp- 
findlichen Worten  auf  jemand  zielen  (Luther) ; 
sinnlich  reizen,  in  die  Augen  stechen  (Goethe 
16,  15);  (durch  Einstechen  einer  Röhre  ein 
Faß)  zum  Zapfen  öff"nen  (schon  mhd.). 

anstecken,  v.:  durch  Einstechen  woran 
haften  machen;  wie  anstechen,  vom  Öfihen 
des  Fasses;  (dadurch  daß  Brand  Hervor- 
bringendes an  etwas  stechend  befestigt  wird) 
in  Brand  setzen  (so  schon  mhd.  anstecken); 
zündstoffartig  mitteilen  (von  Krankheiten, 
schon  im  16.  Jh.).  Intrans. :  zündstoffartig 
sich  mitteilen. 

anstehen,  v.:  dicht  oder  nahe  zu  etwas 
hin  sein,  mhd.  anestän,  -sten,  ahd.  anastän, 
sten,  stantan :  stehen  bleiben,  im  gegenwärtigen 
Zustand  verbleiben,  namenthch  in  a.  lassen 
(bei  Luther);  mit  Bedenken  innehalten;  (mit 
Dat.  der  Person)  passen,  gemäß  sein  (schon 
mhd.).     S.  Anstand. 

anstellen,  v.:  nahe  woran  stellen;  an 
eine  Stelle  weisen;  in  ein  Amt  einweisen 
(von  Gottsched  bekämpft  und  noch  von 
Adelung  1793  für  oberdeutsch  erklärt);  ins 
Werk  setzen,  unternehmen  (fiühnhd.);  (mit 
Akk.  der  Person)  anstiften.  Refl.  sich  a. 
(mit  Adv.)  sich  in  einer  Tätigkeit  zeigen 
(frühnhd.);  ein  Benehmen  zur  Schau  tragen, 
namentlich    zum    Schein.       Mhd.    anestellen 


71 


anstiften 


Antipode 


72 


«aufschieben».  ABL.  anstellig,  adj.:  sicli 
gut  anstellend,  gewandt,  vom  refl.  sich  a. 
Nach  Heynatz  Antib.  1,  134  von  Lavater 
empfohlen  und  danach  auch  von  andern  ge- 
braucht (Schüler  TeU  1,  3). 

anstiften,  v. :  am-egen,  anreizen,  Frühnhd. 
(Franck  teutsche  Chron.  IIO'').    Vgl.  stißen. 

Anstoß,  m.  (-es,  PI.  Anstöße):  auf  etwas 
einwii'kende,  nach  vorwärts  drängende  Be- 
wegung, mhd.  anesto^,  ahd.  anasto^  m.\  Hin- 
deiTing  in  der  Bewegung,  sowie  das  unan- 
genehm Hindernde  und  damit  Ärgernis  Ge- 
bende selbst  (so  schon  mhd.,  dann  bei  Luther) ; 
schnell  zukommendes  Übelbefinden  an  Leib 
oder  Gemüt;  an  Zeug  angesetztes  Zeugstück. 
—  anstoßen,  v.:  widerstoßen,  mhd.  ane- 
stogen,  ahd.  anasto^an;  dui-ch  Stoßen  in  Be- 
wegung setzen;  an  jemand  empfindlich  be- 
inihrend  kommen,  z.  B.  das  Fieber  stieß  ihn 
an  (so  schon  mhd.);  wider  andrer  Ansicht 
und  Billigung  tun ;  angrenzen ;  anfügen.  ABL. 
anstößig,  adj.  (nach  der  2.  Bed.  von  A.,  der 
3.  von  anstoßen),  frühnhd.  (Fischart  Garg.  168). 

anstrengen,  v. :  etwas  mit  Bemühung  ins 
Werk  setzen  (jetzt  nur  eine  Klage,  einen 
Prozeß,  mhd.  anstrengen  ist  «inständig  bitten») ; 
zur  Anspannung  der  Kräfte  bringen,  ab- 
mühen. Mhd.  strengen  ist  «stark  machen, 
kräftig  ausüben,  bedrängen»,  ohA. strengen  »be- 
di'ängen». 

Anstrich,  m.  (-es,  PL  -e):  der  Strich 
woran,  auch  der  Strich  mit  dem  Fiedelbogen 
zum  Spiele  (mhd.  anstrich  m.);  das  An-  und 
Überstreichen  womit,  sowie  das  woran  Ge- 
strichene, um  sich  ein  Aussehen  zu  geben 
(bei  Maaler  1561  «Schminke») :  eine  zum  Schein 
hervorgekehiie  Eigenschaft  (Günther  687). 

ansturen,  s.  sturen. 

ansuchen,  v.:  bittend  angehen,  ersuchen. 
Substantivisch  Ansuchen,  n.:  fiühnhd. 
Kanzleisprache  (Reichsordnungen  17^^  vom 
J.  1495).    Vgl.  mhd.  eteivag  an  einen  suochen. 

ant-,  Vorsilbe  mit  der  Grundbed.  zu  —  hin, 
gegen,  jetzt  nur  noch  in  Antlaß ,  Antlitz, 
Antwort,  fi-üher  häufiger  imd  als  betonte 
Form  mit  dem  unbetonten  ent-  wechselnd. 
Mhd.  ahd.  ant-,  dazu  asächs.  and-,  ags.  and-, 
ond-,  anord.  and-,  got.  anda-,  and-,  hier  auch 
ayid  als  Präp.  «an,  worauf  hin,  längs».  Ver- 
wandt ist  lat.  ante  «vor»,  gr.  dvxi  «gegen, 
gegenüber,  vor»,  skr.  änti  «gegenüber»,  aht. 
anta  «auf,  zu»,  lit.  aiit  «auf».  Zur  Bedeu- 
tungsentwicklung vergl.  Delbrück  Grundriß 
3,  1,  740  f. 


antasten,  v.:  roh  oder  gewaltsam  Hand 
anlegen.  Mhd.  anetasten  «feindhch  angreifen, 
angehend  nötigen».     Vgl.  tasten. 

antedilu Vianisch ,  adj.:  vorsintflutlich. 
Bei  Herder  6,  111  (um  1770),  Wieland  47,  64 
(Gruber)  vom  J.  1790.  Von  lat.  ante  «vor» 
und  lat.  düuvium  n.  «Überschwemmung». 

Anteil,  m.  n.  (-es,  PI.  -e):  jemand  zu- 
kommender Teil  woran,  mhd.  (selten)  anteil 
n.  (häufiger  seit  dem  17.  Jh.);  (nur  m.  ohne 
PI.)  Mitgefühl  (bei  Adelung  1774). 

Anthologie,  f.  (PI.  -n):  Blumenlese  d.  i. 
Sammlung  kleiner  Gedichte  und  dann  auch 
andrer  Schi'iftstücke.  Aus  dem  gleichbed. 
:  gr.  dvOoXoYia  f.  von  dem  Adj.  dvGo\ÖYOc 
1  «Blumen  lesend»  (ävöoc  n.  «Blume»,  -Xofoc  von 
I  \4.^eiv  «lesen,  sammeln»).  Im  18.  Jh.  entlehnt. 
j      Anthropologie,      f.:      Menschenkunde, 

:  Wissenschaft  vom  Menschen.     Aus  gr.-neul. 
I  ... 

anthropolögia   eig.    die    über    den   Menschen 

j  redende,  die  menschenkundige  Wissenschaft, 

,  von   dem  gr.  Adj.  dvBpuuTroXÖYOC    «über  den 

«Menschen  redend»  (ävöpuuTToc  m.  «Mensch», 

-\o-foc  von  XeY£iv  «reden»).  Im  18.  Jh.  entlehnt. 

Antihaptist,  s.  Anabaptist. 

antik,  adj.  und  adv.:  altertümlich,  in 
Geschmack  und  Geist  des  Altertums.  Aus 
dem  franz.  Adj.  antique,  ital.  antico,  das  auf 
lat.  antiqims  «alt»  beruht.  Bei  Sperander 
172^  noch  in  der  franz.  Schreibung.  Schon 
im  16.  Jh.  kommt  das  von  lat.  antiquus  ab- 
geleitete Adj.  antiquisch  vor  (1558  bei  Rivius 
Büxenmeisterey  3,  a  1%  Gombert  6,  4).  — 
Antike,  f. :  Kunstarbeit  des  klassischen  Alter- 
tums und  dieses  selbst.  Aus  franz.  antique  f., 
das  auf  lat.  antiqua,  PI.  von  antiquimi  (eig. 
opus  «Werk»)  beruht.  Im  18.  Jh.  aufge- 
nommen (im  PI.  bei  Lessing  6,  436). 

Antimon,  n.  (-s,  PI.  -e):  Spießglanz, 
Spießglas.  Aus  mlat.  antimonium  n.,  span.- 
ital.  antimonio,  wohl  vom  gleichbed.  arab. 
al-ithmid,  al-uthmud.  Der  griech.  Name  da- 
für war  cTißi,  CTiiuiui  n.,  daher  lat.  stibiuyn  n. 

Antipathie,  f.  (PI.  -n):  natürliche  Ab- 
neigung wogegen.  Aus  gi'.-lat.  antipathia, 
gr.  dvTiTrdGem  f.  «Gegen-,  Abneigung»,  von  dem 
gr.  Adj.  dvTiTra9ric  «von  entgegengesetzter  Nei- 
gung seiend»  (dvTi  «gegen,  wider»,  -iraOric  von 
irdGoc  n.  «Leiden,  Gefühl»,  zu  iraGeiv,  Inf.  Aor. 
von  irdcxeiv  «leiden»).    Im  17.  Jh.  entlehnt. 

Antipode,  m.  (-n,  PI.  -?i):  Gegenfüßler. 
Aus  dem  gr.-lat.  PI.  antipodes,  gr.  dvTiTrobec 
«Gegenfüßler»,  dem  als  Subst.  genommenen 
PI.  des  M.  des  gr.  Adj.  dvriTTouc,  Gen.  dvri- 


73 


Antiquar 


Anwärter 


74 


TToboc    «die   Füße    entgegengekehi-t    habend, ' 
gegenfößig//  fdvxi  «gegen»,  -uouc  von  ttoüc  m. 
«Fuß»).     Nocli  1710  bei  Behring  in  der  lat.  j 
Form  Anfipodes.  ! 

Antiquar,  m.  (-es,  PI.  -e):  Altei-tmns- 
forscher ;  Händler  mit  alten  Büchern.  Aus  j 
lat.  antiquarius  m.  «Altertumskenner,  Alter- 
tümler», dem  als  Subst.  genommenen  M.  des 
Adj.  antiquarius  «das  Altertum  betreffend», 
von  antiquus  «alt».  Bei  Xieremberger  1753 
noch  in  der  lat.  Form,  dafür  1595  bei  Welser- 
"Werlichius  Chron.  4,  81  Antiquitist  m.  ABL. 
Antiquariat,  n. 

Antiquitäten,  PL:  Gegenstände  aus  dem 
Altertum.  Aus  dem  gleichbed.  lat.  antiqid- 
tates,  PI.  von  antiquitas  f.  «Altertum»,  von 
antiquus  «alt».  Schon  im  16.  Jh.  gewöhnlich 
(Antiquitet  in  der  Zimmerschen  Chronik,  1548 
bei  Stumpf  Schweizerchron.  1,  278^,  1562  bei 
Mathesius  Sar.  232  a,  Rot  1571). 

Antisemit,  m.  (-en,  PI.  -en)  -.  Gegner  der 
Semiten.  Ein  um  1879  von  Wilh.  Marr  ge- 
prägtes Kampfwort.  Aus  gr.  övti-  «gegen» 
und  Semit  (s.  d.). 

Antlaß,   m.  (-sses,   PI.  -sse)  -.   Sündener- 1 
lassung,   Ablaß;    Lossprechung  (Entlassung) 
von  Kirchenstrafen  und  Wiederaufnahme  in  ' 
die  KLrchengemeinde.     Nur   noch   bayr.-öst.  I 
;Mhd.  ahd.  antläg  m.,  zu  dem  V.  eyitlassen,  ahd. 
ant-,  intlägan. 

Antlitz,  n.  (-es,  PI.  -e):  Angesicht.  ^Ihd. 
antlitze  n.;  dazu  (aber  mit  andrer  Suffix- 
bildung) ags.  andiclita  m.,  anord.  andlit  n. 
«Angesicht».  Im  Got.  steht  neben  anäawleizn 
n.  «Angesicht»  das  nicht  mit  anda-  zusammen- ' 
gesetzte  wlitsm.  «Angesicht,  Ansehen,  Gestalt». 
Dies  gehört  zu  einem  verlorenen  starken  Y. 
wleitan  «sehen»  (dazu  got.  wlaiton  «umher- 
blicken, spähen»),  dem  ags.  ivUtan,  anord.  Uta 
(für  vlita)  entspricht.  Im  Mhd.  findet  sich  auch 
häufig  antli'.tze  n.,  ahd.  antluzzi,  anluzzi,  mit 
Assimilation  annuzzi  n.  (die  Form  mit  i  erst 
im  11.  Jh.  belegt).  Formen,  die  durch  Ver- 
mengung mit  dem  gleichbed.  ahd.  antlutti  n., 
mhd.  (selten)  antlütte  n.  entstanden  sind, 
deren  -lutti,  -lütte  auf  got.  hidja  f.  «An- 
gesicht» zurückführt.  Luther  bediente  sich 
des  Wortes  in  der  Form  Andlitz. 

Anton, Mannsname.  Aus  \dX.  Antonius,  des- 
sen Ursprang  und  Bedeutimg  dunkel  ist.  Vgl. 
W.  Schulze  Zur  Geschichte  lateinischer  Eigen- 
namen 123  f.  Danach  der  Frauenname  Antonie. 

Antrag,  m.  (-es,  PI.  Anträge):  an  jemand 
gerichtetes  Erbieten,  Vorschlag;  förmlich  ge- 


stelltes Begehren.  Frühnhd.,  von  dem  V. 
antragen,  mhd.  auch  in  der  Bed,  «anstiften», 
frühnhd.  «anbringen,  vorschlagen». 

Antriel),  m.  {-es,  PI.  -e):  starke  An- 
regung zu  einem  Tun.  Frühnhd.  (bei  Nas 
Pract.  A  2  Andrib). 

antun,  v.:  an  sich  legen  (mhd.  anetuon); 
mit  Kleidern  usw.  versehen;  (mit  Dat.  der 
Person )  zufügen,  namenthch  Übles  ^frühnhd.) ; 
mit  Zauber  schädigen  (^bei  Krämer  1678). 

Antvogel,  s.  Ente. 

Antwort,  f.  (PI.  -en):  das  auf  Worte 
eines  andern  Gesagte,  insbesondere  sofern  es 
sich  auf  jene  bezieht.  ^Ihd.  antwurt  f.  und 
antwürte  n.,  später  (mit  Anlehnung  an  wort) 
antwort  f.  n.,  ahd.  (selten)  antwurti  f.,  meist 
antwurti  n.;  dazu  asächs.  ayidivordi  n.,  ndl. 
antwoord  n.,  ags.  andwyrde  n.,  anord.  andyräi 
n.,  got.  andawaurdi  n.  Dies  ist  gebildet  von 
got.  anda-  (s.  ant-)  und  einer  Kollektivbil- 
dung von  Wort,  also  urspr.  «Gegenwort,  Gegen- 
rede». Luther  gebraucht  das  Wort  noch  oft 
als  X.,  daneben  als  F.;  auf  das  alte  N.  weist 
auch  noch  Anticorts  genug  (Lessing  Em.  Gal. 
4,  8).  ABL.  antworten,  v.:  mhd.  ant- 
würten,  antwurten,  antworten,  Bhdi.antwurten:, 
dazu  asächs.  andwordian,  ags.  andwyrdan,  got. 
andivaurdjan. 

Anwachs,  s.  Amcuchs. 

Anwalt,  m.  (-es,  PI.  Anwälte):  der  für 
den  andern  eine  Rechtssache  führt,  Advokat: 
(in  Oberdeutschland  früher  auch)  Gemeinde- 
vorstand (so  noch  jetzt  schwäb.J.  Aus  mhd. 
anwalte,  ahd.  anwalto  m.,  dazu  ags,  onwealda 
m.  eig.  der  Gewalt  woran  hat,  von  ahd.  ana- 
walt  f.,  ags.  onweald  m.  «Gewalt  woran,  Macht» 
zu  walten.  Ältemhd.  begegnet  häufig  die 
Schreibung  Anwald  (im  16.  und  noch  im 
18.  Jh.,  z.  B.  bei  Klopstock,  Schiller  12,  456). 
Die  ursprüngliche  schwache  Flexion  noch  bei 
Luther  (auch  Klopstock  im  PI.  Anwalden), 
sonst  stark,  PI.  Anwalte  und  (jetzt)  Amcälte. 
ABL.  Anwaltschaft,  f.  bei  Duez  1664. 

anwandeln,  v.:  herankommen;  vorüber- 
gehend an  Geist  oder  Körper  zukommen  (mit 
Akk.,  seltner  Dat.  der  Person,  z.  B.  Liscow 
158.  341,   Lessing  2,  49). 

Anwärter,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  der  auf 
eine  Stelle  usw.  Anspruch  machen  kann.  Von 
mhd.  anewarten  «worauf  sehen,  erwarten». 
Frülmhd.  —  Anwartschaft,  f.:  Rechts- 
anspruch auf  künftigen  Besitz.  1641  bei 
Schottel  336. 


75 


Anweisung 


Apathie 


76 


Anweisung,  f.  (PI.  -en) :  Hinweis  worauf, 
Unterricht  (mlid.  anmstmge  f.) ;  Bestimmung, 
Zuteilung,  insbesondere  einer  auszuzahlenden 
Geldsumme  (dies  schon  frühnhd.). 

anwenden,  v.:  Richtung  worauf  geben, 
beziehen;  zu  einem  bestimmten  Zwecke  ge- 
brauchen. Mhd.  anewenden  ist  «ordnen»,  die 
jetzige  Bed.  «verwenden»  bei  Luther. 

Anwesen,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  (veraltet) 
das  Gegenwärtigsein;  unbeweghches  Besitz- 
tum (im  voc.  ine.  teut.  a  8*  Anwesen  «mansio, 
habitaculum»).  Der  substantivierte  Inf.  des  V. 
mhd.  aneicesen,  ahd.  anmvesan  «darin-  und 
dasein».  —  anwesend,  Adj.:  eig.  Part.  Präs. 
des  V.  Um  1600  gebräuchlich  geworden  (bei 
Duez).  —  Anwesenheit,  f.:  um  leOO  ge- 
bräuchlich (bei  Gombert  7,  7  vom  J.  1618). 

anwidern,  s.  widern. 

Anwuchs,  m.  {-es,  PI.  Anwüchse):  stei- 
gende Zunahme  und  das  in  solcher  BegrifiPene ; 
an  etwas  Gewachsenes.  Vom  Prät.  von  an- 
wachsen aus  gebildet;  erst  bei  Adelung  1774. 
Älter  ist  Anioachs  (bei  Stieler  1691). 

An  wünsch,  m.  {-es,  PI.  Anwünsche): 
Wunsch  an  jemand  (Hagedom  Fab.  154).  Von 
dem  bereits  ältemhd.  V.  anwUnschen. 

Anzahl,  f.:  die  zukommende  Zahl;  über- 
haupt Zahl,  Menge.  Spätmhd.  anzale,  anzal 
f.  «von  einer  Menge  dem  Einzelnen  zufallender 
Anteil,  Verhältnis,  zukommende  Zahl». 

anzapfen,  v.:  wovon  durch  Zapfen  die 
erste  Flüssigkeit  auslassen;  (bildlich,  wie  an- 
siechen) mit  Worten  auf  jemand  zielen,  ihn 
zu  einer  Äußerung  zu  reizen  suchen.  Im 
15.  Jh.  anzepfen  (so  noch  jetzt  schwäb),  auch 
schon  in  der  2.  Bed. 

Anzeichen,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  auf  et- 
was hindeutendes  Zeichen.    Bei  Krämer  1678. 

Anzeige,  f.  (PI.  -n) -.  Ankündigung;  worauf 
hindeutender  Umstand.  In  der  Kanzleisprache 
um  1500  für  älteres  Anzeigen  n.  eingetreten 
(z.  B.  Reichs-Ordnungen  38^  vom  J.  1500), 
daneben  ältemhd.  auch  Anzeig  m.,  alle  von 
dem  V.  anzeigen  ausgehend. 

anzetteln,  v.:  den  Zettel  (s.  d.)  d.  i. 
Aufzug  zu  emem  Gewebe  machen;  (büdlich) 
durch  kleine  Mittel  anstiften.  Frühnhd. 
(Sallust  S  3^). 

anziehen,  v.:  l)  trans.  (mit  haben)  zu 
sich  hin  ziehen,  mhd.  aneziehen;  durch 
Ziehen  in  Bewegung  setzen  (auch  mhd.); 
durch  Ziehen  vom  Flecke  bewegen;  zuerst 
ziehen;  straff  ziehen,  z.  B.  ein  Seil;  auf- 
ziehen,   groß  ziehen,    z.  B.  Hühner;    an   den 


Köi^per  oder  einen  Teil  desselben  zur  Be- 
deckung oder  zum  Schmuck  ziehen  (im 
15.  Jh.,  z.  B.  voc.  ine.  teut.  a  8*,  auch  bei 
Luther);  mit  Kleidern  versehen;  beispiels- 
weise oder  belegend  erwähnen  (im  15.  Jh., 
auch  bei  Luther).  2)  refl.  sich  a.:  sich  an- 
kleiden (mhd.  dagegen  «Anspruch  worauf 
machen»).  3)  in  trans.  (mit  sein)  im  Zuge 
herankommen  (frühnhd.) ;  zu  ziehen  anfangen; 
in  einen  Dienst,  ein  Amt  usw.  eintreten. 
Von  dem  trans.  V.  das  Part.  Präs.  anziehend 
als  Adj.:  durch  sinnlichen  Reiz  oder  geistig 
zu  sich  hin  ziehend,  für  sich  gewinnend  (1760 
Wieland  Suppl.4, 163,  vgl.  abstoßend).  S.  Anzug. 

Anzucht,  f.  (PI.  -en):  Abzugsgraben  für 
unreines  Wasser.  Entstellt  aus  lat.  aquae- 
ductus,  vgl.  Ahzucht. 

Anzug,  m.  {-es,  PI.  Anzüge):  das  Ziehen, 
um  in  Bewegung  zu  setzen;  das  Herbei- 
kommen; das  Antreten  eines  Dienstes,  eines 
Amtes;  Gesamtheit  der  Kleidung  (Geliert  3, 
284).  Spätmhd.  anznc  m.  ist  «Stellung  eines 
Zeugen,  Zugang  von  Kaufleuten  zum  Ein- 
kauf, Beschuldigung  oder  Vorwurf».  ABL. 
anzüglich,  Adj.  und  Adv.:  sich  worauf 
beziehend  (worauf  zielend),  um  unangenehme 
Empfindung  zu  verursachen  (Stieler  1691, 
gleichbedeutend  anzügisch  bei  Moscheroseh 
Phil.  1,  589,  anzügig  bei  Harsdörfer  Ge- 
sprächssp.  1,  241,  vgl.  mhd.  anzuc  «Beschul- 
digung, Vorwurf»);  durch  sinnlichen  Reiz 
oder  geistig  zu  sich  hin  ziehend  (Lessing, 
Wieland,  Goethe). 

anzwacken,  v.:  mittels  Spitzen  an  etwas 
klemmen  (Hagedorn  Od.  99) ;  mit  Worten  em- 
pfindlich zusetzen,  angreifen  (Günther,  Voß). 

Apanage,  f.  (PI.  -n) :  standesgemäßes  Leib- 
gedinge. Aus  fi'anz.  apanage  f.,  das  auf  mlat. 
apanagium,  appanagimn  (d.  i.  ad-panagium) 
n.  «Unterhalt  des  Nachgeborenen  und  so  nicht 
Erbberechtigten»  beruht.  Dies  neben  dem 
gleichbed.  apanamentum  n.  von  mlat.  apanare, 
appanare  (d.  i.  ad-panare)  «Brot  (lat.  panis), 
Unterhalt  geben».     Im  17.  Jh.  entlehnt. 

apart,  adj.  und  adv.:  für  sich  stehend; 
sonderbar.  Zusammengerückt  aus  franz.  d 
pari,  ital.  aparte  «bei  Seite».  Im  17.  Jh.  ent- 
lehnt, zunächst  aber  nur  als  Adv.  gebraucht 
(daher  auch  Schelmufsky  79  noch  in  zwei 
Worten  a  parte),  später  auch  als  Adj.  (bei 
Nieremberger  1753). 

Apathie,  f.  (PI.  -n):  Stumpfheit  des  Ge- 
fühles, Gleichmut.  Aus  gr.-lat.  apathia  f., 
gr.  dirdöeia  f.  «Unempfijadlichkeit»,  von  dem 


77 


aper 


Apotheose 


78 


Adj.  oTraGric  «leidenschaftslos,  unempfind- 
lich» (d-  un-,  -iraGric  von  TToieoc  n.  «Leiden, 
Gefühl»). 

aper,  s.  a&er. 

Apfel,  m.  (-S,  PI.  Äpfel):  die  bekannte 
Obstart,  sowie  dann  manche  andre  dieser 
ähnliche  rundliche  Frucht  und  überhaupt 
rundhcher  Gegenstand  (schon  in  ahd.  Zeit 
auch  =  Augapfel).  Mhd.  apfel  (PI.  epfel), 
ahd.  aphul,  aphol  (PI.  epfili)  m.,  dazu  ndl. 
fries.  appel  m.,  ags.  ceppel  m.,  engl,  apple, 
anord.  epli  n.,  schwed.  äple  n.,  dän.  äble  n. 
(got.  *aplus  zu  vermuten).  Vgl.  auch  Äff oltev. 
Verwandt  ist  irisch  aball,  uhall,  lit.  öbuolas 
m.,  abg.  jablüko  n.  Apfel.  Diese  nordeuro- 
päischen Benennungen  der  Frucht  führte 
mau  auf  den  Namen  der  von  Virgil  (Aen. 
7,  740)  als  äpfelreich  gepriesenen  Stadt  Ähella 
in  Campanien  zurück;  die  Bezeichnung  sei 
zuerst  ins^  Keltische  eingedrungen,  von  hier 
noch  vor  der  1.  Lautverschiebung  ins  Ger- 
manische (darum  ist  hier  das  h  der  Grund- 
form in  p  gewandelt)  und  weiter  ins  Litau- 
ische und  Slavische.  Eher  ist  aber  an  Ur- 
verwandschaft  zu  denken,  vgl.  K.  Much  Z.  f. 
Osten'.  Gymn.  1896  S.  608,  oder  der  Anklang 
ist  nur  zufällig,  und  Äpfel  ist  eine  alte  Be- 
zeichnung des  Holzapfels.  ZUS.  Apfell)aum, 
m.:  mhd.  apfelboum  m.  —  apfelgrail,  adj., 
mhd.  apfelgrä,  ahd.  aphulgrä,  anord.  apal- 
grär.  — ■  Apfelmus,  n. :  mhd.  apfelmuos  n. 
—  Apfelschimmel,  m.:  grauweißer  Schim- 
mel mit  apfelrunden  Flecken,  bei  Steinbach 
1734.  —  Apfelwein,  m.:  mhd.  apfelwin, 
auch  epfelimn  m.,  noch  jetzt  dialektisch 
Äpfehüein. 

Apfelsine,  f.  (PI.  -n)-.  Orange.  Nach 
holländisch  appelsina  d.  i.  aus  China  (franz. 
Sine)  herstammender  Apfel,  irajiz.  pomme  de 
Sine.  Die  Fracht  wurde  von  den  Portu- 
giesen (vgl.  die  ital.  Benennung  portogallo 
m.)  bald  nach  1500  aus  dem  südlichen  China 
nach  Europa  gebracht.  1681  erscheint  Ghi- 
neser-Äpffel  (Gombert  7,  7),  bei  Ludwig  1716 
Sina-äpffel,  Äpffel-sina  von  Lissabon  und 
Porto,  bei  Richey  1755  als  hamburgische 
Form  Appelsina;  auch  Äppel  de  Sina  kommt 
vor  (noch  leipzig.  Äppeldesine  Albrecht  79^) ; 
Apfelsine  erst  bei  Adelung  1774. 

apodiktisch,  adj.  und  adv.:  von  schla- 
gendem Beweise;  unwiderleglich.  Nach  dem 
(i  =  gr.  ei)  latinisierten  gr.  Adj.  dirobeiKTiKÖc 
«beweisend»,  eig.  «fertig  zum  Vorzeigen,  zur 
Schau»  (ctTtö  «abj  los,  von,  weg»,   beiKxiKÖc 


«zum    Voi'zeigen    geeignet»,    von    beiKvüvai 
«zeigen,  vorzeigen»).     Bei  Sperander  1728. 

Apokalypse,  f.  (PI.  -n)-.  die  Offenbarung 
Johannis.  Aus  gr.-lat.  apocalypsis,  gr.  diro- 
KdXuv|;ic  eig.  «Enthüllung»  (diro  «von,  weg», 
KaXÜTTTeiv  «um-,  verhüllen»). 

apokryph,  adj.:  untergeschoben,  unecht. 
Apokryphen,  PI. :  biblische  Bücher,  die  mit 
den  kanonischen  nicht  gleiche  Geltung  haben. 
Aus  dem  gr.  Adj.  dirÖKpuqpoc  «verborgen, 
untergeschoben»  (d-rrö  «von,  weg»,  kpOtttciv 
«verbergen»). 

Apologie,  f.  (PI.  -n) :  Verteidigung ;  Schutz- 
rede, -Schrift.  Aus  dem  gleichbed.  gr.-lat. 
apologia,  gr.  dTroXoYia  zu  dTroXofeicGai  «sich 
herausreden,  verteidigen»  (dird  «von,  weg», 
\oYeTc0ai  zu  Xöyoc  «Wort,  Rede,  Erzählung»). 
Bei  Rot   1571  Äpologei. 

Apostel,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Lehrbote. 
Mhd.  apostel  (Gen.  apostels  und  aposteln, 
gewöhnlich  dafüi'  zioelßote),  ahd.  apostolo, 
schon  got.  apaiistaulus.  Aus  kirchlich-lat. 
apostolus,  gr.  d-n-öcToXoc  m.  «Abgesandter», 
kirchlich  insbesondere  «; Lehrbote  Christi», 
vornehmlich  aus  den  zwölf  Jüngern,  von 
d-rrocTeWeiv  «abschicken»  (dirö  «von,  weg», 
cT^Xeiv  «schicken»). 

Apostroph,  m.  {-es,  PI.  -e):  das  Aus- 
lassungszeichen '.  Aus  dem  gleichbed.  gr.- 
lat.  apöstroplius,  gr.  dTTÖcxpoqpoc  f.,  dem  sub- 
stantivisch genommenenF.  desAdj.drröcTpoqpoc 
«abgewandt»,  dann  «meidend»,  vondTTocxpeqpeiv 
«ab-,  wegwenden»  (dirö  «von,  weg»,  crpeqpeiv 
«wenden»).  Das  Zeichen  ist  1572  von  Schede 
und  1624  von  Opitz  in  seinem  «Buch  von  der 
Deutschen  Poeterey»  nach  dem  Vorbild  der 
Italiener  imd  Franzosen  verwendet  worden, 
um  Weglassung  eines  e  am  Schluß  der  Wörter 
anzudeuten. 

Apotheke,  f.  (PI.  -n)-.  Arzneiladen,  Heil- 
mittelladen. Mhd.  apoteke,  aus  gr.-lat.  apo- 
theca  f.  «Haus  zum  Kräuter-  oder  Spezerei- 
und  Arzneiverkauf»,  eig.  «Vorratsbehältnis 
jeder  Art,  Magazin»,  gr.  dTToGriKr]  f.  «Weg- 
setzungsort, Aufbewahrungsort,  Warenlager» 
(diTÖ  «von,  weg»,  GriKri  «Lager»  von  riGevai 
«setzen,  legen,  stellen»,  s.  Theke).  ÄBL. 
Apotheker,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Arznei- 
bereiter (bei  Luther  Hobel.  3,  6  «Spezerei- 
händler»).  Mhd.  apoteker  m.  «Heilmittel- 
händler», aus  mlat.  apothecärius  m.,  «Eigen- 
tümer oder  Vorsteher  einer  apotheca». 

Apotheose,  f.  (PI.  -n):  Versetzung  eines 
Menschen    unter    die    Götter.      Aus    gi-.-lat. 


79 


Apparat 


Äquator 


80 


apotheosis,  gr.ciTroG^ujcicf.  «Vergötterung»,  von 
gr.  diToGeöeiv  «vergöttern»  (dTrd  dinickt  hier 
Verwandlung  in  etwas  aus,  Geöeiv  zum  «Gott 
maclien»,  von  9eöc  «Gott»). 

Apparat,  m.  (-es,  PL  -e) :  Zurüstung  zu 
etwas  Vorzunehmenden ;  Werkzeug  zur  Zu- 
rüstung. Aus  lat.  apparatus  d.  i.  adparatus 
m.  «Zurüstung,  Zubereitung»,  von  apparare 
d.  i.  adparare  «zubereiten».  Im  15.  Jh.  ent- 
lehnt (Wyle  293,   U). 

Appell,  m.  (-es,  Fl.-e):  Zusammenrufungs- 
zeichen  dui'ch  Trompete  oder  Trommel;  Auf- 
ruf: Folgsamkeit  des  Himdes  beim  Herrufen. 
In  der  1.  Bed.  bei  Sperander  1728,  in  der  3. 
Bed.  1768  bei  Heppe  wohlred.  Jäger  38.  Aus 
franz.  ajypel  m.,  das  auf  mlat.  appellum  m. 
«Vorforderung»  (vor  Gericht)  zurückgeht,  von 
appellare  (s.  d.  folg.).  —  appellieren,  v. : 
höhere  Entscheidung  amnifen.  IMhd.  appel- 
lieren, aus  lat.  appellare  d.  i.  adpellare  «an- 
sprechen», (in  der  Kaiserzeit)  «anrufen,  an  je- 
mand Berufung  einlegen»,  von  appeller e  d.  i. 
adpellere  «herantreiben».  ABL.  Appella- 
tion, f.,  Benifung  an  ein  höheres  Gericht. 
Aus  dem  gleichbed.  lat.  appelatio  f.  Schon  im 
15.  Jh.  (vom  Nom.  gebildet)  appelaz,  später 
(Reichs-Ordnungen  18^  vom  J.  \A:^b)appellation. 

Appetit,  m.  (-es,  PI.  -e):  Eßlust.  Wie 
das  gleichbed.  franz.  appetit  von  lat.  appetitus 
d.i.  adpetitus  m.  «Lust,  Verl  angen»,  von  appetere 
d.i.  adpetere  «wonach  langen,  verlangen».  Im 
Anfang  des  15.  Jh.  entlehnt  (1404  bei  Eber- 
hard Cersne  Der  Minne  Regel  2720  fg.j. 
ABL.  appetitlich,  adj.  und  adv.:  Eßlust 
erweckend  (Fischart  Garg.  396). 

applaudieren,  v.:  Beifall  klatschen.  Von 
lat.  applandere  d.  i.  adplaudere  «an  etwas 
schlagen,  Beifall  klatschen».  Bei  Rot  1571. 
—  Applaus,  m.  (-es):  das  Beifallklatschen, 
der  Beifallsruf.  Aus  gleichbed.  lat.  applausus 
m.     Bei  Amaranthes    1773  noch  Applausus. 

applizieren,  v. :  anwenden,  anpassen,  bei- 
bringen, refl.  sich  mit  Fleiß  auf  etwas  legen. 
Aus  lat.  applicare  d.  i.  adplicare  «anfügen, 
wohin  wenden,  sich  anschließen».  Bei  Rotl571. 

apportieren,  v.:  herbeibringen  (vom 
Hunde).  Aus  franz.  apporter  von  lat.  ap- 
portare  d.  i.  adportare  «herbeibringen».  1773 
bei  Amaranthes   (3.  Aufl.). 

Apposition,  f.  (PI.  -en):  bestimmender 
Beisatz  durch  ein  Substantiv.  Aus  dem  lat. 
appositio  d.  i.  adpositio  «Zu-,  Beisetzung»  f. 

approbieren,  v. :  zu  etwas  seine  Zustim- 
mung geben,  gutheißen.   Aus  lat.  approbare 


d.  i.  adprobare  «zu  etwas  seinen  Beifall  geben». 
In  der  frühnhd.  Kanzleisprache  (Reichs-Ord- 
nungen 41*  v.J.  1500).  ABL.  Approbation, 
f.:  Zustimmung,  Billigung.  Aus  lat.  appro- 
hatio  (Gen.  approbafionis)  f. 

Aprikose,  f.  (PI.  -n):  Frucht  des  arme- 
nischen Pflaumenbaums.  Zunächst  aus  ndl. 
dbrikoos  f.  (über  diese  Form  s.  Hom  Beitr. 
23,  254),  das  entlehnt  ist  aus  franz.  ahricot  m., 
ital.  alhercocco  m.,  span.  alharicoque  m.  Diese 
Formen  beruhen  a^^f  dem  lat.  Adj.praecoquus 
«frähzeitig,  frühreif»  also jyraecoqua  «die  früh- 
reife Frucht»,  woraus  im  Mittelgriechischen 
irpeKÖKKiov  ßepeKÖKKiov  n.  usw.  wurde;  daraus 
bildeten  die  Araber  (mit  dem  Artikel  al)  ihr 
albarqüq,  albirqüq,  und  auf  diese  Form  gehen 
die  der  romanischen  Sprachen  zuiiick.  In 
Deutschland  zeigt  sich  das  Wort  um  die  Mitte 
des  17.  Jh.  (1647  bei  Olearius  245  Apricos), 
wird  aber  erst  im  18.  Jh.  allgemeiner,  ohne 
indes  das  schon  fräher  auftretende  Marüle 
(s.  d.)   ganz  zu  verdrängen. 

April,  m.  (-S,  PI.  -e):  der  viei-te  Monat 
im  Jahi-.  ÄIhd.  aprille,  aberelle  m.  aus  lat. 
aprilis  m.,  unsichi-er  Herkunft,  vgl.  Walde  s.v., 
nach  Varro  6,  33  gleichsam  aperüis  d.  h.  der 
alles  eröffnende  Frühhngsmonat,  wie  mittel- 
imd  neugriech.  der  Fmhling  ävoiEic  f.  «Eröff- 
nung» heißt.  Der  deutsche  Name  ist  Oster- 
inonaf,  ahd.  östarmanot  (s.  Ostern).  Die  urspr. 
schwache  Flexion  hat  sich  bis  ins  17.  Jh.  er- 
halten (jetzt  nui*  noch  in  Zusammensetzungen 
Aprülen-),  daneben  schon  im  16.  Jh.  die  starke 
(Fischart  Ehez.  J  5^),  die  später  herrscht. 
ZUS.  Aprilnarr,  m. :  der  in  den  April  Ge- 
schickte, d.  h.  der  am  1.  Apiü  Angeführte 
oder  Getäuschte  (Frisch  1741).  Das  April- 
schicken ist,  aus  Franki-eich  überkommen, 
schon  im  17.  Jh.  bei  uns  üblich.  April- 
wetter,  n.:  veränderliches  Wetter,  mhd. 
aberellen  weter. 

apropos  (spr.  apropo):  bei  Gelegenheit 
(wie  im  Franz.  auch  mit  Gen.  bei  Lessing  12, 
324),  da  fällt  mii-  ein,  ehe  ich  es  vergesse. 
Zusammengerückt  aus  gleichbed.  franz.  d  pro- 
pos.  Im  30  j.  Kriege  entlehnt  (1685  bei 
Liebe). 

Aquarell,  n.  (-s,  PI.  -e)-.  Malerei  mit 
Wasserfarben:  Gemälde  in Wassei'farben.  Wie 
das  gleichbed.  franz.  aquarelle  aus  ital.  acque- 
reih  m.  «Wasserfarbe»,  von  lat.  aqua  «Wasser». 

Äquator,  m.  (-s):  der  Erdgleicher,  die 
Linie,  die  die 'Erdkugel  in  zwei  gleiche  Teile 
(nördliche  und  südhche  Halbkugel)  teilt.  Aus 


81 


Aqnavit 


arg 


82 


lat.  aequatorm.  «Gleichmacher»,  von  aequare 
«gleichmachen».     Bei  Eot  1571  verzeichnet. 

Aquarit,  m.  (s,  PI.  -e) :  Branntwein.  Aus 
dem  gleichbed.  nlat.  aquavita,  eig.  «Lebens- 
wasser» {aqua  «Wasser.^,  vita  «Leben»).    Ln 

16.  Jh.  übHch  (1562  bei  Mathesius  Sar.  289^). 
Ar,  n.  (-S.  PI.  wie  Sg.):  Bodenflächenmaß 

in  der  Größe  eines  Tierecks,  von  dem  jede 
Seite  10  Meter  zählt.  Erst  1868  aufgenommen 
aus  dem  gleichbed.  franz.  are  m.,  das  auf  lat. 
area  f.,  <' freier  Platz,  Fläche,  Flächeninhalt 
einer  mathematischen  Figur»  beruht. 

Arabeske,  f.  (PI.  -n):  phantastische,  dem 
Pflanzenreich  entlehnte  verschlungene  Ver- 
zierung nach  Art  der  Araber,  denen  der  Koran 
die  Abbildung  von  Menschen  und  Tieren  ver- 
bietet und  die  deshalb  die  Laubwerkverzie- 
rung der  antiken  Kunst  weiter  ausbildeten. 
Nach  dem  gleichbed.  fi-anz.  Plur.  arahesques, 
vomadj.rtr«?)€S2?/e«arabisch».  Noch beiCampe 
1813  mit  fremder  Endung  Arabesques. 

Arbeit,  f.  (PI.  -en)-.  (veraltet)  Mühsal, 
Beschwerde;  Tätigkeit,  Kraftanstrengung  zu 
einem  Zwecke:  das  dadurch  Entstandene. 
Mhd.  arbeit,  arebeit,  in  md.  Quellen  auch  erbeit 
(daher  bei  Luther  i'nfjeiY  i,  ahd.  arbeit,  arabeit  f. 
«Arbeit,  Mühsal,  Not»;  dazu  asächs.  arbed  f. 
wad  arbedi  n.,  ndl.  arbeid  m.,  ags.  earfoä  und 
earfeäe  n.,  anord.  erfidi  n.,  schwed.  arbete  n., 
dän.  arbeide,  arbeid  n.  (entlehnt ),  got.  arbaips 
f.  «Bedrängnis,  Not».  Die  Etymologie  ist  nicht 
ganz  klar.  Es  besteht  Verwandtschaft  mit 
abg.  rabü  m.  «Knecht,  Leibeigner»,  dazu  ra- 
bota  f.  «Knechtsarbeit,  Frondienst»,  lit.  ar- 
bonas  «Ochse»  und  vielleicht  auch  mit  gr. 
öpqpavöc  «Waise»,  lat.  wb^is  «beraubt»,  d.  Erbe 
(s.  d.).  Von  einem  vorauszusetzenden  germ. 
ar^a-  «Knecht»  ist  Arbeit  vermittelst  eines 
allerdings  sonst  ungewöhnlichen  Suffixes  ge- 
bildet (andre  nehmen  Zusammensetzung  mit 
einem  dem  anord.  id  n.  «Werk,  Tat»  ent- 
sprechenden Subst.  an).  Vgl.  Uhlenbeck  PBr. 
Beitr.  16,  562,  27,  115  f.,  Meringer  Idg.  Forsch. 

17,  128,  Bezzenberger  in  seinen  Beitr.  27,  150, 
Grienberger  Unters,  z.  got.  Wortkunde  28. 
Die  Gitmdbed.  ist  jedenfalls  ; Knechtsarbeit», 
woraus  sich  die  von  «Mühsal»,  anderseits  die 
von  «Arbeit»  schlechtweg  entwickelte.  ABL. 
arbeiten,  v.,  mhd.  arbeiten,  arebeiten,  ahd. 
arabeiten,  got.  arbaidjan,  bei  Luther  arbeiten. 
Davon  Arbeiter,  m.,  mhd.  (zuerst  bei  Bert- 
hold V.  Regensburg  f  1272)  arbeiter.  arbeit- 
sam, adj.  und  adv.:  viel  vmd  gern  arbeitend 
(so  schon  bei  H.  Sachs  Fastn.  7,  153),  mhd. 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


Bhd.  arbeitsam  «beschwerlich,  mühselig».  ZVS. 
arbeitselig,  adj.:  mit  zuviel  Arbeit  be- 
schwert, mhd.  arbeitscelec.  Arbeitshaus, 
n. :  öffentKche  Anstalt,  in  der  man  Arbeit- 
scheue oder  Verbrecher  zur  Arbeit  zwingt 
(1678  bei  Krämer^. 

Archäologie,  f.:  Altertumsforschung  und 
-künde.  Nach  lat.  Vorbilde  aus  gr.  dpxaioX.OY la 
f.  «Altertumskunde»,  vom  Adj.  dpxaioXöfoc  «im 
Altei+um  forschend»  (dpxaioc  «altertümlich», 
-Xo-foc  von  \ij£\v  «erzählen»).     Lm    18.  Jh. 

Arche,  f.  (PI. -«):  großer  Kasten;  kasten- 
artiges Schiff;  (mimdartlich  auch)  Bretter- 
verschlag, Holzstoß  u.  dgl.  Mhd.  arche,  arke, 
ahd.  archa,  arahha  f.  «Kiste,  Noahs  Schiff»; 
dazu  ndl.  ark  f.,  ags.  earce  f ,  engl,  ark,  anord. 
örk  f.,  got.  arka  f.  «Kasten»  entlehnt,  aus 
lat.  arca  «Kasten»  und  in  der  Vulgata  «Noahs 

Schiff):. 

Architekt,  m.  (-en,  PI.  -en):  Baukünstler. 
Aus  lat.  architecti.t.s  m.  gebildet  aus  gr.  dpxi- 
TeKTUjv  m.  «Baumeister»  (dpxi-  «Haupt-», 
TEKTuuv  «in  Holz  arbeitender  Handwerker  oder 
Künstler»).  Wohl  schon  im  16.  Jh.  entlehnt. 
ABL.  Architektur,  f.:  Baukunst.  1548  im 
Titel  der  Vitruv-Übersetzung  von  Walther  Riff. 
Aus  dem  gleichbed.  lat.  architedura. 

Architray,  m.  {-s,  -en,  PI.  -e,  -en) :  Unter-, 
Hauptbalken,  bes.  bei  Säulenstellungen  der 
über  den  Säulen  fortlaufende  Balken.  1558 
bei  Rivius  Büxenmeisterey  3,  a  1^  Architrab. 
Aus  fi-anz.arc/HY/-avef.m.,  von  gr.  dpxi-«Haupt» 
und  lat.  trabs,  trabes  f.  «Balken». 

Archiy,  n.  (-s,  PI.  -e) :  Urkundensaal.  Aus 
lat.  archivum  n.,  gebildet  nach  gr.  dpxeiov  n. 
«obrigkeitliches  Gebäude»,  zu  dpxn  f.  «Anfang, 
Spitze,  Regierung».  Im  Anfang  des  17.  Jh.  ent- 
lehnt (Gombert  Anz.  f.  d.  A.  4,  166  mit  Beleg 
von  1618).  ABL.  Archiyar,  m.  (-s,  PI.  -e): 
Beamter  über  ein  Archiv.  Aus  nlat.  archi- 
varius  m.     So  noch  Nieremberger  1753. 

arg,  adj.  und  adv.  (Komp.  ärger,  Sup. 
ärgst):  nichtswürdig,  schlecht,  bösartig  (als 
adv.  auch  nur:  übermäßig,  in  hohem  Grade). 
Davon  substantiviert  Ai'g  n.  (namentlich  in 
kein  Arg):  Böses:  böse  Meinung  wovon. 
Mhd.  arc  (Komp.  erger,  Sup.  ergest)  ist  «nichts- 
würdig, geizig»,  ahd.  arg,  arag  «nichtswürdig, 
geizig,  feige»  (dazu,  auch  longobard.  arga  bei 
Paulus  Diaconus  6,  24.  Leg.  longobard.  384 
«der Furchtsame,  Feige, Nichtswürdige»):  dazu 
ndl.  arg,  ags.  earh  «furchtsam,  feige,  schlimm», 
anord.argr,  auch  ro^r« träge, fui-chtsam, feige», 
schwed.  dän.  arg.  Die  Bed.  «nichtswürdig»  ist 

6 


83 


Arie 


Arm 


84 


die  ursprüngliche  und  in  den  germ.  Sprachen 
nach  zwei  Seiten  hin  entwickelt  worden;  Geiz 
und  Feigheit  galten  bei  den  Germauen  als 
größter  Schimpf.  Die  Wurzel  ist  dunkel;  viel- 
leicht gehört  das  Wort  zu  lit.  rägana  f.  «Hexe», 
an-,  orgim  «verwüste»,  gr.  ipix^w  «zerreiße», 
Noreen  Urg.  Ltl.  89.  ABL.  ärgern,  trans. 
und  refl.  v.:  mhd.  ergern,  ahd.  ergirön,  argiron, 
gebildet  vom  Komp.  ahd.  argiro,  mhd.  erger; 
es  bedeutet  eig.  «verschlechtern»,  dann  «zum 
Bösen  reizen,  Anstoß  geben»,  refl.  «Anstoß 
nehmen»  (beides  oft  bei  Luther),  woraus  die 
jüngere  Bed.  von  «verdrießen»  entwickelt  ist. 
Aus  dem  V.  ist  Arger  m.  (s)  hervorgegangen, 
das  nach  der  Mitte  des  18.  Jh.  aus  dem  Ndd.  in 
die  Schriftsprache  gekommen  ist  (oft  gebraucht 
von  Bode,  z.  B.  Yorick  1,  111,  auch  von  Les- 
sing 12,  405);  Adelung  1793  bezeiclmet  das 
Wort  als  selten,  Heynatz  1796  bekämpft  es 
als  überflüssig,  ärgerlich,  adj.  und  adv. :  An- 
stoß gebend  (1482  bei  Eychman  Aa  4^  erger- 
^ic/i«scandalosus»):  Anstoß  nehmend;  Verdruß 
hervorrufend;  verdrießlich.  Ärgernis,  n.: 
Anstoß  (1482  bei  Eychman  Aa  4^  ergerniß 
«scandalum»);  Ärger.  Älternhd,  auch  F.,  na- 
mentlich in  der  2.  Bed.  (noch  bei  Goethe) 
ZUS.  Arglist,  f.:  mhd.  argeJist,  ahd.  (bei 
Notker)  ardist  f.  Davon  arglistig,  adj.  und 
adv.:  mhd.  arcUstec.  arglos,  adj.  und  adv.: 
zuerst  von  Adelung  1793  angeführt.  Arg- 
wohn, m.  (-s):  üble,  nachteilige  Meinung  von 
jemand,  Mißtrauen.  Aus  mhd.  arcwän,  ahd. 
argwän  m.,  noch  bei  Luther  und  bis  ins  17.  Jh. 
Ärgivahn  (s.  Wahn).  Davon  argwöhnisch, 
adj.:  (1482  im  voc.  theut.  B  7*  argwenisch, 
während  mhd.  arcwcenec,  ahd.  arcwänig  gilt, 
woraus  älternhd.  argrwö'/im^)  und  argwöhnen, 
V.,  wofür  bis  ins  vorige  Jh.  (noch  bei  Wieland, 
Lessing,  Goethe,  Schiller)  meist  argtvohnen 
gebraucht  wird,  mhd.  arcwcenen. 

Arie,  f.  (PI.  -n)  -.  Lied  mit  durchgeführter 
Singweise;  Opernlied.  Aus  ital.  aria  f.  «Ge- 
sang, Melodie».  Im  17.  Jh.  entlehnt,  doch 
noch  im  18.  Jh.  auch  oft  in  ital.  Form  Aria. 

Aristokrat,  m.  (-en,  PI.  -en):  Glied  der 
Adelsherrschaft;  Freund  der  Adelsherrschaft. 
Aus  franz.  aristocrate  m.,  das  nach  gr.  dpi- 
cTOKpäTeia  gebildet  ist  (s.  d.  folg.). — Aristo- 
kratie, f.;  Adelsherrschaft;  Kreis  der  Vor- 
nehmen. Aus  franz.  aristocratie,  das  auf  gr. 
dpicTOKpdTem  «Herrschaft  der  Vornehmen» 
(äpicToc  «der  beste,  vornehmste»,  -KpoTem  zu 
Kpareiv  «herrschen»)  beruht.  Wohl  schon  im 
16.  Jh.  entlehnt.     ABL.  aristokratisch. 


adj.  rmd  adv.:  bei  Gombert  6,  5  Nachweis 
vom  J.  1585. 

Arithmetik,  f. :  Zahlenlehre.  Aus  gr.-lat. 
arithnietica,  gr.  dpi6)ariTiKr)  «zum  Zählen  oder 
Rechnen  gehörige»  (nämlich  t^x^I  «Kunst»), 
F.  des  Adj.  arifhmeticus,  gr.  dpi0|unTiKöc,  zu 
dpi6|uöc  «Zahl».  Am  Beginn  des  16.  Jh.  entlehnt 
(1581  bei  Hedio  Josephus  Vorw.  7^  Arith- 
metick).  —  arithmetisch,  adj.  und  adv. 
(Luther  8,  115  Jen.),  nach  dem  erwähnten 
Adj.  arithmeticus  gebildet. 

Arkade,  f.  (PI.  -n):  Bogenwölbung;  (im 
PI.)  Bogenhallen.  Aus  franz.  arcade  f.,  das 
auf  ital.  arcatai.  (zu  arcare  «einen  Bogen  er- 
bauen», von  arcus  m.  «Bogen»)  bex'uht.  Im 
18.  Jh.  entlehnt  (Lessing  2,  177). 

Arkehnsier,  m.  [-es,  PI.  -e):  Haken- 
büchsen-, Scharfschütz.  Aus  dem  gleichbed. 
franz.  arquehusier  m.,  ital.  archibusiere  m., 
von  franz.  arquehuse  f.,  ital.  archihuso,  archi- 
hugio  m.  «Hakenbüchse»,  das  mit  Anlehnung 
an  lat.  arais  m.  «Bogen»  aus  ndl.  haakhus  f. 
«Hakenbüchse»  (s.  d.)  umgestaltet  ist.  Im 
16.  Jh.   entlehnt;   1616  bei  Henisch. 

Arleshaum,  m.:  der  Mehlbeer-  oder 
Sperberbaum,  Crataegus  aria  L..  Mhd.  arliz- 
howin,  ahd.  arli^-,  erii^bomii,  vielleicht  mittelst 
der  Ableitung  -i^  von  ahd.  erla,  erila  f.,  virspr. 
*arila  «Erle»  (s.  d.),  da  die  Blätter  des  Aries- 
baumes den  Erlenblättem  ähnlich  sind.  Die 
Frucht  heißt  Ariesheere  oder  Arieskirsche  f. 

Arm,  m.  (-es,  PI.  -e):  Glied  des  Ober- 
körpers zum  Umfangen  und  Arbeiten;  Vorder- 
bein bei  aufrechtgehenden  Tieren,  weim  sie 
damit  umfangen;  armähnlich  Ausgestrecktes. 
Mhd.  arm,  ahd.  arm,  anim  m.;  dazu  asächs. 
ndl.  arm,  fries.  enti,  arm,  ags.  earm,  engl. 
arm,  anord.  armr,  schwed.  dän.  arm,  got. 
arms  m.  «Arm».  Urverwandt  ist  lat.  armus 
m.  «Schulterblatt,  Oberarm»,  aslav.  ram^  n. 
«Schulter,  Arm»,  (serb.  räme),  preuß.  inno 
«Arm»,  ai.  Irmas  m.  «Vorderbug»,  aw.  ardmö 
«Arm»,  arm.  arinukii  «Ellenbogen,  Arm». 
Wohl  zu  gr.  dpapicKiu  «zusammenfügen,  ver- 
binden», wozu  auch  lat.  artus  m.  «Gelenk». 
Der  PI.  lautet  mundartlich  Arme,  älternhd. 
öfter  Armen  (bei  den  Schlesiei-n,  noch  bei 
Günther  199,  Maler  Müller  Ball.  45ff.).  ABL. 
armen,  v.  in  umarmen,  armig,  adj.  in 
kurz-,  lang-,  vielarmig.  S.  auch  Ärmel.  ZUS. 
Armband,  n.  bei  Hulsius  1596.  ArmYOll, 
m.:  soviel  man  in  einen  Arm  zu  fassen  ver- 
mag, mhd.' armvol,  im  Schwab. -Alem.  ge- 
kürzt Ar  fei. 


arm 


Arrest 


86 


arm,  adj.  und  adv.  (Comp,  ärmer,  Sup. 
ärmst):  ohne  Geld  und  Gut;  hilfsbedüi-ftig; 
bemitleidenswert.  Mhd.  arm,  ahd.  arm,  aram; 
dazu  asäclis.  ndl.  arm,  fries.  erm,  arm,  ags. 
earm,  engl,  arm,  anord.  armr,  schwed.  dän. 
arm,  got.mv«.«  «bemitleidenswert».  Unsichrer 
Herkunft.  Vgl.  Osthoff  Btr.  18,  252.  Nicht 
unwahrscheinlich  nach  Johansson  Btr.  15,  223 
zu  gi\  öpqpavöc  <^ "Waise  >.  (Germ.  Grundform 
*arhna-.)  ABL.  arnien,  v.:  arm  machen 
(in  Almosen  gehen  armet  nicht),  dafür  mhd. 
ermen  (armen  ist  «arm  sein  oder  werden», 
vgl.  verarmen),  ahd.  ermen.  ärmlich,  adj. 
und  adv.:  Armsein  kundgebend,  mhd.  erme- 
lich,  ahd.  armalth.  armselig,  adj.:  be- 
mitleidenswert, jämmerlich.  Im  15.  Jh.  auf- 
tretend, abgeleitet  von  mhd. armsal  n.  «Elend». 
Armut,  f. :  Mangel  am  Nötigen,  mhd.  armuot 
f.  und  armuote,  armuot  n.,  ahd.  armuoti, 
aramuoti:  dazu  asächs.  armödi,  ndl.  armoede 
schwed.- dän.  armod  n.  Ableitung  von  arm 
(dazu  das  ahd.  Adj.  armuoti  «unvermögend, 
düi-ftig»),  doch  trat  fmhzeitig  Anlehnung  an 
Mut  ein.  Luther  gebraucht  das  Wort  als  F. 
und  N.,  und  als  N.  erscheint  es  auch  später 
häufig  (nur  vereinzelt  als  M.,  z.  B.  bei  Weise 
Drei  klügsten  Leute  8)  imd  selbst  gegen- 
wärtig noch  in  der  Bed.  «arme  Leute»  (Les- 
sing Nathan  4,  3).  ZTJS.  Armeritter,  PI.: 
in  Butter  gebackene  Semmelschnitten,  schon 
mhd.  arme  ritter.  Armesünder,  PI.:  zum 
Tode  verurteilte  Missetäter. 

Armada,  f.:  Kriegsflotte.  Aus  span.  ar- 
niada  f.  «Kriegsflotte,  Kriegsheer»,  ital.  armata 
f.,  franz.  armee  f.  (s.  Armee).  Um  1500  ent- 
lehnt (Armad  bei  Liliencron  3,  38,  Armada 
bei  Fronsperger  157  =  Kriegsflotte,  daneben 
die  Bed.  «Kriegsheer»,  z.  B.  bei  Albertinus 
Kriegsleut  Weckuhr  112,  wofiii'  später  Armee). 

Armatur,  f.  (PI.  -en)  -.  Kriegsgerät  zur  Aus- 
rüstung. Aus  ital.  lat.  armatura  f.  «Rüstung», 
von  lat.  armare  «bewaffnen».     Rot  1571. 

Armbrust,  f.  (PI.  Armbrüste)-,  aus  Bogen 
und  Schaft  mit  Drücker  bestehendes  Gewehr 
zum  Abschießen  von  Pfeilen  und  Bolzen.  Mhd. 
(seit  dem  12.  Jh.)  armhrust  n.,  selten  f.,  durch 
Anlehnung  an  Arm  volksverständlich  gebildet 
aus  mlat.  arhalista,  araihalista  f.  «Bogen-, 
Wuifmaschine»  (schon  im  4.  Jh.  bei  Vegetius), 
einer  Zusammens.  aus  lat.  arcus  m.  «Bogen» 
und  dem  von  gi\  ßdXXeiv  v<  werfen»  abgelei- 
teten mlat.  hallista.  balista  f.  «Warfmaschine». 

Armee,  f.  (PI.  -n):  Kriegsheer.  Aus  franz. 
armee  f.  (s.  Armada).   Anfang  des  17.  Jh.  ent- 


lehnt (1617  im  teutschen  Michel  als  modisches 
Fremdwort,  auch  bei  Wallhausen  Corp.mil.  63). 

Ärmel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Armbeklei- 
dung. Mhd.  ermel,  ahd.  armilo  (mit  schwacher 
Flexion),  armil  m.,  dimin.  Ableitung  von 
[  Arm,. 

armen,  s.  arm. 

armieren,  v.:  ausrüsten,  bewaffnen.  Aus 
dem  gleichbed.  lat.  armare,  v.  zu  arma  N. 
PI.  «Waffen».    Frühnhd.  (Liliencron  3,  38). 

ärmlich,  armselig,  Armut,  s.  arm. 

Arnold,  Mannsname.  Ahd.  Aranolt,  aus 
:  ahd.  am  «Adler»  und  -alt  aus  -loalt  «Walten- 
der, Walter».     Koseform  dazu  Arno. 

Aroma,  n.  (-s,  PI.  -s):  würziger  Geruch. 
Aus  gr.-lat.  aröma,  gr.  äpuj)aa  n.  (Gen.  dpiü- 
luaroc)  «Gewürz».  Frühnhd.  (ein  jetzt  unüb- 
licher PI.  Arumaten  bei  Franck  Weltb.  66*'). 
ABL.  aromatisch,  adj. :  nach  dem  gleichbed. 
gr.-lat.  aromäticus,  gr.  dpouiaariKÖc. 

Aron,  m.  n.:  Natterwurz;  deutscher  Ing- 
wer. Aus  dem  gleichbed.  gr.-lat.  aron  n., 
gl',  äpov  n.     In  friihnhd.  Glossaren. 

Arrak,  m.  {-es,  PI.  -e):  Reisbranntwein. 
Aus  arab.  'araq  «Schweiß,  Saft,  geistiges 
Wasser»,  woher  auch  engl,  arrack,  rack,  franz. 
arack,  rack,  span.  arac,  daher  auch  bloß  Back 
(s.  d.).  Das  aus  Ostindien  stammende  Getränk 
wird  um  1600  in  Deutschland  erwähnt  (Hulsius 
Schiffahrten  11,  31),  von  Jablonski  1721  als 
eine  art  brantweins  in  Indien  besprochen. 


arrangieren, 


hl  Ordnuncr   bringen. 


Aus  franz.  arranger,  zusammengesetzt  aus 
lat.  ad  «zu,  bei,  an»  und  fi'anz.  ranger  «in 
Ordnung  stellen,  ordnen»,  abgeleitet  von  franz. 
rang  m.  «Reihe,  Zeile,  Rang»,  das  auf  deutsch 
Bing  zumckgeht.     Bei  Wächtler  1711. 

Arras,  s.  Basch. 

Arrest,  m.  {-es,  PI. -e):  gefängliche  Haft; 
gerichtlicher  Beschlag.  Aus  afranz.  arrest, 
nfranz.  arret  m.,  ital.  arresto  m.  «Rechtsspinich, 
Beschlagnahme,  Verhaftung»  von  mlat.  arre- 
stum  m.  zu  arrestare  (s.  d.  folg.).  Schon 
in  der  Rechtssprache  des  15.  Jh.  —  arre- 
tieren, V.:  gefänglich  einziehen,  verhaften. 
Aus  franz.  arreter,  afranz.  arrester,  ital.  arre- 
stare von  mlat.  arrestare  d.i.  adrestare  '^ein- 
halten, hemmen,  verhaften».  Frühnhd.  (z.  B. 
Janssen  Frankfurts  Reichskorr.  2,  878  von 
1512)  arrestieren,  üblich  bis  ins  18.  Jh.  (noch 
bei  Adelung  1793)  und  dann  erst  durch  das 
dem  Franz.  angeschlossene  arretieren  (Hey- 
natz 1775  arrestiren  imd  arretiren)  ersetzt. 
Von  jenem  arrestieren  kommt  Arrestant, 

6* 


87 


arrogant 


artig 


88 


m.  {-en,  PI.  -en):  gefänglich  Eingezogener, 
Verhafteter  (auch  frühnhd.),  das  fälschlich 
statt  des  Part..  Pass.  (Ärrestaf)  verwendete 
Part.  Präs.  (afranz.  arrestant,  ital.  arrestante) 
von  afranz.  arrester,  ital.  arresfare. 

arrogant,  adj.undady. :  anmaßend,  dünkel- 
haft. Aus  dem  gleichbed.  fi-anz.  arrogant  von 
lat.  arrogans  (Gen.  arrogantis),  Part.  Präs. 
des  aus  lat.  ad  «zu,  an»  und  rogare  «verlangen, 
ft-agen»  zusammengesetzten  arrogare  v.,  «sich 
an-,  zueignen,  sich  anmaßen».  "Wohl  schon  im 
16.  Jh.  entlehnt.  ABL.  Arroganz,  f.:  Anmas- 
sung,  aus  dem  gleichbed.  franz.  arrogance,  lat. 
arrogantia  f.    (In  der  Zimmerschen  Chronik). 

Arscll,  m.  {-es,  PI.  Ärsche):  mit  Deh- 
nung des  a  (vgl.  bei  Schottehus  S.  1277  die 
Schreibung  Aars  und  Alirs)  und  Übergang 
des  s  in  seh  nach  r,  wie  in  hir sehen,  heiT- 
schen,  Kirsche  (doch  hat  noch  Luther  Ars, 
PI.  Erse  und  so  bis  ins  17,  Jh.),  aus  mhd. 
ars  (PI.  erse),  ahd.  ars  (PI.  ersi)  m.;  dazu 
ndl.  aars  und  (mit  vorgetretenem  n)  naars, 
fries.  ers  (in  ersknop  m.  «Steißbein»),  ags.  ears, 
engl,  arse,  anord,  ai'S  und  (mit  Umstellung 
des  r)  rass  m.,  dän.  ars:  genau  entsprechend 
gr.  öppoc  m.  aus  opcoc  «Steiß,  Bürzel,  Steiß- 
beinende». ABL.  ärschlings,  adv.  (Goethe 
15,  322;  16,  59):  hinter  sich,  rückwärts, 
mhd.  erslingen.  ZUS.  Arschbaeken,  m. 
(s.  '^Backen),  im  15.  Jh.  arshacJc  (mhd.  dafüi- 
arsbeUe  f.).  Arschkerbe,  f. :  im  voc.  theut. 
b  7  *  arßkerhe.  Arschkitzel,  f. :  Hagebutte, 
im  voc.  theut.  a.  a.  0.  arßkutzel.  Der  Xame 
daher,  daß  die  ionem  behaai-ten  Kerne  der 
Hagebutte  mit  dieser,  die  gefi'oren  gegessen 
wird,  genossen,  im  After  kratzen  (im  Franz. 
entsprechend  gratte-cid  m.  cki-atze  den  Hin- 
tern»). Arscllleder,  n.:  halbrundes  Leder 
der  Bergleute  vor  dem  Hintern  (1557  bei 
Agricola  Bergw.  177  Arsleäer,  dafür  bei 
Ludwig  1716  Arschfell).  ArSChloch,  n., 
mhd.  ahd.  arsloch. 

Arsenal,  n.  {-s,  PI.  -e):  Zeughaus.  Aus 
dem  gleichbed.  ital.  arsenale,  span.  arsenal  m. 
«Schiffszeughaus»,  mgi"iech.  dpcrivdXric,  abge- 
leitet von  mlat.  arsena  f.,  auch  altital.  noch 
arsena,  darse)ia,  die  hervorgegangen  sind  aus 
arab.  dar  eccinaa  «Haus  der  Fabrikation». 
Ln  16.  Jh.  entlehnt  (1594  bei  FrischünXomencl. 
Kap.  171  Arsanal). 

Arsenik,  n.  (-.s):  aus  gi-.-lat.  arsenicum, 
gr.  dpceviKÖv,  ctppevixöv  n.,  dem  Neutr.  des 
adj.  dppeviKÖc  «männlich»,  zu  gr.  c(ppr|v,  cipcriv 
«männlich,  stark,  kräftig»,  also  eig.  «das  stark 


wirkende  Gift».  Doch  vielleicht  auch  aus  syr. 
zarnik  «Arsenik»,  Levy  Sem.  Fremdwörter  55. 
Bei  Dasypodius  1537. 

■^Art,  f.  (PI.  -en):  Geschlecht;  natürliche 
Beschaffenheit;  Eigentümlichkeit  nach  Ange- 
hören oder  Erscheinen:  Gesamtheit  dessen, 
was  sich  durch  seine  Eigentümlichkeit  von 
anderm  unterscheidet;  gute  Manier,  Geschick 
(vgl.  Unart).  Mit  Dehnung  des  Vokals  aus 
mhd.  art  m.  f.  «Geschlecht,  Herkunft»,  dann 
«eigentümhche  Xatui-  und  Beschaffenheit», 
dazu  mnd.  art  f.  «Abstammung,  natürliche 
Beschaffenheit».  In  den  altern  Dialekten  in 
dieser  Bed.  nicht  vorhanden.  Zusammenhang 
mit  dem  folg.  Art  ist  möglich,  da  sich  die 
Bed.  «Abstammung»,  dann  «angestammte  Art» 
aus  der  von  «angestammter  Landbesitz»  ent- 
wickelt haben  kann,  vgl.  Meringer  Idg.  Forsch. 
17,  123;  andre  knüpfen  an  lat.  ars  (Gen. 
artis)  «Art.  und  Weise,  Kunst»,  skr.  rtäm  n. 
«rechte  Art»  an.  Wiedemann  Bezz.  Btr.  27, 
221  verbindet  Art  mit  abulg.  rodii  «Ge- 
schlecht», arm.  ordi  «Sohn».  ABL.  arten, 
V.:  die  natürliche  Beschaffenheit  wovon  an 
sich  tragen,  in  die  Art  schlagen,  mhd.  arten 
«angestammte  Beschaffenheit  haben,  gute  Art 
annehmen,  gedeihen»,  artig,  adj.  und  adv.: 
zum  Ganzen  passend  und  gefällig;  gute  Le- 
bensart zeigend;  (mundartlich)  auffallend 
eigentümlich,  sondei'bar  (Wagner  Kinder- 
mördeiin  1,  1,  häufiger  in  dieser  Bed.  art- 
lich).  Dafür  mhd.  (umgelautet)  ertic  «edle 
Xaturbeschaffenheit  habend»  (bei  Luther  ar%). 

"Art,  f.  (PI.  -en) :  gepflügtes  Feld,  namentl. 
in  Artacker,  Art  fehl,  Artland,  eig.  s.  v.  a. 
Bebauung,  Bearbeitung  mit  dem  Pfluge.  Mhd. 
ahd.  art  f.  «Bejiflügung»  (davon  ahd.  arton 
«bebauen,  bewohnen»),  asächs.  ard  m.  «Auf- 
enthalt», mnd.  art  f.  «Ackerbestellung,  ge- 
ackertes Land»,  ags.  eard  m.  «angebauter 
Boden,  Stammgut,  Wohnort»,  gebildet  von 
dem  V.  mhd.  ern  (noch  jetzt  alem.  eren),  ahd. 
erien,  mndl.  eren,  anord.  er  ja,  got.  arjan 
«pflügen»,  das  zu  lat.  arare,  gr.  dpöeiv,  air. 
1.  Sg.  airim,  lit.  ärti,  abg.  orati  «pflügen» 
gehört.  Vgl.  noch  gr.  äpoxpov  n.,  lat.  arätrum, 
ir.  arathar,  anord.  ardr,  lit.  arklus,  abulg.  ralo, 
serb.  rälo,  ai-m.  araur  «Pflug».  Vergl.  Schrader 
Idg.  Forsch.  17,  32,  Meiinger  ebd.  121  ff. 

Arterie,  f  (PI.  -n):  Pulsader.  Aus  lat.- 
gr.arteria,  gr.  dpTr)p(a  f.  «Schlag-,  Pulsader». 
Im  16.  Jh.  entlehnt  (Gombert  6,  5  mit  Beleg 
von  1532). 

artig,  s.  ^Art. 


89 


Artikel 


Asbest 


90 


Artikel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Abschnitt 
als  Glied  eines  Schriftstückes;  Hauptsatz; 
Handelsgegenstand;  in  der  Sprachlehre  das 
Geschlechtswort.  Schon  spätmhd.  artikel  in 
der  1.  Bed.  (doch  später  auch  noch  Ärticul), 
entlehnt  aus  lat.  articulus  na.  «Gelenk,  Ghed, 
Abteilung,  kleiner  Redesatz,  Geschlechtswort», 
dem  Dimin.  Ton  lat.  artus  m.  «Gelenk».  ABL. 
artikulieren,  v.  -.  gegliedert,  d.  i.  nach  Silben 
bestimmt  und  deutlich  aussprechen,  aus  lat. 
articulare,  bei  Sperander  1728. 

Artillerie,  f.  (PI.  -n):  das  schwere  Ge- 
schütz: Geschützmannschaft  eines  Heeres; 
Geschützkunst.  Aus  franz.  ariillerie,  prorenz. 
artüJiaria,  span.  artüleria,  ital.  artiglieria  f. 
«Geschütz»  von  franz.  artüler,  sipan.  artülero, 
itaii.  artigliere  m.  «Stückgießer,  Geschütz- 
soldat», die  auf  provenz.  artilha  «Festungs- 
wei'k»  zurückgehen, gleichsam  lat. artiada,eiae 
Ableitung  von  lat.  ars  (Gen.  artis)  «Kunst», 
im  Mittelalter  auch  s.  v.  a,  Geschütz.  Seit  1500 
in  Deutschland  in  verschiedenen  Formen  übhch 
(1510  bei  Janssen  Frankfurts  Eeichscorr.  1, 
815  artler ey,  1523  bei  G.  Rixner  Teütscher 
Nation  nodtui-fift  E  3^  artalary,  1585  bei 
Liliencron  4,  120  artellerey,  1678  bei  Krämer 
Ärtollerey,  bei  Hans  Sachs  2,  392  arculey,  bei 
Fronsperger  Kriegsb.  arkeley  usw.).  ABL. 
Artillerist,  m,  (-e«,  PI.  -en)-.  der  schweres 
Geschütz  bedienende  Soldat.  Mit  der  frem- 
den Ableitungsendung  -ist  in  Deutschland 
gebildet  (bei  Nieremberger  1753  verzeichnet). 

ArtiscllOCke,  f.  (früher  m.,  z.  B.  bei 
Duezl664):  in  Gärten  gezogenes  Distelgewächs 
mit  eßbaren  Köpfen,  welsche  Distel.  Aus 
ital.  articiocco,  franz.  artichaut  m.,  das  wie 
neuprov.  arqiiichaut  entstellt  ist  aus  span. 
alcarchofa  (vgl.  die  ital.  Nebenform  carciofo 
m.),  das  auf  arab.  (mit  dem  Artikel  al) 
alcliarsuf  zurückgeht,  während  das  arab.  arde- 
söke  aus  dem  italienischen  Worte  umgestaltet 
ist.  Zuerst  1556  bei  Frisius  Nomencl.  180* 
Ärtischock,  WältscMistel ,  Cactos,  dagegen 
1546  Bocks  Kreuterb.  327  *>  Strohüdorn,  hei 
den  Walen  Card  choffil.  Umgedeutet  in  Erd- 
schocke, bei  Stoppe,  neue  Fab.  1,  189. 

Artist,  m.  (-en,  PI.  -en):  Künstler.  Aus 
mlat.  artista  m.  von  ars  (Gen.  artis)  Kunst. 
Bei  Maaler  1561. 

artlich,  s.  ^Art. 

Arve,  f.  (PI.  -n) :  Zirbelkiefer,  pinus  cembra 
L.  In  der  Schweiz  üblich,  wo  arte,  arve  seit 
dem  16.  Jh.  vorkommt.  Dunkler  Herkunft,  viel- 


leicht mit  mhd.  arf  «Wui'fspieß»  zusammen- 
hängend. 

Arznei,  f.  (PI.  -en) :  Heiltrank.  Aus  mhd. 
arzente  und  (mit  Umlaut)  erzenie  (daher  bei 
Luther  auch  ertzney)  f.,  abgeleitet  von  dem 
j  V.  mhd.  erzenen,  ahd.  erzinen  und  gi-arzinon 
j  «heilen».  Mit  Unrecht  wird  an  den  berühmten, 
j  aus  Apamea  in  Syiien  gebürtigen  Arzt  Ar- 
clxigenes  angeknüpft  (in  Vokabularen  findet 
sich  allerdings  Arckigenes,  Archienes,  Arcienes 
geradezu  mit  Arzt  glossiert);  vielmehr  sind 
arzinon  und  arzenie  als  Umbildungen  von 
arzätSn  und  arzätie  (was  mhd.  vorkommt) 
zu  betrachten  unter  Einfluß  der  echtdeut- 
schen Ausdrücke  lähhinon  «heüen»  (zu  ahd. 
lähhin  n.  «Heilmittel»,  lähhi  m.  «Arzt»,  ent- 
sprechend ags.  löece,  got.  lekeis)  und  lächenie 
f.  «Heilung  dui-ch  Besprechung  oder  Zauber». 
ABL.  arzneien,  v.:  Arznei  eingeben  (mit 
Akk.);  Arznei  einnehmen,  mhd.  arzenien, 
erzenien. 

Arzt,  m.  (-es,  PI.  Äi-zte):  Heilkundiger. 
Mit  Dehnung  des  a  aus  Mhd.  arzet,  arzt, 
arzät,  ahd.  arzät  m.,  dazu  mnd.  arste,  ndl. 
arts  m.  Nicht  von  mlat.  artista  m.  «Künstler, 
Heilkünstler»,  sondern  mit  Wegfall  des  aus- 
laut.  r  von  lat.  archiater  (archi-  wie  arci- 
gesprochen,  vgl.  erz-)  «Ober-Leibarzt»,  das 
auf  gr.  dpxiarpöc  m.  zurückgeht,  zusammen- 
gesetzt aus  dpxi  s.  erz-  und  larpöc  m.  «Arzt». 
Die  vollere  Formen  zeigen  noch  andd.  ercetere, 
mnl.  arsatre,  ersatre  m.  Die  Benennung  war 
am  fränkischen  Hofe  übhch  und  wurde  später 
allgemein,  indem  sie  die  echtdeutsche  Benen- 
nung (s.  unter  Arznei)  zui'ückdrängte.  ABL. 
ärztlich,  adj.  und  adv.,  mhd.  arzätlich. 

As,  n.  (Gen.  Asses,  PI.  Asse):  die  Eins 
auf  Würfel  oder  Spielkarte;  kleinstes  Gold- 
und  Sübergewicht;  das  Apothekerpfund  von 
24  Lot.  Aus  franz.  as  m.  in  der  1.  Bed., 
aber  zugleich  aus  lat.  as  m.  (Gen.  assis),  «teil- 
bare Einheit  in  Münz-  und  Gewichtssystem, 
Pfund».  !Mhd.  dafür  esse  n.  (aus  dem  dem  lat. 
assis  =  as  entsprungenen  ital.  asse),  deshalb 
auch  ältenihd.  Äß  (noch  bei  Nieremberger 
1753  Eß  neben  Aß). 

Asant,  m.  (-es):  Teufelsdreck,  sowie 
Benzoe,  jener  stinkend,  diese  wohlriechend. 
Gebildet  aus  mlat.  asa  f.  «starkriechendes 
Harz».  Ludwig  1716  hat  Asand,  Jablonski 
1721  Assand. 

Ashest,  m.  (-es,  PI.  -e):  Steinflachs, 
woraus  unverbrennHche  Gewebe  gearbeitet 
wurden.    Aus  gr.-lat.  asbestus,  gr.  äcßecroc  f., 


91 


Asch 


assekurieren 


92 


dem  subst.  gebrauchten  F.  des  gr.  Adj. 
äcßecToc  «unauslöschlich»  (d-  «un-»,  -cßecröc 
von  c߀vvO€iv  «löschen»).  Im  18.  Jh.  aufge- 
nommen. 

Asch,  m.  (-es,  PI.  Äsche):  tiefes  topf- 
artiges Gefäß.  Nur  mundartlich  (ostmd.).  jVIhd. 
asch  m.  «tiefe  Schüssel»:  der  Name,  weil  das 
Gefäß  ursprünglich  aus  dem  Holz  der  Esche 
(s.  d.,  mhd.  asch,  ahd.  asc  m.)  gedreht  war, 
wie  denn  auch  noch  baj-r.  Asch,  mhd.  asch  m., 
afränk.  (latinisiert  in  der  lex  salica  21,  4) 
ascus,  ags.  cbsc,  anord.  askr  m.  «Wasserfahr- 
zeug, Schiff»  (von  Eschenholz).  ZUS.  Asch- 
kuchen, m.:  in  einer  Form  gebackener 
Kuchen.     Bei  Adelung  1774. 

Asche,  f.  (PI.  -n):  der  von  verbrannten 
oder  auch  verwesten  Körpern  zurückbleibende 
Staub.  Mhd.  asche  f.  m.  (alem.-fränk.  esche), 
ahd.  asca  f.;  dazu  ndl.  asch,  ags.  asce,  cesce, 
engl,  ash,  anord.  schwed.  asha,  dän.  aske, 
got.  azgö  f.  Ableitung  von  einem  Stamme 
as,  der  in  lat.  ärere  «trocken,  dürr  sein»,  aind. 
äsas  m.  «Asche»,  gr.  äleiv  «dörren»  u.a.  vor- 
liegt, vgl.  Osthoff  Btr.  13,  396,  Walde  s.  v. 
äreo.  Die  gotische  Form  muß  gegenüber 
denen  der  andern  Dialekte  einen  Mittelvokal 
verloren  haben,  also  aus  *az9gö  entstanden  sein. 

Asche,  f.  (PI.  -«):  gi-auer  forellenähn- 
licher Flußfisch,  thymallus.  Mit  Wechsel  des 
Geschlechts  (doch  thür.  noch  asch,  äsch  m.) 
aus  mhd.  asche  (im  15.  Jh.  auch  äsche),  ahd. 
asco  m.  Wohl  nach  der  aschgrauen  Farbe 
benannt,  oder  zu  gall.  esox  «Hecht». 

Aschenbrödel,  m.  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.): 

Küchenjunge,  dann  überhaupt  zu  allen 
schmutzigen,  staubigen  Verrichtungen  im 
Hause  verstoßener  Mensch.  Mhd.  aschen- 
hrodele  m.  (dafür  1482  im  voc.  theut.  b  7^ 
ascherprudel  «Küchenjunge»),  zu  brodeln,  v. 
«wühlen  und  stauben  in  der  Asche».  Daneben 
hess.  Aschenputtel,  zu  piitteln  «in  Flüssigem 
oder  Staub  hin  und  her  schütteln»,  schweiz.- 
elsäss.  Aschengrüdel  zu  gr  adeln  «scharren, 
wühlen»  u.  a.  Formen. 

Äscher,  m.  (-s,  PI.  -wie  Sg.) :  ausgelaugte 
Asche:  gelöschter,  mit  Asche  vermischter 
Kalk  zum  Gerben.  Spätmhd.  äscher,  escher 
m.,  von  Asche  abgeleitet.  ABL.  Ascherich, 
m.  (-s):  wie  Äscher,  bei  Mathesius  Sar.  120* 
Ascherich,  äschern,  v.:  mit  Asche  beizen 
(vgl.  ahäschern) ;  in  Asche  vervv^andeln  (nur  in 
Zusammens.) ;  mit  Asche  bestreuen.  Frühnhd. 

Aschermittwoch,  m.  und  f.;  der  7.  Mitt- 
woch  vor   Ostern,   an    dem  der  katholische 


Piiester  die  Gläudigen  mit  geweihter  Asche 
bestreut,  um  sie  an  den  Tod  zu  erinnern. 
Im  15.  Jh.  aschermifwoche  m.,  daneben  in 
gleicher  Bed.  schon  im  14.  Jh.  aschtac  (im 
16.  Jh.  auch  der  äscherige  mitwoch).  Ascher- 
kann  nicht  auf  das  Y.  äschern  zumckgeführt 
werden,  sondern  ist  als  Nebenform  von  Asche 
zu  betrachten,  die  mhd.  in  Zusammensetzungen 
wie  ascherknoche  m.,  aschervar  erscheint  und 
der  Ableitung  ascheric.  escheric,  adj.  zu- 
grmide  liegt. 

äschern,  s.  Äscher. 

aschgrau,  adj.:  grau  wie  Asche.  Bei 
Ludwig  1716.  Redensart:  das  geht  ins  Asch- 
graue «in  die  graue  Ferne,  üljer  den  Horizont 
und  so  ins  Unglaubliche». 

Aschkuchen,  s.  Asch. 

Aschlauch,  m.  (-es):  die  Lauchzwiebel, 
Schalotte.  Bei  Liune  aUium  ascalönium,  d.  h. 
Lauch  von  der  Stadt  Ascalon  in  Palästina, 
bei  den  Römern  caepa  ascalonia.  Auf  asca- 
lönium geht  mhd.  aschlouch,  ahd.  asclouh 
zurück. 

äsen,  V.:  fressen  (vom  Wilde  gesagt). 
Mhd.  ce^en.^^    Vgl.  aasen. 

Aser,  Äser  m.:  Tasche  zum  umhängen. 
Speisesack,  Jagdtasche.  Ba3'r.,  schwäb.-alem., 
hess.  Mhd.  äser,  ceser  und  (mit  vorgetretenem 
n)  ncßser.  Wahrscheinlich  zu  essen,  von  mhd, 
aj  «Speise»  gebildet. 

Asket,  m.  (-en,  PI.  -en):  strenge  Fröm- 
migkeit Übender.  Aus  mlat.-gr.  asceta,  gr. 
dcKriTrjC  m.  «wer  h'gend  eine  Kunst,  ein  aus- 
schließliches Geschäft  übt».     Im  18.  Jh. 

Aspe,  s.  Espe. 

Aspekt,  m.  (-es) :  Anblick :  (PI.  Aspekten) 

Aussichten,  Vorzeichen ;  (in  der  Stemdeutung) 

Anzeichen  nach  den  Stellungen  der  Planeten 

gegeneinander.  Aus  lat.  aspectiis  m.  «Anblick, 

Aussicht»,  abgeleitet  von  dem  V.  aspicere  (aus 

ad-spicere)  «ansehen,  anblicken».     Bei  Para- 

celsus  (t  1541)  Schriften  (1616)  1,  712  Aspect. 

1       Asphalt,  m.  (-es,  PI.  -e):   Erd-,  Juden- 

I  pech.  Aus  dem  gleichbed.  gr.-mlat.  asphältum, 

j  gr.  äcqpaXxoc  f.     Neue  Entlehnung. 

Aspirant,  m.  (-en,  PI.  -en) :  Amtsbewerber. 
Nach  lat.  aspirans  (Gen.  aspirantis),  Part. 
Präs.  von  aspirare  (aus  ad-spirare)  eig.  «an- 
hauchen», dann  s.  v.  a.  «wonach  streben».  Im 
18.  Jh.  aufgenommen. 

assekurieren,  v. :  versichern  zu  Schaden- 
ersatz. Nach,  ital.  assicurare,  das  auf  mlat. 
assecurare  «durch  Unterpfand  sicherstellen» 
beruht,   zu.sammenges.  aus  lat.  ad  «zu»  und 


93 


Assel 


Astrolog 


94 


dem  von  dem  lat.  Adj.  securus  <^ sicher*  abge- 
leiteten mlat.  semrare  «sichern».  Bei  Wächtler 
1711.  ABL.  Assekuranz,  f.:  Versicherang 
zu  Schadenersatz. 

Assel,  m.  (-8)  f.  (PI.  -n):  Kellerassel, 
oniscus.  Spätmhd.  assel  m.,  bei  H.  Sachs  4, 408, 
5  auch  als  «Fingerwurm»  (Krankheit).  Man 
knüpft  gewöhnlich  an  lat.  asellus  m.  an,  das 
als  Dim.  von  lat.  asinus  m.  «Esel»  eig.  «Esel- 
chen» bedeutet,  dann  aber  auf  das  Insekt 
wegen  seiner  gi-auen  Farbe  übertragen  wor- 
den sein  soll  (vgl.  die  Benennungen  Kelle)'-, 
Maueresel,  gr.  övickoc).  Da  aber  1517  bei 
Trochus  prompt.  H  6^  die  Form  atzel  er- 
scheint (auch  bei  GoHus  1579  or-atzel),  in 
andren  Quellen  Ossel  und  (mit  vorgetretenem 
n  wie  auch  in  der  Xebenfonn  Xassel,  1563  in 
Gesners  Fischbuch  157'')  Xossel,  so  dürfte 
als  mhd.  Form  dzel  und  ä^el  anzusetzen  sein 
(vielleicht  ju  essen,  ■  vgl.  mhd.  wunncezec 
«wurmstichig-j). 

Assessor,  m.  (-.?,  PI.  -en):  beisitzendes 
Mitglied  einer  Behörde,  eines  Gerichtes.  Aus 
lat.  assessor  «Beisitzer»,  von  assiäere  urspr. 
ad-sidere  «bei  jemand  sitzen».  In  der  frühnhd. 
Eechtssprache  *  (Reichsordnangen  40^  vom 
J.  1500.     Lilieneron  4,  180). 

assimilieren,    v.:    ähnlich  machen,  ver- : 
ähnlichen.      Aus   lat.  asshnüare,   urspr.  ad- 
similare  «ähnlich  machen».     Im  18.  Jh.  auf- 
genommen.   ABL.  Assimilation,  f.:  Ver- 
ähnlichunsf,  Ano-leiehung. 

Assisen,  PI. :  Gerichtssitzimg,  insbesondere 
Tacfung  eines  Schwurcrerichtshofes.  Aus  franz. 
assises,  PI.  des  F.  des  Part.  Parf.  assis  «sich  ! 
gesetzt,  niedergelassen  habend»,  von  assire 
«sich  setzen»,  das  auf  lat.  assidere  urspr.  ad- 
sidere  «sich  setzen»  beinxht.  Neue  Entlehnung. ; 

assistieren,  v. :  beistehen,  unterstützen. 
Von  lat.  assistere,  urspr.  ad-sistere  «bei  je- 
mand stehen,  jemand  unterstützen».  Im  16.  Jh. 
entlehnt.  —  Assistent,  m.  (-en,  PI.  -en) :  wer 
jemand  beisteht:  Gehilfe.  Aus  lat.  assistens 
(Gen.  assistentis),  Part.  Präs.  des  Y.  assistere.  \ 

assortieren,  v. :  mit  Sorten  versehen  und  ' 
in   diese  ordnen.     Nach  franz.  assortir,   das 
mit  lat.  ad  von  Sorte  (s.  d.)    abgeleitet   ist. 
Bei  Sperander  1728. 

assoziieren,    refl.    v.-.    sich    vereinigen. 
Aus  gleichbed.  franz.  s'associer,  von  lat.  asso-  ' 
ciare  «vereinigen,  verbinden»,  urspr.  adsociare 
zu  socius  m.  «Gefährte».    Bei  Sperander  1728. 

Ast,  m.  (-es,  PI.  Äste):  dem  Stamm  ent- 
sprossener   BaumteU ;    Holzknoten    als    Ast- 


wurzel; (urspr.  in  der  Gaunersprache")  Buckel 

'  (namentl.  in  der  Redensart  sich  einen  A.  lachen 
d.  i.  sich  bucklig,  krumm  lachen).  Mhd. 
ast  (PI.  este),  ahd.  ast  fPl.  esfi)  m.;  dazu 
got.  asts  m.  «Ast».  Mit  Vokalwechsel  gehört 
hierher  ndd.  öst,  ndl.  oest  (spr.  üst)  «Knorren 

,  im  Holz»,   ags.  Öst  m.   «Knoten,   Knorren». 

i  Im   Griech.   entspricht    öZoc  m.    (aus  öcöoc) 

\  «Ast,  Knoten,  Auge  am  Zweig»,  arm.  osf  «Ast», 
doch  wird  die  Zugehörigkeit  des  griech. 
Wortes  bestritten,  zuletzt  von  Lagercrantz 
Zur  giiech.  Lautgeschichte  139  f.  Bartholomae 

■  Idg.  Forsch.  5,  355  stellt  noch  ai.  ädgas  m. 

1  «Rohrstab,  Stengel»,  gr.  öcxoc  m.  «Zweig» 
als  wurzelverwandt  dazu.  ABL.  ästen,  v.: 
Aste  treiben,  mhd.  asten,  esten.  Davon  ästein, 
fi-ühnd.     ästig,  adj.:  Äste  habend,  spätmhd. 

i  astic,  estic.  ZUS.  Astloch,  n. :  Loch  im 
Brette  von  einer  ausgefallenen  Astwurzel, 
bei  Stieler  1691. 

Aster,  f.  (PI.  -n):  die  im  Herbst  blühende 
Sternblume.  Mit  Übergang  zum  F.  (im  Ge- 
danken an  Blume)  aus  gr.-lat.  aster  m.  gr. 
dcTnp  m.  «Stern».  Im  18.  Jh.  aufgekommen. 
Ästhetik,  f.:  die  Wissenschaft  von  dem 
Schönen  und  der  Kunst,  Geschmackslehre. 
Aus  nlat.-gi".  aesthetica,   gr.  aicGriTiKr)   (^näm- 

[  lieh  T^x^Ti  «Kunst»),  F.  des  gr.-neulat.  Adj. 
aestheticiis ,  gr.  aic6riTiKÖc  «zum  Empfinden, 
zum  WahiTiehmen  geschickt»,  abgeleitet  von 
gr.  aicödvecöai  «empfinden,  durch  die  Sinne 
wahrnehmen».  Das  Wort  geht  auf  den  Philo- 
sophen Baumgarten  zurück,  von  dem  1750 — 58 
Aesthetica  erschienen.  Davon  Ästhetiker, 
m.:  Geschmackslehrer.  —  ästhetisch,  adj., 
durch  Baumgarten  und  Meier  (seit  1748)  ein 
gern  gebrauchtes  Wort  der  Kunstrichter,  von 
dem  angeführten  Adj.  aestheticus. 

Asthma,  n.  (-s):  Engbmstigkeit.  Aus 
dem  gleichbed.  gr.  5c0,uan.  Im  18.  Jh.  üblich. 
ästimieren,  v.:  wertschätzen,  -nürdigen. 
Aus  franz.  estimer  «schätzen,  achten,  hoch 
achten»  und  dies  aus  lat.  aestimare,  mlat. 
estimare  «abschätzen»,  dann  auch  «gehörig 
würdigen,  anerkennen».  Danach  schon  1403 
estimieren,  1444  estumieren  «abschätzen». 
Dann  1571  bei  Rot  in  der  Bed.  «schätzen, 
achten  ». 

Astrolog,  m.  (-en,  PI.  -en):  Sterndeuter. 
Aus  gr.-lat.  aströlogus,  gr.  dcxpoXÖTOc  «Stern- 
kundiger, Sterndeuter»,  subst.  M.  des  Adj. 
dcTpoXö-foc  «sternkundig»  (äcrpov  n.  «Gestirn, 
Stern»,  -Xotoc  zu  \lyeiv,  hier  «berechnen»). 
1573    in    Luthers    Tischreden  414*.      ABL. 


95 


Asyl 


Attacke 


96 


Astrologie,  f.:  Sternlmnst.  Aus  gr.-lat. 
astrologia,  gr.  dcrpoXo-f  ia f.  « Sternkunde».  1531 
bei  Hedio  Josephus,  Yorw.  1^  Astrology,  1534 
bei  S.  Franck  Weltb.  235  ^  Astrologei,  1586 
bei  Fiscbart  Bodin.  140  das  Adj.  astrologisch. 
Astronom,  m.  {-en,  PI.  -en):  Stemkundiger, 
Steraseber.  Aus  gleicbbed.  gi-.-lat.  astronomus, 
gr.  cicTpov6)noc,  subst.  M.  des  Adj.  dcTpovöiuoc 
«die  Sterne  in  Sternbilder  verteilend,  ordnend» 
(äcTpov  n.  «Gestirn»,  -vo|noc  zu  v^ueiv  «ver- 
teilen»). ABL.  Astronomie,  f.:  Stern-, 
Himmelskunde.  Aus  gi'.-lat.  astronomia,  gr. 
äcTpovojaia  f.  Scbon  mbd.  «sfo'OWomCe  f.,  1573 
in  Lutbers  Tiscbreden  413^  Astronomey,  1586 
bei  Fiscbart  Bodinus  137  Asfronomy  und  139 
das  Adj.  astronomisch. 

Asyl,  n.  (-S,  PI.  -e):  Freistatt.  Aus  dem 
gleicbbed.  gr.-lat.  asylum,  gr.  äcu\ov  n.,  eig. 
N.  des  Adj.  äcuXoc  «unberaubt»  (ä-  «un-»,  cuXäv 
«wegnebmen,  nacb  Kriegsrecbt  berauben»), 
dann  «unverletzlich,  sieber».  Bei  Heynatz  1775 
nocb  in  der  lat.  Form  asylum. 

Atem,  m.  (-s):  die  eingezogene  und  aus- 
gestoßene Luft.  Mbd.  ätem,  mitteld.  (mit 
grammatischem  Wecbsel)  auch  ädern,  ahd. 
äturrir  ädiim  m. ;  dazu  asäcbs.  äf/iom,  ndl. 
ädern,  afries.  ethnia,  ags.  (Mm  m.  Verwandt 
siad  ai.  ätma  m.  «Hauch,  Atem,  Geist», 
ir.  athach  «Hauch,  Wind»,  aber  nicht  gr. 
dTjLiöc  «Dunst,  Rauch»,  da  dies  wohl  auf 
deT.uöc  zmückgeht.  Luther  bedient  sich  der 
Formen  Athem  und  Adern,  sowie  (mit  mund- 
artlichem 0  =  ä)  Odem,  was  als  feierhche 
Form  später  im  Nhd.  verblieben  ist  (bei 
Dichtem  auch  abgeschwächt  Oden,  Dusch 
Schoßbund  73,  Goethe  6,  43,  aber  schon  1440 
oten  bei  Diefenbach  gl.  547^).  ABL.  atmen, 
V.,  mbd.  ätemen  (auch  cetemen),  ahd.  ätumön.  i 
atmig,  adj.  in  kurz-,  schwer-  usw.  atmig. 
ZUS.  atemlos,  adj.,  mbd.  atemlos.  Atem- 
zug, m.,  mbd.  ätemzuc.  \ 

Atheismus,  m.:  Gottesleugnung.  Aus 
neulat.  atheismus  m.  Im  Anfang  des  17.  Jh.  | 
gebraucht  (Moseherosch  Lasomnis  cura  par.  | 
126).  —  Atheist,  m.  {-en,  PI.  -en):  Gottes- 
leugner. Aus  neulat.  atheista  m.,  einer  Fort- 
bildung von  gl'.  äOeoc  «gottlos,  die  Götter 
verwerfend»  (d-  «un-»,  Geöc  «Gott»).  1617  im 
teutschen  Michel  als  modisches  Fremdwort 
angeführt,  atheistisch,  adj.,  1673  bei  Chr. 
Weise  Erznan-en  151,  dafür  früher  im  17.  Jh. 
atheisch  (Gombert  7,  7  vom  J.  1622). 

Äther,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  die  Himmels- 
luft; flüchtiger,  geistiger  Stoff  (so  1730  von 


Frobenius  gebraucht).  Aus  gr.-lat.  aether  m., 
gr.  aiGrip  m.  f.  «die  obere,  reinere  Luft,  das 
reine  Himmelslichb.  Li  der  poetischen  Sprache 
von  Bodmer  und  Klopstock  zuerst  verwendet 
(Gombert  6,  6,  7,  8).  ABL.  ätherisch,  adj. 
(1748  bei  Klopstock). 

Athlet,  m.  (-en,  PI.  -en):  W^ettkämpfer, 
körperkräftig  ausgezeichneter  Mann.  Aus  gr.- 
lat.  athleta,  gr.  dOXrixric  m.  «Kämpfer,  Wett- 
kämpfer», von  dOXoc  m.  «Kampf».  Im  18.  Jh. 
entlehnt.  ABL.  athletisch,  adj. :  die  Körper- 
kraft betreffend,  riesig  groß. 

"^ Atlas,  m.  (Gen.  Atlasses,  PI.  Atlasse  und 
Atlanten^.  Landkartensammlung.  Benannt 
nach  einem  mauretanischen  König  Atlas  (Gen. 
Atlantis),  der  als  Freund  der  Astronomie  be- 
kannt war.  Nachdem  Mercator  1595  das  Wort 
für  eine  Sammlung  von  Landkarten  verwendet 
hatte,  setzte  es  sich  in  dieser  Bed.  fest  und 
erscheint  bei  Ludwig  1716  als  eingebürgert 
(dafür  1734  im  math.  Lex.  Atlant). 

"Atlas,  m.  (Gen.  Atlasses,  PI.  Atlasse): 
glattes,  glänzendes,  rauschendes  Seidenzeug. 
Spätmhd.  Überkommen  mit  dem  Handels- 
artikel aus  dem  Morgenlande,  wo  türkisch, 
persisch  und  m'sprünglich  arab.  atlas  «glattes 
seidenes  Tuch»,  eig.  s.  v.  a.  «abgerieben,  kahl», 
dann  «glatt».  ABL.  atlaSSen,  adj.,  im 
16.  Jh.  atlassin. 

atmen,  s.  Atem. 

Atmosphäre,  f.  (PI.  -n):  die  Erde  um- 
gebender Dunstkreis.  Nach  einem  neulat. 
atmosjihaera  aus  gi:  OTiaocqpaipa  f.,  zusammen- 
ges.  aus  driuöcm.  «Dunst»  und  cqpaipaf.  «Kugel, 
Erd-,  Himmelskugel».  Im  18.  Jh.  entlehnt 
(Zachariä  Renommist  3,  321). 

Atom,  n.  (-5,  PI.  -e):  L'rstofFteilcben.  Aus 
gr.-lat.  atonius  f.,  gr.  otoiuoc  «ürstoff,  unteil- 
bares Körperchen»,  dem  F.  des  Adj.  äroiuoc 
«unteilbar»  (d-  «un-»,  -TO|ioc  von  x^iuveiv 
«schneiden»).  Der  PI.  wird  auch  als  Atomen 
gebildet  (Goethe  Nat.  Tochter  1494). 

Atout,  n.  (-S,  PI.  S-)  (im  Kartenspiel) :  aus 
frz.  ä  tont  «für  alles»,  zur  Zeit  des  30jährigen 
Krieges  aufgenommen,  für  deutsch  Trwnvpf. 

ätsch,  Interj.  der  neckenden  Verspottung. 
Im  17.  Jh.  etsch!  Gewöhnlich  mit  der  Ge- 
bärde, als  wenn  man  eine  Rübe  schabte,  da- 
her auch  ätsch,  schabe  Rübchen! 

Attacke,  f.  (PI.  -n):  feindlicher  Angriff. 
Aus  dem  gleicbbed.  franz.  attaqne  f.,  von 
attaquer  (s.  d.  folg.).  —  attackieren,  v.: 
feindlich  angi'eifen.  Aus  dem  gleicbbed.  franz. 
attaquer,  ital.  attaccare,    eig.  «anheften,   be- 


97 


Att« 


Auditorium 


98 


festigen»,  von  ital.  tacca,  franz.  tache  f.  «an- 
haftender Flecken  ;>.  Als  modisches  Fremd- 
wort (atiaquieren)  1617  im  teutschen  Michel 
erwähnt,  auch  bei  "Wallhausen  Corp.  mil.  220. 

Atte,  m.  (-n,  PI.  -n):  Vater.  In  oberd. 
Mundarten  (alem.  ätti)  in  der  Kindersprache 
(in  andern  Gegenden  nur  jüdisch).  ^Mhd. 
ätte  m.,  eine  dimin.  Bildung  zu  atte,  ahd. 
atto  m.,  got.  (das  gewöhnliche  Wort  fiii- 
«Vater»)  atta  m.,  wovon  als  Dimin.  der 
Eigenname  Ätiüa,  e'ig.  «Väterchen»  (ahd. 
Ezzüo,  mhd.  Eizel).  Dazu  gehört  lat.  atta, 
gr.  äxTa  m.  «Vater»,  ir.  aite  «Pflegevater», 
ablg.  oüd  m.  (Demin.)  «Vater»,  vgl.  auch  ai. 
attä  f.  «Mutter»  (nur  bei  Lexikographen 
belegt). 

Attentat,  n.  {-es,  PI.  -e):  gewaltsame 
Eechtskränkung  des  andern:  gewaltsamer  An- 
griff auf  andrer  Leben.  Aus  dem  gleichbed. 
lat.  attentatum  n.,  dem  N.  des  Part.  Perf. 
Pass.  von  attenfare,  uiSTpr.ad-tentare  «antasten, 
angreifen».  Schon  in  der  Kechtssprache  des 
15.  Jh.  (attemptat  Fontes  habsburg.  II,  2, 
345,  attentat  Reichs-Ordn.  97^).  ABL.  Atten- 
täter, m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  der  ein  Attentat 
begeht.  Xach  1844  aufgekommene  Bildung, 
mit  Anlehnung  an  Täte^\  v^l.  Hildebrand 
Sprachunterricht  S.  116,  Ladendorf  Schlagwb. 

Attest,  n.  (-es,  PI.  -e):  schriftliches  Zeug- 
nis, Bescheinigung.  Im  18.  Jh.  gekürzt  aus 
dem  gleichbed.  Attestat  n.  (noch  bei  Hej-- 
natz  1775),  das  auf  lat.  attestatum  «Zeugnis  > 
beruht,  eig.  N.  des  Part.  Perf.  von  attestari 
(s.  d.  folg.).  —  attestieren,  v.:  bezeugen, 
besonders  schriftlich.  Aus  lat.  attestari,  urspr. 
ad-testari  «bezeugen,  durch  Zeugnis  kräftigen». 
Im   17.  Jh.   entlehnt. 

Attich,  m.  (-S,  PI.  -e):  Ackerholunder, 
sambucus  ebulus.  Mhd.  atich,  atech,  ahd.  atak, 
atnh  m.  Mit  Angleichung  des  et  zu  tt  (vgl. 
Dattel)  von  dem  gleichbed.  lat.  acte  (Plinius 
bist.  nat.  26,  73),  von  gr.  dKxea,  zusammengez. 
üKTfi  f.   ''Holunderbaum». 

attrapieren,  v.:  worüber  ertappen.  Aus 
franz.  attraper,  ital.  attrapare,  eig.  «in  einer 
Falle  fangen»,  zusammenges.  aus  lat.  ad  und 
ital.  trappare,  franz.  trajyper,  von  franz.  trappe, 
mlat.  trappaf.  «Falle»,  das  auf  dem  gleichbed, 
ahd.  trapa  f.  (auch  trapo  m.)  beruht.  Im 
17.  Jh.   entlehnt. 

Attribut,  n.  (-es,  PI.  -e)  -.  beigelegte  Eigen- 
schaft; Beizeichen.  Aus  lat.  attributum  eig. 
«Zugeteiltes»,  dann  auch  s.  v.  a.  Eigenschaft, 
subst.  N.  des  Part.  Perf.  Pass.  von  attribuere, 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


urspr.  ad-trxbuere  «zuteilen,  beüegen».     Bei 
,  Sperander   1728. 

I      Atzel,    f  (PI.  -n):    traulicher  Name    der 

:  Elster;  (wegen  der  verschiedenen  Farben  der 

i  Elster,  ursprünghch  mehr  im  Scherz)  falsches 

Scheitelhaar,  Perücke  (1788  bei  Fulda).   Mhd. 

atzel  f.,  eine  dimin.  Ableitung  von  ahd.  agazza 

f.  «Elster»  (s.  d.). 

ätzen,  V.:  abweiden;  zu  essen  geben  (in 
diesen  beiden  Bedd.  auch  atzen ;  dies  auch  refl.); 
einfressen  machen,  von  Säuren  fschon  zu  Ende 
des  15.  Jh.).  Mhd.  atzen  und  etzen,  ahd.  azzön 
und  ezzen:  dazu  got.  atjan  in  fraatjan  «zur 
Speisung  austeilen».     Faktitiviun  von  essen. 

Atzung,  f :  was  zu  essen  dargeboten  wird. 
Mhd.  atzunge  f,  von  atzen.     S.  ätzen. 

au!  Ausnif  des  Schmerzes.  Mhd,  ou!, 
abgelöst  von  ouwe  aus  oice. 

Au,  s,  Aue. 

auch,  Conj.,  die  eine  Vermehrung  anzeigt. 
Mhd.  oucli,  ahd.  ouh;  dazu  asächs,  ök,  ndl, 
ook,  afi-ies.  äTi,  ags.  eac,  engl.  eTie,  anord.  auk 
«dazu»,  schwed.  ock,  dän.  og,  got.  auk  «denn, 
aber»,  "Wahrscheinlich  Imperativ  (urgerm. 
auke)  zu  dem  neben  ahd,  ouhhon,  asächs. 
ökian,  ags.  eaeian  stehenden  st.  V.  got.  aukan, 
anord.  auka  «mehren»,  die  der  Lautverschie- 
bung gemäß  stimmen  mit  lat.  augere,  gr. 
auEeiv,  auEdv€iv  «mehren,  vermehren»,  vgl. 
lit.  äugfi  «wachsen»,  ai.  öjas  n.  «Kraft».  Oder 
auch  zu  gl",  aö-fe  «wiederum»,  lat.  aut  «oder», 
ai.  Uta  «und,  aber,  auch»,  zu  stellen,  vgl. 
"Walde  s.  v.  aut. 

Audienz,  f,  (PI,  -en)-.  Gehör,  das  jemand 
gegeben  wird;  Verhör,  Aus  franz,  audience, 
ital.  audienza,  lat.  audientia  f.  «Gehör,  An- 
hörung», von  aud.iens( Gen. audienti-s)  «hörend», 
Part.  Präs.  von  audire  '< hören».  In  der  Rechts- 
sprache um  1500  eingebürgert  (Reichs-Ord- 
nungen 61^  von  1507,  "Wüwolt  von  Schaum- 
burg 96,  Liliencron  2,  33 1»  von  1493). 

Auditeur,  m.  (-s,  PI.  -e):  rechtsgelehrter 
Richter  beim  Heerwesen.  Aus  dem  gleich- 
bed. franz.  auditeur  m.,  das  auf  lat.  aiuUtor  m. 
«Hörer,  Zuhörer»,  im  Mlat.  auch  «Richter», 
beruht.  Im  Anfang  des  17.  Jh.  entlehnt 
(1622  bei  Londorp  Acta  pubHca  des  Teutschen 
Krieges   1,   1047''). 

Auditorium,  n.  (PI.  Auditorien):  Hör- 
zimmer, Hörsaal;  Gesamtheit  der  Zuhörer. 
Aus  dem  gleichbed.  lat.  au^itorium,  subst.  X. 
des  von  auditor  m.  «Hörer,  Zuhörer»  abge- 
leiteten Adj.  aiuJitorius  «zum  Hören  gehörig». 
Im   17.  Jh.  entlehnt. 

7 


99 


Aue 


aufbiudeu 


100 


^Aue,  Au,  f.  (PI.  Änen):  wasserumflos- 
senes  Land,  Flußinsel;  wasserdurchflossenes, 
feuchtes,  gewächsreiches  Gelände.  Mhd.  oitive, 
ou,  ahd.  omva  f.  «Wasser,  Strom,  Wasserland, 
wasseiTeiches  Gelände»:  dazu  ags.  eg,  ig  f., 
anord.  ey  f.,  schwed.  dän.  ö  «Insel»,  Mlat. 
erscheint  augia,  avia  (z.  B.  in  Scadinavia). 
Das  vorauszusetzende  got.  *aivi  (Gen.  *aiijös) 
steht  mit  Verlust  eines  Gutturals  für  "^agwi 
und  kommt  von  got.  aJva  f.  «Fluß»,  ahd.  aha 
(s.  -a),  lat.  aqi(a  f.  «Wasser». 

-Aue,  f.  (PI.  -n):  Mutterschaf.  Li  obd. 
Mundarten.  'Mh.d.  (selten)  oiiice,  ahd.  ou, 
ouwi  f.;  dazu  ags.  eoivii,  engl,  eice  f.  «Schaf», 
got.  nur  in  Ableitungen  wie  awistr  n.  «Schaf- 
stall», awepi  n.  «Schafherde  ».  Dazu  stimmen 
lat.  OVIS  f.,  gr.  öic  m.  f.,  air.  öi,  öe,  lit.  avls  f., 
aind.ävis  m.  f.,  abg.  abgeleitet  ovica  «Schaf», 
lit.  äw««.s  «Widder»,  lett.  auns,  apreuß.  aivins, 
abg.  ovinü  «Schaf»,  vgl.  Walde  s.  v.  ovis. 

Auer,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  meist  zu- 
sammengesetzt Äuerochs  m.  Mhd.  ahd.  ür 
m.  (daher  altertümlich  Ur,  s.  d.),  neben  mhd. 
ürohse,  ahd.  ürohso  m;  dazu  ags.  ür,  anord. 
ürr  m.  «Auerochse».  Man  vergleicht  skr.  usräs 
m.  «Stier»,  eig.  «rötlich»,  germ.-lat.  ürus  m. 

Auerhahu,  m.  (s,  PI.  Auerhähne,  frtlher 
Äuerhahieri).  ]\Ihd.  urhaa  neben  orhan  m., 
ahd.  kommt  orlmoii,  orrelmon  f.  «Auerhenne» 
voi\  Auch  frühnhd.  noch  orhan  (voc.  ine. 
teut.  p  1*),  urhan  (voc.  theut.  1482  mm  5^), 
1616  bei  Henisch  uhrhan,  ohrhan,  selbst  noch 
bei  Voß  TJrhahn  (daneben  schon  im  16.  Jh. 
aurhan).  Da  im  Altnord.  Schwed.  orre  n. 
«Birkhuhn»  als  selbständiges  Wort  vorkommt, 
muß  erst  später  Anlehnung  an  ür,  ürohse 
eingetreten  sein.  Das  nord.  orre  bringt  man 
mit  skr.  vrsan  «zeugungski'äftig,  männlich», 
dann  auch  «Stier»,  ferner  lat.  verres  (für 
Verses)  m.  «Eber»,  lit.  versis  m.  «Kalb»,  lett. 
ve'rsis  «Ochs,  Stier»,  zusammen,  so  daß  die 
urspr.  Bed.  «männliches  Tier»  sein  würde. 

Auf,^  m.  {-es,  PI.  -e):  Xachteule,  Uhu. 
Weidmännisch,  1763  beiHeppe  wohlred.  Jäger. 
^Ihd.  üve,  ahd.  üfo,  üvo  m.,  dazu  das  gleich- 
bedeutende ags.  üf,  anord.  nfr,  schwed.  üf  m. 

auf,  1)  adv.:  zur  Höhe;  vonemander  aus 
dem  Zustand  des  Zuseins.  In  auf!  auf 
und  davon!  und  in  Zusammensetzungen  wie 
frisch-,  voll-,  dar-,  her-,  hinauf,  sowie  in 
Verbindung  mit  Verben  und  Nomina.  Bei 
der  Verbindung  mit  Verben  haben  wir  a)  die 
urspiüngl.  Bedeutung  in  aufbrausen.  Dann 
die  Bedeutungen    b)    anregen   zu   einer   be- 


stimmten Tätigkeit,  aufmuntern,  c)  Wider- 
hersteUung  eines  fiühern  Zustandes,  auf- 
lüärmen,  aufbraten,  d)  die  Beseitigung  des 
Objekts  durch  die  Tätigkeit,  z.  B.  aufessen, 
aufreiben,  und  schheßlich  e)  ganz  abge- 
schwächt den  Eintritt  einer  Handlung  be- 
zeichnend aufblühen.  Die  Nomina  schließen 
sich  in  ihrer  Bedeutung  den  entsprechenden 
Verben  an.  2)  präp.  a)  mit  Dat.  (auf  die 
Frage  «wo»)  in  der  Höhe  von  und  zugleich 
in  Berührung  mit  — ;  während.  b)  mit 
Akk.  (auf  die  Frage  «wohin»)  zur  Höhe;  über- 
hin;  als  Ziel  habend;  nach:  die  Art  und 
Weise  bezeichnend.  Dies  auch  in  den  ad- 
verb.  Verbindungen :  aufs  baldigste,  aufs  beste, 
aufs  neue  usw.  Mhd.  ahd.  üf  adv.  u.  präp. ; 
dazu  asächs.  up,  ags.  üp,  upp,  engl,  tip,  got. 
(mit  abweichendem  Vokal)  iup  adv.  «auf- 
wärts». Verwandt  mit  oben  und  über  (s.  d.), 
doch  vgl.  Zupitza  Die  germ.  Gutturale  29. 

aufbäumen,  v. :  auf  einen  Baum  fliegen, 
klettei'n,  springen.  Weidmännisch,  1763  bei 
Heppe  wohlred.  Jäger. 

aufl)äumeu,  refl.  v.:  sich  (baumähnlich) 
zur  Höhe  biegen;  sich  auflehnen  (urspr.  von 
Pferden  gesagt).  Friihnhd.  (1482  bei  Eych- 
mann  0  3^  sich  vffbeymen  «insultare»,  mhd. 
bloß  sich  boumen).  Davon  das  Part.  Prät.  auf- 
gebäumt  «zur   Höhe   gerichtet,   aufgehäuft». 

aufbauscheu,  v. :  schwellend  in  die  Höhe 
gehen  machen;  (bildlich)  etwas  größer  er- 
seheinen lassen,  als  es  in  Wh-klichkeit  ist. 
Erst  bei  Campe  1807.  S.  bauschen.  Früher 
dafür  aufbansen  (Kramer  1719)  oder  auf- 
pausen   (Ki'ämer  1678)  s.  d. 

aufbegehren,  v. :  trotzig  auffahren.  Erst 
im  19.  Jh.  durch  schweizerische  Schriftsteller 
aufgekommen  (in  der  Schweiz  in  der  Bed. 
«sich  auflehnen»  schon  1582  nachgewiesen, 
s.  Schweiz.  Id.  2,  404).     Nicht  zu  gären. 

aufbieten,  v. :  kundmachen,  namentlich 
Verlobte  auf  der  Kanzel  (mhd.  üfbieten  «in 
die  Höhe  heben»,  dann,  eig.  durch  Hochhalten, 
«zur  allgemeinen  Kenntnis  bringen»):  zu  einer 
Leistung  auffordern,  namentüch  zur  Heeres- 
folge (mhd.  und  älternhd.mitDat.):  (bildlich)  zu 
Hilfe  nehmen,  z.B.  seine  Kräfte  (Schiller 4, 38). 

aufbinden,  v.:  in  die  Höhe  binden  (mhd. 
üf  binden):  worauf  festbinden  (auch  mhd.); 
(bildlich)  vom  Auflnnden  eines  Geschenkes 
auf  den  Ax'm  oder  Ärmel  Unwahres  glauben 
machen  (Schupp  394,  634  einem  einen  a., 
1691  bei  Stielör  einem  eins  a.);  aus  dem  Zu- 
stand des  Gebundenseins  befreien  (auch  mhd,). 


101 


aufbrechen 


Aufgebot 


102 


aufbrechen,  v. :   1 1  intrans.  sich  gewalt- 
sam   öffnen    (z.  B.   1.  Mos.  7,  11);    sich    er-  ] 
heben   zum  Weg-   oder  Weitergehen,   mhd.  i 
üfhrechen,  auch  refl.  sich  ufbreclien.    2)  (ur- 
spr.    mit    Gewalt)    öffnen    (auch    mhd.).    —  i 
Aufbruch    m.    (nach   allen  Bedd.  von  a.). 
Mhd.   üflyruch. 

aufbringen,    v.:    in  die  Höhe  bringen,: 
mhd.  üf bringen:    großziehen,    pflegen   (auch 
mhd.):  durch  Tätigkeit  sich  verschaffen  (auch 
spätmhd. ) ;  finden  und  vorbringen  (auch  mhd.) ; 
in  die  Mode  bringen ;  erregen,  in  Zorn  bringen 
(im  15,  Jh.  z.B.  bei  Janssen  Frankf.  Reichskorr.  i 
1,  459  V.  J.  1487);   aufgehen  machen.    Nach  ' 
der  vorletzten  Bed.  das  Part.  Prät.  aufge- 
bracht als  Adj.  (nm*  prädikativ)  «erzürnt», ' 
bei  Gottsched,  Reichel  7). 

Aufbruch,  s.  aufbrechen. 

auf  daß,  Absicht  anzeigende  Konj.  ^Ihd. 
(in  mitteld.. Quellen  des  14.,  15.  Jh.)  üf  da^, 
urspr.  üf  da^  da^  (Mystiker  1,  376,  6),  dann 
bei  Luther  auff  das. 

aufdonnern,  refl.  v.:  (von  Frauenzim- 
mern) sich  aufputzen.  Aus  der  Studentenspr. 
in  die  neuere  Umgangssprache  gekommen. 

aufdrieseln,  aufdröseln  (Goethe  18, 290. 
24,  149 j,  auch  auftröselu  (Goethe  6,  160j, 
V.:  auf-  und  umwinden;  abwindend  lösen. 
dröseln  geht  zuiiick  auf  ein  dialektisches 
md.  ndd.  triseln  (^auch  trüsehi,  z.  B.  schles. 
und  in  ndd.  Mundarten)  v.  «im  Kreise  drehen, 
rollen»,  dazu  trisel  m.  «Kreisel»  (schon  nind. 
triseUn  «rollen,  kollera»),  1469  im  mrhein. 
Yoc.  ex  quo  drisslichte  «tomabilis»),  die 
wohl  gehören  zu  mnd.  trisse,  tntse  f.  «Tau, 
das  sich  um  eine  Drehscheibe  windet  und 
diese  selbst.  Winde»,  trissen,  tritsen  (vgl. 
triezen)  «mit  einer  Winde  aufziehen,  hissen» 
(dazu  die  gleichbed.  ndl.  trijsen,  engl,  trise, 
dän.  trid.se).     Vgl.  abtröseln. 

aufdunsen,  s.  aufgedunsen. 

aufeinander,  Raum-  u.  Zeitadv.,  nach 
seiner  Bildung  s.  v.  a.  «ein  auf  das  andere». 
Schon  bei  Luther  zusammengerückt. 

Aufenthalt,  m.  (-s,  PI.  -e):  Vei-weilen; 
Oii;  des  Yerweilens.  Spätmhd.  üfenthalt  m. 
<: Aufrechthaltung,  Stütze,  Unterhalt,  Woh- 
nung», von  mhd.  üfenthalten  «aufrecht  halten, 
erhalten,  Nahrung,  Wohnung  gewähren»,  sich 
üfenthalten  «sich  zuiiickhalten,  verweilen». 

auferstehn,  v.:  vom  Tode  oder  aus  tod- 
ähnlichem Zustand  sich  erheben.  Mhd.  üf 
erstän  «sich  erheben,  entstehen,  vom  Tode 
erstehen»,  ahd.  üfarstantan.    Ebenso  sind  ge- 


bildet auferbaueu,  mhd.  üferbüwen,  auf- 
erregen (^Goethe  9,  278),  auf  erwecken, 
mhd.  üferwecken,  auferziehen  (bei  Luther), 
die  alle  das  auf-  in  der  Flexion  von  dem 
übrigen  Worte   nicht  trennen. 

Auffahrt,  f.  (PI.  -en)-.  Fahrt  zur  Höhe, 
besonders  die  Himmelfahrt :  feierliche  Schau- 
fahrt. Mhd.  üfvart  f.  «Himmelfahii.  Fahrt 
stromaufwärts»,  ahd.  üffart  f.,  zu  auffahren 
mhd.  üfvarn,  ahd.  üffaran. 

auffallen,  v.:  l)  intrans.  worauf  fallen; 
(mit  Dat.j  Anstoß  geben,  die  Empfindung 
des  Ungewöhnlichen  hervornifen  (ei'st  bei 
Adelung  1774,  doch  schon  1753  bei  Xierem- 
berger  der  Wein  fällt  a^t/"  «gewinnt  Säui-e»). 
2)  trans.  durch  Fallen  auf  machen.  ABL. 
auffällig,  adj.  u.  adv.  (nach  der  2.  Bed. 
von  auffalleti).     Bei  Campe  1807. 

aufflirren,  v.:  mit  Flitterstaat  aus- 
schmücken (Voß  Werke  228).  Von  ndd. 
flirre  f.    ; Flitter,  Kopfschmuck  einer  Frau». 

auffretzen,  v. :  auffressen  machen,  ab- 
füttern; ganz  abweiden.  Bei  Luther  (z.  B. 
4  Mos.  22,  4).     S.  fretzen. 

aufführen,  v. :  in  die  Höhe  richten,insWerk 
richten  (mhd.  ü feueren  «nach  oben  führen»): 
zur  Schau,  zum  Sehen,  Hören  usw.  bringen 
oder  vorbiingen  (bei  Maaler  1561  in  der  Bed. 
«feierlich  einholen»);  zur  Wahrnehmung  an- 
fühi-en  (Schiller  4,  271,  14).  Refl.  sich  a.: 
sich  in  den  Lebensverhältnissen  zeigen,  sich 
betragen  (bei  Frisch  1712;.  ABL.  Auf- 
führung, f.  (zu  aufführen  u.  sich  aufführen): 
Vorstellung  eines  Theater-  oder  Musikstücks 
(Lessing  7,  214);  Betragen  (Felsenbui-g  1,  87  i. 

Aufgang,  m.  (-es,  PI.  Aufgänge):  Gang 
zur  Höhe,  besonders  das  Hervorkommen  von 
Sonne,  Mond,  Sternen  über  den  Gesichtskreis, 
Anfang  von  Tag  oder  Nacht;  Ost;  Anfang, 
voniehmlich  erfolgreicher:  Eröffnung.  Mhd. 
ahd.  üfganc  m. 

aufgeben,  v.:  zu  erledigen,  zu  besorgen 
geben,  z.  B.  ein  Rätsel  a.  (fi-ühnhd.,  auch 
bei  Luther);  (mit  Dat.j  ein  Lehen  usw.  in 
die  Hand  eines  andern  übertragen,  eig.  bei 
der  symbolischen  Handlung  hochhalten  mid 
übergeben  (mhd.  üfgeben);  sich  entäußeni, 
fahren  lassen,  unterlassen  (auch  schon  mhd.). 

aufgeblasen,  adj.,  eig,  Part.  Prät.  von 
sich  aufblasen:  eine  übertrieben  hohe  Mei- 
nung von  sich  zur  Schau  tragend.  Schon 
mhd.  üf  geblasen. 

Aufgebot,  n.  {-es,  PI.  -e):  öffenthche  Be- 
kanntmachung  z.   B.    einer   zu   schließenden 


103 


aufgebracht 


aufkommen 


104 


Heirat  (Lessing  1,  530);  Einberufung  von 
Heeresmannschaft  und  diese  Mannschaft  selbst 
(Luther  3,  355^  Jen.  neben  außot  n.  356 b); 
(übertragen)  Zuhilfenahme  z.  B.  der  Kräfte. 
Zu  dem  älternhd.  V.  aufgebieten  (bei  Luther), 
=  aufbieten  (s.  d.). 

aufgebracht,  s.  aufbringen. 

aufgedunsen,  adj.,  eig.  Part.  Prät.  des 
verlornen  V.  sich  aufdinsen:  (von  innen)  ge- 
haltlos ausgedehnt  (Wieland  4,  102).  -dinsen 
geht  zurück  auf  mhd.  dinsen  «ziehen»,  sich 
dinsen  auch  s.v.  a.  «anschweEen»,  dazu  ahd. 
dinsan,  asächs.  thinsan,  got.  at-pinsan  «heran- 
ziehen» zu  lit.  t^sti  «durch  Ziehen  dehnen», 
ai.  tc{säjati  «er  schüttelt,  bewegt  hin  und  her. 
Aus  diesem  aufgedunsen  scheint  ein  V.  auf- 
dunsen  «gehaltlos  ausdehnen»  (Maler  Müller, 
Schubart)  entwickelt,  doch  schon  bei  Stieler 
1691  dumsen,  aufdumsen  «anschwellen». 

aufgehen,  v.:  in  die  Höhe  gehen,  mhd. 
üfgän,  -gen,  ahd.  ufgangan,  üfgän;  (von  Ge- 
stirnen) hervorkommen,  sichtbar  werden ;  (mit 
Dat.)  deutlich  werden ;  sich  öffnen :  (von  Geld) 
verbraucht  werden  (schon  mhd.);  völlig  in 
ein  gi-ößeres  Ganze  aufgenommen  werden; 
(rechnerisch)  sich  heben  (bei  Schupp  59). 

aufgehoben,  s.  aufheben. 

aufgeklärt,  s.  aufklären. 

Aufgeld,  n.  {-es,  PI.  -er):  das  bei  Aus- 
wechslung von  Münzen  hinzugezahlte  Geld, 
Agio;  bei  einem  geschlossenen  Handel  oder 
Vertrag  sogleich  dargegebenes  Geld,  damit 
er  fest  ist  und  nicht  zurückgehen  kann. 
Spätmhd.  üfgelt  n. 

aufgelegt,  Pai-t.  Prät.  von  auflegen:  in 
Stimmung  etwas  zu  tun,  wie  ital.  disposto, 
franz.  dispose.  Um  1700  üblich  geworden 
(Günther  315). 

aufgeräumt,  adj.:  in  reiner,  heiterer 
Seelenstimmung.  Eig.  Part.  Prät.  von  auf- 
räumen, mhd.  üfrümen,  «wegschaffend  Raum 
machen;  alles  Unangenehme  und  Beengende 
wegschaffen».  Bei  Krämer  1678  mit  Adv.  übel, 
wol  a.  und  urspr.  (wie  noch  bei  Stieler  1691) 
mit  persönKchem  Dat. 

aufgeweckt,  adj.:  lebhaften  Geistes.  Im 
17.  Jh.  üblich  (Fleming  136).  Eig.  Part.  Prät. 
von  aufwecken  in  der  Bed.  «geistig  ermun- 
tern, anregen»  (bei  Luther). 

aufhalten,  v.:  in  die  Höhe  halten,  mhd. 
üf  halten ;  auf  einem  Punkte  verweilen  machen, 
zurückhalten,  hemmen  (auch  schon  mhd.); 
offenhalten.  Refl .  sich  a. :  verweilen  (bei  Luther, 
neben  sich  aufenthalten);  sich  mißliebig  über 


etwas  oder  über  jemand  äu£em  (bei  Nierem- 
berger  1753). 

aufhängen,  v.:  in  die  Höhe  hängen,  mhd. 
üfhengen  neben  üfhdhen,  s.  hangen;  als  Last 
an  jemand  hängen;  einem  etwas  a.:  ihn  zur 
An-,  Übernahme  von  etwas  bringen  (wie  auf- 
halsen, z.  B.  Lessing  3,  6),  zum  Glauben 
an  etwas  bringen  (wie  aufbinden,  bei  Kind- 
leben 1781). 

aufheben,  v.:  zur  oder  in  die  Höhe 
heben,  mhd.  üf  heben,  ahd.  üfheffen;  auf- 
nehmen und  wegbringen  (mhd.  üf  heben  «er- 
gi'eifen»);  zur  BewahiTing  wohin  tun;  auf- 
hören machen,  ungültig  machen,  abschaffen 
(im  15.  Jh.  ein  urtel  uf heben,  bei  Luther 
allgemein);  {mit  einem  a.)  abrechnen.  Refl. 
sich  a.:  sich  gleichkommen,  eig.  beim  Wiegen 
zu  gleicher  Höhe  heben.  Das  veraltete  Part. 
Prät.  auf  gehaben  (dafür  jetzt  aufgehoben,  s. 
heben)  kommt  noch  im  18.  Jh.  in  der  Bed. 
«zm*  Höhe  gehoben,  emporgehoben»  vor  (bei 
Klopstock,  Wieland,  Lessing).  Der  subst. 
Inf.  Aufheben,  n.  hat  auch  die  Bed.:  schau- 
tragendes Hervorheben  vor  andern  (nament- 
lich in  Aufhebens  machen),  eig.  Fechteraus- 
druck von  dem  (oft  mit  prahlerischen  Reden 
verbundenen)  Erheben  der  Waffen  als  Vor- 
spiel des  Kampfes  (bei  H.  Sachs  4,  213  wird 
das  Aufheben  als  ein  Teil  der  Fechtkunst  er- 
wähnt, vgl.  Lessing  10,  239). 

aufhören,  v.:  worauf  hören  (selten,  1691 
bei  Stieler);  in  einer  Tätigkeit  nicht  fort- 
fahren. Li  der  letzten  Bed.  im  Mhd.  zu- 
nächst bloß  hoeren,  wohl  im  Sinne  von  «ge- 
horchen, auf  jemand  hören»,  dann  auch  üf- 
hcBren,  völlig  dui'chgedrungen  im  15.  Jh. 

aufklären,  v.:  klar,  hell  machen  (nament- 
lich refl.,  so  bei  Stieler  1691);  verständlich 
und  deutlich  machen;  (eine  Gegend)  aus- 
kundschaften (in  der  neuern  Heeressprache 
nach  franz.  eclairer);  im  Geiste  erleuchten. 
Nach  dieser  Bed.  das  Part.  Prät.  aufgeklärt 
als  Adj.  «erleuchtet  im  Geiste»,  namentlich 
in  religiösen  Dingen  (1752  von  Wieland  ge- 
braucht, Suppl.  1, 414.  424,  vgl.  auch  ReichelS). 
ABL.  Aufklärung:  bei  Adelung  1774,  vgl. 
Ladeudorf  Schlagwb. 

aufknüpfen,  v. :  eine  Schlinge  aufmachen ; 
mittelst  einer  Schlinge,  eines  Stranges  auf- 
henken (bei  Duez  1664,  Fischart  hat  auf- 
knipfen  in  beiden  Bed.,  Garg.  76  u.  458). 

aufkommen,  v.:  in  die  Höhe  kommen, 
mhd.  üfkomen,  ahd.  üfqueman;  zum  Wachs- 
tum,  zur  Gesundheit   kommen  (auch  schon 


105 


aufkrampen 


aufrecht 


106 


mhä.);  zum  Dasein  kommen:  üblich  werden 
(frühnhd.). 

auf  krampen,    v.:    die  Krampe  (s.  d.) ! 
öffnen,  um  die  Thüi'  aufzumachen.     Bei  Toß 
Luise  3,  203  aus  dem  Xdd. 

auf  krampen  (bei  Goethe  26,  299  auf-  i 
krempen  i,  v. :  in  die  Höhe  krümmen  oder 
biegen,  z.  B.  den  Hutrand.  Aus  dem  Xdd.  i 
im  17.  Jh.  eingedrungen  Tbei  Rädlein  1711). 
Mnd.  upkrempen  «sich  in  die  Höhe  biegen». 
ABL.  auf  krämpeln,  v. :  in  gleicher  Bed., 
1793  bei  Adelung. 

aufkratzen,    v.:     durch    Kratzen    auf- 
machen; durch  Kratzen  fiisch  machen  rfriih-  ■ 
nhd.);  aufputzen  i  namentlich  sich  a.):  in  gute  : 
Stimmung  versetzen   {aufgekratzt  bei  Kind-  ■ 
leben  1781   als  studentisch).  i 

Auflage,  f.  f PI.  -n) :  (im  Kanzleistil)  amt- 1 
Ucher  Auftrag  Tfrühnhd. ) ;  der  Obrigkeit  zu 
Entrichtendes,  namentlich  an  Geld  i  frühnhd ) ; 
Zusammenkunft  der  Handwerker,  eig.  inso- 
fern in  ihr  die  Beiträge  zu  entrichten  sind 
(Adelung  1774);  Beschuldigung  (bei  Luther  6, 
6''  Jen.);  die  zusammen  gefertigten  Abdrücke 
einer  Schrift  als  aus  der  Presse  hervorge- 
cranofen  und  zum  Verkaufe  zur  Messe  auf- 
gelegt  (bei  Frisch  1712j. 

auf  lassen,  v. :  in  die  Höhe  lassen,  mhd. 
üflä^en:  feierhch  aufgeben  (s.  d.)  und  einem 
andern  übertragen,  z.  B.  ein  Lehen  (mhd., 
auch  mnd.  upläten  im  Sachsensp.);  (ein  Berg- 
werk) zu  bearbeiten  aufgeben,  verlassen  (Frei- 
berger  Bergi-echt  des  14.  u.  15.  Jh.).  | 

Auflauf,  m.  {-es,  PI.  Aufläufe) :  geschwin- 
des in  die  Höhe  Gehen;  über  und  zugleich 
unter  Kohlen  in  die  Höhe  gehendes  Gericht; 
Zusammenlaufen  von  Menschen,  besonders 
feindseliges,  Aufruhr,  mhd.  üflouf.  ' 

auflaufen,  v.:   l)  intrans.  sich  mehrend  j 
anwachsen,    mhd.  üfloufen-.   aufkeimen:    an-' 
schwellen  (auch  schon  mhd.) :  ( in  der  Schiff- 
fahrt) sich  auf  dem  Grunde  festfahren.  2)trans. 
durch  Laufen  öffnen,  wund  laufen.  ; 

auflehnen,  v. :  von  der  senkrechten  Rich- 
tung auf  einen  Halt  Gebendes  abweichen. 
Refl.  sich  a.,  auch  in  der  Bed.  «sich  zum 
Widerstand  entgegenwenden».  ^[hd.  üßeinen, 
in  md.  Quellen  auch  üflenen.  Bei  Luther 
aufflehnen,  bei  Obd.  bis  ins  17.  Jh.  aufleinen, 
vgl.  ablehnen.  ' 

aufmachen,  v.:  in  die  Höhe  richten,  mhd. 
üfmachen:  aufspielen  ifiühnhd.);  offen  machen 
(bei  Lutherj.  Refl.  sich  a.:  sich  erheben,  auf 
den  Weg  machen  (schon  mhd.). 


aufmutzen,  v.:  (fi-üher)  reines  schönes 
Aussehen  geben,  aufputzen,  mhd.  üfmutzen, 
wie  auch  das  einfache  mutzen  diese  Bedeutung 
hat  rfi'ühnhd.  namenthch  von  Waren,  z.  B. 
1537  bei  Dasypodius  auffmutzen  zum  kauff): 
(dann)  als  vorzüglicher  (in  die  Augen  fal- 
lender) nennen,  herausstreichen,  doch  auch 
als  ungut,  zum  Tadel  herausstreichen  ( Luther 
Sir.  1-3,  27):  (mit  Dat.)  einem  etwas  mit  Xach- 
dnick  vorhalten  oder  zum  Vorwurf  machen 
(schon  fiühnhd.).     S.  mutzen. 

aufnehmen,  v.:  l")  trans.  in  die  Höhe 
nehmen,  mhd.  üfnemen  (daher  es  mit  einem 
a.  «  es  auf  einen  Streit  mit  jemand  ankommen 
lassen»,  eig.  die  Waffen  erheben,  um  mit  je- 
mand Kampf  zu  beginnen,  vgl.  Aufhellen): 
bei  sich  zulassen,  Eintritt,  Raum  usw.  ge- 
währen (auch  schon  mhd.);  an  sich  nehmen, 
z.  B.  entliehene  Gelder  (mhd.  üfnemen  «in 
Besitz  nehmen,  einnehmen »J :  angreifen,  um  zu 
beginnen,  z.  B.  eine  Arbeit:  entwerfen,  z.  B. 
ein  Büd,  eine  ürkutuJe :  geistig  auffassen  und 
beurteilen,  z.  B.  gut  a.  (bei  den  Mystikern 
ist  üfnemen  '< erkennen//).  2)  intrans.  (ver- 
altet) zunehmen,  gedeihen  (auch  mhd.l  Da- 
von der  subst.  Inf  Aufnehmen,  n.,  nament- 
lich in  i)i  A.  bringen,  woföi-  jetzt  gewöhnlich 
in  Aufnahme   brvigen  gesagt  wird. 

auf  neu,  v.:  aufbringen,  in  die  Höhe 
bringen,  bessera,  mehren.  Schweizerisch  (bei 
G.  Keller,  Schweiz.  Id.  1,  123  seit  1424  be- 
legt). Älternhd.  auch  aufen,  mhd.  v.fen,  ahd. 
üffan  und  üßn  neben  kiüffinm,  ags.  uppian. 
Zu  ahd.  mhd.   üf  «auf». 

aufpassen,  v.:  l)  intrans.  worauf  acht- 
habend warten:  worauf  achthaben.  Früh- 
nhd. (H.  Sachs  Fab.  196,  92).  2)  trans.  wo- 
zu passend  machen.     S.  passen. 

aufpausen,  v.:  (die  Backen)  aufblasen 
1678  bei  Krämer.  Zu  pausest,  oberd.  pfausen 
«blasen,  pusten».    Vgl.  aufbauschen. 

aufl'appelu,  refl.  v. :  sich  von  sitzender 
oder  liegender  Stellung  empomchten,  auch 
bildlich.  Seit  dem  18.  -Jh.  übliches  Wort 
(bei  Goekingk  2,  227)  mit  ndd.  Lauten  für 
hd.  aufraffeln  (bei  Luther),  abgeleitet  von 
aufraffen  (wofüi-  Stieler  1691  aufrappen  hat, 
das  auf  mnd.  uprappen  beruht). 

aufrecht,  adj.  und  adv. :  in  die  Höhe 
gerichtet,  in  die  Höhe  gerade,  mhd,  ahd.  üf- 
reht  (s.  recht) :  geradsinnig,  offenherzig  (auch 
schon  mhd.).  In  dieser  2.  Bed.  aber  schon 
im  18.  Jh.  völlig  verdrängt  durch  aufrich- 
tig,   mhd.   üfrihtic,    das   auch   zuerst  jene 


107 


aufreiben 


Aufsehen 


108 


1.  Bed.  von  aufrecht  hatte  (mhd,  und  bei 
Luther  Pred.  1,  30.     Apostelg.  14,  10). 

aufreiben,  v. :  durch  Reiben  öffnen ;  durch 
Eeiben  verbrauchen;  (dann,  wie  zermalmen) 
zugrunde  richten,  vertilgen  (friihnhd.,  z.  B. 
bei   Murner  Karr.   10,  31    und  bei  Luther). 

aufrichten,  v.:  zur  Höhe,  emporrichten, 
mhd.  vfnhfen,  ahd.  üfrihtan;  ins  Werk  setzen, 
zu  Dasein  und  Bestehen  bringen;  aus  ge- 
drückter Stimmung  in  eine  das  Gemüt  er- 
hebende versetzen.  Refi.  sich  a. :  sich  empor- 
richten; sich  aus  gedrückter  in  gehobene 
Stimmung  versetzen  (J.  Faul  Hesp.  2,  168). 

aufrichtig,  s.  aufrecht. 

aufrücken,  v. :  in  die  Höhe  rücken,  höher 
rücken,  mhd.  üfrücken,  -rucken,  ahd.  (Notker) 
üfrucchen:  (mit  Dat.  der  Person)  beschwerend 
und  empfindlich  bemerkbar  machen  (in  md. 
Quellen  des   15.  Jh.  und  bei  Luther). 

Aufruf,  m.  {-es,  PI.  -e):  Ruf  zur  Erhe- 
bung, Meldung  usw.,  sowie  ein  diesen  Ruf 
enthaltendes  Schriftstück.  Erst  bei  Adelung 
1774  als  Handlung  des  Aufruf ens,  doch  schon 
mnd.  uprop  m.  «Berufung». 

Aufruhr,  m.  {-s,  PI.  -e):  heftige  Bewe- 
gung, besonders  eine  feindsehge  Unterge- 
ordneter gegen  Übergeordnete.  Im  15.  Jh. 
üfruor  f.,  zusammengesetzt  mit  mhd.  ruore, 
ahd.  hruora  f.  «Bewegung»,  s.  Ruhr  und 
rühren.  Älternhd.  überwiegt  noch  das  F. 
(das  M.  zuweilen  bei  Luther  und  bei  Alberus 
Dict.  dd  2^*  voll  vffrhurs),  auch  im  17.  Jh. 
voi'kommend  (Gryphius  Trauersp.  360)  und 
noch  1755  von  Dornblüth  S.  828  verlangt. 
Bei  Herder  24,  462  der  seltene  Plm\  Auf- 
rühre. ABL.  Aufrührer,  m.  (um  1480 
im  Yoc.  ine.  teut.  b  2^  auffrurer).  aufrüh- 
risch,  adj.  (bei  Luther  auffrurisch),  wofür 
später  aufrührerisch  (Heynatz  1775). 

aufs,  zusammengezogen  aus  auf  das.  Schon 
mhd.  üfe^,   ä/j,  zusammengez.   aus  üf  da^. 

aufsagen,  v.:  der  Reihe  nach  hersagen 
(frähnhd.);  als  aufhörend  ansagen,  aufkün- 
digen, mhd.  üfsagen. 

aufsässig,  adj.  und  adv.:  feindselig  ge- 
sinnt gegen  jemand  und  nach  seinem  Schaden 
trachtend.  Mit  Kürzung  des  Vokals  von 
einem  nicht  zu  belegenden  mhd.  üfsäge  f. 
«Hinterhalt,  Lauern  auf  jemand»  (vgl.  das 
einfache  säge  f.  in  gleicher  Bed.  und  mnd. 
upsäte  f.  «Anschlag,  hinterlistiger  tlberfall»). 
Frühnhd.  (H.  Sachs  13,  150,  27),  aber  spä- 
ter  durch   aufsätzig  (s.  d.)  zurückgedrängt; 


Adelung  1793,  Heynatz  1796  und  noch  Campe 
1807   erklären  a.  für  unrichtig. 

Aufsatz,  m.  (-es,  PI.  Aufsätze) :  (veraltet) 
Nachstellung,  lauernde  Feindschaft,  mhd.  fif- 
saz  m.;  auferlegtes  Gebot  (Luther  Matth.  15, 
2  usw.,  mhd.  üfsaz  ist  «Gesetz,  Festsetzung, 
Bestimmung,  namentlich  schriftliche»);  (dar- 
aus abgeschwächt)  in  zusammenhängenden 
Sätzen  schriftlich  Verfaßtes  (bei  Ludwig  1716); 
zur  Erhöhmig  und  Verzierung  aufgesetztes  Ge- 
bilde (Kant  7,  187  H.).  ^Biv-^aufsätzig, 
adj.:  feindselig  gesinnt  (nach  der  1.  Bed.  von 
A.).  Spätmhd.  üfsetzic  «hinterhstig,  ver- 
schlagen», so  auch  1482  im  Voc.  theut.  c  1* 
aufsetzig,  im  16.  Jh.  dann  «Nachstellung  be- 
reitend, feindselig»,  vgl.  aufsässig. 

aufschieben,  v.:  durch  Bewegung  zur 
Seite  oder  aufwärts  öffnen;  zeitlich  hinaus- 
rücken, mhd.  üfschiehen.  —  Aufschub,  m. 
{-es,  PI.  Aufschübe) :  zeitliche  Hinausrückung. 
Mhd.  üfscMqj  m. 

Aufschlag,  m.  [-es,  PI.  Aufschläge):  auf- 
treffender Schlag;  klappenartig  umgeschla- 
gener Teil  eines  Kleidungsstückes  (Krämer 
1678);  rasch  öffnendes  Voneinandei'legen ; 
schnelle  mit  Schlagen  verbundene  Errich- 
tung; rasche  Bewegung  in  die  Höhe;  Stei- 
gerung des  Preises;  Auflage  durch  Besteue- 
rung, namentlich  ei'höhte  (mhd.  üfslac  m. 
«Erhöhung  einer  Abgabe,  des  Preises»). 

Aufschluß,  m.  {-sses,  PI.  Aufschlüsse): 
Offnen  mittelst  eines  Schlüssels;  Aufkläning 
über  etwas  (mhd.  üfslug  m.  «Auflösung 
eines  Rätsels»). 

aufschneiden,  v.:  zum  Offensein  schnei- 
den; woi'auf  einschneiden;  (eig.  mit  dem  großen 
Messer  a.  d.  i.  wohl  «mit  dem  Weidmesser», 
übertreibende  Jagdgeschichten  erzählen,  oder 
S.V.W,  große  Stücke  auftischen,  vgl.  Borchardt- 
Wustmann  32  mit  Beleg  von  1621,  auch  Mo- 
scherosch  Phil.  1,  149)  in  Reden  lügenhaft 
großtun.  Davon  Aufschueider,  m. :  lügen- 
hafter Großtuer  (1646  bei  Moscherosch  2, 107). 
Aufschneiderei,  f.(Opitz  1, 251).  aufschnei- 
derisch, adj.  (Grimmeishausen  Simpl.  114). 

aufschnoppern  (bei  Goethe  33,  168  auf- 
schnohern),  s.  schnoppern. 

aufschrecken,  v. :  furchtsam  auffahren. 
Mhd.  üfschrecken  «aufhüpfen».  Dagegen 
trans.  aufschrecken,  v. :  furchtsam  auffahren 
machen,  mhd.  üfschrecken,  s.  schrecken. 

Aufschub,  s.  aufschieben. 

Aufsehen,  n.  {-s),  substantivierter  Inf. 
des  V.  aufsehen:    Schauen   auf  etwas,   Auf- 


109 


aufsetzen 


aufwerfen 


110 


merksatnkeit,  Acht  (Luther  Weish.  Sal.  3, 
9,  schon  spätmhd.  tifsehen  n.j:  die  dm-ch 
einen  auffallenden  Vorgang  hei'vorgerufene 
Aufmerksamkeit,  staunende  Verwundening 
(namentlich  in  Ä.  machen,  bei  Ludv?ig  1716). 
In  der  1.  Bed.  ist  Aufsehen  jetzt  dm-ch  Auf- 
sicht f.  verdrängt,  das  erst  im  16.  Jh.  vor- 
kommt (ßingwaldt  laut.  "Wahrh.  311). 

aufsetzen,  v. :    in  die  Höhe  setzen  oder  | 
richten;  worauf  setzen,  mhd.  üf setzen,  ahd,  | 
üfsezzan;    aufs    Haupt    setzen;    aufs    Spiel  i 
setzen  (spätmhd.,  noch  bei  Schiller  Picc.  4, 
1):  (nach  der  1.  Bed.  von  Aufsatz)  verleiten, 
täuschen,  eig.  Nachstellung  bereiten  (Luther 
2.  Kön.   18,  29.   19,   10);  "(nach  der  2.  Bed. 
von  Aufsatz)  festsetzen,  bestimmen,  anordnen 
(Luther  Mark.  7,  13  und  schon  mhd.);  schrift-  ; 
lieh  entwerfen  (bei  Ludwig  1716). 

Aufsicht,  s.  Aufsehen. 

aufspielen,  v.:  ein  musikalisches  Spiel 
beginnen  (bei  Stieler  1691).  Refl.  sich  a.: 
sich  in  einer  angenommenen  Eigenschaft  zei- 
gen (in  der  neuern  Sprache,  vom  Schau- 
spiel ausgehend). 

Aufstand,  m.  {-es,  PI.  Aufstände):  Er- 
hebung vom  Platz  oder  Lager,  namentlich 
mehrerer,  spätmhd.  üfstant  m.:  Erhebung 
gegen  die  Obrigkeit  (bei  Duez  1664). 

aufstecken,  V.:  in  die  Höhe  stecken,  mhd. 
üf stecken-,  worauf  stecken;  ein  Ende  machen 
womit,  aiifgeben  (in  der  neuem  üingangs- 
sprache,  wohl  eig.  Handwerkswort,  eine  Ar- 
beit, die  man  nicht  fortsetzt,  in  der  Höhe 
befestigen,  vgL  an  den  Nagel  hängen,  viel- 
leicht auch  vom  Aufheben  der  Eßgeräte, 
vgl.  1767  im  Bremisch-ndsächs.  Wörterb.  den 
lepel  upstecken  «sterben»,  Löffel  am  Hut  bei 
H.  Sachs  Fab.  855,  25). 

aufstöbern  (bei  Luther  aufsteuhern),  s, 
stöbern. 

Aufstreich,  m.  (-es,  PI.  -e)-.  öffentlicher 
Zuschlag  auf  Meistgebot  (Schiller  Räuber  1,  2. 
2,  1).  Gegensatz  Abstreich  (s.  d.).  Von  attf- 
str eichen,  v. :  zu  Mehrgebot  ausrufen,  ein 
Mehrgebot  schlagen. 

aufstutzen,  v. :  äußerlich  vor  anderm  zier- 
lich machen  (bei  Adelung  1774).  S.  ^stutzen. 
Bei  Lessing  5,  324  usw.  unrichtig  aufstützen. 

Auftrag,    m.    (-es,   PI.    Aufträge):    was 
aufgetragen  wird:  Befehl.     Dies  im   17.  Jh. 
(Zesen  Jbr.  207)  von  auftragen  in  der  Bed,  j 
«anempfehlen»  (mhd.  üftragen,  bei  den  My- 
stikern, ist « darbringen  »,  dann  in  der  frühnhd. 


Rechtssprache  «übertragen,  verleihen»,  vgl. 
aufgehen ,  auflassen). 

auftreiben,  v.:  in  die  Höhe  treiben,  mhd. 
üftrthen:  aus  der  Ruhe,  von  der  Stelle  trei- 
ben, z.  B.  Wild  (mhd.  uftriben  ist  auch  «auf- 
scheuchen, beunruhigen»);  (darnach)  durch  an- 
gestrengtes Suchen  sich  verschaffen  (frühnhd., 
1618  bei  Schönsleder;. 

auftreten,  v. :  l)  intrans.  auf  den  Boden 
treten,  mhd.  üftreten:  sich  öffentlich  zeigen 
(auch  schon  mhd.):  sich  in  einer  Ai*t  und 
Weise  öffentlich  benehmen  (im  18.  Jh.)  2)  trans. 
durch  Treten  öffnen. 

Auftritt,  m.  (-es,  PI.  -e):  Tritt  in  die 
Höhe  (mhd.  üftrit  «die  Höhe  selbst»);  Tritt 
auf  den  Boden:  öffentliches  Ei'scheinen;  der 
Unterabschnitt  eines  Bühnenstückes,  die  Szene 
(seit  Christian  Weise  j  1708,  vgl.  Aufzug)  und 
davon  dann,  wie  franz.  scene,  «auffallender 
Vorgang»  (Ew.  v.  Kleist). 

auftrumpfen,  v.:  (mit  Dat.)  durch  ge- 
wichtige Reden  einem  zusetzen  (Schiller  Kab.  1, 
l),  eig.  einen  Trumpf  auf  eine  niedere  Karte 
werfen.  Bei  Rädlein  1711  (schon  im  16.  Jh. 
aufdrumpfen  Crecehus  64). 

aufwägen,  v.:  in  der  Wage  zur  Höhe 
biingen;  gegen  andi-es  schwerer  ins  Gewicht 
fallen.  Dafür  seit  dem  18.  Jh.  auch  aufwiegen 
(s.  u'iegen).  Mhd.  üfwegen  ist  intrans.  «sich 
in  die  Höhe  bewegen»,  trans.  «in  die  Höhe 
heben,  mittelst  der  Wage  piüfend  messen». 

Aufwand,  m.  (-es):  was  aufgewandt  wird, 
besonders  insofern  es  viel  ist.  Bei  Steinbach 
1784.  Jange  Bildung  von  dem  V.  aufwenden: 
zu  einem  Zwecke  verwenden,  vgl.  Versand 
zu  versenden. 

aufwarten,  v.:  urspr.  in  die  Höhe  oder 
auf  etwas  schauen,  vgl.  warten;  (mit  Dat.) 
des  Befehls  gewärtig  bedienen  (so  schon 
spätmhd.  üfwarten):  zu  Dienste  sein,  na- 
mentlich bei  Hofe  (Opitz  Poet.  8,  Chr.  Weise 
Erzn.  113):  besuchen,  um  seine  Ehrerbietung 
zu  bezeigen  ('Weise  Erzn.  28).  ABL.  Auf- 
wärter,  m. :  Diener,  namentlich  bei  Tisch 
(bei  Fischart  Garg.  201  auffwarter  «höfischer 
Diener,  Hofmann»). 

aufwärts,  adv.:  zur  Höhe,  in  die  Höhe. 
Mhd.  f(fwert,  im  15.  Jh.  auch  mit  der  ge- 
nitivischen adv.  Endung  -es  üfwerts  vfwarts. 

aufwerfen,  v.:  in  die  Höhe  werfen, 
heben  oder  ziehen,  mhd.  üf  werfen;  durch 
Werfen  öffnen  (auch  schon  mhd.);  aufstel- 
len,   zur    Erledigung    vorlegen    (häufig    bei 


111 


aufwichsen 


Auge 


112 


Luther);  zu  hervorragender  Stellung  erhe- 
ben (spätmhd.)  Refl.  sich  a.:  sich  zu  hervor- 
ragender Stellung  erheben,  namentlich  in 
unberechtigter  Weise  (spätmhd.) 

aufwichseil,  v.:  mit  Wachs  glänzend 
machen,  aufputzen;  (in  der  Studentensprache, 
übertragen  vom  A.  der  Kanonenstiefel,  vgl. 
Wichs)  in  die  Augen  fallend  herausputzen 
(bei  Augustin  1795);  (ebenfalls  studentisch) 
zu  einem  Zechgelage  oder  glänzender  Be- 
wirtung vorsetzen,  auftragen  lassen  (bei  J.  M. ' 
Miller  Walther  148  ein  Hospiz  aiifwixen, 
bei  Tieck  in  Musäus'  Straußenfedern  4,  5 
man  h'auche  das  Geld  um  aufzuwichsen  und 
er  wichste  auf,  bis  das  Geld  alle  war;  schon 
bei  Kindleben   1781). 

aufwiegeln,  v.:  zur  Erhebung  gegen 
jemand  vermögen;  nach  und  nach  heftig 
aufregen,  -wiegeln  ist  eine  Ableitung  von 
icegen  (s.  wägen)  und  bedeutet  eig.  «in  Be- 
wegung bringen»;  mhd.  kommt  einmal  ein 
intr.  wiegelon  «wanken»  vor,  vgl.  auch  ahd. 
kewigilit  «instruit».  Das  Wort  erscheint  am 
Anfang  des  16.  Jh.  und  zwar  zuerst  in  der 
Kanzleisprache  {aufwigler  Reichsordnungen 
148  V.  J.  1529,  aufwigeln  bei  Lilienci'on  4, 
579,  Mathesius  Luther  49^,  verzeichnet  bei 
Maaler  1561),  vgl.  auch  die  Adj.  aufwegig 
(Franck  Chr.  26 ^'j  Aventin),  aufwegisch  «auf- 
rührerisch». Gleichbedeutend  mit  aufwiegeln 
erscheint  im  16.  u.  17.  Jh.  auch  aufwickeln. 
aufwiegen,  s.  aufwägen. 
aufziehen,  v.:  l)  trans.  in  die  Höhe 
ziehen,  mhd.  ufziehen,  ahd.  üfziohan;  her- 
anziehen, bei  der  Entwicklung  leiten,  z.  B. 
Kinder  (auch  mhd.);  zum  Tanz  auffordern 
(16.  Jh.);  auf  etwas  ziehen;  durch  Ziehen 
öifnen;  hinziehen,  aufhalten  (schon  mhd.  und 
bei  Luther);  (wohl  nach  der  veralteten  Bed. 
foltern,  eig.  durch  In  die  Höhe  ziehen,  vgl. 
triezen)  necken,  verspotten  (Ayrer  423*', 
Opitz  1,  186).  2)  intrans.  sich  erheben,  in 
der  Höhe  bewegen,  z.  B.  der  Mond  zieht  auf; 
einhergezogen  kommen  (Opitz  Ps.  75). 

Aufzug,  m.  (-es,  PI.  Aufzüge) :  das  In  die 
Höhe  ziehen  und  was  dazu  dient  (mhd.  üf- 
zuc  «Vorrichtung  zum  Aufziehen»);  als  Grund 
eines  Gewebes  beim  Weben  aufgespanntes 
Garn;  (vom  Aufziehen  des  Vorhanges  der 
Schaubühne)  Hauptabschnitt  eines  Bühnen- 
stückes, Akt  (im  17.  Jh.  oft  im  Sinne  unseres 
Auftritt,  z.  B.  bei  Harsdörfer  Gesprächsp.  2, 
332.  3,  369,  Andr.  Gryphius) ;  feierliches  Auf- 
treten von  Personen  in  einer  Schauhandlunar 


(Zincgref  Ap.  2,   96);    äußere    Erscheinung, 
Bekleidung  (Krämer  1678). 

Augapfel,  -braue,  s.  Auge. 

Auge,  n.  (-S,  PI.  -n):    Sehwerkzeug  des 
menschlichen  und  tierischen  Körpers;  Knospe 
einer    Holzpflanze    (Hohelied   2,  18.    7,   12); 
schwimmender    Fettropfen;    Zahlpunkt    auf 
dem    Würfel     (daher    die    Redensart:     auf 
seinen  5,  9,    11   usw.  Augen  stehen  bleiben, 
gleichsam   «bei   der  geworfenen  Zahl  recht- 
haberisch, eigensinnig  beharren»).    Mhd.  ouge, 
ahd.  ouga   n. ;    dazu    asächs.  öga,    ndl.  oog, 
afries.  äge,  ags.  eage,  engl,  eye,  anord.  auga, 
schwed.  öga,  dän.  öie,  got.  augö  n.    Füi-  ur- 
verwandt hält  man  gewöhnlich  abulg.  oko  n, 
lit.  akis  f.,  arm.  akn  m.,  lat.  oculus  m.,  gr. 
öcce  (aus  ÖK^e)  Dual  (auch  öq)9a\|Liöc),  aind. 
aksi  n.  «Auge»;  den  für  zu  erwartendes  a  in 
got.  augö  eingetretenen  Diphthong  au  pflegt 
man  durch  Anlehnung  an  ausö  n.  «Ohr»  zu 
erklären.     Doch   befriedigt  dies   nicht,   und 
die  Gleichung   ist   daher  besser  aufzugeben. 
Erklärungsversuche   bei  Osthoff'  Btr.  8,  362; 
Stokes  KZ.  45,  151  f.,  Zupitza  Germ.  Gutt.  79 
(stellen  es  tadellos  zuir.  uag  f.  «Höhle,  Grab» 
aus    augä),    Uhlenbeck   Got.  WB.  s.  v.   (zu 
aind.  öhate  «wahrnehmen,  beachten»,  ebenfalls 
möglich),   Hirt  Btr.  22,  231    (zu  gr.  ÖTTiUTrri) 
u,  a.    Eine  Entscheidung  ist  nicht  zu  treffen, 
doch   sollte   man   sich   von   dem  Wahn  los- 
machen,   daß   äuge    zu   lat.   oculus   gehören 
muß.    Das  Wort  flektiert  im  Mhd.  schwach, 
■  doch  im  Sg.  mit  den  Nebenformen  Gen.  ouges, 
\  Dat.  ouge,  danach   schon   älternhd.  fast   aus- 
j  schließlich   Auges,   Auge.     Der   PI.  bewahrt 
I  die   schwache  Flexion.     ABL.  äugeln,  v. : 
I  freundlich,   zärtlich   zublicken,   mhd.  äugeln 
j  (als    subst,  Inf.)    «Liebäugeln»;    trans.  «das 
i  Auge   eines  Baumes   in   die   aufgeschnittene 
Rinde  eines  andern    setzen,   okulieren»   (bei 
Stieler    1691    eiigelen).      Nach    der    1.    Bed. 
Augeier,  m. :  Augendiener  (Goethe  Reineke 
9,  76  nach  mnd.  ögeler).  äugeu,  v. :  blicken, 
\  schauen  (vom  Wilde).    Mhd.  öugen  ist  trans. 
!  «sehen lassen»,  während  vanä.ögen  auch  «sehen, 
i  schauen»  ist  (bei  Stieler  1691  auseugen).  Vgl. 
aucheigen.  -äugig,adj.:  Augenhabend  inein-, 
j  schwarz-,  blau-,  triefäugig  usw.    ZUS.  1)  mit 
I  Aug- :  Augapfel,  m. :  die  häutige,  das  Licht 
empfangende  Kugel  im  Auge ;  Liebstes,  was 
man  sorgfältig  schützt  wie  das  Auge.     Mhd. 
ougapfel,  ahd.  ougaphul,  auch  bloß  aphul  m.; 
'  dazu    ndl.  oogappel,    ags.  eagappel  m.,   engl. 
eyeapple.     Augbraue,   -punkt,  s.  Augen- 


113 


Auge 


Auktion 


114 


braue,  Augenpunkt.  2)  mit  Augen- :  Augen- 1 

arzt,  m.:  in  Vokabularen  des   15.  Jh.  oug-  \ 

arzet,    augenarczt  Diefenbach   nov.  gl.  270*. ! 

AugeuMick,  m.-.  Blick  der  Augen;  kleinste, ' 

einem   Blick   der   Augen   gleiche    Zeitdauer,  j 

Mhd.  ougenUic  m.,   im    12.  Jh.  noch   ougon  j 

hlich,  also  Zusammensetzung  mit  dem  Gen.  ! 

>>  •  •  I 

PI.  ahd.  ougono.  Davon  das  genetivische  Adv. ; 

augeu])licks,  frühnhd.,  und  das  Adj.augen- 

l)licklicll,  mhd.  ougenblicklich  neben  ougen- 
hlickic.    Augenbraue,  Augeubraune,  f. 

(beide  Formen  bei  Goethe),  selten  Augen- 
braue f.  (Herder  krit.  Wälder  1,  176),  Augen- 
braun n.  (Schiller  Räuber  4,  3)  und  Augen- 
bran  n.  (Herder  Humanität  6,  54),  auch  in 
älterer  Zusammensetzung  Augbraue,  Aug- 
hraune  f.  und  Aughraun  n.  (alle  drei  Formen 
bei  Goethe,  die  letzte  Naturw.  Sehr.  1,  XTVT!): 
Haarstreifen  quer  über  den  Augen.  Älhd. 
ongebrä,  mich'ä,  ahd.  ouchrä  f.;  dagegen 
anord.  augabrün  f.  (s.  Braue).  Spätmhd.  er- 
scheint auch  ougenhrä  und  in  frühnhd.  Glos- 
saren neben  aug-,  augenbraw  (mit  Antreten 
des  n  der  obliquen  Kasus)  oug-,  ougenbrähen, 
-hrän,  -brawen,  worauf  die  spätem  Formen 
Äug-,  Augenhraune,  -hrane  f.,  Aug-,  Augen- 
braun, -bran  n.  beruhen.  Stieler  1691  führt 
auch  Augenhrame  f.  an,  was  später  z.  B. 
Gesner  gebraucht,  aber  schon  1615  bei  Al- 
bertinus  Landstörzer  379  Augenbräm  (Ver- 
mischung mit  Brame  «Rand»,  s.  d-)-  Bei 
Luther  erscheint  im  PI.  die  augbrün  (Hiob 
3,  9),  an  den  Augh-unen  (3.  Mos.  14,  9). 
Augendiener,  m.:  Schmeichler.    Fiühnhd. 

(um  U80  Voc.  ine.  teut.  b  2*^).  Augen- 
glas, n.:  verschärfendes  Glas  für  die  Augen, 
BriUe,  im  15.  Jh.  aug-,  augenglas  n.  Augen- 
licht, n.:  Sehkraft;  (dichterisch)  Auge,  im 
17.  Jh.  Augenlid,  n. :  Augendeckel.  Zu- 
sammenges.  mit  mhd.  lit  (Gen.  lides),  ahd. 
Mit  n.  «Deckel»,  mhd.  ougelit  n.,  engl,  eyelid. 
Augenmerk,  n.,  auch  m.  (bei  Goethe): 
Ziel  der  Augen  (Drollinger  66).  Augen- 
punkt, auch  Augpunkt  (Goethe  49,  1,  80, 
schon  bei  Frisch  1712  verzeichnet),  m. :  Ziel- 
punkt des  Sehens,  Gesichtspunkt.  Augen- 
schein, m. :  das  Voraugensein,  Beschauen 
(im  15.  Jh.).  Davon  augenscheinlich,  adj. 
und  adv.:  vor  Augen  klar  (1514  bei  Keisers- 
berg  Trostspiegel  87*'  ougen  scheinlich).  Au- 
genstern, m.:  der  Sehfleck  im  Auge.  Mhd. 
ougesterne  m.  Augentrost,  m.:  die  Pflanze 
euphrasia,  weü  die  Augen  erfreuendes  Wie- 
senblümchen und  von  heilkräftigem  Saft  für 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


dieselben.  In  der  2.  Hälfte  des  15.  Jh.  (1471 
bei  der  Hätzlerin  und  in  Vokabularen,  z.  B. 
Brack  Voc.  rer.  48^).  Augenweide,  f : 
was  die  Augen  dauernd  anzieht  und  erfreut. 
Mhd.  ougenweide,  selten  ougeiveide  f.,  eig. 
«Umherschweifenlassen  der  Augen»,  dann 
«Erquickung  der  Augen».  AugeUTVlnk,  m.: 
(zunächst  s.  v.  a.  Bewegung  der  Augenwim- 
pern und  danach  dann)  wie  Augenblick  als 
Zeitteil.  Im  17.  Jh.  Dafür  mhd.  ougenicanc 
m.  Augenwinkel,  m.:  Eckpunkt,  an  dem 
das  obere  und  untere  Augenlid  verbunden 
sind.  In  Vokabularen  des  15.  Jh.,  z.  B.  1482 
im  Voc.  theut.  c  1^.  Augenzahu,  m.,  Be- 
zeichnung der  beiden  Hundszähne  im  obern 
Kinnbacken,  deren  Wurzeln  nach  dem  Auge 
zu  gehen.  Bei  Maaler  1561  Augzan.  Augen- 
zeuge, m. :  wer  das  zu  Bezeugende  mit  eigenen 
Augen  wahrgenommen  hat.    Bei  Stieler  1691. 

Augit,  m.  {-es,  PI.  -e):  schönglänzender, 
meist  dunkel-lauchgrüner  Stein  aus  dem 
Kieselgeschlechte.  Aus  gr.  lat.  augites  m.  f., 
von  gr.  aufii  f.  «Licht,  Glanz». 

^August,  Mannesname.  Aus  \?ii.  Au gustus, 
dem  Beinamen  des  ersten  römischen  Kaisers 
Octavianus  seit  seiner  Alleinherrschaft  und 
nach  ihm  aller  römischen  Kaiser.  Das  Wort 
ist  das  als  Subst.  gesetzte  Mask.  des  lat.  Adj. 
augustus  «erhaben,  geheiligt»  von  lat.  auger e 
«vermehren,  erheben,  verherrlichen». 

"August,  m.  {-es):  der  achte  Monat  im 
Jahr.  Aus  lat.  augustus,  d.  i.  mensis  Augustus, 
wie  der  Monat  sextilis  nach  dem  Kaiser 
Augustus  genannt  wurde  (Suetonius  Octav. 
31).  Der  ahd.  von  Karl  d.  Gr.  eingeführte 
Xame  ist  aranmanoth  m.,  nhd.  Erntemonat. 
An  SteUe  der  dem  Lat.  angenäherten  Form 
August  findet  sich  älternhd.  Äugst,  mhd. 
ougest  (und  ouivest)  m.  «Erntemonat,  Ernt?»; 
ahd.  kommt  augusto  m.  vor. 

Auguste,  Frauenname,  abgeleitet  von 
dem  Mannesnamen  August  (s.  d.),  eig.  aus 
lat.  augusta,  dem  Fem.  des  Adj.  augustus 
«  erhaben,  geheiligt ».  Davon  das  Dem.  August- 
chen, gekürzt  Chistchen  (oberd.  Chistel,  Schil- 
ler Wall.  Lager  124). 

Auktion,  f.  (PI.  -en) :  Versteigerung.  Aus 
lat.  auctio  (Gen.  auctionis)  f.  «Vermehrung, 
Versteigerung»  von  augere  «vermehren». 
Schon  bei  Rot  1571.  ABL.  auktionieren, 
V.:  versteigern.  Im  17.  Jh.  Aus  lat.  auctio- 
näri  «auf  Mehrgebot  ausbieten,  versteigern». 
Davon  Auktionator,  m.  (-s):  Versteigerer 
aus  nlat.  auctionätor  m. 


115 


Aiirikel 


Ausdruck 


116 


Aurikel,  f.  (PI.  -n)-  Bergschlüsselblume. 
Aus  lat.  aiiricula  f.  «Öhrchen»  (Dem.  von 
lat.  auris  f.  «Ohr»),  wie  man  denn  die  von 
den  Gebirgen  der  Schweiz  und  Steiermark 
stammende  Pflanze,  nach  der  Form  ihrer 
Blätter,  im  Deutschen  auch  genauer  Bären- 
öhrlein  nannte.  Im  18.  .Jh.  aufgenommen 
(1736  bei  Brockes  5,  32). 

aus,  1)  adv.  und  damit  auch  interj.:  von 
innen  her,  hervor,  her  (z.  B.  von  Haus  a., 
von  Grund  a.);  hervor  und  fort  (z.  B.  ein 
und  a.,  Trumpf  a.!);  fort,  weg  (z.  B.  a.  mit 
dir!);  bis  zu  Ende,  zu  Ende  (das  Theater, 
das  Stück  ist  a.).  Dies  Adv.  steht  in  Ver- 
bindung mit  andern  Adv.  wie  hinaus,  durch- 
aus, garaus  und  mit  Subst.  und  Verben,  wo 
es  als  erstes  Wort  den  Ton  hat.  In  der  ver- 
balen Zusammensetzung  bezeichnet  a.  auch 
die  Beendigung  einer  Tätigkeit,  z.  B.  aus- 
hlühen,  austoben,  ausarbeiten,  eine  anhaltende, 
zum  Ziel  kommende  Tätigkeit,  z.  B.  aus- 
dauern,  ausreichen,  auslachen,  ausbilden,  aus- 
prägen, sowie  die  Beseitigung  des  Objekts 
durch  die  Tätigkeit,  z.  B.  ausblasen,  aus- 
füllen, auslöschen,  auswischen.  2)  Präp.  mit 
Dat.:  von  innen  hervor,  von  —  her  (im  Ge- 
danken an  das  Innere);  entnommen  (z.  B. 
einer  a.  dem  Volke):  hervorgegangen  oder 
veranlaßt  durch  —  (a.  Gottes  Befehl,  bei 
Luther;  a.  Kummer,  a.  Not).  Mit  Übergang 
von  5  in  s  (ältemhd.  auch  auß)  aus  mhd. 
ahd.  ü^  adv.  und  (ahd.  noch  selten)  präp.; 
dazu  asächs.  üt  adv.,  mnd.  üt  auch  präp., 
ndl.  uit  präp.,  ags.  anord.  üt  adv.  «her-,  hin- 
aus, außen,  außerhalb»,  engl,  out  adv. ^  schwed. 
ut  adv.  u.  präp.,  dän.  ud  adv.  u.  präp.,  got. 
üt  adv.  Im  präp.  Gebrauch  hat  mhd.  ü^ 
das  ahd.  ar,  ir,  got.  us  verdrängt  (s.  er-); 
fniher  erscheint  es  zur  Verstärkung  vor  an- 
dern Präp.,  z.  B.  got.  üt  US,  ags.  üt  of,  ahd. 
«5  fon.  Verwandt  ist  vielleicht  aind.  ud  als 
Verbalpartikel  «in  die  Höhe,  heraus»,  air. 
ud-,  od-  Verbalpräfix. 

ausbaden,  v.:  fertig  baden.  Redensart 
etwas  a.:  unfreiwillig  abbüßen,  eig.  wohl  s. 
V.  a.  «das  Bad  austragen»,  was  dem  letzten, 
der  im  Bad  betroffen  wurde,  zufiel.  Das 
Gleichnis  ist  schon  im  15.  .Jh.  geläufig,  vgl. 
Hermann  v.  Sachsenheim  Mörin  660  ich  hoff 
es  sol  im  werden  laid  e  man  das  bad  werd 
giessen  uß,  4170  ich  vorcht  zuo  jungst  es 
bring  in  pin,  so  man  das  bad  nsgiessen  iverd. 

ausbeißen,  v. :  durch  Beißen  wegschaffen, 
mhd.  ü^bigen;  durch  Beißen  vertreiben,  z.  B. 


ein  Huhn  aus  dem  Korbe;  (bildlich)  durch 
Gehässigkeit  verdrängen  (schon  bei  Luther). 

Ausbeute,  f.:  (ehedem  z.  B.  Rieht.  5,  29) 
dem  Feind  im  Krieg  Abgenommenes;  (im 
Gegensatz  zu  Einbuße)  Gewinst  als  Ertrag 
wovon,  namentlich  bergmännischer  {Auspeute 
1556  bei  Agricola  de  re  metallica,  Äußbeute 
1562  bei  Mathesius   Sar.  2*'). 

Ausbruch,  m.  {-es,  PI.  Ausbrüche):  ge- 
waltsames Herv'or-  und  Durchdringen,  mhd. 
Umbruch  m. ;  vorzüglichster  "Wein,  nämlich  aus 
Beeren,  die  als  die  reifsten  und  besten  vor 
den  übrigen  an  den  Stöcken  ausgebrochen 
wurden  (urspr.  vom  Ungarwein  zu  Anfang 
des   18.  Jh.,  Brockes  5,  117). 

Ausbund,  m.  (-es,  PI.  -e):  das  Muster, 
Höchste,  Ausgesuchteste  seiner  Art,  eig.  das 
zur  Probe,  zum  Muster  für  den  Käufer  her- 
ausgebundene Schaustück  an  einer  Ware  als 
das  vorzüglichste  Stück  derselben.  Frühnhd. 
(bei  Keisersberg  und  Luther).  Mhd.  kommt 
dafür  überbunt  m.  vor.  ABL.  ausbüudig, 
adj.  und  adv.:  musterhaft,  höchst  (außhündig 
Städtechron.  3,  171   vom  J.  1488). 

Ausbürger,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  wer  an 
anderm  Orte  wohnt,  als  wo  er  erworbenes 
Bürgerrecht  hat.     Spätmhd.  ußburger  m. 

Ausdauer,  f.:  die  Fähigkeit,  eine  An- 
strengung usw.  auszuhalten.  Junge  Bildung, 
noch  nicht  bei  Campe  1807,  deren  sich  Goethe 
1809*  bedient.     Von  ausdauern. 

Ausdruck,  m.  (-es,  PI.  Ausdrücke):  dem 
Innern  entsprechende  bestimmte  äußere  Ge- 
staltung; bestimmte  wörtliche  Bezeichnung. 
Mhd.  (bei  Mystikern)  u^fruc  m.,  das  aber 
später  unüblich  wird;  erst  Ludwig  1716  ver- 
zeichnet wieder  A.  neben  Ausdruckung  (letz- 
teres schon  bei  Luther,  aber  spätmhd.  ü^- 
drückunge  «Ausdünstung»).  —  ausdrücken, 
V.:  herausdrücken,  mhd.  Umdrucken;  drücken 
bis  das  Innere  völlig  heraus  ist,  z.  B.  eine 
Zitrone;  aufdrückend,  äußerlich  gestalten 
(mhd.  vereinzelt);  dem  Innern  entsprechend 
bestimmt  oder  doch  erkennbar  äußern,  be- 
sonders s.  V.  a.  bestimmt  erkennbar,  wört- 
lich bezeichnen  (fnihnhd.  z.  B.  1501  im  Voc. 
opt.  k  5*^  außdrucken  «exprimere,  manifes- 
tare»  imd  bei  Luther).  Ältemhd.  erscheint 
dafür  auch  ausdrucken  (noch  bei  Goethe  2, 
160  usw.  und  bei  Campe  1807),  jetzt  nur 
noch  in  der  Bed.  «fertig  drucken»  oder  «im 
Druck  abnutzen».  S.  drucken.  ABL.  aus- 
drücklich, adj.  und  adv.:  bestimmt  und 
entschieden.    Frühnhd.  (1514  bei  Keisersberg 


117 


aiisecken 


ansgeben 


118 


außirücklich,  ußtrucklich,  1482  im  Yoc.  theut. : 
c  2^  ausgefrucklich).  ansdrnckSTOll,  adj. ' 
und  adv.,  Verdeutschung  von  franz.  expressif 
aus  dem  Ende  des  18.  Jh.  (vgl.  Gombert  7,  9).  | 

auseckeil,  v. :  alle  Ecken  wovon  ermessen  | 
d.  i.  vmtersuchen  oder  ausarbeiten;  sorgsam  i 
(bis   ins    einzelnste)  untersuchen  oder  über- 
denken.    Im   15.  Jh.  (Erb  1,  82). 

auseinander,  ein  die  Trennung  des  einen 
vom  andern  bezeichnendes,  aus  aus  ein  ander 
statt  ein  aus  dem  andern,  also  mit  vorge- 
lückter  Präp.  zusammengeschobenes  Adv.,  das 
häufig  in  der  Zusammensetzung  mit  Subst. 
oder  Verben  erscheint. 

auserlesen,  v. :  mit  genauer  Priifung  aus- 
wählen, mhd.  überlesen.  Davon  das  Part. 
Prät.  auserlesen  und  auserlesen,  auch  s.  v.  a. 
«ganz  vorzüglich»,  mhd.  überlesen.  Die  Vor- 
silbe aus-  ist  hier  untrennbar,  z.  B.  ich  aus- 
erlese. Ebenso  auserkiesen  (im  Präs.  ver- 
altet), mhd.  ü^erkiesen  nur  im  Part.  Prät. 
ü^erkoren,  «auserkoren,  auserwählt,  vorzüg- 
lich»: ausersehen  .  (bei  Duez  1642);  aus- 
erwählen, mhd.  üßerweln  usw.  Dagegen 
in  auserzählen  «bis  zu  Ende  erzählen»  ist 
aus-  trennbar,  z.  B.  ich  erzähle  aus. 

ausfallen,  v.:  l)  intrans.  aus  einem  Innern 
herausfallen,  mh(\.n^vallen:  wegfallen,  unter- 
bleiben; einen  Angriff  nach  außen  machen; 
mit  Worten  empfindlich  angi'eifen  (bei  Campe 
1807);  geraten,  ausschlagen  (beiLudwig  1716), 
eig.  von  dem  Herausg-ehen  des  Züngleins  der 
Wage  nach  der  einen  oder  andern  Seite  (s. 
Ausschlag).  2)  trans.  durch  Fallen  beschä- 
digen oder  entfernen  (auch  schon  mhd).  ABL. 
ausfällig,  adj.  (nach  der  4.  Bed.  von  aus- 
fallen).    Neue   Bildung   (Freytag  Joum.  3). 

ausfenstern,  v.:  tüchtig  ausschelten.  Eig. 
mit  Scheltworten  abfertigen  vmd  zwar  urspr. 
den  nachts  unter  dem  Kammerfenster  eines 
Mädchens  um  Erhörung  flehenden  Liebhaber. 
S.  fenstern.  Erst  bei  Adelung  1793  verzeichnet, 
aber  schon  vorher  in  der  Umgangssprache 
(Schelmufsky  90,  Gottsched,  Lessing  7,  289). 

ausfertigen,  v. :  zur  Ausgabe,  öffentlichen 
Verbreitung  fertig  machen,  z.  B.  eine  Schrift, 
eine  Urkunde.  Spätmhd.  ti^vertigen  «ent- 
senden», vgl.  abfertigen. 

ausfilzen,  v.:  mit  Filz  besetzen  oder  aus- 
stopfen; (dann  da  bei  den  Hutmachem  ßXzen 
«Filz  walken»,  auch  bildlich)  derb  ausschelten, 
gleichsam  mit  Scheltworten  vöUig  bearbeiten 
(schon  bei  Luther). 


ausfindig,  adj.  u.  adv.:  durch  Nach-  und 
Aufsuchen  erkannt  (besonders  in  der  Redens- 
art etwas  a.  machen).  Richtiger  ausfündig 
geschrieben  (so  noch  Adelung  1793),  1482  im 
Voc.  theut.  c  2^  ausfündig  machen  «diffinire», 
abgeleitet  von  ältei-nhd.  Äusfund  m.  «durch 
Nachforschen  gemachte  Erfindung». 

Ausflucllt,  f.  (Tl.  Ausflüchte):  (veraltet) 
Flucht  aus  einem  Orte  (im  15.  Jh.  ußfluchi); 
heimlicher  Ausgang  zur  Entfernung;  (ehedem 
im  Rechte)  Wenden  an  ein  höheres  Gericht 
um  Recht  zu  suchen:  Vorwand  zur  Verteidi- 
gung (schon  um  1500  in  der  Kanzleisprache, 
z.  B.  Janssen  Frankf.  Reichskorr.  2,  625). 

Ausflug,  m.  [-es,  PI.  Ausflüge):  das  erste 
Fliegen  aus  dem  Neste,  dann  überhaupt  aus 
einem  Orte,  mhd.  ü^vluc  m. ;  kleine  Reise  von 
einem  Ort  aus.  In  letzter  Bed.  hat  Adelung, 
auch  Goethe  34,1,413  und  schon  1731  Schnabel 
Insel  Felsenburg  1,  7.  46  Ausflucht  f. 

ausfolgen,  s.  verausfolgen. 

Ausfuhr,  f.:  das  Verfahren  aus  einem 
Ort  anderswohin,  der  Export.  Bei  Rädlein 
1711:  daneben  (noch  bei  Adelung  1793)  auch 
Ausführe.  Von  ausführen  in  der  Bed.  aus 
einem  Orte  führen»,  mhd.  ü^vüe7-en,  ahd, 
(i^fuoran.     Ndl.  uifvoer  m. 

ausführlich,  adj.  und  adv.:  über  alle 
Teile  des  Ganzen  sich  verbreitend.  Fiühnhd. 
(um  1480  im  Voc.  ine.  teut.  b  3^  ausfurlich 
«divertilis»).  Von  ausführen  in  der  Bed.  «bis 
zu  Ende  führen». 

Ausgabe,  f.  (PI.  -»):  das  Von  sich  weg- 
geben   an   jemand;    (im    Gegensatz    zu    Ein- 
nahme) Betrag  des  Geldes,   das  man,  ohne 
,  es  "wäeder  zu  empfangen,  von  sich  gibt,  spät- 
mhd. ü^gabe  f.;  das  Ausgegebene  und  %o  Aus^ 
'  gäbe  eines  Buches,  insofern  dieses  als  in  be- 
stimmter  Zahl   von    Abdrticken    erschienen, 
'  zum  Verkaufe   geboten  ward ,   vgl.  Außage. 

ausgattern,  v. :  heimlich  ausspähen,  urspr. 
durch  ein  Gatter.  Ein  sächs.-thüi-. Wort,  bei  Räd- 
lein 1711  verzeichnet,  dann  bei  Weiße  Jagd  1,2, 
Lessing  Nathan  1,  5  u.  a.    Vgl.  ergattern. 

ausgehen,  v. :  von  sich  weg,  aus  seiner 

Gewalt  geben,  fortgeben,  mhd.  umgeben,  ahd. 

üggeban;   eine   Tochter   verheiraten    (l.  Mos. 

'  29,  26) :  (eine  Schrift,  ein  Buch)  durch  den 

Druck  zum  Verkauf  bringen;   (im  Gegensatz 

zu   empfangen)    selbsttätig   von    sich   geben, 

produzieren  (Goethe  28,  208):  (jemand,  etwas 

,  ICO  für   a.)    eine   Bestimmung    davon   geben, 

j  deren  Zuverlässigkeit  nicht  gesichert  erscheint 

(schon   bei   Luther).      Refl.   sich   a.:    durch 


119 


Ausgeburt 


Ausland 


120 


Geben  des  Geldes  sich  von  diesem  entblößen  j 
(Lessing  1,  514,  Goethe  36,  175).  Intr.  als  in 
natürlicher  Weise  hervorgehenden  Gewinst  j 
von  sich  geben  (1697  bei  Ettner  unwürd.  ; 
Doctor  5),  z.  B.  das  Mehl  gibt  gut  {viel  Brot)  \ 
aus.  Oberd.,  von  Dentzler  1709  verzeichneter  ; 
Ausdruck,  nach  Adelung  1793  nur  im  ge- ' 
meinen  Leben  einiger  Gegenden.  Davon  das 
Adj.  ausgiebig  (bei  Adelung  1793). 

Ausgeburt,  f.  (PI.  -en):  Erzeugnis,  Pro- 
dukt von  etwas,  namentlich  im  Übeln  Sinn. 
Bei  Adelung  1793. 

Ausgedinge,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  das  von 
einem  abgehenden  Wirt  ausbedungene  Alten- 
teil (s.  d.).     Erst  bei  Campe  1807. 

ausgelassen,  Part.  Prät.  von  auslassen 
als  Adj.:  lebhaften  Empfindungen  unein- 
geschränkt hingegeben,  eig.  jedem  Zwang 
entrückt,  freigelassen  (ui'spr.  vom  Vieh,  das 
aus  dem  Stall  auf  die  Weide  gelassen  ist, 
1561  bei  Maaler  ausgelassen  werden  «laxari 
a  vinculis»).  Schon  im  16.  Jh.  (Kirchhof 
Wend.  333^). 

ausgenommen,  adj.,  dann  präp.  mit  Akk. 
und  adv.:  nicht  mitbegriifen.  a.  daß,  wenn, 
wo  erscheinen  als  Konjixnktionen.  Mhd.  wj- 
ge^iomen  ist  ziinächst  Part,  Prät.  von  ü^- 
nemen,  dann  nach  dem  Vorbilde  von  mlat. 
excepto,  frz.  excepte,  im  15.  Jh.  Partikel  und 
zwar  Präp.  mit  Akk.,  welchen  Kasus  bereits 
ausnehmen  ei-foi'dert,  oder  auch  stan-e  Par- 
tikel, auf  die  jeder  andre  Kasus  folgen  kann. 

ausgepicht,  s.  pichen. 

ausgiebig,  s.  ausgehen. 

Ausgleich,  m.  {-es,  PI.  -e) :  Vergleichung, 
Vereinbarung.  Ganz  junge  Bildung  von  aus- 
gleichen, «gleichmachen»,  eig.  durch  eine  nach 
außen  gehende  Tätigkeit  (bei  Stieler  1691, 
der  daneben  auch  eingleichen  hat). 

ausgrätschen  (Goethe  [Egmont]  8,  246): 
auswärts  spreizen.     S.  grätschen. 

aushalten,  v. :  bis  zu  Ende  durchmachen 
(bei  Luther);  ausdauem;  ausstehen,  ertragen; 
Unterhalt  gewähren,  mhd.  ü^halten  «ver- 
pflegen». 

aushändigen,  v.:  aus  der  Hand  geben, 
übergeben.  Kanzleiwort,  1645  bei  Zesen  adr. 
Kos.  19.    Vgl.  einhändigen. 

ausheben,  v. :  durch  Bewegung  in  die 
Höhe  aus  seiner  Lage  bringen  (bei  Luther): 
ausnehmen,  z.  B.  ein  Nest;  (Soldaten)  als 
geeignet  zum  Kriegsdienst  auswählen  (bei 
Adelung  1774):  auswählen  und  vorbringen 
(J.  Paul  Flegelj.   1,  72).     Intr.    sich   heben 


(vom   Hammer   der   Schlaguhr).     Mhd.  nur 
refl.  sich  ü^hehen  «sich  aufmachen.» 

aushecken,  v.:  brütend  aus  den  Eiern 
schlüpfen  machen  (so  1482  außhecken  im  Voc. 
theut.  c  2^);  dann  überhaupt  zahlreiche  Junge 
zeugend  sich  fortpflanzen  (Jes.  34,  15);  (nach 
dem  Sitzen  des  Vogels  über  den  Eiern  bild- 
lich) darüber  heimlich  sinnend  hervorbiingen 
(Stieler  1691). 

ausholen,  v. :  durch  weithin  reichenden 
Schwung  oder  weites  Ausstrecken  führen,  z.  B. 
die  Axt  (5.  Mos.  19,  5),  einen  Schlag  usw.; 
(eine  Person,  Gedanken)  dui'ch  Herauslocken 
ausforschen  (Sir.  13,  14).  Mhd.  ü^Jwln  ist 
«auswählen». 

aushunzen,  v.:  jemand  mit  Worten  be- 
handeln, daß  nichts  Gutes  an  ihm  bleibt 
(Lessing  12,  47).     S.  hunzen. 

Auskehricht,  n.  (-s):  das  Hinausgekehrte. 
Frühnhd.  (1482  im  Voc.  theut.  c  2^  außkerecht 
«Feilspäne,  Hammerschlag»).     S.  Kehricht. 

ausklauben,  v. :  mit  den  Fingern  müh- 
sam auslesen  (mhd.  ü^klühen),  auch  bildlich 
(im  15.  Jh.,  Fastnachtsp.  988,  17).  S.  klauben. 

auskneifen,  v. :  sich  heimhch  davon  (hin- 
aus) machen  (eig.  indem  man  den  Köi-per  zu- 
sammenpreßt, um  nicht  gesehen  zu  werden, 
vgl.  sich  drücken),  nd.  Utkmpen.  In  der  neuem 
Umgangssprache  (urspr.  wohl  studentisch), 

auskommen,  V.:  aus  einem  Innern  heraus- 
komrnen,  mhd.  u^komen,  ahdi.ü^gueman;  sich 
nach  außen  verbreiten,  z.  B.  von  Feuer,  einem 
Gerücht  (auch  schon  mhd.);  bekanntwerden; 
bis  zuEnde  kommen,  (mit  Geldmitteln)  reichen 
(schon  frühnhd.) ;  (mit  einem  a.)  mit  ihm  fertig 
werden,  sich  vertragen  (frühnhd.).  Dazu  der 
subst.  Inf.  Auskommen,  n.  (nach  der  4.  und 
5.  Bed.  von  a.)  und  auskömmlich,  adj.: 
ausreichend  (von  Adelung  1774  als  obd.  Wort 
angeführt,  früher  auskommenlich). 

auskratzen,  v.:  durch  Kratzen  austilgen, 
mhd.  abkratzen:  (in  der  neuern  Umgangs- 
sprache) rasch  weglaufen,  eig.  mit  schan*enden 
Füßen  (bei  Campe  1807),  vgl.  abkratzen. 

Auskunft,  f. :  Weg  und  Kaum  zum  Heraus- 
kommen aus  etwas,  Ausweg  (Goethe  Götz  2); 
Bescheid,  um  sich  in  einer  Sache  zurechtzu- 
finden (bei  Adekmg  1774).  J.BL.  Auskunftei, 
f.:  Auskunftsamt.     In  neuerer  Zeit  gebildet 

Ausland,  n.  {-es):   Land   außerhalb  der 
Heimat.   Erst  nach  1750  aufgekommen  (z.  B 
bei  Klopstock  ,Oden  272,  Goekingk  1,   186) 
nach  Adelung  1793  zwar  im  Ober-  und  Nieder 
deutschen  üblich,   aber  dem  Hochd.  fremd, 


121 


Anslant 


anspntzen 


122 


dagegen  von  Heynatz  1796  empfohlen  (mhd. 
üglant  n.  ist  «außerhalb  der  Gemarkung  ge- 
legenes Gut»,  mnd.  rdland  n.  «Land  außerhalb 
des  Deichs»).  —  Ausländer,  m.:  Fremder, 
aus  der  Fremde  stammender,  spätmhd.  u^- 
lender  m.  ausländisch,  adj.,  spätmhd.  u^- 
lendiscJi. 

Auslaut,  m.  i-es):  der  Schlußlaut  eines 
Wortes.  Wie  Anlaut  (s.  d.)  grammatischer 
Kunstausdruck  Jacob  Grimms. 

auslegen,  v. :  aus  einem  Orte  nach  vomen 
legen,  mhd.  umlegen;  aus  zum  Verkaufe  legen 
(auch  schon  mhd.);  zum  Verständnis  bringen 
(mhd.  nach  lat.  exponere):  für  einen  andern 
bezahlen  gegen  Wiedererstattung  (bei  Ludwig 
1716,  ältemhd.  ist  a.  überhaupt  s.v.  a.  «aus- 
geben, bezahlen»,  so  schon  1501  im  Voc.  opt. 
E  4**  außgelecht  «expensus»,  auch  mnd.  üt- 
leggen,  die  jetzige  Bed.  hat  sich  aus  für  einen 
a.  entwickelt;  dazu  das  Subst.  Auslage  f.: 
ausgelegtes  Geld  (Gombert  7,  10  mit  Beleg 
von  1600);  bei  Kunstarbeiten  von  festem  Stoff 
eingegrabene  Vertiefungen  ausfüllen  (im  1 5.  Jh. 
«verbrämen,  schmückend  besetzen»). 

ausmachen,  v. :  zu  Ende  bringen,  fertig, 
vollständig  machen,  mhd.  üpnachen  (daher 
das  Part.  Prät.  ausgemacht  «vollkommen»); 
zur  Entscheidung  biingen,  namentlich  durch 
Kampf;  (es  mit  einem  a.,  später  auch  einem, 
einen  a.)  zur  Vernichtung  bringen  (bei  Luther, 
vgl.  Garaus);  tüchtig  ausschelten  (frähnhd.^ 
noch  Lessing  4,  411);  durch  Verabredung  fest- 
stellen (bei  Stieler  1691);  ergänzend  zustande 
bringen,  entscheiden  fSchupp  642);  aus  etwas 
herausbringen  (Goethe  an  Knebel  Bß9). 

ausmergeln,  v. :  völlig  kraft-  und  saftlos 
machen.  Frühnhd.  (z.  B.  Hug  Schapler  48). 
Vgl.  Liebich  Btr.  23,  223.     S.  mergeln. 

ausmerzen,  v.:  (urspr.)  unter  der  Schaf- 
herde als  untauglich  ausscheiden  (1562  bei 
Mathesius  Sar.  153*  außmertzen):  dann  über- 
haupt als  untauglich  ausscheiden  und  aus- 
tilgen, vornehmlich  Worte.  Wohl  von  dem 
Monat  März,  in  dem  die  schwachen  und  die 
zur  Zucht  untauglichen  Schafe  ausgeschieden 
werden  (vgl.  bei  Frisch  Merzschaf  «als  un- 
tauglich ausgeschiedenes  Schaf»).  So  findet 
sich  auch  z.  B.  im  Spanischen  marzear  (im 
März,  Span,  marzo  m.)  die  «Schafe  scheren». 
Dieser  Erklärung  steht  jedoch  entgegen,  daß 
das  Ausmerzen  der  Schafe  hauptsächlich  im 
Herbst  geschieht;  deshalb  verweist  Neubauer 
(Ztschr.  d.  Ver.  f.  Volkskunde  1903,  S.  100), 
von  der  Art  und  Weise  aussehend,  wie  die 


Schafe  ausgesondert  werden,  nämlich  von  der 
Kennzeichnung  durch  einen  farbigen  Strich, 
auf  bayr.  Schafe  merken  d.  h.  zeichnen,  wozu 
merzen  die  Iterati\-form  wäre,  verkürzt  aus 
merkzen,  wie  blitzen  aus  Nickzen,  schmatzen 
aus  schmackzen,  vgl.  auch  engl,  ynark  out 
«ausmerzen». 

ausmitteln,  v.:  durch  Mittel  ausfindig 
machen,  ermitteln.  Bei  Adelung  1774  als 
oberd.  verzeichnet,  auch  in  der  Bed.  «aus- 
sondern». 

ausmustern,  v. :  bei  sorgfältiger  Prüfung 
auswählen;  bei  sorgfältiger  Prüfung  ausschei- 
den. ]^amtl.  militärisches  Wort.  Frühnhd.  (in 
der  1.  Bed.  schon  1507  bei  Liliencron  3,  8), 
S.  mustern. 

Ausnahme,  f.  (PI.  -n)-.  das  Ausscheiden 
und  Absondern;  Ausgeschiedenes  und  Abge- 
sondertes.    Bei  Krämer  1678  Ausnahm. 

ausnehmen,  v. :  heraus  nehmen;  des  In- 
halts benehmen:  besonders  herausnehmen, 
hervorheben,  auszeichnen;  auserwählen,  er- 
wählen; von  allem  andern  ausscheiden  und 
absondern.  Mhd.  ü^nemen  in  allen  Bedd., 
ahd.  üpieman  «herausnehmen,  ausscheiden  und 
absondern».  Refl.  sich  a.\  sich  auszeichnen, 
sich  in  einer  hervortretenden  Eigenschaft  zei- 
gen (bei  Klopstock  12,  218,  Wieland  2,  245, 
mhd.  sich  üpiemen,  vom  Heerführer,  «aus 
dem  Heere  heraustreten,  um  voraneilend  sich 
im  Kampfe  auszuzeichnen»,  Eolandsl.  209,  10, 
Parz.  72,  29);  (abgeschwächt)  überhaupt  «sich 
zeigen,  aussehen»  (1783  bei  J.  Paul  grönl, 
Proc.  6).  Nach  der  1.  Bed,  das  Part.  Präs, 
ausnehmend  (und  ausnehmend)  als  Adj.  u. 
Adv. :  vor  anderm  sich  hervorhebend,  vor- 
züglich. Seit  der  1.  Hälfte  des  18.  Jh.  üblich, 
nach  Adelung  besonders  in  Obersachsen  (z.  B. 
bei  Liscow  144,  Geliert  4,  288) ;  von  Domblüth 
S.  89  als  Ei-findimg  der  Zeitungsschreiber  be- 
kämpft.    S.  ausgenommen. 

ausposaunen,  v.:  laut  verkündigen,  eig. 
mit  Posaunenschall  (nach  Matth.  6,  2).  Bei 
Steinbach  1734. 

ausputzen,  V.:  von  allem,  was  hinwegmuß, 
gründlich  reinigen ;  mit  Schmuck,  Flitterstaat 
ein  völlig  glänzendes  Aussehen  geben  (so  bei 
Luther) ;  in  wahren  oder  falschen  Glanz  setzen 
{die  Unwissenheit  a.  bei  Goethe  23,  303) ;  was 
sich  nicht  gebührt,  derb  verweisen  zu  gründ- 
licher Unterlassung  (bei  Keisersberg  Bilg.  141 
mitDat.  im  ußbützen).  ABL.  Ausputzer,  m. : 
derber  Verweis.   Bei  Henisch  1616  Außhutzer. 


123 


ausrangieren 


ausschweifend 


124 


ausrangieren,  v.:  jemand,  etwas  aus  der 
Ordnung  ausscheiden.  Das  Pai-t.  Prät.  aus- 
rangiert «ausgemustert».  Rangier en  aus  franz. 
ranger  «ordnen».     In   der   neuern   Sprache. 

Ausrede,  f.  (PI.  -n):  Rede,  um  sich  aus 
einer  Verlegenheit  zu  ziehen,  Ausflucht.  Bei 
Luther  7,  310  Weim. 

ausreißen,  v.:  l)  trans.  durch  gewalt- 
sames Ziehen  aus  seiner  Lage  bringen,  mhd. 
v^ri^en.  2)  intrans.  ausbrechen  (fiühnhd., 
z.  B.  1501  im  Voc.  opt.  K  2**  außreissen  «erum- 
pex'e»):  davonlaufen  (bei Luther).  ABL.  Aus- 
reißer, m.:  der  davonläuft/flüchtiger  Soldat 
(WaUhausen  Corp.  mil.  131). 

ausreiten,  v.:  l)  intrans.  anderswohin  oder 
fortreiten,  mhd.  ü^riten.  2)  trans.  (ein  Pferd) 
ins  Freie  reiten;  bis  zu  Ende  reiten  (Schiller 
Rätsel  15);  mit  Reiten  auf  der  Tenne  aus- 
treten machen,  z.  B.  Hafer. 

ausreuten,  v.:  bis  in  die  Wurzel  weg- 
arbeiten und  tilgen.  Mhd.  üpiuten.  S.  reuten. 
Dasselbe  bedeutet  (mit  md.  ndd.  d  =  t)  aus- 
roden, das  aber  nie  abstrakt  verwendet  wird. 
Mhd.  in  md.  Quelle  üpvden,  mnd.  Fctroden, 
im  16.  Jh.  noch  nicht  bei  Hochdeutschen,  aber 
im  17.  Jh.  schriftsprachlich  geworden  und  bei 
Stieler  1691  verzeichnet.  S.  roden.  Dagegen 
ausrotten:  (jetzt  nur  abstrakt)  mit  Gewalt 
völlig  tilgen.  Frühnhd.  ausrutten  (um  1480 
im  Voc.  ine.  teut.  b3^  außrutten  «eradicare»), 
ausrotten  (bei  Luther)  auch  «ausroden»,  aus- 
rodennnd ausrotten  haben  ausreuten  allmählich 
zurückgedrängt,  Heynatz  1796  weist  letzteres 
nur  der  edlern  Schreibart  zu;  noch  Dornblüth 
1755  S.  64  wollte  es  nur  allein  gelten  lassen. 

ausrichten,  v.:  durchaus  gerade  machen 
(spätmhd.  ü^rihten  «schlichten,  in  Ordnung 
bringen»);  (eme Geldschuld  u.dgl.)  berichtigen, 
bezahlen  (mhd.  und  bei  Luther);  abfertigen 
(bei  Keisersberg) ;  (spätmhd.  «loben,  rühmen», 
daher  ironisch)  verspotten,  heruntermachen 
(schon  spätmhd.) ;  ausführen,  ins  Werk  setzen, 
vollbringen  (mhd.  und  bei  Luthei",  mit  subst. 
Objekt  jetzt  beschränkt,  z.  B.  ein  Mahl);  (ab- 
geschwächt) als  Auftrag  bestellen  (bei  Ade- 
lang 1774).  J-B-L.  ausrichtig,  adj.:  gewandt 
auszurichten  oder  etwas  zu  verrichten  (z.  B. 
1.  Kön.  11,  28),  anstellig.    Mhd.  ü^rihtec. 

ausroden,  -rotten,  s.  ausreuten. 

Aussatz,  m,  (-es):  im  Spiele  zu  Gewinn 
oder  Verlust  gesetztes  Geld ;  ansteckender  Haut- 
ausschlag. Li  der  2.  Bed.  um  1300  Umsatz 
m.  f.  (Renner  21419),  im  14.  Jh.  auch  umsehe  f., 
gebildet  von  dem  subst.  Adj.  in  schwacher 


Form  mhd.ü^setze{auch.ü^setzel),  ahd.ü^sazzo, 
ü^sa^^eo  m.:  der  mit  dem  Aussatz  Behaftete, 
urspr.  der  wegen  dieser  ansteckenden  ekel- 
haften Krankheit  von  den  andern  Menschen 
Abgesonderte,  an  einem  besondern  Ort  Aus- 
gesetzte, weshalb  ein  solcher  auch  bezeich- 
nend mhd.  sundersiech  hieß  und  in  dem  vom 
Ort  abgesondert  erbauten  siecliliüs  «Haus  für 
die  Aussätzigen»  leben  mußte.  Aussatz  (bei 
dem  später  nicht  mehr  an  aussetzen  gedacht 
wurde )  verdrängte  ältere  Benennungen:  mhd. 
miselsuht,  ahd.  misalsuht  f.,  ahd.  kruf  m.  und 
hriohsuht  f.,  got.  prutsfill  n.  eig.  «Verdruß- 
fell, Hautbeschwerde».  ABL.  aussätzig, 
adj.  und  adv.:  mit  Aussatz  behaftet.  Mhd. 
üßsetzic,  gebildet  von  umsetze. 

aussaugen,  v.  mit  starker  und  schwacher 
Flexion  und  in  bildlicher  Anwendung  schon 
im  16.  Jh.  (1557  bei  Sleidanus  übers,  v. 
Stamler  26  a). 

Ausschlag,  m.  (-es,  PI.  Ausschläge): 
was  nach  außen  kommt;  junger  Baumschöß- 
ling; aus  dem  Körper  herauskommende  Haut- 
unreinigkeit  (dafür  bei  Maaler  1561  auß- 
schlecJit);  Herausgehen  des  Züngleins  der 
Wage  infolge  der  schwerern  Belastung  einer 
Wagschale  (schon  im  15.  Jh.  großen  oder 
deinen  ußschlag  gehen,  s.  Diefenbach-Wülcker 
132,  auch  Luther  gebraucht  Ausschlag  mit 
Bez.  auf  das  Zünglein  der  Wage,  ebenso 
ausschlahen^;  (danach  bildlich)  Entscheidung 
(im  16.  Jh.  z.  B.  bei  Maaler  1561,  wie  auch 
in  dieser  Zeit  ausschlahen  als  «geraten,  eine 
Wendung  nehmen»  vorkommt);  Ergebnis, 
Ende  (Opitz  2,  20). 

Ausschnitt,  m.  (-es,  PI.  -e):  das  Aus- 
schneiden und  Ausgeschnittenes;  ellenweiser 
Verkauf  gewebter  Ware  (Reichsordnungen 
175''  V.  J.  1530),  zu  spätmhd.  außsnülen  «ellen- 
weise abschneiden  und  verkaufen»,  davon 
Ausschnitter  m.  -.  Schnittwarenhändler,  ( da- 
für im  15.  Jh.  bei  Beheim  16,  31  ausz Schnei- 
der des  geivants). 

Ausschuß,  m.  (Gen.  Ausschusses,  PI. 
Ausschüsse):  das  als  vorzüglich  oder  minder- 
wertig Ausgeschiedene  (in  letzter  Bed.  bei 
KJi'ämer  1678);  eine  Anzahl  ausgewählter 
Personen  (schon  im  15.  Jh.,  Basler  Chron. 
1,  72  ußschutz).  Zu  ausschießen  in  der 
Bed.  «aussondern»  (spätmhd.  von  minderwer- 
tigen Geldstücken),  eig.  «herauswerfen»,  mhd. 
ü^schie^en.        , 

ausschweifend,  Adj.  eig.  Part.  Präs,  von 
ausschweifen  (s.  schweifen):  über  die  Grenzen 


125 


aussehen 


aussetzen 


126 


der  Sitt-  und  Schicklichkeit  hinausgehend, 
eig.  unhäushch  umher  schweifend  (bei  Maaler 
1561,  dafür  im  15.  Jh.  ußschweiffig,  älternhd. 
außschweiffig):  zu  -weit  gehend,  übertrieben. 

aussehen,  v. -.  l)  trans.  u.  refl.  mit  den 
Augen  auswählen,  ausersehen:  dui'ch  Sehen 
verderben.  2)  intrans.  hinausblicken,  mhd. 
umsehen:  sich  in  einer  bestimmten  äußeren 
Gestalt  den  Augen  (übertragen  dem  Ver- 
stände) zeigen  (bei  Schönsleder  1618).  Dazu 
der  subst.  Inf.  Aussehen,  n.  (bei  Duez 
1642j.     S.  Aussicht 

außen,  adv. :  von  dem  Eaume,  der  als 
innerer  bezeichnet  oder  gedacht  wird,  hinweg. 
Aus  mhd.  v^en,  ahd.  ü^ana.  ü^än;  adv.  und 
auch  präp.  in  der  Bed.  «außerhalb,  ohne», 
mit  der  Endung  -ana  von  ü^  (s.  atis)  ab- 
geleitet. Dazu  asächs.  ütan  adv.,  ags.  ütan, 
üton  adv.  und  präp.,  anord.  ütan  adv.  und 
präp.,  got.  fitana  adv.  und  präp.  Xdl.  hat 
sich  das  Wort  mit  vorgesetztem  &e-  in  dem 
Adv.  und  der  Präp.  hiiiten  «außen,  außer» 
erhalten,  a.  erscheint  in  Zusaromensetzungen 
wie  Außending  n.,  Außenseite  f.,  Außenwelt  f. 
(Withof  Acad.  Ged.  1,  178  vom  J.  1745),  und 
mit  Verben  wie  aiLßenbleiben  (Goethe  12, 
90.  50,  256,  jetzt  gewöhnlicher  ausbleiben), 
außenlassen,  mhd.  ü^en  lägen  (jetzt  aiis- 
lassen),  außensein,  mhd.  ügen  sin. 

außer,  präp.  mit  Dat.  (mit  Gen.  mir  in 
außer  Landes,  schon  mhd.  uger  landes) :  nicht 
in,  sondern  vor  oder  weg  von  — .  Aus  gleich- 
bed.  mhd.  üger,  ahd.  ügar:  dazu  asächs.  Utar, 
afries.  fiter.  Abgeleitet  von  üg  (s.  aus).  Hier- 
her auch  a.  sich  sein  «vor  Aufregung  seiner 
nicht  mächtig  sein»  (bei  Ludwig  1716).  a. 
wird  auch  als  Konj.  verwandt  s.  v,  a.  «aus- 
genommen» und  mit  andern  Konjunktionen 
verbunden:  a.  daß,  a.  wenn. 

außerdem,  adv.  und  Konj.,  zusammenge- 
rücktes außer  (/^w  «mit  Ausschluß  davon  noch». 

äußere,  adj.:  außen  befindlich  (Gegensatz 
zu  innere);  das  Ausland  angehend,  z.  B.  die 
äußern  Angelegenheiten.  Aus  mhd.  (ohne 
Cmlaut,  der  erst  im  15.  Jh.  hervortritt,  bei 
Luther  eussere)  ügere,  ahd.  ügaro.  Dazu  der 
Superl.  äußerste:  entferntest  (so  daß  räum- 
Hch  nichts  weiter  ist);  dem  Grade  nach  über 
alles  gehend;  mhd.  ügereste,  ahd.  ügarösto. 
äußerst,  als  Adv. :  in  dem  Grade,  daß  nichts 
darüber  geht  (bei  Lessing  1,  20.  22) ;  dasselbe 
bed.  das  adverbiahsche  aufs  äußerste  (bei 
Krämer  1678);  zu  äußerst,  adv.:  am  ent- 
legensten Ende  (bei  Aler  1727). 


außerhalb,  adv.  u.  präp.  mit  Gen.,  seltner 
Dat.:  vor,  an,  auf  der  äußern  Seite.  Aus 
mhd.  ügerhalp,  Präp.  mit  Gen.  und  Dat.,  ahd. 
(bei  jS^otker)  ngerhalb,  auch  getrennt  ugara. 
üzerun  halb. 

äußerlich,  Adj.  und  Adv. :  bloß  das  Äußere 
angehend,  bloß  im  Äußern.  Mhd.  (früher 
ohne  Umlaut)  ügerlich  «körperlich  (im  Gegen- 
satz zu  geistig),  außer  der  Ordnung,  uner- 
laubt, fremd». 

äußern,  v.:  (eig.  außer  sich  geben,  dann) 
zu  erkennen  geben,  besonders  mit  Worten 
(erst  bei  Nieremberger  1753  verzeichnet,  wohl 
aus  der  nordd.  Kanzleisprache).  Vgl.  mnd. 
ütern  «hinaustreiben,  veräußern,  herausfor- 
dern, äußern,  dartun»,  engl,  utter  «äußern, 
entdecken,  veräußern».  Refl.  sich  a.:  (ver- 
altet) von  sich  abtun  (Philipp.  2,  7  sich  eus- 
sern),  sich  wessen  enthalten,  spätnihd.  (selten) 
sich  ügern  (auch  schon  sich  eussern),  neben 
sich  u^enen,  «sich  entäußern,  sich  enthalten, 
sich  entfernen»;  zum  Vorschein  kommen  (bei 
Ludwig  1716);  mit  Worten  deutlich  werden 
(bei  Adelung  1774).  Mnd.  sik  ütern  ist  «sich 
zeigen,  versichern,  sich  entäußeni,  enthalten». 
ABL.  Äußerung  f.  (nach  der  2.  u.  3.  Bed. 
von  sich  äußern).  Bei  Adelung,  aber  schon  im 
14.  Jh.  alemann,  übrige  f.  «Äußerung,  Rede»  und 
md.  ügerunge  f.  «Entfernung,  Ausweisung/,, 
bei  Luther  eußerung  «Lossagung,  Trennung». 

außerordentlich,  adj.  und  adv.:  außer 
der  abgeschlossenen  Ordnung  und  über  die- 
selbe hinausgehend;  über  das,  was  Regel  und 
Gewohnheit  ist,  sich  erhebend.  Bei  Stieler 
169L 

Äußerung,  s.  äußern. 

außerwäl'ts,  adv.:  auswärts  (Goethe  an 
Frau  v.  Stein  3,  140).  Schon  1540  bei  Al- 
berus  Dict.  kk  3**  aussericerts,  mit  genet.  -s 
gebildet  von  mhd.  ugericert  «auswärtig, 
äußerlich». 

aussetzen,  v. :  von  einem  Orte  nach 
außerhalb  setzen,  mhd.  umsetzen-,  (Töchter j 
ausstatten  und  weggeben  (^ Rieht.  12,  9,  schon 
mhd.) ;  ans  Land  setzen :  (ein  Kind)  ins  Freie 
setzen  und  hilflos  zuräcklassen:  preisgeben, 
bloßstellen:  zu  einem  Zweck  bestimmen, 
z.  B.  einen  Preis  oder  anderes  von  Geldes- 
wert (älternhd.  ist  a.  überhaupt  «bestim- 
men»); tadeln,  rügen  (bei  Rädlein  1711),  vgl. 
ausstellen:  unterbrechen,  ausfallen  lassen  (bei 
Ludwig  1716).  Li  trans.  stocken:  (bei  Aus- 
führungen) von  einem  Punkte  ausgehen 
(bei  Lessing,  Goethe). 


127 


Aussicht 


Ausweis 


128 


Aussicht,  f.  (PI.  -en) :  Blick  nach  außen ; 
was  vor  Augen  liegt;  als  bevorstehend  zu 
Ervrartendes.  Um  1700  aufgekommen  (bei 
Dentzler   1709    und  Ludwig   1716    erwähnt.) 

aussöhnen,  s.  versöhnen. 

ausspintisieren,  v.:  durch  Nachgrübeln 
ausfindig  machen,  nachgrübelnd  herausbrin- 
gen. 1551  bei  Scheidt  Grobianus  4366  auß- 
spüntesieren.     S.  spintisieren. 

aussprengen,  v.:  nach  außen  springen 
machen;  (Gerächte)  überallhin  verbreiten 
(schon  bei  Luther). 

ausstaffieren,  v.:  mit  Zutaten  versehen. 
Mnd.  ütstofferen,  auch  hd.  schon  am  Ende 
des    16.  Jh.,   bei   Duez    1664.     S.   staffieren. 

ausstaken,  v.:  ein  mit  Lehm  zu  ver- 
klebendes Fach  vorher  mit  kurzen  Stangen 
verbinden.  Bei  Adelung  und  Heynatz  1796 
als  niedersächs.  Wort  aufgeführt.    S.  Staken. 

Ausstand,  s.  ausstehen. 

ausstatten,  v.:  mit  dem  versehen,  was 
dazu  taugt  oder  gehört;  (zur  Heirat)  als 
Vermögen  geben,  um  den  neuen  Hausstand 
zu  gründen.  Zu  statten.  1640  beiComenius  593. 

ausstechen,  v.:  durch  Stechen  heraus- 
nehmen oder  entfernen,  mhd.  umstechen;  von 
seinem  Platze  verdrängen,  um  die  früher  inne- 
gehabte Stellung  bringen,  eig.  beim  Turnier 
mit  der  Lanze  vom  Pferde  stechen  (bei  Krämer 
1678). 

ausstehen,  v.:  l)  intrans.  außerhalb  sein, 
namentlich  von  Geldforderungen,  die  noch 
nicht  eingegangen  sind  (vgl.  spätmhd.  ü^- 
stant  m.  «ausständiges  Geld»);  außerhalb  des 
Dienstes  sich  befinden  (dazu  Ausstand  m.: 
«Entfernung  vom  Dienst»,  das  Adelung  und 
Heynatz  1796  nur  als  obd.  Wort  kennen,  vor 
einigen  Jahren  nebst  dem  Adj.  ausständig 
von  Süddeutschland  aus  allgemein  üblich 
geworden);  öffentlich  zur  Schau  stehen,  sich 
öffentlich  zeigen.  2)  trans.  aushalten,  er- 
tragen  (bei  Luther). 

ausstellen,  v.:  nach  einem  Orte  außer- 
halb stellen  (frühnhd.) ;  ausfertigen,  z.  B.  eine 
Urkunde  (bei  Stieler  1691);  zur  Schau  stel- 
len; der  allgemeinen  Beurteilung  aussetzen; 
auf  etwas  hinweisend  tadeln  (dies  nach  Ade- 
lung, Heynatz  1796  und  selbst  Campe  1807 
nur  obd.  Wort,  doch  bei  Schiller  Picc.  1,  4, 
jetzt  allgemein). 

Aussteuer,  f. :  Mitgabe  bei  Verheiratung 
zu  eigener  selbständiger  Einrichtung;  über- 
haupt Mitgabe.     Bei  Ludwig  1716  Äussteur. 


Von  aussteuern,  v.:  ausmsten,  mhd.  ü^- 
stiuren.     S.  Steuer. 

Auster,  f.  (PI.  -n):  eßbare  Seemuschel. 
Mhd.  (bei  Megenberg)  oster,  ahd.  aostar  (in 
aostarscala  f.).  Aus  lat.  ostrea  f.  und  ostreum 
n.  «Meerschnecke,  Muschel»,  auf  dem  gleich- 
bed.  gr.  öcTpeov  n.  beruhend.  Im  Nhd.  hält 
sich  die  Form  Oster  bis  um  die  Mitte  des 
17.  Jh.  (z.  B.  noch  bei  Harsdörfer  Gespr. 
3,  4,  Schupp  1,  302),  daneben  kommt  im 
16.  Jh.  nach  ndl.  oester  m.  die  Form  üster 
auf  (z.  B.  Fischart  Garg.  393),  auf  der  dann 
wieder  das  um  1600  auftretende  Auster  be- 
ruht (bei  Hulsius  Schiffarten  14,  29,  auch 
bei  Henisch  verzeichnet). 

Austrag,  m.  {-es):  Schlichtung  einer 
Sache,  wodurch  diese  zu  Ende  kommt,  mhd. 
ü^trac  m;  Schlußurteil,  dem  Folge  gegeben 
wird;  (mit  dem  PI.  Austrage,  woraus  der 
mlat.  PI.  austregae)  schiedsrichterliche  Ent- 
scheidung, aber  auch  Schiedsmann,  der  einen 
Streit  zu  Güte  oder  Recht  beendigt  (Goethe 
Tasso  2,  4);  ausbedungene  Nutznießung  (wie 
Auszug),  daher  Austrägler  m.:  Auszügler, 
Altsitzer.  Von  jenem  austregae  die  barba- 
risch-deutschen Wörter  Austrägalgerlcht 
n.  «Gericht  zui-  Schlichtung  der  Streitig- 
keiten deutscher  Fürsten»;  Austrägalin- 
stanz  f.  «Ani-ufung  selbstgewählter  (Aus- 
tragungs-)  Gerichte». 

auswärts,  adv.:  nach  außen  hin;  über 
den  Grenzen  dessen,  was  als  das  Linere  an- 
gesehen wird ;  nach  außen  gekehrt,  z.  B.  a. 
gehen.  Mit  angetretenem  genetiv.  -s  für  mhd. 
ahd.  Unwert.  Dies  a.  zuweilen  als  Adj.  ver- 
wendet (z.  B.  bei  Goethe  Naturw.  Sehr.  7,  62, 
nach  auswärtser  Richtung).  —  auswärtig, 
adj.:  außerhalb  befindlich,  mhdi. ü^wertic,  ahd. 
üpoertig. 

Ausweg,  m.  {-es,  PI.  -e):  nach  außen 
führender  Weg;  Rettungsmittel.  Mnd.  Tit- 
wech  m.  «nach  außen  führender  Weg»  (bei 
Maaler  1561  ist  außwäg  s.  v.  a.  «Abweg»),  hd. 
seit  Rädlein  1711  (auch  in  der  2.  Bed.)  ver- 
zeichnet. 

ausweiden,  v.:  die  Eingeweide  heraus- 
nehmen. Frühnhd.  (1501  im  Voc.  opt.  K  4* 
außweiden  «exinterare»).     S.  weiden. 

Ausweis,  m.  (Gen.  Ausweises,  PI.  Aus- 
weise): deutliche  Anzeige;  schriftliche  Aus- 
kunft über  eine  Person.  In  der  Kanzlei- 
sprache (vgl.,Gombert  7,  10  v.  J.  1619)  von 
austveisen  gebildet,  wie  gleichbed.  mhd.  u^- 
wisunge  f. 


I 


129 


auswendig 


Anto- 


130 


auswendig,  adj.:  nach  aoßen  gekehrt; 
auf  der  Außenseite  befindlich,  äußerlich.  Mhd. 
ü^wendec,  worin  -wendec  zu  wende  f.,  nhd. 
Wende  (s.  d.).  Davon  das  Adv.  a.,  «auf  der 
Außenseite;  aus  dem  Gedächtnis».  Diese  Bed. 
erscheint  frülinhd.  in  der  Verbindung  mit 
lernen  (Mumer  Geuchm.  53),  können  (Luther) 
oder  sagen  (Maaler  1561).  Ahd.  entsprechend 
ügana  «außen»  (Otfrid  1, 1, 109  ü^ana  gisingan). 

auswerfen,  v. :  aus  etwas  (einem  Innern) 
herauswerfen,  sei  dies  durch  Tätigkeit  von 
atißen  (so  z.  B.  vom  Ausnehmen  der  Ein- 
geweide bei  Wild)  oder  von  innen,  mhd. 
umwerfen,  ahd.  ü^werphan;  verwerfend  aus- 
scheiden oder  ausstoßen;  (Geld)  zu  einem 
Zweck  bestimmen,  aussetzen  (im  17.  Jh.); 
intr.  (vom  Perpendikel)  im  Schwung  einen 
weiten  Zirkelbogen  durchlaufen. 

auswirken,  v. :  (bei  Handwerkern)  durch 
Arbeit  herausbringen  oder  fertig  machen; 
(Wild)  aus  der  Haut  nehmen;  erwirken,  aus- 
richten.    Mhd.  ü^ivürken. 

auswischen,  v.:  durch  Wischen  besei- 
tigen; durch  Wischen  reinigen,  mhd.  üg- 
wischen;  einen  raschen  Schlag  geben  (in 
einem  eins  a.  eig.  ein  Auge  auswischen?); 
intrans.  davonlaufen,  eig.  rasch  über  den 
Boden  dahingleiten  (Schiller  1,  351). 

Auswuchs,  m.  {-ses,  PI.  Auswüchse): 
krankhaft  Herausgewachsenes  an  Körpern, 
Bäumen  usw.,  auch  bildlich.  Für  .älteres 
Auswuchs  am  1750  gebildet.    Vgl.  Anwuchs. 

Auswurf,  m.  (-es,  PI.  Auswürfe):  die 
Handlung  des  Auswerfens  (Apostelg.  27,  18); 
was  ausgeworfen  wird,  spätmhd.  mi^wurf  va. 
«das  durch  den  After  Ausgeworfene»;  als 
verabscheut  ausgestoßener  Mensch  oder  als 
verabscheut  ausgestoßene  Menschen.  ABL. 
Auswürfling,  m.  (nach  der  letzten  Bed. 
von  Auswurf),  spätmhd.  ü^ivurfelinc  m. 

auszehren,  v. :  l)  trans.  völlig  verzehren 
(frühnhd.).  2)  intrans.  völlig  verzehrt  wer- 
den, erschöpft,  im  Schwinden  begriffen  sein; 
mit  dem  Verzehren  zu  Ende  sein  (Sir.  14, 
17),  Davon  Auszehrung  f.:  völlige  Ver- 
zehrung (1727  bei  Aler);  auszehrende  Krank- 
heit,  Schwindsucht  (1774  bei  Adelimg). 

Auszug,  m.  (-es,  PI.  Auszüge):  Zug  aus 
einem  Orte,  Lande  usw.,  mhd.  ü^zuc  m.;  was 
herausgezogen  wird,  Kraftauszug  (Extrakt) 
wovon,  Feinstes,  Bestes  aus  etwas  (bei  Opitz, 
Fleming),  namentlich  Wesentlichstes  aus 
einer  Schrift  (bei  Luther) ;  (veraltet  die  recht- 
liche Bed.)  Angabe,  um  sich  aus  etwas  her- 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


auszuziehen  (l.  Macc.  8,  26),  Aus-  und  Ein- 
rede, Einwand,  Ausflucht  (mhd.  ü^zuc  m.,  lat. 
exceptio);  (jetzt  in  der  Rechtssprache)  was 
beim  Abtreten  liegenden  Gutes,  vornehmhch 
eines  Hauses  (airf  Lebenszeit)  ausgenommen 
und  vorbehalten  ist  (so  schon  spätmhd.). 
Davon  Auszügler,  m.:  der  diesen  Vor- 
behalt gemacht  hat. 

aut:  etwas  (Gegensatz  waw^« nichts»).  Nur 
in  den  mundartlichen  Redensarten:  aut  oder 
naut  (entweder)  «etwas  oder  nichts»  (in  der 
Zimmerschen  Chronik  1,  48,  31  weder  ut  noch 
nut);  man  spricht  von  naut,  es  kommt  von  aut. 
Vgl,  engl,  ou^ht  or  nought.  aut  geht  mit  der 
westmd.  Mundarten  eignen  Verwandlung  von 
iu  in  ü  (später  au)  zurück  auf  mhd.  iut  (für 
gewöhnliches  iht),  abgeschwächt  aus  iuwet, 
iuiveht,  ahd.  eowiht,  eig.  «irgend  ein  Ding», 
ebenso  naut  auf  mhd.  niut  (für  gewöhnliches 
niht),  abgeschwächt  aus  niuwet,  niuweht,  ahd. 
neowiht,  eig.  «nicht  irgend  ein  Ding».    S.  nicht. 

authentisch,  adj.  und  adv.:  echt,  glaub- 
würdig. Nach  gi-,-lat.  authenticus,  gr.  auOev- 
TiKÖc  «bestimmten  Urheber  habend»,  gebildet 
von  gr.  auöevTTic  m.  «unumschränkter  Herr, 
Selbstherrscher».  Schon  im  16.  Jh.  entlehnt 
(Fischart  Garg.  153). 

Auto-:  erstes  Glied  vieler  Zusammen- 
setzungen, die  in  deutscher  Form  erst  seit 
dem  18.  Jh.  vorkommen  und  durchweg  der  ge- 
lehrten Sprache  angehören.  So  Autochthone 
m.  (-W,  PI.  -n):  Ureinwohner  (zu  gr.  x^^"^  ^^ 
«Erde,  Land»),  bei  Campe  1813.  —  Auto- 
didakt, m.  (-e^i,  PI.  -en):  durch  Selbstunter- 
richt Gebildeter.  Aus  gr.-mlat.  autodidäctus, 
dem  als  Subst.  gesetzten  M.  des  gr.  Adj, 
aÜTobibaKTOC  «durch  sich  selbst  unterrichtet» 
(von  -biboKToc  zu  bibdcKciv  «lehren»).  — Auto- 
graph,  n.  (-es,  PI.  -en) :  eigenhändige  Schrift. 
Aus  gi'.-lat.  autögraphum,  gr.  aürÖYpaqpov  «Ur- 
schrift», dem  als  Subst.  gesetzten  N.  des  gr. 
Adj.  aÜTÖYpacpoc  «selbst  (eigenhändig)  ge- 
schrieben» (zu  -fpacpoc  von  YPÖqpeiv  «schrei- 
ben»). Bei  Nehring  autögraphum.  —  Auto- 
krat, m.  (-en,  F\.-en):  SelbstheiTscher.  Aus 
franz.  autocrat  m.,  gebildet  vom  gr.  Adj, 
aÖTOKpaxric  «selbstherrschend»  (-Kpaxric  von 
Kpareiv  «obheri'schen»).  Davon  Autokratie, 
f.:  Selbstherrschaft.  Ausgleichbed.  franz.  auto- 
cratie  f.  (-cratie  nach  gr.  -Kpäreia  f.  «Herr- 
schaft»). —  Automat,  m.  n.  (-en,  PI.  -en): 
sich  von  selbst  bewegende  Maschine,  Selbst- 
triebwerk. Aus  gleichbed.  gr.-lat.  autömatum, 
gr.  aÜTÖiaaTov,  dem  subst.  gesetzten  N.  des  gr. 

9 


131 


Autodafe 


Azur 


132 


Adj.  auTÖ|LiaTOC  «von  selbst  handelnd».  Bei 
Nehring  1710  Äut07nataV\.  —  Automobil, 

n.  {-s,  PL  -e):  Selbstfahrer,  zu  lat.  mobile  N. 
des  Adj,  mobilis  «beweglich»,  ganz  junge 
Bildung.  —  autonom,  adj.:  selbständig 
(von  gr.  vö)uoc  m.  «desetz»,  eig.  «sich  selbst 
Gesetze  gebend»),  bei  Nehring  1710  mitonomia. 

Autodafe,  n.  {-s,  PI.  -s):  feierliche  Hin- 
richtung von  Ketzern,  aus  portug.  auto  da  fe, 
Span,  auto  de  fe  d.  i.  Akte  des  Glaubens,  lat. 
actus  fidei,  ursprüngHch  nur  die  öffentliche 
Verkündigung  der  durch  die  Inquisition  wegen 
Ketzerei  erlassenen  Urteile,  dann  deren  Voll- 
streckung.    Im   18.  Jh. 

Autor,  m.  (-S,  PI.  -en):  Urheber;  Ver- 
anlasser; Verfasser,  Schriftsteller.  Aus  lat. 
autor,  fiüher  audor  m.,  abgeleitet  von  augere 
«vermehren,  vergrößern,  befördern».  Im 
16.  Jh.  üblich  (bei  Nas,  J.  Nasen  Esel  31 '^ 
author),  auch  bei  Rot  1571  verzeichnet.  ABL. 
autorisieren,  v.:  wozu  die  Macht  geben, 
ermächtigen;  gültig  machen,  gutheißen.  1524 
bei  Emser  (Germania  29,  347)  auctonsiren. 
Wie  franz.  autoriser  aus  mlat.  auctorizare, 
bekräftigen.  Autorität,  f.  (PI.  -en):  das 
persönliche  gewichtige  Ansehen:  anerkannte 
Glaubwüi'digkeit ;  bewährendes  Zeugnis;  ge- 
walthabende Behörde.  Aus  lat.  auctoritas  (Gen. 
aucforitätis)  f.  «Gültigkeit,  Gewähr,  fördern- 
der Einfluß».  Schon  im  15.  Jh.  autoriiet  (Voc. 
ex  quo)  und  auctoritet  (1461  bei  Nicl.  v.  Wyle 
121,  3),  mhd.  aiictoriteit  t  Autorschaft,  f. : 
Urheber-,  Schriftstellerschaft.  Erst  bei  Ade- 
lung 1774. 

autsch!  derberes  au!  bei  körperlichem 
Schmerze.  Bei  Alberus  (Barfüßer  Eulen- 
spiegel Nr.  558)  ausch!  Maaler  1561  kennt 
ufsch  als  Spottwort,  Frisius  52^  (1541)  als 
Klageruf  eines  betrübten  Weibes. 

auweh!  Interj.  des  lebhaften,  tiefen  Klage- 
rufes. Aus  mhd.  oiiwe,  Nebenform  von  otve 
(s.  au).  Das  jüdische  auweih!  geht  auf  mhd. 
ouivt,  otoi  zurück. 

avancieren,  v.:  vorwärts  kommen,  na- 
mentlich in  der  Berufsstellmig ;  vorwärts 
rücken.  Aus  franz. ai'aHce>' «vorwärtskommen, 
vorwärts  bringen»,  gebildet  von  avant  «vor- 


wärts», das  auf  lat.  ah  ante  benäht.  1617 
im  teutschen  Michel  als  modisches  Fremdwort. 

Aversion,  f.  (PI.  -en) :  Abneigung,  Wider- 
wille. Aus  dem  gleichbed.  franz.  aversion  f., 
das  auf  lat.  aversio  (Gen.  aversiönis)  f.  be- 
luht,  von  avertere.  «ab-,  wegwenden».  Im 
17.  Jh.  entlehnt  (1670  bei  Leibniz  1,  225, 
Guhrauer). 

Avis,  m.  n.  (Gen.  Avises,  PI.  Avise):  An- 
zeige, Bericht,  Meldung.  Aus  franz.  avis, 
ital.  avviso  m.  «Ansicht,  Gutachten,  Meldung», 
abgeleitet  von  altital.  viso  «Meinung,  Ansicht», 
aus  lat.  ad  «an,  zu»  und  visum  Neutr.  des 
Part.  Perf.  Pass.  von  videre  «sehen».  1664 
bei  Duez  1,  56^  Avis,  1,  471**  die  avisen  oder 
getruckte  zeitunge.  ABL.  avisieren,  v.: 
anzeigen,  benachrichtigen,  aus  franz.  aviser, 
ital.  avvisare.  1565  avisirn  (Notariat  und 
teutsche  Rheloric  16*). 

Aviso,  m.  (-S,  PI.  -s):  Eilschiff  zur  Mit- 
teilung wichtiger  Nachrichten.  1712  beiHübner 
Avis- Jagd  (d.  i.  Jacht),  «leichtes  Postschiff», 
ital.  harca  d'aviso. 

Axiom,  n.  (-S,  PI.  -e):  keines  Beweises 
bedüi'ftiger  Satz,  unbez  weif  elter  Lehrsatz.  Aus 
dem  gleichbed.  gr.-lat.  axiöma,  gr.  ä£iuu|ua  n., 
«unbezweifelter  Lehrsatz»,  aber  eig.  «Würde, 
«Ansehen»,  dann  «Dafürhalten)^,  von  gr.  äEioöv 
«wüi'digen,  nach  voraufgegangener  Würdigung 
anerkennen».      Im   17.  Jh.   entlehnt. 

•Axt,  f.  (PI.  Äxte):  das  aus  einem  schnei- 
denden metallenen  (eisernen)  Keile,  mit 
längerm  hölzernen  Stiele,  bestehende  Hauwerk- 
zeug. Mit  angetretenem  t  aus  mhd.  ackes, 
ax,  seit  dem  18.  Jh.  auch  axt,  ahd.  acchus  f.: 
dazu  asächs.  akus,  ndl.  aakse,  ags.  cex,  engl. 
axe,  anord.  öx,  schwed.  yxa,  dän.  ökse,  got. 
aqizi  f.  Verwandt  ist  gr.  ötEivr)  f.  «Axt,  Streit- 
axt» und  lat.  ascia  (wohl  aus  ac-scid)  f. 
«Zimmeraxt,  Maurerkelle».  ZTJS.  Axthelm, 
n.:   Axtstiel,  frühnhd.,   s.   "  Helm. 

Azur,  m.  [-S):  die  himmelblaue  Farbe. 
Aus  franz.  azuv,  span.  azul  m.,  ital.  azzurro 
adj.  mit  Abfall  eines  (als  Artikel  betrach- 
teten) l  aus  pers.  läjvärd  «lasurähnlich»,  wo- 
raus arab.  läzvärd.  Im  Anfang  des  18.  Jh. 
entlehnt,  mhd.  sagte  man  lä^i^r  (s.  Lasur). 
ABL.  azurn,  adj.:  himmelblau. 


133 


Bachstelze 


134 


B 


b,  der  zweite  Buchstabe  des  Alphabets. 
Redensart:  wer  a  sagt  (oder  gesagt  hat),  muß 
auch  h  sagen  «wer  einmal  etwas  anfängt, 
maß  darin,  komme  auch,  was  da  wolle,  fort- 
fahren» fl716  bei  Pistorius  thesaur.  paroem.). 

babbeln,  v.:  (von  kleinen  Kindern)  die 
ersten  Sprechversuche  machen;  viel  und  ge- 
haltlos sprechen.  Das  Wort  geht  lautnach- 
ahmend auf  ba  ha  zuinick,  womit  das  früheste 
Sprechen  und  Plaudern  des  Kindes  beginnt. 
Entsprechende  Worte  sind  weit  verbreitet, 
so  ndl.  habhelen,  engl,  babble,  franz.  babüler, 
ital.  babbolare,  lat.  babulus  «Schwätzer».  Schon 
im  16.  Jh.  in  der  Form  babbeln,  bappeln,  päppeln 
vorkommend ;  Henisch  1616  verzeichnet  babelen. 

Babe,  Bäbe,  f.  (PI.  -n)  •■  ein  Backwerk.  In 
Oljei-sachsen,  Schlesien  und  Posen  ein  Asch- 
kuchen, Gugelhopf,  in  einer  Form  gebackener 
Kuchen  mit  einem  von  oben  bis  unten  gehenden 
Loche.  Mhd.  babe  f.  ist  «Großmutter,  altes 
Weib»  ( in  letzterer Bed. noch  bayrisch _Brt&ew f. ) 
und  gehört  zu  slav.  poln.  baba  «Frau»  lit.  boba 
«altes  Weib»,  vgl.  ahd.  Baba  als  Eigenname 
Hebendem  männlichen  J5abo.  Diese  Bedeutung 
könnte  zugrunde  liegen,  da  das  Backwerk  viel- 
fach menschliche  Formen  nachahmt.  Viel- 
leicht aber  auch  Kinderwort,  vgl.  schwäb. 
Babe  «Brot»,  Schweiz.  Babi  «Gericht  aus 
Brotschnitten  und  Äpfeln». 

Babusche,  f.  (gew.  im  PI.  Babuschen): 
leichter  Hausschuh.  Aus  franz.  babouche  f., 
von  türk.  bahudsch,  pers.  päpüsch  «leichter 
Pantoffel  zum  Gebrauch  im  Hause». 

Bacchant,  m.  [-en,  PI.  -en):  wüster,  sich 
beti'unken  umhertreibender  Mensch  (so  bei 
Rot  1571  j;  wohlgenährter,  vom  Trinken  im 
Gesichte  roter  Schwelger;  (im  15.  bis  17.  Jh.) 
fahi-ender  Schüler,  ein  nicht  mehr  zu  den 
untersten  Schülern  (den  Schützen),  aber  auch 
noch  nicht  zu  den  eigentlichen  Studenten 
gehöriger  junger  Mensch  (in  Vokabularen 
zu  Anfang  des  15.  Jh.  bacimnt,  bachante  bei 
Diefenb.  65'').  Aus  lat.  bacchans,  Gen.  bac- 
chantis,  Part.  Präs.  von  bacchari  «wild  um- 
herschweifen», auch  «sich  übervoll  saufen», 
eig. «  das  Bacchusfest  feiern  ».  ABL.  bacchan- 
tisch, adj.,   frühnhd.  (bei  Luther). 

Bach,  m.  (-es,  F\. Bäche):  kleines  fließendes 
Wasser.  Mhd.  bach  m.  (in  nid.  Quellen  auch  f.), 


ahd.  bah  m.;    dazu  asächs.  beki,  biki,  mnd. 
beke  f.,  ndl.  beek  f.,  ags.  becc  m.,  engl,  beck, 
anord.  bekkr    m.,    schwed.  bück,    dän.  bäk. 
Bugge  Btr.  13,  171  f.  vergleicht  gr.  T^r]v']  f. 
«Quelle»,  doch  stimmt  die  Lautverschiebung 
I  nicht.     Nach  Zimmer  Z.  f.  kelt.  PhU.  1,  98 
I  zu  ah',  büal  (aus  *bhogla)  «Bachwasser».  Von 
I  LTilenbeck  Aind.  WB.  zu  niss.  bagnö,  poln. 
bagno   «Sumpf»,   aind.  bhagnas   «gebrochen» 
gestellt.   Am  ehesten  ist  es  eine  Ableitung  zu 
I  einem  Verbum  «laufen»,  das  in  alg.  bSzq  «ich 
fliehe»,  lit.  begu  «laufe»,  gr.  qpeßojuai  «fliehe» 
vorliegt.  Das  Geschlecht  ist  bei  Luther  über- 
wiegend Mask.,  seltner  z.  B.  Hiob  6,  15  Fem., 
bei  den  mitteld.  Schriftstellern  des  16.  und  17., 
selbst  noch  des  angehenden  18.  Jh.  Fem.  (^noch 
bei  Günther  141  und  noch  jetzt  mundartlich 
md.  und  ndd.),  während  die  Grammatiker  seit 
Schottel  das  Mask.  verlangen. 

Bachauner  (auch  Bachüner,  obersächs. 
Bachömer),  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Schwein  aus 
dem  Bakonyer  Wald  im  westlichen  Ungarn. 
Bachbunge,  f.:  Name  zweier  in  Bächen 
und  still  fließenden  Wassern  wachsenden  Ehren- 
preisarten. Im  14.  Jh.  bachbiüige'fhexvlm'DiGiQw- 
bach  12^,  bei  Dasypodius  1537  Bachpunge, 
im  15.  Jh.  nd.  bekebunge,  woher  neulat.  becca- 
bunga,  ital.  beccabungia  f.  -bunge  wohl  wegen 
der  Fruchtknöpf chen,  denn  mhd.  bunge,  spätahd. 
pungo  m.  ist  «Pflanzenknolle»:  dies  Wort  ist 
verwandt  mit  skr.  bahüs  (für  *bhahu),  gr. 
naxüc  (für  *qpaxoc)  «dicht»,  zu  an.  &m^?' «Haufen». 
Bache,  f.  (Pl.-w):  das  wilde  Mutterschwein. 
Weidmännisch.  Im  Mhd.  erscheint  hache  m.,  ahd. 
baliho  m. «  Speckseite,  Schinken»  (noch  Schweiz. - 
schwäb. -bayr.  Bachen  m.;  aus  dem  Deutschen 
stammt  afranz.  bacon,  engl,  bacon),  im  1 6.  Jh.  auf 
das  ganze  Schwein  übertragen  (Eber  oder  Sau, 
doch  zunächst  noch  als  Mask.,  wie  selbst  bei 
Stieler  1691),  im  17.  Jh.  dann  auch  das  Fem. 
Bache  «  Mutterschwein  »(Harsdörfer  Gespräch- 
spiele 3,  115).  Zur  Etymologie  vgl.  ^Backen. 
ABL.  Bacher,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  zwei- 
jähriger wilder  Eber.     Bei  Stieler  1691. 

Bachminze,  f.:  die  Pflanze  mentha  aqua- 
tica.  Spätahd.  bachminza  (ZfdWf.  6, 189),  1482 
im  Nürnberger  Voc.  theut.  pachmintz. 

Bachstelze,  f.  fPl.  -n):  dünn-  und  hoch- 
beiniges,    au    Bächen     laufendes    Vögelchen 

9* 


135 


Back 


backen 


136 


mit  langem,  wippendem  Schwänze,  motacüla. 
Spätmhd.  in  md.  Quellen  (Schröers  Voc.  v. 
J.  1420  No.  1577)  lachstelze  (auch  1482  im 
Nüi-nberger  Voc.  theut.  y  2^  pachsteltz  und 
1501  im  Leipziger  Voc.  opt.  K  3^),  früher  er- 
scheint wa^^er stelze,  ahd.  waß^arstelza  f.,  das 
auch  später  im  Obd.  bleibt  (noch  von  Adelung 
erwähnt),  -stelze  ist  eig.  «Stelzengängerin» 
(im  15.  Jh.  stelz  m.  «einer  der  mit  einem 
Holzbein  gehen  muß»),  s.  Stelze.  Dafür  mnd. 
quek-,  quakstert  «der  Vogel  mit  dem  beweg- 
lichen Schwänze»  (s.  queck  und  Sterz),  jetzt 
nd.  wipstert  (engl,  wagtail). 

Backen,  {-es,  PI.  -e) :  tiefe,  hölzerne  Schüssel, 
in  der  einer  bestimmten  Zahl  der  Schiffsmann- 
schaft die  Speise  aufgetragen  wird;  Vorder- 
schanze (vorderer  innerer  Eaum)  des  Schiffes 
(bei  Ludwig  1716  angeführt).  In  der  niederd. 
Schiffersprache.  Nd.??acA"  «große tiefe  (hölzerne) 
Schüssel,  Kumpf,  Kasten,  kastenartiger  Be- 
hälter»; ndl.  lak  m.  «Trog,  Mulde,  Kasten», 
(bei  Kilian  22)  «Kahn»;  engl,  hack  «Kufe, 
niedriges  Fahrzeug»;  franz.  hac  «Trog,  Bottich, 
Fähre».  Als  Grundlage  wird  spätlat.  hacca 
«Wassergefäß»  (bei  Isidor)  angesehen,  dessen 
Herkunft  unbekannt  ist, 

Backbord,  n.  {-es,  PI.  -e):  (vom  Steuer- 
ruder aus  gesehen)  die  linke  Hinterseite  des 
Schiffes  (bei  Ludwig  1716  angeführt).  In  der 
ndd.  Schiffersprache.  Der  Name  daher,  daß 
der  Steuermann  beim  Halten  des  Steuerruders 
mit  der  rechten  Hand  der  linken  Seite  des 
Schiffes  den  Rücken  (ndd.  hack,  s.  Backen  1) 
zukehrt  (die  rechte  heißt  nach  dem  Steuer- 
ruder Steuerhord).  Über  den  Ort,  an  dem 
das  Steuer  angebracht  ist,  vgl.  E.  Werner 
Gott.  Anz.  1897,  361,  Liebich  Btr.  23,  224. 
Bord  (s.  d.)  ist  hier  Schiffsrand.  Entsprechend 
ndl.  hakboord  n.,  woher  franz.  häbord  m. 

^Backen,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.),  zuweilen 
Backe  f.  (Bürger  II.  5,  66):  die  fleischige 
Erhöhung  zu  beiden  Seiten  des  Afters,  in 
Ärsch-,  Hinterhacken.  Mhd.  hacke  in  arshacke 
m.  (das  ck  ist  nicht  ndd.,  sondern  erklärt 
sich  aus  Assimilation  eines  w),  das  mit  hache 
«Speckseite,  Schinken»  (s.  Bache)  zurückgeht 
auf  ahd.  bach  n.  «Rücken,  Rückseite»  (mhd. 
nicht  mehr  vorhanden),  dazu  asächs.  hak  n,, 
ags.  hcec  n.,  engl,  hack,  anord.  hak  n.,  schwed. 
hak  m.,  dän.  hag  «Rücken».  Etymologisch 
gehört  ahd.  hach  wohl  zu  air.  bacc  «Haken, 
Hacke,  Krummstab»,  abg.  hokü  «Seite»,  vgl. 
Zupitza  KZ.  36,  234.  Eine  weitere  Anknüpfung 
bei  Persson  Wurzelerw.  190. 


^Backen,  m.  (-s,Pl.wieSg.)  und  Backe, f. 

(PI.  -w) :  Gesichtsfläche  zwischen  Auge,  Nase, 
Ohr  und  Hals.  Mhd.  hacke,  ahd.  hacko,  hahho  m. 
«Backen»,  ursprünglich  «Kinnlade»  (häufig  zu- 
sammen ges.  mhd.kinnehacke,  -hache,  ahd.  kinni- 
hahho,  dazu  asächs.  kinnihako  m.,  ndl.  kinne- 
hak  f.).  Mit  dem  vorigen  Wort  nicht  verwandt; 
nicht  zu  lat.  huccaf.  «Mund,  Backe»,  sondern  zu 
gr.  qpaYibv  «lünnbacken»  (Hesych),  R.  Much 
ZfdW.  2,  283.  Im  altem  Nhd.,  auch  bei  Luther, 
herrscht  dasMask.5acÄ:en  (früherBacke,  Back), 
daneben  dringt  vom  Ndd.  aus  das  Fem.  Backe 
vor,  schon  bei  Schottel  (aber  nicht  bei  Stieler, 
Ludwig,  Frisch,  Steinbach);  bei  Adelung  und 
Heynatz  als  regelrechte  Form.  J._Biv.l)äckig, 
adj.  in  dick-,  rothäckig.  ZUS.  Backenbart, 
m.,  erst  bei  Adelung  1793;  dazu  ndl.  hakke- 
haard  m.  Backenstreich,  m.,  frühnhd.  (1482 
im  Vocab.  predic.  B  1  '^ ),  dafür  mhd.  hacken- 
slac  m.  Backenzahn,  älter  Backzahn,  m. : 
einer  der  vier  hintersten  Zähne  auf  jeder  Seite 
des  Kinnbackens,  mhd.  hackzan,  -zant,  ahd. 
hacchozan,  dazu  ndl.  haktand.  Backpfeife,  f. : 
Ohrfeige  (Immermann  Münchh.  1,  203). 

backen,  v.  (Prat.  buk,  häufig  backte,  Part. 
gebacken):  1)  in trans.  durch  Hitze  (oder  Frost) 
fest  aneinanderklebend  hart  werden,  2)  trans. 
durch  Hitze  in  kui-zer  Zeit  fest  und  hart  machen. 
Mhd.  hacken  (das  ck  erklärt  sich  durch  eine 
Präsens -Verstärkung,  wahrscheinhch  assimi- 
lierfes  ti)  und  bachen,  ahd.  hacchan  und  bahhan ; 
dazu  ndl.  hakken  und  (der  2.  hochd.  unver- 
stärkten Form  entsprechend)  ags.  bacan,  engl. 
hake,  anord.  schwed.  haka,  dän.  hage  und 
mit  Ableitung  ndl.  hakeren  «wärmen».  Ver- 
wandt ist  gr.  qjiÜYeiv  «braten,  rösten»,  aber 
kaum  lat.  focus  m.  «Feuerstatt,  Herd»,  vgl. 
Walde  s.  v.  Im  altern  Nhd.  findet  sich  in 
obd.  Quellen  die  Form  bachen  (noch  von  He- 
nisch  und  selbst  von  Krämer  1678  neben  backen 
angefühi-t),  hacken  ist  durch  Luther  herrschend 
geworden.  Das  Prät.  mhd.  buoch  erhält  sich 
auch  im  altem  Nhd.  als  buch;  diese  Form 
gibt  noch  Bödiker  als  die  regelrechte  (auch 
noch  beiHeynatz  1775),  während  sich  Gottsched 
für  huck,  Adelung  für  buk  entscheidet.  Das  Part. 
Prät.  mhd.  gebacken  ist  im  Nhd.  dem  Präs.  an- 
geglichen worden  (schon  bei  Luther  gebacken). 
Seit  dem  18.  Jh.  kommt  auch  schwache  Flexion 
vor  (namtl.  bei  dem  intrans.  backen).  ABL. 
Beck,  m.  {-en,  PI.  -en):  Bäcker.  Nur  noch 
süddeutsch  ,  (als  Familienname  verbreiteter). 
Mhd.  hecke,  ahd.  hecko,  heccho  (in  brothbecco). 
Dafür  jetzt  Bäcker,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.),  im 


137 


Backpfeife 


Bagger 


138 


altem  Nhd.  Becker.  Mhd.  (seit  dem  12,  Jh.) 
hecker;  dazu  asächs.  hakkeri,  ndl.  hakker,  ags. 
hcecere,  engl,  haker,  anord.  bakari,  schwed.  ha- 
gare,  dän.  hager.  Davon  Bäckerei,  f.  (1482 
im  Voc.  theut.  y  4^  peckerey).  ZUS.  Back- 
flsch,  m.:  Fisch  zum  Backen,  aber  zu  jung 
zum  Absieden:  noch  unausgewachsenes  Mäd- 
chen (schon  1555  in  Bebeis  facetiae  393,  vgl. 
auch  Alberus  Fab.  40,  129,  wo  Backfisch  für 
Baccalaureus  gesagt  wird).  Vgl.  EickhoflF 
ZfdU.  14,  213  f.  Backofen,  m.:  gewölbter 
Ofen  zum  Einschieben  und  Backen  von  Brot, 
Kuchen  usw.,  mhd.  hachoven,  hackoven  m. 
Backstein,  m. :  gebackener  künsthcher  Stein 
aus  Lehm  oder  Ton,  gebrannter  Ziegelstein 
(Henisch  1616).  Backwerk,  n.:  kleines  fei- 
neres Gebäck,  mhd.  hacwerc. 

Backpfeife,  -zahn,  s.  Backen  2. 

Backschich,  n.:  Trinkgeld,  in  neuerer 
Zeil  entlehnt  aus  pers.  bachschisch  «Geschenk», 
arab.  hachscMsch  «Trinkgeld». 

Bad,  n.  (-es,  PI.  Bäder):  Reinigung  des 
Köi^persdui-chHineinsteigenin  eine  Flüssigkeit; 
diese  Flüssigkeit  selbst;  Ort  mit  heilkräftigen 
Quellen  und  Anlagen  zum  Baden.  Mhd.  hat, 
Gen.  hades,  ahd.  had  n.;  dazu  asächs.  had,  ndl. 
had,  ags.  hced,  engl,  hath,  anord.  had,  schwed. - 
dän.  had  n.  Altes  to-Partizip  zu  höhen  (s.  d.); 
verwandt  ist  abg.  hanja  «Bad»,  hanjati 
«waschen,  baden».  Redensart:  das  Kind  mit 
dem  Bade  ausschütten  «etwas ganzUnbedachtes 
tun.  das  Gute  mit  dem  Schlechten  verwerfen». 
Daher  der  Orts-  und  Landesname  Baden, 
eig.  Dat.  PL,  ahd.  Badun,  urspr.  aj  hadun 
«zu  der  Warmbädern».  Vom  Landesnamen 
abgeleitet  das  Adj.  l)adiscll,  wofür  auch 
badenisch,  hadnisch;  Badner,  m. :  wer  aus 
Baden  ist,  auch  mit  fremder  Endung  Ba- 
denser  n.  Vgl.  ZfdW.  1,  60,  366;  3,  102.  — 
baden,  v.  Mhd.  baden,  ahd.  hadön-,  dazu 
ndl.  baden,  ags.  hadian,  engl,  hathe.  ABL. 
Bader,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  wessen  Geschäft 
es  ist,  eine  öffentliche  Badstube  zu  halten  und 
(zunächst  in  dieser)  zur  Ader  zu  lassen  und 
zu  schröpfen,  dann  auch  Bart  und  Haare  zu 
scheren.  Mhd.  hadcere,  hader;  dazu  asächs. 
hathere.  ZUS.  Badehre,  f.:  Schamtuch, 
Schürze  beim  Baden  (Wieland  11,  221,  schon 
bei  Dasypodius  1537  Badehr;  noch  Schweiz, 
für  «Badehemd»).  Ehre  war  in  ältrer  Zeit  Be- 
nennung eines  Schleiers  oder  Tuches,  mit  dem 
man  Gesicht  (Keisersberg  Postill  3,  46*)  oder 
andre  Teile  des  Leibes  (Dasypodius  318°  )  sitt- 
sam verhüllte.     Badereise,  f.:   Reise  zum 


Besuch  eines  Badeorts.  Erst  bei  Campe  1807, 
mhd.  dafür  hadevart,  älternhd.  Badenfart. 
Badestube,  f. :  mhd.  hadestube  f.,  dazu  anord. 
badstofa  f. 

Bafel,  m.:  nutzloses  Gerede;  wertloses  Zeug, 
oberd.  Md.  Babel.  VieUeicht  zu  häbheln  (s.d.). 

baflf,  s.  pa/f. 

bäifen,  v. :  mit  schwachem  kurzen  Tone 
bellen.  Spätmhd.  he/fen  «zanken,  schelten, 
widerbellen»,  ui'spr.  aber  (wie  1541  bei  Fri- 
sius  579*  und  388^,  danach  bei  Maaler  1561) 
«bellen»  (vom  Hund  oder  Fuchs).  Zugrunde 
liegt  die  SchaUinterj.  baff  vom  bellenden 
Laute  des  Hundes,  s.  paff.  Auch  ndl.  baffen 
«bellen»,  mengl.  baffen.  ABL.  bäffzen,  v., 
wie    häffen  (1541  bei  Frisius  507*  bäfftzen). 

Bagage,  f.:  Reise-,  besonders  Heergepäck; 
(nach  dem  übelbeleumdeten  Heerestroß  über- 
tragen) Gesindel,  Pack.  Aus  franz.  bagage, 
ital.  bagaglio  m.,  das  auf  dem  gleichbed.  mlat. 
bagagium  n.  beruht,  von  mlat.  baga  f.  «Ka- 
sten, Sack»,  prov.  hagua,  afranz.  hague  f. 
«Bündel»,  span.  baga  f.  «Packseil,  Last  des 
Saumtiers»  (die  vielleicht  auf  anord.  haggi 
m.  «Bündel,  Tracht,  Last»  zumckzuführen 
sind,  s.  Johansson  KZ.  36,  361,  vgl.  Pack). 
Ein  um  1600  ganz  geläufiges  Fremdwort 
(vgl.  Gombert  6,  9),  das  1557  bei  F.  Platter 
281  als  hagaie,  1617  im  Teutsehen  Michel  nr. 
33  als  Bagaschi  und  bei  Wallhausen  Coi-p. 
mil.  131   als  Bagage  erscheint. 

Bagatelle,  f.:  nicht  zu  beachtende  Klei- 
nigkeit. Aus  dem  gleichbed.  franz.  hagatelle 
f.,  nach  ital.  hagatella  f.  «Kleinigkeit,  Ta- 
schenspielerei», was  als  diminutive  Bildung 
zu  roman.  baga  (s.  Bagage)  anzusehen  ist, 
also  eig.  «kleiner  Pack»,  dann  «Lumperei, 
Kleinigkeit».  Im  17.  Jh.  entlehnt  (Fischer  1, 
575,  Beleg  von  1611. 

bägern,  v. :  quälen,  plagen  (Wieland  an 
Merck  1,  108).  Schwäbisch.  VieUeicht  als 
Ableitung  zu  mhd.  bägen,  ahd.  bägan  «streiten, 
zanken»  anzusehen,  das  ühlenbeck  Btr.  20, 
37  zu  air.  bägim  «ich  streite»,  skr.  hähate 
«drängt,  dmckt»  stellt;  oder  aus  dem  Rot- 
wälschen,  wo  sich  pegern  «krepieren,  tot 
machen»  (zu  hebr.  pegei'  '< Leichnam»)  findet 
(daher  Schweiz.  ?)ei^ere  «plagen»),  i%YneY  Paget' 
«vergiftete  Brocken  zum  Töten  der  Hunde». 

Bagger,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Werkzeug 
zum  Ausschöpfen  und  -werfen  des  Sandes 
und  Schlammes  aus  einem  Wasserbette.  Bei 
Jablonski  1721  und  Frisch  1741  Baggert. 
Von  baggern,  v.:   Sand  und  Schlamm  von 


139 


bah 


Bake 


140 


dem  Grund  eines  Wasserbettes  ausschöpfen 
und  -werfen.  Dies  ist  das  ndd.  baggern,  ndl. 
baggeren  von  ndl.  hagger  f.  «Schlamm  auf 
dem  Grunde  des  Wassers»,  unsichrer  Her- 
kunft.    Vgl.  Franck  s.  v. 

bah!  Interj.  der  Geringschätzung  und 
Abweisung  (bei  Voß).  Auch  pah!  (bei  Pla- 
ten  4,  197).    Vgl.  franz.  hah! 

bähon,  V. :  in  Wärme  erweichen ;  am 
Feuer  gelind  rösten.  Mhd.  bcßjen,  bcen,  ahd. 
bäjan,  bähan,  bäen.  Dazu  Bad  (s.  d.),  viel- 
leicht zu  lat.  fovere  «wärmen,  warmhalten, 
baden»,  also  aus  *bhwe,  doch  s.  Walde  s.  v. 

Bahn,  f.  (PI.  -en) :  gemachte  ebene  Fläche 
zum  Fortbewegen  auf  derselben :  Linie,  Rich- 
tung einer  Bewegung.  Mhd.  hane,  ban  f. 
und  ban  m.,  dazu  ndl.  baan  f.,  schwed.  ban, 
bana,  dän.feane  (entlehnt).  Es  gehört  vielleicht 
zu  höhnen  (s.  d.),  dann  mit  der  Grundbed. 
«Glätte,  glatte  Fläche»  oder  zu  einer  germ. 
Wurzel  ban  «schlagen»,  ahd.  bano  «Mörder»: 
dann  wäre  dieGnindbed.  «diefestgeschlaffene». 
Luther  hat  ban,  bahn;  sonst  in  altern  md. 
Quellen  oft  noch  die  vollere  Form  Bahne 
(z.  B.  Zesen  Helikon -"^  L7^,  Fleming  342, 
Lohenstein  Ibr.  45,  Günther  152.  222).  ABL. 
bahnen,  v.:  Bahn  machen,  zur  Bahn  ma- 
chen. Mhd.  banen,  aber  bei  Luther  benen, 
behnen,  wie  auch  bei  den  schlesischen  Dich- 
tern bahnen  (noch  bei  Günther  393,  auch 
1775  von  Heynatz  und  1793  von  Adelung 
als  obd,  noch  erwähnt),  aber  1642  bei  Duez 
bahnen  (so  auch  bei  Gryphius  Trauersp.  410). 
ZUS.  Bahnhof  m.,  Bahnwart,  Bahn- 
wärter m.  und  andre  Eisenbahnwörter  seit 
den  30  er  Jahren  dieses  Jh. 

Bahre,  f.  (PI.  -n):  langes  wagerechtes 
Gestell  zum  Tragen  für  zwei  oder  mehr 
Personen;  besonders  ein  solches  Gestell,  den 
Sarg  zum  Grabe  zu  tragen:  (daher,  aber 
selten)  Sarg,  z.  B.  bei  Schiller  Räuber  4,  6. 
Mhd.  bare,  ahd.  bära  f.;  dazu  ndl.  baar,  ags. 
bare,  beer  f.,  engl,  bier,  schwed,  bar  m,,  dän. 
baare;  mit  abweichendem  Vokal  anord.  harar 
PI.  (weitergebildet  auch  in  engl,  barrow  und 
ndl.  berrief.)  «Bahre»;  eine  3. Vokalstufe  zeigt 
bayr.-schwäb.-alem.-hess.  bere  f.  (daher  franz. 
biere).  Gehört  zu  got.  bairan,  ahd.  beran 
«tragen»  (s.  gebären),  wie  lat.  feretrum  n. 
«Bahre»  zu  dem  entsprechenden /erre« tragen», 
vgl.  die  gleichartige  Bildung  in  aind.  bhärns  m. 
«Bürde,  Last»  und  auch  wohl  in  lat.  feralis 
adj.  eig.  «zur  Bahre,  zum  Toten  gehörig».  Bei 
Luther  bare;  sonst  im  altern  Nhd.  oft  ohne  e 


(Baar  bei  Duez,  Krämer,  Frisch,  j5aÄr  bei  Lud- 
wig, Frey  er).  ZUS.  Bahrrecht,  n. :  Art  Got- 
tesurteil, das  darin  bestand,  daß  man,  wenn 
der  Totschläger  unentdeckt  war,  alle  Ver- 
dächtigen an  die  Bahre  treten  und  den 
Leichnam  berühren  ließ,  indem  man  glaubte, 
die  Wunde  fange  bei  dem  Schuldigen  an 
zu  bluten  (vgl.  Nibelungen  984  fg.).  Bahr- 
tuch, n. :  Sarg-,  Leichentuch,  mhd.  bärtuoch. 

Bai,  f.  (PI.  -en):  weit  in  die  Breite  sich 
ausdehnender  Meerbusen:  (mhd.  beie,  jetzt 
veraltet)  vorspringendes  Fenster  an  den 
Zinnen.  Zugrunde  liegt  franz.  baie,  mit  bei- 
den Bedeutungen,  entsprechend  ital.  baja 
«Bucht,  Hafen»,  alti'om.  (bei  Isidor)  baja 
«Bucht,  Hafen»,  wahrscheinlich  auf  den  Orts- 
namen Bajae  zuriickgehend,  vgl.  Schuchardt 
Btr.  19,  541  ff.  Ins  Deutsche  gekommen  aus 
engl,  bay  «Meerbusen»,  vermittelt  durch  das 
Ndl.  (baeye  «Bucht,  Hafen»  bei  Kilian  29^). 
Ndd.-Hochd.  erscheint  Bay  am  Ende  des  16. 
Jh.  bei  Hulsius  Schiffahrten  3,  9,  daneben 
früher  auch  Baye.  ZUS.  Baisalz  (auch  Boi- 
Salz),  n.:  Meersalz.  Nach  engl,  bay  sali,  1546 
bei  Georg  Agricola  484  Baisaliz  (im  16.  Jh. 
nd.  boisolt). 

Bajazzo,  m.  (-s,  PI.  -s):  der  gemeine 
Lustigmacher  umherziehender  Spieler  und 
Gaukler.  Aus  mailänd.  pajazz  (Chembini, 
voc.  milanese-ital.  3,  239''),  entsprechend  ital. 
pa'gliaccio  m.  «Hanswurst,  Gaukler»,  eig. 
«Strohsack»,  von  mailänd. pa;a,  iial.  paglia  f. 
«Stroh»  abgeleitet,  das  auf  lat. pal ea  f.  «Spreu» 
zuinickgeht.  Bei  Campe  1811.  Mundartlich, 
z.  B.  obersächsisch,  Baiatz,  Baiäs  m. 

Bajonett,  n.  (-es,  PI.  -e):  Flintenspieß. 
Aus  franz.  baionette  f.,  urspr.  bayonnette, 
weil  (im  16.  Jh.)  zu  Bayonne  in  Südfrank- 
reich erfunden.      Noch  im   17.  Jh.  entlehnt. 

Bake,  f.  (PI.  -n):  sichtbares  Schiffer- 
zeichen zu  Anfurt  und  Hafeneinfahrt  oder 
zur  Warnung  vor  Untiefen.  Das  ndd.  bake 
f.,  ndl.  baak  f.,  entlehnt  aus  fries.  baken  n., 
dazu  asächs.  bökan  «Zeichen»,  ags.  beacen  n. 
«Zeichen»,  engl,  beacon  «Bake,  Signalfeuer, 
Leuchtturm»,  ahd.  bouhhan,  mhd.  bouchen  n. 
«Zeichen,  Signal»  (noch  jetzt  Schweiz.  ^awcA^, 
böche  m.  «Boje»),  das  wohl  zu  gr.  iriqpaucKeiv 
«erscheinen  lassen,  ein  Zeichen  geben»  ge- 
hört. Schon  im  Anfang  des  17.  Jh.  auch 
im  Hochd.  (Wallhausen  Corpus  mil.  S.  107 
hat  Fewerbqacken,  Stieler  1691  Bahk  «pha- 
rus»).  Der  Wechsel  des  Geschlechts  erfolgte 
vom  Plur.  aus  (wie  bei  Wolke,  mhd.  wölken  n.) 


141 


Bakel 


Balg 


142 


Bakel,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Schulstock 
zur  Züchtigung.  In  der  Schulsprache  aus  lat. 
baculus  m.  «Stock».  Bei  Krämer  1618  Backel. 

baken,  v.:  schlagen,  z.  B.  Flachs  nach 
dem  Dörren,  Gerste  usw.  (Brockes  7,  571). 
Aus  mnd.  hohen  «klopfen,  schlagen». 

Bakkalanreus,  m.:  Gelehrter  des  nie- 
drigsten akademischen  Grades.  Mit  Anleh- 
nung an  laureits  «Lorbeer»  umgedeutet  aus 
mlat.  haccalarius  «Ritter,  der  einem  andern 
untergeordnet  ist.  Knappe»,  dann  «Inhaber 
der  dem  Doktorgrad  untergeordneten  aka- 
demischen Würde»  (1420  haccalerer  Diefenb. 
64  ^'j  1482  im  Voc.  theut.  cS'''  haccalari,  «halb- 
meyster  der  freyn  kunst»),  woher  franz. 
hacheliei'  «Edelknappe,  Bakkalaureus»,  engl. 
harhelor  «Junggeselle,  Bakkalaui-eus».  ABL. 
Bakkalaureat,  m.  {-es,  PI. -e):  Wüi-de  des 
Bakkalaureus.  1520  bei  Luther  christl.  Adel 
L  -3  '^  Baccalariat. 

balancieren,  v.:  das  Gleichgewicht  hal- 
ten. Aus  dem  gleichbed.  franz.  halancer,  von 
halance  f.,  mailänd.  venetianisch  span.  halanza 
f.  «Wagschale,  Gleichgewicht,  Schwebe»,  eig. 
«Wage»,  mit  Übergang  des  ursprünglichen 
i  in  a  (wie  denn  noch  ital.  hilancia  f.  «Gleich- 
gewicht, Wage»)  hervorgegangen  aus  dem 
Akk.  Sing,  hilancem  von  lat.  hi-lanx  «zwei 
Wagschalen  habend».     S.  auch  Bilanz. 

Baibier,  s.  Barbier. 

Balche,  s.  Belche. 

bald,  (dichterisch  wie  älternhd.  auch)  bal- 
de,  adv.  (Komp.  hälder,  Sup.  häldest):  ohne 
Aufenthalt;  in  kurzer  Zeit:  in  kurzer  Ent- 
fernung; beinahe;  ohne  Mühe.  Gebildet  vom 
Adj.  mhd.  halt  (Gen.  haldes)  «rasch,  schnell» 
und  (ursprünglicher)  «külm,  tapfer,  freimü- 
tig, dreist»,  ahd.  hat  fast  nur  diese  Bedeu- 
tungen, ebenso  asächs.  hold-,  dazu  noch  ndl. 
houd  (aus  *hald)  «trotzig,  frech»,  ags.  heald, 
bald,  engl,  bohl,  anord.  ballr  «kühn,  tapfer, 
frech»,  got.  *balps  (im  Adv.  balpaba  «kühn, 
dreist»).  Hierher  der  Name  des  westgotischen 
Adelsgeschlechtes  der  Balthae,  d.  i.  got.  hal- 
ßai  und  des  Gottes  anord.  Baldr,  ahd.  Paltar 
(vgl.  ags.  bealdor,  anord.  haldr  m.  «Fürst»), 
auch  der  Eigenname  Balduin,  mhd.  Balde- 
win,  dessen  zweiter  Teil  mhd.  wine,  ahd. 
wm  «Freund,  Geliebter»  ist,  «kühner,  schnel- 
ler Freund»  (im  Tierepos  der  Name  des 
Esels).  Verwandt  ist  nach  einigen  lit.  hältas 
«weiß»,  danach  als  Grundbed.  wohl  «licht, 
hell,  offen,  freimütig»  anzunehmen.  Vgl.  aber 
Meringer  IF.  18,  285,  nach  dem  Verwandt- 


schaft mit  Bild,  Bohle,  engl,  hill  usw.  vor- 
liegt und  von  eiiier  W.  hei  mit  der  Bedeu- 
txmg  «hauen»  auszugehen  ist.  Das  Adv.  mhd. 
holde,  ahd.  haldo  bedeutet  «ungestüm,  keck- 
lich  lind  schnell,  sogleich».  ABL.  Bälde  f. 
(in  Bälde  «sogleich»).  Der  Form  nach  dem 
mhd,  beide,  ahd.  haldt,  got.  balpei  f.  «Kühn- 
heit, Zuversicht,  Dreistigkeit»  entsprechend, 
in  Wirklichkeit  aber  Neubildung  zu  bald 
(nach  Heynatz  1796  nur  in  obd.  Schriften). 
baldig,  adj.  Schon  1420  (Schröer  Voc.  2159) 
baldig  «sich  überstürzend,  schnell»,  als  Ersatz 
des  Adj.  bald  erst  in  der  neuern  Sprache 
üblich,  von  Adelung  1793  noch  beanstandet. 

Baldachin,  m.  {-s,  PI.  -e):  Trag-,  Thron- 
himmel. Mhd.  haldekin  m.  ist  kostbarer,  sei- 
dener, mit  Goldfäden  durchwirkter  Stoff, 
Teppich  von  Baldac,  entsprechend  mlat. 
baldakmus,  ital.  baldacchino.  Baldac,  ital. 
Baldäcco,  ist  aus  arab.  Bagdad  entstanden, 
dessen  Seidenstoffe  berühmt  waren.  Die  nhd. 
Bed.  daraus,  daß  die  Thronhimmel  mit  sol- 
chen Seidenstoffen  bedeckt  waren,  sie  kommt 
schon  im  14.  Jh.  vor  (s.  Diefenbach-Wülcker 
S.  152),  das  der  ital.  Form  angenäherte  Bal- 
dachin aber  erst  im  17.  Jh. 

Baldrian,  m.  (s,  PI.  -e):  das  Katzen- 
ki-aut.  Mhd.  baldrian,  mit  Einschiebung  eines 
d  aus  dem  mlat.  Namen  der  Pflanze,  Vale- 
riana f.,  hervorgegangen.  Im  15.  Jh.  finden 
sich  die  deutschen  Namen  katzenkrüt,  katzen- 
lieh,  weil  die  Katzen  dem  Wasserbaldrian 
(Valeriana  officinahs)  des  Geruches  wegen, 
der  dem  des  Katzenharns  ähnelt,  nachgehen. 

Balduin,  s.  bald. 

Balg,  m,  {-es,  PI.  Bälge):  aufgeschwellte 
Fruchthülle;  abgestreifte  (aber  nicht  abge- 
zogene) Tierhaut;  (ehedem  auch)  Menschen- 
haut, (dann  verächtlich,  auch  als  n.  mit  dem 
PI.  Bälger)  Mensch,  besonders  unzüchtige 
schlechte  Weibsperson,  böses  Kind  (1564 
bei  Glaser  Gesindteufel  E6^):  schwellendes 
Geräte  zum  Windausstoßen.  Mhd.  hole  m. 
(Fhbelge)  «Blumenhülle,  Hülse,  Haut,  schlech- 
tes Weibsbild»,  ahd.  bälg  (PI.  belgi)  m.  «Ge- 
treidehülse, Haut,  Blasebalg»;  dazu  ndl.  balg 
m.,  ags.  hcelg  m.  «Balg»,  engl,  belly  «Bauch» 
und  bellows  PI.  «Blasebalg»,  anord,  belgr  m. 
«Balg»  fauch  auf  Menschen  angewandt), 
schwed.-dän.  bälg  «Balg»,  got.  balgs  m.  (PI, 
balgeis)  «Schlauch».  Zu  dem  Verbum  ahd. 
belgan  «aufschwellen»,  meist  (refl.)  «aufge- 
bracht, zornig  sein»,  wie  mhd.  ndl.  beigen, 
asächs.  belgan,  ags.  belgan,   anord.  Part.  Prät. 


143 


Balge 


Ballast 


144 


holginn  «geschwollen».  Vgl.  auch  Polster. 
Verwandt  ist  lat.  follis  m.  «lederner  Schlauch, 
Blasebalg»,  gall.-lat.  bulga  f.  «lederner  Ean- 
zen»,  irisch  holg  «Blasebalg»,  altir.  holgaim 
«schwelle»,  preuß.  po-halso  «Pfühl»,  halsinis 
«Kissen»,  slov.  Uazina  «Federbett»,  serb.  hla- 
zina  «Kissen,  Polster»,  aind,  harhü  n.  «Opfer- 
streu», upa-barhanam  n.  «Decke,  Polster». 
Vgl.  Meringer  Wiener  SB.  144,  6  S.  102.  ABL. 
halgeUf  V.:  den  Balg  abziehen.  Refl.  sich 
bälgen:  die  Haut  oder  Hülse  von  sich  ab- 
gehen lassen. 

Balge,  f.  (PI.  -n):  Waschkübel.  Aus 
dem  Ndd.  halje,  mnd.  hallye,  bälge  «Tonne, 
Kufe,  Schöpfgefäß»,  mit  ndl.  balie  f.  «Zuber», 
schwed.  balja  f.  «Eimer»,  entlehnt  aus  franz. 
haille  f.  «Kufe»,  und  dies  wohl  aus  bret.  bal 
dss.,  vgl.  Hatzfeld-Darmsteter. 

balgen,  v.:  (veraltet,  noch  in  obd.  Mund- 
arten) zornig  reden,  zanken.  Reü.sicA  &.  «ringend 
und  zerrend  die  Leibeskraft  aneinander  ver- 
suchen» (bei  Luther).  Gebildet  von  dem 
älternhd.  Balg  m.:  «Streit,  Zank,  Handge- 
menge» (Fleming  112),  zu  beigen  «zornig  sein» 
(s.  Balg).  ABL.  Balger,  m.:  Zänker,  Raufer 
(bei  Fischart  Nacht  Rab  V.  1496).  Davon 
Balgerei,  f.  (Fischart  Garg.  306). 

bälgen,  s.  Balg. 

Balken,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  mittelst  der 
Säge  oder  Axt  bearbeitetes  Stück  Bauholz, 
sowie  diesem  Ähnliches.  Mhd.  balke,  ahd. 
balko,  balcho;  dazu  asächs.  balko,  ndl.  balk, 
fries.-ags.  halca  m.,  engl,  balk  und  (mit  ab- 
weichender Ablautstufe)  anord.  bjalki  m., 
schwed.  bjälke,  dän.  bjelke  m.  «Balken».  Hier- 
her auch  ags.  bolca  m.  «SchifFsgang»,  viel- 
leicht auch  Bohle  (s.  d.).  Zu  gr.  cpäXajl 
«Holzstamm,  Glied»,  lat.  sufflämen  aus  *sub- 
flägmen  «unter  das  Rad  gelegter  Balken», 
lit.  balz'ena  «Längebalken  an  der  Egge»,  russ. 
boJozyio  «großes  Brett»,  ai.  bhunjäu  «Schnitz- 
bank». Vgl.  Walde  s.  v.  und  unter  fulcio. 
Im  Got.  dafür  ans  m.  Die  urspr.  schwache 
Flexion  ist  nhd.  der  starken  gewichen;  doch 
älternhd.  noch  Balke  (Freyer  263),  Balk. 

Balkon,  m.  (s,  PI.  -e):  erhöhter  Balken- 
vorsprung am  Hause,  zu  Austritt  und  Sitz 
im  Freien.  Nach  ital.  balcone,  venezianisch 
und  paduanisch  wie  franz.  (entlehnt)  balcon  m., 
gebildet  aus  ahd.  balko  m.  «Balken»,  mlat. 
balco  (Gen.  balconis).     Im  17.  Jh.  entlehnt. 

^Ball,  m.  {-es) :  Anschlag  der  Jagdhunde. 
Weidmännisch.  Spätmhd.  bal  (Gen.  balles)  m. 
«Gebelle,  GekläÖ'e»,  zu  bellen. 


^Ball,  m.  (-es,  PI.  Bälle):  kugeli-under 
Körper.  Mhd.  bal  (Gen.  balles),  spätahd.  bal 
(häufiger  in  arsbelli  PI.  «die  Hinterbacken, 
der  Hintere»),  daneben  das  schwache  M.  mhd. 
balle,  ahd.  hallo  (s.  Ballen),  aus  dem  aber 
hal  nicht  hervorgegangen  ist,  das  vielmehr 
nach  anord.  böllr  m.  «Kugel,  Hode»,  schwed. 
boll,  dän.  hold  «Ball»  m.  als  M-Stamm  (got. 
*ballus)  anzusetzen  ist.  Verwandt  ist  noch 
Bolle  (s.  d.)  und  gr.  qpaWöc,  air.  ball  «mem- 
biTim  virile».  Weiteres  bei  Johansson  PBr. 
Btr.  15,  225,  Walde  s.  v.  follis.  Franz.  balle, 
ital.  balla  f.  «Kugel»,  ist  aus  dem  Deutschen 
(ahd.  balla  f.  neben  hallo  ra.)  entlehnt.  ZUS. 
Ballspiel,  n.:  Spiel  mit  dem  Ball.  Zu  An- 
fang des  15.  Jh.  ballespil.  Davon  Ballspieler, 
m.,  1482  im  Voc.  theut.  palspiler. 

^Ball,  m.  (-es,  PI.  Bälle) :  Tanzfest.  Schon 
mhd.  vereinzelt  für  den  mit  Ballspiel  ver- 
bundenen Reigen  (Athis  105,  94),  in  der 
jetzigen  Bed.  im  spätem  17.  Jh.  eingedrungen 
(Stieler  1691  verzeichnet  das  Wort  als  N., 
als  M.  wird  es  z.  B.  gebraucht  von  Hagedorn 
Oden  133).  Aus  ital.  hallo,  franz.  hal  m.  «Tanz» 
von  ital.  ballare,  afranz.  baller  «tanzen»  Dies 
ist  wahrscheinlich  von  germ.  ball  (s.  ^Ball) 
abgeleitet,  da  im  Mittelalter  das  Ballspiel  ein 
nait  Gesang  und  Tanz  verbundenes  Spiel  war. 
Andre  knüpfen  an  das  in  Großgriechenland  und 
Sizilien  übliche  gr.  ßaWiceiv  «tanzen,  hüpfen, 
springen»  (von   ßdWeiv  «werfen»)  an. 

Ballade,  f.  (PI.  -n):  mit  lyrischer  Emp- 
findung erzählendes  Gedicht.  Aus  franz.  hal- 
lade  f.,  das  auf  prov.  balada,  ital.  ballata  f. 
«Tanzlied»  beruht,  dem  substantivisch  ge- 
setzten F.  des  Part.  Prät.  von  ital.  ballare 
«tanzen»  (s.  ^Ball).  Nach  dieser  Bed.  bei 
Fischart  Garg.  304.  Der  jetzige  Begi'iff  ist 
nach  dem  Vorbilde  der  englischen  und  schot- 
tischen ballads  geltend  geworden,  aus  denen 
Bürger  und  andre  schöpften. 

Bällast  und  Balläst,  m.  (-es):  Unter- 
ladung im  Schifte,  damit  es  im  Gleichgewicht 
bleibe  und  tiefer  gehe;  Untaugliches  und 
Überflüssiges  (eig.  über  Bord  zu  Werfendes). 
Aus  ndd.  ndl.  bailast  m.,  woher  auch  engl. 
hallast,  schwed.  barlast,  dän.  haglast  m.  «Bal- 
last». Die  Formen  des  Schwed.  und  Dän. 
beruhen  auf  einer  Ausdeutung  des  Wortes; 
barlast  (früher  auch  im  Ndd.)  als  «bare,  bloße 
Last»  (im  Gegensatz  zur  eigentlichen  Schiffs- 
ladung) gen9mmen,  haglast  (hag  =  ist  ndl. 
\  hak,  schwed.  back  «hinter»,  vgl.  ^Backen)  als 
«Hmterlast,  Last  hinter  oder  unter  der  eigent- 


145 


Bailei 


Balz 


146 


liehen  Ladung.  Mhd.  sagte  man  bloß  last  m. 
Falls  hol-  ursprünglich  ist,  so  ist  dies  zu 
ndd.  ndl.  hol-,  asächs.  talii-,  ags.  bealu-,  ahd. 
halu-,  got.  halwa-  (in  Zusammensetzungen) 
«schlecht»  zu  stellen,  also  «schlechte,  gering- 
wertige Last»  (im  Gegensatz  zui-  wertvollen 
Schififslast).  Hochd.  erscheint  das  Wort  schon 
in  frühnhd.  Glossaren  (im  md.  Voc.  ex  quo, 
auch  1501  im  Voc.  opt.  Aa  3^),  in  der  Lite- 
ratur seit  Anfang  des  17.  Jh.  (vgl.  Hulsius 
Schiffart  9,  15). 

Bailei,  f.  (PI.  -en):  ein  Ordensbezirk  der 
deutschen  Ritter.  Mhd.  hallte  aus  mlat.  hällia 
neben  halliva,halHviat,  «Bezirk  eines  hallivus» 
d.  i.  dem  Rechtspflege  und  Yerwallung  eines 
Bezirkes,  einer  Stadt  usw.  übertragen  ist.  Dies 
hallivus  (franz.  hailli,  ital.  halivo)  m.  kommt 
von  mlat.  hälius  m.  (d.  i.  hajulus)  «Träger, 
Geschäftsträgei-,  Vorsteher,  Vormund». 

Ballen^  rn.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  rundlicher  an- 
einander haftender  und  meist  weicher  Körper ; 
(mehr  mimdarthch)  Spielball  (Goethe  11,  22); 
rundliche  Erhöhung  an  Hand  und  Fuß  bei 
Menschen  und  Tieren;  in  einem  Umschlag 
zusammengepackte  Masse;  Maß  einer  Wareu- 
masse,  z.  B.  ein  B.  Papier  =  200  Buch.  Mhd. 
halle  m.,  ahd.  hallo  m.  und  halla  f.  (daher 
franz.  halle,  s.  -Ball).  Die  m-sprüngliche 
schwache  Flexion  ist  im  Nhd.  der  starken 
mit  dem  X.  Sg.  auf  -en  gewichen. 

ballen,  v.:  zu  einem  Balle  machen.  Mhd. 
halleyi.     Meist  refl.  sich  hallen. 

Ballett,  n.  {-es,  PI.  -e):  Schautanz  auf  der 
Bühne.  Aus  ital.  haletto  m.,  dem  Dim.  von 
hallo  m.  «Tanz, Tanzfest»  (s.  '^Ball).  Im  Anfang 
des  17.  Jh.  gebraucht,  z.  B.  1609  bei  Gödeke 
Grundr.  ^  2,  61,  ^'"r.  17  und  bei  Weckherhn. 

ballhornisiereii,  besser  verhallhornen  v: 
(eine  Schrift)  durch  vermeinthche  Verbesse- 
rungen verschlechtem,  verschlimmbessern. 
Das  Wort  kommt  von  dem  Namen  eines  vom 
Jahre  1531  an  tätigen  Buchdruckers  zu  Lübeck 
(nach  Schuppius  Schriften  S.  588  zu  Soest 
in  Westfalen)  Johann  Ballhorn,  der  in  einem 
Abcbuche,  das  er  oft  herausgab,  mancherlei 
ungeschickte  Veränderungen  anzubringen  und 
auf  dem  Titel  beizufügen  pflegte  «vei'mehrt 
und  verbessert*,  «auctior  et  cori'ectior»,  wes- 
halb er  im  17.  Jh.  allgemein  sprichwörtlich 
war.  hallhornisieren  zeigt  die  undeutsche 
Endung  -isieren,  franz.  -iser. 

Ballon  (spr.  Ballung),  m.  {-s,  PI.  -s): 
großer  Ball,  zum  Schlagen  usw.;  mit  Luft 
gefüllter  Ball  zum  Aufsteigen  in  die  Luft, 
Weigaud,  Deutsches  Worte rbnch.    5.  Aufl. 


,  Luftballon.  Aus  franz.  hallon  nach  ital.  hallone 
'  m.,  dies  mit  der  Vergrößemng  ausdrückenden 
,  Endsilbe  von  halla  f.  (s.  -Balt).  Schon  im 
'  16,  Jh.  ndl.  halloen,  palloen  (Küian  695 '*)  und 
am  1600  auch  hochd.  z.  B.  1616  bei  Henisch 
und  1618  bei  Schönsleder  D  7^  (als  Ballon 
:  bei  Fleming  117). 

ballotieren,   v.:    mittelst    Stimmkugeln 
wählen.     Aus  dem  gleichbed.  franz.  hallotter. 
\  von  hallotte  f.  «Stimmkugel»,  dem  Dim.  von 
,  halle  f.  «Kugel,  Ball».    Bei  Duez  1664  in  der 
Bed.  «Ball  spielen»,  in  der  jetzigen  bei  Adelung 
11793  (Schweiz.  Id.  4,   1156  Beleg  von  1610). 
I     Ballspiel,  s.  -Ball. 
\      Balsam,  m.  (-s,  PI.  -e):  wohlriechender 
i  Saft    aus    destillierten    Ölen;    Wohlgeruch; 
j  linderndes  Heilmittel.    IVIhd.  haisame,  balsem, 
ahd.  balsamo  m.,  entlehnt  aus  gr.-lat.  halsa- 
mum,    gr.    ßdXcaiuov   n.   «Harz   des   Balsam- 
baumes».     Dies    stammt    aus    arab.   hasäm, 
halsam    «Balsamstrauch».      Got.    halsan    n. 
<!;  Balsam»  zeigt  auffallendes  n.     ABL.  bal- 
sanien,  balsamieren,  v.,  mhd.  halsemen, 
halsamieren.  Balsamine,  f. :  das  Springkraut, 
impatiens  noli  tangere,  das  zu  einem  Wund- 
balsam dient.     Aus  nlat.  halsamina,  das  auf 
gr.  ßa\ca|Liivri  f.  «Balsampflanze»  beraht,    bal- 
samisch, adj.,  bei  Stieler  1691. 

baltisch,  adj.:  die  Ostsee  betreffend,  im 
16.  Jh.  Zu  lat.-germ.  Baltia  (Plinius  4,  13, 
vgl.  Belt). 

Balustrade,  f.  (PI.  -n)-.  Brustlehne,  Ge- 
länder. Aus  gleichbed.  f)-anz.  balustrade,  ital. 
halanstrata  f.,  von  franz.  halustre,  ital.  ha- 
laustro  m.  «Geländersäule»,  und  dies  von  mlat. 
halaustium,  gr.  ßaXaucTiov  «Blüte  des  wilden 
Granatbaumes»,  nach  der  ähnlichen  Form  auf 
die  Verzierung  des  Geländers  übertragen. 
Im  18.  Jh.  (1778  bei  Amaranthes  ^  1,  316.) 
Balz,  f.,  seltener  m. :  Begattung  des  größern 
Federwildes;  Ort  und  Zeit  der  Begattung. 
balzen,  v. :  sich  begatten,  vom  größern  Feder- 
wilde, als  Auer-,  Birk-,  Haselgeflügel,  Fasan, 
Kranich,  Schnepfe  usw.  Daneben  Falz,  falzen 
(s.  d.).  Mhd.  erscheint  halze  m.  als  Ort,  wo 
das  Federwild  sich  zu  begatten  pflegt  (im 
Salbuch  des  Klosters  Engelthal  in  der  Wetterau 
1340  der  Flurname  ame  hanen  haltzen,  in  einer 
Gerauer  Urkunde  v.  J.  1355  bei  Baur  hess. 
Urk.  1,  425  vf  den  haltzen).  Unsichrer  Her- 
kunft. Die  Ableitung  von  it.  halzo  «Sprung», 
halzare  «hüpfen»  wäre  der  Bed  nach  mög- 
lich, doch  wii'd  halzare  nie  von  der  Begattung 
der  Vögel  gebraucht,  auch  bleibt  dabei  die 

10 


147 


Bambus 


Bandit 


148 


Nebenform  Falz  unerklärt.  Vielleicht  mit 
der  urspr.  Bed.  «klopfen»  zu  dem  2. Teil  von 
nid.  aanheld,  mnd.  anebelt,  anibolt  «Amboß» 
zu  stellen  {Falz  zu  dem  gleichbedeutenden 
ahd.  anafalz,  ags.  on/ilt,  engl,  anvil).  Vgl. 
ZfdPh.  38,  521. 

Bambris,  m.  (Gen.  wie  Nom.  und  Bam- 
busses, PI.  Bambusse) :  ost-  und  westindisches  j 
Knotenrohr  zu  Spazierstöcken;   der  Spazier- 
stock   davon.      Aufgenommen    zunächst    aus ' 
ndl.  hamboes  m.,    dazu  franz.  baniboii,   engl. 
baniboo,  span.-portug.  bamhu,  aus  dem  gleich- 1 
bed.  malayischen  bambü.     Im  17.  Jh.  entlehnt ' 
(Belege    von    1668   und    1686    bei    Gombert ' 
6,  10). 

bammeln,  v,:  herabhangend  hin-  und  her- 
schwanken. Dafür  auch  bambeln  (Maaler ; 
MüUer  1,  165)  und  pampeln  (Luther  3,  374^  \ 
Jen.  und  Mathesius  Sarepta  73^  und  144*), 
das  man  au.flat.pam2nnus,  mlat.  auchpampilus 
m.  «Rebschoß,  Rebranke»,  älternhd.  pampel, 
banipel  m.  zui-ückgeführt  hat.  Es  ist  aber 
wohl  eher  lautnachahmend  neben  bimmeln, 
bummeln,  baumeln,  vgl.  auch  bimbam!  Krämer 
1678  verzeichnet  bammelen  neben  bommelen. 

bamsen,  v.:  (das  Fell)  durchklopfen.  Nicht ! 
identisch  mit   wamsen  (s.  d.),   sondern  geht 
auf  mhd.  bambas,   bams  (Grermania  23,  308)  ! 
«dickes,  haariges  Fell  an  einem  Sattel»  zu- ! 
rück  (Frisch  1,  54^). 

banal,  adj.:  alltäglich  =  gemein.  Aus 
franz.  banal  «der  Zwangsgerechtigkeit  unter- 
worfen, jedem  zugänglich,  (von  Reden)  ab- 
gedroschen», beruhend  auf  mlat.  bannalis 
«dem  Bann  unterworfen»,  von  bamius  m., 
das  das  deutsehe  Bann  (s.  d.)  zur  Grund- 
lage hat.  Erst  um  1800  auftretend  (Goethe 
29,  85). 

Banane,  f.  (PI.  -n):  Paradies-,  Adams- 
feige. Aus  franz.  banane,  engl.-span.-port. 
hanana,  dem  eine  afrikanische  Benennung  zu- 
grunde liegt.  Als  Bananas  1595  bei  Hulsius 
Schiffart  1,  24,  Bonanas  bei  Münster  Cos- 
mogr.  Asien  Kap.  106. 

Banause,  m.  (PI.  -en):  handwerksmäßig 
Arbeitender,  gemein  Denkender.  Aus  gr. 
ßdvaucoc  adj.  «handwerksmäßig,  gemein».  Um 
1800  aufgekommen,  vgl.  ZfdW.  5,  257.  ABL. 
banausisch,  adj. 

'Band,  m.  {-es,  PI.  Bände):  zusammen- 
zubindender Teil  eines  Schriftwerkes;  Buch- 
schale, Einband.  Abgezweigt  von  Band  n. 
(unter  ndd.  Einfluß,  mnd.  bant  m.)  und  zu- 
erst bei  Duez  1664  verzeichnet. 


-Band,  n.  {-es),  PI.  Bänder  und  (in  der 
Bed.  Fesseln)  Batvde:  was  zum  Binden  dient, 
Bindungsmittel,  eigentlich  wie  bildlich;  Bin- 
dungsmittel um  Glieder  des  Gefangenen; 
langes,  schmales  Gewebe  zum  Binden.  Mhd. 
bant  (PI.  bant  und  bender,  md.  bände),  ahd, 
bant  n.  (PI.  bant  und  bentir):  dazu  asächs. 
band  (in  höbidband  «Diadem»),  ndl.  band  m., 
afries.  band  n.,  engl,  band,  anord.  band  n., 
(PL  band),  schwed.  band  n.,  dän.  baand  n. 
Zu  binden.  Mit  andrer  Ableitung  got.  bandi 
f.,  afr.  bende  f.,  ags.-engl.  bend. 

Bandage,  f.  (spr.  Bandäsche,  PI.  -n): 
Verband  einer  Wunde.  Aus  franz.  bandage  f. 
von  bände  f.  «Binde,  Band,  Streif»,  das  auf 
das  deutsche  Band  zuräckgeht.  Bei  Spe- 
rander   1728. 

^ Bande,  f.  (PI.  -n):  Rand  (Einfassung), 
z.  B.  einer  Billardtafel.  Aus  franz.  bände  f. 
(s.  Bandage). 

■Baude,  f.  (PI.  -n):  zu  einem  Zwecke 
in  Verbindung  stehende  Personen,  mit  dem 
Nebenbegriff  des  Gemeinen  und  Schlechten.  Im 
18.  Jh.  aus  franz.  bände  f.,  ital.  banda  f.,  hier  in 
der  Bed.  «Schar»,  die  auf  die  von  «Fahnen- 
streifen, Fahne»  zurückgeht  (vgl.  Fähnlein). 
Schon  langobard.- mlat.  bandum  (bei  Paulus 
Dia  Conus  1,  20  quod  vexillum  bandum  apel- 
lant),  auf  dem  deutschen  band  (nach  andern 
auf  got,  bandtva  f.  «Zeichen»,  das  wohl  zu 
gr.  qpttivuj  aus  *<pay7"iu  «scheine,  zeige»,  ge- 
hört) beruhend.  Im  16.  Jh.  erscheint  (mit 
Anlehnung  an  Band)  Bände  PL  «Truppen- 
massen», bei  Henisch  1616  Bande  als  ^fänlin, 
bände  reufers».     Vgl.  Banner,  Panier. 

Bandelier,  n.  {-s,  PL  -e):  Schultememen, 
Wehrgehenke.  Aus  franz.  bandouliere,  it. 
bandoliera  f.,  und  diese  aus  span.  bandolera  f. 
Am  Anfang  des  17.  Jh.  auftretend,  z.  B.  1616 
bei  Wallhausen  Kriegskunst  zu  Pferd  38. 

bändig,  adj.:  durch  das  Band,  urspr. 
die  Hundekoppel,  festgehalten,  (Günther  298), 
mhd.  bendec.  Jetzt  nur  noch  in  unbändig. 
ABL.  bändigen,  V.:  durch  ein  Band  zwingen, 
durch  Kraft  bemeistern.     Bei  Henisch  1616. 

Bandit,  m,  {-en,  PL  -en):  Straßenräuber, 
Meuchelmörder.  Aus  ital.  bandito  m.,  aus 
mlat.  bannitus  «Verbannter»,  Part.  Praet. 
von  ital.  bandire,  mlat.  bannire  «des  Landes 
verweisen»,  eig.  wie  mhd.  ze  banne  tiion 
«in  den  Bann  tun»  d.  i.  vogelfrei  erklären. 
(Andre  verbinden  bandire  mit  got.  bandwjan 
«ein  Zeichen  geben»  von  bandwa  f.  «Zei- 
chen»,   also    eiw.    «durch    Ruf    ein    Zeichen 


149 


Bandmesser 


Bankeisen 


150 


geben»,  dann  «entbieten,  vor  Gericht  laden, 
verui-t eilen,  bannen»).  Es  zeigt  sich  zuerst 
in  der  Bed.  «Verbannter»  in  schweizerischen 
Quellen  f Schweiz.  Id.  4,  1282  mit  Beleg  von 
1517,  auch  bei  Frisius  und  Maaler  verzeichnet  |, 
seit  Ende  des  16.  Jh.  allgemein.  Die  Bed. 
«Verbrecher,  Straßenräuber»  tritt  nebenbei 
hervor  (z.  B.  bei  Fischart  Binenkorb  230, 
Zincgref  1,  356)  und  verdrängt  später  völlig 
die  m'spriingliche  Bed.,  die  sich  aber  bis 
ins   18.  Jh.  erhalten  hat. 

Bandmesser,  n.:  handbeilartiges  Messer 
zum  Behauen  der  Faßbänder  (Reife).  Bei 
Henisch    1616. 

Bandwnrm,  m. :  ein  langer,  weißer  Ein- 
geweidewurm mit  vielen  Gelenken,  der  die 
Form  eines  Bandes  hat.    Bei  Adelung  1774. 

bang,  l)ange  (Komp.  bänger,  Sup.  hängst 
auch  banger,  bangst),  adj.  und  adv.:  be- 
engendes, beklemmendes  Gefühl  habend. 
Mhd.  (in'  md.  Quellen)  bange,  aber  nur 
als  Adv.,  aus  be-ange,  dessen  ange  das  Adv. 
von  enge  (s.  d.);  dazu  mnd.-ndl.  bange. 
Auch  Luther  gebraucht  bange  nur  als 
Adv.,  das  sich  später  auch  im  Obd.  ver- 
breitet. Die  schlesischen  Dichter  verwenden 
das  Wort  dann  auch  als  Adj.  (wie  schon 
früher  im  Ndd.  übUch),  und  so  wird  es  schon 
.von  Krämer  1678  aufgeführt.  ABL.  Bange, 
f.,  mhd.  (md. )  bange  m.,  auch  benge,  d.  i.  ahd. 
bengt  f.  bangen,  v. :  «bange  machen:  bange 
werden»,  dies  auch  unpersönhch  mir  (mich) 
bangt.  Mhd.  bangen  in  beiden  Bedd.,  später 
aber  verloren  gehend  und  erst  durch  die  neuere 
Dichtersprache  wieder  aufgekommen.  Ade- 
lung 1793  kennt  nur  sich  bangen  («in  einigen 
gemeinen  Mundarten»),  erst  Campe  1807  hat 
hangen.  Dies  scheint  durch  Wieland  einge- 
führt, der  es  im  Oberen  in  der  Bed.  «zagen» 
und  (nach  etwas  b.)  «sehnsüchtig  sein»  ver- 
wendet. Bangigkeit,  f.,  spätmhd.  CBech 
Germania  18,  260)  bangekeit,  bänglich,  adj. 
und  adv.,  mhd.  bängliche,  nm*  adv. 

Bangert,  m.  (-s,  PI.  -e):  angelegter  Obst- 
baumgarten. Mit  Übergang  des  m,  in  n  aus 
mhd.  boumgarte  m.  Vgl.  Wingert. 

Banier,  s.  Panier. 

^Bank,  f.  (PI.  Bänke):  langer  erhöhter 
Sitz  (daher  die  Redensarten:  durch  die  B. 
ohne  Unterschied,  nämlich  der  Daraufsitzen- 
den, schon  mhd.;  unter  der  B.  liegen,  als 
verachtet  (16.  .Th.):  auf  die  lange  B.  schie- 
ben, im  17.  Jh.  bei  Leibniz  Unvorgreifl. 
Gedanken   §  109,   wie   uf  die  langen  hanck 


ziehen  u.  dgl.  bei  Keisersberg,  1574  bei  Hö- 
niger  Narrenschiff  113^  au  ff  die  lange  hanck 
sparen  «auf  die  Gerichtsbank,  die  lange  Bank- 
tiTihe,  in  der  man  die  Akten  verwahrte,  zu- 
lücklegen,  den  langen  Weg  Rechtens  gehen 
lassen»,  dann  «lang  aufschieben  überhaupt»: 
von  der  B.  fallen,  sowohl  «mit  einer  Frauens- 
person ein  uneheh dies  Kind  zeugen»,  als  auch 
«unehelich  geboren  werden»  s.  Bankert,  die 
Bank  hier  im  Gegensatz  zum  Ehebett; 
sich  hinziehende  seichte  Sandstelle  im  Meer; 
Tisch  oder  Gestell  zu  gewerblichen  Zwecken 
(daher  die  Redensart  durch  die  B.  ziehen, 
eig.  durch  die  Hechelbank,  wie  durchhecheln 
«lästern»,  bei  Schupp  535):  Fleischertisch, 
das  Fleisch  zum  Verkauf  auszulegen  (daher 
die  Redensart  zur  B.  hauen  «öffentlich  zer- 
hauen, nichts  Gutes  an  jemand  lassen»,  bei 
Luther) :  Brustwehr  eines  Walles  (spätmhd.), 
daher  über  B.  schießen,  wenn  keine  Schieß- 
scharten in  der  Bnistwehr  sind  (1757  in 
Eggers  Kriegslex.  1,  216).  Mhd.  banc  m.  und  f. 
(PI.  henke),  ahd.  banch  m.  (PI.  henchi);  dazu 
asächs.  bank,  ndl.  bank,  afries.  benc,  ags.bencf., 
engl,  bench.  anord.  bekkr  m.,  dän.  bänk.  Das 
M.  ist  noch  jetzt  im  Schwab. -Alem.  üblich 
(darnach  Mörike  2,  222).  Dunkler  Herkunft, 
vielleicht  mit  der  Gnindbed.  «Erhöhung»  zu 
anord.  hakki,  schwed.  backe,  dän.  hakke  m. 
«Hügel»  zu  stellen.  Vgl.  aber  Meringer 
Wiener  SB.  144,  6,  97. 

^Bank,  f.  (PI  Banken):  öffentliche  Kasse 
für  den  Geldverkehr:  das  Gebäude  dieser 
Kasse :  der  Spieltisch  und  das  ausgesetzte  Geld 
des  Spielhalters  im  öffentlichen  Geldwagespiel. 
Aus  ital.  hanca  (daraus  franz.  hanque  f.),  das 
auf  das  deutsche  Bank  (vgl.  mhd.  ivehsel- 
banc  m.  «Tisch  des  Wechslers»,  in  gleicher 
Bed.  auch  bloß  banc  m.,  Schweiz.  Id.  4,  1383 
von  1409)  zui-ückgeht.  Bei  Henisch  1616.  Da- 
neben wurde  auch  ital.  banco  m.  entlehnt  in 
der  Bed.  «Wechselbank,  öffentliche  Geldnieder- 
lage», dann  auch  «^lünzfuß»,  nach  dem  bei  der 
Geldbank  gerechnet  wird  (daher  hamburgisch 
Mark  Banko).  Banco  «Bank»  noch  im 
;  Schelmufsky  61  und  bei  Ludwig  1716. 
i  Bankbrnch,  m.,  eine  von  Campe  1795 
vorgeschlagene  Verdeutschung  von  Banke- 
rott fs.  d.).  Das  abgeleitete  Adj.  bank- 
brüehig  wird  schon  im  16.  Jh.  bei  Fischart 
Garg.  78  gebraucht. 

'  Bankeisen,  n. :  Eisen  zur  Befestigung  einer 
Bank,  dann  auch  eines  Gestelles,  Schrankes 
usw.  an  die  AVand.    1741   bei  Frisch. 

10* 


151 


Bänkelsänger 


Banner 


152 


Bänkelsänger,  m.  (s,  PL  wie  Sg.): 
wandernder  Sänger  oder  Dichter,  der  zur 
Belustigung  vom  Bänkel  aus  dem  Stegreif 
singt  oder  dichtet.  Bänkel  ist  mundartliches 
(südd,  oder  ost-md.)  Dim.  von  Bank.  Nach 
ital.  cantamhanco  d.  i.  canfa  im  banco  «sing 
auf  der  Bank!»  Wohl  im  17.  Jh.  gebildet, 
da  nach  Gombert  7,  11  schon  1709  Bänk- 
leinsänger in  übertragener  Bed.  (Neukirchs 
Sammlung  6,  343  die  gelehrten  Bäncklein- 
Sänger);  Bänkelsänger  zuerst  1730  bei  Gott- 
sched crit.  Dichtkunst   13.   75. 

Bankerott,  Bankrott,  m.  {-es,  PI.  -e): 
öffentlich  erklärte  Zahlungsunfähigkeit  zum 
Verluste  der  Gläubiger.  Aus  ital.  hanco  rotto 
(rotto  aus  lat.  ruptus  «gebrochen»)  m.  oder 
banca  rotta  f,  franz.  hanqueroute  f.  (daher 
die  Form  Bankrutt);  der  Name  deshalb, 
weil  dem  zahlungsunfähigen  Wechsler  auf  dem 
Foro  (öffentlichen  Gerichtsplatze)  sein  Wechs- 
lertisch (Wechselbank)  zerbrochen  wurde. 
In  der  1.  Hälfte  des  16.  Jh.,  zunächst  in 
ital.  Form  (z.  B.  bei  Hans  Sachs  Fastn.  78, 
2A:2  panca  rotta,  1533  bei  .Weller  Dichtungen 
des  16.  Jh.  97  hanckarotten  spilen),  eingedrun- 
gen; Henisch  1616  hat  auch  Banckerott. 
Daher  bankerott,  bankrott,  adj.:  öffent- 
lich zahlungsunfähig,  1741  bei  Frisch.  ABL. 
Bankerottierer,  Bankrottierer,  m. :  wer 

Bankrott  macht.  Bei  Pischart  Garg.  186, 
während  1562  bei  Mathesius  Sar.  224^  mit 
deutscher  Endung  Panckerotter ,  1540  im 
Edikt  Karls  V.  an  die  Plauderer  a  3  '^  Bancka- 
rotter.  Vom  V.  hayikerottieren  (l572beiFischart 
Prakt,  Großm.  14),  woneben  mit  deutscher 
Endung  1616  bei  Henisch  hanckerotten. 

Bankert,  m.  (-s,  PI.  -e)  -.  unehliches  Kind, 
eig.  auf  der  Bank  (nicht  im  Ehebett)  erzeugtes. 
Spätmhd.  hankart,  hanchart,  dessen  -hart  von 
Eigennamen  wie  Geh-,  Reinhart  übertragen 
ist,  älternhd.  hankart.  Vgl.  ndl.  hankaard. 
Alternhd.  kommt  in  gleicher  Bed.  auch  Bank- 
kind, Bänkling,  Bankhein  (Lessing  1,  212) 
vor,  vgl.  auch  mlat.  scamnifex  «spui-ius»  (zu 
scanmum  n.  «Bank»)  und  Fastnachtssp.  250, 
32  mein  vater  machet  mich  auf  einer  penk. 
S.  Bastard. 

Bankett,  n.  (-es,  PI.  -e):  festliches  Gast- 
mahl. Aus  franz.  hanquet  und  dies  aus  ital. 
hanchettom.  «Gastmahl»,  eig.  «Bank — Tisch — 
Gelage»,  abgeleitet  mit  dim.  Endung  von 
ital.  hanco  m.,  auf  das  deutsche  Bank  zu- 
rückgehend. 1495  hancket  bei  Reuchlin  De- 
mosthenes    1.    olynth.    Rede    S.  26    Poland, 


dann  bei  Hans  Sachs  Fastn.  8,  346,  Franck 
Weltb.  131.  ABL.  bankettieren,  v.:  fest- 
lich schmausen  (hancketieren  Franck  Chr.  85, 
hanckatieren  Waldis  4,  96,  59,  dafür  bei 
Luther  4,  440^  Jen.  und  im  15.  Jh.  bei 
Ehingen  Reisen  27  fg.  mit  deutscher  Endung 
hancketen).  Nach  franz.  hanqueter,  ital.  han- 
chettare. 

Bankier,  m.  (-s,  PL  -s):  Lihaber  einer 
Bank  (s.  Bank^),  Wechsler.  Bei  Henisch 
1616  als  Banckier  verzeichnet. 

Banknote,  f.  (PL  -n):  schriftlicher,  über- 
all zahlbarer  Schein  (Note)  einer  Geld-, 
Wechselbank,  der  statt  baren  Geldes  dient. 
Erst  bei  Adelung  1774. 

banko,  s.  Bank. 

Bann,  m.  (-es,  PL  -e):  Gebot  oder  Ver- 
bot unter  Strafandrohung  (z.  B.  der  Heerh. 
«Einberufung  zum  Heere»),  sowie  diese  Strafe 
selbst  (z.  B.  der  Kirchenh.  «Ausschluß  aus 
der  Kirchengemeinschaft»);  dem  geistlichen 
oder  weltlichen  Richter  ausschließlich  zu- 
stehende Gerichtsbarkeit  (z.  B.  der  Bluth. 
«Recht  über  Leben  und  Tod»),  sowie  deren 
Bezirk;  abgegrenztes,  gehegtes  Gebiet;  (über- 
tragen) Zwang,  Fessel.  IVIhd.  han  (Gen. 
bannes),  ahd.  han  m.;  dazu  asächs.  han,  ndl. 
han,  afries.  hon,  han,  ags.  bann,  engl,  bann 
«Aufgebot,  Bann»,  anord.  (entlehnt)  bann  n. 
«Verbot,  Exkommunikation»,  schwed.  &awn  n., 
dän.  ba7id.  Mlat.  bannus,  banmmi.  Von  ban- 
nen, V.:  den  Bann  ausüben  und  mit  dem 
Banne  belegen  (in  allen  Bedd.  des  Subst.). 
Mhd.  bannen  (Prät.  bien)^  ahd.  hannan;  dazu 
ags.  hannan,  anord.  (entlehnt)  banna.  Ins 
Mlat.  entlehnt  bannire,  woraus  franz.  bannir, 
wohl  auch  ital.  hanäire  (s.  Bandit).  Ver- 
wandt ist  anord.  bön  f.,  «Bitte,  Gesuch»;  man 
vergleicht  noch  gr.  qprmi,  cpäcKiu  «sprechen», 
lat.  färi,  fämim,  fäbula,  arm.  han  «Wort»  (nn 
in  hannan  müßte  dann  Präsenssuffix  —  aus 

nu-,  nw sein).    Im  Germ,  wäre  das  Wort 

auf  feierliche  Aussprüche  von  priesterlicher 
oder  richterlicher  Stelle  aus  beschränkt. 
Auch  an  Zusammenhang  mit  got.  handwa  f. 
«Zeichen»,  wofür  ital.-span.  ban(?o  m.  «Aufge- 
bot, Bann»,  ital.  bandire  «entbieten,  bannen» 
(s.  Bandit)  sprechen  könnte,  läßt  sich  den- 
ken (hannan  aus  *handnan). 

Banner,  n.  (-s,  PL  wie  Sg.):  Heerfahne. 
Spätmhd.  hanner,  aus  mhd.  haniere  f.  n., 
banier  (s.  Panier),  zurückgehend  auf  franz. 
hanniere  f.,  von  afranz.  ban  «Fahne»,  eig. 
«Fahnenstreifen,  Bande»,  vgl.  -Bande,   ital. 


153 


Bannmeile 


Bär 


154 


handiera  f.,  span.  handera  f.,  mlat.  banderia 
f.  ZUS.  Bannerherr,  m.:  mit  fremdem 
Bamier  belehnter  oder  ein  eignes  Banner  zu 
führen  berechtigter  hoher  Adeliger.  Spätmhd. 
hanyrherre  «vexiUifer»  Diefenbach  Gl.  617*. 

Bannmeile,  f.:  Weichbild  (eine  Meile 
große  Umgebung)  eines  Ortes  als  Gerichts- 
bezirk; Stadtbezirk,  innerhalb  dessen  kein 
Fremder  Handel  oder  Gewerbe  treiben  darf. 
Mhd.  hamnile.  Danach  franz.  hanlieue  f. 

Bannwald,  m.:  gehegter  Wald,  der  der 
freien  Benutzung  entzogen  ist.  Frühnhd. 
(vgl.  das  mhd.  gleichbed.  hanholz  n.  und  mhd. 
hanwart  «Forstaufseher,  Flurschütze x>X 

Banse,  f.  m.  (PI.  -n)-.  weiter  Scheunen- 
raum zur  Seite  der  Tenne.  Im  15.  Jh.  in 
md.  Quellen  hanse  m.,  später  z.  B.  bei  Tscher- 
niüg  Ged.  Fiühling  124  belegt,  bei  Stieler  1691 
aus  dem  Thüringischen  als  Bans,  Banse  m.  ver- 
zeichnet, ^uch  im  Nd.  vorkommend.  Dazu 
ags.  hös  (aus  *hans)  m.  «Krippe»,  nordengl. 
höose,  anord.  häss  (aus  *hans)  m.  «Krippe 
im  Kuhstall»,  schwed.  häs,  dän.  haas  m. 
«Ständerpfosten  im  Stall»;  got.  abweichend 
hansts  m.  «Scheune».  Vielleicht  urspr.  «Ge- 
flecht zur  Aufnahme  von  Getreide»  und  dann 
zu  binden  zu  stellen  (band  mit  angetretenem 
Suffix  -ta-  konnte  hansa-  ergeben),  vgl. 
franz.  hanse  f.  «großer  Korb».  Windisch  Idg. 
Forsch.  3,  76  stellt  das  Wort  zu  air.  bess, 
hes  m.  «Gewohnheit,  Sitte».  Im  ,aind.  ist 
bei  Lexikographen  hhäsa-  «Kuhstall»  über- 
liefert. ABL.  bansen,  v.:  in  die  Banse 
schichten.     Bei  Stieler  1691. 

bar  (früher  gewöhnlich  haar),  adj.:  unbe- 
deckt; den  Blicken  frei  (z.B.  bares  Geld  «vor 
Augen  aufgezähltes»);  durch  nichts  andres  ver- 
deckt, nichts  anders  als  bloß  (z.  B.  bare  Er- 
findung): entblößt,  gänzlich  benommen  (z.  B. 
aller  Ehren  h.  Schiller  Teil  2,  2).  Das  Wort 
ist  in  der  neuern  Dichtersprache  hauptsäch- 
lich durch  Wieland  (vgl.  sein  Glossar  zum 
Oberon)  wieder  aufgekommen,  während  es 
ältemhd.  fast  nur  in  bezug  auf  Geld  gebraucht 
wird.  Mhd.  bar  (flektiert  barer,  md.  verein- 
zelt, durch  Verwinaing der  Schreibung,  barwer), 
ahd.  bar  (flektiert  barer) ;  dazu  asächs.  (in  Zu- 
sammensetzungen) bar,  ndl.  baar,  ags.  beer, 
engl,  bare,  anord.  berr,  schwed.-dän.  bar.  Das 
r  geht  auf  s  zurück  (got.  ist  baza-  zu  vex*- 
muten);  verwandt  sind  abulg.  hosü,  lit.  hasas 
«barfüßig»,  urspr.  «nackt»,  arm.  bok  aus 
*boskos  «nackt».  Weiteres  bei  Walde  s.  v. 
fänum. 


-bar,  Suffix  für  Adjektive  in  der  Bed. 
«tragend,  an  sich  tragend,  bringend»,  dann 
auch  die  Möglichkeit  bietend  zu  — ,  z.  B. 
achtbar,  dankbar,  fruchtbar,  kostbar,  lastbar. 
Mhd.  -beere,  ahd.  -bäri,  urspr.  ein  selb- 
ständiges Adj.,  von  ahd.  heran  «tragen»  (s. 
gebären)  gebildet,  vgl.  ai.  -bharin-  «bringend». 
Die  Form  -bar  (dafür  älternhd.  oft  -her,  aber 
Luther  -bar)  hat  sich  unter  Einfluß  des  Adv. 
mhd.  -bare  festgesetzt.  Die  Endung  tritt  an 
Subst.  und  Verba,  kaum  an  Adjektive  an 
[offenbar  geht  von  mhd.  offen  n.,  kündbar 
von  Kunde  aus).  Die  Bildungen  von  Verben, 
wie  brauchbar,  eßbar,  trinkbar,  zahlbar  gehören 
zum  großen  Teil  erst  der  neuern  Sprache  an, 

■"Bär,  m.  (-es,  PI.  -e):  schwerer  Klotz  zum 
Einrammen  der  Pfähle,  Eammklotz.  Bei  He- 
nisch  1616  (mhd.  erscheint  her  f.  «Schlag, 
Streich»).  Ableitung  von  mhd.  bern  «stampfen, 
schlagen»,  ahd. feeriaw  «treten,  stampfen»  i  dazu 
anord.  herja  «schlagen»),  die  zu  lat.  ferire 
«stoßen,  schlagen,  hauen»  stimmen. 

"Bär,  m.  (-en,  PI.  -en):  das  vierfüßige 
Raubtier,  lat.ursus;  dichtbehaarte  Raupe  (1721 
bei  Frisch  Insekt.  2,  38  Bärenraupe)  und  deren 
Schmetterling;  die  Sternbilder  der  große  und 
der  kleine  Bär,  d.  i.  der  große  und  der  kleine 
Himmelswagen,  1616  bei  Henisch  Großbär, 
Xordbär  nach  griech.-röm.  Uberheferung, 
schon  bei  Homer  'ApKToc  «Bär»  und  äuaEa  f. 
«Wagen»  für  das  größere  Sternbild.  In 
urspr.  Bed.  bei  Dasypodius  1537  Bär,  bei 
Luther  Beer,  mhd.  her  {Gen.  bern),  ahd.  hero 
m.;  dazu  ndl.  beer  fGen.  beers),  ags.  hera, 
engl,  hear,  anord.-schwed.-dän.  (mit  ableiten- 
dem n,  urspr.  nu-)  hjörn  m.  Verwandt  ist 
wohl  lit.  beras  «braun»,  Grundbed.  also 
«der  braune»,  wie  der  Bär  auch  im  Tierepos 
den  Namen  Brün  führt  und  weiter  zu  ai. 
bhallas  aus  *hharlas  «Bär»,  russ.  berlöga  «Wild- 
lager, Bärenlager»,  vgl.  Uhlenbeck  Btr.  20,  37. 
Seit  dem  17.  Jh.  kommt  vereinzelt  starke 
Flexion  vor  (besonders  im  Sg.,  Lessing  1.  108 
auch  PI.  Bare).  Redensart:  einen  Bären  an- 
binden, s.  anbinden.  ABL.  Bärin,  f.,  mhd. 
herin,  älter  birin  f. 

^ßär,  m.  {-s,  PI.  -e):  Zuchteber.  Mhd.- 
ahd.  her  m.;  dazu  asächs.  her  (in  berswin  n. 
«Eber»),  ndl.  beer,  ags.  här  m.,  engl,  hoar 
«Eber».  Vgl.  auch  longobard.  pahir,  pair  als 
zweites  Wort  in  einigen  Zusammensetzungen. 
Dunkler  Herkunft. 

*Bär,  m.  (-S,  PI.  -e):  starkgemauerter 
Querdamm  mit  scharfem  Rücken  in  oder  an 


155 


Baracke 


Bardiet 


156 


fließendem  Wasser.    Wohl  nicht  entstellt  aus 
Wehr  n.,  sondern  eher  aus  mhd.  har  «Riegel, 
Schranke»  (s.  Barre).  Bei  Henisch  1616  neben  I 
Barre  angeführt  (vgl.  auch  Schmeller'- 1,  257). 

Baracke,  f.  (PI  -n):  Feldhütte  der  Sol- 1 
daten;  elendes  Gebäude.  Aus  franz.  haraquet 
«Feldlagerhütte»  und  dies  aus  ital.  haracca  f., 
abgeleitet   von   provenz.-span.-ital.    barra  f. 
«Querstange».      Im   17.  Jh.  entlehnt. 

Barbar,  m.  (-en,  PI.  -en):  roher,  wilder 
Mensch.  Spätmhd.  harhar,  harher  (so  auch 
noch  älternhd.)  aus  gr.-lat.  bdrharus  «Aus- 
länder, Fremder»,  gr.  ßdpßapoc  «Nichtgrieche, 
roher,  ungeschliffener  Mensch»,  dem  substan- 
tivisch gebrauchten  Mask.  des  Adj.  ßdpßapoc 
«nichtgiiechisch».  Im  17.  und  18.  Jh.  ist  B. 
in  engrer  Bed.  «Bewohner  Nordafrikas»  (bei 
Stieler  1691),  dafür  jetzt  Berber  (s,  Barber- 
roß).  Der  Ton  lag  bis  ins  18.  Jh.  (Uz,  Ramler) 
nach  gr.-lat.  Vorbild  auf  der  ersten  Silbe,  dann 
drang  allmählich  die  fi'anzösische  Betonung  auf 
der  zweiten  Silbe  durch  (bei  Geliert  1, 139  W.). 
Dazu  der  Name  Barbara,  volkstümlich  Bärbel, 
Bärbchen.  ABL.  Barbarei,  f.  A  us  lat.  barbäria 
f.  ;< Ausland;  üngebildetheit,  Roheit».  Spämhd. 
barbarie  hat  nur  die  1.  Bed.,  während  1558 
bei  Lindener  Katzipori  Kap.  49  Barbarey  im 
abstrakten  Sinne  steht.  Im  16.  bis  18.  Jh.  in 
engrer  Bed.  «das  Land  der  Berbern,  Nord- 
afrika»  (1530  bei  Seb.  Franck  Cron.  d.  Türkey 
L  2^,  1561  bei Maaler),  auch  die  Barbareskeil, 
pl. :  die  Raubstaaten  Algier,  Tunis  und  Tripolis 
(aus  dem  ital.  Adj.  barbaresco  «berberisch»). 
barbarisch,  adj.:  ausländisch  (spätmhd.); 
roh  und  grausam  (1648  bei  Kemnitz  schwed. 
Krieg  1,  266^).  Nach  gr.-lat.  barbaricus,  gr. 
ßapßapiKÖc  «nichtgriechisch,  ausländisch,  un- 
gesittet». 

Barbe,  f.  (PI.  -n):  der  Bartfisch  aus  dem 
Karpfengeschlecht.  Mhd.  barbe  f.  ('?),  ahd. 
barbo  m.  aus  dem  gleichbed.  lat.  barbus  (Au- 
sonius  Mosella  94. 134)  von  lat.  barba  f.  «Bart», 
denn  die  Barbe  zeichnet  sich  durch  vier  Bart- 
fäden aus.  Aus  jenem  lat.  Wort  auch  gleichbed. 
ital.  barbo,  barbio,  span.  barbo  m.  und  franz. 
barbeau  m.  (aus  dem  mlat.  Dim.  barbellum). 

bärbeißig, adj.:  zänkisch, auffahrend.  Nach 
Adelung  1774  ein  Wort  des  gemeinen  Lebens. 
Wohl  nicht  zusammengesetzt  mit  Bär  («bissig 
wie  ein  Bär  oder  wie  ein  Bärenbeißer  (?)»), 
sondern  entstellt  aus  bernbeißig,  zu  Bern  m. 
«Krippe»,  Nebenform  von  Barn  (s.  d,),  also 
eig.  vom  Pferde  gesagt  und  s.  v.  a.  Krippen- 
beißer  (s.  d.). 


Barberroß,  n.:  Pferd  aus  der  Barbarei 
(Schiller  Jungfr.  v.  0.  5,  11).  Barber  ist  iden- 
tisch mit  Barbar  (s.  d.)  und  geht  hier  auf  die 
Bewohner  der  nordafrikanischen  Küstenstriche 
(dafür  jetzt  Berber).  Heynatz  1775  kennt  noch 
das  einfache  Bai  bar,  Barber  (mit  Ton  auf 
der  1.  Silbe)  für  «Pferd  aus  der  Barbarei». 

Barbier,  m.  (-s,P\.-e):  Bartscherer.  Aus 
\  franz.  barbier,  ital.  barbiere  m.,  das  auf  mlat. 
barbarius  m.  (von  barba  f.  «Bart»)  beruht. 
Spätmhd.  barbierer,  das  von  dem  ebenfalls 
spätmhd.  Y.  barbieren  abgeleitet  ist,  erst 
älternhd.  Barbier.  Im  älternhd.  und  noch 
jetzt  mundartlich  auch  sehr  häufig  Baibier 
m.  und  balbieren  v.  durch  Dissimilation  der 
beiden  r. 

Barch,  m.  [-es,  PI.  Barche) :  verschnittenes 
männliches  Schwein.  Mhd.  bare  (Gen.  barges) 
und  barch,  ahd.  barug  und  barh;  dazu  ndl. 
barg,  ags.  bearg  und  bearh,  engl,  barrow, 
anord.  börgr  m.  Im  Nhd.  schwankt  Barch 
und  Barg  und  außerdem  Borch  und  Borg. 
Nicht  zu  lat.  porcus.  Wie  sich  slav,  bravü 
«Schöps»  oder  «  geschnittener  Eber»  dazu  ver- 
hält, ist  unklar;  beide  gehören  vielleicht  zu 
einer  Wurzel  bher  «schlagen»,  lat.  ferire,  falls 
die  Bedeutung  «verschnittenes  Tier»  die  ur- 
spriingliche  ist. 

Barchent,  m.  {-s,  PI.  -e):  auf  der  einen 
Seite  rauhes  Baumwollenzeug,  dessen  Kette 
Leinen  ist.  Mhd.  barchant,  barchent,  barchat, 
barchet,  urspränglicher  barkän,  aus  mlat.  bar- 
canus,  barracanus  «Art  Zeug  aus  Kamelshaaren» 
(Camelot),  abgeleitet  von  arab.  barrakän  «Art 
langen  schwai'zen  Gewandes», 

bardauz,  (bei  Goethe  36,1 12  l.H.  baradauz) 
Interj.des  schallenden  Falles.  Lautnachahmend, 
vgl.  ndl.  pardoes,  perdoes,  schwed.  burdus, 
dän.  bardus  und  weiter  zu  baiiz!  gehörig. 
Bei  Lauremberg  2,  693  pardues,  bei  Grimmeis- 
hausen Vogelnest  1,  Kap.  20  pordutz.  Ähnlich 
lit.  Imrdilngst  (Idg.  Forsch.  13,  190). 

Barde,  m.  (-w,  PI.  -n):  altkeltischer  Dichter 
und  Sänger.  Aus  kelt.-lat.  bardus,  ir.-kymr. 
bard.  Schon  im  17.  Jh.  auch  auf  deutsche 
Dichter  angewandt  (vgl.  Schottelius  S.  1018 
Barden  sind  die  alten  Tichfere  oder  Poeten 
bey  den  Teutschen  gewesen),  seit  den  60er 
Jahren  des  18.  Jh.  besonders  durch  Klop- 
stock  üblich  geworden. 

bärdeu,  s.  gebärden. 

Bardiet,  n.  {-es,  PI.  -e):  altdeutscher 
Kriegsgesang.  Durch  Klopstock  (und  zwar 
alsM.)  mit  der  «; Herrmanns  Schlacht»  (^Ham- 


157 


Bärenbeißer 


barmherzig 


158 


bürg  u.  Bremen  1769),  wo  zugleich  auf  dem 
Titel  Ein  Bardiet  für  die  Schaubühne  (s.  auch 
daselbst  die  Anmerkung  S.  138),  eingeführt 
(aber  fälschlieh  als  «Bardengesang»  genom- 
men), aus  germ.-lat.  harditus  m.  «Sehlacht- 
gesang  der  alten  Germanen  mit  dem  zur  Ver- 
stärkung des  Schalles  an  den  Mund  gehaltenen 
Schilde»  (Tacitus  Germ.  3). 

Bärenbeißer,  m.  (-s\:  Hund  besondi-er 
Art  zur  Bärenhatz.  Bei  Steinbach  1784. 
Bärendreck,  m.  {-es}-.  Lakritzensaft.  In 
der  Schweiz,  Elsaß,  Schwaben  usw.  Kach 
der  Farbe  des  Arzneimittels.  Fiühnhd. 
Bärenhäuter,  m.  {-s):  fauler  Nichtstuer: 
verächtlicher,  fauler  Mensch.  Schon  im  An- 
fang des  16.  Jh.  (bei  Bebel).  Der  Ausdruck 
beniht  auf  der  Redensart  auf  der  Bärenhaut 
liegen  (1579  bei  Hans  v.  Schweinichen  2,  14) 
«ein  tatloses  Leben  führen»,  eig.  von  KJriegern, 
di^,  die  kampflosen  Tage  auf  Fellen  hinge- 
streckt, mit  Nichtstun  verbiingen.  Bäreil- 
klan,  f.:  Pflanzenart  mit  einer  Bärenklaue 
vergleichbaren  Blättern  oder  bärenklauartiger 
Blüte.  ^[h.d.  bernkläwe,  mlat.  «brancaursina». 
Bärenlappe  (Wieland  20,  216),  s.  Bärlapp. 

Barett,  n.  (-es,  PI.  -e):  schirmlose  rimde 
oder  eckige  Kopfbedeckung  bei  Geistlichen, 
Doktoren  usw.  Im  15.  Jh.  harete  (1469  voc. 
ex  quo),  auch  hirete,  hiret(l4S2YOC.  theut.  22**), 
aus  mlat.  harretum,  eig.  hirrettum  n.,  ital. 
herretta,  franz.  barrette  f.  «Mütze»,  von  lat. 
birrus  m.,  birrum  n.  «Oberkleid,  Mantel,  Bi- 
schofskleid». 

Barfrost,  m.:  Frost  ohne  das  Land  be- 
deckenden Schnee.  1663  bei  Schottel  S.  1281 
baarfrosf.     Zu  bar. 

barfuß,  adj.  undadv. :  an  den  Füßen  bloß. 
Mhd.  barvuo^  xmd  (mit  Ableitungsendung) 
barvüe^e;  dazu  mndd,  barföt,  afries.  berföt, 
ags.  bcerföt,  engl,  barefoot,  anord.  barfätr. 
Eine  schon  altgerman.  Zusammensetzung  aus 
bar  (s.  d.)  und  dem  adjektivisch  verwendeten 
Subst.  Fuß,  vgl.  ahd.  einfuo^i  «einfüßig», 
fiorfuo^i  «vierfüßig».  ABL.  Barfüßer,  m. 
(-S,  PI.  wie  Sg.):  in  bloßen  Füßen  Gehender; 
Mönch  vom  Orden  des  heil.  Franziskus.  Von 
Luther  gebraucht,  mhd.  dafür  barvüe^e  m., 
1482  im  Voc.  theut.  c  6  *  barfuß  m.  barfüßig, 
adj.,  spätmhd.  barvüe^ic. 

Barg,  s.  Barch. 

barhaupt,  adj.  und  adv. :  unbedeckten 
Kopfes.  Spätmhd.  barhoubet.  Eme  Zusammen- 
setzung, bei  der  wie  in  barfuß  das  Subst,  ad- 
jektivisch steht. 


Bariton,  m.  (s,  PI.  -e):  Singstinune 
zwischen  Tenor  und  Baß,  tiefer  Tenor,  Hoch- 
baß; (um  1700  erfundene j  Art  Baßgeige. 
Aus  dem  gleichbed.  ital.  baritono  m.,  dem  M. 
des  xVdj.  baritono,  das  auf  gr.  ßapüxovoc  «tief, 
betont»  ( ßapüc  «schwer,  tief»  und  -tovoc  von 
reiveiv  «spannen»j  beruht.   Bei  Adelung  1774. 

Barke,  f.  (PI.  -n):  kleines  Wasserfahr- 
zeug. Mhd.  barke  f.,  mit  engl,  bark  und 
anord.  barki  m.  aus  spätlat.  barca,  barica 
(Ableitung  von  griech.  ßäpic  «Xachen»,  ent- 
lehnt aus  dem  gleichbed.  koptisch  bari),  wo- 
raus auch  ital.  barca,  franz.  barque  f. 

Bärlapp,  m.  {-s):  die  Moosart  lycopo- 
dium,  deren  gelbhcher  entzündbarer  Samen- 
staub Hexenpulver  heißt.  In  Rößlins  Kräu- 
terbuch 1533  als  berlapp,  bei  Alberus  Dict. 
EE4*  als  beerlapp  vei-zeichnet.  Zusammen- 
ges.  aus  Bär  und  ahd.  lappo  m.  «Euder- 
schaufel,  unterster  breiter  Ruderteil»,  eig. 
xHand»  und  hier  «vorderste  Tatze».  Dem- 
nach s.  V.  a.  «Vordertatze  des  Bären»  nach 
dem  Aussehen  der  Pflanze,  wie  diese  denn 
auch  Löwenfuß,  Drudenfuß  und  neulat.  ly- 
copodium  «Wolfsfuß»  (dän.  ulvefod)  heißt. 

Bärlatsche,  f.  (PI.  -n):  plumper  Filz- 
schuh. Obersächsischer  Ausdruck,  von  Gel- 
iert 1,  342  gebraucht.  Eig.  Latsche  «Pan- 
toffel», den  man  im  Gehen  am  Boden  hin- 
schleift,  wie  der  Bär  seine  Tatzen,  von 
latschen  (s.  d.)  «die  Füße  beim  Gehen  am 
Boden  hinschleifen». 

Barlaufen,  s.  Barre. 

Bärme,  auch  Barme  f.:  Bierhefe;  Bier- 
schaum. Xiederd.  Wort,  frühzeitig  auch  schon 
im  Hochd.  (^bei  Schönsleder  1618  Bermen). 
Mnd.  berm,  barm  m.,  ndl.  berm  m.,  ags.  beorma 
(eo  =  ahd.  e),  engl.  barm.  Entweder  zu  ahd. 
beran  «tragen,  tragen  machen,  sich  heben» 
(vgl.  gebären),  wie  Hefe  zu  heben  oder  zu 
lat.  fermentum  n.  «Gärung,  Sauerteig». 

barmherzig,  adj.  u.  adv.:  mild  gesinnt 
aus  innigem  Mitgefühl  bei  fremdem  Leiden: 
solches  Mitgefühl  erregend  (Lessing  1,  461). 
Mhd.  barmherzec,  mit  dem  adj.  Suffix  -ec 
abgeleitet  von  mhd.  barmherze  adj.  Dieses 
ist  nicht  zusammengesetzt  mit  mhd. -ahd. 
barm  «Schoß,  Busen»,  sondern  muß  wegen 
ahd.  armherzi,  got,  armahairts  adj.  «barm- 
herzig» (^^dazu  auch  got.  arman  sik  «sich 
erbarmen»)  aus  bi-armherzi  erklärt  werden 
(vgl,  bange,  binnen).  Es  liegen  Nachbildungen 
lateinischer  Ausdrücke  in  der  christlichen 
Kirchensprache  vor,   got.  arman  sik   ist   zu 


159 


BärniTitter 


Barsch 


160 


arms  adj.  «arm»  gebildet,  wie  sich  lat.  misereri 
«erbarmen»  zu  miser  «arm»  verhält;  ahd. 
arniherzi  gebildet  nach  lat.  misericors.  Vgl. 
erbarmen.  ABL.  Barmherzigkeit,  f.,  mhd. 
barmherzecheit 

Bärmutter,  f.:  Gebärmutter;  Mutter- 
beschwerde. Mhd.  bermuoter  f.,  zu  bern  «tra- 
gen, gebären». 

Barn,  m,  (-s,  PI.  -e):  Krippe,  Raufe; 
Abteilung  der  Scheuei-,  wo  das  Futter  auf- 
bewahrt wird.  Nur  noch  in  obd.und  md.  Mund- 
arten (s.  auch  Paar).  Mhd.  barn  (in  späten 
md.  Quellen  auch  hern,  vgl.  bärbeißig),  barne, 
ahd.  barno  m.;  dazu  ags.  bern  n.,  engl,  barn 
«Scheuer».  Abzuleiten  von  dem  im  Adj. 
barizeins  ei'haltenen  got.  baris  m.  «Gerste», 
ags.  bere  m.,  engl,  barley  «Gerste»,  die  zu  lat. 
far  n.  «Getreide,  Spelt»,  abg.  ferasfwo  «Speise» 
stimmen,  also  eig.  «Gerstenfutterbehälter»,  vgl. 
Banse  oder  einfacher  zur  Wz.  ber  «tragen». 
ABL.  Baruheißer,  m.:  s.  v.  a.  Krippen- 
beißer  (s.  d.).     Vgl.  auch  bärbeißig. 

harock,  adj.:  schiefrund;  unregelmäßig, 
seltsam, .  wunderlich.  Aus  franz.  baroque 
«schiefrund»  (von  Perlen),  dann  «sonderbar», 
von  portug.  barroco  m.  «rohe,  ungleiche 
Perle»,  eig.  «unebener  Fels»,  span.  barrucco 
m.  «ungleiche  runde  Perle»,  berrucco  m., 
«Warze,  Fels,  nicht  recht  runde  Perle», 
deren  Herkunft  bestritten  ist  (kaum  zu  lat. 
Verruca  f.  «Warze,  Auswuchs  an  Edelsteinen»). 
Zuerst  in  der  2.  Hälfte  des  18.  Jh.  als  ba- 
rockisch. 

Barometer,  m.  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.): 
Wetterglas.  Aus  einem  gr.-neulat.  barome- 
trum  n.  «(Luft-)  Schwermesser»,  gebildet 
aus  gr,  ßdpoc  n.  «Schwere,  Druck»  imd  gr. 
la^xpov  n.  «Maß,  Maßstab».  Das  Instrument 
wurde  von  Evangelist a  Ton-icelli  (f  1647) 
zu  Florenz  erfunden. 

Baron,  m.  (-s,  PI.  -e):  Freiherr.  Aus 
franz.  baron,  das  mit  ital.  barone  m.  zunächst 
auf  mlat.  baro  (Gen.  baronis)  zuräckgeht. 
Dies  ist  nicht  das  altlat.  baro  m.  «Dumm- 
kopf», dann  «Troßknecht»,  sondern  entstammt 
dem  German.,  daher  häufig  in  den  Volks- 
rechten (auch  bei  Isidor  durch  Vermittelung 
des  Westgot.)  in  der  Bed.  «Mann,  Krieger, 
Lehensmann»,  vgl.  mhd.  bar  «Mann»,  zu 
anord.  bei~jask  «streiten»,  abg.  borjq^  «streite». 
Vgl.  Uhlenbeck  Btr.  19,  329.  Mhd.  erscheint 
barün  m.,  nur  in  ndrhein.  Quellen  baron; 
Baron  ist  unter  dem  Einfluß  des  Nfranz. 
seit  dem  16.  Jh.  herrschend  (z.B.  bei  Rollen- 


hagen Froschm.  3,  1,  4).  Der  PI.  wurde 
fiüher  auch  schwach  gebildet  [Baronen  bei 
Goethe  Reineke  4,  100). 

Barre,  f.  (PI.  -n):  Stange;  Querstange, 
Riegel;  Schlagbaum.  Mhd.  barre  f.  «Riegel, 
Schranke»  mit  mhd.  bar  f.  «Stange,  Balke, 
Schranke»,  ndl.  baar,  im  16.  Jh.  ndl.  bei 
Kilian  23^  baere  f.  «repagulum»,  aus  franz. 
barre  f.,  ital.-span. &arra  f.,  mlat.  fcarra  «Stange, 
Querstange,  Schlagbaum».  Dies  wird  von 
Walde  s.  v.  als  germanisch  angesehen  und 
zu  lat.  forus  «Schiffsgang,  Sitzreihe,  Gang 
um  ein  Beet,  Spielbrett»  gestellt.  ABL. 
Barlaufen,  n.:  ein  turnerisches  Spiel,  1618 
bei  Schönsleder  parlouffen  «cursum  certare», 
mhd.  die  b.  loufen\  dazu  1597  ndl.  bei  Ealian 
de  baere  jaeghen  «cursu  ad  metas  contendere», 
baerenspel  «ludus  gymnicus». 

Barren,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Stange; 
Metallstange;  (durch  Jahn  eingefühi-t)  ein 
Turngerät,  das  durch  zwei  Querstangen  ge- 
bildet wird.  Aus  Barre  f.  (s.  d.)  entwickelt 
und  schon  frühnhd.  vorhanden  (Murner 
Narr.  11,  106). 

Barriere,  f  (PI.  -n):  Schlagbaum,  Schutz- 
gatter. Aus  franz.  barriere,  ital.  barriera  f. 
«Schlagbaum»,  dann  «Pfahlwerk  zum  Schutz», 
aus  dem  F.  eines  auf  lat.  -arius  ausgehenden 
Adj.,  das  abgeleitet  ist  von  franz.  barre, 
mlat.  barra  f.  (s.  Barre).  Bei  Wächtler  1711. 

Barrikade,  f.  (PI.  -n):  Straßensperre 
mittelst  Verschanzung.  Aus  dem  gleichbed. 
franz.  barricade,  ital,  barricata  f.  «Schlag- 
baum, Schutzgatter»,  span.  barricada  f,  «Ver- 
rammelung  gegen  feindlichen  Angriff»,  ab- 
geleitet von  span.  barrica  f.,  franz.  barrique 
f.  «mit  Sand  oder  Erde  gefülltes  Schanzfaß 
zum  Schutz  im  Kriege,  großes  Warenfaß», 
das  vielleicht  von  mlat.  barra  (s.  Barre)  aus- 
geht.    Im  spätem   17.  Jh.   entlehnt. 

Barsch,  m.  (-es,  V\.  Barsche  und  Barsche), 
selten  Bars,  Bors  (obd.  nur  weitergebildet 
bärsich,  bärsching  usw.):  ein  schmackhafter 
Raubfisch,  lat.  perca.  Mit  Dehnung  des  a  und 
Übergang  des  s  nach  r  in  seh  aus  mhd.  (in 
späten  md.  Quellen)  bars,  berse  und  (abge- 
leitet) bersich,  spätahd.  bersih  m.;  dazu  ndl. 
baars,  ags.  bcers,  bears  m.,  engl,  barse, 
aschwed.  zusammenges.  agborre  [rr  aus  rs, 
Vokal  abweichend  urspr,  u),  nschwed.  dän. 
aborre  m.  Man  knüpft  an  die  mlat.  Be- 
nennung parca,  perca  an,  gr.-lat.  perca  f., 
gr.  Tt^pKri  f.  d.  i.  die  Dunkelfarbige,  denn 
gr.  TT^pKoc   ist   «schwärzlich,    dunkelfarbig», 


161 


I)arscli 


Base 


162 


welches  Adj.  mlat,  zu  persus,  ital.  per  so, 
franz.  pers  wurde;  doch  ist  das  Wort  wohl 
germ.  Ursprungs  und  zu  Borste  (s.  d.)  zu 
stellen,  der  Fisch  hieße  also  nach  seinen 
stacheligen  Floßfedern  «der  Borstige». 

barsch,  adj.  u.  adv.:  (mundartlich)  von 
scharfem  Geschmack,  ranzig :  hart  mit  Wor- 
ten anfahrend.  Ein  ndd.  Wort  (mnd.  im 
16.  Jh.  'basch  aus  harsch,  noch  bei  Overbeck 
Ged.  155  hasch  im  Reim  auf  rasch,  ndl. 
harsch,  schwed.-dän.  harsk  entlehnt),  das 
hochd.  zuerst  von  Stieler  1691,  dann  1716 
von  Ludwig  angeführt  wird,  während  es 
Frisch  1741^  und  Adelung  1774  (1793  führt 
er  es  als  ein  niedersächsisches  Provinzial- 
wort  in  den  Bedd.  «scharf  von  Geschmack, 
rauh  zum  Anfühlen,  mürrisch»  an)  noch 
nicht  kennen.  In  übertragener  Bed.  wird 
es  von  Bürger  392  und  andern  Niederdeut- 
schen verwendet,  aber  von  Heynatz  1796 
noch  als  nicht  schriftsprachlich  bezeichnet. 
Die  Grundbed.  ist  jedenfalls  «scharf»,  so 
daß  Zusammenhang  mit  Borste,  Bürste,  wohl 
auch  Barsch  (s.  d.),  wahrscheinlich  ist. 

Barschaft,  f.:  bares  Geld.  AIhd.  har- 
schaft  f.  (Germ.  28,  360  vom  J.  1363). 

Bart,  m.  {-es,  PI.  Barte):  Kinn-  imd 
Backenhaar;  dem  herabhangenden  männlichen 
Kinnhaar  Ähnliches.  Mit  Dehnung  des  a  aus 
mhd.-ahd.  hart  m.;  dazu  ndl.  haard  m.,  ags.- 
engl.  heard  m.,  afries.  herd  m.  (anord.  dafür 
skegg  n.).  Vei-wandt  ist  abg.  hrada,  lit. 
harzdä  f.  und  (mit  h  für  dh)  lat.  harha  f. 
«Bart».  Vgl.  noch  Pedersen  Idg.  Forsch.  5, 
72  f.,  Walde  KZ.  34,  505.  Redensart:  um  des 
Kaisers  Bart  streiten  d.  h.  um  Dinge,  die 
sich  nicht  entscheiden  lassen. 

^ Barte,  f.  (PI.  -«):  Beil  mit  breiter 
Schneide  (Luther  Ps.  74,  6,  noch  jetzt  obd. 
und  md.).  Mhd.  harte,  ahd.  harta  f.,  dazu 
asächs.  harda  f.,  anord.  barda  f.  «Axt».  Ab- 
leitung von  Bart,  weil  das  Eisen  vom  Stiel 
in  Bartgestalt  herabhängt  (ebenso  anord. 
skeggja  f.  «Barte»  von  skegg  n.  «Bart»);  andre 
Auffassung  bei  Walde  s.  v.  fastigium.  Vgl. 
Helleharde. 

^Barte,  f.  (PI.  -w):  Fischbeinzahn  in  der 
oberen  Kinnlade  des  Walfisches.  Bes.  im  PI. 
Barten,  entsprechend  ndl.  baarden,  schwed.- 
dän.  harder.  Auch  franz.  les  harhes,  span. 
las  harbas  zvi  franz.  harbe  f.,  span.  barba  f. 
«Bart».  Der  Xame,  weil  die  aus  der  oberen 
Kinnlade  herabhängenden  Zähne  den  Bart- 
haaren verglichen  wurden. 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    3.  Anfl. 


Barthel,  Kürzung  der  Personennamen 
Bartholomäus  oder  Barthold  (ndd.  füi-  Bert- 
hold, s.  d.).  Redensart:  der  weiß,  wo  B. 
den  Most  holt  (schon  im  17.  Jh.),  d.  h.  er 
versteht  sich  auf  alle  Kniffe.  Aus  der  Gauner- 
sprache vgl.  DWB.  s.  V.  Most. 

Bartholomäus,  Mannsname.  Aus  gr.- 
lat.  BartJiolomaeus,  dies  aus  hebr.  bar  talmai 
«Sohn  des  Furchen-  oder  Landreichen». 

härtig,  adj.:  einen  Bart  habend.  Dafür 
mhd.  hartoht. 

Barütsche,  Birütsche,  f.  (PI.  -n): 
halbbedeckter  Wagen  in  Österreich.  Aus  ital. 
harocdo  m.  «zweiräderiger  Karren»,  aus  dem 
gleichbed.  mlat.  härrota  f.,  lat.  bhota  f. 
«leichtes  zweiräderiges  Fuhrwerk»,  eig.  F. 
des  als  Subst.  gebrauchten  Adj.  birotus  «zwei- 
räderig».  Bei  Blumauer  An.  2,  22  Pirutsch, 
1,  14  Pierutsch  n.,  bei  Thümmel  Reise  7,  250, 
253  Perutsche  f. 

j      Bas,  m. :  «Meister»   als   ehrende   Anrede 
I  (des  Gesindes  an  den  Herrn,  der  Gäste  an 
den  Wirt),  auch  ndl.  haas,  dän.-schwed.  (ent- 
!  lehnt)  has  «Obmann».     Im  Friesischen  und 
j  Westnd.  heimisch,   1597   bei  Kilian  als  baes 
'«amicus,  herus,  paterfamilias»  und   1767  im 
brem.  Wb.  1,    58    als   Baas    «Meister»   ver- 
zeichnet, später  z.  B.  bei  Immermann  Münch- 
hausen   2.  Buch   5.  Kap.     Man    bringt   Bas 
mit  Base  (s.  d.)  in  Verbindung,  so  daß  es 
urspr.  Kosewort  für  Vater  oder  Oheim  wäre. 

Basalt,  m.  {-es,  PI.  -e):  dichte,  aus  Augit, 
Labrador  (einer  Feldspatart)  und  Magneteisen 
bestehende  vulkanische  Felsart.  Aus  gr.-lat, 
basaltes  m.  (Phnius  hist.  nat.  36,  11),  urspr. 
afrikanisch.  In  deutscher  Form  erst  im  18.  Jh. 

Basar,  m.  {-s,  PI.  -e),  (früher  Bazar  ge- 
schrieben) auch  Bäzar  (Schiller  Br.  v.  Messina 
V.  813):  Reihe  kostbarer  Warenläden  urspr. 
an  orientalischen  Handelsplätzen.  Aus  frz. 
bazar  ra.,  das  auf  persisch  häzär  «Marktplatz» 
beruht.  Schon  1582  bei  RauwolfF  Reise  36 
Batzar,  bei  Hulsius  Schiffart  15,  61  Basart; 
Jablonsky  1721  erklärt  B.  als  eine  aus  Kauf- 
mannsläden und  Gewölben  bestehende  Straße, 
später  auch  in  erweiterter  Bed. 

hasch,  s.  barsch. 

Base,  f.  (PI.  -n) :  Verwandte,  Tante  (auch 
als  ehi-ende  Anrede  üblich),  Geschwisterkind. 
Mhd.  base,  ahd.  basa  f.  «Vaterschwester»,  wäh- 
rend mhd.  muome,  ahd.  muoma  f.  (?.  Muhme) 
«Mutterschwester».  Doch  schon  1482  im  Voc. 
theut.  c  6  '"^  und  bei  Keisersberg  J5ase  «Vater-  und 
Mutterschvvester»,beiTrochusE2'^  eine  medder 

11 


163 


Base 


Bastard 


164 


oder  wasze,  «soror  matris»,  bei  Luther  Wase 
«Vaters-  oder  Mutterschwester  (7,  230  •"»  Jeu.), 
Frau  von  des  Vaters  Bruder»  (3.  Mos.  18,  14), 
aber  bei  dem  gleichzeitigen  Alberus  Dict.  ee  3^ 
was  f.  «Vaterschwester»  und  überhaupt  «Ver- ; 
wandte»  (lat.  cognata),  auch  Fab.  46, 11  Wase, 
Was  f.  Dies  Wase  findet  sich  schon  im  10.  Jli. 
als  wasa  und  mhd.  (bei  dem  Hessen  Herbort 
V.  Fi-itzlar)  als  luase:  später  noch  öfter  bei 
"Mittel-  und  Niederdeutschen  (Geliert  3,  335, 
noch  Heynatz  1775  erwähnt  die  Form).  Base 
und  Wase  gehören  urspr.  wohl  der  Kinder- 
sprache an  und  sind  vielleicht  durch  Kürzung  j 
aus  ahd.  faterswestar  entstanden,  vgl.  ags. ! 
faäu,  afries.  fethe  «Vaterschwester»  zu  Vater, 
vgl.  Bas.  Anders,  aber  gar  nicht  überzeugend 
Wiedemann  BB.  27,  225. 

Base,  l)asiereu,  s.  Basis. 

Basilikum,  n.  ( -s)  -.  das  Königskraut.  Das 
gr.-mlat.  hasilicum  n.,  eig.  das  als  Subst.  ge- 
brauchte N.  des  lat.  Adj.  hasiliais,  gr.  ßaciXiKÖc 
«königlich»  (von  ßaciXeüc  m.  «König»).  Der 
Name  wegen  des  edlen,  gewürzhaften  Duftes, 
den  das  ganze  Gewächs  von  sich  gibt.  Mhd. 
finden  sich  die  Formen  hasilie  f.,  hasilig  m.  f. 

Basilisk,  m.  (-en,  PI.  -671):  die  fabelhafte, 
Kopf,  Flügel  und  Füße  des  Hahnes  an  sich 
tragende  Schlange,  deren  Blick  tötet.  Mhd. 
hasiliske  aus  gr.-lat.  basüisais,  gr.  ßaciXicKoc  m, 
«die  asjatische  Königseidechse»  (von  ßaciA,eüc 
m.  «König»)  und  der  Name  daher,  weil  man 
sie  wegen  eines  weißen  Flecks  auf  dem  Kopf 
als  gekrönt   ansah  (Plinius  bist.  nat.  8,  33). 

Basis,  f.  (PI.  Basen):  Fußgestell,  Grund- 
lage, Gnindfläche,  Grundlinie,  Grund,  worauf 
etwas  beruht.  Mhd.  hasis  f.  aus  gr.-lat.  hasis  f. 
«Fuß-,  Untergestell,  Grundmauer»,  gr.  ßdcic  f. 
«Schritt,  Gang»,  dann  «Fuß,  Fußsohle,  Grund- 
lage, Grundgestell»,  von  ßaiveiv  «gehen».  Dar- 
aus auch  franz.  hase  f.  (das  als  Base  «Scha&t- 
Gesimse»  1716  in  Wolifs  math.  Lex.  und  1787 
bei  Goethe 31, 112 erscheint).  ABL.  basieren, 
V.:  worauf  gründen.  Aus  franz.  haser,  einer 
Ableitung  von  base.     Erst  um  1800. 

Baß,  m.  (Gen.  Basses,  PI.  Bässe):  die 
tiefste  Stimme;  dieser  Stimme  gemäßes  großes 
Streich-Tonwerkzeug.  Aus  dem  gleichbed. 
ital.  basso  m.,  das  auf  mlat.  bassus  «dick, 
fett»,  dann  «niedrig»  zurückgeht.  Im  15.  Jh. 
entlehnt.  ABL.  Bassist,  m.  (-ew,  PI.  -en): 
Baßsänger  (1517  bei  Trochus  prompt.  C  4^ 
bassiste  m.). 

baß,  altertümliches  Adv.:  besser;  mehr, 
leichter,  eher;  (als  Positiv  genommen)  tüchtig, 


sehr.  Mhd.  ahd.  &aj:  dazu  asächs.  bat,  bet, 
ags.  bet,  anord.  betr:  got.  *batis  (nach  dem 
Adj.  batiza)  ist  nicht  erhalten.  Es  ist  (im 
Westgerm,  mit  abgefallenem  Komparativ- 
suffis)  das  Adv.  zu  dem  Adj.  besser  (s.  d.), 
als  Positiv  gilt  wohl.  Dazu  mit  Ablaut 
Buße  (s.  d.).  iVls  verwandt  stellt  man  hin- 
zu skr.  bhadräs  «glücklich,  vorzüglich»,  doch 
ist  dies  wenig  wahrscheinlich,  da  das  ind.  a 
auf  71  zuiückgeht. 

BaSSiu,  n.  (-S,  PL -.9):  Wasser-,  Brunnen- 
becken. Aus  franz.  bassin  m.  «Becken»,  das 
mit  ital.  hacino  m.  aus  dem  gleichbed,  mlat, 
bacimim  n.  (s.  Becken)  beruht.  Im  18.  Jh. 
entlehnt. 

Bast,  m.  {-es,  PI. -e),  selten  n.  (Bürger  246) : 
die  unter  der  äußern  Rinde  liegende  innere, 
besonders  insofern  sie  zum  Binden  und  Flechten 
dient;  als  Binde-  und  Flechtmittel  taugliche 
Pflanzenhaut:  Haut  des  Menschen,  bei  den 
Jägern  des  Hii-sches  usw.  ]Mhd.  bast  m.  n. 
(ahd.  nicht  belegt);  dazu  ndl.  bast  m.  ags. 
b(Bst  m.,  engl,  hast,  anord.-schwed.  hast  n,, 
dän.  bast  m.  Dazu  mhd.-ahd.  besten  «binden, 
schnüren»  und  (mit  Ablaut)  &«<os^ «Baststrick», 
wozu  auch  gehört  ital.  imbastare,  franz.  bätir 
(aus  hastir)  «mit  weiten  Stichen  zusammen- 
nähen, heften»,  ferner  wohl  auch  span.-ital. 
basto,  franz.  bat  «Saumsattel»,  vielleicht  auch 
ital.  bastone,  franz.  bäton  m.  «(geschälter,  ent- 
basteter)  Stab».  Vielleicht  zu  lat.  fascia  «Binde, 
Band,  Bandage»,  fascis  «Bund,  Bündel,  Paket», 
ir,  bask  «Halsband»,  vgl.  Walde  s,  v.  Auch 
ist  ganz  entfernte  Verwandtschaft  mit  bmden 
denkbar, 

basta!:  genug!  genug  davon!  Der  ital. 
Imp.  basta  des  ital.-mlat.  bastare,  span.-port. 
bastar  «genug  sein,  him'eichen».  Schon  1617 
im  teutschen  Michel  augeführt, 

Bastard,  m,  {-es,  PI,  -e):  außerehliches 
Kind,  besonders  das  mit  einer  Uneben- 
bürtigen erzeugte.  Mhd.  bastart  und  basthart 
(diese  Form  auch  noch  ältemhd.)  m.  «un- 
echtes Kind»,  besonders  einerseits  von  hoher 
Herkunft,  dann  auch  unechtes  Zeug.  Das 
Wort  ist  aus  dem  Roman,  entlehnt  (afranz. 
bastard,  jetzt  hätard,  ital.-span.-portug.  bastardo 
m.).  Ällat.  hastardus  m.  kommt  zuerst  in 
der  2.  Hälfte  des  11.  Jh.  von  Wilhelm  dem 
Eroberer,  dem  natürlichen  Sohne  des  Herzogs 
von  der  Normandie  Robert  II.  (des  Teufels) 
vor.  Afranz.  bastard  zeigt  in  zweiter  Sübe 
das  auch  sonst  als  Suffix  verwandte  deutsche 
-hart,  und  bast  erscheint  als  selbständiges  Wort 


165 


Bastei 


Batzen 


166 


in  dem  in  Urkunden  des  13.  u.  14.  Jh.  für 
B.  vorkommenden  Ausdruck  fils  de  hast.  Dies 
afranz.  hast  «ungesetzliche  Ehe»  geht  zuiiick 
auf  mlat.  hastmn,  franz.  hat,  ital.  hasto  (s.  Bast) 
« Saumsattel»,  also  B.  s.  v.  a.  auf  dem  Saum- 
sattel Erzeugter,  denn  Saumsättel  dienten  den 
Maultiertreibern  des  Südens,  wie  z.B.  Spaniens 
und  der  Provence,  in  Wirtshäusern  zu  Betten, 
auf  denen  Verkehr  mit  Mägden  stattfand. 
Vgl.  Bankert  in  seinem  Ursprünge. 

Basteijf.  (PI.  -enj  -.  Bollwerk  einer  Festung. 
Spätmhd.  hastte  aus  ital. -mlat.  hastia  f.  von 
mlat.  hastire,  franz.  hätir  (fmher  hastir)  «bauen». 

basteln,  v. :  kleine  Handarbeit  machen, 
mangelhaft  zurecht  machen.  Ein  der  Um- 
gangssprache angehöriges  Wort  (bei  Adelung 
und  Campe  noch  nicht  verzeichnet),  das  aber 
schon  seit  dem  1-5.  Jh.  vorkommt  (Schmeller  - 1, 
297),  fi-üher  hästeln  (hei  Stieler  1691  hestelen), 
eig.  wohl  -dimin.  Bildung  zu  mhd.  hesten 
«binden,  schnüren»  (s.  Bast),  also  «notdürftig 
zusammenbinden,  zusammenflicken,  oberfläch- 
lich arbeiten». 

Bastion,  f.  (PI.  -en):  was  Bastei  (s.  d.). 
Aus  franz.  hastion  nach  ital.  hastione  m.,  das 
gleichen  Ursprungs  mit  ital.  hastia  (s.  Bastei). 
Im  17.  Jh.  entlehnt. 

Bastonnade,  f.  (PI.  -n):  Tracht  Prügel, 
Stocksclaläge.  Aus  dem  gleichbed.  fi'anz. 
hastonnade  f.,  das  auf  ital.  hastonata  (von 
hastone,  franz.  häton  m.  Stock)  zurückgeht. 
Schon  1617  im  teutschen  Michel  angeführt. 

Bataillon,  n.  (-s,  PI.  -e)  -.  Kriegsschar  als 
größte  Abteilung  eines  Regiments.  Aus  franz. 
hataillon  m.  nach  ital.  hattaglione  m.,  abge- 
leitet von  franz.  hataille,  ital.  hataglia  f. 
«Schlacht»,  das  auf  einem  volksmäßig  lat. 
hattalia,  eig.  hatualia  (PI.  eines  Ntr.  hatuale 
als  Kollektiv)  beraht,  von  lat.  hatuere,  mit 
Verdoppelung  des  t  später  hatfere  (woraus 
franz.  hattre)  «schlagen,  kämpfen».  1616  bei 
Wallhausen  Kriegsmanual   116. 

Batengel,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  heilkräf- 
tiger Gamander:  Lachenknoblauch  (teucrium 
scordium);  Schlüsselblume  (primula  veris) 
u.  a.  Umgestaltet  aus  mhd.  hatonie,  hatenie, 
batenge,  das  auf  lat.  hetonica  beruht,  viel- 
leicht unter  Einfluß  eines  Dim.  hetonieida. 
Die  Form  Bafhengel  schon  im   16.  -Jh. 

Batist,  m.  (-es,  PI.  -e) :  feinste  Leinwand. 
Aus  franz.  hatiste  f.  Der  Name  soll  auf 
Batiste  (Baptist)  Chambray  aus  Cantaing  zu- 
rückgehen, der  im  1.3.  Jh.  die  Leinwandweberei 
in  Flandern  sehr  in  Aufnahme  brachte. 


batten,  V. :  wozu  helfen,  wozu  dienlich  sein, 
nützen.  Unpersönl.  es  hattet  mich  «es  nützt 
mir».  Nur  noch  mundartlich  (in  Nieder-  und 
dem  westlichen  Mitteldeutschland,  im  schwäb.- 
alem.  Gebiet,  Bayern).  Im  16.  Jh.  wird  das  Wort 
noch  gebraucht  von  Alberus  (auch  im  Dict. 
11  4*  es  hatt),  Scheidt,  Fischart.  Mhd.  hafen, 
abgeleitet  von  hate  f.  (?)  «Förderung,  Nutzen». 
Mnd.-ndl.  baten  «helfen,  nützen»,  mnd.  hate 
f.  n.,  ndl.  haat  f.  «Vorteil,  Gewinn»  können 
nur  unter  der  Voraussetzung  herangezogen 
werden,  daß  das  Wort  aus  dem  Ndd.  ins 
Hd.  eingedrungen  ist,  wofür  spricht,  daß  es 
im  Mhd.  eine  geringe  Verbreitung  hat  (hatten 
bei  dem  Sachsen  Albrecht  v.  Halberstadt, 
bäte  bei  Herbort,  im  Passional  und  sonst  ver- 
einzelt, 1482  im  Voc.  theut.  c  6*  bathunge 
«Nutzen»  und  daselbst  qq  2^  das  abgeleitete 
hadmen).  hatten  würde  dann  zu  haß  gehören. 
Doch  erscheint  schon  ahd.  unpata  «unbehilf- 
lich, langsam»  und  das  asächs.  gibada  f.  «Hilfe, 
Trost»  scheint  für  eine  Wurzel  had  (mit  hd. 
Verschiebung  hat)  zu  sprechen,  vgl.  auch  nass.- 
hess.  unhädem  m.  «Unheil»,  hatten  wäre  dann 
mit  den  ndd. -ndl.,  in  der  Bedeutung  über- 
einstimmenden Wörtern  nicht  verwandt.  Ein 
mundartliches  (ostfränk.)  harten  aus  *hearten 
«gedeihen»  ist  fernzuhalten. 

Batterie,  f.  (PI.  -n):  Geschützstand;  die 
Geschütze  eines  Geschützstandes;  Pfannen- 
deckel am  Gewehrschlosse;  Flaschenreihe  zu 
elektrischen  Versuchen.  Aus  franz.  batterie  f. 
eisr.  «Schläcrerei,  Gefecht,  schlafende  Kriegs- 
schar»,  aus  mlat.  hatteria  von  mlat.  hattere, 
franz.  hattre  «schlagen»  (s.  Bataillon).  1617 
bei  Wallhausen  Corp.  mil.  S.  210  Batterei  und 
S.  215  Batterie,  1616  im  Kriegsmanual  76 
Batteria  und  Batterie. 

Bätz,  s.  Petz. 

^Batzen,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  ehedem 
Münze  von  4  Kreuzern  rheinisch;  Geld  über- 
haupt, z.  B.  der  hat  B.  «viel  Geld».  Früher 
Batze,  Gen,  Batzen.  Um  1492  als  kleine 
Münze  zu  Bern  mit  dessen  Wappen,  dem 
Betz  (s.  Petz)  d.  i.  Bären  geprägt  (1562  bei 
Mathesius  Sar.  234 **  Schweitzer  patzen  haben 
vom  bern  oder  petzen  den  namen),  darum 
auch  früher  Betzen.  Vgl.  Kreuzer,  Pappen. 
Doch  ist  fradich,  ob  nicht  eig.  mit  "^Batzen 
identisch  als  «dicke  Münze»,  vgl.   Groschen. 

^Batzen,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Klumpen 
von  Lehm  oder  sonst  einer  weichen,  klebrigen 
Masse.  Mundartlich  (schon  frühnhd.),  dazu 
auch    ein  V.   batzen  «klebrig,    weich    sein, 

11* 


167 


batzig 


Baner 


168 


zusammenkleben».  Vielleicht  zu  backen  (aus 
hackzen,  hackezen). 

batzig,  s.  patzig. 

Bau,  m.  {-es,  PI.  Baue,  Bauten  [s.  d.]): 
Bearbeitung  des  Bodens  zu  Ertrag  und  Ge- 
winst, Betrieb  der  Bergwerke,  was  gebaut, 
d.  h.  zum  Aufenthalt  errichtet  oder  gemacht 
wird;  Handlung  des  Bauens  usw.;  (über- 
tragen) Anlage,  Gestaltung.  ]\Ihd.  hü  (Gen. 
huwes)  m.  n.,  ahd.  hü  m. :  dazu  asächs.  hü  n., 
ndl.  houw  m.,  anord.  hU  n.  «Wohnung», 
schwed.-dän.  ho  n.     Von  hauen   (s.  d.). 

Bauch,  m.  {-es,  PL  Bäuche):  der  den 
Magen,  übei'haupt  die  Eingeweide  enthal- 
tende Körperteil ;  vortretende  Wölbung.  Mhd. 
hüch  (PI.  hiuclie),  ahd.  hüh  m.  (PI.  hühhi); 
dazu  ndl.  hiiik  m.,  ags.  hüc  m.,  anord.  hükr 
m.  «Leib,  Köi-per»,  schwed.  buk  m.,  dän.  hug 
«Bauch».  Die  Herkunft  ist  vmsicher.  Viel- 
leicht ist  gr.  q)ücKri  «Magen,  dicker  Dai'm», 
aus  *q)UTCKri  verwandt.  Anders  Osthoff  Bezz. 
Btr.  29,  254 f.,  der  als  Urbedeutung  «Gefäß 
aus  Buchenholz  (s.  Buche),  rundes  Gefäß»  an- 
sieht, vgl.  zur  Bedeutungsentwicklung  Bottich, 
engl,  hody  «Körper».  ABL.  baucheu,  refl. 
V.:  sich  wie  ein  Bauch  biegen,  bauchig,  ad].: 
bauchai-tig  (in  Zusammensetzungen  häuchig, 
z.  B.  dick-,  großbäuchig),  mhd.  hücheht,  bei 
Stieler  1691  hauchig,  beuchig.  bäuchlings, 
adv.:  auf  dem  Bauche  liegend,  mhd.  (mit  der 
adv.  Endung  -en)  hiuchelingen.  ZUS.  bauch- 
bläsig,  adj.:  schweratmend  mit  Husten  ver- 
bunden, von  Pferden  (1768  bei  Moerbeek 
38  <^).  Bauchfluß,  m.:  Durchfall  (bei  Maa- 
1er  1561).  Bauchgrimmen,  n.:  Leib- 
schmerzen. Mhd.  in  gleicher  Bed.  grimme 
m.,  bei  Luther  grimmen  n.  Es  liegt  jeden- 
falls Vermischung  mit  mhd.  krimmen  «knei- 
pen» vor,  wie  auch  daneben  Bauchkrimmen 
(noch  bei  Rückert  2,  141)  vorkommt. 

Bauche,  f.  (PI.  -n)-.  das  Einweichen  in 
Lauge.  Frühnhd.  (bei  Montanus  397,  28  die 
Wäsche  selbst).  Von  bauchen  oder  bau- 
chen, V. :  durch  Lauge  weichen.  In  Nieder- 
und  dem  westlichen  Mitteldeutschland,  so- 
wie im  Schwäb.-Alemann.  üblich.  Spätmhd. 
buchen,  hiuchen;  dazu  rand.  büken,  engl,  huck, 
schwed.  byka,  dän.  byge,  böge.  Da  das  Wort 
den  altgerm.  Dialekten  fehlt,  denkt  man  an 
'Entlehnung  aus  dem  Roman.  Vgl.  afranz. 
buer  (mit  Verlust  eines  Gutturals)  «bauchen», 
eig.  «durch  ein  mit  kleinen  Löchern  ver- 
sehenes Tuch  seihen»,  zu  ital.  hucare  «ein 
Loch    (ital.  buca   f.)    stechen»;    dazu    noch 


franz.  huee  f.  «das  Laugen»  (dui*ch  Durch- 
laßlöcher), «Waschen  mit  Lauge»,  ital.  bucato 
m.  «Wäsche».  Entsprechend  gehört  Schweiz. 
sechten,hajr. sechteln «laugen» znseihen.  Andre 
nehmen  besser  an,  daß  die  roman.  Wörter  aus 
dem  ndd.  büken  entlehnt  sind,  und  bringen 
dies  mit  Bauch  in  Zusammenhang.  Neuer- 
dings geht  Osthoff  Besz.  Btr.  29,  249  von 
einem  urgerm.  *bük  «Buche»  aus  (im  Ablaut 
zu  gr.  cpriYÖc  «Eiche»,  lat.  fägus  stehend), 
dessen  Bedeutungsentwicklung  zu  «Gefäß  aus 
Buchenholz,  Waschkübel»  usw.  führt.e. 

Bauchfluß,  -grimmen,  bäuchig, 
bäuchlings,  s.  Bauch. 

Baude,  f.  (PI.  -n):  Hirtenhütte  auf  den 
Gebirgen  von  Schlesien,  Böhmen  und  Sachsen. 
Nebenform  von  Bude  (s.  d.).  Ein  schlesisches 
Wort,  das  Gombert  6,  12  aus  schlesischen 
Urkunden  des  15.  Jh.  nachweist;  verzeichnet 
1734  bei  dem  Schlesier  Steinbach.  Vgl.  noch 
Lohmeyer  Mitt.  der  Litauischen  lit.  Ges.  5, 57. 

bauen,  v. :  (veraltet)  wohnen,  bewohnen; 
zum  Aufenthalt  ei'richten  oder  herstellen; 
durch  Bearbeiten  erzeugen,  tragbar  machen. 
Mhd.  hüwen,  hiuwen,  bouwen  (Prät.  schwach 
hüte,  bouwete,  aber  Part,  stai'k  gehüiven,  ge- 
bouwen),  ahd.  büan  (Prät.  hüta,  Part,  gi- 
büan);  dazu  asächs.  büan,  ndl.  bouwen,  ags. 
büan  «wohnen»,  anord.  büa  (Prät.  noch  stark 
ty'ö)j  schwed.-dän.  bo  «wohnen»,  got.  bauan 
(Prät.  bauaida,  aber  Part,  stark  bauans) 
«wohnen».  Das  V.  stimmt  mit  lat.  fui  «ich 
bin  gewesen»,  gr.  qpüeiv  «hervorbringen, 
schaffen»,  qpövai  «entstehen,  werden»,  lit.  büti, 
aind.  hhü  «sein».  Über  die  Grundbedeutung 
vgl.  Meringer  Idg.  Forsch.  18,  263  f  Vgl.  auch 
hin.  Das  Part.-Prät.  lautet  älternhd.  auch  noch 
gehauen  (z.  B.  Moscherosch  Phil.  1,  130),  wie 
noch   jetzt  obd.,    doch  hat  Luther  gebawet. 

■^ Bauer,  m.  und  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.): 
gegitterter  Behälter  für  sonst  wilde  Vögel. 
Frtihnhd.  Baur.  Älhd.  hur  m.  (PI.  biure)  schon 
in  jener  Bed.,  aber  ahd.  bür  m.  (PI.  büri)  «auf- 
erbauter Behälter,  Kammer,  Zelle,  Haus»; 
dazu  asächs.  hUr,  ags.  bür  n.  «Wohnung», 
engl,  hotver  «Laube,  Hütte»,  anord.  bür  n. 
«Gemach,  Speisekammer»,  schwed.  hur  m., 
dän.  hur  n.  «Gemach,  Käfig».  Mit  ableiten- 
dem r  von  bauen.  Das  N.,  das  wohl  eig. 
dem  kollektiven  Gehauer  (so  z.  B.  schlesisch 
für  Bauer)  zukommt,  tritt  erst  im  17.  Jh. 
auf,  doch  bleibt  das  M.  üblicher  (Adelung 
hat  das  B.  und  erklärt  das  M.  für  mund- 
artlich). 


169 


Bauer 


baumstark 


170 


^Bauer,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Bauender, 
Noch  in  Äckerhauer,  Erbauer.  Mhd.  hüwaere, 
ahd.  hnäri,  mittels  -er  (s.  ^-er)  ahd.  -äri 
abgeleitet  von  ahd.  hüan.  Verschieden  von 
dem  folgenden  Bauer. 

^Bauer,  m.  i-n,  PI.  -n):  wessen  Be- 
schäftigung ist  Ackerbau  zu  treiben ;  Mensch 
ohne  feine  Sitten:  eine  der  geringsten  Fi- 
guren (der  Soldaten)  im  Schachspiel.  Früh- 
nhd.  Banr  ( Gen.  Bauren).  ^Ihd.  Mir,  friiher 
gehür,  gebüre  (Gren.  gehuren,  auch  gebüres), 
ahd.  gibtiro  und  gibür  «Einwohner,  Mitbür- 
ger, Landbewohner»,  gebüdet  von  gi-  hier 
«mit-»  und  ahd.  bv.r  <;Wohnung»  (s.  ^Bauer), 
also  eig.  «Mit wohner,  Dorfgenosse»  (vgl.  auch 
Nachbar).  Die  mhd.  neben  der  schwachen 
vorkommende  starke  Flexion  zeigt  sich  jetzt 
noch  im  Sg.  (Bauers  Logau  1,  3,  Dat.  Bauer 
Schüler  TeÜ  2. 1 1.  ABL  ^Bäuerin,  f.,  mhd. 
gebiurinne.-  bäuerisch,  bäurisch,  adj., 
mhd.  gebiuriscli.  l)äuerlich,  adj.,  mhd.  ge- 
biurlich.  Später  veraltet,  aber  von  Heynatz 
1796  empfohlen.  Bauersame,  f.:  Gesamt- 
heit der  Bauern  als  Gemeinde.  Ein  alem. 
Wort,  um  1.300  gebürsami  (-sami  wohl  aus 
-*samni  entstanden ).  Bauerschaft,  f.,  mhd. 
gebürschaft  ZUS.  Bauersmauu,  m.,  mhd. 
geburman  und  (Zusammensetzung  mit  dem 
Gen.  des  stark  flektierenden  "Wortes)  gebüres 
nmn,  PI.  gebüres  Hufe.  Jetzt  erscheint  Bauers- 
in  der  Zusammensetzung  nur  hier  und  in  den 
verwandten  Bauersfrau,  Bauersleute,  sonst 
Bauer-  oder  Bauern-,  wobei  letztere  Form 
vorgezogen  wird,  wenn  die  Abhängigkeit  be- 
zeichnet werden  soU.  z.  B.  BauernJwf  (hei  Da- 
svpodiusl537  baurenhoff),  Bauernstand  (Grim- 
melshausen  Simpl.  12  Bauren- Stand),  Bauern- 
stolz (beiHenischl616),  dagegen Bauerbiirsche, 
Bauermädchen.  Bauerwetzel,  m.:  eine  (beim 
Landvolk  häufige )  Halsentzündung,  die  mit 
Geschwulst  der  Ohr-  und  Speicheldrüsen  ver- 
bunden ist.  -wetzet  scheint  eig.  die  Bed.  von  ; 
«Schlag»  zu  haben  (s.  Watsche),  vgl.  mhd.  \ 
orwetzelinn.  «Ohrfeige»  und  im  15.  .Jh.  tanne- 
wetzel  m.  (entstellt  aus  tinnewetzel?  tinne 
«Schläfe»,  also  eig.  «Schlag  vor  die  Schläfe»), 
«eine  katarrhalische  Seuche».  i 

baufällig,  adj.  u.  adv.:  mit  Einsturz  dro- ! 
hend.  L'm  1400  pauvelUg  von  Feldgut  s.v.  a. 
im  Bau  verwahrlost,  aber  1482  bei  Eychmann  i 
Aa  1^  buf eiliger  «niinosus».  | 

Bauflucht,  s.  Flucht. 

Baukunst,  f.     Bei  Hulsius   1596. 

baulich,  adj.  u.  adv.:  gut  im  Bau,  wohl  er- 


halten (z.  B.  im  baulichen  Stand) ;  das  Bauen 
betreffend.  Mhd.  bülicli.  biulich  ist  «zum 
Bauen  geeignet,  in  gutem  Bau  stehend».  Die 
2.  Bed.  von  baulich  gehört  erst  der  neuem 
Sprache  an.  ABL.  Baulichkeit,  f.:  was 
aufgebaut  wird,  Gebäude,  Gestelle  (Goethe 
Faust  9027.  16,  43  usw.).  Xoch  nicht  bei 
Adelung  und  Campe. 

Baum,  m.  i-es,  PI.  Bäume):  Holzstamm- 
pflanze: Holzstamm.  ^Ihä.  boum  (PI.  houme, 
wie  auch  noch  bei  Harsdörfer  Gespr.  1,  214 
Baume,  aber  schon  Luther  mit  Umlaut 
Beu-me),  ahd.  boum  m.-.  dazu  asächs.  böm, 
ndl.  boom  (auch  «Deichsel»),  afries.  bäm,  ags. 
beam,  engl,  heam  «Balken,  Deichsel x,  anord. 
(mit  d  für  g)  badmr,  got.  bagms  m.  «Baum», 
Die  got.  imd  westgerm.  Fonn  lassen  sich 
vielleicht  aus  einer  Grundform  *bagwmü- 
erklären,  doch  ist  das  nicht  sicher:  bauen 
wäre  im  letzten  Grunde  verwandt,  wenn 
bäum  zu  gr.  qpöua  n.  «Gewächs»  gehört,  vgl. 
Johansson  Btr.  15,  224.  S.  noch  Grienberger 
Wiener  SB.  142,  8,  42.  ABL.  -bäumen, 
-bäumeu,  adj.:  in  bim-,  kirsch-,  nußbaumen 
usw.    Mhd.  ahd.  boumin. 

Baumel,  f.  (PI.  -n)-.  Schaukel;  frei  sich 
hin-  und  herbewegendes  Ziergehänge,  z.  B. 
an  der  Taschenuhr,  am  Ohr  usw.  (im  18. 
Jh.).  Von  baumeln,  v.:  hangend  sich  hin 
und  her  bewegen  (Weise  Erzn.  32,  bei  Stie- 
ler 1691  baumelen).  Wohl  zu  bammeln,  bim- 
meln, bummeln  (s.  d.)  gehörig,  aber  an  Baum 
angelehnt,  vgl.  Damköhler  ZfdW.  1,  271. 

bäumen,  v.:  baumähnlich  aufwärts  bie- 
gen ( Schiller  Kab.  u.  L.  -5,  7),  gewöhnlich  refl. 
sich  b.  !Mhd.  sich  boumen.    Vgl.  aufbäumen. 

-bäumen,  -bäumen,  s.  Baum. 

Baumgarten,  m.:  Garten  mit  Bauman- 
lagen, besonders  Obstbaumgaiien.  Mhd.  boum- 
garte  m.    Vgl.  Bangert. 

Baumöl,  n.:  Öl  aus  Oliven  d.  i.  der 
Frucht  des  Ölbaumes  gepreßt.  !Mhd.  boumöl 
n.,   bei  Luther   (3.  Mos.  24,   2)  Baumöle  n. 

Baumschlag,  m.:  eine  Anzahl  Bäume; 
die  äußere  Erscheinung  der  Bäume,  des 
Laubwerks  und  ihre  Wiedergabe  bei  Malern, 
Kupferstechern  usw.  In  der  2.  Bed.  bei 
Adelung  1774.     S.  Schlag. 

Baumschule,  f.:  Anlage  zur  Zucht  jun- 
ger Bäume.  1640  bei  Comenius  Sprachen- 
thÜT   93,  382. 

baumstark,  adj.  und  adv.:  stark  wie 
ein  Baum.  Frühnhd.  (1482  bei  Eychmann 
Z  8^  baumstarck  machen  «robui-are»). 


171 


Baumwolle 


beben 


172 


Baumwolle,  f.:  die  nacli  Herodot  3,  106 
aus  Indien  stammende,  auf  einer  baumartigen 
Staude  wachsende  Wolle.  Mhd.  im  12.  Jh. 
boumwolle,  houmwol  (Erec  7703)  f.  ABL. 
baumwollen,  adj.,  spätmhd.  (1380  houm- 
wollen  Germ.  28,  360). 

Bausback,  s.  Pausback. 

Bausch,  m.  {-es,  PI.  Bäusche):  ausge- 
dehnter Wulst;  dickgelegte  Verbandleinwand; 
Gebund  Stroh.  Redensart:  in  B.  und  Bogen 
«eins  mit  dem  andern,  ohne  auf  mehr  oder 
weniger  zu  achten»,  eig.  «mit  auswärts  sich 
dehnender  Grenzfläche  [B.)  und  mit  einwärts 
biegender  (Bogen)».  Mhd.  Msch  m.  ist  «stump- 
fer, schwellenmachender  Schlag,  Beule,  Sat- 
telschwulst». Von  bauschen,  v. :  wulstartig 
schwellen  machen.  Mhd.  huschen,  hiuschen 
«schlagen,  schwellen  machen».  Verwandt  ist  viel- 
leicht russ.  buchnuü  «schwellen,  sich  werfen», 
neuslow.  huhnoti  «anschwellen»,  vgl.  Wad- 
stein Btr.  22,  240.  Spätmhd.  und  älternhd.  er- 
scheint auch  hüsen,  baMse??  «aufschwellen,  her- 
vorstehen, schwelgen»  (dazumnd.  bilsen,  engl. 
house  «schlemmen,  zechen»),  baus  f.  «schwel- 
lende Fülle»  und  auch  später  gehen  bausen 
und  bauschen  nebeneinander  (Stieler  1691 
hat  bausen  und  hausten,  auch  Adelung  kennt 
noch  bausen,  vgl.  aufbauschen),  huschen  steht 
neben  hüsen  wie  mhd.  krischen  neben  kri^en, 
lüschen  neben  lü^en,  Grundbed.  wohl  «schla- 
gen», wie  jetzt  noch  vielfach  mundartlich, 
vgl.  noch  mhd.  hü^en  «schwellen»,  Schweiz. 
hüss  «Schlag,  Beule».  ABL.  bauschig, 
adj.:  irühnhä.  bauschecht.  Yg\.  a-uch  Bauschet 
und  Pauschal-. 

Baute,  f.  (PI.  -n):  Aufführung  eines 
Baues;  aufgeführter  Bau.  Adelung  1774 
führt  Bauten  als  niedersächsischen  PI.  zu 
Bau  an,  ebenso  Heynatz  1775  als  ein  kame- 
ralistisches  Wort;  Jean  Paul  gebraucht  1801 
den  Sg.  Baute,  ebenso  Goethe  im  Faust  11157. 
Er  geht  auf  mnd.  hüwete  f.  «Bau»  (büwete 
n.  «Gebäude»)  zurück,  dagegen  mhd.  mit 
Verschiebung  des  t  gebüwege  n.  «Gebäude». 
Bauwerk,  n.:  Erzeugnis  der  Baukunst, 
Gebäude.  Mhd.  hüwerc  n.  (Altd.  Pred.  1, 
358,  30  Schönbauh). 

bauz!  Interj.  des  aufschlagenden  Falls. 
Aus  der  mittel-  und  nordd.  ümgangsspi-ache 
1781  bei  Kindleben  angeführt  (1775  bei 
Goethe  Götz  3,  bei  Voß   1,  282). 

baxen,  refl.  v.:  ringend  schlagen.  Aus 
nd.  baksen  d.  i.  baks  (Schläge)  geben.  Aus 
der  Umgangssprache  bei  Kindleben  1781  an- 


geführt (bei  Bürger  59,  Schiller  Fiesko  5,  7, 
Blumauer  An.  2,  153,  hinausbaxen  bei  Voß 
1,  277).    Vgl.  boxen. 

Bayer,  m.  [-n,  PI.  -n),  Volksname.  Mhd. 
Beier,  ahd.  Baigari,  Baigiri,  mlat.-germ. 
(seit  6.  Jh.)  Bajoarius,  Bajuvarius,  der  aus 
Baja  oder  Bohemum  Stammenden,  d.  i.  einer 
von  den  früher  dort  angesessenen  Marko- 
mannen, auf  die  der  Name  des  von  ihnen 
aus  dem  Lande  vertriebenen  Volksstammes 
der  Boji  allmählich  übergegangen  war.  Da- 
von der  Landesname  Bayern,  mhd.  Beiern 
für  ze  den  Beiern,  also  Dat.  PI.  des  Volks- 
namens, und  das  Adj.  bay[e]risch,  mhd. 
heierisch. 

be-,  eine  untrennbare  stets  unbetonte 
Zusammensetzungspartikel,  die  allseitige  Ein- 
wirkung, voUe  Bewältigung,  ein  tätiges  ein- 
wirkendes Nahesein,  endlich  bloß  Verstär- 
kung des  Begriffes  des  einfachen  Wortes 
ausdrückt.  Mhd.  he-,  ahd.  hi-,  als  abge- 
schwächte Form  neben  bi-  Präp.  «bei»; 
dazu  asächs.  hi-,  ndl.  he-,  afries.  hi-,  ags. 
bi-,  he-,  engl,  be-,  got.  hi-,  im  nord.  urspr. 
fehlend.  Li  manchen  Wörtern  erscheint  he- 
zu  bloßem  h  abgeschwächt,  s.  hange,  harm- 
herzig, Beichte,  binnen,  bleiben,  Block.  Die 
mit  he-  zusammengesetzten  Verba  sind  Tran- 
sitiva  und  gehen  zunächst  auf  Verba,  dann 
aber  auch  auf  Subst.  und  Adjektive  zurück, 
indem  das  vortretende  he-  hier  einerseits 
das  Vorhandensein  oder  Betätigen  wovon 
oder  das  Versehen  womit,  anderseits  das 
Wozumachen  ausdrückt;  viele  der  von  No- 
minibus gebildeten  Verba  nehmen  nach  dem 
Muster  der  von  Adj.  auf  -ig  ausgehenden 
die  Endung  -igen  an,  z.  B.  beschädigen,  be- 
kreuzigen, beköstigen.  Allen  mit  he-  zu- 
sammengesetzten Substantiven  liegen  Verba 
gleicher  Zusammensetzung  zugrunde. 

Beamte,  m.  (mit  adjektivischer  Flexion 

ein   Beamter,   der  Beamte,   Gen.  eines,   des 

Beamten ,   PI.  Beamte,   die  Beamten) :    wem 

1  ein  Amt  übertragen  ist.    Bei  Henisch  1616. 

Von  beamt,  der  verkürzten  Form  des  Part.- 

j  Prät.  beamtet,  von  dem  frühnhd.  V.  heamten 

\  «mit  einem  Amt  versehen». 

bearbeiten,  v.:  Arbeit  verwenden  auf. 
Spätmhd.  erscheint  sich  h.  «sich  bemühen», 
was  auch  das  ältere  Nhd.  noch  kennt;  Stieler 
1691  hat  auch  bearbeiten  «labores  subire», 
die  jetzige  Bed.  bei  Frisch  1741. 

beben,  V. :  in  geschwinder  Wellenbe- 
wegung  sein,   besonders   starker  und  nach- 


173 


Becher 


bedenten 


174 


haltiger.  Das  e  der  1.  Silbe  wird  jetzt  teils 
oifen  (z.  B.  in  Sachsen,  danach  bei  Adelung), 
teils  geschlossen  gesprochen.  Mit  e  für  % 
(bei  Luther,  fiiiher  selten  in  md.  Quellen) 
aus  nihd.  hilien,  ahd.  hihen:  dazu  asächs. 
hitön,  ags.  heofian,  anord.  bi/a,  schwed.  häfva, 
dän.  häve.  Verwandt  ist  ai.  hhls  f.  «Furcht», 
dazu  das  dem  Deutschen  genau  entsprechende 
reduplizierende  V.  htbheti  «er  fürchtet  sich», 
abg.  hojq^  sg  «ich  fürchte  mich»,  lit.  hijoti-s 
«sich  fürchten»,  häime  f.  «Furcht».  Luthers 
heben  hat  das  früliere  obd.  hidmen  (s.  d.)  ver- 
drängt. ABL.  beberu,  v.  (bei  Bürger): 
«heftig  beben».  Iterative  Bildung,  entsprechend 
anord.  hifm,  dän.  häire.  Bebung,  f.  (Schiller 
Kab.  u.  L.  4,  2). 

Becher,  m.  (-s,  PI,  wie  Sg.):  Tiinkge- 
schirr.  Mhd.  hecher,  ahd.  hehJiar,  hehhari 
m.,  dazu  andd.  hikeri,  ndl.  heker,  anord. 
hikarr  m.,.  schwed.  hägare  n.,  dän.  hager  n. 
Aus  mlat.  hiccarmm  n.  (ital.  hiccMere  m. 
«Glas»),  das  auf  gr.  ßiKoc  m.  «Gefäß»  zurück- 
geht. Auch  Kelch  (s.  d.)  ist  entlehnt.  ABL. 
bechern,  v. :  den  Becher  weidlich  leeren 
(im   18.  Jh.). 

Beck,  s.  hacken. 

Beckelhaube,  s.  Pickelhaube. 

Becken,  n.:  flaches  scheibenförmiges  Ge- 
fäß zum  Aufnehmen  einer  Flüssigkeit;  Me- 
tallscheibe zum  Aneinanderschlagen  in  der 
Musik;  rundliche  Vertiefung  zwischen  erha- 
ben,en  Stellen.  Mhd.  heckin,  hecken,  hecke 
n. ,  ahd,  hecchin,  hecchi  n.  Aus  spätlat, 
bacclnum  n.  «Becken»  (bei  Gregor  v.  Tours 
9,  28  hacchinon  n.  «flache  hölzerne  Schale», 
ital.  hacino,  franz.  hassin  m.  «Becken»),  ab- 
geleitet  von   bacca  f,  «Wasserfaß»,  s.  Back. 

bedacht,  adj.,  eig.  Part.-Prät.  von  be- 
denken: gesammelter  Gedanken  worüber  oder 
worauf  seiend.  IVIhd.  heddht.  Davon  Be- 
dacht, m.  IVJbd.  heddht  f.  (in  vor-  heddht), 
im  15.  Jh.  auch  bedacht  m.  ABL.  bedäch- 
tig, adj.  u,  adv.  jMhd.  hedcehtic,  ahd.  hidäh- 
tic.  bedächtlich,  adj.  u.  adv.  Als  Adv. 
im  15.  Jh.  z.  B.  um  1480  im  Voc.  ine.  teut. 
p.  3^  pedechtlich  «premeditative».  bedacht- 
sam, adv.  u.  adv.  Friihnhd.  (Fischart  Binenk. 
231  a). 

Bedarf,  m.  (-es)-,  das  wozu  Erforder- 
liche. Aus  dem  Präs.  von  bedürfen  gebildet. 
Schon  mnd.  bedarf,  hederf,  aus  der  Kanzlei- 
sprache von  Henisch  1616  angeführt,  nach 
Adelung  1774  veraltet,  doch  von  Campe  Be- 
reicherung 1795  empfohlen. 


bedauern,  v,:  Leid  worüber  haben  oder 
äußern.  Aus  mhd.  hetüren  und  (seltener) 
betiuren  (unpersönlich,  mich  hetüret,  hetitiret 
eines  dinges),  das  zunächst  «tiure  (teuer)  sein, 
viel  kosten,  schätzen»  bedeutet,  dann  «hoch 
anschlagen,  schwer  drücken,  verdrießen,  Leid 
verursachen».  S.  ^dauern.  Bei  den  Mttel- 
,  deutschen  des  17.  Jh.  gewöhnlich  betauren,- 
hetauern,  so  noch  Lessing  2,  167.  AJBL. 
bedauerlich,  adj.,  bei  Stieler  1691. 

Bede,  f.  (PI.  -%):  Abgabe,  die  ursprüng- 
lich Freie  bezahlten.  Mit  ndd.  und  westmd, 
d  für  t  entsprechend  mhd.  bete  f,  «Bitte», 
dann  auch  «erbetene  Unterstützung,  Abgabe», 
besonders  der  Freien,  ahd.  heta  f.  «Bitte» 
zu  bitten.  Es  erscheint  z.  B.  1417  als  bede, 
rente,  stüre  (Jansen  Frankf.  Reichskorr.  1, 
305),  1540  bei  Alberus  Dict.  G2^  als  hed 
(doch  heet  pp  4^  und  xx  4^^),  dann  im 
17.  Jh.  (Stieler  Beede  und  Behte),  wähi-end 
hd.  Quellen  anfangs  het,  hett  (1587  Dasypo- 
dius)  haben,  das  auch  später  noch  vorkommt 
(Goethe  Faust  10947  BetW). 

bedenken,  v.:  von  allen  Seiten  in  Ge- 
danken betrachten;  (einen)  an  ihn  denkend 
begaben.  Refl,  sich  b.:  von  allen  Seiten  Über- 
legung anstellen.  ]VIhd.  bedenken,  ahd.  biden- 
chen  (in  der  Bed.  «beschenken»  erst  spätmhd., 
dann  mhd.  auch  in  der  von  «Verdacht  auf 
—  befallen  werden»,  vgl.  Bedenken,  bedenk- 
lich). Der  Inf,  als  Subst.  Bedenken,  n. :  Über- 
legung, zweifelnde  Überlegung.  In  der  Kanz- 
leisprache des  15.  Jh.  ABL.  bedenklich, 
adj.  u.  adv.:  in  zweifelnder  Überleguag  be- 
fangen; zweifelnde  Überlegung  hervorrufend. 
Fiühnhd.  (Rollenhagen  Froschm.  331).  ZUS. 

Bedenkzeit,  f.  Frühnhd. 

bedeuten,  v.:  zum  Verständnis  bringen; 
wozu  anweisen;  Anzeichen  wozu  sein;  Gel- 
tung haben;  von  Wichtigkeit  sein.  Mhd, 
bediuten  «völlig  zum  Verständnis  bringen, 
geistig  woraufhinzeigen,  klar  anzeigen».  Das 
Part.- Präs.  bedeutend  bed.  als  Adj.  auch 
«von  erheblicher  Wichtigkeit,  ansehnlich» 
(in  dieser  allgemeinen  Bed.  namentlich  durch 
Goethe  aufgekommen,  Adelung  kennt  es  nur 
als  «Wichtiges  anzeigend»,  wie  auch  noch 
oft  bei  Goethe).  Davon  (mit  ausgefallenem 
d)  Bedeutenheit  f.  (Goethe  46,  lo  1.  H.). 
ABL.  bedeutsam,  adj.  u.  adv.  Um  1770 
aufgekommen  und  von  Adelimg  1793  als 
neugebildetes  Wort  verzeichnet;  Goethe  ver- 
wendet daneben  auch  deutsam  (27,  122). 
Davon   Bedeutsamkeit   (Goethe  22,   132.   174, 


175 


bedienen 


Beet 


176 


daneben  Deutsamkeit  N.W.  1,  266).  Bedeu- 
tung, f.  Mhd.  hedmtunge  f.  ist  «Auslegung», 
im   15.  Jli.  im  jetzigen  Sinn. 

bedienen,  v.-.  durch  Dienstleistungen 
sorgsam  versehen.  Frühnhd.  Refl.  sich  wessen 
&.:  «ihn,  es  wozu  gebrauchen».  In  dem  älter- 
nhd.  bedient  sein  «dienlich  sein»  hat  bedient 
aktive  Bedeutung.  Daher  Bediente,  m. 
(mit  adjektivischer  Flexion):  Dienei'.  Im 
17.  Jh.  (Zesen  Ibr.  451).  Auch  Bediente  f. 
(Geliert  Lustsp.  273).  ABL.  Bedienung, 
f.,  bei  Krämer  1678. 

Beding,  n.,  auch  m.  (-s),  fast  nur  in  mit 
dem  B.:  beschränkende  Bestimmung.  Bei 
Luther,  aus  der  Kanzleisprache  (mhd,  dafür 
gedinge  n.).  Von  bedingen,  v. :  durch  Ver-  j 
handlung  oder  als  Unterstellung  festsetzen; 
beschränkend  bestimmen;  als  etwas  Abhän- 
giges, damit  Verbundenes,  daraus  Hervor- 
gehendes usw.  notwendig  machen.  Mhd.  &e- 
(irngfew  «Vertragsbestimmungen  festsetzen»,  wo- 
für ahd.  gidingon  oder  auch  bloß  dingön,  von 
mhd.-ahd.  dinc  n.  «rechtliche  Verhandlung, Ver- 
trag». Die  Flexion  ist  ursprünglich  schwach, 
doch  dringt  seit  dem  17.  Jh.  (bei  der  1.  Bed. 
des  Wortes)  auch  starke  ein,  Prät.  bedang, 
bedung,  Part,  bedungen,  die  Adelung  ver- 
langt. S.  dingen.  ABL.  Bedingnis,  n.  und 
f.  (Schiller  Kab.  3,  1).  Nach  Heynatz  1796 
ebd.,  Adelung  unbekannt.  Bedingung,  f., 
bei  Luther. 

bedrängen,    v.:  allseitig,  sehr  drängen. 
Mhd.  bedrengen  und  bedrangen.    ABL.  Be- 
drängnis, f.  und  n.    In  der  frühnhd.  Kanz- 
leisprache bedrengnisse. 
beducht,  s.  betucht. 

bedünken,  v.-.  den  Umständen  nach  der 
Ansicht  sein,  fast  nur  unpersönlich  mich 
bedünkt,  bedeucht  (s.  dünken).  Mhd.  bedünken, 
bedunken.  Fiiiher,  namentlich  bei  Oberdeut- 
schen, auch  bedunken  (Rückert  3,  126).  Da- 
von der  Inf.  als  Subst.  Bedunken,  n.  {-s)\ 
Erachten,  Meinung  (schon  mhd.).  ABL.  be- 
dünkeln,  v.  mit  dimin.  Endung  (Goethe  6, 95). 
bedürfen,  v.  (Präs.  bedarf,  Prät.  bedurfte, 
Part,  bedurft,  s.  dürfen):  nötig  haben,  erfor- 
derlich sein,  besonders  insofern  aus  irgend 
einem  Mangel  der  Zweck  nicht  erreicht  werden 
kann.  Mlid.  bedürfen,  bedürfen,  ahd.  bidurfan. 
ABL.  Bedürfnis,  n.,  früher  auch  f.  (Les- 
sing 6,  258).  Frühnhd.  (1482  im  Voo.  theut. 
c  6^  bedurfnusse^  «indigentia»).  bedürftig, 
adj,,  abgeleitet  von  dem  älternhd.  Bedurft, 
f.  (vgl.  Notdurft).    Spätmhd.  bedurftic. 


beduseln,  reÜ.  v.:    sich  ein  Räuschchen 

antrinken,  s.  duseln. 

bedutzt,  adj.:  betroffen  und  bestürzt 
wovon  (Goethe  Clav.  4,  1).  Eig.  Part.-Prät. 
von  dem  mit  Akk.  der  Person  verbundenen 
mhd.  betützen  (Frät.  betutzte,  Part,  betutzt) 
«betören,  heimlich  hintergehen».  Yg\. verdutzt. 

beeidigen,  v.:  eidlich  verpflichten.  1618 
bei  Schönsleder  B  2  ^  beaidigen ,  neben  dem 
schon  früher  (1580  bei  Schwartzenbach  Sy- 
nonyma)  vorkommenden  beeiden. 

beeinträchtigen,  v.:  (in  die  Quere 
kommen  und  so)  Eintrag  tun.  Von  älternhd. 
Eintracht  (Luther  3.  Mos.  13,  48  usw.)  statt 
Eintrag  m. :  ?: Querfäden  des  Gewebes».  S, 
Eintracht  und  Eintrag.  Zuerst  1641  bei 
Schottel  S.  489;  1741  bei  Frisch  als  ein 
«seltsames  Juristencompositum»  verzeichnet, 
auch  Adelung  1793  schreibt  es  nur  der 
Rechtssprache  Oberdeutschlands  zu,  dagegen 
empfiehlt  es  Heynatz  1796. 

beendigen,  v.:  zu  Ende  bringen.  Bei 
Adelung  neben  beenden  als  Kanzleiwort  an- 
geführt, von  Heynatz  1796  noch  beanstandet. 

beerdigen,  v.:  der  Erde  übergeben, 
begraben.  1663  bei  Schottel  S.  1310  be- 
erdigen. 

Beere,  f.  (PI.  -n)-.  kleinere  fleischige 
Samenkapsel  der  Pflanzen.  Aus  dem  PI.  des 
mhd.  N.  ber  (PI.  diu  ber,  md.  auch  bere), 
ahd.  beri  n. ;  dazu  asächs.  beri  (in  unnberi 
n.),  anord.  ber,  schwed.  dän.  bär  n.,  got.  mit 
dem  ursprünglichen  s  basi  (in  weinabasi  n.), 
ebenso  ndd.  bes  im  Dim.  besing,  ndl.  bes  f,; 
ags.  mit  Ableitung  berie  f.,  engl,  berry,  ndl. 
bezie.  Vielleicht  zu  ags.  basu  «rot»,  vgl. 
Liden  Idg.  Forsch.  18,  416.  Bei  Luther  er- 
scheint Bee^-,  Beere  meist  als  PI.,  so  noch 
1741  bei  Frisch,  der  einen  Sg.  Bee^~  n.  an- 
setzt [Beere  als  PI.  nicht  selten  im  18.  Jh. 
1  und  noch  bei  Uhland) ;  daneben  wurde  (ver- 
;  einzelt  schon  bei  Luther)  Bee^',  Beere  als 
I  Sg.  eines  F.  genommen  und  später  dann  ein 
PI.  Beeren  neugebildet  (z.  B.  bei  Lohenstein 
Rosen  100,  dann  1716  bei  Ludwig  usw.,  Beere 
als  Sg.  verlangt  Adelung). 

Beest,  n.  {-es,  PI.  -er),  die  ndd.  Form 
für  Bestie  (s.  d.). 

Beet,  n.  {-es,  PI,  -e):  abgeteiltes  Stück 
Gai'tenland  zur  Anpflanzung.  Das  Wort  ist 
eins  mit  Bett  n.  (s.  d.),  geht  aber  auf  die 
in  md.  Quelle^  erscheinende  Nominativform 
mhd.  bet  (gleich  asächs.  bed)  statt  bette  zu- 
rück.     Die  Scheiduncr   entstammt  dem  Md. 


177 


Beete 


Beffchen 


178 


und  wird  1640  von  Comenius  und  1645  von 
Gueintz  (Bette  —  Behte)  gefordert  (Beth  in 
der  angegebenen  Bed.  bei  Opitz  2,  28,  Beet 
bei  Gryphius  Tr.  482).  Im  16.  u.  17.  Jb. 
kommt  öfter  Beth  für  Bett  vor,  während 
anderseits  Duez,  Ki-ämer,  Stieler  und  selbst 
noch  Frisch  für  Beet  auch  Bett  kennen 
(bei  Scbottel  1663  wird  wie  jetzt  unter- 
schieden). Bett  bleibt  auch  später  im  Obd. 
(bei  Haller  63   Gartenbetter). 

Beete,  f.  (PI.  -n):  Mangold,  rote  Rübe. 
Aus  lat.  beta  f.  Die  mhd.  Form  des  früh 
aufgenommenen  Wortes  war  (mit  Verschie- 
bung des  lat.  t  in  ^)  bie^^e,  ahd.  bie^a  f., 
noch  bayr.  Bießen  f.,  1598  bei  Colerus  Behß, 
1517  bei  Trochus  Kö*»  beißkoel.  Die  Form 
Bete  stammt  aus  dem  Xdd.  (bei  Frisch 
1741  angeführt),  vgl.  ndl.  beet  m.,  ags.  bete 
f.,  engl.  beet. 

befähigen,  v.:  wozu  fähig  machen.  1807 
von  Campe  als  von  ihm  gebildetes  Wort 
angeführt.  Das  Part.-Prät.  befähigt  als 
Adj.:  Fähigkeiten  habend. 

befahren,  v.  (Prät.  befahrte):  in  Gefahr, 
besorgender  Furcht  wovor  sein.  Refl.  sich 
b.  (mit  Gen.):  besorglich  wovor  sein,  urspr. 
vor  Nachstellung,  Gefahr.  Veraltet,  aber  noch 
bei  Wieland,  Bürger,  Goethe,  Schiller.  Spätmhd. 
(in  md.  Quellen)  bevären,  zu  vären,  ahd.  fären 
«nachstellen»,  s.  Gefahr.  Verschieden  von  b. 
(Prät.  befuhr):  «über-  und  durchfahren»,  mhd. 
bevarn  «erfahren». 

Befang,  s.  Bifang. 

befangen  (Prät.  befing,  Part,  b.,  s.  fangen), 
V.:  einschließend,  engend  umgeben;  gefangen 
nehmen.  Refl.  sich  b.  womit:  sich  damit  be- 
fassen, zu  tun  machen.  Das  Part.  Prät.  b. 
als  Adj.  bedeutet  auch  «eingenommenen,  un- 
freien Geistes  und  dadurch  verlegen»  (früher 
nur  mit  Subst.,  z.  B.  mit  Furcht  b.,  Heynatz 
1796  kennt  b.  «fassungslos»,  das  Adelung  1793 
noch  nicht  verzeichnet).  Mhd.  bevähen,  bevän, 
ahd.  bifähan  «umfangen,  einnehmen». 

befassen,  v. :  dem  Umfang  nach  um- 
schließen und  in  sich  aufnehmen.  ]Mhd.  be- 
va^j^en  «besitzen,  befestigen».  Refl.  sich  wo- 
mit b.  «sich  womit  abgeben»  (erst  bei  Ade- 
lung 1774). 

befehden,  v.:  mit  P'ehde,  Krieg  über- 
ziehen, bekämpfen.  Spätmhd.  bevehden,  von 
Fehde  (s.  d.).  Nach  Adelung  veraltet,  aber 
durch  die  Dichtersprache  wieder  aufgekommen. 

Befehl,  m.  (-es,  PI.  -e):  Willensäußerung 
zur  Befolgung.  Spätmhd.  bevelch  m.,  in  md, 
W  e  i  g  a  n  d ,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


Quellen  bevel  «Empfehlung,  Übertragung,  Ob- 
sorge». Bei  Luther  befelh.  Von  befehlen, 
Imp.  befiehl  (befelh  Luther  Ps.  37,  5,  befehle 
Goethe  13,  306),  Prät.  befahl,  Konj.  beföhle, 
Part,  befohlen:  übergeben,  zu  eigen  und  zu 
Gunst  oder  Geneigtheit;  anvertrauen;  als  und 
zum  Geschäft  übergeben  oder  übertragen; 
seinen  Willen  äußern  zur  Befolgung,  anheim- 
stellen: durch  eine  zu  befolgende  Willens- 
äußerung bestimmen.  Bei  Luther  befelhen, 
obd.  im  16.  Jh.  auch  bef eichen.  Aus  mhd. 
bevelhen,  in  md.  Quellen  auch  bevelen,  ahd. 
bifelahan,  bifelhan,  in  einigen  Quellen  bifelan; 
dazu  asächs.  bifelhan,  ags.  beßolan  faus  be- 
feollian)  «empfehlen,  anvertrauen»;  im  Got. 
ist  anafilhan  «übergeben,  empfehlen».  Das 
mhd.-ahd.  Wort  bed.  auch  «begraben»  (vgl. 
mhd.  bivilde  füi-  bivilhede  f.  «Begräbnis»)  d.  i. 
gleichsam  der  Erde  oder  ( beim  Leichenbrande) 
den  Flammen  zu  bedecken  oder  verbergen 
übergeben;  auch  asächs.  bifelhan  ist  «der  Erde 
bergend  übergeben,  begraben».  Beide  Begriffe 
aber  «begi'aben»  und  «verbergen»  sind  die  des 
einfachen  ahd.  felahan,  got.  fiUian  (auch  af-, 
ga-,  usfilhan).  Auf  den  Leichenbrand  geht 
ahd.  valach  «er  schichtete  Holz»  (zum Scheiter- 
haufen) und  wittifelah  «Holzschichte»  (zur 
Totenverbrennung).  Auch  anord.  fela  bed. 
«verbergen,  bedecken».  Die  Herkunft  des 
Wortes  ist  unsicher,  vgl.  noch  E.  Schröder 
AfdA.  23,  156,  Wiedemann  Bezz.  Btr.  28,  21  ff. 
Das  Prät.  lautet  ahd.  bifelah,  PI.  bifiduhin, 
mhd.  bevalch,  PI.  bevulhen,  in  md.  Quellen 
aber  auch  mit  Übertritt  zu  einer  andern  Klasse 
(nach  stehlen  usw.)  bevälen,  im  finihern  Nhd 
gewöhnlich  befahl,  PI.  befohlen  (o  aus  mhd.  ä 
wie  von  Schottel  S.  579  verlangt  wird  (noch 
bei  Schubart  2,  52),  später  dann  befahl,  be 
fahlen  mit  Ausgleichung,  während  der  Konj 
beföhle  das  umgelautete  o  festhält. 

befehligen,  v.:  den  Oberbefehl  haben 
dui'ch  Befehl  beauftragen.  Wohl  von  Befelch 
der  obd.  Form  für  Befehl,  für  die  auch  Be 
fehlich  erscheint,  befehligen  steht  also  zu 
nächst  für  be  fehlichen  (dies  kommt  im  An 
fanor  des  17.  Jh.  vor,  s.  Diefenbach-Wülcker 
175),  vgl.  billig  für  bülich.  Noch  Adelung 
bezeichnet  befehligen  als  ein  obd.  Kanzlei- 
wort;   Steinbach  1734  verzeichnet  es  zuerst. 

Befehlshaber,  m.  (-s,  PL  wie  Sg.):  Den 
Befehl  Führender.  Bei  Luther  Neh.  11,  24 
Befelhhaber,    mhd.    dafür   bloß   bevelher  m. 

Beffchen,  n.  (s,  PI.  wie  Sg.):  die  zwei 
länghchen  weißen  herabhangenden  Läppchen 

12 


179 


befinden 


begegnen 


180 


unter  dem  Kanne  des  Geistlichen ;  (danach  seit 
1812)  auf  beiden  Seiten  des  Gesichtes  steif 
emporstehender  Halskragen,  auch  «Vatermör- 
der» genannt.  In  der  1.  Bed.  bei  Yoß  Luise 
2,  99,  aus  dem  Ndd.  Mnd.  heffe  «Chorkappe, 
Chorhut»,  im  16.  Jh.  ndl.  bei  Kilian  48^'  leife 
«fellener  Mantel,  Kragen»,  neundl.  hef  m. 
«Kragen,  Krägelchen».  Vielleicht  desselben 
Stammes  wie  bayr.  Beffel  m.  «vorstehende 
oder  überhängende  Lippen»,  auch  «Mundstück 
einer  IQarinette»,  älternhd.  Befze  f.  «Lippe», 
ostfries.  Beffe,  Bef  «über  die  Fensterrahmen 
vorstehendes  keilförmiges  Gesims».  Worte 
mit  solcher  Bedeutung  auch  im  Roman.,  spau. 
tefo  «mit  dicken  Lippen,  Unterlippe  eines 
Pferdes»,  it.  heffare  «verspotten»,  frz.  hafouer 
«beschimpfen». 

beflnden,v.:  (Prät.  befand,  FaYt.befunden): 
nach  Untersuchung  in  gewissem  Zustand  oder 
Verhältnisse  wahrnehmen;  nach  Untersuchung 
dafür  halten.  Mhd.  hevinden,  ahd.  hifindan 
«finden,  erlangen,  lernen,  durch  das  Gefühl 
wahrnehmen».  Refl.  sich  h.  «an  einem  Orte 
(wo?)  oder  in  einem  Zustande  (wie?)  sein». 
Frühnhd.  Der  Inf.  als  Subst.  Befinden,  n. 
(-s):  Dafürhalten  (in  nachB.),  mhd.  hevinden  n. 
«Wahrnehmung»;  (zu  sich  b.)  Zustand,  Ge- 
sundheitszustand (bei  Ludwig  1716).  ABL. 
befindlich,  adj.:  an  einem  Orte  sich  be- 
findend (im  17.  Jh.,  vgl.  Gombert  6,  13  vom 
J.  1644,  während  im  16.  Jh.  die  Bed.  «wahr- 
nehmbar, bemerkenswert»  vorkommt,  z.  B. 
bei  Maaler  1561).     S.  Befund. 

befleißen,  v.  (Prät.  befliß,  Part  beflissen) : 
mit  allem  FleLße  worauf  hin  tätig  sein.  Nur 
in  beflissen  sein  und  sich  b.,  meist  mit  Gen. 
der  Sache.  Mhd.  dafür  bloß  vli^en,  ahd.  fli^an. 
S.  Fleiß.  Daneben  das  auf  das  Adj.  fleißig 
sich  gi-ündende  üblichere  sich  befleißigen 
(bei  Luther,  wie  auch  &.,  mhd.  dafür  vli^igen). 

befremden,  v. :  fremdartig,  sonderbar  be- 
rühren, auffallend  erscheinen.  In  der  Kanzlei- 
sprache des  15.  Jh.  (Janssen  Frankf.  Reichs- 
korr.  2,  152  v.  J.  1461). 

befrieden,  gewöhnlich  befriedigen,  v. : 

durch  Umhegen,  Umzäunen  gegen  andre  ab- 
schließen und  so  sicher  stellen,  schützen  und 
schirmen;  zufrieden  stellen.  Mhd.  bevriden 
«Sicherheit,  Schutz  verschaffen,  umzäunen», 
von  vride  m.;  im   15.  Jh.  auch  bevridigen. 

befugen,  v.:  Zuständigkeit  wozu  geben, 
jesonders  rechtskräftige  (Ftig),  fast  nur  in 
dem  Part.  Prät.  befugt.  Mhd.  bevuogen  oder 
bevüegen   (nur   in   md.   Quelle   sich   bevügen 


«Befugnis  geben»).  — -  Befugnis,  f.  selten 
n.  (Goethe  47,  165).  1641  bei  Schottel  S.  334 
Befugniß,  aus  Lehmanns  Spejo".  Chron.  1612. 

Befund,  m.  (-es)-,  das  Finden  wie  etwas 
ist.  Neues  Wort,  nach  Adelung  nur  «in  einigen 
obd.  Gegenden»,  das  aber  Heynatz  1796  als 
auch  im  nd.  Geschäftsstil  nicht  ungewöhnlich 
bezeichnet.     Zu  befinden. 

begabt,  adj.  (eig.  Part.  Prät.  von  begaben, 
mhd.  begäben  «mit  Gaben  ausstatten»):  mit 
Geistesgaben  ausgestattet  (in  diesem  Sinne 
bei  Ludwig  1716  hochbegabet). 

Begängnis,  n.:(Leichen-)Bestattung.  Mhd. 
begancnisse,  begenenisse  n.    S.  begehen. 

begatten,  refl.v.:  sich  geschlechtlich  ver- 
einigen (bei  Henisch  1616).  Mhd.  begaten  ist 
«passend  machen,  einrichten,  verschaffen»,  erst 
nhd.  (unter  Einwirkung  von  Gatte)  «sich  vei'- 
mählen,   die  Ehepflicht  erfüllen». 

begeben  (Prät.  begab,  Part,  begeben,  s. 
geben),  v.:  (als  Trans,  veraltet)  hin-,  über-, 
aufgeben  (Rom.  12,  1),  mhd.  begeben,  ahd. 
bigeban  «wovon  ablassen,  hin-,  aufgeben».  Refl. 
sich  b.:  sich  hin-,  dargeben  (Rom.  6,  16);  (mit 
Gen.  der  Sache)  das  Wollen,  die  Verbindung 
auf  etwas  hin  aufhören  lassen,  aufgeben,  mhd. 
sich  b.  «sich  entäußern»,  auch  «in  ein  Kloster 
gehen»  d.  i.  die  Welt  aufgeben;  sich  wohin 
bewegen  und  so  daselbst  gegenwärtig  sein; 
in  der  Zeit  wirklich  werden  (diese  beiden 
Bedd.  bei  Luther).  ABL.  Begebenheit,  f., 
von  dem  Part.  Prät.  begeben:  das  Wirklieh- 
gewordensein  in  der  Zeit  (bei  Duez  1664;  mhd. 
begebenheit  f.  ist  dagegen  «Hingebung»).  Be- 
gebnis, f.  und  n.  Im  15.  Jh.  begebnuss.  Von 
Adelung  als  obd.  Wort  bezeichnet. 

begegnen,  v.:  (mit  Dat.,  zuweilen  Akk., 
z.  B.  Lessing  6,  215.  H.  v.  Kleist  zerbr.  Krug  72. 
Goethe  24,  219)  entgegen-  und  so  zusammen- 
kommen, zusammentreffen,  eig.  wie  bildlich, 
(mhd.  begegenen,  begagenen,  ahd.  bigaganen), 
entgegenkommen,  feindlich  entgegentreten; 
gegenüber  abhaltend  tätig  sein,  entgegen- 
wirken; sich  gegen  jemand  benehmen;  zu- 
kommen in  der  Zeit,  vorkommen  (bei  Luther 
mit  Dat.,  seit  Anfang  des  18.  Jh.  auch  ohne 
Dat.,  was  Heynatz  1796  als  obd.  bezeichnet). 
In  den  3  ersten  Bedd.  wird  durch  Einwir- 
kung von  frz.  rencontrer  auch  Jiaben  als  Hilfs- 
wort verwendet,  z.  B.  Schiller  Karlos  3,  3. 
Jungfr.  V.  Orl.  3,  4  (mit  Akk.);  Lessing  1,  283, 
Goethe  21,  258.  ABL.  Begegnis,  f.  und  n., 
1641  bei  Schottel  S.  334  Begegniß;  nach  Ade- 
lung und  Heynatz   1796   obd. 


181 


begehen 


begnaden 


182 


begehen  (Prät.  beging,  Part,  begangen,  s. 
gehen ),  v. :  worauf,  worüber,  woran  Hngehen, 
mhd.  begän,  begen,  ahd.  bigän,  bigangan:  (eig. 
durch  feierlichen  Aufzug^  verherrlichend  ver- 
bringen, feiern  (schon  mhd.-ahd. ) ;  (eine  Leiche  j 
feierlich  zur  Erde  besorgen,  bestatten  (auch  \ 
mhd.):  vollbriagen,  ausüben  (schon  mhd.-ahd.): 
(vom  Hengste)  bespringen.  Eefl.  sich  b.:  sich 
zur  Zeugung  geschlechtlich  vereinigen  (im 
17.  Jh.);  sich  im  Ungange  benehmen.  Mhd. 
sich  begen,  begän  «das  Leben  führen,  sich  er- 
nähren».   Vgl.  Begängnis. 

Begehr,  n.,  fi-üher  auch  m.  (-s):  die 
innere  Regung  wonach,  sowie  die  Äußerung 
dieser  Regung.  ^Ihd.  beger  f.  fso  auch  ältemhd., 
während  bei  Luther  n. ),  in  md.  Quellen  neben 
begir  f.  n.  Von  begehren,  v. :  innere  Regung 
wonach  haben  oder  äußern.  Mhd.  begern, 
neljen  einfachem  gern,  ahd.  geron.  S.  G-ier, 
gern.  ABL.  begehrlich,  adj.  u.  adv.:  Be- 
gehr erweckend;  Begehr  zeigend.  Mhd.  be- 
gerlich  neben  begirlich.  In  der  2.  Bed.  nach 
Heynatz  1796  ein  sächsisches  Wort;  es  er- 
scheint bei  Geliert  und  TVeiße. 

begeistern,  v.:  mit  lebhaften  Vorstel- 
lungen erfüllen,  die  Einbildungskraft  er- 
regen. In  diesem  Sinne  erst  im  Anfang 
des  18.  Jh.  aufgekommen  (1755  von  Dorn- 
blüth  S.  154  noch  angefochtenj ,  während 
im  17.  Jh.  begeistern  «mit  Geist  erfüllen» 
ist  (vgl.  entgeistern),  daneben  begeisten  (noch 
bei  Goethe).  Von  dem  PI.  Geister.  ABL. 
Begeisterung,  f.,  1730  in  Gottscheds  crit. 
Dichtkunst  333  (vgl.  Gombert,  7,  11). 

Begier,  f.:  die  innere  sinnliche  Regung 
wonach.  !Mhd.  begir  f.  n.,  doch  häufiger  das 
einfache  gir  f.  (s.  Gier).  ABL.  begierig, 
adj.  u.  adv.  Mhd.  begirec  neben  dem  ein- 
fachen girec.  begierlieh  (Goethe  49, 1,  297), 
adj.,  wie  begehrlich  (s.  d.j.  Begierde,  f. 
(PI.  -n) :  wie  Begier.  Mhd.  begirde  f.  (auch  n.) 
neben  girde,  ahd.  girida  f.,  von  gehren. 

Begine,  f.  (-«):  Nonne  ohne  Gelöbnis, 
Laienschwester,  auch  mit  übelm  Nebensinn. 
Schon  mhd.  aus  dem  gleichbed.  ndl.  begijn 
nach  franz.  beguine,  wohl  benannt  nach  Lambert 
Le  Begue,  dem  Grtinder  derartiger  Gemein- 
schaften  (im   12.  .Jh.). 

Beginn,  m.  (-es):  das  erste  AVirklich- 
werden.  Mhd.  begin  m.  n.,  ahd.  (bei  Isidor) 
bighin  n.  Von  beginnen,  v.:  (in  feierliche- 
rer Rede)  anfangen.  Mhd.  beginnen  (Prät. 
began  neben  begunde,  begonde,  md.  auch  be- 
gonste,  Part,  begunnen),  ahd.  biginnan  (Prät. 


bigan,  überwiegend  bigunda,  bigonda,  bigunsta, 
Part,  aber  bigunnan);  dazu  asächs.  biginnan, 
ndl.  beginnen,  ags  beginnan  (neben  ä-,  on- 
ginnan),  engl,  begin,  got.  dafür  duginnan. 
Da  als  urspr.  Bed.  im  Ahd.  bei  biginnan 
(ebenso  bei  in-ginnan)  noch  «eröffnen,  auf- 
schneiden, spalten»  (vgl.  franz.  entamer  «an- 
schneiden, anfangen»)  hervortritt,  hat  man 
das  V^'ort  zu  gähnen  (s.  d.),  ahd.  ginen  ge- 
stellt, also  eig.  «klaÖ'en  machen».  Bugge 
Btr.  12,405  abg.pocina^  m.  «fange  an»  (mit  Ver- 
schiebung eines  idg.  k  zu  gerra.  g  im  Woi-t- 
inlaut).  Ausfühi'lich  über  unser  Wort  Wiede- 
mann  Bezz.  Btr.  27,  193if.,  der  es  ansprechend 
zu  alb.  zd  «berähre,  fange,  fange  an»  stellt. 

5.  auch  Walde  s.  v.  recens.  Das  Prät.  lautet 
im  Alternhd.  überwiegend  begunte,  begonte, 
bei  Luther  auch  begunste,  begonste.  begunte 
erscheint  oft  im  17.  und  im  18.  Jh.,  z.  B. 
noch  bei  Freyer  1737,  begonte,  begonnte  wird 
noch  von  Adelung  bevorzugt  vor  began  (das 
Gottsched  vei'langt),  es  ist  auch  bei  den  Klas- 
sikern sehi-  gewöhnlich  (Geliert,  Lessing,  Wie- 
land, Goethe  Faust  31 76,  selbst  noch  Rückertl, 
342).  Das  starke  Prät.  begann  hat  im  PI.  mhd. 
begunnen,  alternhd.  begonnen,  daraus  erklärt 
sich  ein  noch  im  18.  Jh.  vorkommender  Sg. 
begonn  (Wieland  21,  19.  SchiUer  Räuber  5,  1). 
Der  Konj.  mhd.  begünne  lautet  noch  jetzt  be- 
gönne, seltener  begänne.  Das  Part,  fast  nur 
stark  begonnen  (füi-  begunnen).  Das  Wort  gut 
schon  im  17.  Jh.  als  veraltet,  wieder  auf- 
gekommen durch  die  neuere  Dichtersprache. 

beglanben  (Goethe  3,  6),  häufiger  be- 
glaubigen, V.:  glaubwürdig  machen,  zu 
Glauben  bestätigen.  Das  Part.-Prät.  beglaubt: 
glaubwürdig  gemacht,  sicher  zu  glaubend; 
Glauben  bestätigt;  im  Glauben  seiend  (Wie- 
land Idris  5,  115).  beglaubigen  schließt  sich 
an  das  Adj.  glaubig  an.  Beide  Verba  er- 
scheinen am  Anfang  des  17.  Jh.  (beglauben 
bei  Henisch  1616,    beglaubigen  von  Gombert 

6,  13  V.  J.  1618  nachgewiesen). 
begleiten,  v.:  mit  und  bei  jemand  oder 

etwas  zugleich  sich  fortbewegen;  musikalisch 
mitspielend  ergänzen.  Aus  be-ge-leiten.  Bei 
Henisch  1616,  während  in  gleicher  Bed.  mhd. 
beleiten,  ahd.  bileiten,  bei  Luther  geleiten. 

begnaden,  häufiger  begnadigen,  v.: 
mit,  aus  Gnade  begaben;  über  jemand  Gnade 
für  Recht  ergehen  lassen.  Das  1.  Verb  mhd. 
begnaden,  jetzt  namentlich  noch  im  Part.- 
Prät.  begnadet  (Goethe  16,  324,  hochhegnadet 
bei   Schiller  11,  252).      Für   begnadigen    er- 

12* 


183 


begnügen 


behalten 


184 


scheint  älternhd.  begnadigen,  abgeleitet  von 
dem  Adj.  gnädig  (begnadigen  bei  Duez  1642). 

begnügen,  v.  (mit  Dat.):  genug  sein; 
zufrieden  stellen.  IVIbd.  begeniiegen,  gewöhnlich 
aber  einfacher  benüegen  (auch  bei  Luther  noch 
häufig  benügen).  Jetzt  fast  nur  refl.  sich  b.: 
für  sich  genug  haben  oder  sein. 

begraben,  v. :  eingrabend  mit  Erde  be- 
decken: verbergend  zudecken.  Mhd.  begraben, 
ahd.  bigraban,  entsprechend  asächs.  bigraban, 
ags.  bigrafan,  aber  got.  bigraban  ist  «mit 
einem  Graben  umgeben».  ABL.  Begräb- 
nis, n.,  selten  f.  (Job.  12,  7):  Leichenver- 
senkung in  die  Erde,  Totenbestattung.  Mhd. 
begrebnisse  f.  u.  n. 

begreifen,  v.:  mit  den  äußersten  Glie- 
dern des  Leibes  (Händen,  Füßen)  fühlend 
anrühren  oder  fassen  (l.  Mos.  27,  21);  er- 
greifen; umfassen;  in  sich  fassen;  geistig 
fassen  oder  in  sich  aufnehmen.  Mhd.  be- 
grifen,  ahd.  bigrifan  «fühlend  betasten,  um- 
fassen, in  Worte  zusammenfassen,  in  sich 
fassen»,  mhd.  besonders  bei  den  Mystikern 
auch  «geistig  auffassen»  und  «in  sich  auf- 
nehmen», begriffen  sein:  die  Ausführung 
von  etwas  aufnehmen,  daran  sein  es  zu  tun. 
—  ABL.  begreiflich,  adj.:  geistig  auf- 
zufassend. Mhd.  begrtfelich.  Begriff,  m. 
{-es,  PI.  -e) :  räumliches  Umfassen,  räumlicher 
Umfang,  mhd.  begrif:  Zusammenfassung:  gei- 
stige Auffassung;  Umfang  und  Inhalt  einer 
Vorstellung  (so  schon  bei  den  Mystikern,  in  der 
neuern  philosophischen  Sprache  wohl  durch 
Christian  Woltf,  f  1754,  üblich  gewoi-den);  das 
Daransein  etwas  zu  tun  [im  Begriffe  sein,  erst 
bei  Steinbach  1734  verzeichnet. 

begünstigen,  v.:  einem  seine  Gmist  zu- 
wenden. Ausgehend  von  dem  Adj.  günstig. 
Bei  Henisch  1616,   älternhd.  auch  begunsten. 

begüten  (Goethe  Faust  8276),  häufiger 
begütigen,  v. :  in  gute  Stimmung  versetzen, 
besänftigen.  Mhd.  begüeten  ist  «gut  machen, 
mit  Gütern  versehen»  (wofür  jetzt  begütern), 
das  von  dem  Adj.  gütig  abgeleitete  begütigen 
erscheint  frühnhd.  zunächst  in  der  Bed.  «gut 
machen»,  bei  Dasypodius  1537  in  der  jetzigen. 

behaart,  adj.:  mit  Haaren  bewachsen. 
Ahd.  dafür  gihäret.  Das  V.  behären  bed. 
im  Mhd.  «der  Haare  durch  Ausraufen  be- 
rauben», dagegen  kommt  behär  in  der  Bed. 
von   behaart  vor.     behaaret   bei  Duez  1642. 

behaben,  refl.  v.:  sich  verhalten  auf 
jemand  oder  etwas  hin,  sich  benehmen.  Mhd. 
behaben,  ahd.  bihaben  ist  «in  sich  fassen,  be- 


halten, fest  halten,  behaupten,  in  Bestand 
erhalten»,  mhd.  sich  b.  «an  sich  halten,  sich 
behaupten».  Das  nhd.  sich  b.  gehört  urspr. 
nur  der  Umgangssprache  an  (Campe,  der  es 
zuerst  anfühi't,  bezeichnet  es  als  niedrig)  und 
ist  von  Goethe  (28,  38,  4,  286)  in  die  Schrift- 
sprache eingeführt  worden. 

behäbig,  adj.  u.  adv.:  sich  wohl  haltend, 
Wohlhabenheit  zeigend.  Von  behaben.  Spät- 
mhd.  bloß  das  einfache  habig,  hebig,  auch 
gehebig  «besitzend,  wohlhabend»,  ahd.  in  Zu- 
sammensetzungen -habig  «haltend,  -haft»,  vgl. 
auch  ungahab  «inops».  Frühnhd.  erscheint 
behebig  (auch  beheb)  als  «fest-,  zuräckhaltend, 
karg»  (doch  bei  Dasypodius  153  wolhäbig 
«opulentus»),  die  jetzige  Bed.  von  behäbig,  die 
jedenfalls  in  der  Umgangssprache  lebte,  zuerst 
bei  Goethe  49,  1,  264,  während  sie  Frisch, 
Adelung  und  noch  Campe  nicht  kennen. 

behaft  (Matth.  4,  24.  Luc.  4,  38.  Joh. 
ö,  4),  jetzt  gewöhnlich  behaftet,  adj.:  fest- 
gehalten von  etwas,  eig.  festgeheftet,  daim 
besessen.  Mhd.  behaft  (mit  Rückumlaut) 
und  beheftet  (md.  auch  behaftet),  ahd.  bihaft 
und  beheftet  (bei  Notker),  sind  das  Part. 
Prät.  von  beheften,  ahd.  biheften  «zusammen- 
heften, fest  heften,  fest  halten,  zu  etwas 
verbinden  oder  verpflichten,  womit  beschwe- 
ren», behaftet  (als  Part.  Prät.  von  behaften) 
schon  bei  Maaler  1561. 

behagen,  v.:  (mit  Dat.  der  Person)  zu- 
sagende, wohltuende  Empfindung  erregen. 
Mhd.  (namentlich  in  md.  Quellen)  behagen, 
ahd.  nicht  vorhanden;  dazu  asächs.  behagön 
«günstig  sein»,  mnd.  behagen  «gefallen»  ndl. 
behagen,  afries.  bihagia,  ags.  in  andrer  Zu- 
sammensetzung onhagian  «passen,  gelegen 
sein»,  anord.  bloß  haga  «einrichten,  geraten, 
passen»  (vgl.  auch  hagr  «geschickt»  und 
das  ablautende  höegr  «behaglich,  angenehm»). 
Das  ahd.  Part.-Prät.  kihagan  «gehegt»,  mhd. 
behagen  (ui'spr.  starkes  Part.-Prät.)  «frisch, 
freudig,  stattlich»,  weist  auf  ein  starkes  V. 
hagan  in  der  Bed.  «schützen,  hegen»  hin. 
Verwandt  sind  Hag,  hegen  (s.  d.);  belmgen 
ist  also  eig.  «sich  geschützt»,  dann  «bequem 
und  fröhlich  fühlen».  ABL.  behaglich, 
adj.  Mhd.  behegelich,  auch  älternhd.  behaglich 
(behaglich  bei  Krämer  1678,  doch  wird  be- 
haglich noch  bei  Adelung  und  Heynatz  er- 
wähnt und  von  Goethe  oft  gebraucht). 

behalten,  v.:  innehalten,  nicht  weg- 
geben, in  Bewahrung  haben,  geistig  fest- 
halten, nicht  vergessen.    Mhd.  behalten,  ahd. 


185 


behandeln 


Behör 


186 


bihaltan  (dazu  asächs.  hiJialdan,  ags.  bihealdan) 
«für  und  in  sich  haben  und  bewahren,  in 
Obhut  haben,  rein  erhalten,  hegen  und  pfle- 
gen, beobachten,  bewachen»,  im  Mhd.  auch 
«beherbergen,  bewii-ten»,  ndl.  hehouden  «be- 
wahren», engl.  heJwld  «genau  schauen,  be- 
trachten». Die  Bed.  «im  Gedächtnis  bewah- 
ren», erscheint  bei  Luther.  ABL.  Behälter, 
m.  (-S,  PI.  wie  Sg.)  selten  n.  (Goethe  Faust 
1473):  Gerät,  Ort  etwas  aufzunehmen  und  auf- 
zubewahren. Spätmhd.  beheiter.  Verschieden 
von  Behalter  «Bewahrer»,  mhd.  hehaltcere, 
ahd.  bihaltäri  m.  Behältnis,  n.:  wie  Be- 
hälter. Um  1480  im  Voc.  ine.  teut.  p4^j)e- 
haltniß  «reservatorium»,  während  mhd.  hehalt- 
nisse  f.  «Erhaltung,  Gewahrsam,  Sicherheit», 
ahd.  bihaltnissi  n.  «Wahrnehmung»  ist.  he- 
haltsam,  adj.:  fähig  etwas  im  Gedächtnis 
festzuhalten.  Bei  Henisch  1616,  wähi'endmhd. 
behaltsam  «heilsam»  bedeutet. 

behandeln,  v.:  (veraltet)  mit  den  Hän- 
den beai'beiten;  überhaupt  bearbeiten,  sich 
womit  beschäftigen;  sich  im  Verkehr  gegen 
jemand  zeigen.  Bei  Krämer  1678  behandelen, 
in  der  3.  Bed.  bei  Adelung  1774. 

hehändigen,  v.:  einem  andern  eig.  in 
seine  Hand  übergeben.  Dafür  mhd.  behenden, 
abgeleitet  von  Jiant;  gegen  Ende  des  15.  Jh. 
erscheint  in  der  Kanzleisprache  behendigen, 
das  1524  von  Luther  (Bindseil  7,  315)  als 
neues  Wort  angefochten  wird. 

behaupten,   v.:    (siegreich)    abwehrend 
einen  Besitz  festhalten ;  beharrlich  festhalten ;  1 
eine  Ansicht  mit  Entschiedenheit  (und  urspr.  j 
erfolgi'cich)  vertreten.     Mhd.  behoubeten  ist , 
«enthaupten»,   aber   im    14.  Jh.   auch   «fest- 
halten» (vgl.  das  einfache  houbeten  «als  Herrn  I 
anerkennen,  ansehen»).     Eig.  «sich  als  Herr 
{Haupt)  von  etwas  zeigen».  Das  Wort  ist  von 
Oberdeutschiand   aus  vorgedrungen,    Luther 
gebraucht  es  nicht,    dagegen  hat  es  Maaler 
1561.  In  der  3.  Bed.  findet  sich  im  16.  Jh.  ein- 
faches haupten  (Fischart  Binenk.  8^),  Maaler 
kennt   behaupten   in   Beziehung   auf  Rechts- 
händel {causam  teuer e),  bei  Schönsleder,  Duez, 
Krämer  ei'scheint  es  in  der  Bed.  «dartun,  be- 
weisen»,   abgeschwächt    dann    zu    «aufrecht 
halten,   verteidigen».     Vgl.   mnd.    behoveden 
«bekräftigen  vor  Gericht». 

Behelf,  m.:  Hilfe  Gewährendes  in  Er- 
mangelung von  Besserm.  Spätmhd.  behelf  m. 
«Ausflucht,  Vorwand,  Zuflucht»,  auch  mnd. 
behelp  m.  «Hilfe,  Vorwand,  Ausrede».  Noch 
von  Adelung  1793  als  Rechtsausdruck  in  der 


I  Bed.  «Ausflucht»  angeführt,  später  dann  all- 
gemeiner gebraucht.  Vonbehelfen,v.:  durch 
\  Hilfe  fördern,  mhd.  behelfen,  jetzt  nur  refl. 
j  sich  behelfen :  womit  ausreichen  in  Ermange- 
,  lung  voü  Besserm  (mhd.  sich  behelfen  «sich 
einer  Aushilfe  bedienen»). 

behelligen,  v.:    bemühen,  beschwerlich 
fallen.    1616  bei  Henisch.    Zusammenges.  mit 
;  helligen,  mhd.  helligen,  von  heilig  (s.  d.), 

behende,    adj.  u.  adv.:     geschwind    mit 
Leichtigkeit  und  Gewandtheit.   Mhd.  behende 
I  (von  Sachen)  «bequem  zu  handhabend»,  (von 
1  Personen)  «geschickt,  gefügig,  fertig  wozu». 
Nicht  entstanden  aus  bihende  «bei  der  Hand», 
j  woraus  allerdings  auch  mhd.  behende  wurde, 
j  sondern  wie  mhd.  gehende  «bereit»  (gleich  zur 
Hand)  zusammenges.  mit  einem  von  haut  f. 
abgeleiteten,  in  Zusammensetzungen  übhchen 
mhd.  -hende,  ahd.  -henti.   ABL.  Behendig- 
keit, f.,  mhd.  behendecheit,  beheyidekeit,  abge- 
leitet von  demAdj.&eÄew(Zec,  älternhd.  fee/ie/u/«^. 

beherzigen,  v. :  sich  zu  Herzen  nehmen. 
In  der  frühnhd.  Kanzleisprache  von  Herz  mit 
angetretenem  -ig-  gebildet  (1507  bei  Wilwolt 
V.  Schaumburg  116,  Janssen  Frankf.  Reichs- 
korr.  1,  772  v.  J.  1509),  aber  1524  von  Luther 
(Bindseil  7,  315)  angefochten.  Älternhd.  in 
gleicher  Bed.  auch  beherzen.  Mhd.  beherzen 
aber  ist  «zu  Herzen  gehen,  Herz  haben,  stand- 
haft sein».  Davon  das  Part.  Prät.  beherzt: 
ein  unei-schrockenes  Herz,  Mannheit  besitzend. 
Spätmhd.  beherzt,  daneben  beherze,  geherze. 

behilflich,  adj.  u.  adv.:  wozu  Hilfe  lei- 
stend. Spätmhd.  erscheint  in  md.  Quellen 
behulfelich,  behul flieh,  dem  behül flieh  bei 
Luther,  Alberus  (Fab.  18,  218)  usw.  ent- 
spricht, abgeleitet  von  frühahd.  Behülfn.  (da- 
zu mnd.  behtdp)  «Beihilfe»  (in  obd.  Quellen 
dafür  Behilf  m.,  wahrscheinlich  mit  Vertau- 
schung von  i  und  ü).  behilflich  erscheint 
finihnhd.  in  obd.  Quellen,  findet  aber  in  die 
Wörterbücher  keinen  Eingang  und  hat  erst 
neuerdings  behülflich  (noch  bei  Adelung  und 
Campe  allein  angeführt)   zuräckgedrängt. 

Behör,  f.:  wozu  gehörige  Sache.  Im 
16.  Jh.  —  Behörde,  f.  (PI.  -n):  wie  Be- 
hör; was  gehörig,  angemessen  ist  (vgl.  mnd. 
behörde  f.  «Gebühr»,  in  dieser  Bed.  bei  Frisch 
1741,  auch  bei  Adelung  u.  Heynatz);  Ort  wo 
etwas  hingehört;  die  zuständige  Gerichts-, 
Verwaltungsstelle.  Das  Wort  scheint  sich  im 
18.  Jh.  von  den  nordd.  Kanzleien  aus  ver- 
breitet zu  haben;  in  der  letzten  Bed.  ist  es 
Adelung  und  Heynatz  ganz  geläufig,  während 


187 


Behuf 


beide 


188 


es  ältere  Wörterbücher  wie  Ludwig  und 
Steinbach  noch  gar  nicht  aufführen.  Von 
älternhd.l)ehÖreil  «gehören,  gebühren»,  mhd. 
heho&ren  in  zuo  hehce^'en  «zugehöreu». 

Behuf,  m.  {-es,  PI.  -e):  Erfordernis  zum 
Zwecke,  fördernder  Zweck,  fast  nur  noch  in 
zum  B.  Mhd.  (in  md.  Quellen)  hehuof  m. 
«das  zum  Gelingen  einer  Sache  Nötige»,  dann 
«Geschäft»  (für  einen  Zweck  Betriebenes), 
«Nutzen,  Vorteü,  Zweck,  Absicht,  Förder- 
liches»; dazu  mnd.  hehöf  f.  n.  «Notdurft», 
ndl.  hehoefn.,  ags.  heköf-lic  «notwendig»,  engl. 
tehoof  «Vorteil».  Zu  dem  V.  mhd.  beheben 
(früher  heheferi),  ahd.  Mheffen  «erlangen,  er- 
werben». Vgl.  Meringer  Idg.  Forsch.  18,  224. 
Das  Wort  fehlt  im  16.  Jh.  bei  Luther  und 
in  den  obd.  Quellen  (doch  kennt  es  Hans 
Sachs),  dringt  aber  im  16.  u.  17.  Jh.  vom 
Md.  aus  zunächst  in  die  Kanzleien  ein  (1598 
beim  Herzog  v.  Braunschweig  Susanna  4,  2 
zu  dero  hehuff),  1678  bei  Krämer.  Der  Gen. 
Sg.  behufs  als  Adv.  und  dann  als  Präp. 
mit  Gen.  ist  durch  den  Kanzleistil  eingeführt 
(von  Heynatz  1796  erwähnt). 

behülflich,  s.  behilflich. 

behutsam,  adj.  u.  adv.:  sich  hütend,  vor- 
sichtig. Frühnhd.  Von  dem  älternhd.  Subst. 
Behut,  f.:  Vorsicht. 

bei,  Präp.  mit  Dat.:  in  der  Nähe  oder 
in  der  Gegenwart  von  — ,  unfern  von  — ; 
ohne  Entfernung  und  selbst  ungetrennt  von  — 
(z.  B.  bei  Gelde  sein,  Pfeiler  bei  Pfeiler  zer- 
borst) ;  in  zeitlicher  Verbindung  mit  — ,  wäh- 
rend: in  Verbindung  mit  — ,  in  fester  Be- 
ziehung auf  —  z.  B.  beim  Kleide  fassen,  hei 
Gott  schwären).  In  der  Volkssprache  und 
bei  einigen  nhd.  Schriftstellei-n  (Luther  1.  Mos. 
37, 18.  4.  Mos.  1,  52.  Matth.  26,  58  usw.  Klop- 
stockMess.r2, 173.  Goethe 28,  38,  l.H.  Weimar 
verändert,  43,  102)  findet  sich  auch  bei  mit 
Akk.  (auf  die  Frage  wohin):  in  die  Nähe 
oder  in  die  Gegenwart  von  — .  Bei  Zahlen 
ist  bei  s.v.  a.  «ungefähr,  um  und  nicht  ganz» 
(gleichsam  nahe  an),  z.  B.  bei  10  Gulden: 
auch  hier  zuweilen  mit  Akk.  (Apostelg.  19,  34). 
Mhd.  bi  (mit  Dat.,  zuweilen  Akk.,  nament- 
lich bei  Md.),  ahd.  bi  (mit  Dat.  und  Akk.); 
dazu  asächs.  bi  (mit  Dat.  und  Akk.),  ndl.  bij, 
ags.  bi  (mit  Dat.),  engl,  by,  got.  bi  «ringsum, 
in  Beziehung  auf,  gemäß»,  selten  «bei,  an» 
(mit  Dat.  und  Akk.).  Urspr.  identisch  ist 
das  in  der  Zusammensetzimg  abgeschwächte 
&e-,  mhd.  he-,  ahd.  hi-.  Die  Bed.  des  Wortes 
im  Got.  weist   auf  Verwandtschaft   mit   orr. 


äpLcpi,  lat.  ambi-  «umher,  um»  hin  und  weiter 
mit  tcm,  ahd.  umbi,  skr.  abhi  «zu,  gegen,  um», 
wahrscheinlich  auch  mit  lat.  o&  «tresen,  airf  — 

DO         7 

hin»,  s.  Walde  s.  v.  amb.  Li  Zusammen- 
setzungen ist  bei  Adv.  und  hat  als  erstes 
Wort  in  Subst.,  Adjektiven  vmd  Verben,  so- 
wie als  letztes  in  Adverbien  den  Ton. 

Beichte,  f.  (PI.  -n)-.  Sündenbekenntnis. 
Aus  mhd.  biht,  zusammengezogen  aus  begiht, 
ahd.  bigiht,  bijiht  f.  «Bekenntnis»,  vom  12.  Jh. 
an  vorzugsweise  «Sündenbekenntnis».  Zu  mhd. 
bejehen,  ahd.  bijehan,  bigehan  «bekennen»,  von 
mhd.  jehen,  ahd.  jehnn,  gehan  «sagen»  (s. 
Gicht  ^).  Älternhd.  meist  Beicht;  Beichte, 
schon  bei  Luther,  dann  von  Stieler  1691  an- 
gesetzt und  im  19.  Jh.  durchdringend  (Ade- 
lung 1793  kennt  nur  Beicht),  scheint  dem 
abgeleiteten  mhd.  bihfe,  begihte,  ahd.  (einmal) 
higihti  f.  zu  entsprechen.  ÄBL.  beichten, 
V.,  mhd.  bihten,  für  das  veraltete  bejehen  ein- 
getreten. Beichtiger,  m.  [-s,  PI.  wie  Sg.): 
der  Beichte  Hörende,  mhd.  hihtegoere,  abge- 
leitet von  einem  auf  das  Adj.  bihtec,  ahd. 
bijihtic  «sündenbekennend»  zurückgehenden 
Verbum.  ZUS.  Beichtkind,  n.:  der  Beich- 
tende. Fiäihnhd.  (um  1480  im  Voc.  ine.  teut. 
p  4*  peichtkind).  Beichtstuhl,  m.,  fiühnhd. 
(ßingwald  getr.  Eckh.  J  4).  Beichtvater, 
m.:  Beichtiger,  mhd.  (bei  den  Mystikern) 
bihtvater  m. 

beide,  PI.:  zwei  zusammen.  Ln  N.  auch 
ein  Sg.  beides,  doch  nur  alleinstehend.  Mhd. 
beide  und  bede,  N.  beidiu  und  bediu,  ahd. 
M.  bede  und  beide,  F.  bedo  und  beido,  N. 
beidiu  und  bediu.  Eine  einfachere  Bildung 
zeigt  got.  bai,  N.  ba,  ags.  M.  hegen,  F.  bä, 
N.  hü,  dazu  auch  anord.  Gen.  heggja.  Dies 
entspricht  der  2.  Silbe  von  gr.  äjuqpuj,  lat. 
ambo,  abg.  oba,  lit.  ahü,  aiud.  (Dual.)  M. 
ubhäu,  F.  N.  MÖÄe'  «beide».  Ln  deutschen  beide 
ist  dies  Pronomen  mit  dem  Artikel  verbun- 
den (vgl.  got.  ha  ßö  skipa  «beide  Schifle»)  und 
zwar  geht  beim  M.  bede  auf  be  de,  beim  N. 
beidiu  auf  bei  diu  zurück,  durch  Ausgleichung 
dann  auch  beide,  bediu :  entsprechend  (mit 
Verallgemeinerung  der  Mask.-Porm)  asächs. 
bethia,  N.  bethiu,  engl,  botk  (o  aus  a),  anord. 
M.  bädir,  F.  hädkir,  N.  h(^di:  ndl.  wie  nhd. 
beide.  In  Mundarten  findet  sich  jetzt  noch 
Unterscheidung  der  3  Geschlechter,  z.B.wetter- 
auisch  M.  bid,  F.  büd,  N.  häd,  bayr.  M.  hed, 
F.  böd,  N.  heid.  Während  sich  ein  F.  hode 
hterarisch  nicht  nachweisen  läßt,  ist  das  M. 
in  der  ursprünglichen  Form  bede  im  älteren 


I 


189 


beieinander 


beilegen 


190 


Obd.  häufig,  bei  Ölinger  S.  28  angegeben, 
noch  im  17.  Jh.  bei  Harsdörfer  Gespr.  2,  17, 
im  18.  bei  Schubart  2,  302:  auch  Dornblüth  262 
giht  bedeyoY beide  denXovzug.  ZUS.  beider- 
lei, adv.  in  beider  Art.  Bei  Luther.  S.  -lei. 
beiderseits,  adv.:  von,  nach  beiden  Seiten. 
Mit  angetretenem  -s  (schon  bei  Luther)  aus 
mhd.  heder,  heider  sit,  das  gekürzt  ist  aus 
ze  heder,  heider  Sit,  auch  in,  üf  beider  Sit, 
worin  beder  eig.  der  Gen,  PI.  ist.  Von  dem 
altern  heider  seit  das  Adj.  beiderseitig 
(Gombert  7,  11  aus  dem  17.  Jh.  bei  Lohen - 
stein  und  Caniz).  Beiderwaud,  m.  (-s): 
Zeug  aus  zwei  Stoffen,  aus  Leinwand,  die 
den  Zettel,  und  aiis  Wolle,  die  den  Einschlag 
bildet.  1741  bei  Frisch  Beider- Wand,  1790 
bei  J.  G.  Müller  Straußfedern  2,  16  Beier- 
wand,  noch  mundartlich  entstellt  in  Hessen 
und  Thüringen.  Wand  «Tuch»,  wie  in  Lein- 
wand, Gewand,  beidlebig,  adj.:  sowohl  im 
Wasser  als  auf  dem  Lande  lebend.  Nachbil- 
dung des  gr.-lat.  amphibium.  Bei  Krämer  1678. 
beieinander,  adv. :  das  zusammengescho- 
bene hei  einander,  mhd.  bi  einander,  mit  vor- 
geiückter  Präposition  (vgl.  auseinander). 

beiern,  v. :  den  Rand  der  ruhenden  Glocken 
mit  den  Klöpfeln  durch  befestigte  Seile  takt- 
mäßig anschlagen.  Bei  Yoß  Ged.  1,  11.  Aus 
dem  Ndd.,  wo  im  16.  Jh.  heyeren  (ZfdA. 
3,  91),  ndl.  beieren  «mit  dem  Klöpfel  (ndl. 
beiaert)  an  die  Glocke  schlagen».  Dunklen  I 
üz'sprungs.  i 

Beierwand,  s.  Beiderwand.  i 

Beifall,  m.  (-s):  (urspr.)  das  Sichweg- 
wenden von  einer  Partei  zur  andern:  Zu- 
stimmung. In  beiden  Bedd.  bei  Luther.  ABL. 
beifällig,  adj.  u.  adv.,   im   17.  Jh.  : 

Beifang,  s.  Bifang,  m.  I 

Beifuß,  m.  {-es,  PI.  -e) :  als  Küchengewürz 
gebrauchte  Wermutart,  artemisia.  Mhd.  (seit 
dem  14.  Jh.)  bivuo^,  ahd.  (11.  Jh.)  bivo^, 
bivu§  (ZfdWf.  3,  247),  mnd.  blföt,  ndl.  bijvote 
m.  Dagegen  mhd.-ahd.  bihdg  m.,  was  wohl 
als  die  ui'sprängliche  Form  anzusehen  ist, 
zusammenges.  mit  dem  auch  in  ahd.  anahö^ 
«Amboß»  (s.  d.)  vorkommenden  böj  zu  bo^an 
schlagen;  also  biboz  eig.  als  Gewürz  an  Speisen 
und  Getränke  zu  schlagendes  oder  zu  stoßen- 
des Kraut.  Das  f  scheint  (mit  Anlehnung  an 
Fuß,  vgl.  Schrader  Reallex.)  aus  dem  Ndd. 
eingedrungen.  Die  Form  Bi-,  Beifuß  findet 
sich  schon  in  den  meisten  hd.  Glossarien  des 
15.  Jh.,  ebenso  bei  Dasypodius  (unter  artemi- 
sia), Frisius  123 '^j  Maaler  beyfüß,  dagegen  1482 


im  Voc.  theut.  d  7*^  noch  beypoß;  diese  Form 
setzt  sich  auch  noch  in  Volksmundarten  fort. 
Beige,  ungut  Beuge  f.  (PI.  -n):  aufge- 
schichteter Haufe.  Nur  noch  obd.  Aus  mhd. 
bige,  ahd.  biga  f.  und  btgo  m.  Dunkler  Her- 
kunft. ABL.  beigen,  v. :  aufschichten.  Im 
16.  .Jh.  Schweiz,  (bei  Frisius,  Maaler)  bigeii,. 
beiher,  adv.:  nebenher.  Bei  Stieler  1691 
beyher.  Ein  md.  Dialektwort,  das  Lessing, 
Goethe  u.  a.  verwenden. 

Beikind,   n.  {-es,  PI.  -er):   uneheliches 
Kind.      1668  bei  Schottel. 

Beil,  n.  {-es,  PI.  e):  keilartiges  kurzge- 
stieltes W^erkzeug  zum  Hauen  des  Holzes. 
Mit  Auswerfung  eines  h  (dial.  noch  heichel) 
aus  mhd.  bihel,  zusammengezogen  hfl,  ahd. 
bthal,  bial  n.  Da  im  Anord.  das  gleichbed. 
hllda  f.  (für  hutla)  hildr  m.  erscheint,  muß 
das  h  von  ahd.  bihal,  urspr.  bihl  auf  p  zu- 
rückgeführt werden,  vgl.  Gemahl.  Verwandt 
I  ist  wohl  Bille  (s.  d.),  vgl.  Sievers  Idg.  Forsch. 
'4,  339  (dagegen  E.  Schröder  ZfdA.  42,  60) 
und  weiter  lat.  findo  «spalten»,  ai.  bhinädmi 
«spalte»,   Gnindform  *bhid-tlom. 

Beilage,    f.:    was   anderm   zur  Vei'voll- 

ständigung   bei-    oder   zugelegt   wird,    spät- 

mhd.  bilage  f.;  (ehedem  auch)  «das  bei  einem 

■  zur  Aufbewahrung  Niedergelegte»  (2.  Makk. 

'  3,  15). 

Beilager,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.) :  Vollziehung 
I  der  Ehe  durch  Beiliegen  (Luther  Tischr.  307  ^) ; 
I  Hochzeitsfeier  vornehmer  Personen  (bei  Duez 
I  1664).    Mhd.  dafüi-  bileger  n.    S.  Lager. 

beiläufig,  adv.  u.  adj.:  nebenhergehend, 
nebenbei;  (oberdeutsch)  annähernd,  ungefähr. 
Das  Wort  erscheint  um  1500  in  der  2.  Bed. 
j  (Jansen  Frankf.  Reichskorr.  1,  772),  in  gleicher 
!  Bed.  auch  heileufftig  bei  Luther  und  hey- 
leifftig  bei  Hans  Sachs  Fastn.  25,  147  (noch 
Steinbach  1734  verzeichnet  heileufftig).  In  der 
1.  Bd.  erscheint  beyleufig  bei  Stieler  1691. 
Die  Bed.  «ungefähr»  noch  bei  Heynatz  1796, 
doch  mit  Beschränkung  aufs   Obd. 

beilegen,  v.:  neben  ein  anderes  legen, 
zur  Seite  legen,  mhd.  bilegen;  (veraltet)  bei- 
seite, weglegen  (bei  Luther);  beseitigen, 
schHchten,  z.  B.  einen  Streit  (vgl.  spätmhd. 
bilegunge  «Schlichtung»);  {das- Schiff  h.)  die 
die  Segel  einziehen;  (veraltet,  vgl.  Beilage) 
hinterlegen,  zumcklegen  (bei  Luther);  (mit 
pers.Dat.)  zuweisen,  zuerteilen.  Intr.  sich  einer 
Sache  hingeben,  eifrig  sein  (Schiller  Teil  1,  1 
reit  zu!  wenn  ihr  frisch  beilegt,  holt  ihr  ihn 
noch  ein). 


191 


beileibe 


beipflichten 


192 


beileibe,  s.  Leib. 

Beileid,  n.  (-s):  mitempfundenes  Leid, 
mitempfundene  Trauer.  Seit  dem  17.  Jh.  in 
der  Bed.  «Mitleid»,  aber  nicht  allgemein  ver- 
standen (Dornblüth  288),  bei  Adelung  in  der 
jetzigen  Bed. 

bellen,  v.:  (von  den  Jagdhunden)  den 
Hirsch  durch  allseitiges  Anbellen  zum  Stehen 
bringen,  wobei  er  sich  gegen  die  Hunde  zur 
Wehre  setzt.  Mhd.  Mlen,  jetzt  nur  noch  in 
dem  weidmännischen  verheilen.  Der  Augen- 
blick wann,  und  der  Platz  wo  der  Vorgang 
sich  abspielt  und  das  Jagdtier  erlegt  wird, 
heißt  mhd.  hil  m.  (namentlich  in  ze  hile  sten 
vom  Wilde,  schon  im  10.  Jh.  pil  gipit  «sub- 
stitit»  vom  Eber,  Steinmeyer-Sievers  Gl.  2, 
667),  womit  Ortsnamen  wie  Beil-,  Bilstein  zu- 
sammengesetzt sind.  Diesem  Ml  entsprechend 
wird  franz.  dboi,  engl,  tay,  eig.  das  «Bellen» 
verwendet  (in  etre  aux  dbois,  engl,  to  stand 
at  iay  von  dem  von  den  Hunden  umstellten 
Wilde),  doch  ist  es  nicht  wahrscheinlich,  daß 
wir  im  Deutschen  von  der  Bed.  «bellen»  aus- 
zugehen haben.  Vielmehr  wird  nach  Sievers 
Idg.  Forsch.  4,  339  hü  von  ahd.  Mdan  «warten» 
(bila-  aus  Mala-)  abzuleiten  sein,  also  eig. 
«das  Stehenbleiben  des  Wildes,  die  Erwartung 
der  verfolgenden  Hunde».  Anders  E.  Schrö- 
der ZfdA.  42,  60,  der  es  von  heißen  ableitet 
«Augenblick,  wo  die  Hunde  beißen».  Ein 
Verbum  hilen  «bellen»  (im  14.  Jh.  bayrisch, 
bei  Hans  Sachs,  auch  mndl.,  noch  bei  Heppe 
wohlred.  Jäger  54  hauen)  wird  sich  von  bil 
aus  entwickelt  haben,  da  die  Hunde  die  Um- 
stellung  des  Wildes  durch  Bellen  kundtun. 

beim,  zusammengez.  aus  hei  dem,  schon 
mhd.  hime,  zusammengez.  aus  hi  deme. 

beimessen,  v.:  (mit  Dat.  der  Person) 
durch  Erwägung  (geistiges  Abmessen)  einem 
zurechnen.  Mhd.  erscheint  einfaches  me^^en 
(mit  Dat.)  in  der  Bed.  zuteilen,  geben.  Aus 
der  Kanzleisprache  (1616  bei  Sattler). 

Bein,  n.  {-es,  PI.  -e):  Knochen  (allgemein 
obd.,  schriftsprachlich  namentlich  noch  in  Zu- 
sammensetzungen und  Redensarten) ;  das  ganze 
Geheglied  (gleichsam  die  am  längsten  hervor- 
stehenden Knochen).  Mhd.  ahd.  hein  n.  in 
beiden  Bedd.;  dazu  asächs.  ben,  ndl.  been, 
ags.  bann.  «Knochen»,  engl,  hone,  anord.  hein, 
schwed.  dän.  hen  n.  «Knochen,  Geheglied». 
Dunkler  Herkunft.  Vgl.  Wiedemann  BB.  28, 
60.  Zusammenhang  mit  lat.  femur  «Ober- 
schenkel» scheint  möglich,  da  auch  sonst  i- 
und  e-Reihe  wechseln.  Redensarten:  es  friert 


!  Stein  und  Bein  «stein-  und  knochenhart»;  Stein 

'  und  Bein  schwören  «auf  Altar  und  Heiligen- 

i  knochen»  (Reliquien).  Der  PI.  findet  sich  im 
altern  Nhd.  auch  als  Beiner  (namentlich  obd., 
aber  auch  Gryphius  Trauersp.  34  Menschen- 

i  Beiner). 

beinahe,  adv.:  nicht  ganz.    Fi-ühnhd.  vor- 
handen  (Janssen  Frankf.  Reichskorr.  1,   750, 
auch  bei  Luther,  aber  noch  getrennt  hey  nahe). 
Beiname,  m.  (-/?,  PI.  -n)  -.  Zuname.   Mhd. 
biname  m. 

I      Beinbrecher,  m.:  eine  die  Knochen  ge- 

■  fangener  Tiere  brechende  Adlerart,  lat.  ossi- 
fragus  ra.,   ossifraga  f.,   1482  im  Voc.  theut. 

jy  3^  dafür  paynprech. 

j  beinern,  adj.:  aus  Knochen  (Bein)  be- 
stehend. Mit  dem  bei  Stoffadj.  üblichen 
Suffix  -ern  (nach  eisern,  s.  d.)  für  mhd.-ahd. 

i  beinin,    auch    bei    Dasypodius    und    Maaler 

;  heinin,  sonst  älternhd.  heinen,  während  Luther 
(1.  Mos.  49,  14)  heinern  hat. 

Beinhaus,  n.  (ses,  PI.  BeinMuser) :  Haus 
am  Kirchhofe  zur  Aufnahme  der  ausgegrabenen 
Totengebeine,  Mhd.  heinhus  n.  Ln  altera 
Nhd.  findet  sich  auch  in  dieser  Bed.  Gerner 

i  (s.  d.>   ^ 

beinig,  adj. :  knochig ;  Füße  (Beine)  habend 

!  in  zicei-,  langbeinig  usw.     Mhd.  -beinec. 
Beinkleid,   n.  {-es,  PI.  -er)-.   Hose  als 

I  Bekleidung  der  Beine.  Der  Ausdruck  kommt 
schon  im  16.  Jh.  vor  (1557  bei  Mathesius 
Syrach  3,  51^)  und  erscheint  auch  im  17.  u. 
18.  Jh.  in  Wörterbüchern  (z.  B.  bei  Comenius, 
Rädlein,  Frisch),  aber  ohne  sich  zunächst  recht 
einzubürgern,  da  ihn  noch  Adelung  1793  als 
neugebildet  bezeichnet. 

Beinling,  m.  (-s,  PI.  -e):  Hosenbein  (im 
15.  Jh.,  s.  Diefenbach-Wülcker  227);  der  obere 
Strumpf;  (bei  den  Gerbern)  der  Teil  der  Tier- 
haut, der  unmittelbar  über  den  obern  Beinen 
gesessen  hat. 

Beinschwarz,  n.:  Schwärze  aus  ver- 
brannten Knochen.     Bei  Stieler  1691. 

Beinwell,  m.{-es):  die  Wallwurz,  symphy- 
tum.  Ahd.  heinwalla,  heinwelle  f.  (ZfdWf.  3, 
281),  zu  icallen,  hier  in  der  Bed.  «zusammen- 
heilen von  Knochen  bei  Knochenbrächen»;  die 
Pflanze  heißt  auch  Beinheil  n. 

beipflichten,  v.:  (mit  Dat.)  einem  zu- 
stimmen, eig.  sich  mit  jemand  verbinden,  sich 
ihm  (seiner  Meinung)  anschließen.  Mhd.  bed. 
das  einfache  ,phlihten,  mit  den  Präp.  m«^,  an, 
zuo  «sich  mit  jemand  verbinden»,  von  phliht 
(s.  Pflicht),  hier  in  der  Bed.  Anteilnahme,  Vei-- 


193 


beisammen 


Beiwort 


194 


binduDg.  Jedenfalls  in  der  frühnhd.  Kanzlei- 
sprache vorhanden  (Luther  hat  Beipflichter 
m.  «Zustimmender»,  das  Adj.  'beipflichtig  bei 
Diefenbach-Wülcker  223  v.  J.  1553). 

beisammen,  adv.:  zugleich  da.  j^Ihd. 
selten  hesamen  (aus  Msamene).  Frühnhd. 
(Liliencron  3,  338  v.J.  1519,  auch  bei  Luther). 

Beisaß,  m.  (Gen.  u.  PI.  Beisassen):  wie 
Hintersaß  (s.  d.);  Ortsangesessener  ohne  Bür- 
gen'echt.  Mhd.  Msä§e,  Msce^e  m.,  zusammen- 
ges.  mit  dem  als  letztes  Wort  in  Zusammen- 
setzungen stehenden  mhd.  säße,  ahd.  säp, 
s.  ^Sasse. 

:  beiseit,  beiseite,  auch  mit  angetretenem 
genet.  -s  beiseits,  adv.:  zur  Seite.  Mhd. 
M  Sit.  Bei  Luther  heiseid  (Hiob  6,  18),  ge- 
wöhnlich mit  Abschwächung  des  hei-  heseit, 
auch  heiseits,  heseits. 

beisetzen,  v.:  neben  andi-es  setzen;  be- 
statten, eig.  den  Sarg  in  der  Gruft  neben 
andre  setzen.   In  der  2.  Bed.  bei  Krämer  1678. 

Beispiel,  n.  (-es,  PI.  -e):  (veraltet)  zur 
Belehrung  erdichtete  Erzählung,  Fabel;  Gleich- 
nis, Begebenheit  zui-  Yeranschaulichung  oder 
Richtschnur  des  Verhaltens.  Spätmhd.  Mspil 
(mit  Anlehnung  an  spil  «Spiel»,  mit  dem  das 
Wort  urspr.  nichts  zu  tun  hat),  früher  mhd. 
ahd.  aber  Mspel  (Gen.  Mspelles)  n.  «belehrende 
dichterische  Erzählung,  Fabel,  Gleiclmis»,  zu- 
sammenges.  aus  M  «bei»  und  mhd.  ahd.  spei 
n.  «Rede,  Erzählung,  Sage»,  dazu  asächs.  ags. 
spell  n.,  engl,  spell,  got.  spill  n.  (wovon  ahd. 
spellon,  got.  spillön  «erzählen»).  Eig.  eine 
neben  der  Lehre  und  zu  deren  Veranschau- 
lichung gegebene  Erzählung.  Die  Etymo- 
logie von  spell  ist  unbekannt.  Vgl.  E.  Schröder 
ZfdA.  37,  241,  Kögel  Idg.  Forsch.  4,  318, 
Fröhde  Bezz.  Btr.  19,  241  f. 

beißen  (Prät.  hiß,  Part,  gebissen),  v.:  mit 
den  Zähnen  fassen,  durchdringen;  die  Emp- 
findung eines  stechenden,  scharfen  Durch- 
dringens  verursachen.  Aus  mhd.  bi^en,  ahd. 
hi^an,  dazu  asächs.  hUan,  ndl.  hijten,  ags. 
bUan,  engl,  hite,  anord.  Mta,  schwed.  hita, 
dän.  bide.  In  der  altern  Sprache  auch  vom 
Einschneiden  oder  scharfen  Durchdringen  des 
Schwertes.  Entsprechend  lat.  findere,  Perf. 
/?dz  «spalten»,  aind.ftÄZfZ  «spalten,  durchbohren». 
Vgl.  auch  beizen,  bitter.  ABL.  beißig,  adj: 
zum  Beißen  geneigt,  mhd.  M^ec.     S.  bissig. 

Beißker,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  ein  kleiner, 

eßbarer,  im  Schlamm  und  zwischen  Steinen 

lebender  und  an  diese  sich  ansaugender  Fisch, 

cobitis  fossüis.  Auch  Peißker.  Mit  Anlehnung 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


an  heißen  (denn  der  Fisch  beißt  sich  scheinbar 
an  Steine  an,  heißt  auch  als  von  Schlamm  oder 
daiin  Befindlichem  lebend  der  Schlammbeißer) 
aus  poln.  piskorz  m.,  böhm.  piskof  m.,  russ. 
piskär  m.,  d.  i.  eig.  Pfeifer,  von  poln.  pisceö, 
hohxn.  piskati  «pfeifen»,  abg.j^isÄ;a^^  «flöten», 
wohl  nach  einem  Tone,  den  der  Fisch  mit  dem 
Maule  hei-vorzubringen  scheint.  Das  Wort 
ist  vom  östlichen  Mitteldeutschland  ausge- 
gangen, ist  aber  im  15.  u.  16.  Jh.  schon  weiter 
bekannt,  findet  sich  als  peysker  in  einem 
Glossar  des  15.  Jh.  (Diefenbach  330*),  als 
Beißker  bei  Alberus  Fab.  19,  151  und  bei 
Forer  Fischb.  160^.  In  bayr.-österr.  Quellen 
(auch  bei  H.  Sachs)  erscheint  dafür  Bißgurre. 

Beißzange,  f.  (PI.  -n):  eine  vorn  scharfe 
Zange  zum  Kneipen  und  Festhalten  kleiner 
Gegenstände.    Bei  Stieler  1691  Beißzänglein. 

Beistand,  m.  {-es,  PI.  Beistände):  Hilfe 
bei  und  für  jemand;  persönlich  s.  v.  a.  Hilfe 
bei  und  für  jemand  Leistender,  Spätmhd. 
bistantm.  in  der  l.Bed.  ABL.  beiständig, 
adj.:  hilfeleistend,  behilflich.  Mhd.  btstendec. 
—  beistehen,  v.:  (mit  Dat.)  Hilfe  leisten, 
eig.  neben  jemand  stehen  (im  Kampfe,  vor 
Gericht),  um  ihn  zu  unterstützen.  Mhd. 
bistän,  histen,  ahd.  histantan,  bistdn,  auch 
noch  in  der  ursprünglichen  Bed.  wie  got, 
histandan. 

Beistrich,  m.  {-es,  PI.  -e):  das  Komma. 
Schottel  Sprachk.  S.  669  gab  für  dies  die 
Verdeutschung  Bey strichlein,  was  auch  von 
Harsdörfer  Gesprechsp.  4,  412,  Bödiker  u.  a. 
gebraucht   wü'd. 

Beitrag,  m.  (-s,  PI.  Beiträge):  Beisteuer. 
Bei  Stieler  1691.  Von  beitragen,  v.:  her- 
beibiingen,  dann  abgeben  zui*  Unterstützung, 
mhd.  hitragen  «herzutragen». 

beitreiben,  v. :  herbeiti-eiben ;  (übertragen 
von  den  herbeigetriebenen  Zins-Tieren  usw. 
auf  geforderte  Gelder)  einziehen,  beischafifen 
(bei  Frisch  1741). 

Beiwesen,  n.  (-.s) :  das  Zugegensein.  Eig. 
subst.  Inf.  zu  mhd.  hiwesen,  ahd.  biwesan  «da 
sein,  zugegen  sein».  Als  Subst.  in  der  Kanzlei- 
sprache des  15.  Jh.  vorhanden  (Janssen  Frankf. 
ReichskoiT.  2,  161). 

beiwohnen,  v.:  (veraltet)  bei  einem  an- 
dern wohnen;  ehehchen  Verkehr  mit  jemand 
haben;  wobei  zugegen  sein;  (von  Dingen) 
wo  vorhanden  sein,  (mit  Dat.)  innewohnen. 
Mhd.  btwonen  (in  der  2.  Bed.  erst  bei  Luther). 

Beiwort,  n.  {-es,  PI.  Beiwörter):  Adjek- 
tivum.    Schon  in  der  mhd.  Schulsprache  aus 

13 


195 


Beize 


beklommen 


196 


dem  Anfang  des  14.  Jh.  begegnet  Mwort  für 
Adverbium  (Eckhart  271,  11),  während  sonst 
mhd.-ahd.  hiwort  die  Bed.  «Sprichwort,  Gleich- 
nisrede» hat.  Auch  ndl.  hijwoord  ist  «Adver- 
bium» (schon  1719  bei  Kramer).  Dagegen 
schlug  Helvicus  1619  Beiwort  für  Adjektivum 
vor,  und  diese  Verdeutschung  ist  später  viel- 
fach angenommen  worden,  auch  von  Gott- 
sched, aber  schließlich  doch  durch  andre  zu- 
rückgedrängt worden.     S.  Adjektiv. 

Beize,  f.  (PI.  -n)  •■  Jagd  mit  abgerichtetem 
Raubvogel  oder  auch  einem  andern  Fang- 
tiere; zur  Zubereitung  nötiges  Durchdringen- 
lassen und  Mürbemachen  von  einer  scharfen 
Flüssigkeit,  sowie  diese  selbst.  Älternhd. 
meist  (auch  bei  Luther,  noch  jetzt  dialek- 
tisch) Beiße,  mhd.  beige,  beize,  ahd.  beiga  f. 
(auch  Alaun).  Von  beizen,  v. :  beißen  machen, 
sowohl  einen  Jagdvogel,  einen  Hasen  usw. 
durch  emen  abgerichteten  Fansfvogel,  als  auch 
etwas  durch  scharfe  Flüssigkeit  zum  Mürbe- 
machen usw.  Älternhd.  meist  beißen.  Mhd. 
beigen,  beizen,  ahd.  beigan;  dazu  ags.  bcetan 
«zäumen»,  eig.  «beißen  machen»,  anord.  beita 
«zäumen,  füttern,  beizen»  (daher  engl,  bait), 
got.  wäre  *baitjan  anzusetzen,  beizen  ist  das 
Faktitiv  zu  beißen.  Bei  der  Flexion  mußten 
sich  Formen  mit  z  und  solche  mit  g  ent- 
wickeln, worauf  dann  Verallgemeinerung  ein- 
getreten ist ;  im  Mhd.  überwiegen  die  Formen 
mit  j,  in  der  Schriftsprache  seit  dem  17.  Jh. 
die  mit  z.  Vgl.  heizen,  reizen,  Weizen,  mhd. 
meist  heigen,  reiben,  weige. 

beizeit  und  beizeiten,  adv.:  früh  in 

Hinblick  auf  einen  Zeitpunkt.  Mhd.  bi  zite, 
auch  mit  Schwächung  des  bi  bezite  und  be- 
ziten,  bi  mit  dem  Dat.  Sg.  oder  PI.  von  zit. 

beizen,  s.  Beize. 

bejahen,  v.:  zu  etwas  ja  sagen.  Mhd. 
dafür  das  auch  von  mhd.  ja  abgeleitete  be- 
jäzen  (im  16.  Jh.  auch  bejachzen),  auch  ein- 
fach jäzen.  bejahen  zuerst  bei  Henisch  1616, 
aber  in  der  Bed.  «bewilligen»,  später  auf 
«ja  sagen»  (auf  eine  Frage)  beschränkt. 

bejahrt,  adj.:  hoch  in  Jahren  seiend. 
Mhd.  bejaret,  eig.  Part.  Prät.  zu  dem  V.  be- 
jären   «die  Jahre   hinbringen».     Vgl.  betagt. 

bekannt,  adj.:  zur  Kenntnis  gekommen; 
nicht  fremd,  vertraut.  Eig.  Part.  Prät,  von 
mhd.  bekennen,  ahd.  bikennen  in  der  im  Nhd. 
verloren  gegangenen  Bed.  «kennen,  erkennen». 
Davon  das  substantivische  Bekannte,  m.  f. 
(mit  adjektivischer  Flexion).  ABL.  be- 
kanntlich, adv.    Im  Mhd.  erscheint  bekant- 


lich  und  bekentlich  (von  den  beiden  Formen 
des  Part.  Prät.  von  bekennen  gebildet)  als 
Adj.,  ebenso  im  altern  Nhd.  bekanntlich  (noch 
bei  Steinbach  1734);  bekanntlich  als  Adv.  zu 
bekannt  wird  von  Adelung  den  Kanzleien  zu- 
gewiesen, aber  von  Heynatz  1796  empfohlen. 
Bekanntschaft,  f.,  bei  Krämer  1678.  ZUS. 
Bekanntmachung,  f.:  Kundmachung,  erst 
1807  bei  Campe. 

Bekassine,  f.  (PI.  -n)-.  Wasserschnepfe. 
Aus  franz.  becassine  f.,  von  bec  m.  (gallisch- 
lat.  becciis)   «Schnabel».     Neue  Entlehnung. 

bekehren,  v.:  vom  Unrechten  zum  Rechten 
wenden,  besonders  in  geistlicher  Beziehung. 
Mhd.  bekeren,  ahd.  bikeren  «anderswohm  wen- 
den, umkehren»,  besonders  in  Hinsicht  des 
Glaubens  und  der  Sitte.  Nachbildung  von 
lat.  convertere. 

bekennen,  v.:  erkennen  mid  seine  Er- 
kenntnis aussagen ;  nach  Bewußtsein  aussagen ; 
ein  Geständnis  ablegen:  kundgeben.  Refl. 
sich  wozu  b.:  sich  als  Urheber  oder  als  Zu- 
getaner erklären.  Mhd.  bekennen,  ahd.  bi- 
kennen  ist  zunächst  «kennen,  erkennen»  (s. 
bekannt),  mhd.  bekennen  aber  auch  schon  «zu 
erkemien  geben,  eingestehen».  ABL.  Be- 
kenntnis, n.,  selten  f.  (Liscow  446).  Mhd. 
bekantnisse,  bekentnisse  f.  n.,  abgeleitet  von 
dem  Part,  bekannt,  weshalb  bis  ins  18.  Jh. 
auch  Bekänntnis  geschrieben. 

bekleiben,  v. :  woran  fest  haften,  -hangen. 
Veraltet,  aber  noch  bei  Lessing,  Wieland, 
Goethe,  Rückert,  Platen.     S.  kleiben. 

bekleiden,  v.:  am  Körper  mit  Kleidung 
versehen ;  kleidartig  überziehen  oder  bedecken : 
[ein  Amt,  eine  Stelle  b.)  darin  eingesetzt  sein, 
eig.  für  dasselbe  mit  den  Zeichen  der  Amts- 
würde bekleidet  (investiert)  sein.  Mhd.  be- 
kleiden.    Die  3.  Bed.  bei  Stieler  1691. 

beklemmen,  v. :  einengen  und  zusammen- 
pressen, eig.  wie  bildlich.  Mhd.  beklemmen 
«zusammenpressen»,  ahd.  biklemmen  «ver- 
sperren, eindämmen,  verstopfen»;  dazu  asäcbs. 
biklem.mia7i  «e'ms-perren»,  ags.  beclemman  «ein- 
schließen, einsperren».  Das  Faktitiv  zu  dem 
altern  V.  beklimmen  (s.  d.  f.). 

beklommen,  adj.:  angstvoll  wie  einge- 
preßt, Mhd,  in  md,  Quelle  beklummen  (vom 
Herzen),  das  Part,  Prät,  des  starken  V,  be- 
klimmen, das  wie  das  in  md,  Quellen  er- 
scheinende einfache  klimmen  und  mnd,  be- 
klimmen «einengend  zusammenziehen»  be- 
deutet (vgl,  auch  mhd.  verklummen  «krampf- 
haft zusammengepreßt»  und  klamm.  «Krampf», 


197 


bekommen 


Beleg 


198 


s.  Klamm).  beJclommen  fehlt  im  altern  Nhd. 
(dafür  in  gleicher  Bed.  heklemmt)  und  ist  erst 
im  18.  Jh.,  nach  Heynatz  1796  aus  Nieder- 
sachsen, eingedrungen,  es  wird  von  Hagedorn, 
Klopstock,  Bürger  gebraucht. 

bekommen,  v.:  l)  intrans.  zum  Gedeihen 
gereichen,  überhaupt  s.  v.  a.  gereichen,  Wir- 
kung haben.  2)  trans.  durch  Überkommen 
von  außen  haben.  Mhd.  fast  nur  intrans.  «bei- 
kommen, gelangen,  hervorkommen,  wachsen, 
gedeihen,  (mit  Dat.  der  Pei'son)  begegnen, 
zukommen,  (mit  Gen.  der  Sache)  erhalten, 
gewinnen»;  dies  bei  Luther  schon  häufig  mit 
dem  Akk.  Ahd.  hiqueman  auch  mit  Akk. 
«überkommen,  ergreifen»;  vgl.  asächs.  hiku- 
man,  ags.  hecmnan  «zu  etwas  kommen,  ge- 
langen», engl,  become  «werden,  zukommen», 
got.  hiqiman  «überfallen».  ABL.  bekömm- 
lich, adj. :  was  wohl  bekommt:  was  zu  ei'- 
langen  ist.  In  der  2.  Bed.  bei  Maaler  1561 
bekömmlich,  die  1.  gehört  der  neuesten  Sprache 
an  (noch  nicht  bei  Campe).  Mhd.  bekomen- 
lich,  gebildet  von '  dem  Part.  Prät.  bekomen, 
ältemhd.  bekömmlich  ist  «passend,  bequem». 
S.  auch  bequem. 

bekräftigen,v. :  kräftig  machen  (Hiob4, 4) : 
zuverlässig,  sicher  machen  (auch  bei  Luther). 
Gebildet  von  dem  Adj.  kräftig.  Mhd.  be- 
kreften  «stärken»,  gebildet  von  kraft. 

bekümmern,  v.:  Kummer  verursachen, 
mit  Sorge  quälen.  Reil.  sich  b.:  Kummer 
empfinden,  sich  sorgend  mühen,  sich  umtun. 
Mhd.  bekumbern,  bekümbern  «in  Not  bringen, 
belästigen,  beschäftigen»,  (in  derRechtssprache) 
«mit Beschlag  belegen  »,  vgl.  mndl.  bekommer en. 
Gebildet  und  zum  Teil  entlehnt  von  dem  aus 
lat.  incumuläre  gewordenen  franz.  encom'brer, 
prov.  encombrar,  ital.  ingombrare,  mlat.  in- 
cumbrare  «(durch  Schutthaufen)  den  Weg 
versperren,  verhindern».  S.  Kummer.  ABL. 
Bekümmernis,  f.,   mhd.  bekumbemisse  f. 

beknnden,  v. :  kundgeben,  ofienes  Zeug- 
nis womber  geben.  Erst  bei  Adelung  1793  als 
der  Rechtssprache  Niedersachsens  angehörig. 

Belag,  s.  Beleg. 

belagern,  v.:  durch  ein  Lager  einschließen 
und  bedrängen.  Spätmhd.  belegern,  auch 
ältenihd.  belegern  (bei  Luther),  belägern  (noch 
bei  Stieler  1691). 

Belang,  m.  {-es):  Bedeutung,  Wichtigkeit, 
eig.  was  weit  reicht  (s.  belangen).  Verschieden 
von  mhd.  belang  m.  «das  Verlangen,  Sehnen 
wonach»,  dagegen  ist  mnd.  belang  (substant. 
Form  eines  Adj.,  das  im  Mndl.  als  belang  ^zu- 


gehörig, verwandt,  gemäß,  abhängig,  darauf 
ankommend»  erscheint)  «Bedeutung»;  das  Wort 
diiogt  in  die  Kanzleisprache  ein  und  wird 
nach  der  Mitte  des  18.  Jh.  allgemein,  von 
Heynatz  1775  noch  beanstandet,  doch  schon 
vorher  von  Lessing  und  Klopstock  gebraucht. 

belangen,  v.:  l)  impers.  sich  worauf  er- 
strecken, etwas  betreft'en  {himüger anbelangen). 
2)  trans.  klagend  vor  Gericht  ziehen  eig.  mit 
der  Klage  erreichen.  Mhd.  mich,  selten  mir 
belanget  «mich  verlangt»,  doch  auch  intrans. 
«sich  erstrecken»  und  trans.  «erlangen,  er- 
reichen», älternhd.  dann  «betreffen»  und  «jem. 
mit  etwas  angehen».  Vgl.  ndl.  belangen  «be- 
treä"en,  anbelangen»,  engl,  belong  «zugehüren, 
betreffen». 

belästigen,  v.-.  lästig,  beschwerlich  fallen. 
Im  15.  Jh.  belestigen  (Wyle  15,  1).  Mhd.  da- 
für belesten,  gebildet  von  last. 

^Belebe,  f.  (PI.  -n),  auch  Beleben  m.  (-s, 

PI.  wie  Sg.):  eine  Salmart,  salmo  lavaretus. 
Daneben  auch  Balche  (schon  mhd.  balche), 
Bolche  und  mit  anderm  Anlaut  Felchen  (s.  d.). 
Dunkler  Herkunft. 

^Belebe,  f.  (PI.  -n):  Wasser-,  Bläßhuhn, 
fulica  atra.  Älhd.  belche,  ahd.  belihha  f.,  da- 
neben belihho  m.  Das  laX.fulicai.  ist  verwandt, 
auch  gr.  cpaXripic  f.  «Wasserhuhn».  Der  Name 
von  dem  weißen  Flecken  auf  der  Stirn  des 
sonst  schwarzen  Tieres,  denn  ahd.  belihha 
gehört  mit  -ihha  als  Endung  (vgl.  Habicht, 
Kranich)  zu  gr.  cpaXöc,  q)dA.ioc,  abulg.  belü, 
lit.  bältas  «weiß»;  mhd.  erscheint  Belche  auch 
als  Name  eines  (weißen)  Rosses.   Vgl.  Blesse. 

Beleg,  m.  (-es,  PI.  -e):  beigefügte  be- 
weisende Urkunde,  beigebrachter  Beweis,  ur- 
spr.  namenthch  die  unter  die  Grenzsteine  ge- 
legten dauernden  Zeichen  der  Markmeister 
und  Feldgeschworenen.  Belege,  n.  (-s,  PI. 
wie  Sg.):  an  den  Rand  des  Kleides  gesetzter 
Streifen,  um  jenen  steifer  zu  machen.  Schon 
1541  bei  Frisius  502 '^  die  belege  eins  kleyds 
oder  leyste.  Aus  diesem  Wort  (urspr.  über- 
haupt «das  Beigelegte,  Beigefügte»)  geht  auch 
Beleg  hervor,  bei  Frisch  1741  und  Adelung 
1793  noch  N.  (doch  kennt  dieser  das  schon 
bei  Rädlein  1711  angeführte  M.  «aus  einigen 
Gegenden»);  bei  Heynatz  1775  Belege  f.  Da 
das  meist  im  PI.  gebrauchte  Wort  auch  Be- 
läge geschrieben  wurde,  so  folgerte  man  da- 
raus auch  fälschlich  einen  Sg.  Belag,  der 
schon  1673  bei  Mühlpforth  Leichenged.  155, 
sowie  bei  Lessing  vorkommt.  Von  belegen: 
(ehedem)  ringsum  legen,  belagern  (2  Sam.  11, 

13* 


199 


l)elegeu 


Bellhammel 


200 


1),  mhd.  belegen,  ahd.  hüeggen;  auflegend  über- 
decken (auch  mhd.-ahd.);  zu  urkundlichem 
Beweise  beilegen,  beweisend  beigeben  (im 
15.  Jh.  mit  dem  eide  belegen);  durch  Auf- 
legen eines  Zeichens  in  Anspruch  nehmen; 
zu  tragen  bestimmen;  (von  Säugetieren)  aus 
Geschlechtstrieb  besteigen. 

belegen,  adj.:  gelegen,  der  Lage  nach  be- 
findlich. Eig.  Pai't.  Prät.  von  beilegen,  mhd. 
beiigen  «liegen  bleiben,  ruhen,  fest  woran 
haften»,  auch  «beiliegend  umfangen»  (so  ahd. 
büiggen). 

belehnen,  v. :  mit  einem  Lehen  versehen, 
in  ein  Lehen  einsetzen.     Mhd,  belelienen. 

beleiht,  adj.:  feisten  Leibes.  Der  Form 
nach  Part.  Prät.,  gebildet  wie  behaart,  bejahrt. 
Älternhd.  ist  beleibt  «mit  einem  Leib,  Körper 
versehen»  (so  bei  Stieler  1691)  in  der  Bed. 
von  «beleibt»  erscheinen  schwer  b.,  ivohl  b. 
(dies  aber  bei  Albertinus  weibl.  Lustg.2'2^  von 
schönem  Körper),  das  einfache  beleibt,  das 
Adelung  nicht  kennt,  bei  Campe  1807. 

beleidigen,  v.:  (veraltet)  Leid  zufügen, 
(dann)  in  Schmerzgefühl  versetzen:  durch 
Worte  oder  Handlungen  verletzen.  Mhd. 
beleidigen,  zusammenges.  aus  be-  und  leidegen, 
ahd.  (bei  Notker)  leidegön  «betrübt  machen, 
betrüben»,  abgeleitet  von  ahd.  (bei  Notker) 
leidig  «leidig»  (s.  d.).  ABL.  Beleidigung, 
f.:  beschwerendes,  Besorgnis  erregendes  Übel 
(Apostelg.  27,  10);  Kränkung  durch  Worte 
oder  Taten.     Frühnhd. 

belemmern,  v.;  dui-ch  kleine  Kniffe  be- 
trügen, übers  Ohr  hauen.  So  zuerst  bei 
Ludwig  1716.  Die  Angaben  von  Duez  1664 
{belemmeln  «sordidare»)  und  Krämer  1678 
{belemmeren  «bedrecken»,  in  gleicher  Bed. 
belampern  bei  Grimmeishausen  Simpl.  3,  428, 
Kurz)  weisen  darauf  hin,  daß  die  ursprüng- 
liche Bed.  «beschmutzen»  ist  (vgl.  bescheißen). 
Doch  vgl.  mnd.-ndl.  belemmeren  «hindern, 
kraftlos  machen»,  verlemert  «verspielt»  bei 
H.  Sachs  Fab.  246,  62. 

belesen,  adj.:  durch  vieles  Lesen  viel 
wissend.  Eig.  Part.  Prät.  des  ältenihd.  V. 
belesen  «durchlesen,  gründlich  lesen».  Bei 
Duez  1664,  aber  Wolbelesenheit  schon  bei 
Fischart  Garg.  7. 

belfern,  v.:  schnell  wiederholt  bellen; 
(bildlich)  sich  in  vielen  Worten  und  wieder- 
holt scheltend  auslassen.  Mit  der  Frequen- 
tativendung  -ern  abgeleitet  von  belfen  «bellen» 
(Goethe  2,  237),  das  durch  Vermischung  von 
bellen  mit   dem  gleichbed.  beffen   (s.  baffen) 


entstanden  zu  sein  scheint.  1542  bei  Luther 
beluern  (belvern)  neben  bellen. 

belieben,  v.:  l)  intrans.  (mit  Dat.)  dem 
Gefallen  entsprechend  sein.  2)  trans.  nach 
Gefallen  wofür  geneigt  sein;  nach  Gefallen 
ausfuhren.  Davon  das  Part.  Prät.  beliebt: 
nach  Gefallen  getan  (Günther  258);  allge- 
mein gefallend  (17.  Jh.)  und  der  subst.  Inf. 
Beliehen,  n. :  Gefallen.  Mhd.  dafür  das  ein- 
fache lieben (mitDai.)  «gefallen»,  anth gelieben; 
belieben  ist  erst  finihnhd.  (16.  Jh.,  das  Subst. 
im  17.  Jh.).  ABL.  beliebig,  adj.:  nach  Ge- 
fallen, behaglich,  angenehm  (bei  Grimmeis- 
hausen Simpl.  1,  78  Kurz);  ganz  dem  Belieben 
überlassen  (bei  Rädlein  1711). 

bellen,  v. :  (vom  Hund  und  Fuchs)  den 
ihrer  Stimme  eig'nen  schallenden  Laut  hören 
lassen;  (bildlich)  Worte  und  Töne  heftig  und 
gellend  herausstoßen.  Mhd.  bellen  (Prät.  ball, 
PI.  bullen,  Part,  gebollen),  ahd.  bellan;  dazu 
ags.  bellan  (grunzen,  vom  Schwein),  engl,  bell 
(schreien,  vom  Hirsch).  Als  Grundbed.  muß 
etwa  «tierische  Töne  von  sich  geben»  an- 
gesehen werden.  Hierher  noch  ags.  belgian, 
engl,  belloiv  «bellen»  und  anord.  belja  «beUen»; 
vgl.  auch  beilen.  Man  sieht  aind.  bhas  (für 
bhals)  «bellen»,  lit,  baisas  m.  «Stimme»  als 
verwandt  an,  dann  müßte  -II-  aus  -Is-  ent- 
standen sein.  Der  Übergang  zur  schwachen 
Flexion  begmnt  im  17.  Jh.:  1690  hat  Bödiker 
S.  04  schon  im  Prät.  bellete  und  boll,  im 
Part,  gebellet  und  gebollen,  Gottsched  setzt 
die  schwachen  Formen  an  und  Adelung  be- 
zeichnet sie  als  weit  gewöhnlicher,  die  starke 
Biegung  als  obd. ;  doch  kommt  sie  bei  Dichtern 
des  18.  Jh.  noch  häufig  vor  (bei  Goethe  2,  208 
billt,  28,  77  boU). 

Belletrist,  m.  {-en,  PI.  -en):  wer  sich 
mit  den  schönen  Wissenschaften  (franz.  les 
belles-lettres),  d.  h.  der  Rede-  und  der  Dicht- 
kunst beschäftigt  und  sie  ausübt.  Um  die 
Mitte  des  18.  Jh.  in  Deutschland  aufgekommen 
(bei  Goethe  19,  92,  Werther).  ABL.  Belle- 
tristik, f.:  die  auf  die  schönen  Wissen- 
schaften bezügliche  Literatur,  Schönschrift- 
stellerei.  belletristisch,adj.  (Goethe28, 177). 

Bellhammel,  m.  {-s,  PI.  Bellhämmel)-. 
Leithammel,  d.  i.  der  Hammel  der  Herde, 
der  eme  ScheUe  am  Halse  trägt.  Zu  thü- 
ringisch, ndd.  belle  «Schelle»,  ndl.  bei,  ags. 
belle  f.,  engl,  bell,  altnord.  bjalla  f.  «Glocke», 
das  unsicherer  Herkunft  ist.  Bei  Henisch 
1616.  Auch  ndl.  belhamel  m.,  dafüi-  engl. 
bell-tcether. 


201 


Belt 


benamen 


202 


Belt,  m.  (-es,  PI.  -e):  ileerenge  der  Ost- 
see zwischen  Schleswig  und  Fünen,  sowie 
zwischen  Fünen  und  Seeland,  iihd.  Ijeltemer 
n.  ist  «Ostsee»  (noch  P.  Fleming  und  Ramler 
1,  43.  63  meinen  mit  Belt  die  Ostsee).  Kaum 
zu  ags.  helt  m.,  anord.  helti  n.  «Gürtel»,  son- 
dern dem  lat.-germ.  Baltia  (bei  Plinius  4, 13) 
entsprechend.     S.  haUisch. 

beluchsen,  v.:  hinterlistig  (luchsartig 
spähend)  übervorteilen.  Am  Anfang  des  18. 'Jh. 
belegt  (1706  bei  Menantes  allem.  Art  588 
und  bei  Rädlein  1711  beUtxen,  bei  Adelung 
fälschlich  ielugsen).     S.  abluchsen. 

belustigen,  v.:  lustig,  heiter  machen, 
Vergnügen  erwecken.  Bei  Dasypodius  1537 
belustigen. 

Belyedere,  n.:  Oi-t,  von  dem  aus  man 
eine  schöne  Aussicht  genießt.  Das  ital.  bel- 
vedere  d.  i.  «schöne  Aussicht».  Um  1700  auf- 
genommen "(Günther  728,  auch  bei  Sperander 
1 728  vei-zeichnet),  aber  in  derBed.  Schauspiel, 
Schaustück  schon  1607  bei  Scheible  Schalt- 
jahr 5,  648  Bellvider  n. 

bemächtigen,  refl.v.:  sich  wessen  mächtig 
machen,  es  in  seine  Gewalt  bringen.  1616  bei 
Henisch  277. 

bemäkeln,  s.  mäkeln. 

bemängeln,  v.:  Mängel  in  etwas  finden. 
Junges,  bei  Adelung  und  Campe  noch  nicht 
verzeichnetes  T\'ort,  wohl  aus  der  obd.  Kanz- 
leisprache stammend. 

bemannen,  v.:  mit  Mannschaft  besetzen 
oder  versehen.     Mhd.  bemannen. 

bemänteln,  v. :  einen  Mantel  (der  im  alt- 
deutschen Recht  als  Sinnbild  des  gewährten 
Schutzes  gebraucht  wirdj  um  etwas  hängen; 
verdecken  und  zugleich  einen  guten  Anschein 
geben.  Frühnhd.  (vgl.  Gombert  6, 14  aus  Emser 
vom  J.  1524,  auch  bei  Luther),  in  gleichem 
Sinne  vermenteln  fAlbei-us  Barfuser  Münche 
Nr.  601,  Mathesius  Sar.  229 »). 

bemeiern,  v.:  eig.  ein  Gut  mit  einem 
Meier  besetzen:  jemand  betrügen.  In  der 
1.  Bed.  bei  Campe. 

bemeistern,  v.:  Meister  werden  über 
etwas.  Refl.  sich  b.  «sich  bemächtigen».  Bei 
Krämer  1678. 

bemerken,  v.:  durch  festes  Richten  der 
Sinne  auf  etwas  wahrnehmen;  einen  aus  solcher 
Wahrnehmung  hervorgegangenen  Gedanken 
äußern.  Mhd.  bemerken  «beobachten,  beob- 
achtend prüfen»,  ABL.  Bemerkimg,  f.,  bei 
Stieler  1691. 


bemitleiden,  v.:  Mitleid  haben  mit  je- 
mand.    Zuerst  bei  Rädlein  1711   aufgeführt, 
:  noch  von  Adelung  1793  den  niedrigen  Sprech- 
arten zugewiesen;  nach  Heynatz  1796  kommt 
,  es  auch  bei  guten  Schriftstellern  in  Aufnahme. 

bemittelt,  adj.:  die  Mittel  habend,  um 
bequem  leben  zu  können  (bei  Grimmeishausen 
Shnpl.  4,  287  Kui-z).  Eig.  Part.  Prät.  eines 
Y.  bemitteln  «mit  ^Mitteln  wozu  versehen». 
(1677  bei  Butschky  Pathm.  25). 

Bemme,  f  (PI.  -n)  -.  Brotschnitte,  nament- 
lich in  Bidterbemme  «Butterbrot».  Im  öst- 
lichen Mitteldeutschland.  Luther  hat  Putter- 
pomme,  Zehner  1622  Xomenclator  S.408,  Duez 
1664  und  Ki'ämer  1678  Butterbamme,  dies 
auch  bei  dem  Sachsen  Weise  (Erznarren  71) 
und  dem  Schlesier  Stoppe,  auch  bei  Ludwig 
1716  und  Steinbach  1734.  Stieler  1691  hat 
das  einfache  Bamwe,  Bamm  (daneben  Barns 
«Brei»).  Etwa  zu  thüiing.  bammen  «essen;, 
Schweiz,  bampen  «wohl behaglich  und  fast  be- 
ständig essen»,  ein  lautnachahmendes  Wort, 
das  eig.  auf  das  Schmatzen  mit  den  Lippen 
beim  Essen  geht.  Xach  Heyne  WB.  auf 
gr.  ßduua  n.  «Brühe»  zurückgehend  und  in 
den  Schülerkreisen  der  Humanistenzeit  auf- 
gekommen. Vgl.  noch  E.  Schröder  AfdA. 
23,  154. 

bemoost,  adj.:  (studentisch  in  bemoostes 
Haupt  u.  dgl.)  alt,  eig.  grau  geworden  wie  ein 
mit  Moos  bewachsener  Stein.  Wohl  nicht  vor 
Anfang  des  19.  Jh.  aufgekommen  (bemooster 
Herr  bei  Goethe  Faust  6638j. 

bemüßigen,  v.:  Muße  wozu  geben,  in- 
stand setzen,  veranlassen  Spätmhd.  bemüe- 
gegenist  «erledigen,  frei  (mhd.  müe^ec)  machen» : 
dieselbe  Bed.  hat  b.  in  der  älternhd.  Kanzlei- 
sprache (vgl.  Schmeller  -  1,  1678),  später  ist 
das  T.  durch  müssen  beeinflußt  worden.  Im 
17.  Jh.  in  der  jetzigen  Bed. 

benachteiligen,  v.:  in  Xachteü  bringen. 
Xoch  nicht  bei  Adelung.  Xach  Heynatz 
1796  von  einigen  versucht  (doch  steht  es 
schon   1663  bei  Schottel  S.  624). 

benamen,  v.:  mit  einem  Namen  belegen. 
Mhd.  benamen.  Außerhalb  der  Dicht^rsprache 
veraltet.  Im  Ablaut  dazu  steht  das  von  den 
schlesischen  Dichtern  (noch  von  Günther, 
Menantes)  gebrauchte  beniemen,  urspr.  be- 
nümen,  mhd.  (in  md.  Quellen)  benuomen,  be- 
niiemen,  ndl.  benoemen.  ABL.  benamsen: 
wie  benamen.  Frähnhd.  (Franck  Weltb.  59 ''j. 
Jetzt  nui-  noch  in  altertümelnder  Rede  Vgl. 
namsen  unter  Nam£. 


203 


l)enaiieu 


bequem 


204 


Genauen,  v.:  in  die  Enge  bringen,  hart 
bedrängen,  beängstigen.  Aus  dem  Niederd. 
(nind.  henomven)  ins  Hochd.  gedi-ungen,  bei 
Stieler  1691  verzeichnet.  S.  genau.  Von 
Heine  (6,  355  henaut  «beklommen»)  gebraucht, 
bei  dem  auch  3,  179  das  abgeleitete  Subst. 
Benauigkeit,  f.:  Beklommenheit. 

Bendel,  m.  n.  (s,  PI.  wieSg.):  das  kui'ze 
Bindband,  besonders  das  schmale.  Mhd. 
heiiäel,  ahd.  bentil  m.,  mit  Suffix  -il  von  haut 
abgeleitet,  dazu  anord.  hendül,  mengl.  hendel. 

beiie,  adv.  in  sich  h.  tun  (Bürger  168), 
auch  sich  ein  h.  tun  «sich  etwas  zu  gut  tun», 
ist  das  lat.  Adv.  hene  «gut»,  das  sich  in  der 
Studentensprache  in  bestimmten  Wendungen 
festsetzte,  wohl  schon  im  16.  Jb.  (vgl.  Amadis 
ed.  Keller  S.  8  ein  h.  erlangen). 

benebelt,  adj.  (eig.  Part.  Prät.  zum  Yerb. 
heneheln):  von  Nebel  umhüllt  (17.  -Tb.);  (bild- 
lich) getrübt,  tiiibe  (bei  Stieler  1691);  tranken, 
leicht  bezecht,  wie  sich  heneheln  «sich  be- 
trinken» (im  18.  Jh.,  z.  B.  bei  Lichtenberg, 
vgl.  Stieler  der  Wein  hat  ihm  seine  Vernunft  h.). 

benebst,  adv. :  wie  nebst.  In  der  frühnhd. 
Kanzleisprache  als  henehenst,  henebest. 

benedeien,  v.:  segnen,  ürspr.  kirch- 
licher Ausdruck.  Mhd.  heneäien,  entlehnt 
aus  dem  gleichbed.  lat.  henedlcere  eig.  «wohl 
sagen,  Gutes  wünschen». 

Benediktenkraut,  n.:  die  besonders  in 
ihrer  Wurzel  heilkräftige  Pflanze  herba  be- 
nedicta,  d.  i.  gesegnetes  Kraut.  Spätmhd. 
heneäictenkrüt  n. 

Benefiz,  n.  (-es,  PI.  -e)-.  Vorstellung  zu- 
gunsten eines  Schauspielers.  Aus  franz. 
henefice  m.,  das  aus  lat.  heneficium  n.  «Wohl- 
tat» stammt.     Bei  Campe  1813. 

benehmen,  v.:  (mit  Dat.  der  Person  und 
Akk.  der  Sache)  hindernd  oder  abhaltend 
wegnehmen;  (mit  Akk.  der  Person  und  Gen. 
der  Sache)  dui-ch  Einwirkung  erledigen.  Mhd. 
henemen ,  ahä.  hineman;  dazu  as.-ags.-got. 
hiniman  «wegnehmen».  Eefl.  sich  h.  «sich 
aufführen»  (erst  bei  Adelung  1793);  {mit 
einem)  sich  mit  jemand  verständigen.  Der 
Inf.  als  Subst.  Benehmen,  n.  (nach  Adelung 
«in  den   Kanzelleyen»). 

beneiden,  v.:  voll  Neid  auf  jemand  sein 
(mit  Akk.  der  Person  oder  Sache,  im  18.  Jh. 
nach  lat.  oder  franz.  Vorbilde  auch  mit  Dat. 
der  Person  und  Akk.  der  Sache,  z.  B.  Lessing 
6,  224.  Schiller  Braut  v.  Mess.  1243).  Mhd. 
(selten)  heniden,  gewöhnlich  in  gleicher  Bed. 
niden,  s.  Neid. 


benennen,  v. :  mit  einem  Namen  belegen; 
namhaft  machen;  namentlich  bestimmen.  Mbd. 
henennen.  Das  Part.  Prät.  im  altern  Nhd. 
auch  benennt  (Lessing  12, 1 1),  benennet  (Goethe 
30,  211),  s.  nennen.  Benennung,  f.,  mhd. 
(Germ.  28,  360  mit  Beleg  von  1354). 

Bengel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  ein  kurzes 
stangenartiges  Holz;  naturwüchsiger  derber, 
dann  grober  Mensch.  Mhd.  hengel  m.,  in  der 
1.  Bed.  als  «Holz  zum  Schlagen»,  von  einem 
nicht  belegten  V.  *hangen  (dazu  mit  Ablaut 
mhd.  hunge  f.  «Trommel»),  das  dem  engl. 
to  bang  «schlagen,  prügeln»  (davon  hangle 
«Prügel»),  anord. />a«<7a  «schlagen»  entsprechen 
würde.  Dies  vielleicht  zu  lit.  hüoze  «Keule, 
Klöppel  am  Dreschflegel».  Die  2.  Bed.  er- 
scheint frühnhd.  (Lüiencron  4,  32  v.  J.  1531 
Milchbengel  von  Schweizer  Bauern,  auch  bei 
Hans  Sachs  Fab.  288,  112  Bengel  von  einem 
Bauern).  Auch  ndl.  hengel  m.  «Prügel»; 
dän.  beuget,  schwed.  hängel  (entlehnt)  als 
Schimpfwort. 

benlemen,  s.  henamen. 

Benne,  f.  (PI.  -n):  Wagenkorb,  -kästen, 
Sitzkasten  eines  Schlittens.  Oberd.  (bei  Dasy- 
podius  1537  als  henn  angeführt).  Nach  franz. 
benne  f.  «Wagenkorb,  Tragkorb»,  ita\.  bennat 
«Korbschlitten»,  die  auf  gall.-lat.  henna  «Art 
Wagen»  (bei  Festus)  beruhen.  Auch  ndl. 
ben  i.  «Korb»,  engl,  bin  «Kasten». 

Benno,  Mannesname.  Aus  ahd.  Benno, 
Koseform  von  Bernhard  (s.  d.),  seltener  von 
Bernger,  Beringär. 

benötigen,  v.:  notleidend  (mhd.  ncetec), 
bedürftig  machen;  nötig  haben.  Mhd.  benö- 
tegen  (neben  benceten)  ist  «in  Not  bringen, 
bedrängen,  zwingen».  Das  Part.  Prät.  be- 
nötigt «bedürftig»  (schon  bei  Luther),  «nötig». 

benschen,  jüd.  den  Segen  sprechen.  Aus 
lat.  benedicere.     Als  Gaunerwort  1737  belegt. 

Benzoe,  n.  (-s):  gewürzhaftes  Harz  des 
Benzoebaumes.  Bei  Franck  Weltb.  1534  S.219b 
Benzui,  bei  Lonicerus  1587  Benzoi,  aus  span. 
benjui  m.,  franz.  benjoin  m.,  ital.  helzuino, 
balgivi  m.,  wohl  aus  arab.  luhän  dschäwl 
«javanischer  Weikrauch». 

beobachten,  v. :  in  Obacht  nehmen ;  streng 
einhalten;  anhaltend  wonach  sehen.  Im  17.  Jh. 
(Harsdörfer  Gespr.  1,  287). 

bequem,  dichterisch  auch  noch  bequeme 
(Goethe  2,  268),  adj.  und  adv.:  zukommend, 
passend,  nach  Wunsch  sich  fügend;  ange- 
messen zum  Gebrauch  ohne  Beschwerlichkeit; 
Beschwerlichkeit  scheuend.    Mit  Abfall  eines 


205 


beramen 


bereuen 


206 


e  aus  mhd.  hequceme  (obd.  meist  heJcceme, 
hekoeme),  ahd.  biquämi,  dazu  mnd.  bequeme, 
ndl.  hekivaam,  vgl.  ags.  geaveme  «passend».  Zu 
bekommen  (Prät.  ahd.  biquam,  PI.  biquämun) 
in  devBed.  «zukommen,  passend  sein».  ABL. 
bequemen,  v.:  passend  machen.  Meist  refl. 
sich  bequemen,  v.:  sich  leicht  in  etwas  fügen. 
Frühnhd.  (1482  im  Voc.  theut.  d2^  bequemen,  J 
bequem  machen  «aptare»).  bequemlich,  adj., 
mhd.  bequcemelich  und  Bequenilichkeit,  f., 
mhd.  becj^ucemelicheit. 

berameu,  s.  anberaumen. 

berappen,  v. :  (studentisch)  bezahlen,  eig. 
Rappen  (s.  d.)  geben.  Aus  der  Gaunersprache. 

beraten,  v.  (Prät.  beriet,  Part,  beraten): 
womit  versehen;  worüber  zu  Rate  gehen, 
etwas  mit  jemand  besprechen;  an  jemand 
Rat  erteilen.  Mhd.  beraten  «mit  rät  (Gerät, 
Von'at,  Zuiüstung)  versehen,  ausmsten»;  in 
rät  (erwägende  Besprechung)  ziehen,  über- 
legen, ahd.  birätan,  «mit  etwas  vollauf  ver- 
sehen, ganz  anfüllen». 

beräuchern,  >.:  woran  Rauch  gehen 
lassen;  schmeicheln.  Bei  Luther  bereucliern, 
während  mhd.  ohne  das  ableitende  -ern.  be- 
r  Glichen . 

berauschen,  v. :  in  einen  Rausch  ver- 
setzen. Refl.  sich  b.,  davon  das  Part.  Prät. 
auch  adjektivisch.     Bei  Krämer  1678. 

Berberis  oder  Berberitze,  f.  (PI.  -n): 
der  Saurach,  Sauerdorn.  Aus  neugr. -lat. 
berberis  f.,  das  auf  dem  gleichbed.  arab.  ber- 
häris  beruht.  Im  älteren  Nhd.  dafür  Berber- 
staude, während  sich  die  Form  Berberitze 
nicht  nachweisen  läßt  (doch  vgl.  mnd.  beve- 
ritte  bei  Diefenbach  -  Wülcker  S.  230).  Unter 
den  Entstellungen  von  Berberis  im  Munde 
des  gemeinen  Mannes  führt  Adelung  auch 
Berivitzen  auf. 

berden  (Jes.  61,  lO),  v.:  sich  gebaren, 
sich  benehmen.     S.  Gebärde. 

berechtigen,  v. :  das  Recht  wozu  geben. , 
Bei  Luther.  Spätmhd.  berehtegen  neben  dem  I 
gewöhnlichen  berehten  ist  «rechtlich  anspre- 1 
chen;   vor  Gericht  entscheiden,  richten». 

bereden,  v.:  wovon  reden;  etwas  durch 
mündliche  Besprechung  festsetzen;  jemand 
durch  mündliche  Rede  zu  einem  Glauben 
bringen  oder  wozu  vermögen.  Mhd.  bereden 
«worüber  reden»,  dann  in  den  angegebenen 
Bedeutungen,  aber  auch  s.  v.  a.  «beweisen, 
dartun,  überführen». 

Beredsamkeit,  f.:  Fertigkeit  in  der  Rede; 
Redekunst.    Von  älternhd.  beredsam,  das  von 


bereden  gebildet  ist;  früher  auch  (mit  Anleh- 
nung an  beredt)  beredtsam  und  Beredtsamkeit 
geschrieben,  was  noch  Adelung  zuläßt.  Um 
1600  auftretend  neben  Beredtheit,  das  1599 
bei  Albertinus  Sendschreiben  2,  4*  steht. 

beredt,  adj.  und  adv.:  fähig  zu  bereden 
(wozu  durch  Redefertigkeit  zu  bestimmen), 
redegewandt.  Eig.  das  Part.  Prät.  von  bereden, 
aber  in  der  ältenihd.  Form  mit  unterdräcktem 
e  der  Endung  (auch  oft  mit  kui'zem  Vokal 
gesprochen).  Mhd.  beredet,  bei  Luther  beredt 
(fiüher  auch  bered,  wie  er  auch  gesand  für 
gesandt  schreibt). 

Bereich,  m.  (-es,  PI.  -e)-.  Umki-eis,  Raum, 
so  weit  die  Befugnis,  die  Macht  reicht.  Bei 
Campe  1807  noch  nicht  verzeichnet;  nach 
Heynatz  1796  von  ihm  eingeführt  und  zuerst 
gebraucht,  dann  auch  von  Goethe.  Von  älter- 
nhd. bereichen  «reichen  bis  an  — ,  erreichen». 

bereichern,  v.:  reicher  (mhd.  riclm') 
machen.  Erst  um  1600  (Albertinus  Ki-iegsleut 
Weckuhr  2,  187).  Frtiher  bereichen,  mhd. 
berichen  «reich  machen». 

bereit,  adj.  und  adv.:  gertistet,  gerichtet 
zur  Tat:  zu  Diensten  stehend.  Mhd.  bereite, 
bereit,  ahd.  bireiti.  Urspr.  wohl  «weg-,  reise- 
fertig», zu  reiten  gehörig  (wie  fei'tig  zu  fahren). 
Vgl.  in  andrer  Zusammensetzung  ags.  gercede, 
(woraus  engl,  ready  «bereit,  feiiig»),  mhd. 
gereite,  anord.  greidr  «bereitstehend,  bequem», 
got.  garaids  «bestimmt,  angeordnet».  ABL. 
bereiten,  v. :  wozu  richten,  anordnen,  mhd. 
bereiten. 

Bereiter,  m.:  wer  Pferde  zureitet  (bei 
Henisch  1616),  Kunstreiter;  beaufsichtigender 
reitender  Beamte  (in  Land-,  Forst-,  Zoll- 
bereiter). 

bereits.  Gen.  des  Adj.  als  Adv.:  schon 
(vgl.  mit  gleicher  Bedeutungsentwicklung  ndl. 
reeds,  alreeds  zu  reede,  engl,  already  zu  ready) ; 
(in  obd.  Umgangssprache)  beinahe.  Bei 
Luther  und  bis  gegen  Ende  des  17.  Jh.  (z.  B. 
bei  Lohenstein  Hyac.  77)  dafür  bereit  (auf 
das  mhd.  Adv.  bereite  zuiückgehend) ,  was 
auch  Stieler  1691  noch  anführt;  bereits  erst 
bei  Krämer  1678.  Bereitschaft,  f.,  mhd. 
bereitschaft  «Ausrüstung,  Gerätschaft,  bares 
Geld»  (in  der  jetzigen  Bedeutung  bei  Krämer 
1678).  bereitwillig,  adj.  und  adv.  Bei 
Krämer  1678. 

bereuen,  v.:  Reue  worüber  empfinden. 
^Ihd.beriuwen nur  vmpersönlich  (mich  beriuwet 
eines  dinges),  was  auch  älternhd.  vorkommt. 
Luther  verwendet  bere^ven  auch  als  trans.  V. 


207 


Berg 


Berserker 


208 


Berg,  ra.  (-es,  PI.  -e):  bedeutende  Erd- 
höhe.  Mhd,  herc  (Gen.  herges),  ahd.  berg, 
herag  m. ;  dazu  asächs.-ndl.  herg  m.,  ags.  heorh 
(Gen.  beorges)  m.  «Grabhügel»,  anord.  berg 
und  bjarg  n.,  schwed.  berg,  dän.  bjerg  n.,  got. 
*bairgs  m.  zu  erschließen  aus  bairgahei  f. 
«Berggegend».  Berg  vielleicht  zu  bergen 
(s.  d.).  Zunächst  gehört  es  aber  mit  Burg, 
arm.  berj  «Höhe»,  kymr.  bry  «hoch»,  altir. 
bri,  Akk.  breg  «Berg»,  zu  aind.  brJiant,  awest. 
bardzan-  «Höhe»,  so  daß  als  Grundbed.  «das 
Hohe,  Erhabene»  anzunehmen  wäi'e.  ZuBerge : 
aufwärts,  stromaufwärts  (schon  mhd.^e  berge). 
Dazu  die  Adv.  bergab,  bergan,  bergauf 
(schon  mhd.).  ABL.  bergig,  adj.^  mhd. 
bergiht  ZUS.  Bergknappe,  m.,  mhd. 
bercknappe  m.  Bergmann,  m.,  1482  im  Voc, 
theut.  y  b^perckmann;  dazu  bergmänniscb, 
adj.,  1590  bei  Albinus  Meißn.  Bergchron.  80. 
Bergwerk,  n.,  mhd.  b&'cwerc. 

Bergamotte,  f  (PI.  -n):  eine  Birnenart. 
Aus  franz.  bergamot,  ital.  bergamotta  f.  Aus 
türk.  beg-armiidu  «Fürstenbirne».  Im  17.  Jh, 
üblich  (1652  bei  Eist  Parnaß  81  Bergamotten- 
birne). 

bergen  (Imp.  birg,  Prät.  barg,  Part,  ge- 
borgen), V.:  wovor  wahrnehmend  in  Sicher- 
heit halten;  der  Wahrnehmung  entziehen. 
Mhd. bergeniYxäi.barc,  Vl.burgen,  Konj.bürge, 
Part,  geborgen),  ahd.  bergan;  dazu  asächs. 
bergan,  ags.  beorgan,  anord.  bjarga,  schwed. 
berga,  dän.  bjerge,  got.  bairgan  «bewahren». 
Mit  Ablaut  gehört  hierher  ags.  byrgan,  engl. 
bury  «begraben»,  asächs,  burgisli,  ags.  byrgels 
n.,  engl,  burials  (PI.)  «Begräbnis».  Aus  dem 
Slav.  wird  abg.  bregq  «bewahre,  behüte»  ver- 
glichen, das  aber  vielleicht  entlehnt  ist.  Be>'g 
(s.  d.)  könnte  verwandt  sein,  weim  das  Verbum 
von  dem  Nomen  abgeleitet  ist.  Vgl.  noch 
Meringer  Idg.  Forsch.  18,  262. 

Bergfried,  m.  (-es,  PI.  -e):  Kampftm-m, 
der  bewegliche  hölzerne,  wie  der  steinerne 
zur  Verteidigung.  Mhd.  bercvrit,  mit  Ausfall 
des  c  bervrit  m.  «hölzerne  Verschanzung  auf 
einem  Berge,  Bollwerk,  Turm»,  zusammenges. 
aus  mhd.  berc  und  vricle  «Schutz».  Aus  dem 
deutschen  Worte  das  mlat.  ber-,  belfredus, 
afranz.  berfroi,  beff roit  «Wachtiurm-»,  ital.  (mit 
Anlehnung  an  battere  «schlagen»)  battifredo  ra. 

bergig,  Bergknappe,  -mann,  -werk, 
s.  Berg. 

Bericht,  m.  (-es,  PI.  -e)-.  (veraltet)  be- 
lehrende Zurechtweisung;  mündhche  oder 
schi-iftüche  Darlegung   woiniber,   namentHch 


eines  üntem  an  seinen  Obern.  Mhd.  beriht 
m.  und  f.  (dies  auch  noch  bei  Luther)  «Mit- 
teilung, Belehrung,  Versöhnung».  Von  be- 
richten, V.:  zurechtweisen,  zui-echtweisend 
belehren ;  Kunde  wovon  oder  woiüber  geben ; 
mündlich  oder  schriftlich  darlegen.  Mhd.  be- 
rihten  «recht  machen,  in  gehörige  Ordnung 
bringen,  eimichten,  bestellen,  schlichten,  unter- 
weisen, belehren». 

berichtigen,  v.:  richtig  machen.  Zuerst 
bei  Adelung  1774  verzeichnet.  Früher  erscheint 
in  gleicher  Bed.  berichteil  (s.  d.).  Schon  spät- 
mhd.  berihtigunge  f.  «Vertrag,  Vergleich». 

beritten,  adj.-.  zu  Pferde  sitzend;  mit 
einem  Pferde  zum  Reiten  versehen.  Mhd. 
beriten.  Eig.  Part.  Prät.  von  bereiten,  mhd. 
beriten  « (das  Reittier)  aufsitzend  in  Bewegung 
setzen,  (eine  Fläche)  reitend  durchziehen». 

Berkän,  m.  (-es,  PI.  -e):  Zeug  aus  Ziegen- 
haar und  Wolle.  Mhd.  barkän  m.  s.  Barchent. 

Berline,  f.  (PI.  -n):  bedeckter  Reise- 
wagen,   der  zurückgeschlagen  werden  kann. 

o        ■  CO 

Im  18.  Jh.  aus  dem  gleichbed.,  bereits  1712 
vorkommenden  franz.  berline  f,  eig.  «Berliner 
(zuerst  von  Berlin  nach  Paris  und  da  in 
Gebrauch  gekommener)  Wagen». 

Berlocke  auch  Brelocke,  f.  (PI.  -n): 

Uhrgehängsel.  Im  18.  Jh.  aus  franz.  breloque, 
hennegauisch  berloquei.,  «zierliche  Kleinigkeit 
geringen  Wertes,  Anhängsel»,  das  man  aus 
lat.  iis  und  anord.  lökr  m.  etwas  «Herab- 
hangendes» erklärt. 

Bernhard,  Mannsname,  mhd.  Bernhart, 
ahd.  Berinhart. 

Bernstein,  m.  (-s):  gelbes  brennbares 
Erdharz.  Von  ndd.  bernen  (mit  Metathese, 
vgl.  bersten)  «brennen,  schmelzen»,  also  eig. 
Stein,  der  im  Feuer  schmilzt,  vgl.  börnen. 
Älternhd.  Nebenformen  sind  Bornstein,  Barn- 
stein (auch  ndl.  barnsteen  m.).  Schon  im 
13.  Jh.  erscheint  mnd.  bornsten,  1475  im 
Teuthonista  bern-,  barnstein,  auch  in  hd. 
Glossaren  des  15.  Jh.  schon  bernstein  (selten 
brenn-,  brennenstein).  Bornstein  im  16.  Jh., 
z.  B.  bei  Mathesius  Sar.  61*,  Fischart  Garg. 
397,  auch  noch  bei  Henisch  1616  neben  Barn- 
stein; 1598  bei  Hutterus  Dict.  792  Börnstein. 
Schottel  S.  512  hat  nur  Bernstein.  Im  Ahd. 
heißt  der  Bernstein  gismelzin.,  von  schmelzen, 
im  Mhd.  agestein  eig.  Magnet,  auch  älternhd. 
oft  Ägstein  (s.  d.).     Vgl.  auch  Glas. 

Berserker,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg,):  von 
Kampfeswut  erfüllter  Krieger  (bei  Goethe 
29,  87   Berserkerwuth).      EuÜehnt   aus   dem 


209 


bersten 


Besanmast 


210 


ffleichbed.  anord.  herserkr  m.,  eig.  «Bären- 
kleid» (her-  «Bär»,  serkr  «Kleid»),  dann 
«Männer  in  Bärengewand,  die  von  tierischer 
Wut  befallen  und  mit  unwiderstehlicher  Ge- 
walt sich  auf  alles  Lebende  stürzen,  um  es 
zu  vernichten». 

bersten  (Imp.  hirst,  Prät.  barst,  Part. 
geborsten),  v.:  auseinanderbrechen.  Mit  Um- 
stellung des  r  (entsprechend  dem  Md.  Ndd.) 
aus  mhd.  bresten  (Prät.  brast,  PI.  hrästen, 
md,  auch  brüsten,  Part,  gebrosten),  ahd.  hrestan, 
unpers.  anch  «mangeln,  gebrechen»  (s.  Ge- 
bresten): dazu  asächs.  hrestan,  anord.  bresta 
und  mit  gleicher  Umstellung  wie  im  Xhd. 
ndl.  barsten,  afries.  bersta,  ags.  berstan,  engl. 
burst.  Gehört  zu  brechen  oder  zu  air.  hrissim 
«breche»,  gr.  trepOuj  «zerstöre».  S.  Walde 
unter  frustum.  Das  Wort  ist  von  Luther 
aus  dem  Md.  eingeführt  und  dem  Obd. 
urspr.  fremd  (bei  Dasypodius,  Maaler  und 
selbst  Dentzler  nicht  angeführt).  Das  Prät. 
lautet  ältemhd.  auch  borst  (Schottel  S.  581 
erborst,  auch  noch  Brockes  1, 151,  Bürger  203), 
davon  noch  jetzt  der  Konj.  börste.  Imp.  birst, 
Präs.  birstet,  birst  auch  schwach  gebildet: 
berste,  berstest,  berstet. 

-bert,  an  Mannsnamen  wie  Ädelbert,  Albert 
(s.  Adel),  Hubert  usw.,  bed.  s.  v.  a.  «glänzend, 
leuchtend».  Aus  mhd.  herht,  ahd.  beraJit 
«glänzend,  leuchtend»;  dazu  asächs.  berht, 
ags.  beorht,  engl,  bright,  anord.  bjartr,  got. 
bairhts  «offenbar».  Weiter  vergleicht  man  lit. 
birsti  «wird  weiß»,  s.  Wiedemann  Idg.  Forsch. 
1,512,  gr.  cpopKÖv  XeuKÖv,  iroXiöv,  ^ucöv  Hes., 
Grienberger  Wiener  SB.  142,  43.  Vgl.  auch 
-brecht.  Davon  der  Frauenname  Berta,  mhd. 
Berhte,  ahd.  Berahta,  Berhta.  Zusammenges. 
mit  bert  ist  auch  der  Mannsname  Bertold, 
mhd.  Berhtolt,  ahd,  Berahtolt,  in  dem  -olt 
auf  -walt  zurückgeht. 

Bertram,  m.  oder  n.  [-es,  PI.  -e):  die 
Geifensurz,  lat.-gr. pyrethrum.  Frühnhd.  auch 
noch  berchtram,  brechtram,  mhd.ahd.herhtram 
an  den  deutschen  Mannsnamen  Berhtram, 
Bertram  d.  i.  «glänzender  Rabe,  Glanzrabe» 
angelehnt  und  so  mit  deutschem  Klang  aus 
dem  gr.-lat.  Namen  der  Pflanze  pyrethrum, 
gr.  TTÜpeepov  n.,  abgeleitet  voniröpn.  «Feuer» 
und  nach  dem  scharfen  brennenden  Geschmack 
der  Wurzel  benannt.  Der  Name  Geifer-  oder 
Speichebcurz ,  weü  die  Wurzel  gekaut  den 
Speichel  stark  zusammenzieht. 

berüchtigt,  adj.:  worüber  übles  Gerede 
(Gerücht)  umläuft.    Eig.  das  Part.  Prät.  von 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


beriichtigen  «in  übles  Gerede  bringen»,  das 
aus  dem  Ndd.  stammt  (mnd.  heruchtigen, 
berochtigen  neben  der  einfacheren  Bildung 
beruchfen),  aber  im  15.  Jh.  auch  in  md. 
Quellen  zu  finden  ist  (1469  heruchtigen  im 
mittelrhem.  Voc.  ex  quo  «infamare»,  1501  im 
j  Leipziger  Voc.  optimus,  vgl.  auch  Diefenbach- 
1  Wülcker  195).  Über  rüchtigen  s.  ruchbar 
und  Gerücht. 

berücken,  v.:  Hstig  täuschend  fangen, 
eig.  das  Netz  über  die  gefangenen  Vögel 
rücken  (Pred.  9,  12);  unvermutet  überfallen 
und  zu  Schaden  bringen,  betören.  Durch 
Luther  eingeführt. 

berücksichtigen,  v.:  Rücksicht  worauf 
nehmen.  Zuerst  von  Campe  1807  als  Wort 
der  Umgangssprache  angeführt. 

Beruf,   m.  {-es,   PL  -e):   (veraltet;   Ruf, 

spätmhd.  feer?«?/ «Leumund»;  Stellung,  in  die 

man  eingewiesen  ist,  Bestimmung,  Amt  fbei 

Luther);  innerer  Antrieb.    Von  berufen,  v.: 

herbei,  zusammenrufen,  zu  etwas  rufen,  mhd. 

beruofen,   ahd.  hihruofen;    zur  Rede   setzen, 

tadeln   (nxhd.  beruofen   mit   Gen.    oder   von, 

umbe):  etwas  unzeitig  und  zumUnheü  nennen 

(frühnhd.,  wie  beschreien,  eig.  nur  laut  von 

,  etwas  reden,   vgl.  mhd.  beruofen  «laut  aus- 

i  rufen»).    ReÜ.  sichber-ufen  (mit  auf):  jemand 

anrufen,  an  jemand  appellieren,  jemand  oder 

etwas    zm*   Bekräftigung    einer   Behauptung 

heranziehen  (mhd,  sich  beruofen  mit  an,  in, 

auch  inti*.  beruofen).     Davon  das  Part.  Prät. 

;  berufen  auch  s.v.a,  «berühmt»  (bei Luther); 

'  bemchtigt,  verrufen  (bei  Fleming  586). 

berühmt,  adj.:  mhmlich  bekannt.  Bei 
Luther.  Eig.  Part.  Prät.  von  herühmen,  mhd. 
berüemen  «rühmen»  (später  nur  s-ich  herühmen 
mit  Gen.). 

Beryll,  m.  {-es,  PI.  -e):  ein  meergrüner 
Edelstein.  Mhd.  herille  fGen.  berillen),  harille 
aus  dem  gleichheä.gv.-lAt.heryllus,  gr.  ßnpuXXoc 
m.f.,  das  ausprakYit.velurijam.veru^ijam.  aind. 
vaidürja  stammt.  S.  auch  Brille. 
besabbern,  s.  sabbern. 
besage,  präp.  mit  Gen.:  nach  Wortlaut. 
Im  Kanzleistil,  schon  frühnhd.,  gekürzt  aus 
spätmhd.nacÄ  besage,  woraus  sich  ein  spätmhd. 
besage  f.  «Wortlaut,  ausdrücklicher  Lihalt» 
ergibt,  abgeleitet  von  besagen,  ahd.  hisagen 
«aussagen». 

,     Besanmast,  m.:  Hintermast,  Besänsegel, 

In.:  Hintermastsegel.    Jenes  das  ndl.  hezaans- 

mast  f.,    zusammenges.    mit    ndl.  hezaan   f. 

«nächster  Mast  am  Hinterteil   des  Schiffes». 

14 


211 


Besatz 


Bescheid 


212 


Das  Wort  ist  wohl  schon  im  16.  Jb,  ein- 
gedrungen, da  Fischart  im  Garg.  117  hesanet 
Schiff  «mit  der  Besan  ausgestattetes»  bat: 
Ludwig  1716  verzeichnet  znerst  Besaant  Da- 
neben erscheint  eine  Form  mit  anlautendem  m 
(im  16.  Jh.  bei  Chytraeus  Moysahn,  bei 
Fleming  584  Meysan  «Besansegel»),  die  dem 
ital,  mezzana,  franz.  mizaine,  engl,  mizzen 
entspricht  und  als  urspiünglicher  anzusehen 
ist;  zugrunde  liegt  lat.  mediana  «die  in  der 
Mitte  befindliche». 

Besatz,  m.  {-es,  PI.  Besätze):  das  womit 
etwas  eingefaßt  (besetzt)  wird.  Junge,  bei 
Adelung  1793  noch  nicht  verzeichnete  Bil- 
dung von  besetzen  (wie  Verlag  von  verlegen, 
Versand  von  versenden). 

Besatzung,  f.  (PI.  -en)-.  die  in  einem 
Orte  liegende  Mannschaft.  Zu  besetzen,  mhd. 
besetzen  «mit  der  nötigen  Mannschaft  ver- 
sehen, bevölkern»,  wie  Bestallung  znbestellen. 
Spätmhd.  besatzunge  (neben  besetzunge)  f.  ist 
«Befestigung»;  Besatzung  in  der  jetzigen  Bed. 
erscheint  bei  Fronsperger  Kriegsb.  1, 115,  wäh- 
rend Luther  dafür  Besetzung  hat  (l.Makk.4,2). 

besaufeu,  v.:  (veraltet)  völlig  trunken 
machen.  Mhd.  besüfen  (Prät.  besouf,  Part. 
besoffen)  «versinken,  ertrinken»,  vermischt 
mit  dem  Faktitivum  besoufen  (Prät.  besoufte), 
ahd.  bisoufen  «ertrinken  machen,  ertränken, 
eintauchen».  Jetzt  nur  refl.  sich  b.  (zuerst 
bei  Krämer  1678). 

beschaffeil,  adj.:  nach  den  Merkmalen 
erscheinend.  Mhd.  beschaffen,  Part.  Prät.  von 
beschaffen  «erschaffen»,  ist  «vorhanden,  be- 
findlich, existierend,  durch  das  Schicksal  be- 
stimmt», während  geschaffen,  Part.  Prät.  des 
einfachen  schaffen,  auch  die  Bed.  von  «ge- 
staltet, gebildet»  hat,  die  bei  beschaffen  im 
17.  Jh.  hervortritt.  ABL.  Beschaffenheit, 
f.:  bestimmte  Art  des  Erscheinens  nach  den 
Merkmalen.  Bei  Henisch  1616.  Mhd.  be- 
schaffenheit  ist  «Schöpfung». 

beschäftigen,  v.:  tätig  (geschäftig)  ma- 
chen. Gebildet  von  einem  unbelegten,  aber 
nach  ndd.  besehe ftich  «geschäftig»  vorauszu- 
setzenden md.  Adj.  bescheftic  (belegt  ist  nur 
in  md.  Quellen  scheftic  «geschäftig,  tätig» 
und  gescheftic).  Bei  Krämer  1678.  In  mhd. 
Zeit  erscheint  dafür  md.  besehe ften. 

beschälen,  v.:  dieStute  befruchten.  ABL. 
Beschäler,  m. :  Zuchthengst.  U^lbescheler 
im  Voc.  theut.  d  3 ^^  neben  scheler  cc  4%  wofür 
mhd.  einfacher  sehet,  ahd.  scelo  m.  «Schell- 
hengst» (s.  d.). 


beschaulich,  adj. :  auf  innere  Betrachtung 
gerichtet.  Spätmhd.  beschouivelich  (in  der 
deutschen  Theologia),  von  beschourven,  das 
bei  den  Mystikern  (nach  lat.  contempläri') 
von  der  inneren  seelischen  Betrachtung  ge- 
sagt wurde. 

Bescheid,  m.  (-es,  PI.  -e):  genaue  unter- 
scheidende Kenntnis;  genaue  Auskunft  wor- 
über; schlichtende  Erkenntnis  in  einer  Rechts- 
sache; zukommende  Erwiderang  (auch  beim 
Trinken,  vgl.  bescheyd  thun  bei  Dasypodius 
1587,  Alberus  Fab.  8,  60).  Mhd.  bescheit  m.  n. 
und  bescheide  f.  Von  bescheiden,  v. :  (ehe- 
dem völlig  scheiden,  dann)  gehörig  ausein- 
andersetzen; worüber  genauen  Bericht  geben, 
bestimmt  benachrichtigen ;  ein  die  Rechtssache 
schlichtendes  Erkenntnis  erteilen;  vorladen; 
zuteilen.  Refl.  sich  bescheiden  «zui*  klaren 
Erkenntnis  wovon  kommen,  in  einsichtsvoller 
Weise  sich  in  seinen  Wünschen  und  An- 
sprüchen beschränken».  Mhd.bescheiden  «völlig 
scheiden,  entscheiden,  schHchten,  einrichten, 
bestimmen,  benachrichtigen,  zuteilen».  Davon 
das  alte  Part.  Prät.  bescheiden  als  Adj. 
(aber  sonst  beschieden  s.  scheiden):  1)  (ver- 
altet) Bescheid  wissend,  erkenntnis-,  einsichts- 
voll (Schiller  Teil  1,  4.  5, 1),  mhd.  bescheiden; 
2)  zum  Refl.  (ebenfalls  veraltet)  zurückhaltend, 
maßhaltend,  züchtig  (so  zuweilen  schon  mhd., 
z.  B.  Wigalois  155,  1,  dann  in  friihnhd.  Glos- 
saren, z.B.  1482  im  Voc.  theut.  d4^  bescheydener 
«tranquillus»,  in  andern  Glossaren  «modestus», 
bei  Maaler  1561  «züchtig»);  mäßig  in  Wunsch 

und  Anspruch  (im  17.  Jh.).  ABL.  Be- 
scheidenheit, f. :  Mäßigkeit  in  Wunsch  und 
Anspruch.  Mhd.  bescheidenheit  ist  dagegen 
«richtige  (alles  wohl  auseinanderlegende  und 
haltende)  Einsicht  und  Beurteilung,  Verstän- 
digkeit» (so  noch  Luther,  doch  schon  1501 
im  Voc.  opt.  R  2^  «meßigkeit,  modestia»,  bei 
Maaler  1561  «moderatio,  verecuudia»).  be- 
SCheidentlich,  adj.undadv.:  der  Mäßigkeit 
in  Wunsch  und  Anspruch  gemäß.  Mit  ein- 
getretenem t  aus  mhd.  bescheidenlich  «ver- 
ständig, den  Umständen  angemessen,  ge- 
bührlich, deutlich».  -^?7<S.  Besch  eidessen,  n.: 
was  man  den  Nachbarn  von  einem  Schmause 
oder  Schweineschlachten  zuschickt,  dann  was 
Gäste  beiseite  legen  und  den  Ihrigen  nach 
Hause  senden  oder  bringen,  damit  sie  gleich- 
sam Bescheid  tun  d.  h.  nachessen.  Im  altern 
Nhd.  1482  im  Voc.  theut,  d4'^  und  noch  1717 
Abrahamisches  Bescheidessen  des  P.  Abraham 
a.  S.  Clara. 


213 


bescheinigen 


beschuppen 


214 


bescheinigen,  v.-.  einen  Schein  worüber 
ausstellen.  Bei  Stieler  1691,  aber  noch  in 
der  altern  Bed.  «offenbar  machen,  beweisen». 
Nicht  von  Schein  ausgehend,  sondern  Neben- 
form (mit  Anlehnung  an  das  älternhd.  Adj. 
scheinig,  mhd.  schinec  «leuchtend,  glänzend, 
in  die  Augen  fallend,  sichtbar»)  von  älternhd. 
hescheinen,  mhd.  hescheinen  «sichtbar  machen, 
sehen  lassen, zeigen, beweisen»,  dem  Faktitivum 
zu  dem  starken  V.  hescheinen  (Prät.  heschien), 
mhd.  heschinen,  ahd.  hisMnan  «erleuchten,  er- 
hellen» ist.  Die  jetzige  Bed.  bei  Ludwig  1716 
(daneben  hescheinen   noch  bei  Adelung). 

beSCheLßen,  v.:  mi^  Kot  beschmutzen; 
frech  betmgen.  Mhd.  heschinen  auch  schon 
in  der  2.  Bed.,   ahd.  hisd^an  nur  in  der  1. 

bescheren,  v, :  ein  Geschenk,  als  Geschenk 
zuteilen.  Mhd.  hescheni  (namentlich  von  gött- 
licher Schickung)  «zukommen  lassen,  verleihen, 
bestimmen;^  eig.  «zuteil  gebeir;,  ahd.  hiscerjati 
«abteilen»  oder  «absondern»,  besonders  zur 
Wegnahme  «berauben»;  dazu  ags.  hescyrian 
hescyrtvan  «berauben».  Das  einfache  mhd. 
schet-n,  ahd.  scerjan,  asächs.  skerian,  ags. 
scyrian  ist  «abteilen,  zuteilen,  bestimmen» 
usw.,  abgeleitet  von  Sclmr  (s.  d.).  Ein  andres 
Wort  ist  hescheren  «beschneiden»,  s.  scheren. 

beschicken,  v.:  nach  jemand  schicken, 
ihn  holen  lassen,  mhd.  heschicken:  durch  Ab- 
cfesandte  besuchen  lassen:  in  Ordnung  bringen, 
versorgen  (mhd.  heschicken  ist  «im  Testament 
festsetzen»!,  vgl.  geschickt. 

beschlafen,  v.:  beiliegend  schwängern, 
mhd.  hesläfen:  zum  Überdenken  eine  Nacht 
verziehen  ffrühnhd.). 

Beschlag,  m.  {-es,  PI.  Beschläge):  wider 
anderes  Festgemachtes  zu  Festigkeit  oder 
Zierde  (spätmhd.  heslac  m.,  daneben  auch 
heschläge  u.);  Hufeisen  des  Pferdes  und  dessen 
Befestigung;  äußerer  Ansatz  und  Anflug, 
der  sich  abwischen  läßt;  erhobener  Anspruch 
auf  etwas,  um  es  zurückzuhalten  (erst  bei 
Steinbach  1734,  wohl  aus  dem  Ndd.,  schon 
mnd.  das  V.  heslän  «mit  Beschlag  belegen»). 
Von  beschlagen,  v. :  wider  etwas  schlagen ; 
fest  anschlagen  an  etwas;  befestigend  womit 
überziehen,  einschüeßen,  versehen  z.  B.  das 
Pferd  an  dem  Hufrand  mit  einem  Hufeisen 
(in  diesen  Bedd.  mhd.  heslahen,  ahd.  hislahan) ; 
( weidmännischj  trächtig  machen.  Davon  das 
Part.  Prät.  beschlagen  auch  adjektivisch: 
mit  Kenntnissen  wohl  versehen,  eig.  durch 
Eisenbeschlag  stark  tmd  dauerhaft,  wie  franz. 
fh-re,  (bei  Duez  1664). 


beschleunigen,  v.:  rasch  fördern  (bei 
Stieler  1691).     S.  schleunig. 

beschmaddem,  v.:  voll  schmieren,  be- 
schmieren, besudeln  fWieland  Lucian  1,  331j. 
Bei  Stieler  1691  heschmaderen.  Aus  dem  Ndd., 
zusammenges.  mit  ndd.  smadäern  «beschmut- 
zen, schmieren»,  wohl  aus  älterm  smoddern, 
i  ndl.  smodderen,  das  zu  Schmutz  (s.  d.)  gehört. 
'       beSChnäufeln,     v.:     (von    Jagdhunden) 
'  schnaufend    beriechen,    abgeleitet    von    he- 
I  schnaufen,  s.  schnaufen.     Bei  Adelung  1774. 
I      beschneiden,  v.:  i-ingsum  abschneidend 
I  schneiden;    wegsehneidend    der  Vorhaut   be- 
nehmen.  Mhd.  hesniden,  ahd.  hisntdan.  ABL. 
beschneitein,   v.:    wie   beschneiden    (früh- 
nhd.).     S.  schneiteln. 

beschnellen,  V. :  betrügen.  Veraltet,  aber 
noch  bei  Bürger,  Voß.  Wegen  der  Bedeu- 
tungsentwicklung vgl.  prellen. 

beschnüffeln,  v.:  beriechend  untei-suchen. 
Bei  Lessing  10, 176  ohne  Umlaut  heschnuffeln. 
S.  schnüffeln. 

beschnuppern,  v.:  an  etwas  umhemechen. 
In  einem  md.  Glossar  des  14.  Jh.  hesnoppern 
«naschen».  Bei  Lessing  1,  126  heschnopern. 
S.  schnuppern. 

beschönigen,    v.:    dui-ch    Schönmachen 
verdecken   und   entschuldigen.     Dafür  mhd. 
heschoenen   «schön  machen,   schmücken,  ver- 
herrhchen»,  dann  s.v.a.  «entschuldigen,  recht- 
fertigen». Auch  im  altem  Nhd.  heschönen  (noch 
1758  bei  Nieremberger) ;    das  erweiterte  he- 
schönigen  bei  Steinbach  1734. 
'      beschränken,  v.:  in  Grenzen  (Schranken) 
i  fassen,  einschließen,  einengen.     Eefl.  sich  h. : 
j  sich  in  Grenzen  halten.    Das  Part.  Prät.  be- 
schränkt   auch  adj.:    begrenzt,    allzu    eng, 
,  geistig  unfähig  (bei  Goethe).  Mhd.  hesehrenken 
ist   «um klammem,   einschränken,  verspen'en, 
zu  Fall  bringen,  überüsten»,  ahd.  hiscrenken 
«zu  Fall  bringen,  verleumden». 
,       beschreiben,  v.:   voU  schreiben;  schrift- 
j  lieh  aufzeichnen :  schriftlich  darstellen ;  über- 
j  haupt  darstellen,  schildern  (in  diesen  Bedd. 
]  mhd.  heschrihen) ;  eine  Linie  darstellen,  eig. 
I  beim  Zeichnen,  dann  aber  auch  durch  eigene 
Bewegung. 

beschummeln,    v.:    in   niedriger  Weise 
I  betrügen.    Bei  Adelung  als  ndsächs.  Ausdruck 
für   «durch   Geschwindigkeit   oder   List    be- 
trügen» angeführt.     S.  schummeln. 

beschuppen,   v.:   anführen,   überlistend 

betrügen.    Das  gleichbed.  nd.  beschuppen ;  eig. 

;  hd.  wäre  heschupfen.  Zusammenges.  mit  schup- 

14* 


215 


Beschwerde 


Besitz 


216 


/ew,  md.-ndd.  schuppen  «durch  einen  kurzen 
Schwung  schaukehid  in  Bewegung  setzen,  hin 
und  wieder  stoßen,  überstürzen»,  (mundartlich 
dann)  «übertölpeln,  zum  besten  haben»  (s. 
Schmeller  -  2, 44 1 ),  vgl.  auch  mhd.  underschupfen 
«ein  Bein  stellen  und  so  zu  Falle  bringen, 
mit,  List  verdrängen,  überlisten».  1687  kommt 
in   der  Gaunerspi'ache  schuppen  «betrügen», 

1750  beschuppen  vor:  Adelung  1774  führt 
den  Ausdruck  als  ndsächsisch  an. 

Beschwerde,  f.  (PI.  -n):  Schmerzempfin- 
dung, Betmbnis  worüber,  sowie  Äußerung, 
Klage  derselben;  drückend  Belästigendes.  Mhd. 
heswoerde  f.,  zusammenges.  mit  ahd.  swärida  f. 
«drückende  Last»,  von  schver;  ahd.  swäri.  — 
beschweren,  v.;  schwer  d.  i.  schmerzlich, 
drückend,  lästig  machen  und  sein.  Mhd.  be- 
swceren,  ahd.  (bei  Notker)  beswären.  Refl. 
sich  beschivere7i:  sich  eine  Last  aufladen;  als 
Last  empfinden  (Sir.  7,  39) ;  über  Drückendes 
klagen  (im  16.  Jh.  mit  Gen.  der  Sache).  ABL. 
beschwerlich,  adj.:  drückend  lästig.  Früh- 
nhd. (bei Luther).  Beschwernis, f.:  drückend 
Belästigendes.    Mhd.  besivcernisse  f. 

beschwichtigen,  v. :  durch  Zm-eden  ruhig 
machen.  Aus  dem  Xdd.,  mit  ndd.  cht  für  hd.  ft, 
Ableitung  von  ndd.  swichten,  mhd.  swiften 
«stillen,  dämpfen»,  das  von  mhd.  sivift  «ruhig» 
gebüdetist;  ahd.giswiftoyi  «stille  sein,  schwei- 
gen». Der  zugrunde  liegende  Stamm  wohl 
auch  in  got.  sweiban  «aufhören,  nachlassen». 
Das  von  Adelung  1793  noch  nicht  angeführte 
Wort  braucht  1778  Hermes  Sophiens  Reise 
6,  636:  1795  wird  es  von  Campe  Bereichei-ung 
empfohlen;  Wieland  führt  dann  1797  das  schon 
1774  von  Klopstock  gebrauchte  schwicMigen 
in  die  neue  Bearbeitung  der  Belsora  Suppl. 
2,  65  ein  (bemerkt  aber  S.  79,  daß  das  Wort 

1751  außerhalb  Medersachsens  unbekannt  ge- 
wesen sei),  von  da  an  wird  b.  oft  gebraucht. 

beschwören,  v. :  mit  Beteuerungen  bitten ; 
durch  Zauberspruch  vergewaltigen,  schwörend 
bekräftigen.  Mit  Entwicklung  eines  e  aus  ö 
(s.schivören)  aus  m]id.beswern,  ahd.  bisiverian; 
got.  (ohne  J -Verstärkung  im  l*räs.)  bisivaran. 

besebeln,  v. :  betrügen.  In  der  Gauner- 
sprache. Schon  frühnhd.  auch  literarisch  (z.  B. 
besebeln  Mathesius  Sai-.  78'',  224*,  bese feien 
Fischart  Garg.  302,  davon  dann  Besebler  «Be- 
trüger» Mathesius  Sar.  276%  Beseffler  Mo- 
scherosch  Phil.  2,  629).  Eig.  beseheißen  (im 
Lib.  vag.  sefeln  «scheißen»)  zu  hebr.  arm.  zebel 
«Mist,  Kot».  Doch  vgl.  auch  sabbeln,  sabbern 
«den  Speichel  fließen   lassen,    beschmutzen». 


beseitigen,  v.:  auf  die  Seite,  weg  schaffen. 
Weiterbildung  eines  altem  beseiten,  nach  Hey- 
natz 1796  nur  in  obd.  Staatsschriften,  dann 
bei  Campe  1807. 

beseligen,  v. :  in  hohem  Grade  beglücken, 
eig.  selig  (s.  d.)  machen.  Frühnhd.  (auch  bei 
Luther),  aber  in  der  Bed.  «begaben»  (noch 
bei  Stieler  1691,  doch  daneben  die  jetzige  Bed.). 

Besemer,  s.  Desem. 

Besen,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  Kehrwerkzeug, 
Rutenbündel  zur  Zucht;  (studentisch)Mädchen, 
namentlich  niedem  Standes  (seit  Ende  des 
18.  Jh.  nachzuweisen,  doch  jedenfalls  weit 
älter,  Hausbäsem  als  Schimpfwort  schon  bei 
Fischart).  Mit  Abschwächung  des  Suffixes  zu 
-en  (doch  Besem  noch  bei  Steinbach  1734, 
auch  bei  Goethe,  z.  B.  14,  308  auf  Besmen) 
aus  mhd.  besenie  (Gen.  besemen,  dann  auch 
stark),  ahd.  besamo  m. ;  dazu  ndl.  bezem,  ags. 
besma  m.,  engl,  besom.  Dunkler  Herkunft. 
Redensart:  neue  B.  kehren  gut  «wer  neu  im 
Amt  oder  Dienst,  ist  zu  eifrig,  ist  übertätig» 
(schon  bei  H.  Sachs  21,  80  die  newen  Besen 
keren  ivol  und  im  Vridanc  50,  12  der  nimce 
beseme  keret  rvol).  Dim.  Besenchen,  n., 
bei  Goethe  auch  noch  Besemchen  und  gekürzt 
Besehen  (31,  99).  ZUS.  Besenstiel,  m.,  mhd. 
besemstil,  bei  Goethe  (Faust  2308)  auch  s.v.a. 
Hexenmeister,  vom  Ritt  der  Hexen  auf  Besen 
(Ebd.  3835). 

besessen,  als  Adj.  gesetztes  Part.  Prät. 
von  besitzen  (s.  d.):  von  einem  innewohnen- 
den bösen  Geiste  ganz  eingenommen  oder 
geplagt.     So  schon  mhd,  bese^^en. 

besichtigen,  v.:  in  Augenschein  (Sicht) 
nehmen.  Im  15.  Jh.  tritt  besichten,  daneben 
auch  schon  das  weitergebildete  besichtigen 
(1507  bei  Wilwolt  von  Schaumburg  80,  auch 
bei  Luther)  auf. 

Besing,  s.  Beere. 

besinnen,  refl.  v.:  etwas  durch  feste 
Richtung  der  Sinne  im  Geiste  wieder  gegen- 
wärtig machen.  Mhd.  besinnen  (mit  st,  u. 
schwacher  Flexion)  «mit  fester  Richtung  der 
Sinne  in  Überlegung  ziehen,  zur  Erkenntnis 
bringen,  erachten»,  refl.  sich  b.  «nachdenkend 
sich  bewußt  werden».  Das  Part.  Prät.  als 
Adj.  gesetzt  besonnen:  gefaßten  Sinnes  und 
überlegt,  mhd.  hesunnen  und  besinnet  (daher 
auch  älternhd.  bis  ins  18.  Jh.  besinnt).  ABL. 
Besinnung,  f. :  Überlegung ;  Kraft  der  Über- 
legung.    Erst,  bei  Adelung  1793. 

Besitz,  m.  {-es):  Innehaben  einer  Sache 
zu  voUer  Verfügung,     Im  15.  Jh.  (1482  im 


217 


besoifeu 


Bestand 


218 


Voc.  theut.  d  4^,  aber  in  der  Bed.  Belagerung), 
dann  bei  Lutber  (5  Mos.  33,  23)  in  der  Bed. 
«Besitzung,  besessener  Grund  und  Boden»  und 
später,  doch  anfangs  noch  selten.  Mbd.  dafür 
heseg  m.  n.  Im  18.  Jb.  im  Besitz  sein  «die 
Macbt  wozu  haben,  in  der  Lage  sein»  (Schiller 
4,  117).  Von  besitzen,  v.:  innehaben  zu 
freier  Verfüonns.  Mhd.  besitzen,  ahd.  hisizzen, 
eig.  «umsitzen»,  daher  auch  «belagern»,  dann 
auch  in  der  jetzigen  Bed. ;  dazu  a.sAth.'i.hisittian, 
ags.  hesittan.  S.  auch  besessen.  ABL.  Be- 
sitztum, n.,  erst  im  17.  Jh.  (Zesen  Ibr.  427 
Besitztuhm).  Besitzung,  f.,  mhd.besitzunget 

besoflFen,  als  Adj.  gesetztes  Part.  Prät. 
von  besaufe)i  (s.  d.):  aus  ünmäßigkeit  völlig 
betrunken  (1697  bei  Ettner  unw.  Doctor84l). 

besolbern,  s.  besulbem. 

besonder,  adj.:  für  sich  als  Teil  eines 
Granzen  von  anderm  getrennt ;  als  eigentümlich 
auszuscheidend;  vor  anderm  hei-vorzuhebend. 
Das  Adj.  taucht  erst  im  14.  Jh.  spärlich  auf, 
gebüdet  aus  dem  mhd.  Adv.  besunder  «in  Ab- 
gesondertheit, im  einzelnen,  vorzüglich»,  ent- 
standen aus  be-  als  Abschwächung  der  mhd. 
Präp.  M  «bei»  und  dem  Adv.  sunder,  ahd. 
suntar  (s.  sonder).  Davon  mit  genetivi- 
schem s  das  Adv.  besonders.  Frühnhd. 
(bei  Liliencron  3,  395  v.  J.  1521  besunder s, 
bei  Luther  besonders). 

besorgen,  v.:  mit  Sorge  bedenken,  mit 
Sorge  entgegensehn,  mhd.  besorgen,  ahd.  bi- 
soragen  (auch  refl.  sich  b.  mit  Gen.):  Sorge 
um  etwas  tragen,  die  Sorge  wofür  über- 
nehmen (auch  mhd.  ahd.);  (abgeschwächt) 
auszviführen  übernehmen.  Das  Part.  Prät. 
besorgt  adjektivisch:  Sorge  habend  worum, 
fürsorgend  bedacht,  angstbewegt,  mhd.  be- 
sm-get.  ABL.  besorglich,  adj.  u.  adv.,  früh- 
nhd. Besorgnis,  f.,  erst  im  18.  Jh.  (Heynatz 
1796  führt  es  als  neues  Wort  auf,  das  von 
verschiedenen  guten  Schriftstellern  gebraucht 
werde).     Beide  zu  besorgen  in  der  l.Bed. 

besprechen,  v.:  geradezu  ansprechen 
('Schiller  Zerst.  v.  Troja  Str.  48j;  in  Anspruch, 
in  Beschlag  nehmen  (Goethe  21,  253;  29,  252. 
Schiller  Parasit  1,  5);  verabreden  (Goethe  86, 
153);  durch  Hersagen  von  Spruch  oder  Formel 
einwirken  auf  — ;  mündlich  be-,  verhandeln. 
Refl.  sich  b.:  sich  miteinander  unterreden, 
besonders  worüber.  Mhd.  besprechen  «an- 
reden, bitten,  beschuldigen,  vei'abreden»,  auch 
sich  b.  «sich  durch  Sprechen  miteinander 
beraten»,  ahd.  bisprehhan  auch  «herabsetzen, 
tadeln,  rügen,  verurteilen».     Die  Bed.  «zau- 


i  berisch  einwirken  auf  — »  erst  bei  Adelung 
1774  (doch  schon  mnd.  bespreJcen),  die  Bed. 
<•< mündlich  verhandeln»  ist  ganz  jung  (noch 
nicht  bei  Campe  1807). 

besser,  adj.  u.  adv.:  anderm  vorzuziehend, 
vorzüglicher;  noch  mehr  als  anderes.  Der 
übliche  Komparativ  des  Begriffes  gut.  Mhd. 
be^^er,  ahd.  be^^iro  (mit  schwacher  Flexion); 
dazu  asächs.  betero,  ndl.  beter,  ags.  betera, 
engl,  better,  anord.  betri,  schwed.  bättre,  dän. 
bedre,  got.  batiza.  Als  Adverb  steht  mhd. 
ba^  (s.  baß,  auch  wegen  der  Etymologie), 
nhd.  aber  besser.  ABL.  bessern,  v.:  besser 
machen,  refl.  sich  bessern  «besser  werden». 
^Ihd.be^ßern,  ahi.be^girön.  Davon  Besserung, 
f.,  mhd.  beg;^e)-unge,  ahd.  be^^irunga. 

best,  Superlativ  zu  dem  Kompar.  besser 
(s.  d.).  Mhd.  be^^est,  be^^ist,  meist  verkürzt 
(mit  Schwinden  des  55  vor  s)  best,  ahd.  beß^ist: 
dazu  asächs.  betest,  betst,  ndl.  best,  ags.  betest, 
betst,  engl,  best,  anord.  beztr,  schwed.  bäst, 
dän.  bedst.  Redensarten:  zum  Besten  geben 
eig.  «bei  einem  Fest  als  Preis  (das  Beste) 
aussetzen»,  dann  «überhaupt  für  eine  GeseD- 
schaft  spenden,  preisgeben»  (im  17.  -Th.  bei 
A.  Gryphius);  zum  Besten  haben  «verspotten, 
anführen»,   eig.  wohl   «als  Zielscheibe   beim 

,  Preisschießen  bestimmen»,  dann  «zum  Ziel 
von  Angriffen  machen»  (1715  bei  Ettner 
Hebamme  196;  im  17.  Jh.  dagegen  zum 
Besten  Imben  «als  Gewinn  davonti'agen»). 
ABL.  bestens,  adv.,  im   17.  Jh. 

bestallt,  adj.:  in  ein  Amt  eingesetzt, 
namentlich  in  dem  kanzleimäßigen  ivohlb. 
Ein   erstarrtes  Part.  Prät.   mit   Rückumlaut 

\  von  bestellen  (s.  d.),  denn  mhd.  bestellen  bildet 
im  Prät.  bestalte,  Part,  bestalt  und  bestellet. 
Zuweüen  wird  zu  bestallt  ein  Inf.  bestallen 
gebildet  (schon  mhd.  in  md.  Quelle  bestallen 
«besetzen»).  —  Bestallung,  f.:  Übertragung 
einer  Stelle;  amtliche  Stelle,  sowie  die  damit 
verbundene  Besoldung.  Im  15.  Jh.  bestallunge 
f.  Gebildet  von  bestellen,  wie  Besatzung  von 
besetzen. 

Bestand,  m.  [-es,  PI.  Bestände):  das 
Standhalten,  Festbleiben,  Dauer;  aUes  zu- 
sammen was  ein  Ganzes  ausmacht;  (obd.) 
Pacht,  Miete  (das  Sein  worin  für  eine  Dauer). 

I  Im   15.  Jh.   bestant  m.,  namentlich  «Waffen- 

^  stillstand»,  dann  auch  «Dauer,  anhaltendes 
Sein,  Pacht,  Miete».   Zu  bestehen.    ABL.  Be- 

\  Ständer  fobd.,  auch  Beständner),  m.:  Pächter. 

(beständig,  adj.  u.  adv.:  festbleibend,  un- 
unterbrochen dauernd,  mhd.  bestendec.  ZUS. 


219 


bestätigen 


Besuch 


220 


Bestandteil,  m.,  bei  Adelung  1774  aus  der 
philosophischen  Sprache. 

bestätigen,  v.:  stetig  (stätig)  d.  i.  fest- 
stehend, beständig,  dauernd  machen  (sich  h. 
bei  Goethe  35,  68);  als  giltig  erklären,  be- 
kräftigend giltig  machen.  Mhd.  hestcetigen 
(daneben  auch  hestceten,  s.  Bestatter),  ahd. 
iiloQstätigm,  von  dem  Adj.s^a%  «stetig»  (s.  d.). 

bestatten,  v.:  feierlich  zu  Grabe  bringen. 
Mhd.  hestaten  urspr.  «an  seine  oder  überhaupt 
eine  Statt  bringen»,  dann  «eine  Statt  geben, 
mit  allem  Nötigen  versehen»,  besonders  «zur 
Heii'at  ausstatten,  zu  Grabe  bringen». 

Bestatter,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  wessen 
Gewerbe  es  ist  die  Versendung  von  Gütern 
zu  besorgen,  der  Spediteur.  Am  Rhein.  Von 
bestatten  «mit  Leistung  von  Sicherheit  ver- 
bundene Versendung  von  Gütern  besorgen» 
mit  Kürzung  des  Vokals  aus  mhd.  hestceten 
«beständig  machen,  festgesetzt  machen»,  dann 
«Sicherheit  leisten  für  — ».  Schon  im  15.  Jh. 
in  Frankfurt  hesteder  (Diefenbach-Wülcker 
S.  209) ;  Adelung  hat  noch  richtiger  Bestäter. 

bestechen,  v.:  rings  um  etwas  stechen; 
in  etwas  stechen,  einstechend  versuchen  (in 
der  Bergmannsprache,  schon  mhd.);  durch 
Geld  zu  einer  unrechten  Handlung  verleiten, 
die  Vorteil  bringt;  (übertragen)  für  sich  ein- 
nehmen. Die  3. Bed.  erscheint  friihnhd.  (Sallust 
R  2),  daneben  auch  einfaches  stechen  (z.  B. 
mit  gelt  gestochen  Sallust  S  2,  stechen  mit 
geschenckenhut\ieTb,4:\S^  Jen.,  mit  gelt  stechen 
Franck  Chr.  66**);  sie  geht  vielleicht  von  der 
2.  Bed.  aus,  bestechen  also  eig.  «auf  die  Probe 
stellen,  versuchen »  (in  diesem  Sinn  auch  mhd. 
stechen).  ABL.  bestechlich,  adj.,  erst  bei 
Adelung  1793. 

Besteck,  n.  (-[e]5,  PI.  -e)-.  das  Futteral, 
in  das  gewisse  zusammengehörige  Werkzeuge 
eingesteckt  und  in  dem  sie  getragen  werden, 
sowie  diese  Werkzeuge  selbst;  Messer  und 
Gabel  (die  früher  oft  in  einem  Futteral  ge- 
tragen wurden).  Frühnhd.  (Fischer  1,  937). 
Bei  Stieler  1691   auch   Gesteck. 

bestehen,  v.:  l)  intrans.  (worauf,  worin) 
Stand  halten,  fest  bleiben,  woraas  gebildet 
oder  zusammengesetzt  sein,  überhaupt  sein. 
2)  trans.  feindlich  entgegenstehen;  kräftig 
(fest  stehend)  unternehmen  oder  durchdauern ; 
stehend  räumlich  einnehmen.  Mhd.  hestän, 
ahd.  histantan,  histän  «Stand  halten,  stehen 
bleiben;  bleiben;  umstehen,  stehend  besetzen, 
feindlich  angreifen,  überfallen»,  mhd.  auch  s.v.  a. 
«als  Lehensträger  oder  Mieter  übernehmen». 


bestellen,  v. :  wohin  zu  festem  Stand  an- 
weisen (Jos.  10,  18;  2  Kön.  7,  17);  in  ein  Amt 
einsetzen  (2.  Chron.  19,  5);  wohin  bescheiden 
oder  zu  kommen  laden;  beauftragen  zu  fer- 
tigen; in  Stand  setzen,  bestimmt  ordnen,  zu- 
richten; zur  Besorgung  befördern.  Mhd.  be- 
stellen «rings  umstellen,  besetzen»  (namentlich 
mit  Bewaifneten),  «einsäumen,  m  den  Stand 
setzen,  bestimmen,  anordnen,  Oi'dnen,  als  Ei- 
gentum, zur  Nutzung  überweisen,  zur  Stelle 
bringen,  besorgen»,  ahd.  histellen  «rings  um- 
stellen, umgeben».     S.  auch  bestallt. 

bestens,  s.  best. 

bestialisch,  adj.:  tierisch  roh,  viehisch. 
Aus  lat.  bestiälis  «tierisch  wild,  viehisch», 
von  bestia  f.  (s.  d.  f.).  Frühnhd.  (1538  bei 
Schaidenreißer  Paradoxa  2  ^,  1 598  bei  Albertinus 
Sendschr.  1,  207"^).  Bestialität,  f.:  tierische, 
viehische  Roheit.  1603  bei  Albei'tinus  Zeit- 
kürzer 50*^  Bestialitet.  Aus  neulat.  bestialitas 
f.  — -  Bestie,  f.:  wildes  Tier.  Aus  lat.  bestia 
f.  «wildes  (Wald-)  Tier»,  bei  Plautus  auch 
Scheltwort.  Schon  mhd.  bestie,  frühnhd.  auch 
als  Scheltwort.  Nd.  früher  Beest  n.,  PI. 
Beeste,  jetzt  auch  Biest  n.,  PI.  Biester. 

bestimmen,  v.:  durch  die  Stimme  be- 
zeichnen, entschieden  bezeichnen,  mhd.  be- 
stimmen «benennen,  mündlich  bezeichnen,  fest 
bezeichnen»;  einem  Gebrauche  oder  einer  Auf- 
gabe zuweisen;  nach  unterscheidenden  Merk- 
malen genau  abgrenzen  (bei  Ludwig  1716); 
entscheidend  zu  etwas  veranlassen  (bei  Ade- 
lung 1774,  zunächst  aus  der  philosophischen 
Sprache).  Davon  das  Part.  Prät.  bestimmt 
in  adjekt.  Gebrauch  «fest  bezeichnet;  genau 
abgegrenzt;  entschieden»,  wie  franz.  Meide 
(erst  bei  Campe  1807). 

bestreiten,  V.:  bekämpfen,  mhd.  bestriten; 
in  der  Rede  entgegentreten;  bewältigen,  An- 
forderungen Genüge  tun  (bei  Stiel  er  1691), 
namentlich  in  Bez.  auf  Kosten. 

bestricken,  v.:  bei-ücken  eig.  im  Stricke 
fangen.     Mhd.  bestricken. 

bestÜrzen,  v.:  durch  Unerwartetes  die 
Geistesgegenwart  verlieren  machen.  Mhd.  be- 
Stürzen, ahd.  bistur zen  «überstürzen,  umwen- 
den», dann  «außer  Fassung  bringen,  verwii-rt 
machen».  ABL.  Bestürzung,  f.,  1626  bei 
Zincgref  Apophth.  1,  23. 

Besuch,  m.  {-es,  PI.  -e):  das  Sichwohin- 
begeben,  um  dort  eine  Zeitlang  zu  verweUen, 
sowie  die  besuchenden  Personen  selbst.  Mhd. 
besuoch  m.  ist  «das  Gehen  nach  einem  Orte, 
um  dort  ein  Recht  (des  Weidens,  Holzsammeins 


221 


besudeln 


Betreff 


222 


usw.)  auszuüben,  sowie  dieser  Ort  selbst»; 
ahd.  besuch  fbeiXotker)  «HeimsuchuBg».  Die 
jetzige  Bed.  bei  Henisch  1616.  Von  besucheo, 
V.:  (veraltet)  durchforschen;  wohin  begeben, 
um  dort  eine  Zeitlang  zu  verweilen.  Mhd.  he- 
suochen  «suchen,  aufsuchen,  untersuchen,  ver- 
suchen, feindlich  angreifen»;  ahd.  Msuohhen 
«versuchen,  auf  die  Probe  stellen», 

besudeln,  V. :  beschmutzen.  In  Glossaren 
des  15.  Jh.  hestidlen,  bei  Luther  hesiiddeln. 
S.  sudeln, 

beSUlberUjV.:  ai-g  beschmutzen.  Mit  Über- 
gang eines  lo  in  &  aus  mhd.  fin  md.  Quellenj 
besulwern,  abgeleitet  von  mhd.  hesuliven,  he- 
sülwen,  dessen  suliven,  sühcen  von  ahd.  sol  n. 
«Kotlache»  (s.  Suhle)  abgeleitet  ist. 

betagt,  adj.:  in  hohem  Alter  stehend. 
Mhd.  hetaget  «in  ein  gewisses  Alter  getreten ;\ 
Eig.  Part.  Prät.  von  einem  V.  hetagen  «mit 
einem  Alter  versehen»  (mhd.  nur  sich  hetagen 
«alt  werden»,  während  hetagen  «Tag  werden, 
als  Tag  bescheinen,  ans  Licht  kommen  usw.» 
ist).    Vgl.  bejahrt. 

betätigen,  v.:  tätig  zeigen,  dm-ch  Taten 
an  der  Tag  legen.  Refl.  sich  h.:  sich  tätig 
zeigen,  namentüch  in  einer  Eigenschaft.  Zu- 
erst bei  Heynatz  1796  als  ein  "Wort  der 
Aftergeschäftssprache,  dann  bei  Campe  1807, 
seit  1805  oft  von  Goethe  gebraucht. 

betäuben,  v.:    empfindungslos,  gehörlos, 
unfähig   zum  Denken,    dumpf  an  Sinn  und  j 
Geist  machen.    Mhd.  (meist  ohne  Umlaut)  he- 
touhen,  eig.  «taub  machen»,  dann  «besinnungs- 
los machen,  betören,  entkräften,  vernichten». 

^Bete,  s.  Bede. 

2  Bete,  f.  (PI.  -n):  Straf satz  im  Karten- 
spiel.    S.  Labet. 

beteiligen,  v.:  Anteil  geben.  Teilnehmen 
lassen.  Refl.  sich  h.:  Anteil  nehmen,  dazu  das 
Part.  Prät.  beteiligt.  Erst  bei  Campe  1807  als 
ebd.  Wort  angeführt.  Ältemhd.  findet  sich  he- 
teüen  «Anteil  woran  geben»,  wie  ndl.  hedeelen. 

Betel,  m.  (-s) :  ostindisches  Rankengewächs, 
dessen  rotsaftige,  bittere,  wohlriechende  Blätter 
gekaut  werden.  Aus  franz.  hetel  m.,  engl,  betle, 
portug.  betere  und  betete  m.,  das  aus  dem  Ma- 
layischen  abgeleitet  wird.  Es  kommt  als  Betete 
schon  1595  bei  Hulsius  Schiffahrten  1,  22  vor, 
bei  Münster  Cosmographey  Asien  Kap.  88. 104 
Betete,  Bettele. 

beten,  v.:  eine  Bitte  an  ein  höheres  Wesen 
aussprechen,  überhaupt  zu  demselben  feierlich 
sprechen.  Mhd.  beten,  ahd.  beton  (mit  Akk. 
der  Person)    eig.  «bitten»,    dann   «zu  einem 


I  hohem  Wesen  bitten,  zu  demselben  feierheh 
sprechen»,  abgeleitet  von  mhd.  bete,  ahd.  beta. 
got.hida  f.  «Bitte,  Gebet.  Entsprechend  asächs. 
hedön. 

beteuern,  v. :  hoch  und  teuer  versichern. 
Bei  Henisch  1616.  Xach  den  Lauten  entspricht 
mhd.  hetiuren,  das  aber  «zu  kostbar  dünken» 
bedeutet,  doch  kommt  spätmhd.  beteurung 
schon  in  dem  Sinne  «Beteuerung»  vor. 

Betonie  oder  Betunie,  f.  (PI.  -n):  GHed- 
kraut,  Schlüsselblume.  Mhd.  hatonie,  ahd.  he- 
tonia,  nach  dem  lat.  Namen  betonica  f.,  nach 
Plinius  hist.  nat.  25,  46  aus  gallisch  vettonica 
nach  dem  am  Tajo  wohnenden  Volk  der 
Vettones.     VgL  auch  Batengel. 

Betracht,  m.  (-es):  Erwägung.  Von 
Adelung  als  obd.  Wort  den  Kanzleien  zu- 
gewiesen, aber  von  Wieland  4,  10  gebraucht. 
Vgl.  Anbetracht.  Mhd.  erscheint  hetrahte  f. 
«Bedachtsein  worauf,  Absicht,  Erwägung, 
tJberlegung».  Von  betrachten,  v.:  mit 
Auge  und  Geist  hingezogen  sein  oder  ver- 
weilen auf — .  Mhd.  betrahten,  ahd.  hitrahtön 
«woraufhin  denken,  worauf  achten,  bedenken, 
erwägen,  ausdenken».  ABL.  beträchtlich, 
adj,  u.  adv,:  was  in  Betracht  kommt,  er- 
heblich. Frühnhd.,  in  der  jetzigen  Bed.  aber 
erst  im  18.  -Jh.  üblich  werdend  (Lessing  7,  SS) 
und  von  Adelung  1793  verzeichnet.  Betrach- 
tung, f.,  mhd.  hetrahtunge  f. 

Betrag,  m.  (-es,  PI.  Beträge):  die  Summe. 
Bei  Steinbach  1734  fmhd.  hetrac  m.  ist  «Ver- 
gleich»), Von  betragen,  v.:  voU  tragen, 
besonders  mit  edelm  Metalle  belegen,  xnhd, 
betragen;  zusammengetragen  (berechnet^  aus- 
machen (bei  Duez  1664).  Refl.  sich  b.:  sich 
im  äußern  Verhalten  zeigen.  ^Ihd.  sich  be- 
tragen (aber  mit  schwacher  Flexion  Prät. 
hetragete,  Part,  betraget)  ist  «sich  nähren, 
sich  behelfen,  auskommen  mit  etwas»,  daim 
auch  «mit  einem  auskommen»,  diese  Bedd. 
auch  noch  ältemhd.,  die  jetzige  zuerst  bei 
Nieremberger  1753.  Davon  der  substanti-snerte 
Lif.  Betragen,  n.  (Lessing  1,  430). 

betrauen,  v.:  Treu  und  Glauben  zu- 
wenden; (einen  mit  etwas  betrauen):  es  ihm 
auf  Treu  und  Glauben  übergeben.  Mhd.  he- 
triiiwen,betrüiven  «in Treue  erhalten, schützen»; 
in  frühnhd.  Glossaren  ist  betrauen  «trauen». 
Stieler  1691  und  noch  Adelung  1793  bezeichnet 
das  Verb  als  unüblich  bis  auf  das  Part.  Prät. 
betraut. 

Betreff,  m.  (-s) :  Beziehung  auf  — .  Aus 
der   Kanzleisprache    bei    Heynatz  1796    und 


223 


betreten 


Bettler 


224 


schon  1755  bei  Dornblüth  S.  169  angefülirt. 
Davon  das  genetivische  Adv.  betreffs  (hei 
Campe  1807 j.  Von  betreffen,  V.:  bei  etwas 
antreffen,  namentlich  bei  etwas  Schlechtem, 
ertappen;  befallen,  zustoßen;  angehen,  Be- 
ziehung haben  auf  — .  In  der  letzten  Bed. 
ist  das  Wort  frühnhd.  (auch  bei  Luther). 
Das  Part.  Prät.  betroffen  auch  adjektivisch 
«unangenehm  bei-ührt,  betreten».  Im  18.  Jh. 
(bei  Geliert,  Wieland,  Lessing). 

betreten,  v.:  auf  etwas  treten;  eintreten 
in  etwas,  beschreiten;  bei  etwas  antreffen, 
ei'tappen,  mhd.  hetreteti  «treffen,  überraschen, 
ergreifen»;  befallen,  zustoßen  (bei  Luther). 
Das  Part.  Prät.  betreten  auch  akjektivisch 
«unangenehm  berühi't,  verwirrt»  (bei  Luther), 

Betrieb,  m.  (-es,  PI.  -e):  das  Treiben 
auf  etwas,  z.  B.  des  Viehes;  Ausübung  einer 
Tätigkeit  (bei  Adelung  1774);  Antrieb  (fiiih- 
nhd.).  Zu  betreiben.  ABL.  betriebsam, 
adj.,  bei  Adelung  1774. 

betroffen,  s.  betreffen. 

betrüben,  v.:  trübe  machen;  (bildhch) 
freudlos-  machen  und  schmerzlich  bewegen. 
Mhd.  betrüeben.  Das  Part.  Prät.  betrübt  auch 
adjektivisch.  ABL.  Betrübnis,  f.,  spätmhd. 
(md.)  betrüebnisse  f.  u. 

Betrug,  m.  (-es):  Täuschung  zu  Nachteil 
oder  Schaden.  Frühnhd.  1501  im  Voc.  opt. 
L  5^  bedruck  «fraus»,  dann  bei  Luther  Betrug). 
Mhd.  dafür  betroc  m.  «Betrug»,  ahd.  bitroc 
«Trugbild». —  betrügen  (Prät.  betrog,  Part. 
betrogen),  v.:  zu  Schaden  oder  Nachteil  täu- 
schen. Mhd.  betriegen,  ahd.  bitriogan.  Älter- 
nhd.  (auch  bei  Luther)  betriegen  und  so  noch 
bei  Gottsched  und  Adelung  und  im  18.  Jh. 
herrschend ;  bei  Goethe  in  der  Ausgabe  letzter 
Hand  durchgeführt.  Daneben  findet  sich  seit 
dem  16.  Jh.  (im  Anschluß  an  Betrug  und 
unter  Einfluß  von  lügen)  betrügen,  das  im 
18.  Jh.  häufiger  wird;  Heynatz  1796  zieht 
es  vor  und  Campe  1807  führt  es  allein  an. 
S.  trügen.  ABL.  Betrüger,  m.,  1482  im 
Voc.theut.d6a  betrieger.  Davon  Betrügerei, 
f.,  spätmhd.  betriegeri.  betrüglich,  adj.  u. 
adv.:  zum  Beträgen  geneigt;  Betrug  mit  sich 
führend.  Spätmhd.  betrieglich,  dann  auch  bei 
Luther,  sich  mischend  mit  betrügelich,  be- 
trogelich,  das  von  betroc  (s.  Betrug)  gebildet 
ist,  ahd.  bitrogalih  «seltsam,  scheußlich». 

Betschwester,  f.:  dm-ch  vieles  Beten 
sich  auszeichnende  weibliche  Person.  Mhd. 
betschwester  f.  ist  «Nonne»,  die  jetzige  Bed. 
im   16.  Jh.  (Nas  Pract,  E7^). 


Bett  (-es,  PI.  -en),  mundartlich  und  in 
der  Dichtersprache  auch  Bette,  n.:  Lager- 
und Schlafstatt,  sowie  Schlafgestell  und  -gerät; 
Gerinne  für  das  Wasser.  Älternhd.  Bette 
(so  bei  Luther),  Bett,  obd.  auch  Beth  (s.  Beet). 
Mhd.  bette,  bet,  ahd;  betti,  beti  n.  «Bett  und 
Beet»;  dazu  asächs.  bed,  ndl.  bedde,  bed,  ags. 
bedd,  engl,  bed,  afries.  bed  n.,  anord.  bedr  m. 
«Polster»,  schwed.  bädd  m.  «Bett»,  dän.  bed  n. 
«Beet»,  got.  badi  n.  «Bett».  Schwei'lich  ist 
die  Bed.  «Beet»  als  die  älteste  zu  nehmen, 
vgl.  Braune  Btr.  23,  250,  aber  man  kann  mit 
Meringer  Wiener  SB.  144,  6, 107  doch  an  Ver- 
wandtschaft mit  lit.  bedeti,  lat.  f ödere  «graben» 
(vgl.  Walde  s.v.),  iQÜ.bedre  «Graft»  denken; 
Bett  wäre  dann  eig.  die  in  die  Erde  einge- 
wühlte Lagerstätte  (der  Tiere).  Die  2.  Bed. 
liegt  bei  afranz.  bied  «Flußbett»  zugrunde.  Der 
Plur.  lautet  mhd.  und  älternhd.  bette,  wie 
noch  Gottsched  Sprachk.  ^  232  ansetzt,  doch 
daneben  schon  im  17.  Jh.  Betten  (Zesen  Jbr. 
498,  Weise  Pol.  Näscher  190),  was  Adelung 
als  herrschend  bezeichnet,  doch  daneben  noch 
Bette  (=  Gebett)  und  als  obd.  Better;  diese 
Form  wird  auch  1772  von  Goethe  39,  16  ge- 
braucht, ABL.  betten,  v.:  die  Stätte  zum 
Liegen,  Ruhen  bereiten.  Mhd.  betten,  ahd. 
befton. 

Bettel,  m.  (s):  das  Bettelngehen;  ärm- 
lich Geringfügiges.  Im  15.  Jh.  (Wyle  161,3). 
Von  betteln,  v.:  anHegend  demütig  bitten; 
um  eine  Armengabe  bitten,  Mhd,  beteten, 
ahd.  betalön,  betolön,  abgeleitet  von  bitten-, 
dazu  ndl,  bedeln.  ABL.  Bettelei,  f.  bei 
Luther,  bettelhaft,  adj.  1691  bei  Stieler. 
Bettler,  m.,  mhd.  betelxere,  ahd.  betaläri  m. 
ZTJS.  bettelarm,  adj.:  bis  zum  Betteln 
arm.  Bei  Ludwig  1716.  Bettelmann,  m., 
mhd,  betelman  m.  Bettelmönch,  m.,  fiüh- 
nhd.    (Brant    Layensp.  M  3^    bettelmünich). 

Bettelsack,  m.,  mhd.  bettelsac  m.  Bettel- 
stab, m.,   mhd.  betelstap  m.     Bettelvogt, 

m.:  Bettelrichter,  im  17.  Jh. 

betten,  s.  Bett. 

Bettlade,  f.:  Bettgestell,  bei  Dasypodius 
1537.  bettlägerig,  adj.:  krank  im  Bette 
liegend,  im  17.  Jh.  (Stieler  1691  hat  dafür 
bettlägericht).  Bettstatt,  f.:  Bettstelle,  mhd, 
bettestat.  Bettstelle,  f.  bei  Adelung  als 
niedersächsisch  (Bedstelle)  aufgeführt.  Bett- 
stoUen,  m,:  Bettpfosten,  mhd.  bettestolle  ni. 
S.  Stollen,  ßettzieche,  f.:  Kissenüberzug, 
mhd.  bettezieche  f.,  ahd.  betteziohha.  S.  Zieche. 

Bettler,  s.  betteln. 


225 


betuclieii 


Beutel 


226 


betüclien  und  betüeht,  adj.  u.  adv.-. 
still  nachsinnend,  stül  in  sich  gekehrt,  ver- 
steckt verschwiegen.  Urspr.  Gaunerwort  für* 
«leise,  stül,  verschwiegen,  geheim»  aus  hebr. 
bätUach  «Vertrauen  habend,  sicher»,  dem 
Part.  (Pass.)  von  hätach  «vertrauen»,  von  den 
deutschen  Juden  hetüche  ausgesprochen.  Auch 
jüdisch-deutsch  hetüches  (bei  Hebel)  «still  in 
sich  gekehrt»,  aus  hebr.  haftuchö,  einer  In- 
finitivbildung  aus  hätach.  In  hetucht  ist  -t 
angetreten.  Doch  scheint  auch  Mischung 
eingetreten  zu  sein  mit  ndd.-ndl.  heducht  (cht 
aus  ft)  «bekümmert,  besorgt»,  md.  (wetterau- 
isch)  hedüft,  bayr.-österr.  heduft,  s.  tüfteln. 

betulich,  adj.:  sich  tätig  zeigend,  rühiig: 
gewandt  und  entgegenkommend  im  Verkehr 
(bei  Goethe  z.  B.  Paläophr.  45).  Von  sich 
hetun:  sich  geschäftig  zeigen  (bei  Stieler  1691 
auch  «sich  bequem  ausbreiten»);  im  Verkehr 
gewandt  ujid  entgegenkommend  sein. 

Betzel,  f.  (PI.  -n):  Haube  oder  Mütze, 
besonders  weibliche.  In  Hessen,  Franken, 
Preußen  (thür.  elsäss.  hetze).     Mhd.  hezel. 

Beuche,  heuchen,   s.  Bauche,  hauchen. 

Beuge,  f.:  Krümmung.  Mhd.  bitige  f. 
heugen,  v.:  biegen  machen;  niederbiegen; 
niederbiegen  ziir  oder  in  Demut;  (gramma- 
tisch) flektieren  (von  Adelung  1774  als  un- 
bequem abgelehnt).  Mhd.  hängen,  ahd.  (bei 
Notker)  hougen;  dazu  asächs.  högian,  ags. 
hegan,  hfgan,  anord.  heygja,  schwed.  höga, 
dM.  böie;  got.  haugjan  fehlt.  Faktitiv  zu 
biegen  (s.  d.).  ABL.  heugsani,  adj.  Bei 
Krämer  1678. 

Beule,  f.  (PI.  -n) :  knotenartig  aufgelaufene 
Erhöhung  am  Köi-per,  besonders  von  Schlag, 
Stoß  u.  dgl.  Mhd.  biule  f.,  ahd.  biulla,  hülla 
(aus  *bulia)  f.  «Blatter»;  dazu  ndl.  huil  f.,  ags. 
hyle,  biß  m.  «Geschwiilst»,  engl,  hile  «Ge- 
schwür», anord.  höla  (für  *hühlön-)  f.  Diese 
Form  erweist,  daß  ein  Guttural  vor  l  verloren 
gegangen  ist;  Beule  gehört  mit  Bühel  (s.  d.) 
zu  biegen.  Vei-wandt  ist  wohl  noch  (mit 
Ablaut)  got.  ufbauljan  «aufblasen».  Doch 
sind  auch  andre  Erklärungen  vorgeschlagen, 
vgl.  Uhlenbeck  PBrBtr.  20,  327,  Johansson  | 
KZ.  36, 364,  E.  Schröder  ZfdA.  42,  62,  Walde  [ 
s.  v.  folium,  fugio,  furunculus. 

Beunde,  f.  (PI.  -w):  umfassendes,  urspr. 
eingefriedigtes,    von    den   Rechten    der   Ge- 
meinde, besonders  ihrem  Viehtrieb  befreites  1 
und    so    zu   ausschließlicher    wie   jeder    be- ; 
liebigen    Nutzung    des    Berechtigten    abge- 
schlossenes Gnindstück.    Mhd.  hiunt,  hiiinde 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


ahd.  hiunt,  hiunta  f.  Da  im  mnd.  biivende 
entspricht,  dürfte  das  Wort  als  zusammen- 
gesetzt aus  mhd.  bi  und  einer  Ableitung  von 
icant  anzusehen  sein,  eig.  worum  sich  der 
Zaun  windet. 

■^ Beute,  f.  (PI.  -n):  hölzernes  Bienenfaß; 
(in  Hessen)  Backtrog,  Backtisch :  hohler  Holz- 
kasten (in  Leipzig  Staarheute  f.  «Brätkasten 
füi-  Staare»).     Spätmhd.  biute  f.  «Backtrog, 
Bienenkorb»  (1470  hd.-mlat.  hiota  f.  «weites 
tiefes  langes  Gefäß,  Ständer»  bei  Diefenbach 
mlat.-hd.-böhm.Wb.  51),  ahd.  bi«f/a  f.  «Bienen- 
faß».    Dazu  ahd.   hiot,  afränk.-mlat.  beudus, 
beodus  (lex  sal.  46,  2),  got.  hiuds  m.  «Tisch», 
(daraus  abg.  bljudo  n.  «Schüssel»),  ags.  beod 
m.  «Schüssel  zum  Auftragen»,  bayr.-schwäb. 
biet  f.  «Kasten  in  der  Kelter»,  Schweiz,  biet  m.  f. 
«Vorder-  oder  Hinterteü  eines  Kahns».     Das 
i  Wort  wird  gewöhnlich  zu  bieten,  got.  biudan 
«dar-,    vorlegen»,    gestellt.      Vgl.    indessen 
Meringer  IF.  16,    159,    Grienberger  Wiener 
SB.   142,  8.      Die    Grundbed.    ist    vielmehr 
Holzblock;    auf  den  Bienenkorb  (urspr.  ein 
ausgehöhlter  Baumstamm)   wegen  der  Ähn- 
I  lichkeit   der  Form  übertragen.     Für  diesen 
j  findet  sich  übrigens  im  15.  Jh.  auch  peicnte 
j  f.,  entsprechend  jetzt  wetterauisch  beune  (aus 
I  beunde)  f.  «Backtrog»  (Crecelius  156). 
I       "Beute,  f.:  Kriegs-,  Jagdgewinn.     'Mhd. 
in  ostmd.  Quellen  bute,  biute  f.,  nebst  dem 
V.  hüten,   hiuten    «erbeuten,   rauben,   Beute 
verteilen»,  aber  auch  s.  v.  a.  «Worte  wech- 
j  sein,   sich   unterreden   und  tauschen».     Der 
j  Grundbegriff  ist  der  des  Wechsels,  des  Um- 
I  tausches,    des  Übergehens   in   andre  Hände. 
I  Das  Wort  ist  aus  dem  Ndd.  mit  unverscho- 
;  benem   t  ins   Hd.   gekommen,    mnd.  bute  f. 
!  «Tausch,  Verteilunsr,  Beute»  und  hüten  «tau- 
sehen,  verteilen,  erbeuten»;  dazu  ndl.  huit  m. 
«Beute»,  anord.  hyti  n.  «Tausch,  Beute»  und 
byta  «tauschen,  verteilen».     Franz.  butin  m. 
«Beute»  aus  dem  Inf.  &?<few  «erbeuten».  Wahr- 
scheinlich zu  sivc.büaid  n.  «Sieg».  Nhd.  findet 
sich  das  Wort  im  Voc.  theut.  von  1482  (e4* 
blähen, peuten «wechßeln» und  jS^pewtnemer 
oder  pewtgeher  «predator»),   dann  1517   bei 
Trochus  hüte  «preda»  und  bei  Luther,  durch 
den    es   allgemein   geworden   ist.      Obd.   im 
16.  Jh.  auch  beugt,  heigt  mit  Anlehnung  an 
Beige. 

^Beutel,  m.  {es,  PI.  wie  Sg.):  eine  Art 
Meißel,  auch  in  den  Zusammensetzungen 
Lochbeutel,  Stechbeutel.  Mit  ndd.  t  für  hd. 
ß  und  eu  für  ei  (bei  Frisch  Beisel).   Es  ent- 

15 


227 


Beutel 


bewegen 


228 


spricht  ndl.  beitel,  mnd.  hetel,  heitel  m.  «Meißel, 
Keil».  Nicht  identisch  mit  dem  folgenden 
Worte,  sondern  zu  beißen  (s.  d.),  lat,  findere 
zu  stellen,  da  dies  auch  vom  Eindringen 
einer  Schneide,  z,  B.  des  Schwertes,  Scher- 
messers gebraucht  wird.  Aind.  entspricht 
hhiduräs  «spaltend»,  bheduram  n.  «Donner- 
keil». 

-Beutel,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  rundes 
Holz  zum  Mürbeschlagen  des  Flachses  vor 
dem  Brechen.  Ins  Hochd.  aufgenommen  (bei 
Adelung  1774)  aus  ndd.  bötet,  dessen  ö  hier 
zu  eu  wurde;  dazu  ags.  bytel,  engl,  beeile, 
anord.  beytilt  m.  «Hammer».  In  hd.  Form 
würde  es  Bößel  lauten  (vgl.  mhd.  bo^el  m. 
«Prügel»).  Zugrunde  liegt  mhd.  bögeti  (mit 
urspr.  starker  Flexion)  «schlagen,  klopfen», 
ahd.  bo^an,  ags.  beatan,  engl,  beet,  anord.  bmita. 
Vgl.  Amboß.  ABL.  beuteln,  v.:  mürbe 
klopfen. 

^Beutel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Säckchen, 
besonders  etwas  darin  zu  tragen  und  aufzu- 
bewahren ;  als  Mehlsieb  in  der  Mühle  dienender 
wollener  Sack ;  der  lang  niederhangende  Hoden- 
sack mancher  Tiere.  Mhd.  biutel  m.  n.  (auch 
vom  Mehlbeutel),  ahd.  bUtil  m.  «Sack»;  dazu 
ndl.  buidet,  zusammengez.  buil  m.  Dunkler 
Herkunft,  schwerlich  zu  bieten,  auch  nicht 
aus  mlat.  buletellum,  das  vielmelir  aus  dem 
Deutschen  stammt.  J.BZ/.  beuteln,  v.:  zum 
Durchstäuben  des  Mehles  durch  den  Mühl- 
beutel sieben;  (obd.  auch)  schütteln.  Mhd. 
biuteln.  ZUS.  Beutelgarn,  n. :  sackförmiges 
Fischnetz  (s.  Garn).  Beutelratte,  f.:  die 
ihre    Jungen    in    einem   Beutel    am    Bauche 

tragende  Rattenart.   Beutelschneider,  m.: 

wer  Geldbeutel  abschneidet  d.  h.  stiehlt,  mhd. 
biutelsnider;  wer  in  die  Beutel  schneidet,  d.  h. 
unmäßig  hohe  Rechnungen  macht.  Beutel- 
tucll,  n.:  Siebleinwand  .zu  Mehlbeuteln  und 
Nähtereien,  mhd.  biuteltuoch. 

Beutheie,  f.  (PI.  ->?):  Böttcherschlegel 
zum  Antreiben  der  Reife.  Bei  Adelung  1774. 
Zusammenges.  aus  Beute  f.  «Ständer,  hölzernes 
zuberartiges  Gefäß»  (s.  ^Beute)  und  ohä. Heie  f. 
«Ramme,  hölzerner  Hammer»,  mhd.  heie,  ahd. 
heia  f.  «Sturmbock». 

BeTÖlkerung,  f.  (Pl-en):  die  Besetzung 
eines  Landes  mit  einer  Volksmenge;  die 
Volksmenge  selbst.  Bei  Adelung  1774,  der 
die  2.  Bed.  aber  nur  einigen  Neuern  zu- 
schreibt. Von  bevölkern,  v.:  mit  Volk 
besetzen.  Bei  Stieler  1691  neben  dem  altern 
bevolken,  gebildet  von  dem  PI.  von  Volk. 


bevor,  adv.:  vordem,  vormals,  zuvor; 
nahe  zukommend;  voraus.  Dann  im  17.  Jh. 
auch  als  Konj.  verwandt  («ehe»),  wobei  eig. 
als  hinter  bevor  zu  ergänzen  ist.  Mhd.  bevor, 
ahd.  bifora,  adv.  u.  präp.:  angesichts,  früher, 
in  Zukunft.  Zusammengerücktes  bi  «bei» 
(zu  bi-,  be-  geschwächt)  und  fora  «vor».  Vgl. 
asächs.  biforan,  ndl.  bevoren,  ags.  beforan,  engl. 
before. 

bewahren,  v.:  worauf  mit  Sorge  sehen, 
daß  es  erhalten  oder  behalten  werde.  Mhd. 
bewarn,  ahd.  biwarön.  S.  wahren.  Der  Konj. 
bewahre  auch  als  Ausruf  «nicht  doch, 
keineswegs»,  eig.   Gott  bewahre  mich. 

bewähren,  v.:  als  wahr,  wirklich,  gut 
be-,  erweisen.  Refl.  sich  b.  Mhd.  bewceren, 
ahd.  biwären,  biwärran  (aus  biwärian)  «wahr 
machen,  als  wahr,  wirklich  zeigen,  beweisen». 
Das  Part.  Prät.  bewährt  als  Adj.  gesetzt 
in  der  Bed.  «durch  Erfahrung  tüchtig  ge- 
funden» (schon  mhd.  bewceret). 

bewahrheiten,  v.:  als  wahr  erweisen.  Im 
18.  Jh.  (bei  Lavater,  Goethe),  wohl  nach  ndl. 
bewaarheden.  1793  von  Adelung  als  «albernes 
Wort  einiger  Neulinge  für  beweisen»  ab- 
gelehnt. 

bewältigen,  v. :  sich  einer  Sache  mächtig 
{geioaltig)  zeigen,  überwältigen.  Im  15.  Jh. 
beweltigen  und  (ohne  Umlaut)  bewältigen,  mhd. 
dafür  geivaltigen,  geweitigen  «in  seine  Gewalt 
bringen». 

bewandert,  das  Part.  Prät.  von  bewan- 
dern als  Adj.  gebraucht:  aus  eigner  Anschau- 
ung bekannt  womit,  eig.  s.  v.  a.  vielgereist. 
Frühnhd.  (Froschmeus.  unbewandert,  1631  bei 
Zincgref  2,  41  bewandert,  dafüi-  bei  Maaler 
1561  bewandelt). 

bewandt,  als  Adj.  erscheinendes  Part.  Prät. 
von  bewenden  (s.  d.):  endlich  beschauen,  eig. 
zu  Ende  gebracht  oder  gekommen.  Mhd.  be- 
want  «beschafleu»,  namentlich  mit  Adv.  tvol, 
bag,  iibele  bewant.  ABL.  Bewandtnis,  f., 
im  17.  Jh.  (Harsdörfer  Gesprechsp.  1,  283 
Betvantniß). 

■^bewegen  (Prät.  bewog,  Part,  bewogen),  v.: 
am-egend  den  Willen  bestimmen,  zum  Ent- 
schlüsse bestimmen.  Mhd.  beivegen  (Prät.  be- 
wac,  Pai-t.  bewegen),  fast  immer  refl.  sich  b.: 
«sich  wozu  wiegen»  d.i.  «auf  die  Glückswage 
legen  und  somit  wozu  hinneigen,  sich  aufs 
Geradewohl  wozu  entschließen,  seinen  Willen 
bestimmen»,  dann  auch  mit  Gen.  s.  v.  a.  «sich 
seitwärts  bewegen,  abwenden,  sich  eutschlagen», 
ahd.  biwegan   «aus    dem  Zustand   der   Ruhe 


229 


bewegen 


bezeugen 


230 


bringen,  wägend  prüfen».  Das  nhd.  stark  flek- 
tierte hewegen  hat  sich  wohl  nicht  aus  mhd. 
sich  h.  entwickelt,  sondern  vielmehr  aus  dem 
schwachen  hewegen  (s.  d.  folg.)  abgezweigt, 
unter  Einfluß  des  nnnd.  hewegen,  das  stark 
und  schwach  flektiert.  Luther  hat  ein  starkes 
hewegen  «abwägen  und  zu  einem  Entschlüsse 
bringen»,  doch  flektiert  in  dieser  Bed.  das  V. 
auch  schwach,  wie  öfter  im  altern  Nhd.  (noch 
bei  Schiller  11,  282);  umgekehrt  kommen  von 
hewegen  «in  Bewegung  versetzen»  älternhd. 
auch  starke  Formen  vor.  Im  Präs.  ist  die  starke 
Flexion  überhaupt  nicht  durchgedrungen  (nur 
im  16.  Jh.  Formen  wie  heioiegst,  heiviegt,  he- 
wieg,  auch  bei  Luther).  Das  Prät.  lautet  schon 
älternhd.  hewog,  das  Part,  hewogen,  s.  wägen. 

"bewegen  (Prät.  bewegte,  Part,  bewegt),  v.: 
aus  dem  Zustand  der  Ruhe  bringen  (daher 
refl.  sich  b.  «außer  dem  Zustande  der  Ruhe, 
in  einer  Veränderung -im  Räume  sein»);  in 
eine  Stimmung  versetzen,  bei  der  das  Gefühl 
ergriffen  ist  (daher  das  Part.  Prät.  bewegt 
«ergriffenen  Gefühls»).  Mhd.  bewegen  «wozu 
aus  der  Ruhe  bringen,  antreiben»,  eig.  be- 
wegen machen,  also  das  Faktitiv  des  vorher- 
gehenden stark  flektierenden  b.;  Refl.  sich  b. 
«sich  auf  den  Weg  machen».  ABL.  h^W^g- 
]ich,3idj.n.ai.dY.,mhd.bewegelich.  Bewegung, 
f ,  mhd.  bewegunge.  ZUS.  Beweggrund,  m. 
Nach  Gombert  7,  13  im  Anfang  des  18.  Jh. 
auftretend  (dafür  im  17.  Jh.  Bewegung^grund, 
z.  B.  1663  bei  Gryphius  Trauersp.  386). 

bewehren,  v.:  mit  Wehr  d.  h.  Waflen  zu 
Schutz  und  Tx'utz  versehen.  Bei  Henisch  1616. 
Von  Wehr  (s.  d.)  gebildet,  nicht  das  mhd. 
bewern,  ahd.  biwerian,  biwerran,  «wovon  be- 
wahrend abhalten,  verteidigen,  verwehren», 
das  mit  wehren  zusammengesetzt  ist. 

Beweis,  m.  (Gen.  Beiveises,  PI.  Beweise) : 
ausreichende  Begründung  und  was  dazu  dient. 
Frühnhd.  Von  beweisen  (Prät.  bewies,  Part. 
bewiesen),  v.:  belehrend,  begründend  dartun, 
tätlich  zeigen,  Mhd.  bewisen  (urspr.  m.  Gen.) 
«zurechtweisen,  wessen  kundig  machen,  be- 
lehren, dartun,  bestimmt  zeigen,  aufweisen»  usw. 
Die  Flexion  ist  urspr.  schwach,  wie  noch  bei 
Luther  u.  a.,  doch  schon  im  15.  Jh.  obd.  auch 
stark;  Schottel  setzt  die  starken  Formen  an. 

bewenden,  v.,  nur  noch  im  Inf.  gebräuch- 
hch  in  der  Bed.  «verbleiben»  und  «beruhen». 
Mhd.  bewenden,  ahd.  biwenten  «völUg  weg-, 
äih-,  zum  Ende  wenden,  zu  Ende  biingen  und 
kommen,  um-,  anwenden,  verwandeln,  ge- 
stalten».    Vcjl.  bewandt. 


bewerkstelligen,  v.:  werkstellig  d.  h. 
ausführbar  machen,  zur  Ausführung  bringen. 
Im  17.  Jh.  (1677  bei  Butschky  Pathmos  611). 
Beruht  auf  einem  mhd.  ze  werke  stellen  «zur 
Ausführung  bereiten». 

bewilligen,  v.:  l)  intians.  sich  willig 
erklären,  einwilligen.  Im  15.  Jh.  und  oft  bei 
Luther.  2)  ti-ans.  sich  wozu  willig  erklären, 
namentlich  zur  Erfüllung  einer  Bitte.  Bei 
Maaler  1561. 

bewillkommen,  V.:  willkommen  heißen, 
als  willkommen  begriißen.  Bei  Krämer  1678. 
Gebildet  von  mhd.  willekome  (neben  wille- 
komen),  ahd.  luillikomo,  s.  willkommen.  Da- 
für jetzt  gewöhnlich  (von  tvillkommen  aus 
gebildet)  bewillkommnen,  das  Campe  1807 
noch  nicht  verzeichnet  und  Schiller,  Goethe 
nicht  gebrauchen. 

bewirken,  s.  wirken,  bewogen,  s.  bewegen. 

bewußt,  adj.:  wissend,  geistig  gegenwär- 
tig. Das  als  Adj.  gebrauchte  Part.  Prät.  von 
ahd.  biiüi^^an  «geistig  inne  haben»,  1562  bei 
Mathesius  Sar.  201*^  sich  hewissen  «Bescheid 
wissen».  Mhd.  beivist,  bewest  kommt  wie  das 
V.  bewi^^en  nicht  vor:  Luther  hat  bewust, 
S.Franck  (Weltb.  Vorr.  a  2^  u.ö.)  u.  A.  hewist. 
ZUS.  bewußtlos,  adj.,  zusammenges.  mit 
dem  substantivischen  Betoußf  m.,  älternhd. 
und  noch  bei  Adelung  1793  angeführt.  Be- 
wußtsein, n.,  1720  bei  Chr.  AVolff  Metaphys. 


bezähmen. 


nach  Willen  oder  Gefallen 


tun.  Vex'schieden  von  bezähmen  «willfährig, 
lenksam  machen».  Bei  Luther  (der  bezemen 
schreibt),  z.  B.  2.  Sam.  16,  11  in  bezähmen 
lassen.  Schon  im  12.  Jh.  in  md.  Quelle  einen 
bezemen  lä^en,  ndd.  hetemen  laten  «einen  tun 
lassen  was  ihm  ansteht,  wie  ihm  gefällt». 
Zusammenges.   mit  mhd.  zemen  (s.  ziemen). 

bezecht,  das  als  Adj.  gesetzte  Part.  Prät. 
von  bezechen:  durch  vieles  Zechen  trunken 
geworden.  Fiühnhd.  (Wickram  von  guten 
Nachb.,  Hans  Sachs  Fab.  256,  15). 

bezeichnen,  v.:  das  Zeichen  wofür  sein, 
sich  als  sinnliches  Zeichen  worauf  beziehen; 
vorstellig  machen:  durch  ein  Zeichen  merk- 
bar machen.  Mhd.  hezeichenen  «mit  einem 
Zeichen  ausdiücken,  bildlich  vorstellen»,  ahd. 
bizeihhenen  und  hizeihhinön,  wofür  häufiger  das 
einfache  zeihhenen,  abgeleitet  von  zeihhan  n. 

bezeigen,  v.:  zu  erkennen  geben.  Mhd. 
bezeigen  «anzeigen,  bezeichnen,  kund  tun». 

bezeugen,  v.:  durch  Zeugnis  bewähren. 
Mhd.  beziugen   «mit  Zeug   d.  i.  Waflen  und 

15* 


231 


beziehten 


Bilberwnrz 


232 


Wehr  versehen,  ausrüsten»,  dann  «durch  Zeug- 
nis erweisen»,  (mit  Gen.  der  Sache)  «durch 
Zeugnis  überfühi-en». 

beziehten,  v.:  wie  hezichtigen  (s.  d.  folg.). 
Bei  Goethe  Reineke  9,  112  dafür  (mit  An- 
lehnung an  Zucht)  hezücliten.  Abgeleitet  von 
älternbd.  Bezieht,  mhd.  hiziht  f.  «Beschuldi- 
gung», ahd.  &m7i^f.  «Kennzeichen  der  Schuld, 
Verdachtszeichen»,  zu  hezeihen,  mhd.  hezihen, 
ahd.  bizihan  «als  der  Tat  verdächtig  und  schul- 
dig bezeichnen».  — bezichtigen, V.:  (mitAkk. 
der  Person  und  Gen.  der  Sache)  als  der  Ur- 
heberschaft, der  Vollbringung  von  Straffälligem 
verdächtig  in  Gedanken  haben  oder  bezeichnen. 
Finihnhd.,  wohl  zunächst  in  der  Kanzleisprache 
(auch  bei  Luther),  friih  auch  schon  in  der 
Schreibung  hezüchtigen  (1524  bei  Emser  Anm. 
z.  K  Test.  0  1  *),  wie  bei  Schiller  Karlos  3,  10. 
Wohl  auf  ein  ahd.  Adj.  hizihtic  «beschuldigt» 
zurückzuführen,  wie  ahd.  ginziliticjön  mit  vor- 
getretenem gl-  auf  ahd.  inzihttc,  mhd.  inzihtec, 
von  ahd.  inziht  (s.  Inzicht),  zurückgeht. 

beziehen  (Prät.  bezog,  Part,  bezogen),  v.: 
zum  Darübersein  ziehen  auf  — ,  zum  Bedecken 
ziehen  über  — ,  mhd.  beziehen,  ahd.  biziohan; 
zum  Dasein  sich  bewegen  auf  —^  oder  in  — 
(mhd.-ahd.  kommen  zu  — ,  eiTeichen,  got. 
bitiuhan  «umherziehen  in  — ,  umherführen»); 
als  regelmäßig  sich  wiederholende  Einnahme 
empfangen  (mhd.  an  sich  nehmen,  einziehen); 
woher  durch  Zusendung  kommen  lassen;  wo- 
rauf hin  in  gewisse  Verbindung  denken  (im 
18.  Jh.);  überlisten,  fangen,  eig.  mit  Netzen 
überziehen  (1690  bei  Happel,  noch  1770  bei 
Lessing  12,  248).  Refl.  sich  beziehen:  (auf, 
älter  an  einen)  wofür  beweisend  usw.  anführen 
(seit  dem  17.  Jh.,  urspr.  an  einen  Richter 
appelüeren,  dafür  älternhd.  sich  ziehen  auf 
einen,  bei  S.  Franck  Weltb.  Vorr.  a4^,  mhd. 
an  einen  etw.  ziehen) ;  auf  etwas  hin  in  gewisser 
Verbindung  oder  in  gewissem  Zusammenhange 
stehen.  Von  dem  Part.  Präs.  beziehend  ist  be- 
ziehentlich (erst  im  19.  Jh.)  als  Übersetzung 
von  «respective»  gebildet.  J.BJ>. Beziehung, 
f.,  bei  Krämer  1678.  Davon  das  Adv.  be- 
ziehungsweise (von  Gombert  1,  14  aus  d.  J. 
1755  belegt.  Stieler  1691  bat  dafür  bezieh- 
licher  Weise). 

Bezirk,  m.  {-es,  PI.  -e):  das  von  einer  Kreis- 
linie Umschlossene,  Gebietsumfang.  Spätmhd. 
bezirk  m.,  zusammenges.  mit  mhd.  zirc  m., 
ahd.  cirh  in  umbincirh,  umbizirg  m.  «Kreis», 
dann  «Kreisgebiet,  Uniftmg»,  entlehnt  aus  lat. 
circus  m.  «Kreis»;  die  Bildung  geht  zunächst 


von  dem  Verbum  spätmhd.  bezirken  «im 
Umfang  bestimmen»  aus. 

bezüchten,  bezüchtigen,  s.  beziehten, 
bezichtigen. 

Bezug,  m.  (-es,  PI.  Bezüge):  Auf-  und 
Darüberhinziehen ;  Ziehen  zum  Darauf-  oder 
Darübersein  (im  Mhd.  findet  sich  bezoc  m. 
«Unterfatter»);  das  Stehen  des  Einen  zum 
Andern  in  gewisser  Verbindung  und  gewissem 
Zusammenhange.  Ei'st  bei  Adelung  1774. 
ABL.  bezüglich,  adj.  Von  Campe  1807  als 
neues  Wort  verzeichnet. 

bezwecken,  v.:  zum  Zweck  haben.  Von 
Adelung  1793  als  schlechte  Bildung  einiger 
Neuerer  bezeichnet,  auch  von  Heynatz  1796 
getadelt  mit  dem  Bemerken,  daß  das  obd. 
Wort  auch  von  vielen  Niederdeutschen  an- 
genommen werde;  von  Campe  1807  nicht 
mehr  beanstandet. 

Bibel,  f.  (PI.  -7i) :  die  heilige  Schrift  alten 
und  neuen  Testamentes.  Mhd.  bibel,  ursprüng- 
licher biblie  f.,  aus  dem  gleichbed.  kirchhch- 
lat.  biblia  f.,  das  urspr.  gr.-lat.  PI.  von  gr. 
ßißXiov  n.  «Buch»  (aus  Blättern  vom  Bast 
der  Papyrusstaude)  eig.  «Büchlein».  S.  auch 
Fibel.  ABL.  biblisch,  adj.,  frühnhd.  (1531 
bei  Hedio  Josephus  Voxt.  4  ^.) 

Biber,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  das  am  Wasser 
lebende  Bautier,  gr.-lat.  castor;  (schon  im  16.  Jh. 
auch)  biberfellartiges  Wollenzeug.  Mhd.  biber, 
ahd.  bibar,  bibur  m.;  dazu  ndl.  bever,  ags. 
beofor,  engl,  beaver,  anord.  björr,  schwed. 
bäfver,  dän.  bäver  m.  Urverwandt  mit  lat. 
fiber,  gall.  in  Bibrax,  kom.  befer,  bret.  bieuzr 
«Biber»,  lit.  bebrus,  abg.  bebrü  m.,  aw.  baicra- 
«Biber»;  nach  aind.&a&/fn?s  «braun»,  alsM.  eine 
Ichneumon art  bezeichnend,  ist  die  Grundbed. 
«braunes  Tier»  gewesen,  s.  braun,  auch  Bär. 

Bibergeil,  n.  {-es):  starkriechende  ölige 
Masse,  die  der  Biber  in  zwei  zusammenhängen- 
den Beuteln  unter  dem  Schwänze  hat.  Mhd. 
bibergeil  n.,  zusammenges.  mit  geil  n.  (neben 
geile  f.)  «Hode»,  weil  jene  Beutel  als  die  Hoden 
des  Bibers  angesehen  wurden,  von  denen  man 
glaubte,  daß  er  sie  bei  Verfolgung  abbeiße, 
um  zu  entkommen.     S.  auch  Biebertvurz. 

Biberklee,  -kraut,  s.  Bieber. 

Biberneil,  Bibernelle,  f.  (PI  -n):  die 
Pflanze  pimpinella  L.  Schon  mhd,  bibernelle, 
mit  Anlehnung  an  Biber  deutsch  geformt 
aus  mhd.  bibinelle,  ahd.  bibinella  f.,  die  aus 
dem  unverständlichen  mlat.  Namen  jener. 
Pflanze  pipi-,  pipenella  f. 

Biberwurz,  s.  Bieber. 


233 


Bibliothek 


biegen 


234 


Bibliothek,  f.  (Pl.-e«):  Büchersammlung, 
Bücherei.  Aus  gr.-lsit.hibliotheca,  gr.  ßiß\io6riKri 
f.  «Bücherbeliälter,  -saal,  -Sammlung»  (ßißXiov 
n.  «Buch»,  BriKTi  f.  «Behälter»).  Um  1500  auf- 
genommen (ibZl  bei  Hedio  Josephus  Voit.  4^ 
Bibliothec).  ABL.  Bibliothekar,  m,  (s, 
PL  -e):  Aufseher  einer  Bibliothek.  Aus  lat. 
hihliothecärms.  Im  18.  Jh.  noch  oft  in  dieser 
lat.  Form. 

Bickbeere, f.  (PI. -n) :  Heidelbeere.  Mund- 
artlich in  Norddeutschi.  Schon  mnd.  Inckhe^-e, 
auch  1599  bei  Kilian.    Unbekaimter  Herkunft. 

'Biekel,  Pickel,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.), 
auch  Bicke,  Picke,  f.  (PI.  -n):  Spitzhacke 
mit  langem  Stiel.  Mhd.  bickel  «Spitzhacke» 
neben  dem  gleichbed.  bicke  m. ;  dazu  ags. 
becca  m.  «Spitzhacke».  Von  mhd.  hicken, 
auch  hecken  «stechen,  hacken,  hauen»,  ahd. 
bicclian  «angreifen,  wonach  stechen».  Die 
Schreibung  PzcÄ-e/,  Picke  steht  unter  Einfluß  von 
picken  (s.  d.),  zu  dem  aber  die  Subst.  nicht 
unmittelbar  gehören.  Diese  schließen  sich  viel- 
mehr zunächst  an  gall.-lat.  heccus,  it.  becco, 
fi'anz.  bec  m.  «Schnabel»,  it.  beccare,  franz. 
becquer  «mit  dem  Schnabel  hacken»,  franz. 
beche  f.  «Grabscheit»,    beclier  «graben»  u.  a. 

-Bickel,  m.  (-5,  PI.  -vvie  Sg.):  Schusser, 
Schnellkügelchen.  Mundartlich,  z.  B.  in  Hessen. 
Mhd.  bickel  «Wüi^fel»  in  Zusammensetzungen 
wie  bickelspil  n.  «Würfelspiel»,  bickelsfein 
«Würfel,  Fangstein  von  Knochen  beim  Spiel». 
Das  nhd.  Bickel  also  urspr.  «Schnellküchelchen 
aus  Knochen  gedreht»;  auch  ndd.  bickel  m. 
«beinerne  Spielkugel  der  Kinder»,  mnd.  bickel 
«Knöchel»,  ndl.  bikkel.  Die  Bed.  «Knochen» 
auch  in  den  Zusammensetzungen  bickelfest, 
adj.:  knochen-,  beinfest,  bickelhart,  adj.: 
knochen-,  beinhart  (bei  Frisch  1741).  Ob  Zu- 
sammenhang mit  ^Bickel  besteht,  ist  zweifel- 
haft, dies  müßte  dann  eig.  ein  aus  Knochen 
hergesteUtes  spitzes  Instrument  bezeichnet 
haben  und  die  Benennung  dann  auch  auf 
andre  aus  Knochen  hergestellte  Dinge  über- 
gegangen sein. 

Bickelhaube,  s.  Pickelhaube.  ' 

biderb,  s.  bieder. 

bidmen,  v. :  beben.  Veraltet,  aber  von 
Goethe  2,  155  wieder  gebraucht,  nachdem 
Wieland  18,  18  erbidmen  verwendet  hatte. 
Mhd.  bidemen,  gewöhnlich  auf  ein  mhd.  hi- 
benen,  ahd.  bibinon  zurückgeführt,  einer 
Ableitung  von  beben  (s.  d.),  was  aber  Be- 
denken unterliegt.  Eher  geht  es  auf  das 
Subst.  bideni  zurück,  das  eine  Ableitung  von 


der  Wurzel  bi  «beben»  sein  könnte  (schwäb. 
steht  biseni  neben  bidem). 

Bieber,  n.:  Fieber,  nur  in  Bieberklee 
m.  «Bitterklee»,  Bieberkraut  n.  «Tausend- 
güldenkraut», Bieberwurz  f  «Aron»,  Auch 
Fieberklee,  Fieberkraut,  Fiebericurz  crenannt 
(1482  byferkraut  «centhauria»  im  Voc.  theut. 
d  8^).  Mhd,  steht  biever  n.  neben  vieber 
(s.  Fieber).  Die  Pflanzen  dienten  als  Heilmittel 
gegen  das  Wechselfieber  und  sind  davon  be- 
nannt, also  nicht  von  dem  Tier  Biber.  Da- 
gegen heißt  die  Osterluzei  nach  dem  stai-ken 
widrigen  Geruch  Biberwurz,  ahd.  bihiricurz, 
lat.  castoreuni,  castorium  (im  12.  13.  Jh.  auch 
bibergeile). 

bieder,  adj.  u.  adv.:  wahr  und  zuverlässig 
in  Wort  und  Tat;  edeldenkend  und  treuherzig. 
Aus  mhd.  biderbe  und  biderbe,  ahd.  biderbi, 
bidarbi  und  biderbi,  von  Sachen  s.  v.  a.  «nütze», 
von  Personen  s.  v.  a.  «wozu  geschickt,  tüch- 
tig, treflPlich,  edeldenkend»,  zusammenges.  aus 
dem  betonten  und   daher  ungeschwächt  ge- 
bliebenen bi-  und  -darbi,  das  zu  ahd.  durfan 
«woran  Not,  Bedürfnis  haben,  nötig  haben»  ge- 
hört, also  eig.  «einem  Bedüi-fnis  entsprechend, 
ein  Bedürfnis  erfüllend».  Die  verkürzte  Form 
bider  schon  spätmhd.,  dann  bei  Luther  bidder 
(in  bidderinann,  bidderleute),  in  der  spätem 
Zeit  selten.  Erst  nachdem  1759  Lessing  5,  309 
in  Anknüpfung  an  Logau  das  Schwinden  des 
Wortes  bedauert  hatte,  wii-d  es  wieder  auf- 
genommen, 1767  von  Bürger  25,  dann  nament- 
lich von  Dichtem  des  Hainbundes  (auch  in 
Zusammensetzungen   wie   Biederstamm   Joh. 
Fr.  Hahn  im  Gott.  Musenalm.   1773  S.  177, 
Biederzeit  Fr.  L.  Stolberg  Ged.  S.  192,  Bieder- 
seele, Biederton  Büi'ger  usw.),   von  Lessing 
selbst  in  der  Em.  Gal.  1,  4.     Auch  die  auf 
mhd.  biderbe   beruhende  Fonn    biderb   wird 
wieder  vei-wendet.     Während   1775  Heynatz 
meinte,  bieder  sei  kaum  wieder  einzuführen 
konstatierte   1781   Kindleben,  daß  es  wieder 
anfange  Mode  zu  werden,     ABL.  Bieder 
keit,  f.     Nicht   die   Fortsetzung   des   mhd 
biderbekeit,  ahd.  biderbecheit,  sondern  ein  neu 
gebildetes  Wort,  das  1796  Heynatz  aus  Mode 
schriftsteUem  neben  Biederheit  kennt.  ZUS^ 
Biedermaun,  m.  {-es,  PI.  Biedermänner) 
mhd.  bider  man  aus  biderbman,  auch  in  der 
spätem  Zeit  üblich  geblieben. 

biegen  (Prät.  bog,  Part,  gebogen),  v. :  von 
der  geraden  Linie  abweichen  oder  abweichen 
machen;  in  seiner  Wortform  ändern  zur  Be- 
zeichnung gewisser  Verhältnisse  (flektieren). 


235 


Biene 


bieten 


236 


ReÜ.  sich  h. :  von  der  geraden  Linie  abweichen. 
Mhd.  biegen,  ahd.  hiogan;  dazu  ndl.  huigen, 
ags.  hügan,  engl,  low,  got,  Uugan.  Urver- 
wandt  sind,  aber  mit  g  an  Stelle  des  zu  er-  \ 
wartenden  k  (s.  Bühel),  aind.  hhuj  {j  für  g) 
«biegen»,  femer  gr.  (peüreiv,  lat.  fugere 
«fliehen»,  «eig.  den  Rücken  wenden,  aus- 
biegen», (auch  ags.  Tmgon  «sie  flohen»),  lit. 
hügti  «erschrecken»,  haugüs  «furchtsam».  Im 
Präs.  älternhd.  Ind.  Sg.  2.  3.  beugst,  beugt, 
Imp.  Sg.  beug,  die  auch  Grottsched  Sprachk.  344 
(bis  auf  Imp.  bieg)  noch  verlangt,  doch  treten 
schon  früher  die  Formen  mit  ie  öfters  auf, 
die  in  der  Mitte  des  18.  Jh.  völlig  durch- 
dringen. ABL.  Biege,  f.:  Krümmung,  bei 
Stieler  1691.  l)iegsam,  adj.  u.  adv.,  bei  Stie- 
ler 1691.  Biegung,  f.,  bei  Dasypodius  1537. 
S.  auch  beugen. 

Biene,  f.  (PI.  -w) :  Das  Honig  und  Wachs 
bereitende  Insekt.  Bei  Luther  Biene,  Gen. 
Bienen,  sonst  ältemhd.  auch  Bien.  Mhd.  bin, 
bine  f.,  ahd.  aber  bini  n.  Daneben  ohne  das 
ableitende  n  (aus  der  schwachen  Dekl.  heiüber- 
genommen?)  mhd.  bie  (noch  jetzt  alem.  bi), 
ahd.  Ua  f.;  dazu  ndl.  bij,  ags.  beo  f.,  engl. 
bee,  anord.  by  (in  by-fluga),  schwed.-dän.  bi  n. 
Endhch  auch  mhd.  bin  mit  langem  i  (bayr. 
bein  neben  beij).  Mhd.  bie  n.  ist  «Bienen- 
schwarm», dafüi*  jetzt  schwäb.-hess.  der  Bien. 
Verwandt  mit  preuß.  bitte,  lit.  bitis  f.  «Biene», 
lat.  ßcus  m.  aus  '^bhoikos  «Brutbiene,  Drohne», 
ir.  bech  «Biene».  Vgl.  Walde  s.  v.  ZUS. 
Bienenbrot,  u.:  von  den  Bienen  bereitete 
Nahrung  außer  dem  Honig.  I^Ihd.  biebröt  n., 
auch  andd.  bibrot,  ags.  beobread  n.,  engl,  bee- 
bread.  Bienenkönigin,  f.:  Weisel,  dafür 
spätmhd.  bynenkunig.  Bienenkorb,  m.,  mhd. 
binkorp,  auch  binenkorp  m.  Bienenschwarm, 
m,,  spätmhd. &mest^'arwtm.  Bienenstock, m., 
urspr.  hohler  Holzklotz  zur  Aufnahme  eines 
Bienenschwarms,  dann  bevölkerter  Bienenkorb, 
mhd.  binestoc  m.  Bienen vater,  m. :  Bienen- 
pfleger, bei  Frisch  1741. 

Biensaug,  m.  n.  (-es,  PI.  -e) :  die  Pflanze 
stachys  (Roßpolei).  Mhd.  binsüge,  ahd,  bini- 
süga  f.  d.  h.  Pflanze,  an  deren  Blüte  die  Biene 
gern  saugt,  ist  zunächst  Benennung  des  Thy- 
mians, der  als  Lieblingspflanze  der  Bienen 
auch  Inmienkraut  heißt. 

Bier,  n.  (-es,  PI.  -e):  aus  Getreide  und 
Hopfen  gebrautes  Getränk.  Mhd.  bier,  ahd. 
bior  n.;  dazu  andd.  bior,  ndl.  bier  n.,  ags. 
beor  m.,  engl,  beer;  anord.  entlehnt  björr  m., 
während   das   einheimische  Wort  öl  n.   (aus 


*alu,  engl,  ale  zu  ht.  aliis  m.  «Bier»)  ist.  Die 
Etymologie  ist  sehr  umstritten.  Vielfach  wird 
das  Wort  zu  andd.  beo,  ags.  bSow,  anord.  bygg 
n.  «Gerste»  gestellt,  also  eig.  «Gerstensaft». 
Andre  sehen  eine  Ableitung  von  brauen  da- 
rin (ahd.  bior  aus  *brior) ;  nach  E,  Kuhn 
K.  Zschr.  85,  313  ist  es  aus  dem  slav.  pivo  n. 
entlehnt,  vgl.  dazu  0.  Schrader  Idg  Forsch. 
1 7, 32.  Nach  Wackernagel  geht  es  auf  ein  roman, 
bevere,  lat.  bibere  «Trinken,  Getränk»  zurück. 
AUes  nicht  überzeugend.  ZUS.  Bierbank,  f., 
spätmhd.  bierbanc  f.  Bierbrauer,  m.,  spät- 
mhd. bierbriuwer ,  gewöhnlich  bierbriuwe, 
m,  (s.  Bräu).  Bierhaus,  m.,  mhd.  bierhüs. 
Biese,  s.  Bise. 

biesen,   v.:    (vom  Rindvieh)    mit  aufge- 
recktem Schwanz  wie  toU  hin-  und  herrennen, 
vornehmlich  bei  großer  Sommerhitze,  wenn 
es  von  Bremsen  {Bieswürmern)  geplagt  und 
verfolgt  wird.    In  obd.  Mundai-ten  (schweiz. 
:  mit  i,    entsprechend   henneberg.  beiern   mit 
j  r  aus  s),  auch  ndd.  (schon  mnd.)  bissen,  .dän. 
I  bisse.      Mhd.   bisen,    ahd.   bisön,    bisen    «in 
:  Brunst    hin-    imd    herrennen,    voll    Unruhe 
1  hin-  und  herrennen». 

Biest,  m.  (mundartlich  auch)  f.  n.  (-es) 

oder  Biestmilch,   f.:    die   erste    dicke  un- 

'  reine  Müch  der  Kuh  unmittelbar  nach  dem 

I  Kalben.      Mhd.   biest,    ahd.   Most  m.;    dazu 

I  ndd.  best  m.,  ndl.  biest  f.,  ags.  beost  m.,  engl. 

abgeleitet  beestings  PI.     Daneben  erscheinen 

;  Formen  mit  r,  schweiz.-elsäss.  briest,  briesch, 

bayr.-schwäb.  briester,  auch  isl.  ä-brystur  PI. 

j  «Biestmilch»;  falls  diese  ursprünglicher  sind, 

'  würde  das  Wort  zu  Brust  (s.  d.),  andd.  b>-iost 

,  gehören.  Doch  sind  auch  die  gleichbed.  gr.  itüöc 

m.,  aind.  pijüsa-  m.  n.  (vgl.  Bugge  PBrBtr. 

.  12,  421)  zu  berücksichtigen,   mit  denen  aber 

nur  ein  indirekter  Zusammenhang  durch  Ent- 

!  lehnung  aus  einer  dritten  Sprache  bestehen 

I  kann.     S.  auch  Brös-chen. 

biester,  s.  verbiestem. 

Bieswurm,    m.:   Eier   in    die  Haut   des 

j  Rindviehes  und  Rotwildes  legende  stechende 

!  Bremse.      Spätahd.   bisetimrm   m.,    1482  im 

!  Voc.  theut.  d  S''  bißwurm.  Zusammenges.  mit 

biesen  (s.  d.). 

bieten  (Prät.  bot,  Part,  geboten),  v.:  dar- 
bringen, -geben,  -legen;  wofür  als  Preis  dar- 
■  zugeben  erklären.     Mhd.  bieten,  ahd.  biotan; 
[  dazu  asächs.  biodan,  ndl.  bieden,  ags.  beodan, 
i  engl,  bid,  anord.  bjöda,  schwed.  bjuda,  dän. 
byde,   got.  biudan  (in  andbiudan  «befehlen», 
farbiudan   «verbieten»).     Verwandt   sind  gr. 


237 


Bifang 


Bill 


238 


iruvGdvoiaai  (ir  aus  qp  wegen  des  folg.  ö)  «fragen, 
forschen,  erfahren»,  abg.  hüdeti,  ht.  hud£ti, 
«wachen»,  aind,  biidh  «wachen,  Acht  haben, 
beschenken».  Die  Bedeutungsentwicklung  ist 
nicht  leicht  klai-zulegen.  Wahrscheinlich  hatte 
schon  das  Idg,  eine  verzweigte  Bedeutung. 
Ältemhd.  erscheinen  im  Präs.  Ind.  Sg.  2.  3. 
die  Formen  beutst,  heut,  Imp.  beut,  die  noch 
Gottsched  Sprachk.  344  verlangt,  während  sie 
Adelung  füi*  obd.  erklärt;  in  der  poetischen 
Sprache  auch  später  durchaus  üblich. 

Blfang  (-es,  PI.  Bi-,  Befänge),  auch  Be- 
fang,  m.:  das  schmale  erhabene  Ackerbeet 
zwischen  zwei  Furchen.  Mhd.  bivanc,  ahd. 
hifanc  m.  «das  Äußere  was  einen  Eaiim  ein- 
fängt, Umfang,  Umgrenzung,  eingegrenztes 
Ackerbeet»,  zusammeng.  aus  dem  wegen  der 
Betonung  ungeschwächten  bi-  und  -vanc.  Zu 
mhd.  bevähen,  ahd.  bißhan  «umfassen,  be- 
grenzen ». 

Bigamie,  f.  (PI.  -h):  Doppelehe.  Aus  ralat. 
bigamia  von  lat-  bi  (bis)  «zweimal,  doppelt» 
und  dem  gr.  weiblichen  Adj.  fajAxa  «ehelich». 
Schon  im  16.  Jh.  entlehnt. 

bigott,  adj.:  streng  fromm.  Aus  franz. 
bigot  «abergläubisch  fromm»,  dessen  Ursprung 
bestritten  ist;  wahrscheinHch  iaachs\:>an.hoinbre 
de  bigote  «Mann  von  ernstem  festem  Charakter», 
eig.  der  einen  Knebelbart  (sTpan-bigote  m.)  trägt. 
Vergl,  Baist  Roman.  Forschungen  7,  407.  Bei 
Adelung  1774. 

Bilanz,  f.  (PI.  en):  Rechnungsabschluß  in 
Einnahme  und  Ausgabe.  Aus  ital.  biläncia  f. 
eig.  «Wage»,  dann  s.  v.  a.  «Gleichgewicht», 
hier  zwischen  Einnahme  und  Ausgabe,  von 
lat.  büanx  (Gen.  bilancis)  «zwei  Wagschalen 
habend»,  vgl.  balancieren.  Im  spätem  16.  Jh. 
entlehnt  (Fischart  Garg.  288). 

Bilcb,  f.  (PI.  -e)  oder  Bilchmaus,  f.: 
große  Haselmaus,  Siebenschläfer.  Mhd.  Mich, 
ahd.  hilih  f.  Verwandt  sind  afranz.  bele  (wo- 
von nfranz.  das  Dim.  belette)  «Wiesel»,  kelt. 
(kymrisch)  bele  «Marder»,  kaum  aber  russ. 
belka  «Eichhorn».  Vielleicht  ist  auch  lat. 
ßles  «Katze,  Marder,  Iltis»  verwandt,  vgl. 
Walde  s.  v.  Aus  dem  Deutschen  stammt  abg. 
plüchü  m.  «Bilchmaus». 

Bild,  n.  (-es,  PI.  -er):  sichtbare  Dax--  und 
Vorstellung  wovon;  sich  darstellendes  Wesen, 
Person,  z.  B.  Frauen-,  Manns-,  Weibsbild. 
Mit  Abstoßung  eines  e  (doch  kommt  Bilde 
noch  bis  ins  17.  Jh.  vor,  z.  B.  bei  Harsdörfer, 
Gespr.  3,  256)  aus  mhd.  bilde,  ahd.  biladi, 
bilidi  n. ;  dazu  asächs.  bilithi,  ndl.  beeld,  afries. 


bilethe  n.,  im  Engl.-Nord.  nicht  vorhanden 
(schwed.  bild,  dän.  billede  n.  sind  aus  dem 
Deutschen  entlehnt).  WahrscheinHch  ist  in 
ahd.  biladi,  bilidi  bil-  als  Stammsilbe  anzu- 
sehen, sie  hängt  dann  zusammen  mit  dem 
Subst.,  von  dem  billig  (s.  d.)  gebildet  ist 
und  das  urspr.  «Ebenmäßigkeit,  Gleichheit» 
bedeutet  hat,  so  daß  die  Grundbed.  von  Bild 
«das  Entsprechende»  wäre,  vgl.  TJnbüde  und 
das  mnd.  abgeleitete  büdelik  «billig».  Vgl. 
Detter  ZfdA.  42,  54.  Anders  Meringer  Idg. 
Forsch.  18,  286,  der,  wie  früher  Weigand,  eine 
1  Wurzel  bil-  mit  der  Bedeutung  «spalten,  be- 
'  hauen»  ansetzt.  Bild  \\  äre  dann  «  das  Gehauene » 
Kluge  sieht  in  bilidi  eine  Zusammensetzung 
aus  bi-  und  einem  Wort,  das  zu  got.  lipus  m. 
« Glied »  gehört.  Der  PI.  lautet  bei  Luther 
Bilde  und  Büder,  später  nur  die  letzte  Form. 
ABL.  bilden,  v.:  zur  Dar-  und  Vorstellung 
geeignet  machen,  ausgestalten,  geistig  ver- 
edeln. Mhd.  bilden,  ahd.  bilidön.  bildern, 
V. :  in  einem  Bilderbuch  blättern  (bei 
Adelung  1774);  sich  in  Bildern  ausdrücken. 
bildlich,  adj.  u.  adv.,  mhd.  bildelich.  Von 
bilden  sind  abgeleitet:  Bilder,  m.  (Schiller 
11,  318),  gewöhnlich  Bildner,  m.:  der  zu 
sichtbarer  Darstellung  schaflende  Künstler, 
der  geistig  Veredelnde.  Mhd.  bildcere,  auch 
schon  bildenaere  m.,  ahd.  bilidäri.  Davon 
Bildnerei,  früher  Bilderei  (beiLuther)  f.  und 
bildnerisch,  fmher  bilderisch  (bei  Stieler 
1691)  adj.  Bildnis,  n.:  wiedergebendes  Bild, 
mhd.  bildnisse  n.  bildsam,  adj.:  was  sich 
bilden  läßt.  Erst  um  1750  gebüdet,  Klop- 
stock  hat  1748  im  Messias  2,  387  unbildsam 
gebraucht,  Wieland  seit  1751  bildsam  yer- 
wendet  (Gombert  7,  15).  Bildung,  f.:  Ge- 
staltimg;  Gestalt  (im  18.  Jh.,  jetzt  veraltet): 
geistige  Veredlimg  (bei  Goethe).  Mhd.  bil- 
dunge  f.  «BUdnis»,  ahd.  (bei  Notker)  bildunga 
«Vorstellung,  Einbildung».  ZUS.  l)  mit  Bild. 
Bildhauer,  m.,  in  frühnhd.  Glossaren  (1495 
;  im  voc.  rerum  f.  2*  bildhamver).  Bildsäule, 
'  f.,  bei  Luther  bildeseul.  BildstOCk,m. :  Stock, 
;  Säule  mit  der  Statue  eines  Heiligen,  spätmhd. 
'  büdestoc  m.  Bildwerk  n.,  mhd.  bildewerc  n. 
2)  mit  dem  PI.  Bilder.  Bilderbuch,  n., 
bei  Stieler  1691.  Bilderschrift,  f.,  im  16.  Jh. 
(Fischart  Garg.  189).  Bilderstürmer,  m., 
bei  Luther  bildstürmer. 

Bill,  f.  (PI.  -s):  vor  das  Parlament  ge- 
brachter Gesetzentwurf.  Das  engl.  &z7Z  «Zettel, 
Schein,  schriftlicher  Aufsatz,  Parlamentsakte», 
zurückgehend  auf  mlat.  hilla,  bulla  f.  «Blase, 


239 


Billard 


Binde 


240 


Knopf,  Kapsel,  Siegelkapsel,  dann  eine  (urspr. 
mit  einem  Siegel  versehene)  Schrift».  Vgl. 
Billett.  1703  im  Zeitungslex.  (Büle)  und 
bei  Sperander  1728  (^«Y^  «Recht»  bei  Schottel 
1663  und  Stieler  1691  gehört  nicht  hierher, 
sondern  ist  aus   Unhill  erschlossen). 

Billard,  n.  (s,  PI.  -s,  -e):  Spiel  mit  Ku- 
geln, die  auf  einer  ebenen  Tafel  gestoßen 
werden;  diese  Tafel  selbst.  Aus  dem  gleichbed. 
franz.  billard  m.,  von  franz.  hille,  ital.  biglia, 
span.  billa  f.  «beinerne  Kugel»,  die  vielleicht 
auf  das  deutsche  Eichel  (s.  Bickel')  zurück- 
gehen.   Bei  Fischart  Garg.  262. 

Bille,  f.  (PI.  -n):  Hacke  (Querbeil)  zum 
Schärfen  der  Mühlsteine.    Aus  mhd.  hil  (Gen. 
hilles)  n.  «Spitzhacke»,  ahd.  hül  n.  «Schwei-t»; 
dazu  asächs.  hil,  ags.  fci7^  n.« Schwert»,  engl,  j 
hill  «Axt,  Hacke».     Wahrscheinlich  zu  Beil  ] 
(s.  d.)  zu  stellen,  so  daß  also  hill-  mit  Assi- ' 
milation  auf  hideJ-  zui'ückginge,  Sievers  Idg. 
Forsch.  4,  339,    dagegen  E.  Schröder  ZfdA. 
42,  60;  s.  auch  Meiinger  Idg.  Forsch.  18,  283. 
ABL.  l)illeil,  V. :  mit  der  Hacke  Mühlsteine 
schäi-fen. ,  Mhd.  hillen,  ahd.  hillon  «mit  spitzem  j 
Werkzeuge  hauen  oder  hacken». 

Billett,  n.  (Gen.  -es,  PI.  Billette,  Billets): 
Zettel,  Handbrief chen.  Aus  dem  gleichbed. 
franz.  hillet  m.,  das  von  mlat.  hilla  (s.  BilT) 
abgeleitet  ist.  Bei  Henisch  1616.  Schon  im 
15.  Jh.  (Diefenbach-Wülcker  S.  246)  begegnet 
ein  gleichbed.  Bollet  (noch  jetzt  mundartlich 
im  Obd.),  das  auf  ital.  holletta  f.  «Zettel»  zu- 
lückgeht,  einer  Ableitung  von  mlat.  hiilla. 

l)illig,  adj.  u.  adv. :  verbindlicher  Anforde- 
rung, besonders  der  mildern  des  Rechtes  eben- 
mäßig ;  im  Verhältnisse  des  Wertes  mäßig.  Mit 
Eintreten  der  Endung  -kj  (hillig  schon  bei 
Stieler  1691,  doch  daneben  hillich  bis  ins  18.  Jh.) 
aus  mhd.  hillich,  ahd.  (im  11.  Jh.)  hillich  «eben- 
mäßig, angemessen,  geziemend»,  mit  der  En- 
dung -lieh  von  einem  Subst.  gebildet,  das  als 
hili-  zu  Anfang  von  Personennamen  erscheint, 
auch  dem  ags.  hilewit  «einfach,  unschuldig» 
(dem  mhd.  hileivi^,  hilwig  m.  «Kobold,  eig. 
guter  Geist»  entspricht)  zugrunde  liegt  und 
wahrscheinlich  zu  gr.  cpiXoc  «lieb»  gehört. 
Ndl.  hillijk.  Vgl.  auch  Bild,  Unhüde,  Unhill, 
Weichhild.  J-ßL.  Mlligeil,  v.:  der  Anforde- 
rungebenmäßig, für  angemessen  erklären.  Mhd. 
hillichen.  Billigkeit,  f.,  spätmhd.  hillicheit  f. 

Billiou,  f.  (PI.  -en):  eine  Million  million- 
mal. Das  franz.  nach  million  gebildete  hillion 
m.  Im  Anfang  des  18.  Jh.  aufgenommen 
(Brockes  ird.  Vergn.  4,  382). 


Bilse,  f.  (PI.  -n):  Pflaumenschlehe,  dicke 
Schlehenart.  Wetterauisch.  1540  bei  Alberus 
im  Dict.  Gg.  2^  der  PI.  Bilsen,  aber  schon 
1471  im  Grüninger  Kirche nzinsbuch  S.  13No.38 
hylsenhecken.    Dunkler  Herkunft. 

Bilsenkraut,  n. :  das  Tollkraut  hyoscy- 
amus.  Mhd.  hilsenkrüt,  auch  bloß  hilse,  ahd. 
hilisa  f.  Das  s  gehört  einer  Ableitung  an, 
wie  sich  aus  der  dialekt.  Form  Bilme  mit 
anderm  Suffix  ergibt;  dazu  noch  mnd.  hilene 
(Steinmeyer-Sievers  3,  719,  36)  und  hille  (in 
hillensät  f.),  mndl.  heelde  f.,  ags.  heolene  f., 
dän.  hulmeurt,  schwed.  holmört  und  weiter 
russ.  helend  f.,  poln.  hielun.  Vgl.  auch  lat.  felix, 
filix  «Farnkraut»,  s.  Walde  s.  v. 

bimmeln,  v.:  in  feinem,  hellem  Tone  (himl 
himl)  läuten.  Ein  lautnachahmendes  Wort, 
schon  mnd.  himmelen,  dann  bei  Schottel  1663 
verzeichnet. 

Bims,  m.  (Gen.  Binises,  PI.  Bimse)  oder 
Bimsstein,  m.:  leichte,  löcherige  Steinart. 
Mit  i  für  ü  (schon  bei  Dasypodius  1537  Bimß- 
stein)  aus  mhd.  hümeg,  ahd.  punii^,  die  auf 
dem  gleichbed.  lat.  püniex  (Gen.  pümicis)  be- 
rahen.  ABL.  bimsen,  v.:  (mit  Bimsstein) 
reiben,  abputzen.  1482  im  voc.  theut.  dS** 
himßen. 

bin,  s.  sein. 

Binde,  f.  (PI.  -n):  Streifen  zum  Binden. 
Mhd.  binde,  ahd.  hi^ita  f.  Von  binden  (Prät. 
band:,  Part,  gebunden),  v.:  zusammenfügen, 
woran  fügen,  wodurch  festmachen ;  durch 
Bande  unfrei  machen.  Mhd.hinden,  ahd.bintan. 
Dazu  asächs.-ags.-got.  bindan,  ndl.  binden,  engl. 
bind,  anord.-schwed.  binda,  dän.  bitide.  Urver- 
wandt ist  aind.  bandh  (für  *hhandh)  «binden», 
lat.  -fend-  in  offendimentum  n.  «Binde»,  gr. 
-TTCvO-  (für  -qpevO)  in  ireiciiia  (füi*  *TT€v9c|Lia)  n. 
«Tau».  Älternhd,  lautet  wie  mhd.  der  Prät. 
Plur.  blinden  (auch  zuweilen  Sg.  hund),  Konj. 
bnnde,  die  jetzigen  Formen  bei  Bödiker.  ZUS. 
Bindewort,  n.:  die  Konjunktion,  das  Sätze 
verbindende  Wort.  Schon  im  17.  Jh.,  (bei 
Stieler  1691),  dann  von  Gottsched  verwendet. 
Bindestrich,  m.:  der  zwei  zusammenge- 
hörige Wörter  verbindende  Strich.  Erst  im 
19.  Jh.  aufgekommen.  Bei  Adelung  1774 
Bindezeichen  n.  Bindfaden,  m.,  fi-ühnhd. 
(1491  im  Voc.  rer.  15*^  bindt faden  «licium»). 
iSindrienien,  m.  Mhd.  hintrieme,  ahd. 
hintriomo  m.  Redensart:  es  geht  an  die 
Bindriemen  «es  wird  Ernst  mit  der  Sache», 
eig.  es  wird  die  letzte  Hand  an  die  Kleidung, 
Rüstung  gelegt. 


241 


Binetsch 


Bischof 


242 


Biuetsch,  m.  (-es):  Spinat  (s.  d.).  Wie 
dies  Wort  aus  mlat.  spinacea  f.,  ital.  spinaccio 
m.  Obd.  In  finihnhd.  Glossaren  (Diefenb.  nov. 
gloss.  345'^  vom  J.  1466),  dann  auch  1537  bei 
Dasypodius  und  1533  in  Rößlins  Kräuter- 
buch 290^. 

Bingelkraut,  n. :  die  Pflanze  mercurialis. 
Bingel-  mit  /  statt  ü  aus  mhd.  hüngel,  ahd. 
hungil  n.,  das  aber  Xame  einer  andera  Pflanze, 
und  zwar  einer  mit  knolliger  Wurzel,  der 
Mauerraute,  ist,  von  mhd.  hinge,  ahd.  hungo  m. 
«Knollen».  S.  Bachhunge.  Die  Übertragung 
auf  mercurialis  schon  bei  Maaler  1561,  viel- 
leicht wegen  der  FruchtknöUchen  der  Pflanze. 

binnen,  Präp.  mit  Dat.,  selten  Gen.:  in 
den  Grenzen  von  — .  Fast  nui-  noch  zeitlich; 
räumlich  jetzt  als  Adv.  in  Zusammens.  wie 
Binnenland  usw.  Mhd.  (vorwiegend  md.) 
hinnen,  wie  mnd.  und  mnl.,  dazu  afries.  binna, 
ags.  hinnaiL  Zusammeng.  aus  hi  (mit  Unter- 
drückung des  Vokals,  vgl.  hange)  und  imien. 
Von  Luther  (aber  nur  räumlich)  gebraucht, 
während  es  dem  altem  Obd.  fremd  ist. 

Binse,  f.  (PI.  -n):  Flechtpflanze  mit  mar- 
kigem Schafte,  juncus.  Mit  s  für  ß  hervor- 
secfancren  aus  dem  Plural  des  gleichbed.  mhd. 
hineß,  hin^,  ahd.  hinu^  m.;  dazu  asächs.  hinit 
(in  dem  Adj.  hinitin),  ags.  heonet,  engl.  hent. 
Älterahd.  und  jetzt  in  obd.  Mundarten  auch 
hinz,  hinze;  Schottel  1663  hat  Bintz  und  Bins 
(PI.  Bintzen,  Binsen),  Stieler  1691  nur  Binz 
m.,  Rädlein  1711  Binse  neben  Bintz  (das  Fem. 
Binse  schon  bei  Rollenhagen  Froschm.  8,  2,  5). 
Das  Wort  besteht  wohl  aus  hi  (wegen  der 
Betonimg  ungeschwächt  erhalten)  und  dem 
Worte  na^,  das  aber  kaum  zu  nass,  sondern 
eher  zu  Netz,  Xessel  gehört.  Xicht  verwandt 
ist  das  gleichbed.  ndl.  hies  f.  ABL.  Bin- 
sicht,  n.  Mit  angetretenem  t,  da  ahd.  hi- 
nugahi,  hin^alii  n.  ZUS.  Binsenwahrheit, 
f.:  selbstverständUche  Wahrheit.  Erst  in 
neuerer  Zeit  aufgekommen.  Eig.  wohl  Wahr- 
heit wie  eine  Binse  dünn  und  dürftig.  ZfdW. 
5,  286.  6,  358. 

Biograph,  m.  {-en,  PI.  -en):  Lebensbe- 
schreiber.  Aus  dem  gleichbed.  gr.-lat.  hio- 
graplms,  gr.  ßiöypaqpoc  m.,  zusammenges.  aus 
ßioc  m.  Leben  und  --fpaqpoc  «Beschreiber»-zu 
Ypdqpeiv  «schreiben».  Im  18.  Jh.  aufgenommen 
(Lessing  6,  298).  ABL.  Biographie,  f. 
«Lebensbeschreibung».  Aus  gi'.-lat.  hiogra- 
phia,  gr.  ßiOTpaqpia  f. 

Birke,  f.  (PI.  -n):  der  Waldbaum  lat.  be- 
tula.  Mhd.  birke,  hirche,  ahd.  hircha,  hirihha 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


f.;  dazu  ndl.  herk  m.,  ags.  beorc  und  hirce  f., 
engl,  hirch,  anord.  björk,  schwed.  björk,  dän. 
hirk  f.  Urverwandt  ist  aind.  hhürjas  m.  «Art 
Birke»,  osset.  bärz  «Birke»,  abg.  hreza  f., 
lit.  birzas  m,  «Birke»,  vielleicht  auch  lat. 
fraxinus  und  farnus  «Esche».  Auch  Borke  ist 
wohl  verwandt.  ABL.  birken,  adj.  (auch 
IQ  Birkenholz  usw.).  Mhd.  hirkin,  ahd.  hircMn. 
ZUS.  Birkhuhn,  n.:  Birkenknospen  und 
Zäpfchen  gern  fressendes  Waldhuhn.  Mhd. 
birklmon,  ahd.  hirchuon,  hirichlmon  n. 

Birne,  f.  (PI.  -n)  -.  die  Kernobstfrucht  lat. 
pirum.  Hervorgegangen  aus  dem  PI.  (mhd. 
bim)  des  mhd.  hire,  bir,  ahd.  hira  f.,  von  dem 
PI.  des  lat.  pirum  n.  Vgl.  auch  got.  baira- 
bagms  m.  «Maulbeerbaum».  Während  hier  p 
zu  h  geworden,  ist  in  dem  auf  roman.  (ital.- 
span.)  pera  (franz.  poire  f.)  beruhenden  ndl. 
peer  f.,  engl,  piear  das  urspr.  ^j  festgehalten. 
Das  ältere  Bir  findet  sich  im  16.  Jh.  (Luther 
hat  Bim-  in  Zusammensetzungen)  und  noch 
jetzt  mundartlich  (alem.-schwäb.-rheinfränk.), 
doch  kommt  Birne  schon  im  15.  Jh.  vor 
(Diefenbach-Wülcker  S.250).  Die  gewöhnliche 
älternhd.  Form  (noch  bei  Adelung)  ist  Bir7i. 
Ein  PI.  Bim  1774  bei  Goethe  (D.  j.  Goethe  8, 
295).  ZUS.  Birnbaum,  m.,  dafür  mhd.  bir- 
houm,  ahd.  hiräboum  m. 

Birsch,  f.  (Pl.-e?i)  oder  Pirsch:  Waldjagd 
mit  Spürhunden.  Im  16.  Jh.  Von  birschen, 
V.:  mit  Spürhunden  im  Walde  jagen.  Mit 
Übergang  eines  s  in  seh  nach  r  aus  mhd. 
hirsen,  das  auf  dem  noch  unerklärten  afranz. 
herser  «mit  Bolzen  oder  Pfeü  jagen  und 
schießen»  beruht.  Auch  pirschen  und  bürschen 
(so  bei  Adelung),  pürschen  geschrieben. 

""^bis,  Imp.  (altertümUch  und  dichterisch): 
sei,  s.  sein. 

^bis,  den  Zielpunkt  in  Raum  oder  Zeil  be- 
stimmendes Adv.,  dann  Konj.  Mit  s  füi*  ß 
aus  mhd.  hi^,  Adv.  Präp.  und  Konj.,  von  Mittel- 
deutschland aus  vordringend  und  das  echthd. 
unze,  unz  allmählich  verdrängend.  Zusammen- 
ges. aus  bi  und  ahd.  a^  «zu»,  das  dem  asächs. 
at,  ags.  at,  got.  at,  lat.  ad  entspricht,  urspr. 
also  bi-az.  Im  Älternhd.  auch  bitze,  das  ähnlich 
auf  bi  und  ze  zurückgeht. 

Bisam,  m.  (-s):  Moschus.  Mhd.  biseni 
(so  auch  bei  Luther),  ahd.  bisam,  bisamo  m., 
aus  mlat.  bisamum  n.,  das  auf  hebr.  besem, 
syrisch  besmö  «Wohlgeruch,    Salbe»  beruht. 

bis-chen,  s.  bißchen. 

Bischof,  m.  {-s,  PI.  Bischöfe):  höchster 
Geistlicher:  (seit  der  Mitte  des  18.  Jh.,  z.  B. 

16 


243 


Bise 


bitzeln 


244 


1773  bei  Amaranthes)  eine  Art  Rotweinpunsch. 
Mhd.  hischof  (PI.  hisdwve),  auch  (wohl  durch 
Einwirkung  von  Namen  auf  -olf,  wie  Rudolf 
usw.)  Uscholf,  ahd.  hiscof  m.,  nach  ital.  ves- 
covo  aus  dem  gleichbed.  gr.-lat.  episcopus  m. 
Dies  beruht  auf  gr,  eiricKOTroc  m.  eig.  «Auf- 
seher», dann  «Obwalter»,  weiter  kii'chlich 
s.  V.  a.  «Obwalter  als  Geistlicher,  geistlicher 
Vorgesetzter»,  zusammenges.  aus  gr.  d-rri  «auf, 
über»  und  ckottöc  «Schauer,  Aufseher,  Acht- 
geber» von  cKOTTCiv  «schauen,  spähen».  Auf 
dem  Lat.  beruht  auch  ndl.  hisschop,  ags.  his- 
cop,  engl,  hishop,  anord.-schwed.  hiskop,  dän. 
hisp  m.,  got.  mit  engerem  Anschluß  an  die 
Grundform  aipiskaupus  m.  ABL.  bischöf- 
lich, adj.,  mhd.  hischo flieh. 

Bise,  f.  (PI.  -n):  Nordostwind.  Schweize- 
risch, mit  erhaltenem  i  (doch  älternhd.  Beis- 
tvind)  aus  mhd.  hise,  ahd.  hisa  f.,  daher  franz. 
hise  f.  Vielleicht  verwandt  mit  biesen  (s.  d.) 
mit  der  Grundbed.  «Sturm». 

Biskuit,  n,  (-S,  PI,  -s,  -e):  Zuckerge- 
backenes. Aus  franz.  hiscuit  m.  eig.  «Zwie- 
back», das  auf  mlat.  hiscoctus  «zweimal  (pis) 
gebacken  (coctus)»  beruht.  Älternhd.  ge- 
wöhnlich das  auf  ital.  hiscotto  m.  beruhende 
Biskott  (z.  B.  1601  bei  Albertinus  Kriegsleut 
Weckuhr  2,  164,  Bißkotte  1598  bei  Hutter 
Dict.  300,  Biscott  1574  bei  Fischart  Onoma- 
stica  118^)  oder  das  aus  dem  Dimin.  his- 
cottino  m.  hervorgegangene  Biskotten  (z.  B. 
1595  bei  Hulsius  SchifFart  1,  10,  noch  jetzt 
ebd.),  daneben  seit  dem  Anfang  des  17.  Jh. 
auch  Biscuit,  1613  bei  Hulsius  Schiffart  11, 
2,  154,  1672  bei  Grimmeishausen  Vogelnest  2, 
6  Bisquit. 

bislang,  adv.:  bisher.  Norddeutsch,  zu- 
sammengezogen aus  älternhd.  hissolang  (bei 
Luther  8,  488  W.  hissolange),  das  in  der  Kanz- 
leisprache schon  am  Ende  des  15.  Jh.  vor- 
kommt,  zusammengeiückt  aus  bis  so  lange. 

Biß,  m.  (Gen.  Bisses,  PI.  Bisse):  Hand- 
lung des  Beißens;  Spur  vom  Beißen.  Mhd. 
hi^,  daneben  mhd.-ahd.  auch  hiz  m.  Zu  heißen. 

hißchen:  ein  klein  wenig.  Eig.  Dem.  von 
Bissen  (s.  d.).  Seit  dem  16.  Jh.,  anfangs  ge- 
wöhnlich mit  der  obd.  Dim.-Endung  als  biß- 
lein  (Ludwig  1716  hat  ein  bißgen,  das  schon 
vorher  von  Weise  u.  a.  gebraucht  wird). 

Bissen,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  soviel  als 
man  auf  einmal  abbeißen  kann.  Aus  mhd. 
hi^^e,  ahd.  hi^p  mit  schwacher  Flexion;  da- 
zu ags.  bita,  engl,  bit,  anord.  biti  m.  Von 
beißen. 


hissig,  adj.:  gern  beißend.  Frühnhd., 
dafür  mhd.  bi^ec  «beißig»  (s.  d.). 

Bistum,  n.  {-s,  PI.  Bistümer):  Gebiet 
eines  Bischofs.  Mhd.  bischtuom,  bistuom,  ahd. 
biscetuom,  gekürzt  aus  biscoftuom  n. 

bisweilen,  adv. :  von  Zeit  zu  Zeit.  Mhd. 
bi^  wtlen  kommt  noch  nicht  vor,  dagegen  in 
gleicher  Bed.  bi  wilen  und  ze  wilen,  so  daß 
vielleicht  bisweilen  aus  biziveilen  zu  erklären 
ist;  weilen  ist  der  Dat.  PI.  von  Weile  (s.  d.). 
Das  Wort  tritt  erst  im  16,  Jh.,  vorwiegend 
bei  norddeutschen  Schriftstellern  (Mathesius 
Luther  90,  Eingwald  Eckh.  E  7^^,  Rollen- 
hagen Froschm.  1,  2,  22),  doch  auch  bei  Fisch- 
art (Binenk,  58)  auf. 

Bitte,  f,  (PI,  -n) :  ausgedrücktes  Verlangen 
an  jemandes  Güte,  Spätmhd.  bitte  (Wyle 
19,  8)  neben  gewöhnlichem  mhd.  bete,  ahd. 
selten  bita  neben  beta,  got.  bida  f.  Von 
bitten,  v.  (Prät.  bat,  Part,  gebeten):  an  je- 
mand ein  Verlangen  richten  in  Hoffnung 
gütiger  Gewährung.  Mhd.  biten,  bitten,  ahd. 
bitten;  dazu  asächs.  biddian^  ndl.  bidden,  ags. 
biddan,  engl,  bid,  anord.  bidja,  schwed.  bedja, 
dän.  bede,  got.  bidjan.  Man  stellt  es  zu  gr. 
•nreieo)  (ir  für  qp  wegen  des  folgenden  6) 
«durch  Zureden  wozu  bestimmen,  überreden, 
erbitten»,  lat.  fido  «vertraue»,  so  daß  das 
V.  urspi'.  der  t- Reihe  angehört  hätte  und 
zur  er  Reihe  übergetreten  wäre  (Osthoff  Btr. 
8,  140),  besser  aber  zu  ai.  badhate  «drängf, 
verdrängt,  bedrängt»,  lit.  bädas  m.  «Hungers- 
not, Hunger».  Im  letzten  Grunde  können 
allerdings  beide  Wurzeln  zusammengehören. 

bitter,  adj.  u.  adv.:  beißend  scharf.  IVJhd. 
bitter,  ahd.  bittar:  dazu  asächs.  bittar,  ndl. 
bitter,  ags.  biter,  anord.  bitr,  engl,- seh wed,- 
dän.  bitter,  got.  mit  Ablaut  baitrs.  Zu  beißen, 
aber  mit  bewahrtem  t,  da  t  vor  r  nicht  ver- 
schoben wird,  ABL.  Bitterkeit,  f.,  mhd, 
bitterkeit  f.  bitterlich,  adj.  u.  adv.,  mhd. 
bitterlich. 

Bitze,  f,  (PI.  -n):  Baum-,  Grasgarten.  In 
der  Schweiz,  Schwaben,  Hessen,  der  Wetterau, 
Nassau,  Spätmhd,  bitze  f,,  abgeschwächt  aus 
biziune  n,,  ahd,  bizüni  n,  und  bizüna  f,  «ein- 
gezäuntes Grundstück»,  zusammeng.  aus  dem 
wegen  der  Betonung  ungeschwächt  gebliebenen 
bi  und  einer  Ableitung  von  z'ün,  «Zaun». 

bitzeln,  v,:  schnell  wiederholte  fein- 
stechende Empjfindung  haben.  Frühnhd.  (bei 
Keisersberg,  H.  Sachs),  abgeleitet  von  mhd. 
ahd.  biz  m,  «Beißen,  Biß». 


245 


Biwak 


Blase 


246 


Biwak,  n.  (s,  PI.  -s):  militärische  Feld- 
wache, Feldlager.  Aus  dem  gleichbed.  franz. 
hivouac  m.,  das  auf  einem  ndd.  Mwake  «Bei- 
wache» beruht.     Im   17.  Jh.  entlehnt. 

bizarr,  adj.  u.  adv.:  auffallend  seltsam 
und  wunderlich.  Aus  dem  gleichbed.  franz. 
bizarre,  dies  aus  span.  hizärro  «tapfer,  mutig, 
ritterlich,  prächtig»,  dem  baskisch  hizarra 
«Bart»  zu  gründe  liegt.  Vgl.  higott.  Im 
17.  Jh.  entlehnt  (1697  bei  Thomasius  Sitten- 
lehre 455). 

blach,  adj.:  weit  und  breit  ohne  Erhaben- 
heit, namentlich  in  Blacllfrost  «Frost  ohne 
Schnee»,  Blachfeld  (bei  Luther)  «das  flache 
Feld».  Mhd.  selten  hlach,  identisch  mit  flach, 
dessen  Anlaut  f  hier  weiter  zu  h  verschoben 
wurde. 

Blackflsch,m.  (-es,  PI.  -e) :  Tintenschnecke. 
1563  in  Forers  Fischbuch  112.  Aus  ndd.  hlak- 
fisk;  ndd,  hlak  n.  ist  wie  ags.  Ucee,  schwed.- 
dän.  hläk  n.  «Tinte»  (auch  älternhd.  placke 
1482  im  Voc.  theut.  z3%  ahd.  Nach  n.),  zu 
ags.  hlcec,  engl,  hlack,  ahd.  hlah  «schwarz», 
das  vielleicht  zu  gv.jj.iXac  «schwarz»  gehört, 
(germ.  hla-  aus  mla-)  Hirt  PBrBtr.  23,  307. 

blaff,  interj.  Knall  und  Fall!  Lautnach- 
ahmend, vgl.  haff,  paff.  ABL.  blaflfen,  v. : 
bellen  (Lessing  10,  231).  Spätmhd.,  auch  ndl. 
Uaffen,  vgl.  häffen. 

Blähe,  f.  (PI.  -n)-.  großes  grobes  Leintuch 
(zur  Bedeckung  von  Wagen,  zum  .Trocknen 
von  Friichten,  als  Fenstervorhang  usw.).  Spät- 
mhd. hlahe  f.  «grobes  Leintuch,  dann  über 
einen  Wagen  gespanntes  Tuch».  Auch.  Flache, 
Plane,  Flaue  (s.  d.).  Wohl  nicht  von  hLplaga  f. 
«Jagdnetz,  ausgespanntes  großes  Tuch,  Teppich, 
Bettvorhang».  Die  mundartlichen  Formen 
(auch  Blähe  mit  Anlelmung  an  Mähen)  führen 
auf  ein  got.  *hlahwa,  *hlaiva;  verwandt  ist 
anord.  hlceja  f.  «gefärbtes Stück  Tuch»,  schwed. 
hlöja  f.  «Wickeltuch»,  dän.  hie  «Leintuch, 
Windel». 

blähen,  v.:  durch  Luft  ausdehnen.  Refl. 
sich  blähen:  dick  (stolz)  tun.  Aus  mhd. 
hlcejen,  hlcen,  ahd.  hldjan,  hläen;  dazu  mit 
urspr.  reduplizierendem  Prät.  ags.  hläwan 
(Prät.  Ueoio),  engl,  hlow  (Prät.  hlew)  «wehen, 
hauchen,  blasen».  Das  Wort  stimmt  der 
Lautverschiebung  gemäß  mit  lat.  fläre  «bla- 
sen», vgl.  blasen,  Blatter. 

blaken,  v.:  flammen,  qualmen.  Ein  ndd. 
Wort  (mnd.  u.  mnl.  blaken),  das  Heynatz  1796 
aus  der  Berliner  Sprache  anführt  und  Campe 
1807  verzeichnet.     Verwandt  mit  gr.  (pAcreiv 


«brennen,  leuchten»,  qpX.öE  f.  «Flamme»,  lat. 
flagräre  (s.  Walde  s.  v.)  «brennen»,  fulgur  n. 
und  fulmen  n.  «Blitz»,  aind.  MräJ  «leuchten», 
vgl.  blecken.  ABL.  Blaker,  m.  (-s,  PI.  wie 
Sg.):  Wand-,  Hängeleuchter.  Das  nd.-ndl. 
blaker,  von  Frisch  1741  angeführt  und  von 
Voß  1,  117  gebraucht;  vgl.  auch  ags.blcecern 
m.  «Leuchter». 

blamieren,  v.:  beschämen.  Refl.  sich  h.: 
sich  der  Beschämung  aussetzen.  Aus  franz. 
blämer,  ital.  biasimare,  altsp.  fcZasmar  «tadeln», 
das  auf  mlat.  blasimäre,  blasmäre  beraht,  einer 
Zusammenziehung  des  kirchlich-lat.  blasphe- 
inäre,  das  selbst  wieder  auf  gr.  ßXaccprmeiv 
«von  jemand  ehi-enriihrig  reden»  zuriickgeht, 
vgl.  Blasphemie.  Im  17.  Jh.  entlehnt,  aber 
zunächst  in  der  Bed.  «beschimpfen»,  die 
jetzige  Bed.  wohl  nicht  vor  der  Mitte  des 
18.  Jh.  ABL.  Blamage,  f.  (PI.  -n).  Im 
18.  Jh.  mit  der  franz.  Endung  -age  im  Deut- 
schen gebildet,  vermutlich  in  der  Studenten- 
sprache, vgl.  Renommage. 

blank,  adj.  u.  adv.:  glänzend  weiß;  weiß; 
glänzend  rein.  IVIhd.  hlanc,  ahd.  Manch;  dazu 
ags.  blanc,  ndl.- engl,  blank,  anord.  blakkr, 
schwed.-dän.  (entlehnt)  blank.  Ins  Romanische 
aufgenommen,  ii'am.blanc,  ital.  &mwco« weiß». 
Zu  blinken.  Mit  Einfügung  eines  n  zu  der 
Wurzel,  auf  die  blaken,  blecken  zurückgeht. 

blänkeln,  s.  plänkeln. 

Blankett,  n.  {-es,  PI.  -e)\  leeres  mit 
Namensimterschrift  versehenes  Papier  zum 
Ausfüllen  für  einen  Bevollmächtigten.  Aus 
dem  gleichbed.  franz.  blanquet  m.,  von  blanc 
«weiß»,  eig.  weißes  Papier.  Schon  im  Anfang 
des  16.  Jh.  entlehnt  (Luther  7, 358^  Jen.  &ZawÄ;e^). 

Blankscheit,  n.  (-es,  PI.  -e):  linealartiges 
Miederbrettchen.  Das  durch  Anlehnung 
deutschverständlich  gemachte  gleichbed.  franz. 
planchette  f.  (gespr.  plangschett) ,  das  Dim. 
von  pZanc/ie  f.  «Planke».  Um  1700  in  Mittel- 
deutschland üblich  (1715  bei  Amaranthes 
Blanck- Scheit,  bei  Günther  537  Blanck- Scheit, 
bei  Gellei-t  Lustsp.  317). 

Blase,  f.  (PI.  -n) :  durch  Luft  oder  Flüssig- 
keit rundlich  aufgeblähte  Haut  oder  haut- 
artige Fülle;  (studentisch)  freie  Vereinigung. 
Mhd.  blase,  ahd.  bläsa  f.  «Harnblase»  (jede 
andre  Blase  heißt  mhd.  blätere,  ahd.  blätara, 
s.  Blatter);  dazu  ndl.  Maas,  schwed.  bläsa  f. 
Von  blasen,  v.  (Prät.  Mies,  Part,  geblasen): 
Luft  forttreiben,  stark,  hörbar  wehen.  Mhd. 
blasen,  ahd.  bläsan:  dazu  ndl.  Mäzen,  anord. 
bläsa,  schwed.  Mäsa,  dän.  blase,  got.  blesan. 

16* 


247 


blasiert 


blau 


248 


Im  Ags.  hat  bläican,  engl,  hlow  (s.  blähen) ' 
die  Bed,  von  blasen:  in  diesem  ist  das  s  als  [ 
ein  Ableitungselement  anzusehen,  es  gehört  mit  j 
blähen  zu  lat.  fläre.  ABL.  Bläser,  m.  (s,  PI. 
wie  Sg.),  mhd.  bläsmre.  ZUS.  Blasebalg,  m. 
(vgl.  Balg),  mhd.  bläsebalc  m.  Blasrohr,  n.,  | 
bei  Schweinichen  1,  30  vom  J.  1562. 

blasiert,  adj.:  abgestumpft,  teilnahmlos,  j 
In   neuerer   Zeit  aus  gleichbed.  franz.  blase 
umgebildet,  dessen  Herkunft  unbekannt  ist. 

blasonnieren,    v.:    ein   Wappen   kunst- 
mäßig  ausmalend   schmücken;    ein   Wappen  ^ 
kunstgerecht    piiifen    und    erklären.      Mhd.  | 
blasenieren    aus    franz.  blasonner    «Wappen 
malen»,    von   blason   m.    «Schild,    Wappen, 
Wappenkunde»,  dessen  Herkunft  unsicher  ist. 

Blasphemie,  f.  (PI.  -;/) :  Gotteslästerung. 
Aus  dem  gleichbed.  kirchlich-lat.  blasphemia, 
gr.  ßXacqpriuia  f.  « ehrenmhrige  Rede,  gottes- 
lästerliche Rede»,  von  gr.  ßXacqpri.ueiv  (s.  bla- 
mieren). Früh  im  16.  Jh.  entlehnt  (z.  B. ; 
1524  bei  Emser,  vgl.  Gombert  6,  17)  und 
bei  Rot  1571  verzeichnet.  I 

bla£,  adj.  (Komp.  blasse^',  blässer,  Sup. 
blassest,  blässest) :  weißHch;  schwach  an  Farbe. 
Mhd.  blas  (flekt.  blasser),  ahd.  blas  «weiß,  weiß- 
lich, besonders  an  der  Stirne»  (ahd.  blas  ros); 
«bleich,  farblos»  (bei  Nicolaus  v.  Jeroschin  und 
Brun  V.  Schonebeck);  «kahl,  kahl  an  Ansehn, 
Wert,  gering»  (vereinzelt  seit  dem  13.  Jh.), 
vgl.  ndl.  bles  «kahl».  In  der  jetzigen  Bed.  ist 
blaß  im  16.  Jh.  selten  (Luther  hat  nur  er- 
blassen) und  dringt  im  17.  Jh.  von  Mittel- 
deutschland aus  vor,  Schottel  1663  verzeichnet 
es.  Der  wahrscheinliche  Gnindbegriff  «schei- 
nen, leuchten»  (die  Bedeutungsentwicklung 
wie  bei  bleich,  s.  d.)  zeigt  sich  in  mhd.-mnd. 
blas  n.,  ags.  blcese  f.,  engl,  blaze  «brennende 
Fackel».  J-Bi^.  Blässe,  f.:  Farbenschwäche, 
erst  im  17.  Jh.  zu  blaß  «bleich»  gebildet  | 
und  bei  Stieler  1691  verzeichnet,  blassen,  v.:  j 
an  Farbe  schwächer  werden  oder  machen. ! 
Im  17.  Jh.     Vgl.  Blesse. 

Blatt,  n.  (-es,  PI.  Blätter) :  dünner  ebener  | 
Pflanzenteil,  der  sich  aus  Wurzel  oder  Stengel 
entfaltet;    ähnlicher    dünner    breiter    flacher  I 
Teil  wovon;  Papierblatt.    Mhd.  blaf  (PI.  blat 
u.  Meter),  ahd.  blat  (PI.  bletir),  n.:  dazu  asächs. 
blad,  ndl.  blad,  ags.  blced,  engl,  blade  «Blatt- } 
chen,  Hälmchen»,   anord.  blad,  schwed.-dän. 
blad  n.     Das  Wort  stimmt  in  seiner  Wurzel 
mit  lat.  folium,  gr.  qpüXXov  n.  «Blatt»;   es  ist 
als  eine  partizipiale  Bildung  mit  dem  Suffix 
-to-   und   schwacher  Wurzelstufe   zu  blühen 


anzusehen,  doch  sind  auch  andre  Verglei- 
chungen  möglich,  Hirt  Btr.  23,  356.  Luther 
hat  Blat,  PI.  Bletter,  und  die  Form  Blat 
mit  gedehntem  Vokal  ist  auch  später  sehr 
häufig,  z.  B.  bei  den  schlesischen  Dichtern 
(Logau  3,  50,  Fleming  93,  Günther  148),  sie 
wird  1737  von  Freyer  S.  267  verlangt  und 
noch  1775  von  Heynatz  erwähnt.  Redens- 
arten: kein  B.  vor  den  Mund  nehmen  «gerade 
heraus  i'eden»,  eig.  wohl  vornen  in  den 
Mund  tun,  um  seine  Sprache  zu  verstellen 
(schon  mhd.);  das  Blättlein  ic endet  sich  «das 
Glück  schlägt  um»,  wohl  von  den  Kunst- 
stücken der  Gaukler  ausgegangen  (1534  bei 
S.  Franck  Weltb.  Vorr.  a4^  das  blätlin  ^virt 
sichumbkören).  AB L.  l)  mit  Blatt,  blatten, 
V.:  Blätter  zahli'eich  abpflücken,  durch  Ab- 
pflücken überflüssiger  Blätter  derselben  ent- 
ledigen; (weidmännisch)  Wild  durch  Pfeifen 
auf  einem  Blatt  locken  (bei  Rädlein  1711, 
oft  blaten  geschrieben).  Mhd.  blaten.  2)  mit 
dem  PI.  Blätter.  blätterig,  adj.,  mhd. 
bleteroht.  blättern,  v.:  Blätter  umschlagen, 
mhd.  bleiern  in  Überbietern:  wie  blatten. 
ZUS.  Blattgold,  n.:  dünngeschlagenes  Gold, 
1678  bei  Krämer.  Blattlaus,  f.,  1730  bei 
Frisch  Insect.  8,  84. 

Blatter,  f.  (PI.  -n):  kranker  rundlich 
aufgeblähter  Hautfleck.  Mit  Kürzung  des 
Vokals  (bei  Luther  Blatter)  aus  mhd.  blätere, 
bläter,  ahd.  blätara  f.  «Blase»:  dazu  ndl.  (mit 
ausgefallenem  d)  blaar,  ags.  blcedre,  engl. 
bladder,  anord.  blaära,  schwed.  blädra,  dän. 
bläre  f.  «Blase,  Blatter».  Aus  einer  Wurzel 
mit  blähen  und  blasen  (s.  d.).  ABL.  blatterig, 
adj.:  voll  Blattern,  mhd.  Uäterec. 

blätterig,  blättern,  s.  Blatt. 

blau,  adj.:  luftfarbig.  Aus  mhd,  blä  (flekt. 
bläwer),  ahd.  bläo:  dazu  ndl.  blaauic,  ags. 
bläiu,  engl,  blue  (aus  franz.  bleu?),  anord.  blär, 
schwed.  bld,  dän.  blaa.  Zusammenhang  mit 
bleuen  (s.  d.),  so  daß  blau  urspr.  die  Farbe 
der  Haut  infolge  einer  Quetschung  ausdrücken 
würde,  ist  kaum  möghch;  ebensowenig  der 
mit  lat.  flävus  «blond»  wegen  der  ganz  ab- 
weichenden Bedeutung.  Am  ehesten  zu  gr. 
iue\ac  «schwarz»,  ht.  melvias  «blau»,  wenn 
bl  aus  ml  entwickelt  ist.  Redensarten:  der 
blatte  Montag  eig.  «der  (durch  blaue  Altar- 
umhängung  in  den  Kirchen  ausgezeichnete) 
Montag  vor  Aschermittwoch,  an  dem  nicht 
gearbeitet  wurde,  dann  jeder  Montag,  den 
die  Handwerker  zu  einer  Nachfeier  des  Sonn- 
tags machen»   (1719  bei  Kramer,    dafür  im 


249 


Blänel 


Bleiche 


250 


16.  und  17.  Jh.  der  gute  Montag);  ins  Blaue 
hinein  reden  eig.  in  die  Bläue  des  Himmels, 
in  die  unbestimmte  Feme:  einem  einen  blauen 
Dunst  vor  die  Äugen  machen:  (eig.  von  den 
Dämpfen,  die  die  Zauberer  bei  ihren  Be- 
schwörungen aufsteigen  ließen)  ihn  durch 
Vorspiegelungen  betragen  (schon  1492  ain 
plahen  tunst  machen  Liliencron  2,  197):  eben- 
falls von  den  Gaukelbildeni  der  Zauberer 
herrührend  sein  blaues  Wunder  sehen  (1645 
bei  Zesen  adr.  ßosemund  97).  ABL.  Bläne, 
f.,  mhd.  blcewe  f.  blauen,  v.:  blau  werden, 
bei  Stieler  1691.  bläueu,  v.:  blau  machen, 
mhd.  blceiven.  bläulich,  adj.  u.  adv.:  ein 
wenig  blau,  frühnhd.  blaulichf. 

Bläuel,  s.  Bleuel,  bläuen  (schlagen), 
s.  bleuen. 

Blaustrumpf,  m.  (-es,  PI.  Blaustrümpfe) : 
Angeber,  Verräter.  Im  17.  Jh.  (Weise  Cath. 
260).  Bei  Schüler  Räuber  2,  3  der  höllische 
Blaustrumpf  «der  Teufel».  Eig.  Spottname 
der  Gerichtsdiener,  die  vielfach  verpflichtet 
waren,  blaue  Strümpfe  zu  tragen.  Erst  im 
19.  Jh.  B.  «gelehrtes  Frauenzimmer»  nach 
engl,  blue-stocking;  blue-stockings  hieß  ein 
Kreis,  der  sich  um  1750  in  London  im  Hause 
der  Frau  Montague  versammelte,  nach  einem 
Mitglied,  das  blaue  Stiümpfe  zu  tragen 
pflegte,  später  besonders  die  weiblichen  Teil- 
nehmer an  den  Zusammenkünften. 

Blech,  n.:  dünn  geschlagene  .oder  ge- 
walzte Metallplatte;  Geld;  (seit  etwa  1840 
im  gemeinen  Leben  nach  dem  studentischen 
Blech  reden)  schlechtes  Geschwätz.  Mhd. 
blech,  ahd.  bleh  n.;  dazu  ndl.  blik,  blek,  schwed. 
bleck,  dän.  blik  n.  «Blech»,  aber  anord.  buk 
n.  «leuchtender  Glanz»,  dann  «Gold,  Gold- 
blech». Zu  bleichen  (s.  d.),  die  ui'sprüng- 
liche  Bed.  also  «das  Glänzende».  Die  2.  Bed. 
nach  den  ehemahgen  Hohlmünzen  aus  Gold- 
oder Silberblech;  sie  findet  sich  schon  im 
16.  Jh.,  und  zwar  zunächst  im  Kotwelschen 
1510,  dann  bei  Fischart  Garg.  70  vil  Ämter 
und  wenig  Plech.  ABL.  blechen,  v.:  Blech 
d.  i.  Geld  geben,  zahlen  (Goethe  Götz  2, 
Schiller  Kab.  u.  L.  5,  6  heraus  blechen).  Als 
idiotischer  Ausdruck  bei  Adelung  1774  und 
Kindleben  1781  (fm-  die  Studentensprache) 
angeführt,  blechern,  adj.  und  adv.:  aus 
Blech  bestehend.  Dafür  spätmhd.  blechen 
aus  urspr.  blechtn,  1616  bei  Henisch  blechin 
neben  blechern,  noch  bei  Voß  Idyll.  16,  96 
die  blechene  Dose.  Blechner,  m.:  Klempner. 
In  Südwestdeutschland. 


blecken,  v.:  sichtbar  machen,  bes.  die 
Zähne.  Mhd.  blecken  (Prät.  blacte)  «sichtbar 
werden,  sich  entblößen»,  sowie  «bloßlegen, 
sichtbar  machen»,  ahd.  blecchen  «hervor- 
leuchten, blinken,  schimmern»,  b.  gehört  als 
Faktitiv  zu  einem  nach  der  e-KIasse  flek- 
tierenden nicht  erhaltenen  ahd.  blehhan  (vgl. 
bleichen),  das  zu  gr.  qpXexeiv  «brennen,  leuchten» 
und  weiter  zu  lat.  flagräre  «brennen).,  aind. 
bhräj  «leuchten»  gehört.     S.  blaken,  blicken. 

'Blei,  n.  (-es,  PI.  -e):  sehr  weiches,  schwe- 
res, bläuhch  weißes  Metall;  Richtblei,  Lot. 
Mhd.  bli  (Gen.  bliwes)  n.  m.,  ahd.  blio  n.;  dazu 
anord.  bly,  sehwed.-dän.  bly  n.  Dunklen  ür- 
spnings;  Persson  Bezz.  Beitr.  19, 273  vergleicht 
schwerhch  mit  Recht  lit.  blaivas  «licht,  klar», 
Braune  Btr.  24,  195  stellt  es  wieder  zu  blaic. 
Vgl.  noch  Hii-t  Btr.  23,  354,  der  es  auf 
'^'mliwom  zuiückführt  und  an  einen  durch 
Entlehnung  vermittelten  Zusammenhang  mit 
gl-.  ,u6\ißoc,  lat.  plumbum  «Blei»  denkt. 

-Blei,  m.  (-[eis,  PI.  -e) :  ein  Fisch,  s.  Bleihe. 

bleiben,  v.  (Prät.  blieb,  Part,  geblieben): 
an  einem  Orte  verharren;  in  einem  Zustand 
vei'haiTen:  von  Dauer,  Bestand  sein;  außerdem 
da  sein  (übrigbleiben);  unterlassen  werden 
(in  bleiben  lassen^,  nicht  mehr  von  der  Stelle 
kommen  (das  Leben  vei'lieren).  Mit  Unter- 
drückung des  e  in  der  Vorsilbe  be-  aus  mhd. 
belihen,  bliben,  ahd.  biliban :  dazu  asächs.  biUban, 
ndl.  blijven,  ags.  bellfan,  got.  bileiban,  ent- 
lehnt schwed.  blifva,  dän.  blive.  Das  einfache 
nicht  vorkommende  ahd.  -liban  gehört  wohl 
zu  gr.  XiTToc  n.  Fett,  Xiirapöc  «fett,  glänzend», 
abg.  lljmqti,  Kt.  Upti  «kleben  bleiben»,  so 
daß  sich  also  (wie  in  gr.  XmapeTv  «behan-en») 
die  Bed.  des  Verharrens  aus  der  des  «Klebens» 
entwickelt  hätte.  Vgl.  noch  Leib,  leben.  Das 
Part.  Prät.  mhd.  beliben  im  17.  Jh.  noch  sehr 
häufig  blieben  (doch  verlangt  schon  Schottel 
1663  geblieben),  auch  noch  im  18.  Jh.  dich- 
terisch (Goethe  1,  112.  295),  selten  in  Prosa 
(Lessing  11,  84). 

bl  eich,  ad j.  u.  adv. :  matt  glänzend :  schwach 
an  Fai'be,  weißlich.  Mhd.  bleich,  ahd.  bleih; 
dazu  ndl.  bleek,  ags.  bläc,  engl,  bleak,  anord. 
bleikr,  schwed.  blek,  dän.  bieg.  Zu  ^bleichen. 
ABL.  Bleichsucht,  f.:  1741  bei  Frisch 
bleiche  suht. 

'Bleiche,  f.  (PI.  -n):  Kunst  zu  bleichen: 

Bleichplatz.     Mhd.  bleiche  f.     Zu   ^bleichen. 

"Bleiche,  f.:   bleiches  Aussehen.     Mhd. 

bleiche,   ahd.  bleicht  f.;    dazu  mndl.  bleke  f. 

Zu  bleich. 


251 


bleichen 


Bleuel 


252 


^bleichen,  v.  (mit  schwacher  Flexion): 
worauf  wirken,  daß  es  bleich,  weiß  wird. 
Mhd.  lleichen  (entsprechend  ags.  blcecan,  anord. 
bleikja)  «blichen  machen»,  Faktitiv  zu  dem 
starkbiegenden  bleichen  (s.   '"^bleichen). 

"bleichen,  v.  (mit  schwacher  Flexion): 
bleich  werden.  Mhd.  bleichen,  ahd.  bleihhen, 
abgeleitet  von  bleich. 

^bleichen,  v.  Prät.  blich,  Part,  geblichen) : 
matt  glänzend,  weiß  werden.  Mhd.  blichen 
«glänzen»  (oheY  erblichen  ist  «erblassen»),  ahd. 
(bei  Notker)  in  erblichen  «erbleichen»  und 
f erblichen  «verbleichen»;  dazu  asächs.  blikan 
«glänzen»,  ndl.  blijken  «erheUen,  oflenbar 
werden»,  ags.  blican  «glänzen»,  anord.  blikja 
(Prät.  bleik)  «erglänzen,  glänzen,  leuchten». 
Die  Wurzel  gehört  zu  abg.  bliskati  aus  *blig- 
skati  «funkeln»,  bleskä  m.  «Glanz».  Ygl. 
auch  Blech,  bleich,  blicken,  blinken. 

Bleichert,  m.  (-5,  PI. -e):  rötlicher  (blaß- 
roter, bleicher)  Wein.  Abgeschwächt  aus 
Bleichart,  Bleichhart  (vgl.  -ert  in  Bankert), 
bei  Fischart  Garg.  84  bleichart. 

bleiern,  adj.:  von  Blei;  (bildlich)  schwer- 
fällig. Bei  Luther,  während  sonst  älternhd. 
auch  bleien  (noch  bei  Yoß  Shak.  2,  51),  ent- 
sprechend mhd.  blijin,  ahd.  blnn,  abgeleitet 
von  Blei  (s.  d.). 

Bleifeder,  f.:  Bleistift.     1773  bei  Ama- 

ranthes  (3.  Aufl.). 

Blei(h)e,  f.  (PI.  -n),  auch  Blei  m.:  eine 
Art  breiter  Weißfische.  Aus  dem  Ndd.,  wo 
mnd.  bleie  f.,  dazu  ndl.  blei,  ags.  blcege  f., 
engl,  blaij.  Der  Ursprung  des  Wortes  mit 
den  Nebenformen  (schweiz.)  Bliegge  (schon 
ahd.  blieka).  Blicke  liegt  im  Dunkeln.  Schwer- 
lich ist  nach  ahd.  bleiclm,  dem  das  anord. 
bleikja  f.  entspricht,  an  bleich  anzuknüpfen, 
vgl.  dän.  biege  {-eg-  aus  -eik)  «Bleibe». 

Bleilot,  n.:  Senkblei.     Bei  Frisch  1741. 

Bleischnur,  f.:  Schnur  unten  mit  Blei- 
gewicht als  Maß-  und  Richtschnur  beim  Bauen. 
Bei  Luther.  Bleistift,  m.  {-es,  PI.  -e),  südd. 
auch  n.:  Schreib-,  Zeichenstift  aus  Reißblei. 
1653  bei  Harsdörfer  mathem.  Erquickstunden 
3,  179  Bleijstefft  m.  Bleiweiß,  n.:  ein  aus 
Blei  zubereitetes  weißhches  Pulver,  als  Farbe, 
Salbe  usw.  Spätmhd.  bliwiz.  Bleiwage,  f. : 
Setzwage  mit  einem  Bleilot,  um  die  senk- 
rechte Richtung  der  Mauer  zu  messen.  1495 
im  Voc.  rerum  f  2^^  blywag.  Bleiwurf,  m.: 
Bleilot,  Senkblei.  Bei  Luther  (Apostelg. 
27,  28  Bleyiüurff). 


Blende,  f.:  Vorrichtung,  den  freien  Bhck 
zu  benehmen;  Scheuleder  beim  Pferde;  vor- 
geschobene Anlage  zur  Verdeckung  einer  Be- 
festigung dahinter  (bei  Ludwig  1716);  blindes 
Fenster,  blinde  Türe,  Mauer-,  Wandvertiefung, 
Nische  (bei  Frisch  1741);  glänzendes  Mineral 
ohne  Erzgehalt  (1546  bei  Georg  Agi-icola). 
Von  blenden,  V.:  blind  oder  wie  blind  machen. 
Mhd.  blenden  (Prät.  blante),  ahd.  bleuten;  dazu 
ags.  blendan.  Das  V.  ist  ein  Faktitiv,  das 
wohl  unmittelbar  vom  Adjektivum  blind  ge- 
bildet ist,  da  ein  Verbum  blindan  nicht  vor- 
liegt (got.  ist  gablindjan  «verblenden»,  anord. 
blinda  «blenden»). 

Blendling,  m.  {-s,  PI.  -e)  -.  Tier  gemischter 
Rasse,  Mischling;  uneheliches  Kind.  Li  der 
1.  Bed.  als  Jägerwort  im  17.  Jh.  aufgeführt. 
Von  mhd.  blanden  (Prät.  blient),  ahd.  blantan 
«anstiften»,  urspr.  «mischen»,  wie  asächs.-ags. 
blandem,  engl,  blend,  anord.  blanda,  got.  blan- 
dan  «vermischen»  zeigt. 

Blendwerk,  n.:  Vorrichttmg  zum  Blen- 
den; Vorgespiegeltes  zur  Täuschung.  Im 
17.  Jh. 

Blesse,  f.  (PI.  -w):  weißer  Stimfleck;  Pferd 
oder  Kuh  mit  weißem  Stirnfleck  (vom  Pferde 
1691  bei  Stieler  Bläße  f.,  1575  bei  Fischart 
Garg.  206  Blasse  m.,  1447  bei  Janssen  Frankf. 
Reichscorr.  2,  97  blessiger  hengst):  schwarzes 
Wasserhuhn  mit  einem  weißen  Fleck  über 
dem  Schnabel  (auch  Bläßhtihn).  Spätmhd. 
und  im  16.  Jh.  blasse  f.  «(weiße)  Stirn»;  dazu 
nd.  bles,  engl,  blaze,  anord.  blesi  m.  «weißer 
Stirnfleck»  und  (mit  Übergang  von  s  in  r) 
ndl.  blaar  f.  «weißer  Stirnfleck,  Bläßkuh». 
Ableitung  von  blaß,  richtiger  daher  Blässe. 

blessieren,  v.:  verwunden.  Aus  dem 
gleichbed.  franz.  Messer,  afranz,  bieder,  das 
vielleicht  auf  das  deutsche  bletzen  (s.  d.) 
zuriickgeht.  Im  17.  Jh.  entlehnt  (bei  Nehring 
1710).  ABL.  Blessür,  f.:  Verwundung. 
Aus  dem  gleichbed.  franz.  blessure  f. 

bletzen,  v.:  handwerksgerecht  flicken. 
Südd.  {wich.  pletzen).  Mhd.  bletzen,  abgeleitet 
von  dem  im  Obd.  erhaltenen  mhd.  bletz,  ahd. 
blez  m.  (daneben  mhd.  bletze,  ahd.  blezzo  m.) 
«Fleck,  Lappen  zum  Aufnähen»,  das  mit  dem 
gleichbed.  got.  plats  meist  auf  abg.  platü  m. 
«Tuchfetzen,  Lappen»  zuräckgeführt  wird. 
Doch  ist  eher  das  umgekehrte  Verhältnis 
anzunehmen  und  got.  plats  von  bletzen  zu 
trennen.     Vgl.  .Johansson  KZ.  36,  372  f. 

Bleuel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  flaches  Holz 
mit  Stiel  zum  Schlafen.  Älternhd.  auch  Blauet. 


253 


Blick 


Blitz 


254 


Mhd.  hliuwel,  ahd.  hlüil  m.,  dazu  ndl.  hlouwel 
m.  Yon  l)leuen,  v. :  heftig  schlagen.  Mit  An- 
lehnung an  hlau  auch  oft  hläuen  geschrieben 
(bei  Goethe  2,  89  hleien).  Ältemhd.  findet 
sich  namentlich  in  md.  Quellen  (wie  brauen 
für  brauen,  kauen  für  käuen)  auch  blauen 
(1691  von  Stieler  angeführt.  1773  bei  Goethe 
Götz  1  planen,  d.  j.  Goethe  2,  244 ).  Aus  mhd. 
bliuwen  (Prät.  bloii,  PI.  blüwen,  Vart.gehlüiven). 
ahd.  bliuwan,  dazu  ndl.  blouwen  «Flachs  schla- 
gen», engl,  blow,  got.  bliggwan  «schlagen». 
Zusammenhang  mit  blau  (s.  d.)  ist  unwahr- 
scheinlich, vielmehr  ist  das  Wort  zxi  lat. 
fligere  «schlagen»  zu  stellen,  vgl.  Walde  s.  v. 
An  Stelle  der  starken  Flexion  ist  die  schwache 
getreten,  doch  kommt  ältemhd.  (nicht  bei 
Luther)  noch   das  Pai't,  Prät.  geblauen  vor. 

Blick,  m.  (-es,  PI.  -e):  schnell  auskom- 
mender wie  schwindender  Schein  ( z.  B.  mit 
blicken  des  blitzes  Luther  Hab.  4,  1,  den  Blick 
vom  Pulver  Goethe  19,  190);  (bergmännischj 
Aufleuchten  des  Silbers  beim  Schmelzen  und 
die  Masse  selbst;  woraufhin  schnell  fahren- 
der Augenstrahl.  Mhd.  blic  (Gen.  blickes) 
«Glanz,  Blick,  Blitz»,  ahd.  blicch,  blic  m. 
«schnelles  Glanzlicht,  Wetterstrahl,  Blitz». 
Dazu  ndl.  blik  m.  «Blick»  (früher  «Blitz»). 
Von  l)lickeil,  V.:  Licht  ausstrahlen,  beson- 
ders schnell  schwindendes.  Mhd.  blicken,  ahd. 
blicchen  «Licht  ausstrahlen,  leuchten,  glänzen, 
bhcken».  Mit  einer  Ableitungsendung  von 
der  Wurzel  des  ahd.  blihhan  «leuchten»  (s. 
^bleichen)  gehMet,  \gl.  Blitz.  ABL.  Blick- 
feuer,  n.:  auf  leuchtendes  Feuer.  Schon  ahd. 
(bei  Xotker)  bligfiur  n.  Blicksilber,  n. 
(s.  die  2.  Bed.  von  Blick).  Fiühnhd.  (1562 
bei  Mathesius  Sar.  90 '^  Blicksilber,  196^  Blick- 
silber). 

blind,  adj.:  aller  Sehkraft  unfähig;  licht- 
los; bloß  scheinbar,  nicht  wirklich,  des  rech- 
ten Wesens  entbehrend,  z.  ß.  blindes  Fenster, 
blinder  Lärm.  Mhd.  blint  (flekt.  blinder), 
ahd,  blint;  dazu  asächs.-ndl.-ags.-engl.-schwed.- 
dän,  blind,  anord.  blindr.  Dazu  blenden  (s.  d.). 
Verwandt  ist  anord.  blunda  «schlafen,  die 
Augen  zutun»  und  vielleicht  got.  blandan 
«mischen,  trüben,  der  Klarheit  benehmen» 
(s.  Blendling).  Auch  gehört  lit.  blista  «es 
wird  dunkel»  hierher.  Weiteres  bei  Liden 
Ups.  Stud.  78.  Vgl.  noch  blinzeln.  ABL. 
Blindheit,  f.,  m)i(i.blintheit  f.  blindlings, 
adv.,  im  17.  Jh.  (Zesen  Ibr.  490j,  dafür  ahd. 
blintilingön.  ZUS.  Blindschleiche,  f.:  eine 

früher  für  blind  gehaltene  Schlangenart.  Mit 


Wechsel  des  Geschlechts  (bei  Luther  3  Mos. 
11,  30  der  Blindschleich  und  noch  jetzt  obd.) 
aus  mhd.  blintsUche,  ahd.  blintslihho  m. 

blink,  adj.,  als  Ablautsbildung  zu  blank 
von  Bürger  geschaffen  (blink  und  blank  854). 
blinken,  v,:  hellen  Schein  von  sich  geben: 
blickweise  winken.  Mhd.  nicht  vorhanden, 
aber  mnl.  mengl.  blinken  (daher  engl,  blink). 
Aus  dem  Xdd.  zunächst  ins  Md.  eingedrungen, 
wo  es  bei  Luther  und  bei  Alberus  Dict.  u 
'  1*  und  Ki  3**  erscheint;  allgemein  wird  es 
erst  im  17.  Jh.  (bei  Stieler  1691  verzeichnet), 
fehlt  aber  noch  den  obd.  Mundarten,  b.  ge- 
hört zunächst  zu  blank,  beide  gehen  mit 
Einfügung  eines  n  auf  die  Wurzel  zurück, 
der  blaken,  blecken  zugrunde  liegt.  Andere 
verbinden  blinken  direkt  mit  dem  der  i-Reihe 
angehörigen  bleichen,  asächs.  bUkan  und  be- 
trachten das  schon  altgenn.  blank  als  Neu- 
bildung. 

bliuzeu,  V.  und  mit  dim.  Ableitung 
blinzeln,  v.:  mit  fast  zugezogenem,  win- 
kendem Auge  bhcken.  Mhd.  Minzen  (daneben 
auch  schon  blinzeln)  geht  mit  Unterdrückung 
des  mittleren  e  zurück  auf  blindzen,  blindezen 
(abgeleitet  von  blind)  oder  eher  auf  blinkzen 
(vgl.  bayr.  blinkezen  Schmeller  1,  328). 

Blitz,  m.  (-es,  PI.  -e):  ausschießender 
Glanzstrahl;  Wetterstrahl.  Mit  Ausfall  eines 
k  (doch  ältemhd.  auch  noch  blix,  selbst  bei 
Luther,  vgl,  Schweiz,  blitzg)  aus  mhd.  blickeze, 
blikze,  auch  schon  blitze  m.  «Blitz»  (ahd.,  auch 
noch  mhd,  dafür  blic,  s.  Blick).  Dazu  das 
weitergebildete  asächs.  blicsmo,  ndl.  bliksem 
m.  « Blitz  ».  An  Stelle  der  mhd.  flachen  Flexion 
ist  die  starke  getreten,  doch  bei  Luther  im 
Sg.  auch  noch  blitzen  und  durchgehend  so 
;  im  PI.,  auch  im  17.  Jh.  kommen  noch  schwache 
Formen  vor  (Hoffmannswaldau  Held.  7  Akk. 
Sg.  den  blitzen,  Gryphius  Trauersp.  149  PI. 
blitzen).  Von  blitzen,  v.:  glänzend  aus- 
strahlen; den  Wetterstrahl  schleudern;  unpers. 
es  blitzt  «der  Wetterstrahl  zuckt  durch  die 
Luft».  Mhd.  blitzen,  früher  blikzen,  blekzen. 
ahd.  blecchazzen.  bleckazen  «schimmern,  leuch- 
ten, wetterleuchten,  blitzen»,  ein  mit  der 
Endung  -azzen,  got.  -atjan  (vgl.  lauhatjan 
«blitzen»)  gebildetes  Frequentativ  von  mhd. 
blicken  (s.  blicken).  ZUS.  blitzblau,  adj. 
ganz  blau.  Blltzbub,  m.  (Schiller  Räuber  3, 
2).  Blitzmädel,  n.  (Lessing  1,  416j.  blitz- 
ist hier  nur  verstärkend  (wohl  vom  Fluch 
potz  Blitz  ausgehend),  vne  in  vielen  anderen 
Bilduncren. 


255 


Block 


Blume 


256 


Block,  m.  {-es,  PI.  Blöcke):  roher  Holz- 
klotz; Holz  zum  Daranschließen  der  Füße; 
rohe,  unförmliche  zusammenhangende  Metall-, 
Steinmasse.  Älternhd.  (auch  bei  Luther)  Bloch, 
mhd.  Uoch  n.,  gewöhnlich  hergeleitet  mit 
Unterdi-ückung  des  e  der  Vorsilbe  he-  aus 
ahd.  hiloh,  auch  schon  hloh  n.  «Ab-,  Ein-, 
VerschlieJßung,  Eiegel»,  das  zu  ahd.  hüühhan 
(entsprechend  asächs.  hüükan,  ags.  helücan) 
«schheßen»  gehört.  Die  Grundbed.  wäre  also 
«Absi^errung»,  dann  zum  «Absperren,  Ein- 
schließen dienender  Balken»,  schließlich  über- 
haupt «Balken,  Klotz»  und  dem  ähnliches. 
Doch  erhebt  E.  Schröder  AfdA.  24,  32  mit 
Recht  dagegen  Bedenken.  Die  Form  Block 
(obd.  meist  hloch)  braucht  nicht  aus  dem 
Ndd.  (mnd.  hlock  m.  n.)  aufgenommen  zu 
sein,  sondern  kann  sich  durch  eine  angetretene 
Ableitungsendung  erklären ;  sie  begegnet  schon 
vereinzelt  mhd.  und  bei  Hans  Sachs  (plock 
m.  Fab.  308,  13).  An  Stelle  des  mhd.  Neutr. 
herrscht  seit  Luther  das  M.  (doch  noch  das 
Bloch  Grimmeishausen  Simpl.  56  und  schweiz.- 
elsäss.  Uoch  n.). 

Blockade,  f.  (PI.  -n)  -.  Einschließung  durch 
Besetzung  der  Zugänge.  Aus  dem  gleich- 
bed.  ital.  hloccata  f.,  dem  als  Subst.  gesetzten 
Part.  Perf.  von  ital.  hloccare,  franz.  hloquer 
(s.  d.  f.).  Bei  Stieler  1691,  Simpl.  444  hloc- 
quada.  l)lockiereil,  v. :  belagernd  ein-  und 
durch  Besetzung  der  Zugänge  verschließen. 
Im  teutschen  Michel  1617  Nr.  7  hloquieren 
als  modisches  Fremdwort  angeführt  (auch  bei 
Zincgref  1,  35).  Aus  franz.  hloquer,  abgeleitet 
von  hloc  m,,  das  auf  das  deutsche  Block(s.  d.) 
zurückgeht. 

Blockhaus,  n. :  ein  roh  aus  Baumstümpfen 
und  Pflöcken  gezimmertes  Haus.  Spätmhd. 
hlochhüs  n.  (Lüiencron  2,  259).  Blockwageu, 
m.:  roh  gearbeiteter  Wagen  mit  großen  un- 
beschlagenen Rädern.  Spätmhd.  hlochivagen  m. 

blöde,  adj.:  zurückhaltend  an  Tatkraft 
und  Mut;  schwach  an  Seh-  oder  geistiger 
Kraft.  Mhd.  hloede  «gebrechlich,  schwach, 
zart,  zaghaft»,  ahd.  hlödi;  dazu  asächs.  hlödi, 
ndl.  hloode,  ags.  hleap,  anord.  hlaupr  «schwach, 
zart»,  schwed.  hlöt,  dän,  hlöd  (got.  *hlaupus 
ist  aus  *hlaiißjan  «aufheben,  abschaffen»,  eig. 
«schwach,  ungültig  machen»  zu  erschließen). 
Dunkler  Herkunft,  vielleicht  zu  aind.  mlätäs 
«erweicht»,  ii'.  mläith,  hläith  «weich,  sanft», 
wobei  das  germanische  Wort  hl-  aus  ml- 
hätte  und  das  ganze  eine  azi -Wurzel  wäre. 
ABL.  Blödigkeit,  f.,  mhd.  hlcedecheit.  ZUS. 


BlÖdsinu,  m.,  bei  Adelung  1774,  während 
das  Adj.  blödsinnig  schon  am  Anfang  des 
17.  Jh.  vorkommt  (Gombert  7,  15  v.  J.  1617). 

blöken,  v.:  (von  Rindvieh,  Ziegen,  Schafen) 
schreien.  Ein  lautnachahmendes  Wort,  das 
dem  Obd.  anfangs  fremd  ist;  in  md.-ndd.  Glos- 
saren des  15.  Jh.  hlecken  (auch  vom  Bellen 
des  Hundes),  bei  Luther  hlecken  und  blocken, 
auch  bei  Schottel  1663  noch  hleeken  und 
hlöcken  (die  Form  hlecken,  die  von  Gueintz 
u.  a.  auf  das  Geschrei  der  Schafe  beschränkt 
wird,  bei  Hoffmannswaldau  Schaf.  6),  hlöken 
bei  Stieler  1691. 

blokieren,  s.  blockieren. 

blond,  adj.:  (vom  Kopf  haar  des  Menschen) 
gelblich,  hellfarbig.  Aus  dem  gleichbed.  franz. 
Mond,  ital.  hiondo,  mlat.  hlundus,  das  deutscher 
Herkunft  ist  undzuaiad.  &rad/mas  «rötlich  gelb, 
falb»  gehört.  Schon  mhd.  vereinzelt  Munt, 
doch  setzt  sich  das  Wort  erst  im  17.  Jh. 
dauernd  fest,  verzeichnet  bei  Krämer  1678. 
Blonde,  f.  (PI.  -n)  -.  feine  seidene  Spitzen.  Aus 
dem  gleichbed.  franz.  Monde  f.,  nach  der  Farbe, 
denn  das  Wort  ist  Fem.  des  Adj.  Mond.  1773 
bei  Amaranthes  (3.  Aufl.)  1,  472.  Blondine, 
f.  (PI.  -n) :  blondhaarige  Frau.  Aus  dem  gleich- 
bed. franz.  hlondine  f.  Bei  Rädlein  1711  ein 
Blondinigen. 

bloß,  adj.:  unbedeckt,  unverhüllt;  alles 
ausschließend,  was  noch  da  oder  dabei  sein 
könrite.  Redensart:  sich  h.  gehen,  stellen, 
urspr.  Fechterausdruck.  Mhd.  hlo^;  ahd.  fc/öj 
ist  «stolz»  (diese  Bed.  könnte  sich  aus  der 
von  «leer»  entwickelt  haben,  vgl.  eitel);  da- 
zu ndl.  hloot,  afries.  hlät  «nackt,  arm»,  ags. 
hleat  «arm,  elend»,  anord.  hlaiitr  «weich, 
frisch,  zart».  Dunkler  Herkunft,  vielleicht 
verwandt  mit  Mode  (s.  d.),  vgl.  auch  hlutt 
Davon  das  Adv.  bloß:  nichts  weiter  als  (mhd. 
noch  nicht  vorhanden,  erst  in  den  Fastnachtsp. 
284,  8  und  bei  Keisersberg).  ABL.  Blöße, 
f.:  Unbedeckt-,  Nacktheit,  unbedeckte  Stelle, 
mhd.  Moe^ef.  bloßen,  v.:  bloß  machen,  jnhd. 
Müßten. 

blülien,  V.:  die  Knospe  zur  Befruchtung 
entfalten;  sich  zu  voller,  frischer  Schönheit 
enfalten.  Aus  mhd.  hlüejen,  blüen,  ahd.  hluo- 
jan,  hluoen;  dazu  asächs.  hlöjan,  ndl.  hloejen 
und  mit  starker  Flexion  ags.  hlöivan  (Prät. 
hleow),  engl,  hlow  (Prät.  Metv).  Der  Laut- 
verschiebung gemäß  stimmend  zu  gleichbed. 
lat.  flörere,  s.  Blume,  Blust.  Blüte,  auch  Blatt. 

Blume,  f.  (PI.  -n):  die  für  Auge  oder 
Geruch  entfaltete  Knospe;   Zierpflanze  ihrer 


257 


Blnmenkolil 


Blut 


258 


Blüte  wegen;  (bildlich)  das  Allerschönste, 
Allerbeste:  feinster  Weinduft :  f  weidmännisch) 
Schwanz  oder  Scbwanzspitze  des  Wildes.  Mhd. 
bluonie  m.  f.,  ahd.  Vluomo  na.  und  hluoma  f, 
(im  Alem.- Schwab,  noch  jetzt  vielfach  m.); 
dazu  asächs.  biomo  m.,  ndl.  hloem  f.,  engl. 
hloom,  anord.  hlömi  m.  und  blöm  n.  fauch 
weiter  abgeleitet  hlömstr  m.,  schwed.-dän. 
hlomster  n.).  Neben  diesen  Formen  stehen 
andre,  in  denen  der  Ableitungsendung  ein 
s  vorausgeht,  ndl.  hloesem  ra.,  ags.  hlösma, 
blöstma,  blöstmm.,  engl.hIossom;sie  teilen  diese 
Erweitening  dui'ch  s  mit  lat.  flös  m.  (Gen. 
flöris  aus  *flom)  und  flörere.  S.  auch  Blust 
mit  der  gleichen  Ei-weiterung,  dagegen  blühen, 
Blüte.  J^L.MÜmeiljV.:  mit  Blumen  versehen 
(davon  geblümt),  mhd.  blvenien.  blumig, 
adj.,  älternbd.  auch  blumicht,  mhd.  hluomeht. 

Blumenkohl,  m.:  Kohl  mit  eßbaren 
Blütenbüscheln.  Nach  ital.  cavol  fiore  (cävolo 
m.  «Kohl»),  Span,  coliflor,  vgl.  auch  Karfiol. 
Pflanze  und  Name  kamen  nach  Deutschland 
um  1600  (1605  bei  Hulsius  Dict.  Blumköl, 
1616  bei  Henisch  Blumenköl),  und  zwar  aus 
Italien,  wohin  jene  im  16.  Jh.  aus  der  Levante 
gebracht  worden  war. 

blümerant,  adj.  u.adv.:  mattblau.  Volks- 
tümhche,  an  Blume  angelehnte  Umbildung 
des  franz.  bleu  mourant  «sterbendes  Blau» 
d.  i.  blaßblau,  die  bis  in  die  ^Mitte  des  17.  Jh. 
zurücki-eicht  (bei  Grimmeishausen  Vogelnest 
1,  2  plümerant).  Redensart:  mir  vird  blü- 
merant, d.  h.  schwindlig. 

blumig,  s.  Blume. 

Blumist,  m.  {-en,  PI.  -en) :  Blumenzüchter 
und  -kenner.  Aus  ndl.  bloemist  m.,  mit  latini- 
sierender Endung  von  hloem  «Blume».  Bei 
Adelung  1774. 

Blust,  m.  f.  n.:  Blüte.  Obd.,  besonders 
alem.-schwäb.  Mhd.  bluostt.,  vgl.  ags.  blöstma 
m.  (s.  Blume). 

Blut,  n.  (-es):  die  Flüssigkeit  in  den  Adern 
des  tierischen  Körpers;  (bildhch)  Geschlecht, 
Herkunft;  Verwandtschaft;  Mensch.  'Sihd.bluot 
n.  (auch  schon  s.  v.  a.  Mensch,  z.  B.  dag  un- 
schuldige bluot),  ahd.  blu^t  n.;  dazu  asächs. 
blöd,  ndl.  bloed,  ags.  blöd,  engl,  blood,  anord. 
blöd,  schwed.-dän.  blöd,  got.  blöp  (Gen.  hlöpis) 
n.  Dunkler  Herkunft;  Zusammenhang  mit 
blühen  ist  denkbar.  In  Zusammensetzungen 
ist  blut-  vielfach  verstärkend,  wobei  z.  T. 
wohl  an  blutt  «bloß»  (s.  d.)  anzuknüpfen  ist, 
vgl.  mhd.  bluttMcket;  femer  ist  auch  zu  be- 
rücksichtigen, daß  beim  Blut  (nämlich  Christi) 

Weit,  and,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


geschworen  zu  werden  pflegte,  so  daß  das 
verstärkende  kreuz-  (kreuzbrav,  kreuzfidel) 
zu  vergleichen  wäre.  ABL.  bluten,  v.:  Blut 
von  sich  geben :  (in  der  Umgangsprache)  Geld 
hergeben  (bei  Kindleben  1781  als  studentisch]. 
Mhd.  bluoten,  ahd.  bluoten.  blutig,  adj.: 
Blut  an  sich  habend  (dagegen  in  Zusammen- 
setzungen, wo  die  Eigenschaft  des  Blutes  be- 
zeichnet werden  soD,  -blutig,  z.  B.  kalt-,  rot-, 
vollblütig).  Mhd.  bluotec,  ahd.  bluotag;  dazu 
asächs.  blödag,  ndl.  bloedig,  ags.  blödig,  engl. 
bloody,  anord.  blödugr.  S.  auch  bh(tt.  ZUS. 
1)  mit  Blut-:  blutarm,  adj.:  arm  bis  aufs 
Blut,  d.  h.  nichts  als  das  Blut  (Leben)  habend, 
sehr  arm  (oder  zu  blutt?),  frühnhd.;  arm 
an  Blut  (noch  nicht  bei  Campe ).  Blut- 
bad, n.:  Metzelei,  eig.  Waten  im  Blut 
fmhd.  im  bluofe  baden),  bei  Luther.  Blut- 
bann,  m.:  Gerichtsbarkeit  über  Leben  und 
Tod,  mhd.  bluotban  m.  Blutdurst,  m.: 
Drang  nach  blutiger  Tötung  (vgl.  mhd.  nach 
bZwofe(//ö-.sfe>i).  BeiLuther,  nebst  blutdürstig 
adj.  Blutegel,  m.:  blutsaugender  Wurm, 
mhd.  einfach  egele,  egel  f.,  ahd.  egala  f.,  mnd. 
egel  m.,  bei  Luther  (Spr.  Sal.  30,  15)  Eigel 
f.:  später  im  16.  Jh.  Blutegel  (bei  Fischart  2, 
9  Kurz  Plutägel)  und  seit  dem  17.  Jh.  durch 
Vermischung  mit  Igel  Blutigel  m.  (Schupp 
!  2,  52),  was  später  allgemein  geläufig  wird, 
!  doch  erhält  sich  daneben  das  z.  B.  von  Ade- 
I  lung  verlangte  Blutegel,  zuweüen  selbst  als 
Fem.  (Ägel  f.  Lohenstein  Soph.  40).  blut- 
fremd,  adj.:  gänzlich  fremd,  im  17.  Jh.  Blut- 
gang,  m. :  Abgang  von  Blut  auf  natürlichem 
Wege,  spätmhd.  bluotganc  «geschlechtliches 
Abgehen  von  Blut»,  namentlich  als  Ki^ank- 
heit  (bei  Luther).  Blutgeld,  n. :  durch  Blut 
erworbenes  Geld,  bei  Luther.  Blutgericht, 
n.:  Gericht  über  Leben  und  Tod,  bei  Luther. 
Blutgier,  f.:  wie  Blutdurst,  erst  bei  Ade- 
lung 1774,  während  blutgierig  adj.  schon  bei 
Luther  erscheint.  Bluthund,  m.:  Schweiß- 
hund; blutgieriger  Mensch,  Wüterich  (im 
15.  Jh,  bei  Beheim  Wien.  35,  26);  dicke  Blut- 
wurst (Fischart  Garg.  77,  noch  Schweiz.). 
blutjung,  adj.;  gar  jung,  bei  Steinbach  1734. 
Blutrache,  f.:  Rache  für  vergossenes  Blut, 
:  namentlich  für  Venvandtenmord,  bei  Stieler 
1691  (aber  schon  bei  Luther  Blutrecher  m. 
«der  für  vergossenes  Blut  Rache  nimmt»). 
blutrünstig,  adj.:  vei-wundet,  daß  das  Blut 
fließt.  Spätmhd.  bluotrünstec  (neben  mhd. 
bluotrunsec),  abgeleitet  von  mhd.  bluotrunst 
neben  bluotruns  f.  «Abrinnen  des  Blutes,  blut- 

17 


259 


Blüte 


bocken 


260 


fließende  Wunde»,  zusammenges.  mit  Runs 
(s.  d.).  Älternhd.  (auch  bei  Luther)  meist 
Uutrüstig,  mhd.  1335  bluotristic  (durch  Ein- 
fluß von  mhd.  bluotrisec  «blutiünstig»,  -risec 
zu  risen  «fallen»),  blutsauer,  adj.:  sauer 
bis  aufs  Blut,  bei  Luther.  Blutschande, 
f.:  geschlechtliches  Verbrechen  bei  Blutsver- 
wandtschaft. Bei  Luther.  Blutsclireier, 
m.:  (im  mittelalterlichen  Gerichtsverfahren) 
der  Mordio  hinter  dem  Totschläger  und  vor 
dem  Blutgericht  ruft,  1741  bei  Frisch.  Blut- 
schuld, f.:  Schuld  durch  verbrecherisches 
Blutvergießen.  Bei  Luther,  blutwenig, 
adj.  u.  adv.:  sehr  wenig.  Um  1700  (Schel- 
muffsky  116).  Blutwurst,  f.:  mit  Blut  ge- 
füllte Wurst.  Fi-ühnhd.  (1517  bei  Trochus 
Q  1*  Uuetworst).  Blutwurz,  f.:  blutstillen- 
des Kraut,  tormentilla,  ahd.  hluotwurz.  Blut- 
zeuge, m.:  Märtyrer,  im  17.  Jh.  2)  mit  dem 
Gen.  Bluts-:  Blutsfreund,  m.:  Blutsver- 
wandter, bei  Luther  Blutfreund. 

Blüte,  f.  (PI.  -n):  Entfaltung  der  Knospe 
zur  Fruchtbildung;  eine  solche  aufgegangene 
Knospe;  (bildlich)  Zustand  ganz  nach  Wunsch. 
Aus  dem  PI.  (hlüete)  des  mhd. -ahd.  hluot  f.; 
dazu  ags.  Med  (aus  *hlödi-)  f.  Zu  hluhen.  Bei 
Luther  Blüet,  landschaftlich  noch  vielfach 
Blut,  z.  B.  obersächs.  Baunihlut. 

Blutegel,  -gang,  -geld  usw.,  s.  Blut. 

blutt,  adj.  u.  adv.:  bloß,  entblößt,  ohne 
alle  Bedeckung,  kahl  (ühland  818  hlutt  und 
bloß).  Mundartlich  (bayr.-  schwäb.-  schweiz.- 
elsäss.,  am  Rhein  und  ndd.).  Spätmhd.  ver- 
einzelt Mut,  dann  bei  Keisersberg,  Brant, 
Murner  u.  a.,  auch  von  Dasypodius  und 
Maaler  angeführt.  Weiter  scheint  ein  land- 
schaftliches Mutig  (Weise  Erzn.  11,  Schel- 
muffsky  80  keinen  Mutigen  Heller)  hierherzu- 
gehören, wofür  obd.  Muttig  vorkommt.  Da- 
zu ndl.  Mut,  Muts,  Mutsch  «kahl,  leer»,  dän. 
(entlehnt  aus  dem  Nd.)  Mot.  Das  Verhält- 
nis zu  Moß  ist  unsicher;  wahrscheinlich  ist 
Mode  (mit  Ablaut)  zunächst  verwandt,  das 
ndd.-hd.  Mutt  könnte  aus  *Muppa-  (assimiliert 
aus  *Mupna-)  erklärt  werden. 

blutwenig,  Blutwurst,  Blutzeuge, 
s.  Blut. 

Bö,  f.  (PI.  -en):  heftiger  Windstoß.  Aus 
ndd.  höe,  unbekannter  Herkunft;  dazu  ndl. 
hui,  schwed.  hy,  dän.  byge  f.  «Regenschauer, 
Sturm,  Windstoß». 

Bober^ll,  Bobereile,  f.  (PI.  -w) :  Juden- 
kirsche. Spätmhd.  hoborell  aus  dem  uner- 
klärten mlat.  Namen  bohorella  f. 


Bocher,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Jüngling, 
Student.  Im  Judendeutsch,  aus  hebr.  hächür 
«Jüngling». 

•'Bock,  m.  (-es,  PI.  Böcke) :  das  Männchen 
der  Ziege,  dann  auch  der  Gemse,  des  Rehes, 
Schafes;  den  steifen  Beinen  des  Ziegenbockes 
vergleichbares  Werkzeug  oder  Gerät;  hoher 
Kutschersitz  am  Wagen  (Zachariä  Renom- 
mist 319);  Balken  oder  Klotz  zum  Stoßen. 
Mhd.  hoc  (Gen.  hockes),  ahd.  bocch,  bock  m. ; 
dazu  ndl.  hok,  ags.  hucca,  engl,  huck,  anord. 
bokkr  und  bokki,  schwed.  bock,  dän.  buk  m. 
Frühmlat.  huccus  m.  Entlehnung  aus  dem 
Kelt.  (altir.  bocc)  ist  ebenso  möglich,  wie  um- 
gekehrt des  Keltischen  aus  dem  Germanischen 
(franz.  bouc  m.  entstammt  dem  Kelt.).  Doch 
vgl.  auch  awest.  bUza  «Bock»,  armen,  huc 
«Lamm»,  mit  denen  das  Wort  urverwandt 
sein  dürfte.    Vgl.  auch  Hahergeiß. 

"Bock,  m.  (-es,  PI.  Böcke):  unangenehmer 
Verstoß.  Einen  B.  schießen  «einen  Verstoß, 
Fehler  machen»,  aber  auch,  wie  wohl  ui'spr. 
«zu  Boden  fallen»,  vgl.  älternhd.  Burzelbock 
wie  Burzelbaum.  Zu  mhd.  bocken  «zu  Boden 
fallen»,  buc  m.  «Sturz»,  die  mit  bücken  zu 
biegen  gehören. 

^Bock,  m.  (-es)  und  Bockbier,  n.:  eine 
Art  besonders  starken  Bieres  in  Bayern.  Der 
Name  findet  sich  hier  schon  zu  Anfang  des 
16.  Jh.,  gekürzt  aus  Äimbock,  d.  i.  (mit  Ver- 
derbnis des  -beck  in  -bock)  Bier  aus  Eim- 
beck  in  Hannover.  Man  führte  nämlich  ehe- 
dem von  dort  starkes  Bier  nach  Bayern  ein 
und  braute  es  hier  allmählich  auch.  Zur 
Entstehung  mag  mitgewirkt  haben,  daß  auch 
sonst  Biersorten  und  Getränke  mit  Tiernamen 
belegt  werden,  z.  B.  Broylian,  Büffel,  Ente, 
Kalte  Ente,  Gause  (zu  Gans?),  Geiß,  Hähn- 
chen, Hund,  Kälberzagel,  Kater,  Schöps,  vgl. 
die  reiche  Sammlung  bei  Kluge  Deutsche 
Studentensprache  22. 

bockbeinig,  adj.  u.  adv.:  wie  ein  Bock 
die  Beine  steifend ;  starr  widerspenstig.  Schon 
im  16.  Jh.  in  der  1.  Bed. 

^bocken,  v.:  wie  ein  Bock  springen;  nach 
dem  Bocke  verlangen  und  von  ihm  bespningen 
wei'den;  nach  dem  Bock  oder  wie  ein  Bock 
riechen  (vgl.  böckseln).  Mhd.  bocken  «wie  ein 
Bock  stoßen». 

"bocken,  v.:  den  Flachs  auf  der  Bock- 
d.  i.  Stampfmühle  stampfen.  Aus  dem  Ndd., 
1663  bei  Schottel  boken.  Aus  mnd.  haken 
«klopfen,  schlagen»,  das  mit  pochen  (s.  d.) 
identisch  ist. 


261 


bockig 


Bogen 


262 


l)OCklg,  adj.u.  adv.:  wie  bockbeinig:  nach 
dem  Bocke  verlangend;  nach  dem  Bocke  rie- 
chend oder  schmeckend.  Älternhd.  bockicht, 
mhd.  dafüi-  böckisch  (noch  1678  bei  Krämer). 

Bockpfeife,  f.:  Dudelsack  mit  Bocks- 
hörnern.    Bei  Krämer  1678. 

Bocksbart,  m.:  herabhangendes  Kinnhaar 
des  Bocks;  (nach  der  Ähnlichkeit)  Name  meh- 
rerer Pflanzen  (in  tmhnhd.  Glossaren). 

^Bocksbeutel,  m.:  Hodensack  des  Bocks 
(bei  Stieler  1691):  (nach  der  Ähnlichkeit) 
Flasche  zu  Würzburger  Steinwein. 

-Bocksbeutel,  m.:  der  steif  bewahrte 
alte  Brauch,  das  steife  Kleben  an  einmal  vor- 
handener Gewohnheit.  Zuiiickgehend  auf  das 
ndd.  boksbüdel  (zusammeng.  aus  dem  Gen.  Sg. 
von  bok  «Buch»  und  büdel  «Beutel»),  das 
als  hamburgisch  mehrfach  in  der  Mitte  des 
17.  Jh.  bezeugt  ist.  Die  Benennung  stammt 
daher,  daß  fi-üher  die  Hamburgerinnen  an 
der  Seite  einen  Beutel  hängen  hatten,  wo- 
rin sie  ihr  Gesangbuch  und  andres  trugen 
und  diesen  Beutel  hei'kömmlich  anbehielten, 
so  daß  er  dann  zum  Sinnbild  für-  das  Haften 
an  alter  Gewohnheit  wurde  (vgl.  Heitmüller 
in  seiner  Ausgabe  von  Borkensteins  Bookes- 
beutel  S.  IX  fg.). 

l)Öckselll,  auch  böckseru,  v.:  bockartig 
riechen  oder  schmecken.  Statt  böckzeln,  ab- 
geleitet von  mhd.  bockezen  «stinken  wie  ein 
Bock»  (noch  bei  Schottel  1663,  ßädlein  1711 
bökzen,  bei  Duez  1664  und  bei  Stieler  1691 
dafür  bocke  uzen,  älternhd.  auch  böckeln,  bei 
Maaler   1561  böckelen). 

Bockshorn,  n.:  Hörn  eines  Bocks;  Name 
mehrerer  Pflanzen,  namentlich  des  Johannis- 
Ijrotes  und  der  cassia  fistula  (beides  schon 
spätmhd.).  Redensart:  ins  B.  jagen  «in  Angst 
versetzen,  kleinmütig  machen»  zuerst  bei  Brant 
Narrensch.  160 ''j  im  16.  Jh.  sehr  gewöhnlich). 
Vielleicht  eine  Nachbildung  der  ital.  Redens- 
art dar  Verba  cassia  (dafür  altital.  auch  caccia) 
a  qualchedutio  «jemand  den  Laufpaß  geben,  ihn 
wegjagen»,  mit  Beziehung  auf  caccia  Jagd 
(dergl.Wendungenmit  Anspielungauf  Pflanzen- 
namen waren  sehr  gewöhnlich);  im  Deutschen 
wäre  cassia  (cacdd)  dnrch  Bockshorn  übersetzt, 
außerdem  noch  durch  jagen  wiedergegeben. 
Anders  Borchardt -Wustmann  75.  ZfdW.4,330. 

Boden,  m.  (-s,  PI.  Böden)-,  der  unterste 
Raum  wovon  als  Unterlage ;  Raum  unter  dem 
Dach  als  Aufbewahrungsort.  Mit  Abschwä- 
chung  des  Suffixes  -ew  zu  -en  (schon  bei 
Luther  in  der  Bibel  B.,  doch  daneben  Bodem 


bis  ins  18.  Jh.,  sogar  noch  bei  Rückert,  so- 
wie mundarthch)  aus  mhd.  bodem,  auch  schon 
boden,  ahd.  bodam  m.;  dazu  asächs.  bodam, 
ndl.  bodeni  und  (mit  ITbergang  des  d  in  t) 
ags.  botniy  engl,  bottom,  ferner  mit  einem  n- 
Suffix  anord.  botn,  schwed.  botten  m.,  dän. 
bund  (aus  budn).  Urverwandt  sind  (ebenfalls 
mit  w-  Suffix)  lat.  fimdus,  aind.  budhnäs,  soAvie 
gi\  TTueinriv  (tt  für  qp  wegen  des  0)  m.  «Grund, 
Boden».  Ln  PL  ist  Umlaut  eingedrungen 
(Luther  hat  noch  J5.),  doch  nicht  durch- 
gängig; Adelung  weist  die  Form  B.  haupt- 
sächlich dem  Niederdeutschen  zu. 

Bodmerei,  f.  (PI.  -en)  -.  An-  und  Darlehen 
auf  den  Iviel  eines  Schifles  oder  auf  dieses 
selbst  zu  hohen  Zinsen,  wenn  das  Schiff  glück- 
lich den  Ort  seiner  Bestimmung  erreicht,  aber 
zum  Verluste  der  Anforderung  des  Darleihers 
im  unglücklichen  Fall.  Aus  dem  gleichbed. 
ndd.  bodmerü,  ndl.  bodemerij  f.,  engl,  bottomry, 
von  ndd.-ndl.  bodem  m.,  engl,  bottom  «Kiel 
(unterster  Boden,  Grundbalken)  des  Schiffes». 

Bofist,  BoYist,  m.  (-es,  PI.  -e):  zischend 
platzender  Staubschwamm.  Gnindlage  des 
mundai'tlich  in  verschiedenen  Formen  auf- 
tretenden Wortes  ist  wahrscheinlich  das  in 
Glossaren  des  15.  Jh.  belegte  vohenfist,  zu- 
sammenges.  aus  vohen-  (zu  mhd.  vohe  f. 
«Füchsin»)  und  fist  m.  «leiser  Bauchwind». 
Derselbe  Schwamm  heißt  gr.-neulat.  lycoper- 
don  n.  «Wolfsfist»  (ndl.  wolfsveest  f.).  Das 
später  unverständlich  werdende  vohen-  wurde 
mehi'fach  umgedeutet,  so  entstand  ndd.  bo- 
fist  (zu  bove  «Bube»),  das  später  ins  Hochd. 
eindrang,  und  poflst  (zu  po  «Pfau»),  beide 
auch  in  hd.  Form  als  Bubenfist  (1546  bei 
Bock  3,  1*^),  Pfauenfisf. 

Bogen,  m.  (-S,  PI.  Bogen  u.  Bögen) :  Krüm- 
mung als  Abschnitt  einer  Kreislinie;  Watte 
mit  solcher  Kiäimmung;  zusammengelegtes 
(gebogenes)  Papier  von  einer  bestimmten 
Größe.  Aus  mhd.  böge,  ahd.  bogo  m.;  dazu 
ndl.  boog,  ags.  boga,  engl,  bow,  anord.  bogi, 
schwed.  bäge,  dän.  bue  m.  Zu  biegen.  An 
Stelle  der  schwachen  Flexion  im  Mhd.  ist 
die  starke  getreten;  doch  älternhd.  N.  Sg. 
auch  noch  Böge  (bei  Luther,  doch  Hiob  20,  24 
Bogen),  Bog.  Der  PI.  nimmt  jetzt  Umlaut 
an,  namentlich  süddeutsch  (auch  bei  Goethe, 
Schiller),  doch  steht  daneben  das  nicht  um- 
gelautete  Bogen.  ABL.  bogig,  adj.:  Bogen- 
form  habend.  Bei  Stieler  1691  bögicht.  Bog- 
ner,  m. :  Verfertiger  von  Bogen  zum  Schießen, 
mhd.  bogencere  m. 

17* 


263 


Bohle 


-hold 


264 


Bohle,  f.  (PI.  -n):  breites  dickes  Brett. 
Mhd.  (in  md.  Quellen)  hole  f.;  dazu  anord. 
holr  m.  «Baumstamm,  Rumpf».  Dunkler  Her- 
kunft, vielleicht  mit  Balken  (s.  d.)  verwandt. 
ABL.  hohlen,  v.:  mit  Bohlen  belegen. 

Böhmen,  mhd.-ahd.  Beheim.  Aus  kelt.- 
lat.  Boioliemum  n.  Wohnsitz  des  keltischen 
Volksstammes  der  Bojer.  Davon  Böhme 
m.  und  höhmisch,  adj.,  mhd.  behemisch. 
Redensart:  höhmische  Dörfer  «fremde,  unver- 
ständliche Dinge»,  wie  die  slavischen  Namen 
böhmischer  Dörfer  einem  Deutschen  vorkom- 
men (schon  bei  Rollenhagen  Froschm.  1,  2,  15). 
Boh^merweih,  n.:  Zigeunerin  (bei  Schiller 
Jungfr.  V.  Orl.  1,  3),  nach  franz.  Bohemien 
m.  «Zigeuner»,  eig.  Böhme. 

Bohne,  f.  (PI.  -n) :  längliche  Schotenfrucht. 
Mhd.  hone,  ahd.  bona  f.:  dazu  ndl.  boon,  ags. 
hean,  engl,  hean,  anord.  baun  f.  Das  Ver- 
hältnis des  Wortes  zu  den  anscheinend  ver- 
wandten lat.  fäba  f.,  abg.  hobü  m.  «Bohne» 
oder  gr.  cpoKÖcm.  «Linse»  ist  schwierig  zu  be- 
urteilen, vgl.  Hirt  Btr.  22,  235,  E.  Schröder 
ZfdA.  42,  71. 

höhnen,  v. ;  mit  Wachs  glänzend  reiben. 
Dafür  mhd.  büenen  «glänzend  machen,  mit 
Glanz  überziehen».  Die  nhd.  Form  kann  aus 
dem  ndd.  bönen  abgeleitet  werden ;  dazu  ndl. 
hoenen,  ags.  bönian  «eine  Heizfläche  blank 
reiben».  Doch  kann  auch  nach  obd.  Laut- 
gesetzen (s.  versöhnen)  höhnen  aus  einem  nicht 
uragelauteten  mhd.  buonen  hervorgegangen 
sein  (ponen  schon  bei  Hans  Sachs  Fab.  30, 
229,  hone  «Getäfel»  1482  im  Voc.  theut.  e  l''). 
Die  Wurzel  stimmt  der  Lautverschiebung  ge- 
mäß mit  gr.  q)aiveiv  «leuchten»,  aind.  bhänus 
m.  «Licht,  Strahl»,  air.  bän  «weiß»;  vielleicht 
ist  Bahn  (s.  d.)  verwandt. 

Bohnenlied,  n.  Redensarten:  einem  das 
B.  singen  ihm  sagen,  daß  er  sich  entfernen 
soll,  weil  man  seiner  nicht  mehr  bedarf;  das 
geht  übers  B.  «weit  über  Gebühr».  Schon 
in  der  2.  Hälfte  des  15.  Jh.:  es  ist  mir  übers 
hohnenlied  (Mone  Schausp.  2,  406,  78.  Fast- 
nachtssp.  845,  28)  d.  i.  «zu  arg».  Das,  Bohnen- 
lied ist  ein  weit  verbreitetes  Volkslied,  in 
dem  allerlei  Torheiten  geschildert  werden, 
mit  dem  Kehrreim  nu  gang  mir  aus  den 
Bohnen  (vgl.  Uhland  Volksl.  2,  614  fg.). 

bohren,  v.:  stechen,  daß  es  ein  Loch 
gibt;  drehend  stechen.  Aus  mhd.  born,  ahd. 
borön:   dazu  ndl.  hören,   ags.  borian,   engl.- 

'  7  O  7  0 

dä,n.  bore,  anord.-schwed.  hora.   Der  Lautver- 
schiebung gemäß  stimmt  ]ni.  foräre  «bohren», 


gr.qpapdeiv  «pflügen»,  aind.  bÄ^{r^j' f. «Scheere». 
ABL.  Bohrer,  m.:  Bohrwerkzeug.  1482  im 
Voc.  theut.  e  l''  horer. 

Boi,  m.  (-es,  PI.  -e):  Wollenzeug,  feiner 
als  Fries  und  gröber  als  Flanell.  Aus  dem 
ndd.  baje  f.,  ndl.  haäi  f.,  engl,  bay  und  baize, 
schwed.  boj  n.,  dän.  boi,  hai  n.,  die  alle  auf 
franz.  boie,  afranz.  baie  f.  zm'ückgehen.  Bei 
Henisch  1616  Bayh,  Bay,  bei  Duez,  Krämer 
und  Ludwig  Bay  und  Boy. 

Boie,  f.  (PI.  -n) :  Wiege.  In  Mitteldeutsch- 
land, 1668  beiPrätoriusMagdetröster406Boije, 
1752  bei  Frisch  teutsch-frantz.  Wb.  136  Boye 
f.,  obersächsisch  auch  Boheie  f.  Dazu  hoien, 
V.:  wiegen,  1711  bei  Rädlein  hoyen. 

Boileine,  s.  Boje. 

Boisalz,  s.  Baisalz. 

Bojar,  m.  (-en,  PI.  -en):  adeliger  Guts- 
besitzer in  der  Walachei.  1585  bei  Laur. 
Müller  polnische  etc.  Historien  M.  4^^  Boiar. 
Rumänisch ftoiarm  «Edelmann», aus  serh.boljär 
der  «Vornehme,  Große»,  von  bolji  «besser». 

Boje,  f.  (PI.  -n):  schwimmendes,  mit  einem 
Seil  an  einen  Anker  befestigtes  Stück  Holz 
oder  Tönnchen,  zum  Zeichen,  wo  der  Anker 
liegt;  dann  auch  wie  Bake  (s.  d.).  1720  im 
Robinson  1,  420  Boy.  Aus  dem  gleichbed.  ndd. 
boje  f.,  ndl.  boei  f.,  engl,  buoy,  die  aus  dem 
Romanischen  entlehnt  sind,  wo  franz.  bouee, 
afranz.  hoye,  span.  boya,  port.  boie  f.  Diese 
aber  stammen  urspr.  wie  auch  das  bereits 
entlehnte  mhd.-mnd.  boie  s.  v.  a.  «SeU,  Kette, 
Fessel»,  aus  altlat.fcöja f. «Lederriemen, Fessel». 
ZUS.  Boileine  f.,  Boiseil,  n. :  Leine,  Seil, 
woran  die  Boje  befestigt  ist. 

^Bolch,  m.:  Belebe  (s.  ^Belche). 

^  Bolch,m.  (-es,  PI. -e):  Kabeljau.  Als  Fisch- 
name begegnet  bollich  bereits  1329  (Diefen- 
bach-Wülcker  S.  275),  ebenso  in  frühnhd. 
Glossaren  bullich  (1482  im  Voc.  theut.  e  4* 
«polipus»),  bulich,  bolich,  bolch  mit  verschie- 
dener Bestimmung;  1561  bei  Maaler  Bolch 
«Kahlen».  Dazu  mnd.  bullik,  bulik,  bulk  m. 
«Kabeljau»,  ndl.  bulk  m.  «eine  Art  Schell- 
fisch». Kaum  zum  vorausgehenden  zu  stellen; 
vielleicht  von  Bolle  (s.  d.)  abgeleitet  wegen 
der  rundlichen,  massigen  Form  des  Fisches, 
vgl.  engl.-dän.  bulk  «Klumpen,  Masse». 

-hold  bezeichnet  in  Zusammensetzungen 
die  Person,  die  dem  in  dem  ersten  Worte 
Ausgedrückten  nachhängt  oder  so  ist,  wie 
jenes  anzeigt,  e.  B.  in  Rauf-,  Trunken-,  Tücke-, 
Witzbold.  Mhd.  -holt  in  trunkenholt,  wankelbolt 
«Wankelmütiger»,  hetzebolt  «Hetzhund»,  ent- 


265 


Bole 


Bomhe 


266 


spricht  dem  in  Hainen  erscheinenden  -holt  und 
geht  zurück  auf  das  Adj.  mhd.  halt,  ahd.  bald 
«kühn».  Daraus  ist  von  Dichtern  ein  Subst. 
Bold,  m.:  kleines  Wesen  (Rückert  3,  145) 
geschaffen  worden. 

Bole  (bei  Voß),  f. :  Kumpf  für  Speise  oder 
Getränk,  nach  engl,  ioivl  (s.  Boivle). 

bölkcn,  V.:  schreien,  biüllen  (vom  Eind- 
vieh  usw.).  Aus  dem  gleicbbed.  mnd.  holken, 
auch  ndl.  hdken  und  in  Mitteldeutschland 
im  15.  Jh.  hiilken;  Henisch  1616  verzeichnet 
holken  und  hölken.  Lautnachahmendes  Woii, 
wohl  Nebenform  zu  hlöken.  Tgl.  auch  mhd. 
bullen,  hüllen,  ahd.  hullön  «brüllen,  bellen». 

boll,  l)Ollig,  adj.:  steif,  ungeschmeidig  (bes. 
bei  den  Lohgerbern  vom  Leder).  Aus  dem 
Ndd.  (mnd.  hol  «hohl»),  aus  dem  Henisch  1616 
hol  und  Schottel  1663  boll  «hohl,  geschwollen, 
aufgeblasen»  verzeichnen.  Wohl  zu5o//e(s.d.). 
^''S.Boll-eiseil,  n. :  ungeschm eidiges,  sprödes 
Stangeneisen.     Bei  Adelung  1774. 

Bolle,  f.:  (PI.  -n):  Zwiebel,  überhaupt 
Wurzelknollen:  Blütenknopf  der  Pflanze; 
Samenknopf  des  Flachses:  langrundes,  mul- 
denartiges Gefäß.  Mhd,  holle  f.  m.  «Knospe 
und  oben  wie  unten  enges,  in  der  Mitte 
weites  Gefäß  zum  Auffüllen  und  Abziehen 
des  Weines»,  ahd.  holla  f.  «Fruchtbalg  oder 
Knoten  des  Flachses»  und  m  hirniholla  f. 
«Hirnschale»;  dazu  ndl.  hol  m.  «Kugel,  Ball, 
Blumenzwiebel»,  ags,  holla  m.  «Gefäß,.Becber» 
und  in  heafodbolla  f.  «Hirnschale»,  engl,  bowl 
«Gefäß, Napf, Becher»,  anord.  bolli  m.  «Schale». 
Das  Wort  gehört  zu  mhd.  boln,  ahd.  bolön  «wäl- 
zen», dann  «schleudern»  und  bezeichnet  urspr. 
überhaupt  einen  rundlichen  Gegenstand.  Ver- 
wandt ist  Ball  (s.  d.). 

Bolleisen,  s.  boll. 

Böller,  m.  (-S.  PI.  wie  Sg.):  kleiner  Mörser 
zum  Schießen.  Älternhd.  auch  Böler  (noch 
bei  Ludwig  1716,  bei  Duez  1664  und  Krämer 
1678  Böhler),  obd.  Polier.  Spätmhd.  boler  m. 
«Wurfmaschine,  Schleuder»,  zu  mhd.  boln,  ahd. 
holön  in  derBed.  «schleudern»,  ui'spr.  «wälzen». 

bolllg,  s.  boll. 

Bollwerk,  n.  (-es,  PI.  -e);  WaU  und 
Schanze  zur  Veiieidigung;  Festvmgswerk  vor 
dem  Hauptwalle.  Mhd.  holewerc,  bolwerc  n. 
«Gerüste  (Werk)  zum  Werfen  oder  Schleudern, 
Wurfraaschine»,  dann  «Gerüst  oder  Befesti- 
gungsanlage zurVei'teidigung  einer  Feste»  usw., 
gebildet  von  mhd.  boln  «schleudera,  werfen» 
und  werc  n.  hier  «Vorrichtung  zuc  Arbeit, 
Maschine,  Gerüst».   Daher  franz.  boulevard  m. 


Bolz,  m.  (-es,  PI.  -e)  und  Bolzeu,  m. 

(-S,  PI.  wie  Sg.):  kui-zer  dicker  Pfeil  (danach 
auf  ähnlich  gestaltete  Eisen  übertragen,  z.  B. 
Schließnagel,  Plättstahl).  Mhd.  bolz,  selten 
bolze  m.,  ahd.  bolz  m.;  dazu  mnd.  holte  «Pfeü, 
Fußeisen»,  ndl.  bout  «Bolz,  eiserner  Schließ- 
nagel», ags.  holt  m.,  engl,  holt  «Pfeil,  Eiegel, 
Fessel»,  schwed.  bult,  Island,  holtiva.  «eiserner 
Schließnagel»,  dän.  holt  «Bolz».  Man  ver- 
mutet ümdeutschung  von  lat.  catapulta  f, 
«Wurfmaschine»,  dann  auch  «Wurfgeschoß», 
doch  kann  das  Wort  auch  germanischen  Ur- 
sprungs sein,  vielleicht  zu  ahd.  bolön  «schleu- 
dern, abschnellen»  (s.  Böller),  doch  macht  da- 
bei die  Ableitung  Schwierigkeiten.  Lit.  heldu 
«anklopfen,  anpochen»  ist  kaum  verwandt, 
da  dies  zu  poltern  (s.  d.)  gehört.  Bolzen 
hat  sich  aus  dem  mhd.  schwach  flektieren- 
den bolze  entwickelt  und  hat  Bolz  jetzt  fast 
ganz  verdrängt  (dies  z.  B.  bei  Heine  1,  311). 

Boml)ärde,  f.  (PI.  -n):  großes  Steinge- 
schütz, Donnerbüchse.  Aus  afranz.  hombarde, 
einerAbleitungvongr.-lat.&om?msm.(s.5om&e). 
Bei  Wächtler  1711.  ABL.  Bombardement, 
n,  (-S,  PI.  -s):  Beschießen  mit  Bomben.  Aus 
gleicbbed.  ft-anz.  bombardement  m.  Bei  Spe- 
rander  1728.  Bombardier,  m.  (-5,  PI.  -e): 
Feuerwerker.  Aus  franz.  bombardier ,  mlat. 
hombardarius  m.  Bei  Rädlein  1711  Bomhardir- 
Gesellen.  bombardieren,  v.:  mit  Bomben 
beschießen.  Aus  franz.  hombarder,  mlat. 
honibardare.      Bei  Stieler  1691. 

Bombasin,  m.  (-5):  Art  baumwollen- 
seidenes Zeug.  Aus  dem  gleicbbed.  franz. 
bombasin  m.,  das  mit  ital.  hombagino  m.  auf 
ein  mlat.  bombaciniicm  n.  zurückgeht,  einer 
Ableitung  von  mlat.  bombax  (Gen.  hombacis) 
m.  f.  «Baumwolle»,  das  seine  Grundlage  in 
gr.-lat.  bombijx  (Gen.  bomhycis),  gi\  ßö|ußut 
«Seidem'aupe»  hat.  Schon  1556  bei  Frisius 
S.  1425*  Bombasin  «xylinum»  (mhd.  kommt 
dafür  wammasin  vor), 

Bombast,  m.  (-s)  -.  Wortschwall,  Schwulst. 
Aus  engl,  bombast  «Wortschwall,  aufgeblähte 
Rede»,  eig.  mit  Baumwolle  ausgestopftes 
Zeug,  von  mlat.  homhax  m.  f,  «Baumwolle» 
(s,  Bombasin).  Im  18.  Jh.  entlehnt  (Gott- 
sched, Liscow  77). 

Bombe,  f.  (PI.  -n)-.  große  gefüllte  Hohl- 
kugel zum  Schießen.  Bei  Krämer  1678.  Aus 
franz.  bombe,  ital.-span,  bomba  f.,  gleichsam 
«summendes  Geschoß»,  von  gr.-lat.  bombus,  gv. 
ßöiLißoc  m.  «dumpfer,  tiefer  Ton,  Summen, 
Rauschen». 


267 


Bonbou 


Bordell 


268 


Bonl)011,  n.  (PI.  -s):  eine  Art  Zucker- 
werk,  aus  franz.  bonbon,  dem  doppelgesetzten 
bon  «gut».    Im  18.  Jb.  entlehnt. 

Boumot,  n.  (-S,  PI.  -s):  Witzwort,  wit- 
ziger Einfall,  aus  franz.  bon  «gut»  und  mot 
«Wort».     Anfang  des  19.  Jli.  entlehnt. 

BÖllhase,  m.  (-n,  PI.  -n):  Pfuscher,  Un- 
berechtigter zum  Handwerk.  Aus  ndd.  bön- 
hase  m.  Handwerker,  besonders  Schneider, 
der,  weil  er  nicht  Meister  ist,  heimhcb  auf 
dem  obersten  Hausboden  (ndd,  böne  f.)  ar- 
beitet, wo  ihn  die  Zunftmeister  aufsuchen 
oder  wie  man  sagt,  jagen  (deshalb  Hase). 
Schon  im  16.  Jh.  vorkommend  (1568).  Ent- 
lehnt ndl.  beunhaas,  schwed.  bönhas,  dän. 
bönhase  m.     Vgl.  Walther  ZfdW.  8,  191. 

Bonne,  f.  (PI.  -n):  dienendes  Mädchen, 
namentlich  zur  Kinderwartung.  Aus  franz. 
bonne  f.  «Dienstmädchen»,  eig.  F.  des  Adj. 
bon  «gut»,  urspr.  trauliche  Anrede  der  Kinder. 
Neue  Entlehnung. 

Boot,  n.  (-es,  PI.  -e,  auch  Böte):  kleines 
leichtes  ofienes  Wasserfahrzeug.  Wie  andre 
Seemaunsausdrücke  (s.  Flotte,  Tau)  aus  dem 
Ndd.  entlehnt.  Mnd.  bot  m.  n.,  mndl.  boot, 
entlehnt  aus  mengl.  bot  n.  (nengl.  boat),  dies 
aus  ags.  bat  n.;  dazu  anord.  beit  n.,  häufiger 
aber  (nach  dem  Ags.)  bätr  m.,  schwed.  bat 
m.,  dän.  baad.  Auch  franz.  bateau  m.  «Fahr- 
zeug, Boot»  beruht  auf  dem  ags.  Wort. 
Das  anord.  beit  gehört  vielleicht  zu  biti  m. 
«Balken»  und  weiter  zu  avra.phait  «Balken», 
Liden  Uppsalastudier  34.  Im  Hochd.  zuerst 
1595  in  Hulsius  Schiffart  als  Boot  m.  n., 
z.  B.  1,  19,  dann  auch  bei  Henisch  1616  ver- 
zeichnet, ferner  1657  bei  Beilin  S.  119  als 
Boot  n.  «ein  kleines  schiflein»,  bei  Schottel 
1663,  bei  Stieler  (als  Bot  m.  n.),  bei  Ludwig 
1716  (als  Bot,  Boot,  Both  n.)  usw.;  in  der 
Literatur  z.  B.  bei  Fleming  580  Both,  häu- 
figer im  18.  Jh.  Der  PI.  zuweilen  als  Böte 
gebildet  (wohl  von  dem  älternhd.  M.  Boot 
aus).  Für  die  Zusammensetzungen  Boots- 
knecht,  Bootsmann  usw.  «Schiffer»  er- 
scheint schon  im  16.  Jh.  Boßknecht,  Boß- 
gesell, Boßleute,  deren  Boß-  (beruhend  auf 
ndd.  bös-  aus  bots-)  allmählich  durch  Boots- 
verdrängt  wird  (Potsgesell  bei  Fischart 
Binenk.  103,  Bootsmann  bei  Henisch  1616, 
doch  kennt  noch  Stieler  1691  auch  Bosmann, 
daraus  entlehnt  das  gleichbed.  frz.  &ossewianm.). 

Borax,  m.  (-es,  PI.  -e):  die  natürlich 
vorkommende  Verbindung  der  sogenannten 
Borsäure  mit  Natron.    Älternhd.  Boraß  (1562 


bei  Mathesius  Sarepta  80^  Borros),  schon 
spätmhd.  buras,  aus  mlat.  borax  f.  (woher 
ital.  boracem.),  das  auf  arab.  hätiraq  beruht. 

Borch,  s.  Barch. 

^Bord,  m.  (-es,  PI.  -e):  umfassender 
oberer  äußerer  Rand;  Schüfsrand  und  damit 
bildlich  auch  s.  v.  a.  Schiff.  Mit  d  durch 
ndd.  Einfluß  (Adelung  hat  noch  Bort).  Mhd.- 
ahd.  bort  m.  n.  «Rand,  Schiflfsrand»;  dazu 
asächs.  bord  m.  «Rand,  Schiflfsrand,  Schild- 
rand, Schild»,  ndl.  boord  m.  «Rand,  Schiflfs- 
rand, Ufer,  Saum»,  ags.  bord  n.  «Schiflfsseite, 
Schild»,  engl,  board  «Rand,  Schiflfsrand», 
anord.  bord,  schwed. -dän.  bord  n.  «Rand, 
Schiffsrand».  Damit  berühren  sich  Worte 
mit  br-  im  Anlaut,  ahd.  brort  und  brart  m. 
«Rand,  Schiösrand,  "\^orderteil  des  Schiffs», 
ags.  brord  m.  «Spitze,  Ährenstachel»  und 
breord  m.,  anord.  broddr  m.  «Spitze».  Wahr- 
scheinlich sind  zwei  Wörter  zusammenge- 
fallen, ein  bord,  das  eigentlich  «Brett»  be- 
deutet und  mit  diesem  verwandt  ist,  und 
ein  durch  Schwund  eines  r  aus  brord  «Rand» 
entstandenes  bord,  das  zu  abg.  brazda  f. 
«Furche»  gehört  und  «Rand»  bedeutet.  Vgl. 
noch  Borte. 

■Bord,  n.  (-es,  PI. -e):  Brett.  Rheinisch, 
auch  ndd.,  hd.  eigentlich  Bort.  Aus  dem 
gleich bed.  mhd.  bort  n.  (selten,  vgl.  auch 
Diefenbach-Wülcker  S.  278  u.  Alberus  Dict. 
BB*2^  bort  «asser»);  dazu  ndl. -ags.  feor(?,  engl. 
board,  anord. 6or(f,  schwed.-dän.feorcZn.  «Brett, 
Tisch,  Tafel»,  got.  -baurd  in  fötubaurd  n.  «Fuß- 
brett, -bank».  Jedenfalls  zu  Brett  gehörend, 
dem  gegenüber  B.  Umstellung  des  r  und  ab- 
weichende Ablautstufe  zeigt.     Vgl.  ^Bord. 

Borde,  s.  Borte. 

Börde,  f.:  sich  hinziehende  fruchtbare 
Ebene,  besonders  an  einem  Fluß,  eine  Fluß- 
ebene, z.  B.  Soester,  Magdeburger  Börde. 
Aus  mnd.  borde,  boerde,  auch  geboerde  f., 
das  wohl  nicht  zu  ndd.  bord  «Rand»  (Fluß- 
rand) gehört,  sondern  zu  mnd.  boren,  ho&ren 
«gebüliren»,  also  eig.  «Gebührlichkeit,  Kom- 
petenz», dann  «Gerichtsbezirk». 

Borden,  n.  (-es,  PI.  -e) :  örtentliches  Haus 
zur  Unzucht.  Aus  dem  gleichbed.  franz. 
bordel,  ital.  bordello  m.,  einer  dimin.  Bildung 
von  afranz.  borde,  span.  horda  f.  «Bretterhütte, 
Bude»,  die  auf  das  deutsche  -Bord  (s.  d.) 
zurückgehen.  1475  findet  sich  klevisch  im 
Teuth.  bordeel,  dann  bei  Fischart  Garg.  90 
bordäl,  1615  bei  Albertinus  Landstörzer  401 
Bordel,  Henisch  1616  verzeichnet  Bordeel. 


269 


bordieren 


Borst 


270 


bordieren,  bortieren,  v.:  den  Eand 
besetzen,  einfassen.  Aus  dem  gleichbed. 
franz.  horder,  von  hord  m.  «Eand,  Saum», 
dem  das  deutsche  Bord,  Borte  (s.  d.)  zu- 
grunde liegt.  Bei  Krämer  1678  hordiren, 
bei  Erasm.  Francisci  1668  hortiren. 

■^Borg,  m.  (-es,  Vl.Börge):  Sehwein,  s.Barch. 

"Borg,  m.  (-es):  Dargabe  oder  Annahme 
auf  Zurückgabe  fin  der  Redensart  auf  Borg, 
bei  Schiller  und  Hebel  auf  Borgs  durch 
Vermischung  mit  einem  adv.  horgs.  Mhd. 
bore  (Gen.  horges)  m.:  was  auf  Zurückgabe 
dargegeben  oder  angenommen  wird.  Von 
borgen,  v.:  dargeben  oder  annehmen  auf 
Zurückgabe;  auf  spätere  Bezahlung  geben 
oder  nehmen.  Mhd.  borgen  «bürgen,  Bürge 
sein»,  daneben  aber  in  ursprünglicherer  Bed. 
«Nächsicht  haben,  schonen,  Acht  worauf 
haben»,  ahd.  boragen  «sich  wovor  hüten,  Acht 
worauf  haben,  schonen»;  dazu  ndl.  borgen, 
ags.  horgian,  engl,  borrow  «borgen».  Zu  bergen 
und  abg.  brega^  «ich  sorge  füi-  etwas»,  falls 
dies  nicht  aus  dem  Deutschen  entlehnt  ist. 

Borke,  f.  (PI.  -n) :  die  rauhe  äußere  Baum- 
rinde. Aus  dem  2s dd.,  wo  mnd.  borke  f.; 
dazu  engl,  bark,  anord.  börkr  m.  Dunkler 
Herkunft.  Häufig  zu  Birke  gestellt,  was 
aber  keineswegs  sicher  ist.  Bei  Henisch  1616 
Borcke,  Barcke. 

Borkirche,  f.:  erhöhter ZuhöreiTaum  oder 
Chor  in  der  Kirche.  Spätmhd.  borjcv'che  f., 
zusammenges.  mit  ahd.-mhd.  bor  f.  «Höbe, 
oberer  Eaum»,  das  mit  mhd.  bürn,  ahd.  burian 
«erheben»  wohl  zu  ahd.&eraw «tragen»  gehört; 
ebenso  Borscheune,  f.:  der  Scheunenboden 
über  der  Tenne,  Borwisch,  m. :  runder 
Kehrbesen  mit  langem  Stiel,  um  damit  hoch 
hinauf  wischen  zu  können.     Vgl.  empor. 

Born,  m.  {-es,  PI.  -e):  wie  Brunnen, 
Quell:  Quellwasser.  Dichterisch,  auch  mund- 
artlich in  Älittel-  und  Xiederdeutschland.  Mit 
Abfall  eines  -e  aus  mhd.  (in  md.  Quellen) 
bume,  borne,  dann  auch  born  (so  1469  im 
Voc.  ex  quo,  1482  im  Voc.  theut.  e  1**  neben 
prun)\  entsprechend  mnd.-mnl.  &orne  m.,  ndl. 
born  f.,  afries.  burna  m.,  ags.  burn  i.,  burna 
m.  und  bume  f.  Identisch  mit  Brunnen  (s.  d. ), 
nm-  mit  Umstellung  des  r.  Luther  gebraucht 
Born  neben  Brun,  auch  ist  es  verzeichnet 
1540  bei  Alberus,  dann  1616  bei  Henisch. , 
Die  urspr.  schwache  Flexion  ist  der  starken 
gewichen;  Luther  bildet  den  PI.  Börne. 

börnen,  v.:  brennen.  Bei  Luther  (Hiob 
30,  28j  und  mimdartlich  in  Mitteldeutschland. 


Mhd.  in  md.  Quellen  bilrnen,  börnen,  auch  1482 
im  Voc.  theut.  e  1^  börnen  oder  brennen,  1540 
bei  Alberus  Dict.  Pp  4^  ich  börn  «brenne»; 
entsprechend  mnd.  burnen  (neben  bernen),  ags. 
byrnan,  engl.  h.irn  «brennen».  Gegenüber 
brennen  (s.  d.)  zeigt  b.  Umstellung  des  r  und 
abweichende  Ablautsstufe.  \  ^.aMchBernstein. 

borniert,  adj.:  beschränkt.  Eig.  Part. 
Prät.  von  bornieren  «begrenzen,  beschränken», 
das  aus  dem  gleichbed.  franz.  &orner  von  franz. 
borne  f.  «Grenzzeichen,  Ziel».  Im  18.  Jh.  ent- 
lehnt (von  Campe  1795  besprochen). 

Borretsch,  m.  (-es):  als  Salat  und  Ge- 
müse dienendes  Gartenkraut  mit  behaarten 
Blättern  und  hellblauer  Blüte,  Gui-kenkraut, 
borago  officinalis.  Spätmhd.  burretsch,  bor- 
retsch m.,  aus  ital.  borragine,  franz.  bourrache 
f.,  die  auf  der  spätmlat.  Benennung  borägo, 
borrägo  f.  beruhen ;  dieser  hegt  das  lat.  burra  f. 
«zottiges  Gewand»,  ital.-prov.-span.  borra,  franz. 
bourre  f.  «ScheerwoUe»  zugrunde.  Der  Xame 
wegen  der  haarigen  Beschaffenheit  der  Blätter. 

Bors,  s.  Barsch. 

Borsdorfer,m.:  eine  aus  dem  meißnischen 
Dürfe  Borsdorf  stammende  veredelte  Apfel- 
art. Schon  bei  Luther.  Bei  Musäus  (Kinder- 
klapper 79)  verkürzt  Borsterapfel. 

Börse,  f.  (PI.  -«):  Geldbeutel;  Versamm- 
lungsort und  Gebäude  zur  Besprechung  im 
Geldhandel  usw.  Spätmhd.  burse  f.  ist  «Geld- 
beutel, Kasse»  (1385  die  Nebenform  borse, 
borsen  Gombert6, 19),  auch  «zusammenlebende 
Genossenschaft  und  deren  Haus»,  ahä.burissa 
f.  «Tasche»,  dazu  mndl.  burse,  ndl.  beurs  f. 
Vgl.  a.uch.  Bursche.  Zugi-unde  liegt  mlat.  bursa, 
ital.borsa,  franz.boursef.  «Beutel»  (von Leder j, 
diese  aus  gr.  ßupca  f.  «abgezogenes  Fell», 
dann  «Leder».  B.  beraht  in  seiner  Lautform 
zunächst  auf  dem  Ndl.  (in  Brügge  bezeichnete 
B.  zuerst  das  Versammlungshaus  der  Kauf- 
leute, vgl.  WB.  d.  Volkswirtschaft  - 1,  500) 
und  wird  in  dieser  Bed.  (aber  auch  als 
Studentenhaus)  als  Bors  zuerst  von  Schottel 
1663  und  Krämer  1678  verzeichnet,  während 
Henisch  in  gleicher  Bed.  noch  Burs  hat. 
Börse  «Geldbeutel»  wird  zuei-st  von  Adelung 
1774  angeführt.     Vgl.  Bursche. 

^ Borst,  m.  {-es,  PI.  -e):  auseinanderge- 
brochene Stelle.  Aus  dem  Md.  Ndd.,  mnd. 
hurst,  borst  m.;  dazu  ags.  byrst  m.,  engl. 
burst  «Riß,  Bruch».  Zu  bersten.  Dafür  bei 
Luther  Borste  f. 

■^  Borst,  ra.  {-es,  PI.  -e):  Gesamtheit  starrer 
Haare.    Oberdeutsch  (Schubart  2,  53  mit  dem 


271 


Borste 


bosseln 


272 


B.  der  Wimper).  In  diesem  Kollektiv  hat 
sich  mhd.-ahd,  hörst  erhalten  (s.  d.  folg.). 

Borste,  f.  (PI.  -n):  ein  starres  Haar. 
Mhd.  horste,  auch  hürste,  ahd.  lursta  f.,  da- 
neben mhd.  hörst  m.  n.,  ahd.  hörst,  hurst  m.  n. ; 
dazu  ags.  hyrst  n.,  anord.  hnrst  f.,  schwed. 
hörst  m.  und  mit  weiterer  Ableitung  ndl. 
horstet  m.,  ags.  hrystl  f.,  engl,  hristle.  Urver- 
wandt ist  aind.  hhrstisf.  «Spitze,  Zacke,  Ecke», 
lat.  fastigium  aus  *farstigium  «Giebel,  Spitze». 
Das  M.  N.  Borst  verschwindet  im  ältei'n  Nhd. 
^SL.  borsten,  weiter  gebildet  borsteln,  V.: 
borstenartig  emporrichten;  refl.  sich  horsten, 
horstein:  die  Borsten  sträuben.  ßeiFrischl741. 
borstig,  adj.,  im  16.  Jh.  horstig,  hörstig,  mhd. 
horstoht. 

Bort,  s.  -Bord. 

Borte,  f.  (PI.  -n):  starkes,  aus  Seide  und 
Goldfäden  gewirktes  Band,  zunächst  ein  den 
Rand  eines  Kleides  usw.  zum  Schmuck  um- 
fassendes Band.  Mit  Wechsel  des  Geschlechts 
aus  mhd.  horte  m.  «Einfassung,  Rand,  aus 
Seide  und  Goldfäden  gewii'ktes  Band  für  sich 
oder  als  Besatz»,  ahd.  horto  m.  «Besatz,  Saum, 
stark-  und  dichtgewirktes  Band»,  zu  mhd.- 
ahd.  hört  m.  «Rand»  (s.  ^Bord).  Bei  Luther 
noch  als  M.  Borte,  ebenso  bei  Henisch  1616 
und  oft  im  17.  Jh.  Borte,  Borten,  bei  Stieler 
1691  Borte  f.  In  der  Bed.  Einfassung  gern 
Borde  geschrieben  (z.  B.  Schiller  Räuber  2,  3), 
vgl.  hordieren. 

bös,  s.  höse. 

böseben,  v.:  abhängig  machen.  Davon 
Böschung,  f.:  schräge  Senkung,  Abdachung. 
h.  ist  urspr.  s.  v.  a.  mit  Rasen  belegen  von 
Schweiz.  Bosch,  Posch  m.  «Rasen,  Rasenstück» 
bei  Maaler  1561  (auch  graspösch),  zu  husch 
gehörig.  Böschung  ist  am  Anfang  des  17.  Jh. 
als  militärischer  Ausdruck  geläufig  (1599  bei 
Speckle  Architectui-a).  In  nordd.  Aussprache 
und  auf  der  Bühne  jetzt  mit  o. 

böse,  gekürzt  bÖS  (Goethe  Iph.  1877), 
adj.u.  adv.:  gehalt-  und  haltlos;  nichts  wert; 
unnütz;  nachteilig  zuwider  seiend;  feindhch 
mißgestimmt.  Mhd.  hüese,  ahd.  hosi;  dazu 
mnd.  u.  mndl.  höse,  nndl.  boos,  afries.  häse. 
Vergl.  ferner  engl,  to  hoast  «prahlen,  sich 
rühmen»,  norw.  haus  «hitzig,  heftig,  über- 
mütig», schwed.-dial.  hös  «wild,  verwegen 
daherfahrend»  (Wadstein  Btr.  22,  238).  Für 
die  Grundbed.  ist  ahd.  hosa  f.  und  gibosi  n. 
«Possen»,  hoson  «lästern,  scherzen»,  sowie  das 
entlehnte  prov.  hauzaL  «Betrug»  zu  beachten. 
Herkunft  noch  nicht  aufgeklärt.     Vielleicht 


zu  ahd.  hö^^an,  engl,  to  heat  «stoßen,  schla- 
gen», aus  *bauttjo  (s  dann  aus  tt).  AVadstein 
geht  von  einer  Bedeutung  «schwellen»  aus, 
die  in  einigen  Fällen  im  Slavischen  vorliegt, 

O  0     7 

russ.  huhnut'  «schwellen,  sich  werfen»  u.  a. 
ABL.  boshaft,  adj.  u.  adv.,  1535  bei 
Schwartzenberg  Cicero  134,  1,  älternhd.  ge- 
wöhnhch  hoshaftig  (auch  bei  Luther,  schon 
1470  im  m]at.-hochd.-böhm.Wb.l75  hoßhafftig). 
Bosheit,  f.,  mhd.-ahd.  hösheit  f.,  auch  in 
der  Bed.  «Nichtigkeit,  Gehalt-,  Wertlosigkeit». 
böslich,  adj.  u.  adv.:  auf  böse,  d.  i.  schlechte, 
tadelhafte  Weise,  mhd.  hoßsliche  adv.,  selten 
hoßslich  adj.  ZUS.  bösartig,  adj.  u.  adv., 
bei  Dentzler  1709  hösärtig.  Bösewicht,  m. 
{-es,  PI.  -e  und  -er):  nichtswürdiger  Ver- 
brecher. Mhd.  hoeseiviht  (auch  noch  mit 
Flexion  von  hoßse)  m.,  zusammenges.  mit  wiht 
«Wesen»,  dann  «Elender»  (s.  Wicht).  Der 
PL  lautet  schon  bei  Luther  auch  Bösewichter. 
böswillig,  adj,  u.  adv.,  spätmhd.  hoestvillic. 

Boskett,  n.  (-es,  PI.  -e):  Lustgebüsch. 
Aus  dem gleichheä.hanz.hosquet,  ital. hoschetto 
m.,  von  ital.  hosco  m.,  das  auf  Busch  (s.  d.) 
zurückgeht.     Im   18.  Jh.   entlehnt. 

böslich,  s.  höse. 

Boße,  m.  {-n,  PI.  -n)  u.  f :  Gebund  Strohes, 
Flachses  u.  dgl.  Mhd.  hö^e,  ahd.  hö^o,  mnd. 
hote  m.  «Büschel»,  dann  s.  v.  a.  «Gebund 
Flachs».  Davon  BÖßel,  m.:  kleines  Gebünd- 
chen- Flachs,  deren  eine  Anzahl  einen  Boßen 
ausmachen,  und  bößeln,  v.:  den  gerafften 
Flachs  in  Büschel  (Bößel)  binden.  Wohl  zu 
ahd.  hö^an  «stoßen»,  in  Hinsicht  auf  festes 
zusammenstoßendes  Binden,  ygl.Stoß  «Haufe». 

^bosseln,  v.-.  Kegel  schieben,  kegeln.  Mit 
Kürzung  des  Vokals  aus  älterm  boßehi  (bei 
Stieler  1691  hoselen),  von  dem  dialektischen 
Boßel  m.  «Kegelkugel»,  abgeleitet  von  mhd. 
hogen  «Kegel  schieben»,  eig.  «stoßen»  (s.Am- 
hoß).  Davon  Bosselleich,  m.:  Kegelbahn. 
Bei  Luther  Bosseleich,  Bosleich.     S.  Leich. 

^bosseln,  v.:  in  Kleinigkeiten  arbeiten, 
zusammenflicken,  künsteln.  Vielleicht  mit  Kür- 
zung des  Vokals  aus  spätmhd.  hobeln,  hoßgeln 
«klopfen,  schlagen»,  Iterativ  zu  bogen  «schla- 
gen» (s.  Amboß),  im  16.  Jh.  auch  in  der  Bed. 
«künsteln,  ausbessern,  zusammenflicken,  klein- 
lich arbeiten»  (z.  B.  Hans  Sachs  Fab.  193,24. 
Scheidt  Grob.  1528).  Doch  ist  auch  nd.  pöseln 
«sich  mit  Kleinigkeiten  beschäftigen»  zu  be- 
rücksichtigen. Davon  BosSCl,  m.:  Haus- 
knecht, eig.  der  kleinliche  Arbeit  macht 
(Hans  Sachs  Fastn.  85,  143). 


273 


bosseln 


brach 


274 


^bosseln,  v. :  halb  oder  ganz  erhabene 
Arbeit  machen.  Aus  dem  gleichbed.  franz. 
hosseler,  von  hosse  f.  «Beule,  Erhabenheit» 
(s.  d.  folg.). 

bossieren,  v. :  in  weicher  Masse  (Wachs, 
Gips)  erhaben  formen.  Mit  fremder  Endung 
gebildet  von  franz.  hosse,  ital.  hozza  f.  «Beule, 
Erhabenheit»,  die  mit  ahd.  bögan  «schlagen» 
als  «durch  Schlagen  entstandene  Geschwulst» 
zusammengebracht  werden.     Schon  frühnhd. 

böswillig,  s.  höse. 

Botanik,  f.:  Pflanzenkunde.  Aus  nlat. 
hotanica,  gr.  ßoraviKr]  «Pflanzen  betreffende» 
(nämlich  ^iricTriuri  «Wissenschaft»),  von  ßoxdvri 
f.  «Pflanze;^  Im  18.  Jh.  aufgenommen.  Davon' 
Botaniker,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Pflanzen- 
kundiger.— botanisch,  adj. :  pflanzenkundig, 
zur  Pflanzenkunde  gehörig.  Nach  dem  gr.-lat. 
botanicus,  gr.  ßoxaviKöc.  botanisieren,  v. : 
Pflanzen  suchen  zu  wissenschaftlichem  Zwecke. 
1728  bei  Stoppe  Ged.  1,  151  hotanisireti. 

Bote,  rn.  (-W,  PI.  -n):  der  zum  Überbringen 
oder  Ausrichten  Abgeschickte.  Mit  Dehnung 
des  Vokals  (doch  heißt  es  älternhd.  im  Obd. 
Bott,  noch  bei  Dentzler  1709)  aus  mhd.  böte, 
ahd.  boto  m. ;  dazu  asächs.  bodo,  ndl.  bode, 
ags.  boda,  anord.  bodi  m.  Zu  bieten.  ABL. 
Botin,  f.,  erst  im  18.  Jh.  gebildet  (z.  B. 
Lessing  3,  316),  bei  Adelung  1793  noch  nicht 
verzeichnet.  Botschaft,  f.:  übersandte  Mit- 
teilung, aus  mhd.  boteschaft,  ahd.  (bei  Notker) 
botoscaft,  früher  botascaf  f.;  dazu  asächs. 
bodskepi,  a.gs.bodscipe  m.  Dazu  Botschafter, 
m.(-s,  Pl.wieSg.):  der  im  Auftrag  eines  Staates 
Abgesandte.  Von  mhd.  boteschaften  «eine 
Botschaft  ausrichten  oder  verkündigen».  Bei 
Krämer  1678  Bottenschafter,  allgemein  «Bote», 
seit  1700  als  «Staatsgesandter»,  dem  franz. 
ambassadeitr  entsprechend,   üblich  werdend. 

botmäßig,  adj.:  zu  Dienst  unter-  oder 
bloß  ergeben.  Spätmhd.  potmce^^ig  (in  der 
Kanzleisprache)  «sich  nach  den  Geboten  zu 
halten  verpflichtet,  Untertan»,  zusammenges. 
mit  mhd.  bot  n.  «Gebot,  Befehl».  ABL. 
Botmäßigkeit,  f.:  die  Macht  zu  gebieten. 

Botin,  Botschaft,  -schafter,  s.  Bote. 

Böttcher,  m.  (-s,  PL  wie  Sg.):  wer 
hölzerne  Getäße  mit  nur  einem  Boden  macht. 
Gekürzt  aus  Bötticher,  spätmhd.  botecher. 
Von  Bottich,  m.  {-es,  PI.  -e):  hohes  höl- 
zernes, oben  oflenes,  aus  Dauben  zusammen- 
gesetztes Gefäß  beim  Bierbrauen.  Aus  mhd. 
botech,  boteche  m.,  botecJie,  bofege,  botige  f., 
ahd,  bofuhha  f.,  das  auf  mlat.  buiica  zurück- 
Weigand,  Deutsclies  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


geht,  gebildet  von  buta  f.  (s.  Bouteille).  Der 
Übergang  zum  M.  erfolgte  unter  Einfluß  von 
mhd.  botech,  ahd.  botah  m.  «Rumpf,  Köi'per», 
dem  ags.  bodig  m.,  engl,  body  entspricht. 

Bottelier,  m.  (-s,  PL  wie  Sg.):  der  die 
Mundvorräte  auf  den  Schiffen  verteilt.  Aus 
ndl.  bottelier,  das  mit  engl,  hutler  auf  franz. 
houteillier  m.  «Kellermeister»  (s.  Bouteille) 
zm-ückgeht.     Bei  Adelung  1774. 

Bouillon,  f.  (PL  -s):  Fleischbrühe.  Das 
franz.  houillon  m.,  das  eig.  s.  v.  a.  Aufkochen, 
Wallen,  von  franz.  bouillir  faus  lat.  hullire) 
«sieden,  aufkochen».   1715  bei  Amai-anthes246. 

Bouteille,  f.  (PL  -?i):  gläserne  Flasche. 
Das  franz.  bouteille  f.,  das  auf  das  gleichbed. 
mlat.  buticida  f.  zumckgeht,  das  Demin.  von 
mlat.  huta,  hofa,  span.-port.  bota,  franz.  boute  f. 
«Faß,  Kübel,  Schlauch,  Wassergefäß»,  die 
wahrscheinlich  gr.  ßüric,  ßoOxic  «Flasche»  zur 
Grtmdlage  haben.  Vgl.  auch  Bottich,  Bütte. 
Im   17.  Jh.  entlehnt. 

Bowle,  f.  (PL  -«):  PuDSchnapf;  Punsch. 
Aus  engl,  bowl  «Kugel,  Schüssel,  Xapf». 
S.  Bolle.  Bei  Voß  (Horaz.  Sat.  2,  8,  86)  in 
deutscher  Schreibung  Bole. 

boxen,  v.:  mit  geballter  Faust  zu  Leibe 
gehen.  Aus  dem  gleichbed.  engl,  box,  einer 
Ableitung  zu  dem  unter  pochen  behandelten 
Verbum  für  «schlagen,  stoßen»;  entsprechend 
wird  zu  mhd.  buc  m.  «Stoß,  Schlag»  spätmhd. 
buxen  «stoßen»  gebildet.     Vgl.  auch  haxen. 

Boykott,  m.  i-s,  PL -es) :  Verruferklärung, 
dazu  boykottieren,  v.:  in  Verruf  erklären. 
Nach  James  Boykott,  einem  Gutsverwalter 
in  Irland,  über  den  im  J.  1880  die  üische 
Landliga  zuerst  den  Bann  verhängte,  was 
die  Folge  hatte,  daß  jedermann  den  Verkehr 
mit  ihm  abbrach. 

brach,  (sprich  brach)  adv. :  nach  der  Ernte 
umgebrochen  ruhend,  ohne  bestellt  zu  werden. 
Zuerst  bei  Henisch  1616,  sonst  älternhd.  ge- 
wöhnlich brache.  Von  Brache,  f.  (PL  -n): 
erstes  Umgebrochensein  und  Ruhen  des  Bodens 
nach  der  Ernte:  Land,  das  nach  der  Ernte 
umgebrochen  ist  und  unbesäet  ruht.  Mhd. 
hräche,  spätahd.  brächa  f.;  dazu  mnd.-mul. 
brake  f.,  zu  brechen.  Aus  in  der  Brache 
oder  im  Brach  liegen  hat  sich  das  Adv.  brach 
entwickelt;  entsprechend  ndl. braaÄ;,  diin.brak. 
ABL.  brachen,  v.:  den  Boden  pflügen  zum 
Ruhen  nach  der  Ernte.  Bei  Luther  dafür 
brochen  (Hiob  39,  10).  Mhd.  brächen,  ahd. 
brähhön.  ZC/'5.Brachfeld,n., mhd. u. spätahd. 
brächvelt  n.     Brachmonat,  m.:  Juni  (Zeit 

18 


275 


Brachse 


Brand 


276 


des  Brachlegens),  mhd.  hrächmänot,  ahd.  hräh- 
mänöt  m.  Im  Schwab.- Alem.  noch  volks- 
üblich, daneben  Brächet  m.  BrachTOgel, 
m.,  Nanae  mehrerer  sich  geni  auf  Brache 
und  Saatfeld  aufhaltender  Vögel,  mhd.  Iräch- 
vogel,  ahd.  hrähvogel  m,  j 

Brachse,  s.  Brasse.  \ 

Brack,  n.  (-es,  PI.  -e):  Ausschuß,  als  un- 
tauglich Abzusonderndes.  Mit  Übergang  eines 
w  iah  aus  ndd.  vjrak  «untauglich,  beschädigt», 
als  Subst.  jedes  Untaugliche,  als  untauglich 
Ausgeschossene,  besonders  durch  Schiffbruch 
untauglicher  Schiffsrumpf  (s.  Wrack),  Schiffs- 
trämmer:  entsprechend  ndl.  ?üraÄ;,  ah-ies.ivrak 
«schadhaft  geworden,  untauglich»,  entlehnt 
ins  Engl,  als  Subst. ?t'rec/[;  «Schiffbruch,  Wrack» 
und  schwed.  vraJc,  dän.  wag  u,  «Ausschuß, 
Wrack».  Zuerst  bei  Steinbach  1734  verzeichnet. 
ABL.  hracken,  v.:  als  untauglich  ausson- 
dern, z.  B.  Schafe.  Aus  mnd.  wraken  «für 
untauglich  erklären,  ausschießen,  verwerfen»; 
entsprechend  ndl.  wraken,  schwed.  vraka,  dän. , 
vrage.  ZUS.  Brackschaf ,  n.  (dafür  bei ' 
Auerbach  .Brac/t-  m.).     Brackware,  f. 

Bracke,  m.  (-»,  PI.  -w) :  Leit-,  Spürhund. 
Mhd.  hracke,  ahd.  hraccJw :  dazu  andd.  hracka 
(Eigenname  eines  Jagdhundes),  mnd.-mnl. 
hracke.  Daraus  entlehnt  mlat.  hracco,  ital. 
hracco,  franz.  brache  m.  Dunklen  Ursprungs, 
Die  alte  Yergleichung  mit  lat.  fragräre  «stark 
riechen,  duften»,  vgl.  Walde  s.  v.,  scheint  nicht 
überzeugend. 

Brackwasser,  n. :  in  einen  Fluß  einge- 
brochenes Seewasser,  durch  welches  das  süße 
Flußwasser  verdorben  wird.  Aus  ndd.-ndl. 
hrakwater  n.,  zusammenges.  mit  ndd.  hrak 
(1475  im  Teuthonista)  «bittersalzig,  salzig«, 
dazu  ndl.  hrak  «salzig»,  engl,  hrack  «Salz». : 
Bei  Ludwig  1716.  Kaum  zu  hrechen  (dann 
m-spr.  s.  V.  a.  eingebrochen  vom  Seewasser 
und  später  auf  den  Geschmack  übertragen), 
sondern  eher  zu  Meer,  also  aus  mrak-,  Hirt 
Idg.  Forsch.  1,  475.  Doch  unterliegt  auch 
diese  Ableitung  Bedenken. 

hrägeln,  V. :  mit  hörbarem  Geräusch  sieden, 
schmoren ;  prasseln.  Mundartlich  in  Ober-  und 
Mitteldeutschland.  Auch  prägein  geschrieben 
(bei  Maaler  1561  präglen,  1562  bei  Mathesius 
Sai*.  IM^pregeln).  Schon  mhd.  hregJen  «hräten, 
schmoren»,  auch  «schwätzen»,  später  nament- 
lich bei  Obersachsen,  auch  bei  Rädlein  1711. 
Vielleicht  verwandt  mit  mhd. -ahd.  hraht  m. 
Lärm  (s.  Pracht),  doch  wohl  eher  lautnach- 
ahmendes Wort. 


Brahne,  s.  Brame. 

Brakteät,  m.  (-e«,  PI.  -en):  Hohlmünze 
von  Gold-  oder  Silberblech.  Aus  mlat.  hrac- 
teatus  (nämlich  nummus  «Münze»),  abgeleitet 
von  lat.  hractea  f.  «dünnes  Metallblech,  Blech». 
Bei  Adelung  1774. 

Bram,  m,  {-es,  PI.  -e)  und  Brameii,  m. 
(-S,  PI.  wie  Sg.):  Besenginster,  Pfriemkraut. 
Aus  ndd.  hräni  «Ginster»,  entsprechend  ags. 
hröm  m.,  engl,  hroom  «Ginster,  Besen»,  während 
mhd.  hränie  m.,  ahd.  hrämo  m.  und  hräma  f. 
«Dornbusch»  bedeutet,  s.  Bromheere. 

Bramarbas,  m.  (Gen.  Bramarhasses,  PI. 
Bramarhasse):  Großprahler  mit  Heldentaten, 
Urspr.  der  Xame  eines  Großsprechers  in  einem 
auon3'^men  satirischen  Gedichte,  das  Philan- 
der von  der  Linde  (Burkhard  Menke)  im  An- 
hang seiner  „Vermischten  Gedichte"  1710  mit- 
teilte; danach  gab  Gottsched  in  der  „Deut- 
schen Schaubühne"  der  Dethardingschen  Über- 
setzung des  Holbergschen  Lustspiels  „Jakob 
von  Tyboe"  den  Titel  „Bramarhas  oder  der 
großsprecherische  Offizier".  Bei  Pfeffel4,  136 
der  PI.  Bramarhen.  ABL.  bramarbasieren, 
V.:  mit  Heldentaten  gi-oßtun  (Schiller  2,  36). 

Brame  und  Bräme,  f.  (PI.  -n)-.  Rand, 
Randbesatz ;  mit  Laubholz  bewachsener  Wald-, 
Feld-,  Wiesenrand.  Bräme  mit  Wechsel  des 
Geschlechts  (Stieler  1691  hat  noch  Bräm  n,, 
Schottel  1663  aber  Bräm  f,)  aus  spätmhd.  hrem 
n.  «Randbesatz,  Einfassung,  Rand»  (jetzt  obd. 
hram,  hräm) ;  dazu  ags.  hrimnie  m.,  engl,  hrim 
«Rand»  und  (mit  Ablaut)  anord.  harmr  m. 
«Rand,  Kante,  Ufer.  Vgl.  auch  verbrämen.  In 
der  2.  Bed.  erscheint  meist  Brame  oder  Brane 
(Brahne),  deren  Verhältnis  zu  Bräme  nicht 
aufgeklärt  ist;  vielleicht  ist  das  seit  dem  17.  Jh. 
auftretende  Brane  ganz  von  Bräme  zu  trennen 
(kaum  durch  Einfluß  von  Brane  «Braue»  auf 
Bräm,  Bräme  zu  erklären,  während  allerdings 
die  Nebenform  Augenhrame,  s.  d.,  auf  Ver- 
mischung mit  Brame  zurückzuführen  ist), 

Bramsegel,  n. :  Segel  an  der  Bramstange. 
Aus  dem  gleichbed.  ndl.  hramzeil  n.  Bei 
Apinus  1728.  Bramstauge,  f.:  der  kleine 
spitzzulaiifende  Mast,  der  auf  der  ersten  Ver- 
längerung des  Mastes  steht.  Aus  ndl.  hram- 
stang  f.  Beide  sind  zusammenges.  mit  ndl. 
hram  n.  «Bramsegel,  Segel  am  Obermast, 
d.  i.  dem  Mast  auf  dem  großen  Mast»,  dessen 
Herkunft  dunkel  ist. 

Brand,  m.  ,(-es,  PI.  Brände):  brennendes 
Stück  Holz;  verwüstendes  Feuer;  Zustand 
eines  Gegenstandes,  daß  dieser  brennt;  (bild- 


277 


Brand 


Brassen 


278 


licli)  zerstörende  Entzündung;  zerstörendes 
Schwai-zwerden  an  Pflanzen.  Mhd.  brant  (PI. 
brende),  ahd.  hrant  (PI.  brenti)  m.  in  den  bei- 
den ersten  Bedd.;  dazu  ndl.-afries.-ags.  brand 
m.,  engl,  brand,  anord.  brandr  («brennendes 
Holzstück»),  schwed.-dän.  brand  m.  Mt  einer 
Ableitungsendung  zu  brennen  (s,  d.)  gebildet. 
ABL.  branden,  v. :  (von  Meeres-  und  Land- 
seewellen) aufbrausen  und  sich  brechen.  Aus 
dem  Xdd.,  vgl.  ndl.  branden  «in  Brand  stehen, 
flammen,  in  Feuerwellen  sich  bewegen»;  in 
der  jetzigen  Bed.  von  den  ndd.  Dichtei'n 
Klopstock  (Oden  2,  54)  und  Voß  eingeführt, 
aber  Adelung  1793  noch  nicht  bekannt.  Schon 
früher  findet  sich  das  abgeleitete  Brandung, 
f :  Aufbrausen  und  Brechung  der  Wellen  an 
der  Küste  oder  verborgenen  Felsen.  Aus  ndd. 
brandung  f ,  entsprechend  ndl.  Iranding  f.  Im 
Robinson  (l720j  1,  420  und  bei  Stembach  1734 
verzeichnet.  Brander,  m.(-s,  Pl.wieSg.j:  mit 
Brennstoffen  angefülltes  Schiff  zum  Anzünden 
feindlicher  Schiffe.  Aus  dem  gleichbed.  ndl. 
brander  m.  Bei  Krämer  1678  (1613  bei  Hul- 
sius  Schiffart  10,  38  begegnet  dafür  Brauner 
oder  Brandschiff).  brandig,  adj.:  braad- 
artig,  älternhd.  brandicht;  den  Brand  habend 
(prandig  1562  bei  Mathesius  Sarepta  176^  vom 
Brand  im  Getreide).  ZUS.  Brandbrief,  m. : 
Brief,  der  mit  Schädigung  durch  Brand  droht, 
spätmhd.  (vom  J.  1402)  brantbrief  m.:  (bild- 
lich) dringlich  gehaltener  Brief  (Goethe  Br.  1,  | 
104);  Bettelbrief,  eig.  mit  Berufung  auf  er-' 
littenen  Brandschaden  (als  studentisch  bei 
Kindleben  1781  angeführt).  Brandfuchs, 
m. :  Fuchs  mit  schwarzem  Bauche,  schwarzer 
Schwanzspitze  und  schwarzen  Läufen;  dunkel-, 
fuchsrotes  Pferd  (1644  bei  Duez  153);  Student  j 
im  zweiten  Halbjahr  (bei  Kindleben  1781  neben 
Brande^-).  Brandmal,  n.:  Zeichen  des  Bran- 
des. Bei  Luther.  Brandmark,  n.  u.  Brand- 
marke, f.:  eingebranntes  Zeichen.  Dafür 
älternhd.  Bra-ndmerk  (1616  bei  Henisch,  auch 
noch  1678  bei  Krämer  Brandmärck ,  aber ' 
Brandmarck  bei  Ludwig  1716),  vgl.  ndl.  brand- 
merk n.;  Brandmarcke  bei  Steinbach  1734. 
Davon  brandmarken,  v.:  mit  einem  ein- 
gebrannten Zeichen  kenntlich  machen,  insbe- 
sondere als  einen  Verbrecher.  Bei  Krämer 
1678.  Brandmauer,  f:  feuerfeste  Mauer.  I 
Bei  Stieler  1691.  Brandopfer,  n.:  ein  bis 
auf  die  Eingeweide  zu  verbrernendes  Tieropfer. 
Bei  Luther,  brandschatzen,  v.:  eine  Geld- 
auflage festsetzen  zur  Abwendung  feind-  i 
liehen  Niederbrennens,  spätmhd.  brantscMtzen. 


I  Brandsohle,f.:  innere  Sohle  unter  deräuüem. 

,  Bei  Ludwig  1716  Brandsole.    Brandstifter, 

jm.:  der  einen  Brand  erregt.    Friihnhd.  (loOl 

im  Voc.  opt.  N5^  brantstiffter  «incendiarius»), 

entsprechend  ndl.  brandstichfer  m. 

Branke,  s.  Franke. 

Branntwein,  m.  (-es,  PI.  -e):  aus  Wein- 
hefen, Flüchten  oder  Gewächsen  ab^ezofrene 
geistige  Flüssigkeit.  Spätmhd.  (^zuerst  1360 
in  Frankfurt  a.  M.  erwähnt,  s.  ZfdA.  6,  269) 
brantvnn,  zusammengerückt  aus  brant  (ge- 
küi-zt  aus  gebrant)  icin  «der  gebrannte  Wein», 
urspr.  mit  Flexion  des  ersten  Wortes  (noch 
bei  Schiller  Eäuber  2,  3  gebt  mir  ein  Glas 
Brandtemcein),  dann  in  fester  Verbindung 
Branntewein  (Goethe  12,  93)  oder  Brannt- 
tvein.  Die  Nebenform  Brandwein  erklärt  sich 
aus  dem  Part.  Prät.  gebrand  bei  Luther,  sie 
findet  sich  im  16.  Jh.  (z.  B.  bei  Rollenhagen 
Froschm.  3,  1,  13)  und  wird  noch  von  Frisch 
1741  angesetzt.  Bei  Adelung  Branntwein. 
Entlehnt  ndl.  brandeicijn  m.,  dän.  brändeviin 
m.,  schwed.  brännvin  u. 

Braute,  s.  Pranke. 

Bra£,  m.  {(jen.  Brasses):  Masse  wertloser, 
lästig  fallender  Dinge.  Aus  dem  Ndd.,  wo 
mnd.  bras  m.  «Schmaus»  (s.  prassen),  dann 
«Lärm,  Gepränge»;  das  Wort  diingt  gegen 
Ende  des  15.  Jh.  auch  ins  Hd.  ein  mid  nimmt 
hier  auch  die  Bed.  «Gemengsei»,  dann  «Haufe 
wertloser  Dinge,  Wust»  an,  bei  Stieler  1691 
verzeichnet  und  in  der  Umgangssprache  des 
18.  Jh.  sehr  gewöhnlich.  Auch  nicht  selten 
Praß  geschrieben  (z.  B.  Weiße  Lustsp.  1,  197, 
Lessing  7,  234,  Goethe  Faust  10322j.  Ferner 
findet  sich  in  gleicher  Bed.  Brast  (Lessing  8, 
168),  Prast  (Günther  698),  wohl  mit  ange- 
tretenem t  aus  Braß  entwickelt  (schon  1482 
im  Voc.  theut.  e3*  brast  «pompa»),  zugleich 
auch  beeinflußt  durch  älternhd.  und  mund- 
artlich Brast  m.  «Kummer,  Sorge»,  zu  mhd. 
bresten  «auseinanderbrechen,  gebrechen,  er- 
mangeln».   Li  gleicher  Bed.  ndl.  bras  m. 

Brasse,  f.  fPl.  -n)-.  Seil  an  dem  Ende  der 
Segelstangen,  um  sie  nach  dem  Winde  zu 
richten.  Aus  dem  gleichbed.  ndl.  bras  m., 
das  auf  das  ebenfalls  gleichbed.  fi-anz.  bras 
m.,  urspr.  «Ai-m»  zuriickgeht.  Bei  Adelung 
1774.  brassen,  v.:  die  Brassen  oder  (das 
Segel)  vermittelst  der  Brassen  anziehen  und 
so  richten.  Aus  dem  gleichbed.  ndl.  brassen, 
von  dem  gleichbed.  franz.  brasser,  eig.  «mit 
den  Armen  oder  einer  Stange  rühren». 

Brassen,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.)  u.  Brasse, 

18* 


279 


Braten 


brauen 


280 


f.  (PL  -n):  ein  karpfenähnlicher  Fisch,  cy- 
prinus  latus.  Urspr.  und  noch  mundartlich 
im  Obd.  Brachsen,  Brachsem  (bei  Dentzler 
llOQBrachsmen),  mit  Abschwächung  des  m  der 
Endung  zu  n  aus  mhd.  hrahsem,  brasme  m. 
und  hrahsme,  hrahse  f.,  ahd.  hrahsenia,  hralisa 
f. ;  dazu  andd.  hressenio,  ndl.  brasem  m.,  engl. 
brasse,  schwed.  braxen,  dän,  brasen.  Aus 
dem  Deutschen  entlehnt  franz.  breme  f. 
Dunkler  Herkunft,  kaum  zu  mhd.  brehen 
«glänzen». 

^Braten,  m.  (-s,  PL  wie  Sg,):  zu  braten- 
des oder  gebratenes  größeres  Fleischstück. 
Aus  mhd.  brate  (Gen.  braten)  «Fleisch, 
Weichteile  am  Körper»,  ahd.  hräto  m.  (auch 
von  Teilen  des  menschlichen  Körpers,  z.  B. 
den  Lenden),  lat.  (entlehnt)  brädo  «Schinken», 
andd.  brädo  «Wade»,  daneben  mhd.-ahd.  brät 
n.;  dazu  ags.  brcede  m.,  anord.  bräd  f.  «rohes 
Fleisch».  Wahrscheinlich  hat  dieses  Braten 
nichts  mit  dem  folgenden  zu  tun.  Grundbed. 
zunächst  «Weichteil».  Die  urspr.  schwache 
Flexion  ist  der  starken  gewichen,  doch  N.  Sg. 
älternhd.  noch  Brate,  Brat  (PL  im  17.  Jh. 
öfter  Bräter,  zu  dem  N.  Brat?).  Redensart: 
den  B.  riechen  «einen  Anschlag  merken», 
mhd.  den  braten  smecken.  ZUS.  Braten- 
rock, m.  Rock,  der  bei  Festlichkeiten  ge- 
tragen wird,  wohl  nach  engl,  roastmeetclothes. 

'braten,  v.  (Prät.  briet,  Part,  gebraten): 
über,  an,  in  Feuer  dui'ch  äußeres  Hartwerden 
oder  Hartmachen  mürbe  und  genießbar  wer- 
den oder  machen.  Mhd.  braten,  ahd.  brätan; 
dazu  ndl.  braden,  ags.  brcedan.  Hierher  ge- 
hört noch  anord.  bräär  «hitzig»,  sowie  Brodem 
(s.  d.);  verwandt  mit  brühen  (s.  d.),  das  Ab- 
laut zeigt,  brüten,  und  weiter  vielleicht  lat. 
fretmn  «Brausen,  Wallen,  Hitze»,  fretäle  «Brat- 
pfanne», gr.  ßpoiccu)  «siede,  brause»  mit  an- 
derem Wurzelauslaut,  wenn  germ.  &r-  aus 
mr-  entstanden  ist.  ABL.  bräteln,  v. : 
langsam  braten.  Bei  Voß.  ZUS.  Bratspieß, 
m.,  zusamm enges,  mit  Spieß  (s.  '^ Spieß),  urspr. 
Spiß,  mhd.-ahd.  spi^  m.  «Spitze,  auch  Brat- 
spieß» (verschieden  von  Sjneß  m. «  Stech  walFe»). 
Bratwurst,  f.,  mhd.-ahd.  hrätwurst  f. 

Bratsche  (mit  ä),  f.  (PL  -n):  Arm-,  Alt- 
geige. Aus  ital.  viola  da  braccio;  braccio  ist 
das  lat.  brachium  n.  «Arm».    Bei  Krämer  1 678. 

Bratspieß,  -wurst,  s.  braten. 

Bratze,  s.  Pratze,    jbratzeln,  s.  brotzeln. 

Bräu,  n.  (-es,  PL  -e):  eine  bestimmte  Menge 
gebrautes  Bier;  Brauhaus.  Aus  mhd.  briuive 
f.  n.  «das  Brauen  und  was  auf  einmal  gebraut 


wird».  Älternhd.  auch  Brau;  Bräu  ist  die 
obd.  Form,  die  sich  von  Bayern  aus  ver- 
breitet hat.     Von  brauen  (s.  d.). 

Brauch,  m.  (-es,  PL  Bräuche):  (veraltet) 
Verwendung  wovon;  herkömmliches  Üblich- 
sein. Ahd.  (einmal  heil^  otker)  prüh  m.,  mhd. 
nicht  nachzuweisen  und  erst  im  15.  Jh.  (bei 
Nie.  V.  Wyle)  auftauchend.  Von  brauchen, 
V. :  im  Genüsse  wovon  sein ;  wozu  verwenden ; 
wozu  nötig  haben  (im  17.  Jh.,  bei  Logau  3, 
4,  92).  Aus  mhd.  brüchen,  ahd.  hrühhan; 
dazu  asächs.  brükan,  ndL  bruiken,  ags.  brücan 
mit  starker  Flexion,  «genießen,  sich  einer 
Sache  erfreuen,  ertragen»,  engl,  brook  «er- 
tragen, sich  begnügen  mit»,  schwed.  (ent- 
lehnt) bruka,  dän.  bruge,  got.  brükjan  «wo- 
zu anwenden,  gebrauchen».  Urverwandt  ist 
lat.  frui,  fructus  «genießen».  ABL.  brauch- 
bar, adj.  Bei  Henisch  1616.  bräuchlich, 
adj.:  wie  brauchbar;  im  Gebrauch.  Bei  Luther 
breuchlich. 

Braue,  f.  (PL  -n),  auch  Braune,  f.  (PL  -w) : 
Haarstreifen  über  dem  Auge;  Wimper.  Aus 
mhd.  bräwe,  brä,  ahd.  bräwa,  brä  f.  «Augen- 
braue, Augenlid»;  dazu  asächs.  bräwa,  bräha, 
ags.  brcßw,  anord.  brä  f.  Mit  abweichendem 
A''okal  acrs.  brü,  anoi'd.  brün  f.,  die  der  Laut- 
Verschiebung  gemäß  mit  aind.  bhrfis,  gr.  6q)püc, 
abg.  brüvi  f.  «Braue»  übereinstimmen.  Ahd. 
bräwa  zeigt  Ablaut  zu  ags.  brü  usw.  Über 
die  Nebenform  Braune,  sowie  Bran  (bei  Schottel 
1663),  Brane,  selbst  Brame  s.  Augenbraue. 

brauen,  v. :  über  Feuer  bei  aufsteigendem 
Wasserdampfe  bereiten,  zunächst  Bier  (auch 
bildlich  vom  wallenden  niedrigen  Nebel,  bei 
Gökingk,  Goethe).  Mit  Übergang  eines  in  in 
u,  später  au  (doch  älternhd.  auch  oft  breuen, 
noch  jetzt  obd.)  aus  mhd.  briuwen  (Prät.  brow, 
Part,  gebrüwen),  ahd.  briuwan;  dazu  ndl.  brou- 
wen,  ags.  breowan  (mit  starker  Flexion),  engl. 
breiv,  anord.  brugga,  schwed.  brygga,  dän. 
brygge.  Auf  die  gleiche  Wurzel  gehen  zurück 
ahd.  brod,  ags.  broß  n.,  engl,  broth  «Brühe, 
Suppe»;  dazu  lat.  defrutum  n.  «Mostsaft», 
phryg.-thrak.  ßpOrov  «Bier,  Obstwein»,  air. 
bruthe  «Brühe».  Der  urspr.  Begriif  des  Wortes 
scheint  also  «kochen»  gewesen  zu  sein,  vgl. 
auch  Brot.  Man  könnte  auch  braten,  brüten, 
Brühe,  Brei  u  a.  im  letzten  Grunde  mit  un- 
serm  Worte  verbinden,  da  der  gleiche  Anlaut 
einer  Reihe  von  Worten,  die  alle  auf  die 
Speisebereitung  gehen,  kaum  Zufall  sein  kann. 
Die  starke  Flexion  findet  sich  älternhd  nur 
noch   vereinzelt    beim    Part.  Prät.    gebrauen 


281 


l)raiui 


bray 


282 


(Logau  1,  51).   ABL.  Brauer,  m.:  der  Bier 

braut,  mhd.  briuiver  m.,  daneben  hrmive  m. 
(daher  jetzt  bayr.  Bräu  m.).  Davon  Brauerei, 
f.,  bei  Duez  1664. 

braun,  adj.:  aus  Rot  und  Schwarz  ge- 
mischt. Aus  mhd.-ahd.  hrün:  dazu  ndl.  hruin, 
ags.  hrün,  engl,  broivn,  anord.  hrünn,  schwed. 
brun,  dän.  bruun.  Ins  Romanische  aufge- 
nommen als  ital.  bruno,  franz.  bru7i.  Auch 
lit.  br'Ünas  nebst  slav.  hrunatmü  «caeruleus, 
fuscus»  dürften  entlehnt  sein.  Dagegen  geht 
auf  die  gleiche  Wurzel  zurück  lit.  beras 
«braun ;>,  aind.  babhrü-s  «braun»  (dem  das 
deutsche  Biber  entspricht,  s.  d.),  vermutlich 
gr.  q)pijvri  f.,  qppövoc  ra.  «Kröte»,  vgl.  auch  Bär. 
ABL.  Bräune,  f.:  braunes  Aussehen,  mhd. 
briune:  erstickende  (braunrote)  Entzündung 
der  Luftröhre  (bei  Hans  Sachs  Fab.  144,  135 
Preun).  bräunen,  v.:  braun  machen,  mhd. 
briunen.  -bräunlich,  adj.u.adv.:  etwas  braun, 
bei  liUihaY  bräwiUcht  ZUS.  Braunkohle, 
f.,   1781   bei  Jacobsson  technol.  Wb.   1,  283. 

Braune,  s.  Braue. 

Braus,  m.  (Gen.  Brauses):  rauschendes 
Getöse.  Mhd.  ^rwsm.  «Brausen,  Lärm».  Von 
brausen  (s.  d.).  Ndl.  bruis  n.  «Schaum,  Gischt». 

Brausche,  f.  (PI.  -n):  mit  Blut  unter- 
laufene Beule.  ]VIhd.  (selten)  brüsche  f.,  ndd. 
brüs,  brUsch.  Vielleicht  mit  schwäb.  brausch 
«spröde,  brüchig», ndl. &roos  (ausmndl.brösch), 
anord.  breyskr  «gebrechlich,  schwach»  zu  ags. 
brysan  «brechen»,  engl,  bruise  «quetschen»; 
die  urspi-ün gliche  Bedeutung  müßte  «schla- 
gen» gewesen  sein.  ABL.  brauschig,  adj.: 
(Goethe  18,  324)  geschwollen,  wulstig. 

Brause,  f.  (PI.  -w):  der  das  Wasser  brau- 
send durchlassende  seihartige  Aufsatz  am  Rohr 
der  Gießkanne  und  diese  selbst;  Dusche.  Mhd. 
vereinzelt  brüscheL  «Dusche»,  älternhd. kommt 
Brause  nur  in  der  Bed.  «Gärang»  vor,  die 
jetzige  bei  Voß  Ged.  1,  44.  Von  brausen, 
V.:  als  heftig  bewegte  Luft  oder  Flüssigkeit 
stark  hörbar  sein.  Aus  mhd.  brüsen  (auch 
brüschen):  dazu  ndl.  bruisen  (iriiher  britischen, 
auch  ndd.  brüsken)  «schäumen,  brausen», 
aschwed.  brüsa  «einherstürmen».  Die  Bed. 
«rauschen»  hat  sich  wahrscheinlich  aus  «sieden, 
wallen»  entwickelt,  so  daß  brausen  eine  «-Er- 
weiterung der  Wurzel  von  brauen  wäre. 

Braut,  f.  (PI.  Bräute):  durch  Ehever- 
sprechen Gebundene.  Aus  mhd.  brüt  (PI. 
briute),  ahd.brütf.  «Verlobte,  Neuvermählte»; 
dazu  asächs.  brüd,  ndl.  hruid,  ags.  bryd,  engl. 
brüle  «junge  Frau»,  anord.  hrüdr,  schwed. -dän. 


brud  f.  «Verlobte»,  got.  brüßs  f.  «Schwieger- 
tochter». Lis  Mlat.  entlehnt  bruta  f.,  woher 
afranz.  bruy,  franz.  bru  f.  «Schwiegertochter». 
Die  Etymologie  war  umstritten,  vgl.  Wlede- 
mann  Bezz.Btr.  27, 205ff.  Nach  den  Auseinander- 
setzungen von  Braune  aber,  Btr.32, 30  ff.  ist  lat. 
/riTfas  «Beinahme  der  Aphrodite»  zu  vergleichen. 
ABL.  bräutlich,  adj.,  mhd.  briutelich,  ahd. 
brv.tWi.  ZUS.  Brautbett,  n.,  mhd.  brütbette, 
ahd.  brüthetti  n.,  entsprechend  ags.  brydbed, 
n.,  engl,  bridebed.  Brautführ  er,  m.,  fiühnhd. 
(Albertinus  weibl.  Lustg.  99*^).  Bräutigam, 
m.  (-.s,  PI.  -e) :  Mann  der  Braut.  Bei  Luther 
Breutigam,  Breutgam,  aus  mhd.  briutegome, 
entstellt  briutegoume,  briut€game(davau.s Bräu- 
tigam, da  e  vor  g  in  unbetonter  Silbe  zu  i 
wird),  ahd.  brütigomo  m.;  dazu  asächs.  brüdi- 
gumo,  ndl.  briiidegom,  bruigom,  ags.  brydguma, 
engl,  bridegroom  (mit  Anlehnung  an  groom 
«junger  Mann»),  anord,  brudgumi,  schwed. 
brudgum,  dän.  brudgom,  zusammenges.  mit 
ahd.  gomo,  asächs.  gunio,  anord,  gunii,  ags,-got. 
guma  m.  «Mann»  (verwandt  mit  lat.  homo  m.): 
im  Got.  dafüi'  brüßfaßs  m.  (-faps  stimmt  der 
Lautverschiebung  gemäß  mit  gr.  iröcic  (aus 
*iTÖTic)  «Gatte»,  aind. ^a^?s  «HeiT,  Gatte»,  lit., 
patis  m.  «Ehemann»),  Der  PI.  wird  zuweüen 
als  Bräutigams  (Goethe  Götz  1)  gebildet. 
Brautlauf,  m.  (Schiller  Teil  4,  3  nach  dem 
Schweiz.):  Vermählungsfest,  Hochzeit.  Mhd. 
brütloufm.f.,  brütlouft  m.f.n.,  ahd.  brütlouftm. 
n.,  brütloufti  f.;  dazu  ags.  brydhlop  n.  anord. 
brüdlaup  n.,  schwed.  bröllop  n.,  dän.  bryllup  n. 
«Hochzeit»,  ein  gemeingerm.  Wort,  das  wohl 
urspr.  die  feierliche  Einholung  der  Neuver- 
mählten bezeichnet. 

bray,  adj.  u.  adv.:  tatkräftig,  tüchtig;  sitt- 
lich vorwurfsfrei.  Aus  franz.  brave,  ital.-span. 
bravo  (daher  bravo !  als  Ausruf,  aus  der  ital. 
Oper  stammend)  «tapfer,  wacker»,  die  wahr- 
scheinlich auf  lat.  bärbarus  «barbarisch»,  dann 
«wild,  unbändig»  zumckgehen.  Das  Wort  ist 
in  den  ersten  Jahrzehnten  des  17.  Jh.  auf- 
genommen worden  (ndl.  schon  1599  bei  Kilian), 
und  zwar  zunächst  in  der  Bed.  «tapfer»,  (1617 
bei  Opitz  Aristarch  93)  auch  «ungestüm,  un- 
bändig» (z.B.  Logau  1,100),  dann  auch  «wacker, 
tüchtig»  (vereinzelte  Belege  aus  dem  16.  Jh. 
bei  Fischer  1,  1376).  ABL.  brayiereu,  v. : 
Trotz  bieten,  mit  Verachtung  begegnen.  1615 
bei  Albertinus  Landstörzer  470  braviren.  Aus 
ital.  bravare,  fi-anz.  braver  «trotzen».  Davon 
Brayäde,  f.  (PI.  -n):  Großsprecherei.  Aus 
franz.  bravade,   ital.   bravata  f.    «ig.  «Trotz- 


283 


bravo 


Bremse 


284 


bieten».  Im  17.  Jh.  entlehnt.  BraTÖur,  f.: 
Tapferkeit.  Aus  dem  gleich bed.  franz.  hra- 
voure  f.    Bei  Wächtler  1711. 

brayo!  s.  hrav. 

Breche, f.  (PI.  -n):  Werkzeug  zum  Brechen 
des  Flachses  oder  Hanfes.  Mhd.  breche  f., 
von  ^brechen. 

^breclieiijV.  (Prät.  hrach,  Växi. gebrochen): 
sich  auseinandertun;  entzweigehen  oder  ma- 
chen; auflösend  vernichten.  Refl.  sich  h.: 
sich  mit  Gewalt  zerteilen;  aus  dem  Magen 
durch  den  Mund  gewaltsam  von  sich  geben. 
Mhd.  brechen,  ahd.  brehhan;  dazu  asächs.  hre- 
kan,  ndl.  breken,  ags.  h'ecmi,  engl,  break, 
schwed.  (entlehnt)  bräcka,  dän.  bräkke,  got. 
brikan.  Es  stimmt  der  Lautverschiebung  ge- 
mäß mit  dem  gleichbed.  lat.  frangere,  dessen 
n,  wie  das  Peif.  fregi  zeigt,  Präsensverstärkung 
ist.  S.  brach,  Brocken,  Bruch.  ZUS.  Brech- 
stange, f.,  1663  bei  Schottel  532. 

"brechen,  v.  (Prät. &rec/i^e,  Fart gebrecht) : 
brechen  maich.en(^Flachs,Hanfb)'echen).  Früh- 
nhd.  (1482  im  Voc.  theut.  e  3^  brechen,  flachs- 
prechen), abgeleitet  von  Breche. 

brechlich,  adj.  (Claudius  6,  52  u.  ö.): 
gebrechlich.  Aus  dem  Ndd.,  wo  mn<l.  brekelik 
«gebrechlich». 

-brecht  in  Eigennamen,  eine  Nebenform 
von  -bert,  s.  d. 

Bregen,  m.  {-s)-.  Gehirn.  Niederdeutsch, 
namentlich  in  Bregenwurst  «Hirnwurst».  Aus 
mnd.  bregen  n.,  dazu  ndl.  brein  u.,  ags.  brcegen 
n.,  engl,  brain.  Man  vergleicht  gi'.  ßp^xMoc 
m.  «Vorderkopf»  unter  Ansatz  von  *mregh, 
vgl.  Osthoff  Morph.  Unters.  5,  92. 

Brei,  m.  (-es,  PI.  -e):  dick  ge-  und  zei-- 
kochte  Speise.  Aus  mhd.  brie,  bri  (Gen.  brieti, 
spätmhd.  auch  mit  starker  Flexion),  ahd.  brio, 
bri  m. ;  dazu  ndl.  brij,  ags.  brnv  m.  Die  Her- 
kunft läßt  sich  nicht  sicher  ermitteln,  da  ein 
genau  entsprechendes  Wort  in  einer  andern 
idg.  Sprache  fehlt.  Man  kann  es  zu  lat.  friäre 
«zerreiben,  zerbröckeln»  stellen,  aber  auch 
zur  Wz.  von  lat.  frlgo  «rösten,  dörren ».  Da 
neben  diesem  gr.  qppÜYUj  in  derselben  Be- 
deutung steht,  also  ein  Wechsel  von  i  und  ü 
vorliegt,  so  kann  man  auch  brauen,  brühen, 
braten  heranziehen.  Im  Nhd.  nur-  mit  starker 
Flexion,  doch  bayr.  mit  Eintreten  des  n  der 
schwachen  Dekl.  in  den  Nom.  Brein.  ABL. 
breiig,  adj.,  älternhd.  breiicht. 

breit,  adj.  u.  adv.:  ausgedehnt  im  Gegen- 
satz der  Länge.  Mhd.-ahd.  breit;  dazu  asächs. 
bred,  ndl.  breed,  ags.  hräd,  engl,  broad,  anord. 


breidr,  schwed.-dän.  bred,  got.  braips.  Dunkler 
Herkunft.  ABL.  Breite,  f.,  mhd.  breite, 
•dhd.  breiii,  dazu  got.braideit  breiten,  v.: 
auseinanderdehnen,  mhd.-ahd.  breiten;  dazu 
asächs.  bredian,  ags.  brcedan,  anord.  breida, 
schwed.  breda,  dän.  brede,  got.  h'aidjan. 
Breitling,  m.:  eine  Art  Weißfische  (1564 
Forer  167*^  ist  Breiitele  «die  Bleie»);  eine 
Äpfelart  (1517  bei  Trochus  J6^  breydeling). 

^Bremse,  f.  (PI.  -n)-.  die  große  Stechfliege. 
Älternhd.  Breme  (auch  bei  Luther,  noch  bei 
Adelung  und  Campe  als  Bräme  erwähnt, 
mundai'tlich  obd.  und  md.  erhalten)  f.,  mit 
Wechsel  des  Geschlechts  aus  mhd.  breme, 
brem  m.  (selten  f.,  wie  andd.  bremmia  mit 
Umlauts  -e,  auch  brceme  ist  vorauszusetzen, 
vgl.  Schweiz.  Id.  5,  605),  ahd.  bremo  m.,  zu 
brummen,  ahd.  breman  und  verwandt  mit 
lat.  fremere  dss.,  gr.  ßp^iuoi  «brause»,  vgl. 
Osthoff  Morph.  Unters.  5,  93  ff.,  wonach  dann 
Breme  s.  v.  a.  «Brummer,  Bnimmfliege»  aus- 
drückt, vgl.  elsäss.  Brums.  Es  kann  aber 
auch  zu  ai.  bhramaräs  m.  «Biene  »  zu  bhrämati 
«er  schweift  umher»  gehören.  Die  weiter 
abgeleitete  Form  Bremse  stammt  aus  dem 
Ndd.,  wo  andd.  brimissa,  dazu  ags.  brinise  f. : 
in  ndd.-md.  Glossaren  des  15.  u.  16.  Jh.  er- 
scheint bremse,  bromse  (1517  bei  Trochus  H  5^ 
brom.szen),  brumse,  während  die  obd.  Wörter- 
bücher die  Form  noch  nicht  kennen;  1616 
verzeichnet  aber  Henisch  B.  neben  Bremme 
und  1663  Schottel  neben  Bräm  Brämse, 
Brömse,  Brumse,  auch  Duez,  Krämer  haben 
B.  (Stieler,  Ludwig  dagegen  nicht). 

^Bremse,  f.  (PI.  -n):  Nasenklammer  zur 
Bändigung  wilder  Pferde;  Vorrichtung  zum 
Hemmen  an  einem  Räderwerke  mittelst  eines 
Kurbelrades.  Älternhd.  auch  Bremes  (Alberus 
Dict,  R  3*),  Brems  n.  Spätmhd.  bremse  f.  in 
der  1.  Bed.,  zuinickgehend  auf  mnd.j^/n/iesef., 
premes  n.,  das  mit  einer  s- Ableitung  gebildet 
ist  von  mnd. -ndl. pra^nen  «pressen,  klemmen», 
dazu  mnd.-mndl.  prame  f.  «Druck,  Zwang», 
das  weiter  mit  got.  anapraggan  «bedrängen», 
Tühd. pfrengen  «in  die  Enge  bringen,  zwängen» 
verwandt  ist.  In  gleicher  Bed.  findet  sich 
bei  Kilian  bremer,  bei  Maaler  1561  bremen. 
Die  2.  Bed.  zunächst  im  Bergbau  (1673  bei 
Berward  Berg-Phrases  13  Brems  f.,  Brems- 
rad, 1556  hei  G.  Agricol-A  prembsschuch  «har- 
pago»),  im  19.  Jh.  auf  Maschinen  und  Eisen- 
bahnwagen angewendet.  ABL.  bremsen,  v. 
Spätmhd.  (bei  N.  v.  Jeroschin)  prempzen  (für 
bremsen)  «zwängen,  bändigen». 


285 


Brenke 


Brett 


286 


Brenke,  s.  ^Brente. 

brennen,  v.  (Fr'ä.t.bra7mte,  Ysirt.  gehrannt) : 
dui'ch  Feuer  versehren;  durch  Feuer  ver- 
zehren machen;  Empfindung  wie  von  Feuer 
mitteilen;  von  Feuer  oder  wie  von  Feuer 
ergriffen  sein;  flammend  oder  feuerglänzend 
sein.  Mhd.-ahd.  h.  ist  nur  Faktitiv;  dazu 
and.  brennian,  mnd.  (mit  Umstellung  des  r) 
herneii,  ags.  (ebenso)  hcernan,  anord.  brenna, 
schwed.  bränna,  dän.  brande,  got.  brannjan. 
Nhd.  b.  hat  aber  auch  das  Intransitivum 
mhd.  brinnen  (Prät.  bran,  Part,  gebrunnen), 
ahd.  brinnan  in  sich  aufgenommen:  dazu 
asächs.  brinnan,  ags.  (mit  Umstellung  beornan, 
uuurd.  brinna  (dafür-  meist  brenna),  schwed. 
brinna,  got.  brinnan.  Das  zweite  n  ist  präsens- 
bildend und  wohl  aus  iv  entstanden,  Grund- 
form also  *brinwö.  Es  gehört  vielleicht  zu 
air.  brennini  «sprudele»  und  im  letzten  Grunde 
(mit  w-Infix)  auch  zu  lat.  fervere.  Vgl.  auch 
hörnen.  Wäkrend  Luther  brennen  auch  als 
Intrans.  gebraucht  (unter  ndd.  EinfluJJ,  schon 
mnd.  ist  bernen  auch  intrans.  verwendet,  ver- 
einzelt auch  md.  z.  B.  Elisabeth2239),  findet 
sich  sonst  im  16.  u.  17.  Jh.  noch  oft  brinnen, 
namentlich  bei  Oberdeutschen  (yerbrunnen 
Opitz  1,  42,  entbran  Logau  2,  243,  gebrunnen 
2,  69,  selbst  noch  entbronnen  bei  Goethe 
ew.  Jude).  Das  Prät.  von  brennen  lautet 
bei  Luther  brandte,  Part,  gebrand,  später 
brannte,  gehrannt,  daneben  aber  bis  gegen 
Ende  des  18.  Jh.  auch  brennte,  geh'ennt 
(brennte  Wieland  18,  123,  verbrennt  Bürger 
132,  gehrennt  Goethe  8, 177).  ABL.  Brenner, 
m.  (-6-,  Plur.  wie  Sg.):  der  absichtlich  Feuers- 
brunst verursacht,  mhd.  brenncere;  der  etwas 
brennt,  z.B.  Branntwein;  Hii'schkäfer  (Luther 
2.  Mos.  8,  21  am  Rande),  weil  er  angeblich 
Kohlen  auf  seinen  Hörnern  in  Gebäude  trägt; 
Brand  in  Getreide,  an  Pflanzen,  Bäumen  (auch 
bei  Luther);  Gegenstand  an  Beleuchtungskör- 
pern. S.  auch  brenzeln.  ZUS.  Brennglas,  n., 
bei  Stieler  1691.  Brennessel,  f.,  bei  Brunfels 
1530,  mhd.  dafür  eiterne^^el  d.i.  «Giftnessel». 
Brennpunkt,  m.,  von  Harsdöi-fer  gebüdet 
(Mathemat.  Erquickstunden  1651   1,  301). 

^Brente,  f.  (PI.  -n):  kufenartiges  hölzernes 
Gefäß  mit  niedrigem  Kande.  S]^ätmhd.brentei. 
(auch  um  1480  im  Voc.  ine.  teut.  d  2''  hrenten 
oder  potung  [Bottich],  «Faß,  Kufe,  Maß»),  ent- 
lehnt aus  ital.-mlat.  brenta  f.  «Art  Weinfaß». 
Daneben  auch  Brenke  f.  und  Brenkel  (im  Voc. 
ine.  teut.  c  2^  als  *  vulgariter»  neben Brente)  n., 
jetzt  am  Mittel-  und  Oberrhein. 


-Brente  oder  Brinte,  f.  (PL  -n):  vier- 
eckiges, aus  gerösteten  Mandeln  und  Zucker, 
Mehl  und  Eiweiß  bereitetes  Gebäck  mit  ein- 
gedruckter Figur,  in  Frankfui-t  a.  M.  An- 
gelehnt an  brennen  «rösten»;  aber  in  Aachen 
(Müller -Weitz  188)  Prent,  Print  {.  «Abdruck 
von  Blumen  oder  Figuren»,  wie  ndl.  und  engl. 
print,    dann   Pfeflerkuchen ,    der   eine  Figur 

j  darstellt,  zu  a&ch. prente  «Leinwand  diaicken», 

\  ndl.  prenten,  engl,  print,  aus  airani.  preindre, 
von  lat.  preniere  «drücken». 

brenzeln,  v.:  nach  Breimen  schmecken 
oder  riechen.    1537  bei  Dasjpodius  hrentzelen 

\  und  hrenselen,  das  Dimin.von  älternhd.  brenzen 

{  (1664  bei  Duez),    das  von  brennen   gebildet 

I  ist.  Daneben  bei  Stieler  1691  brinzelen. 
ABL.  brenzlich,  adj.  u.  adv.:  dem  Gerüche, 
Geschmack  nach  angebrannt.  Bei  Stieler  1691 
hrenzeliclit  und  hrinzelicht. 

Bresche,  f.  (PI.  -n)  -.  gewaltsamer  Mauer- 

j  oder  Walibruch  einer  Befestigung.  Aus  franz. 

I  breche  f.  «Bruch,  Lücke,  Scharte»,  das  auf 
ahd.  -hrehlia  in  mürbrehha  f.  «Mauerbrecher» 
zui'ückgeht.  1617  bei  Wallhausen  Cox-p.  mil. 
189  (vgl.  auch  Gombert  6,  21);  daneben  im 

I  17.  Jh.  Presse  f. 

1  Brestel,  f.:  Erdbeere  (Rückert  Ges.  Ged. 
4,  301).      Schwäbisch  Bröstel  f.  und  Bräst- 

I  ling  m..,  spätmhd.  bresteling  «Gartenerdbeere» 
1616  bei  Henisch  Breßling  «weiße  Erdbeere»; 

j  bei  Schmeller-  1,  46  Pröhstling  m.  «große 
Erdbeere». 

bresthaft,  adj.:  mit  Leibesgebrechen  be- 
haftet. Auch  preßhaft  (s.  d.).  Mhd.  bresthaft 
«mangelhaft»,  gebüdet  von  mhd.  brest  m. 
«Mangel»,  das  auf  mhd.  bresten  «gebrechen» 
beruht.     Vgl.  Geh  esten. 

Brett,  n.  (-es,  PI.  -er) :  aus  einem  Baum- 
stamm geschnittenes  Holz,    das   mehr   breit 

,  als  dick  ist;  Tisch  (in  den  Redensarten: 
ans  B.  kommen,  hoch  am  Brett  sein);  Brett- 
spiel (daher  die  Redensart  einen  Stein  im  B. 
haben,  d.  h.  zu  seinem  Vorteil).     Mhd.-ahd. 

I  bretn.;  dazu  ags.  bred  n.,  dän.  (entlehnt)  brcet. 

i  Von  gleicher  Wurzel,  nur  mit  andrer  Ab- 
lautsstufe gebildet,  -Bord  (s.  d.).  Daneben 
mit  Dehnung  des  Vokals  Bret  (Goethe  Tasso 
3199.  12,  93.  Schiller  11,  362.  Wall.  Lager 
1036  im  Reim);  die  Form  ist  früher  nament- 
lich bei  Mitteldeutschen  sehr  häufig  und 
findet  sich  bei  Stieler,  Rädlein,  Steinbach, 
Adelung  angegeben,  dagegen  hat  Luther 
Bret,  aber  Bretter,  die  südd.  Wörterbücher 
Brett  und  im  18.  Jh.  wird  diese  Form  auch 


287 


BreTC 


Brille 


288 


verlangt  von  Frey  er  1737,  Gottsched  Sprachk. 
^^240  und  Heynatz,  bei  Campe  erscheint  sie 
als  die  herrschende.  ABL.  'bretteln  (Schiller 
Eäuber  2,  3):  den  langen  Puff  spielen,  bret- 
tern,  adj.,  spätmhd.  bretenn  (Germ.  28,  361 
von  1432),  bei  Luther  (2.  Kön.  4,  10)  hrettern 
und  (Sir.  29,  29)  hretern.  ZUS.  Brettspiel, 
n.,  mhd.  hretspü  n. 

Breve,    n.    (s,   PI.  -n  und  -s):    minder 
förmhcher    päpstlicher    Erlaß.      Im    15.  Jh.  i 
aus  mlat.  hreve  «kurzes  Schreiben»,  besonders  | 
«ein  päpstliches»,    dem  als  Subst.  gesetzten! 
N.  des  lat.  Adj.  brevis  «kurz».     Vgl.  Brief.  \ 

Brevier,  n.  (-s,  PI.  -e):  Betformelbuch  i 
des  katholischen  Geistlichen.  Im  15.  Jh. 
hreviere  n.,  aus  lat.  hreviärmni  n.,  eig.  «kurzes 
Verzeichnis»,  dem  als  Subst.  gesetzten  N. 
des  lat.  Adj.  breviärius  «kurz  gefaßt»,  ab- 
geleitet von  dem  auf  lat.  brevis  «kurz»  zu- 
mckgehenden  lat.  breviäre  «kurz  fassen». 

Brezel,  f.,  Prezel,  Bretzel  (PI.  -n):  Back- 
werk in  der  Gestalt  zweier  armartig  zueinander 
geschlungenen  länglichen  Ringe.  Mhd.  brezel 
(auch  gedehnt  brcezel?),  p-ezel,  ahd.  p-icella  f., 
daneben  auch  breze  f.  (daher  bayr.  die  Bretzen, 
Schwab.  Bretz,  Brefzg)  und  broßzte,  ahd. 
brezita,  precita  f.  (daher  schwäb.  die  Bretzet, 
Bretzget),  sowie  ahd. prezitella  f.  (daher  elsäss. 
die  Brettstell).  Zugi-unde  liegt  lat.  bracMolum 
n.  «Ärmchen»,  Demin.  zu  brachium  n.  «Arm», 
das  im  Mlat.  zu  bracellimi,  sowie  bracitum 
und  bracitellum  (vgl.  ital.  bracciatello  m. 
«Brezel»,  franz.  brechetelles  PI.)  umgebildet 
worden  sein  muß.  Xeben  Bretzel  steht  mit 
langem  e  Brezel,  wie  von  Heynatz  Handb. 
und  Adelung  verlangt  wird,  außerdem  nordd. 
mit  anlaut.  p  Bretzel  (so  von  Freyer  381 
verlangt),  Prezel.  Südd.  und  westmd.  nur 
mit  kurzem  Vokal. 

Bricke,  f.  (PI.  -n)  -.  Art  Neunauge.  Auch 
Pricke.  Aus  dem  Ndd.,  wo  mnd.  pricke  f., 
dann  auch  1469  im  mrhein.  Voc.  ex  quo 
pryecke  «cirtis»,  1475  im  Teuth.  pryeke,  ndl. 
prik  m.     Dunklen  Ursprungs. 

Brief,  m.  {-es,  PI.  -e):  schi-iftliche  Ur- 
kunde; Zuschrift;  zusammengefaltetes  Papier- 
blatt. Mhd.  brief  (Gen.  brieves)  «Brief,  Ur- 
kunde», überhaupt  «Geschriebenes»,  ahd.  brief, 
briaf,  mit  einem  (aus  lat.  e  hervorgegangenen) 
ie  aus  lat.  breve  n.  (s.  Breve).  Entsprechend 
ndl.briefm.,  anord.  brefw.  «Urkunde»,  schwed. 
bref,  dän.  brev  n.  ABL.  brieflich,  adj.  u. 
adv,:  mittelst  eines  Briefes.  Ahd.  brief lih 
«in  Form  einer  Urkunde,  eines  Schriftstückes» 


(ebenso  1616  bei  Henisch),  in  der  jetzigen 
Bed.  aber  erst  im  18.  Jh.  Briefschaften, 
PI.:  mehrere  Briefe  oder  Schreiben.  Bei 
Frisch  1712.    ZUS.  Briefsteller,  m.:  der 

Briefe  entwirft  (bei  Stieler  1691);  Anweisung 
zum  Briefschreiben  (Volck  v.  Wertheim  der 
auf  neue  Manier  abgefaßte  und  allezeit  fertige 
Briefsteller  1722).  Brieftasche,  f.,  1491 
im  Voc.  renim  e5".  Briefträger,  m.,  mhd. 
brieftreger,  m.  Briefwechsel,  m.:  Aus- 
tausch von  Briefen.  1644  bei  Harsdörffer 
Gespr.  Bd.  1,  Schutzschrift  S.  22. 

Bries,  s.  Brös-chen. 

Brigade,  f.  (PI.  -n):  gi-ößere,  von  einem 
besondera Generale  befehligte  Heeresabteilung 
von  zwei  Regimentern  (so  zuerst  in  Gustav 
Adolfs  Heer).  Aus  franz.  brigade  f.  und  dies 
aus  ital.  brigata  f.,  eig.  «Gesellschaft»,  dann 
«Trupp,  Rotte,  Heerschar»,  gebildet  von  ital. 
brigaf.  «Zank,  Streit,  Ungelegenheit,  Mühe», 
brigare  «zanken,  streiten,  eifrig  streben, 
woraufhin  bemüht  sein».  Zur  Zeit  des 
30jährigen  Krieges  entlehnt  (Gombert  6,  22 
vom  J.  1639). 

Brigänt,  m.  {en,  PI.  -en),  s.  d.  folg. 

Brigantine,  f.  (PI.  -n):  leichtes  Schnell-, 
Jagdschiff.  Aus  ndl.  brigantine  (1599  bei 
Kilian),  engl,  brigantine,  franz.  brigantin,  zu- 
rückgehend auf  ital.  brigantino  m.,  urspr. 
wohl  «Raubschiff»,  von  ital.  brigante  (daraus 
franz.  brigand  m.)  «unruhiger,  gefährlicher 
Mensch,  Räuber»,  das  im  18.  Jh.  ins  Deutsche 
entlehnt  wurde,  Part.  Prät.  von  brigare  (s. 
Brigade).  Im  16.  Jh.  entlehnt  (1596  bei 
Fronsperger  Kriegsb.  1,  128^  die  Bergandten, 
1,  135^  Bergantin,  1567  bei  Schmidel  Reis. 
55,  12  Bergentinschißein). 

Brigg,  f.  (PI.  -s):  zweimastiges  Kriegs- 
und Lastschiff.  Aus  dem  gleichbed.  dän.- 
schwed.  brigg  m.,  engl,  brig,  das  aus  brigantine 
gekürzt  ist. 

brillant,  adj.  u.  adv.:  glänzend;  prächtig, 
ausgezeichnet.  Als  Subst.  Brillant,  m.  [-en, 
PI.  -en) :  eckig  geschliffener  Edelstein,  Glanz- 
edelstein. Aus  dem  franz.  Adj.  brillant,  eig. 
Part.  Prät.  von  briller,  ital.  brillare  «glänzen, 
funkeln»,  von  gr.-lat.  beryllus  (s.  auch  Brille), 
dem  Namen  eines  Edelsteines,  dessen  Glanz 
und  Durchsichtigkeit  gerühmt  wurde,  gr. 
ßrjpuWoc  m.  f.  «ein  meergrüner  indischer 
Edelstein».  Das  Adj.  und  das  Subst.  1717  bei 
Nehi'ing. 

Brille,  f.  (PI.  -n)-.  verbundene  Sehgläser 
füi"  beide  Augen.      Älternhd.  bis  ins  17.  Jh. 


289 


Brimborium 


Brodem 


290 


(z.  B.  Schupp  1,  72)  und  noch  jetzt  mund- 
artlich auch  Brill  m.  Brille  f.  ist  aus  dem 
PI.  hervorgegangen  und  kommt  schon  seit 
dem  15.  Jh.  (auch  bei  Luther  neben  dem  M.) 
vor.  Mhd.  herüle,  harille  m.,  im  15.  Jh.  auch 
hriUe,  hrül,  ist  zunächst  der  Name  eines 
durchsichtigen  Edelsteines  (s.  Beryll  und 
brillant).  Dazu  ndl.  bril  m.  ZUS.  Brillen- 
schlange, f.:  giftige  Schlange  mit  brülen- 
ähnlicher  Zeichnung  auf  dem  Halse.  Bei 
Adelung  1774. 

Brimborium,  n.  (s,  PI.  -s)  -.  nichtswerte 
Kleinigkeit,  Lappalie  (Goethe  Faust  2650). 
^lit  latinisierter  Endung  aus  dem  gleichbed. 
franz.  hritnhorion  m.,  nach  Hatzfeld-Darmsteter 
Umbildung  von  lat.  breviärium,  s.  Brevier. 

bringen,  v.  (Prät.  brachte,  Part,  gebracht) : 
von   einem    Orte   zum    andern   schaffen,    an 
einen  Ort  tragen  oder  führen.    Mhd.  bringen 
(Prät.  auch   stark  branc,    PI.  brungen,  Part. 
gebrungen,  häufiger  Prät.  brähte,  Part,  bräht). 
ahd.  bringan:  dazu  asächs.bringan,  ags.bringan 
(Prät.  brang  und  bröhfe),  engl,  bring,  schwed. 
(entlehnt)  bringa,    dän.  bringe,    got.  briggan 
(Prät.  brähtd).     Daneben   mit  abweichender 
Präsensbildung  asächs.  brengian,  ags.  brengan, 
ndl.  brengen,  auch  md.  bis  in  die  nhd.  Zeit ' 
brengen,  von  dem  das  schwache  Pi-ät.  (got. 
brähta   aus   *branhta)    ausgegangen    zu   sein  \ 
scheint.    Zu  kymr.  he-brwng  «herbeibringen», ; 
he-bryngiad  «der  Herbeiführer»,  körn,  hem-  i 
bronk  «er  wird  herbeibringen».     Nach  Brug- 
mann  Idg.  Forsch.  12,  154  eine  Vermischung 
der  Wurzeln   idg.  bher   «tragen»,    lat.  fero, 
gr.  qpepiu,  got.  bairan  und  enk,  gr.  ^verKeTv 
«bringen».    Das  Part.  Prät.  lautet  bei  Luther  ' 
und  noch  sehr  häufig  im  17.  Jh.  bracht  (doch  ' 
verlangt  Schottel  gebracht),  dann  auch  wieder 
bei  Kückert  1,  541. 

Brink,  m.  (-es,  PI.  -e):   erhöhter  Gras- 
platz;   Grasrain;    feuchte    Stelle    auf   einer  ^ 
Wiese.     Aus  dem  Xdd.,  wo  mnd.  brink  m. 
«grasiger  Hügel»,  überhaupt  «Hügel,  Gras- 
platz, Grasrain»;  dazu  engl,  fcn'wft  «äußerster 
Kand,   Ufer»,    schwed.    (entlehnt)    brink  m. 
«steiler  Berg»,  dän.  brink  «sanft  angehender 
Hügel»,  anord.  (mit  Assimilation  des  n  an  k) 
brekka  f.  «Hügel»  neben  bringa  f.  «gi-asiger  j 
Hügel».      Da   br   auf  vir   zuräckgehen   und  j 
der  Nasal  eingeschoben  sein  kann,  läßt  sich 
gall.  brogae  «Acker»,   Ällobroges,   ir.  mruig, ! 
bruig  «Mark,   Landschaft»   und   mit  Ablaut 
lat.  rnargo  «Rand»,   d.  Mark  «Grenze»  ver-  j 
gleichen,   vgl.  Walde  s.  v.     Anders  Wiede- ! 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


mann  Bezz.  Btr.  27,  231.  Verwandt  ist  noch 
Brunkel  (s.  d.).  Goethe  gebraucht  die  Foi-m 
Brinken  (in  Sandbrinken).  ZUS.  Brink- 
sitzer,  m.:  Angerhäusler,  Halbbauer,  Hinter- 
sasse. Aus  nd.  Brinksitter  m.  In  gleicher 
Bed.  Brinkköter,  Brinklieger,  Brinksasse. 

Brise,  f.  (PI.  -n):  kühler  (Nord)wind. 
Aus  dem  gleichbed.  franz.  biise,  span.  brisa  f., 
ital.  brizza,  engl,  breeze,  deren  Herkunft  un- 
sicher ist.     Moderne  Entlehnung. 

Brite,  m.  {-n,  PI.  -n):  Einwohner  Eng- 
lands. JIhd.  Britte,  ahd.  Pretto,  aus  lat. 
Brito,  Britto  und  diese  aus  dem  Keltischen, 
kymrisch  Pnjdain,  selten  Bryt  oder  Brydein, 
Stammesname,  davon  das  Adj.  britisch, 
englisch.  ABL.  britten,  v. :  die  Engländer 
nachahmen  (Goethe  6,  110),  dafüi-  im  18.  Jh. 
auch  brittenzen. 

Britsche,  f.,  s.  Pritsche. 

Brocke,!  (Lessing  1,. 394),  meistBrocken, 
m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  abgebrochenes  dickeres 
Stück.  Aus  mhd.  brocke  (Gen.  brocken),  ahd. 
broccho  m. ,  dazu  ndl.  brok  m.,  mit  Ablaut 
zu  brechen  gebildet.  Im  Got.  das  gleichbed. 
gabruka  f.  An  Stelle  der  schwachen  Flexion 
im  Mhd.  jetzt  starke,  doch  Nom.  Sg.  älternhd. 
noch  Brocke,  Brock.  ABL.  brocken,  v.: 
Ln  Brocken  brechen.  Mhd.  brocken,  ahd. 
brocchön.  Davon  die  dimin.  Bildung  bröckeln, 
V.:  zu  kleinen  Brocken  brechen  (bei  Frisch 
1712),  mit  dem  Adj.  bröckelig,  älternhd. 
bröckelicht  (1616  bei  Henisch  bröcklet). 

Brod,  s.  Brot. 

brodeln, bru (lein  (Wieland  19,  362),  auch 
prudeln  (Goethe  Faust  5255 j  v.:  kochend  auf- 
wallen: langsam  kochen  (intrans.).  Aus  mhd, 
brodelen,  brudelen,  das  zu  spätmhd.  (noch  jetzt 
hayr.) prod  n.,  ahi.prod,  protn.  «Brühe»,  früh- 
nhd.  brod  «aufsteigende  Wasserblase»  (1429  hb. 
ord.  rerum  Bl.  3*)  gehört,  dazu  ags.  brodn. 
«Brühe»,  engl,  broth  «Fleischbrühe».  Ahd. 
prod  entspricht  ziemlich  genau  lat.  defrntum 
«der  eingekochte  Most,  Mostsaft»,  thrak. 
ßpöToc,  ßpüTov  «eine  Art  Gerstenbier»  und 
gehört  wohl  zu  der  unter  brauen  bespro- 
chenen Sippe.  B.  kann  aber  auch  mit  Sprudel, 
sprudeln  verwandt  sein  (vgl.  Siebs  Kuhns 
Zeitschr.  37,  307),  wie  denn  auch  im  17.  Jh. 
Brudel  als  «Sprudel»  vorkommt.  Ablautend 
schließt  sich  dann  Schweiz,  bradle  «wallen, 
schmatzen,  schwätzen»  an. 

Brodem,  auch  Brodeu,  m.  (-5,  PI.  wie 

Sg.):    dicker   Dunst   aus   heißer,    kochender 
Flüssigkeit;    dicker  Dunst    überhaupt.      Die 

19 


291 


Brokat 


Bruch 


292 


Form  Broden  mit  Schwächung  des  -em  zu 
-en  auch  bei  Goethe  1,  214.  Nat.  Tochter 
1985  u.  ö.  Mit  Verwandlung  des  ä  in  5 
(doch  wird  Braäem  noch  1722  von  Freyer 
S.  268  verlangt)  aus  mhd.  brädem  «Dunst», 
ahd.  hrädam  m,  «Hauch,  Hitze».  Verwandt 
ist  zunächst  ags.  brced  f.  «Dunst,  Hauch», 
engl,  hreath  «Atem»  und  weiter  braten  (s.  d.). 
ABL.  bradmen,  v.:  dick  dunsten,  mhd. 
brädmen,  ahd.  hrädamon. 

Brokat,  m.  {-es,  PI.  -e):  mit  Gold-  und 
Silberblumen  durchwirktes  schweres  Seiden- 
zeug. Aus  ital.  broccato  m.  (daher  franz. 
brocat,  brocart  m.)  von  broccare,  franz. 
hrocher  «stechen,  sticken»,  das  auf  ital.  hrocca, 
iranz.  brocke  f.  «Spieß,  hölzerne  Nadel,  Stick- 
nadel» zurückgeht.  1717  bei  Nehring  Brocat, 
1721  bei  Jablonski  Broccat.  ABL.  Bro- 
katen, adj. 

Brombeere,  f.  (PI.  -w):  schwarzblaue 
Frucht  des  Brombeerstrauches ;  dieser  Strauch 
selbst,  rubus  fruticosus.  1537  bei  Dasypodius 
Bromheer.  Mit  Verwandlung  des  ä  in  (später 
gekürztes)  o  aus  inhä.bräniber  N.Pl.  (s. Beere), 
ahd.  brämberi  «Beere  des  Brombeerstrauches 
(mhd.  bräme  m.,  ahd.  bränio  m.  und  bräma  f., 
die  auch  überhaupt  «Dornstrauch»  bedeuten, 
dazu  ndl.  braam  m.  und  mit  weiterer  Ab- 
leitung ags.  bremel  m.,  engl,  bramhle  «Brom- 
beerstrauch»).    Vgl.  auch  Bram. 

Bronnen,  Bronn,  m.  {-s,  PI.  Bronnen): 
wie  Brunnen.  In  der  Dichtersprache  seit 
dem  Ende  des  18.  Jh.  gebraucht:  die  Laut- 
entwicklung wie  bei  Sonne  mhd.  sunne,  ge- 
ronnen mhd.  germinen. 

Bronze,  f.  (PI.  -n):  bräunliche  Metall- 
mischung aus  Messing,  Zinn  und  vornehm- 
lich Kupfer;  Kunstwerk  aus  Bronze.  Aus 
franz.  bronze  und  dies  aus  ital.  bronzo  m., 
das  man  auf  aes  Brundisium  d.  h.  Erz  aus 
Brindisi,  dessen  Metallarbeiten  berühmt  waren, 
zurückführt.  Vgl.  Berthelot  Revue  archeo- 
logique  1888,  294,  Schrader  Reallexikon  203. 
Im  Anfang  des  18.  Jh.  entlehnt  (1734  bei 
Wolff  math.  Lex.). 

Brosam,  m.  {-es,  PI.  -e),  Brosame,  f. 

(PI.  -n):  das  inwendige  Weiche  vom  Brote. 
Obd.  und  dichterisch,  fast  nur  im  PI.  (das 
M.  Brosam  von  Klopstock  u.  a.  gebraucht). 
Mhd.  hrosme  (die  mundartlichen  Formen  er- 
weisen langes  ö),  ahd.  hrosania,  hrösma  f., 
dazu  asächs.  brosmo  m.  «Brocken».  Zu  ags. 
brysan  «zen-eiben»,  brosnian  «gebrochen  wer- 
den»,  also  eig.  «Bröckchen»  und  weiter  zu 


lat.  frustuni  n.  «ein  Brocken,  Stückchen, 
Bissen»,  s.  Walde  s.  v. 

Brosche,  f.  (PI.  -n):  Vorstecknadel.  Aus 
franz.  brocke  f.  «Spieß,  Nadel»  (s.  Brokat). 
Moderne  Entlehnung.  —  hrOSChieren,  v.: 
ein  Buch  nur  heften.  Aus  franz.  hrocker 
«stechen,  durchstechen».  ABL.  Broschüre, 
f.  (PI.  -n):  bloß  geheftetes  Buch  mit  Um- 
schlag; Schrift  von  einem  oder  wenigen  Bogen. 
Beide  gegen  Ende  des   18.  Jh.  entlehnt. 

Brös-chen,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Bmst- 
drüse  des  Rindes,  Kalbes,  Lammes.  Aus 
dem  Md.,  dafür  schwäb.  Brüsle,  bayr.  Brüsel, 
Briesel  n.,  auch  nur  Bries  und  verkleinernd 
Bries-cken.  Vgl.  auch  die  gleichbed.  dän. 
hrissel,  schwed.  bress  in  kalvhress.  Falls  u 
der  ursprüngliche  Vokal  ist,  vielleicht  mit 
Brosame  zu  ags.  brysan  nach  dem  bröckeUgen 
Aussehen  der  Drüse. 

Bröselein,  n.  (Goethe  1, 178.  Faust  9592) : 
Brotbröckchen.  Aus  dem  Obd.  (1616  bei 
Henisch  Brösele),  das  Dim.  zu  Brosame,  mhd. 
brosemlin  n.,  bei  Luther  Brosemlen.  bröseln, 
V. :  bröckeln.    Schon  im  16.  Jh. 

Brot,  u.  (-es,  PI.  -e):  der  aus  Mehl  und 
Wasser  bereitete  und  gebackene  Teig  als 
tägliches  Nahrungsmittel  des  Menschen ;  (bild- 
lich) Nahrungsbedarf,  Nahningspflege;  Bienen- 
brot (s.  d.).  Auch  häufig  Brod  geschrieben; 
das  d  kann  aus  westmd.  u.  ndd.  Mundarten 
erklärt  werden,  beruht  aber  vielleicht  auch 
auf  grammatischem  Wechsel.  Luther  hat 
Brot,  was  auch  sonst  im  Älternhd.  über- 
wiegt (doch  Brod  1540  bei  Alberas  Dict.^: 
Brod  steht  bei  Rädlein,  Frisch  und  dann 
bei  Adelung,  bei  andern  Brodt.  Mhd.  brof, 
ahd.  hröt,  hrötk  n.;  dazu  asächs.  hröd,  ndl. 
brood,  ags.  bread,  engl,  bread,  anord.  braud, 
schwed.-dän.  hröd  n.,  im  Got.  dafür  klaifs 
(s.  Laib).  WahrscheinUch  zu  brauen  (s.  d.) 
zu  stellen  und  im  Ablaut  zu  dem  unter 
brodeln  besprochenen  Brod  stehend.  ZUS. 
brotlos,  adj.,  bei  Henisch  1616.  Brotneid, 
m.,  bei  Adelung  1793. 

brotzeln,  s.  brutzeln. 

Broyhan,  m.  {-s,  PI.  -e):  Art  Weißbier, 
aus  Weizen  gebraut.  Angeblich  von  Kurt 
Broykakn  oder  Brnkan  1526  in  Hannover 
erfunden.  Fischart  Garg.  86  führt  Brükan 
als  ein  werdisches  Bier  auf. 

brr!  Interj.,  Laut  zum  Stillstehen  der 
Pferde ;  Laut ,  des  Schauders. 

^ Bruch,  m.  {-es,  PI.  Brücke):  Handlung 
des  Brechens:  Gebrochensein:  Stelle,  wo  et- 


293 


Bruch 


brüllen 


294 


was  gebrochen  ist;  Abgebrochenes;  Teil  eines 
Zahlenganzen  (schon  1514  bei  Böschensteyn). 
Mhd.  bruch,  ahd.  brüh  m.,  zu  brechen.  ABL. 
brüchig:,  adj.,  mhd.  brüchic. 

■Bruch  (mit  ü),  n.,  häufiger  m.  (-es),  PI.  Bril- 
cher  und  Brüche) :  Sumpfboden ;  Sumpfwiese. 
Mhd.bruochn. m.,  ahd.  bruohn.,  dazu  mnd.  brök 
n.,  ndl.  broek  f.,  ags.  bröc  «Bach,  Gießbach», 
engl.brook  «Bach».  Dunkler  Herkunft;  kaum 
zu  brechen,  als  Ort  wo  Wasser  hei-vorbricht 
oder  zu  brack  (s.  d,).  Redensart:  in  die 
Brüche  gehen  «verloren  gehen»,  eig.  «in  den 
Sumpf  geraten»  (vgl.  in  die  Pilze  gehen). 
ABL.  bruchig,  adj.,  spätmhd.  bruochig  und 
bruochehf. 

■^ Bruch  (mit  ?7),  f.,  auch  n.  (PI.  Brüche): 
Art  Hosen.  Nur  noch  mimdartlich  (Schweiz). 
Mhd.  h'uoch  f.  n.,  ahd.  bruohha  f.  und  bmoh  n. ; 
dazu  mnd.  brök,  ndl.  broek,  ags.  bröc  f.,  engl. 
breeches  -{ein  ¥1.),  ariord.  brök  f.,  schwed.  brok, 
dän.  brog  «Hose».  Dazu  ags.  brec  «Steiß». 
Übereinstimmend  mit  gall.-lat.  bräca  f.  «Hose», 
afranz.  braies,  ital.  brache  PL,  das  wahrschein- 
lich auf  das  deutsche  Wort  zuriickgeht. 
Weiter  vergleicht  Schrader  ZfdW.  1,  238 
lat.  suffrägines  «Hinterbug  der  Tiere»,  so 
daß  die  Bedeutimg  des  ags.  Wortes  am  ui-- 
sprünglichsten  wäre.      Unsicher. 

Brüche,  f.  (PI.  -n)-.  Vergehen  (Gesetzes- 
bruch); Buße  in  Geld  dafür.  Nach  dem 
ndd.  bröke  f.,  mnd.  broke  m.  (bei  J.  Moser 
Brüchte  m.)  «Vergehen,  Geldstrafe  dafür»,  das 
zu  ^Bruch  gehört.  Bei  Schottel  1663  bruchig. 
brüchig,  s.  ^Brvch. 

Bruchstück,  n.  Als  Verdeutschung  des 
lat.  fragmentum  in  den  ersten  Jahrzehnten 
des  17.  Jh.  aufgekommen;  schon  bei  Duez  1642. 

Brücke,  f.  (PI.  -w):  über  einen  Fluß, 
Graben  oder  eine  Schlucht  gebauter  Weg 
von  Holz  oder  Stein.  ]VIhd.  brugge,  brücke 
und  brügge,  brücke,  ahd.  brucka  f.:  dazu  ndl. 
brug,  ags.  brycg,  engl,  bridge,  anord.  hryggja 
«Landungsbrücke,  Hafendamm»,  schwed. 
brygga  f.,  dän.  brygge  «Bräcke».  Im  Nord, 
existiert  außerdem  eine  Form  ohne  Guttural 
anord.  brü  f.  «Brücke»,  schwed.-dän.  bro.  Diese 
ist  zu  abg.  brfwi  «Brücke,  Augenbraue»  zu 
stellen,  wozu  weiter  gr.  öq)püc  m.  «Augen- 
braue», und  führt  auf  eine  Grundform  *brmvi-; 
die  Form  mit  Guttural  (got.  "^In-ugja)  hat 
sich  aus  dieser  entwickelt.  Das  Wort  ist 
also  mit  «Braue»  zu  verbinden,  wobei  aller- 
dings die  Bedeutungsentwicklung  nicht  klar  ist. 
Oder  es  ist  als  Grundbed.  nach  dem  verwandten 


Schweiz,  brügi  (brnge  bei  Maaler  1561)  «er- 
höhter Bretterboden,  Brettergerüst»,  die  von 
«hölzernes  Gerast»  anzunehmen  (obd.  Brück 
auch  «breite  Liegestatt  von  Brettern  am  Ofen, 
Gestell»  u.  dgl.),  vgl.  noch  Prügel.  ABL. 
brücken,  v.:  eine  Brücke  oder  als  Brücke 
bereiten;  mit  einer  Briicke  versehen.  Mhd. 
brücken,  ahd.  bnickon;  ags.  brycgian  ist 
«pflastern». 

brudelu,  s.  brodeln. 

Bruder,  m.  (s,  PI.  Brüder):  Person 
männlichen  Geschlechts,  die  mit  einer  andern 
dieselben  Eltern  oder  denselben  Vater,  die- 
selbe Mutter  hat;  Person  gleichen  Amtes  oder 
Ordens.  Mhd.  bruoder  (PI.  bruoder,  erst  spät 
brüeder),  ahd.  bruodar:  dazu  asächs.  bröthar, 
ndl.  broede^;  ags.  brödor,  engl,  brother,  anord. 
bröthir,  schwed.-dän.  broder,  bror  m.  Über- 
einstimmend mit  lat.  fräfer,  gr.  qppdxuup  (Mit- 
glied eines  Geschlechts),  ir.  bräthir,  aind. 
bhrätä,  abg.  bratü,  lit.  bröterelis,  arm.  eibair 
m.  Neben  der  starken  Flexion  findet  sich 
älternhd.  auch  die  schwache,  noch  häufig  bei 
den  Dichtern  der  schlesischen  Schule.  ABL. 
brüderlich,  adj.  u.  adv.,  mhd.  bruoderlich. 
brüederlich,  ahd.  bruodarlih;  dazu  Brüder- 
lichkeit, f.,  1778  bei  Lavater  Aussichten  4, 
22.  Brüderschaft,  f.  Altemhd.  (vom  Sing, 
gebildet)  Bruderschaft ,  mhd.  bruoder  Schaft, 
ahd.  bruodar scafi.,  dazu  asächs.  bröderskepi  m. 

Brühe,  f.  (PI.  -n):  zusammengesetzte 
Flüssigkeit,  besonders  gekochte.  Mhd.  h'üeje  f. 
Von  brühen,  v.:  mit  heißer  Flüssigkeit  be- 
gießen, daß  sie  einbrennt:  (älternhd.)  bi-üten 
(bei  Luther  ausbrüen  «ausbrüten»  Hiob  39, 
14,  auch  bei  Alberus  Dict.  Wa2^  und  HH  2''). 
Mhd.  brüejen,  brüen  «mit  heißem  sengen»: 
dazu  ndl.  broeijen  «erwärmen,  brüten».  Ver- 
wandt mit  braten  (a.  d.),  Brodem  und  brauen. 
S.  auch  Brut. 

Brühl,  m.  (-es,  PI.  -e):  mit  Gras  und 
Büschen  bewachsene  tiefe  Fläche;  bebüschte 
tiefe,  nasse  Sumpfwiese:  Sumpf  lache.  Mhd. 
brüel,  ahd.  pruil,  proil  m.,  dazu  mnl.  proiel 
«Tiergarten».  Aus  dem  Romanischen,  wo  ital. 
broglio  m.  «Küchengarten»,  prov.  bruelh,  franz. 
breuil  m.  «Gebüsch»,  mlat.  broilus,  brogilus 
«umzäuntes  Gebüsch  oder  Baumstück,  Wäld- 
chen», die  wahrscheinlich  aus  dem  Keltischen 
(vgl.  breton.  bro  «Gegend»)   stammen. 

brüllen,  v. :  erschütternd  schreien,  in 
tiefem  Ton  erschütternd  schallen.  Mhd. 
brüelen,  daher  auch  älterahd.-obd.  brülen  und 
noch  jetzt  mundartlich:   im  Ablaut  zu  dialek- 

19* 


295 


brummen 


Brtisch 


296 


tischem  hrallen  «schi-eien»  (s.  prahlen)  stehend.. 
Die  Form  mit  kurzem  ü  stammt  aus  dem 
Md.  (1470  in  Diefenbachs  mlat.-hochd.-böbm. 
Wb.  Sp.  186  prüllen,  1482  im  Voc.  theut.  t3* 
prullen,  bei  Luther  hrUllen),  dazu  ndl.  brüllen. 
Nach  Bugge  Btr.  21,  421  zu  lit.  Uiäuju 
«brüllen»,  indem  r  aus  l  durch  Dissimilation 
entstanden  ist. 

brummen,  v.:  dumpfen  Ton  von  sich 
geben;  (in  der  neuern  Umgangssprache)  im 
Gefängnis  sitzen.  Mhd.  brummen,  dazu  ndl. 
bromnien,  das  zu  dem  starken  V,  mhd.  brimmen 
(Prät.  brani,  Part,  gebrummen)  gehört,  zu 
dem  es  urspr.  nur  eine  abweichende  Präsens- 
bildung darstellt,  weiter  auch  zu  dem  ein- 
faches m  zeigenden  mhd.  bremen,  ahd.  breman 
«brummen,  bmllen»  (s.  ^Bremse).  Man  ver- 
gleicht damit  lat.  fremere  «bi-ummen,  dumpf 
tönen»,  gr.  ßp^ineiv  «dumpf,  hohl  tönen, 
rauschen»,  ai.  marmaras  «rauschend»,  indem 
man  mr  als  Anlaut  annimmt.  Vgl.  Osthoff 
Morph.  Unters.  5,  93  ff.  S.  auch  Bnmft  ABL. 
brummein,  v.,  frühnhd.  brumlen.  brum- 
mig, adj.,  .1691  bei  Stieler  fcrMmmicM  ZUS. 
Brummeisen,  n.:  die  Maultrommel.  Bei 
Eädlein  1711. 

Brunelle,  f.  (PI.  -n):  Braunwurz  oder 
Gottheil,  ein  Heilmittel,  namentlich  gegen 
die  Bräune.  Spätmhd.  brunelle  aus  franz. 
brunelle  f.,  von  ital.-span.  bruno,  franz.  brun 
«braun». 

brünett,  adj.:  braunhaarig,  eig.  bräun- 
lich. Substantiviert  Brünette,  f.  (PI.  -n): 
Braune,  Bräunliche  von  Gesichtsfarbe  und 
Haar.  Aus  dem  franz.  brunet  (F.  brünette), 
ital.  brunetto,  das  mit  Diminutivendung  ab- 
geleitet ist  von  franz.  brun,  ital.  bruno  «braun». 
In  der  1.  Hälfte  des  17.  Jh.  entlehnt  (1646 
bei  Moscherosch  Philander  2,  208  Brünette). 

Brunft,  f.:  Äußerung  des  Begattungs- 
triebes beim  Rot-  und  Schwarzwilde.  Mhd. 
brunft  f.  «Bninstzeit  des  Hirsches»  (ein  an- 
dres brunft  «Brand»  gehört  zu  brennen). 
Mit  Entwicklung  eines  f  (vgl.  Zunft,  Kunft, 
Vernunft)  zu  dem  unter  brutmnen  erwähnten 
mhd.  brenien,  ahd.  breman  «brummen,  brüllen», 
hier  vom  verlangenden  lauten  Schreien  des 
Wildes  zu  verstehen.  ABL.  brunften,  v.: 
den  Begattungstrieb  äußern. 

Brunkel,  m.  n.  (-s):  wässeriges  Gelände 
mit  Graswuchs.  In  Hessen,  am  Rhein,  im 
Elsaß.     Verwandt  mit  Brink  (s.  d.). 

Brunn,  m.  {-es,  PI.  -en),  meist  Brunnen, 
m.  (-S,   PI.  wie  Sg.):   aussprudelnde,  zutage 


kommendeQuelle;Quellwasser;Behälter,  worin 
sich  ausbrechendes  Quell wasser sammelt;  Harn. 
Mhd.  brunne  (Gen.  brunnen),  ahd.  brunno  m.; 
dazu  asächs.  brunno,  ags.  (mit  Umstellung 
des  r)  burna,  got.  brunna  m.  Vgl.  auch  Born. 
Wohl  zu  brennen  zu  stellen,  als  «das  Wal- 
lende, Siedende»  (vgl.  mhd.  sot  m.  «Brunnen», 
zu  sieden),  oder  wurzelverwandt  mit  gr. 
qpp^ap,  Gen.  qppdaroc  «Brunnen»,  aus  *qppeFap. 
Das  urspr.  schwache  M.  hat  sich  früJmhd. 
in  Brunn,  Gen.  Brunns  und  Brunn,  Brunne, 
Gen.  Brunnen  geteilt,  Luther  hat  übei-wiegend 
die  starken  Formen  (auch  mit  dem  PI.  Brünne), 
seltener  die  schwachen  (im  PI.  als  Mischform 
auch  Brünnen).  Sonst  überwiegt  älternhd. 
Brunn,  Gen.  Brunnen  oder  Brunnens,  in  den 
andern  Kasus  Brunnen;  die  Form  Brunnen 
im  Nom.  Sg.  dringt  erst  im  18.  Jh.  durch 
und  ist  bei  Adelung  allein  angegeben.  Jetzt 
ist  Brunn,  Gen.  Brunns  (aber  im  PI.  nur 
Brunnen)  fast  nur  poetische  Form.  ZUS. 
Brunnquell,  m.  {-s,  PI.  -en):  QueU,  woraus 
ein  Brunn  entsteht;  (bildlich)  Ursprung.  Da- 
für spätmhd.  brunnenquelle,  bei  Luther  brunne- 
quelle  f.,  dagegen  um  1480  im  Voc.  ine.  teut. 
cd^  brunquel  «scaturigo». 

Brünne,  f.  (PI.  -n):  Harnisch,  Im  19.  Jh. 
wieder  aufgenommen  aus  mhd.  brünne,  brünje, 
brünege,  ahd.  brunna,  brunnia  f.;  dazu  ags. 
(mit  Umstellung  des  r)  byrne,  anord.  brynja, 
got.  brunjö  f.  Wahrscheinlich  aus  air.  bruinne 
«BiTist»  entlehnt. 

Bruno,  Mannsname.  Ahd.  Bruno  «der 
Braune»,  das  schwach  dekl.  Mask.  des  Adj. 
braun  (s.  d.), 

Brunst,  f.  (PL  Brünste) :  großes  verzehren- 
des Feuer;  innere  Glut,  Hitze  im  Menschen; 
Heftigkeit  des  Geschlechtstriebes.  Mhd.-ahd. 
brunst  f.;  dazu  ndl.  bronst,  got.  (nur  in  Zu- 
sammensetzung) -brunsts  f.  Zu  brennen  mit 
Entwicklung  eines  inneren  s  (vgl.  Grinst, 
Kunst).  ABL.  brünstig,  adj.  u.  adv.,  mhd. 
brünstec. 

brunzen,  v.:  den  Harn  gehen  lassen. 
Nur  noch  südd.  Mhd.  brunzen  aus  älterm 
brunnezen,  einer  verstärkenden  Ableitung  von 
mhd.  brunnen  «harnen»,  von  brunne  m.,  hier 
in  der  Bed.  «Wasser,  Harn». 

Brüsch,  m.  {-es,  PL  -e):  der  Mäusedorn, 
ruscus  aculeatus.  Spätmhd.  brüsch,  aus  franz. 
brusc,  ital.-span.  brusco  ro.,  die  wohl  mit  vor- 
gesetztem b  (vielleicht  unter  Einwirkung  von 
lat.  biniscus,  bruscum,  s.  unter  brüsk)  neben 
ital.-span.  rusco  m.  aus  dem  lat.  Namen  rus- 


297 


brüsk 


Bnbe 


298 


cum  n.  neben  ruscus  f.  hervorgegangen  sind 
(andre  denken  an  Zusammenhang  mit  anord. 
bniskr  m.  «Haarbüschel»), 

brüsk,  adj.  u.  adv.:  barsch,  heftig,  rück- 
sichtslos. Aus  dem  gleichbed.  franz.  hrusque, 
ital.  hrusco,  die  auf  ein  lat.  Adj.  hniscv.s 
«knollig»  zurückgeführt  werden,  das  aus  hrus- 
cum  n.  «schwammiger  Auswuchs  am  Ahorn- 
baum» erschlossen  wird.  Bei  Sperander  1728 
h~usque. 

Brust,  f.  (PI.  Brüste):  Vorderteil  des 
Leibes  vom  Halse  bis  zum  Magen;  die  Milch- 
drüse der  Frau.  Mhd.-ahd.  b)~ust  f.;  dazu 
mnd.  hurst,  borst,  ndl.  hörst  f.,  got.  hnists  f. 
PI.  (nait  konsonantischer  Flexion).  Femer  mit 
andrer  Ablautform  asächs.  hreost,  ags.  breost 
n.,  engl,  breast,  anord.  brjöst,  schwed.  hröst, 
dän.  hryst  n.  Das  Wort  scheint  urspr.  die 
Form  eines  Duals  gehabt  zu  haben.  Her- 
kunft unsicher;  häufig,  aber  kaum  richtig, 
stellt  man  Brust  zu  mhd.  brieten  «an- 
schwellen, knospen»,  ags.  breotan,  anord.  brjöta 
«brechen»,  asächs.  &rasftan  «knospen»,  Grund- 
bed.  danach  «die  schwellend  Yorbrechende». 
Eher  ist  air.  brü,  Gen.  bronn  (aus  *brusö) 
«Bug»,  bruinne  «Brust»  vei-wandt.  ABL. 
brüsten,  refl.  v.:  eig.  die  Brust  vorstrecken, 
dann  (wie  «sich  in  die  Brust  werfen»)  stolz 
tun.  Mhd.  sich  brüsten,  brüstig,  adj.  in 
eng-,  hoch-,  vollbrüstig.  Brüstung,  f.:  bis 
zur  Brust  reichende  Schutzwand.  Erst  bei 
Adelung  1774.  ZUS.  Brustbild,  n.:  Bild 
bis  zur  Brust,  1557  bei  Sleidanus  übers,  v. 
Stamler  202».  Brustfleck,  m.:  Brustleder, 
Schurzfell.  Ahd.  brustflech  m.  «ein  die  Brust 
bedeckendes  priesterliches  Gewand»,  mhd. 
nicht  zu  belegen,  dann  bei  Henisch  1616  im 
jetzigen  Sinn.  Brustkern,  m.:  der  stoff- 
haltige,  ausgesuchteste  Teil  an  der  Brust  des 
geschlachteten  Rindviehes.  Bei  Henisch  1616. 
Brustwehr,  f.:  Schutzwehr,  die  den  Mann 
bis  über  die  Brust,  also  bis  an  die  Zähne 
deckt.  Mhd.  brustwer  f.  n.,  ahd.  brustweri  f., 
zusammenges.  mit  Wehr  (s.  d.). 

Brut,  f. :  Hitze  zur  Ausbildung  des  Jungen 
im  Eie,  dann  das  belebende  Sitzen  über  dem 
Eie;  das  Ausgebrütete.  Mhd.  bruot  f.  (auch 
überhaupt  «Hitze»);  dazu  ndl.  broed  n.,  ags. 
bröd  f.,  engl,  brood  «Brut».  Von  brühen  (s.  d.) 
mit  Dentalsuffix  gebildet.  ABL.  brüten, 
selten  brüten  (auszubrüten  Uhland  73),  v.: 
wärmen,  belebend  erwärmen  d.  h.  in  Hitze 
z\ir  Belebung  des  Eies  über  diesem  sitzen. 
Mhd.  brüeten,  ahd.  bruoten:  dazu  ndl.  broeden, 


ags.  bredan,  engl,  hreed  «erzeugen»  und  brood 
«briiten».  Alternhd.  und  mundartlich  dafüi* 
auch  brühen  (s.  d,).  brütig,  adj.;  brütend, 
bebrütet;  dumpf,  schwül.  Mhd.  brüetic  heißt 
«entbrannt»,  ags.  hrödig,  engl,  broody  «brütend^. 

brutal,  adj.  u.  adv.:  ungeschliffen,  roh 
und  grob  im  Benehmen.  Aus  dem  gleich- 
bed. franz.  brutal,  ital.  brutale  eig.  «viehisch, 
unvernünftig»,  aus  vulg.-lat.  brUtälis,  abge- 
leitet von  lat.  brütus  «imvernünftig».  Um 
1600  entlehnt.  ABL.  Brutalität,  f.:  Pioh-, 
Grobheit,  Flegelei.  1598  bei  Albertinus  Send- 
schreiben 2,  5^.  Xaeh  mlat.  brutaXitas  (Gen. 
brutalitatis)  f. 

brüten,  brütig,  s.  Brut 

brutzeln,  v.:  l.  intrans.  langsam  kochend 
oder  bratend  leise  tönen,  2.  trans.  in  leisem 
Tönen  langsam  kochen  oder  braten.  Mund- 
artlich in  Mitteldeutschland  und  Schwaben, 
auch  prutzeln  (Weise  Cath.  267  und  schon 
im  16.  Jh.),  brotzeln  (Goethe  Urfaust  1431, 
Eückert  2,  220),  protzein.  Das  Wort  hängt  mit 
brodeln  (s.  d.)  zusammen,  wie  schnitzen  mit 
schneiden.  Im  Obd.  dazu  das  ablautende 
bratzeln  (Mörike2,  154),  bretzeln  ^Tprasseln». 
l)St!  Interj.,  durch  die  Aufmerksamkeit  er- 
regt (Lessing  1,  236)  oder  Stillschweigen  her- 

i  vorgerufen  werden  soll  (Maler  Müller  1,  801). 

bubbeln,  V.:  Blasen  aufwerfen.    Bei  Voß 

Ged.  1,    179.      Scheinbar    lautnachahmendes 

Wort,  entsprechend  ndl.  bobbelen,  engl,  hubble, 

,  schwed.  buhhla,  dän.  hoble,  wahrscheinlich  aber 

i  eine  reduplizierte  Büdung  zu  bullern. 

Bube,  m.  {-n,  PI.  -n):  noch  nicht  aus- 
gewachsene männliche  Person;  zuchtloser 
Mensch;  nichtswürdiger  Mensch.  Mhd.  (noch 
selten  und-erst  gegen  1300  auftauchend)  buobe, 

I  in  md.  Quellen  auch  buofe  (auch  bei  Luther 

'  friiher  Bufe  und  noch  im  18.  Jh.  Büfchen, 
z.  B.  Hagedorn  Od.  100)  m.  «Knabe,  Diener, 
Troßknecht,  zuchtloser  Mensch,  Spieler»;  friih- 
nhd.  in  der  Bed.  «zuchtloser,  schlechter 
Mensch»  sehr  gewöhnlich  (auch  bei  Luther), 
in  obd.  Quellen  außerdem  in  der  Bed.  «dienen- 
der Knabe»,  später  auch  (z.  B.  bei  Fischart) 
in  der  Bed.  «Knabe»  schlechtweg,  «Sohn», 
die  jetzt  in  der  südd.  Umgangssprache  herrscht 

I  (mundartlich    auch  «Geliebter»).     Dazu  ndl. 

'  boefm.  «Schelm»,  engl,  boy  «Knabe»,  schwed. 
bof  m.  «Spitzbube».  Das  Wort  muß  trotz 
seines  späten  Auftretens  als  germanisch  an- 
gesehen werden  (im  Ahd.  erscheint  Bitobo 
als  Eigenname),  es  ist  urspr.  Kosewort  der 
Kindersprache  und  steht  im  Ablaut  zu  mhd. 


299 


Buch 


Buchstab 


3Ö0 


hähe  «alte  Frau»,  Schweiz,  häbi  «Mädchen», 
engl,  haby  «Kind»,  Grundform  böbö  oder  bäbä. 
ABL.  (von  Bube  «zuchtloser  Mensch»  aus- 
gehend) buben,  v,:  sich  wie  ein  Bube  be- 
nehmen, namentlich  in  kuren  und  buben. 
Prühnhd.  (spätmhd.  in  verbuoben),  auch  bei 
Luther.  Davon  das  Demin.  bübeln,  v.: 
(Schiller  1,  344).  Frühnhd.,  z.  B.  Murner 
Schelm,  17,  39  bieblen,  bei  Seb.  Brant  mit 
fremder  Endung  bubelieren.  BÜbin,  f.,  spät- 
mhd. büebin.  bÜbisch,  adj.,  spätmhd.  büe- 
bisch.  Büberei,  f.,  mhd.  buoberie.  ZUS. 
Bubenstück,  n.,  frühnhd.  (z.  B.  Murner 
Geuchm.  ml^  (Y.  1645),  Luther  8,  348  W). 
Buch,  n.  {-es,  PI.  Bücher):  zu  einem 
Ganzen  zusammengeheftete  Pergament-  oder 
Papierblätter;  Hauptabteilung  eines  Werkes; 
24  Bogen  Papier.  Mhd.  buoch  (PI.  buoch,  erst 
später  büeclier)  n.,  ahd.  buoli  n.,  auch  f.;  da- 
zu asächs.  bök  f.  n.,  ndl.  boek  n.,  ags.  böc  f. 
(PI.  bec),  engl,  book,  anord.  bök  f.  (PI.  boekr), 
schwed.  bok  f.,  dän.  bog.  Ln  Got.  bedeutet 
der  Sg.  böka  f.  «Buchstab»  und  der  PI.  bökos 
«Buch,  Schrift,  Brief»;  auch  im  Ahd.-Asächs.- 
Ags.-Anord.  hat  öfter  der  PI.  noch  die  Bed. 
«Buch»,  die  dem  Sg.  urspi*.  nicht  zukommt. 
Dieser  bezeichnet  vielmehr  das  aus  Buchen- 
holz geschnitzte  Stäbchen  zum  Einritzen  von 
Runen  (s,  Buchstab),  dann  auch  das  Schi'ift- 
zeichen,  den  Buchstaben  selbst;  der  PI.  nimmt 
die  Bed.  «Schriftstück»  an,  die  später  auch 
auf  den  Sg.  übergeht.  Nach  Tacitus  Germ. 
10  wui'den  in  der  ältesten  Zeit  unseres  Volkes 
die  zunächst  zu  Los  und  Weissagung  ge- 
brauchten geheimnisvollen  Runenzeichen  in 
Zweigstücke  eines  fruchttragenden  Baumes 
eingeritzt,  und  zu  den  fruchttragendenBäumen 
gehörte  der  Eckern  wegen  ganz  vorzüglich 
die  Buche.  ABL.  buchen,  v.:  in  ein  Buch 
eintragen.  Neues,  erst  bei  Campe  1807  ver- 
zeichnetes Wort  (vielleicht  nach  dem  gleich- 
bed.  engl.  book).  Mhd.  buochen  «dui-ch  ein 
Buch  lehren».  Bücherei,  f.:  Büchersamm- 
lung. Bei  Krämer  1678,  wohl  in  den  Sprach- 
gesellschaften für  «Bibliothek»  aufgekommen. 
ZTJS.  1)  mit  dem  Sg.  Buch:  Buchbinder, 
m.  Buchdrucker,  m.  Beide  in  der  2.  Hälfte 
des  15.  Jh.  (z.  B.  puchpijifer  Städtechron.  11, 
641,  Svom  J.  1501,  buchtrucker  Mone  Zeitschr.  1, 
311  vom  J.  1478).  Buchführer,m.:  (flüher) 
Buchhändler  (so  schon  1489,  Germ.  28,  361): 
(jetzt)  Führer  des  Geschäftsbuches.  Buch- 
halter, m.,  im  16.  Jh.  (1562  bei  Mathesius 
Sar.  238^).     Buchhandel,  m.,  im  17.  Jh. 


:  (Gombert  7,  16  v.  J.  1627).  Buchhändler, 
m.,  1575  im  Theatrum  diabolorum  am  Schluß 
der  Vorrede.  Buchmacher,  m.:  der  die 
j  Aufforderung  zur  Eingehung  von  privaten 
Wetten  bei  Pferderennen  (das  Buchmachen) 
gewerbsmäßig  betreibt,  in  neuester  Zeit  nach 
engl,  bookmaker.  2)  mit  dem  PI.  Bücher: 
Bücherwurm,  m.,  auch  Mensch,  der  sich 
immer  mit  Büchern  beschäftigt  (1668  bei 
Erasmus  Francisci  Oriental.  Staats-  und  Lust- 
garten 1,  1617 'i). 

Buche,  f.  (PI.  -n);  der  Waldbaum  fagus. 
Mhd.  buoche,  ahd.  buohha  f.;  dazu  ndl.  beuk 
m.,  ags.  böc  (in  böctreow)  und  (mit  einer 
Ableitung  und  damit  verbundenem  Umlaut) 
bece  n,  engl,  beech,  anord.  bök  f.,  schwed.  bok 
f.,  dän.  bog.  Der  Lautverschiebung  gemäß 
übereinstimmend  mit  lat.  fägus  f.  «Buche», 
gr.  qpriTÖc  und  cpayöc  f.  «Speiseeiche».  Weiter 
gehört  dazu  wahrscheinlich  kurd.  büz  «Ulme», 
abg.  büzü  «Holunder»  und  bauchen,  vielleicht 
auch  Bauch.  Vgl.  Osthoif  Bezz.  Btr.  29,  249  ff. 
ABL.  Buchel  oder  Büchel,  f.:  Fx-ucht 
der  Buche,  Bucheichel,  mhd.  büechel  f.  Vgl. 
Eichel,  buchen,  buchen,  adj.:  aus  Buchen- 
holz bestehend.  Mhd.  buochm,  büechin,  ahd. 
bughhin.  Auch  in  den  Zusammensetzungen 
Buchenholz,  Buchenlatih,  mhd.  buochm  loup. 
ZUS.  Buchecker,  f.:  Buchel.  In  Glos- 
saren des  15.  Jh.,  bei  Diefenbach  nov.  gl.  339^ 
bucheck'ir  vom  J.  1420,  um  1480  im  Voc.  ine. 
teut.  t7^  puchacker  (s.  Ecker).  Buchfink, 
m.:  der  sich  gern  in  Buchenwäldern  auf- 
haltende Fink,  spätmhd.  buochvinke  m, 

Buchs,  m.  [-es,  PI.  -e):  immergrünes 
Gartengewächs  zur  Einfassung  der  Beete; 
Buchsbaumholz.  Mhd.  buhs  m.,  aus  gr.-lat. 
buxus,  gr.  TTÜSoc  f.  «Buchsbaum  und  Buchs- 
baumholz». ZUS.  Buchsbaum,  m.,  mhd.- 
ahd.  buhsboum  m. 

Büchse,  f.  (PI.  -n):  walzenförmiges  hohles 
Gefäß  als  Behälter;  Feuergewehr  mit  ge- 
zogenem Laufe.  Mhd.  bühse  (in  der  Bed. 
Feuerrohr  zum  Schießen  erst  in  der  2.  Hälfte 
des  14.  Jh.),  ahd.  buhsa  f.,  aus  mlat.  buxis 
f.,  gr.-lat.  pyxis,  gr.  ttuEic  f.  «Büchse  aus 
Buchsbaumholz»,   von    gr.  ttüEoc,    s.  Buchs. 

Buchstab  und  Buchstabe,  m.  (Gen. 
Buchstabens,  PI.  Buchstaben):  Lautzeichen. 
Mhd.  buochstabe  (Gen.  -stoben),  meist  aber 
stark  buochstap  m.,  ahd.  buohstap  m.;  dazu 
asächs.  bökstaf  und  bökstabo  m.,  ndl.  boekstaf 
f.,  ags.  böcstcef,  anord.  bökstafr  m.,  schwed. 
bokstaf  m.,   dän.  bogstav  n.      Urspr.   nichts 


301 


Bncht 


Bückling 


302 


anderes  als  Stab  (Zweigstüok)  der  Buche, 
auf  denen  ein  Runenzeichen  zu  Los-  und 
Weissagung  eingeritzt  war.  Solche  Stäb- 
chen wurden  aufs  Geratewohl  über  ein  aus- 
gebreitetes weißes  Gewand  gestreut,  sodann 
aufgelesen  und  jenen  Zeichen  gemäß  gedeutet, 
entweder  indem  man,  wie  die  Stäbchen  nach 
und  nach  aufgelesen  wurden,  aus  ihnen  ein 
Wort  zusammensetzte  oder  auch  dem  Namen 
jedes  Zeichens  (Buchstabens)  einen  Bezug  auf 
den  fraglichen  Gegenstand  gab.  Im  Anord. 
findet  sich  neben  hökstafr  auch  das  einfache 
stafr,  wie  im  Ags.  stcef  für  Buchstabe.  Vgl. 
Buch,  lesen.  Das  zugrunde  liegende  schwache 
M.  wird  durch  Antreten  eines  s  im  Gen. 
Sg.  zur  starken  Dekl.  übergefühi-t,  der  Nom. 
Sg.  erhält  sich  im  altem  Nhd.  meist  mit 
abgeworfenem  e  als  Buchstah  (füi*  diese  Form 
tritt  noch  Adelung  ein ),  während  jetzt  Buch- 
stabe das  Gewöhnliche  ist,  nm*  selten  mit 
Antreten  des  n  von  den  andren  Kasus  als 
Buchstaben  (doch  schon  vereinzelt  bei  Luther 
2.  Kor.  3,  6);  starke  Flexion  von  Buchstah 
kommt  vereinzelt  vor.  ABL.  buchstabieren, 
V.:  die  Buchstaben  einer  Silbe,  eines  Wortes 
einzeln  aussprechen  und  zusammensetzen. 
Schon  frübnhd.  (z.  B.  bei  Luther  8,  294^ 
Jen.),  doch  daneben  ohne  die  fremde  Endung 
auch  buchstahen,  wie  schon  mhd.  buoch- 
stdhen.  buchstäblich,  adj.  Bei  Ludwig  1716, 
ältemhd.  dafür  huchstabisch. 

Bucht,  f.  (PI.  -en) :  Einbiegung  des  Meeres 
oder  eines  Sees  ins  Land;  hohlrunde  Ein- 
biegung. Aus  dem  Xdd.,  mnd.  hichf,  mnl. 
bochf  «Einfriedigung  füi's  Vieh»*.  In  der 
1 .  Bed.  erscheint  das  Wort  zuerst  bei  Apinus 
1728  und  wird  dann  im  18.  Jh.  mehrfach,  zu- 
nächst als  ndd.,  dann  von  Adelung  als  hd. 
(doch  voi-züghch  in  Niedersachsen  übliches) 
Wort  verzeichnet;  die  Bed.  «Krtimmung, 
Biegung»,  dann  (urspr.  i-under)  «Verschlag» 
(namentlich  in  Schweineh.)  ist  noch  jetzt  ndd. 
Dazu  ndl.  bocht  f.  '< Bucht,  Krtimmung/>,  engl. 
hought  und  hight  «Bucht,  Bug,  Krümmung», 
schwed.  bukt,  dän.  btigt  m.  «Krümmung,  Bucht». 
Zu  biegen  mit  Dentalsuffix  gebildet,  wie  Flucht 
zu  fliehen.    ABL.  buchtig,  adj. 

Buchweizen,  m.  (s):  MehLfrucht  aus 
dem  Geschlechte  des  Wegebreites,  das  Heide- 
kom  (s.  d.).  Die  Pflanze  kam  erst  im  15.  .Jh. 
nach  Europa  und  wurde  Buchweizen  genannt, 
weil  die  Frucht  in  ihrer  Gestalt  der  Buch- 
ecker und  nach  ihrem  Geschmacke  dem  Weizen 
ähnelt.      Die   Benennung    stammt    aus    dem 


nördlichen  Deutschland,  sie  kommt  schon  im 
15.  Jh.  in  L'rkunden  vor  (v.  Fischer-Benzon 
altd.  Gartenflora  S.  170),  1517  verzeichnet 
Trochus  zuei-st  Buchweiß,  1537  Dasypodius 
Butziceyß,  1561  Maaler  Butzweissen,  im  17.  Jh. 
steht  Buchweifzen  bei  Duez,  Krämer  u.  a. 

^Buckel,  f.  (PI.  -n):  erhabene  Metallver- 
zierung. Mhd.  buckel  f.  m.  «erhabener  Erzbe- 
schlag in  der  Mitte  des  Schildes»,  aus  dem 
gleichbed.  afranz.  bocle,  nfranz.  boucle  f.,  die 
zurückgehen  auf  lat.  buccnla  «Backen»,  dann 
«Erhabenheit,  Erhöhung»,  das  Dimin.  von 
lat.  bucca  f.  «der  (volle,  aufgeblasene)  Backen». 

"Buckel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Rücken- 
auswuchs;  der  Rücken  selbst.  Früher  auch 
Puckel  geschrieben,  namentlich  bei  nordd. 
Schriftstellern.  Zu  hucken  ^bücken  «biegen», 
also  eig.  «Krümmung»  (nach  andern  aus 
^Buckel  geflossen).  Erst  frühnhd,,  zunächst 
in  der  1.  Bed.  (um  1480  im  Voc.  ine.  teut, 
d4^  bickel.  verdinickt  für  buckel  «Höcker», 
1515  bei  Hüpfutt"  buckel,  1561  bei  Maaler  das 
Dim.  bügkele  n.  «kleiner  hoger»),  dann  auch 
in  der  2.  (1546  bei  Liliencron  4,  391  der 
puckel  Mt  sie  gejuckt).  Das  Wort  scheint 
aus  dem  Obd.  zu  stammen,  hat  sich  später 
auch  im  Norden  festgesetzt,  wobei  für  das 
anl.  stimmlose  b  p  gesetzt  worden  ist.  Vgl. 
auch  Bühel.  ABL.  buckelig,  bucklig,  adj., 
ältemhd.  bucklig  (um  1480  im  Voc.  ine.  teut.  17'') 
und  huckelicht,  spätmhd. pugklocht  «höckerig». 
Buckelörum,  m. :  Buckliger  (Goethe  1.3,300). 
Aus  der  rheinischen  Umgangssprache,  eig. 
Gen.  PI.  von  einem  halblat.  buckelus. 

bücken,  v. :  vorwärts  niederbiegen.  Mhd. 
hucken,  bücken.  Als  Intensi^nim  zu  biegen 
gebildet. 

Bücking,  Bückling,  m.  (-s,  PI.  -e):  ge- 
räucherter Hering.  Spätmhd.  bücking  (Nümb. 
Polizeiordn.  168  pücking,  14.  .Jh.),  auch  schon 
bückling  (um  1480  im  Voc.  ine.  teut.  d4*' 
buckling),  wie  das  ndl.  bokking  m.  abgeleitet 
von  Bock,  weü  der  Fisch  einem  Bockshorn 
ähnelt,  weshalb  er  mnl.  neben  buckinc  auch 
boxhoren  heißt.  1616  bei  Henisch  440  Böck- 
ling  (auch  Gargantua  80),  Bockshering.  Mit 
geschwächtem  Vokal  1537  bei  Dasypodius 
Bicking,  1616  bei  Henisch  368  Bickling,  Pick- 
ling,  in  md.  Mundarten  auch  Bittling  und 
Bittlich.    Vgl.  Pickelhering. 

bucklig,  s.  Buckel. 

Bückling,  m.  (-S,  PI.  -e):  Verbeugung. 
Von  sich  bücken.  Erst  im  17.  Jh.  l'bei  Grim- 
melshausen  Simpl.  304). 


303 


buddeln 


Buhle 


304 


buddeln,  s.  pufteln. 

Bude,  f.  (PI.  -n) :  Bretterhütte ;  Kramladen ; 
Zimmer  (student.).    Mhd.  (in  ostmd.  Quellen) 
hüde,buode;  dazu  mnd.&ö^e,  mengl.  böße,  nengl. 
hoofh  «Bude»,  schwed.-dän.  hodf.  «Kramladen». 
Zu  haue7i,  aber  mit  auffallendem  germ.  6  für  ü, 
dagegen  anord.  büä  f.  «Wohnung,  Aufenthalt, 
Zelt,  Hütte».    Im  Nhd.  anfangs  wenig  üblich, 
zuerst  bei  Krämer  1678.    Vgl.  auch  Baude.  | 
ABL.  Büdner,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.) :  Inhaber  1 
einer  Bude;  (in  Norddeutschland)  Häusler.     ! 
Büfett,  n.  (-S,  PI.  -e) :  Kiedenztisch,  An- 1 
richte.     Schon  1556  Schweiz,  puffet  n.   «An- 
rieht mit  silbernen  und  goldenen  Geschirren » 
(Frisius  1347*',  Dictionariolum  182^,  huffet^o- 
menclator  109^),    aus  dem  gleichbed.  franz. 
hu  ff  et,    ital.    huffetto   m.     Unbekannten    Ur- 
sprungs, kaum  von  ital.  huffare  «aufblasen», 
also  eig.   pomphaftes,  prunkhaftes  Ding. 

Büffel,    m.    (-S,   PI.  wie  Sg.):    eine  Art 
wilder  Ochsen.     Spätmhd.  hüffel  m.,   aufge- 
nommen aus  franz.  hufle,  das  aus  ital.  Mfolo, 
Mfalo  stammt,  mlat.  Mifalus,  gr.-lat.  Mibalus, 
gr.  ßoüßaXoc  m.,  welches  letzte  eig.  eine  afrika- 
nische  Ga^ellenart,   später   eine   Art   wilder 
Ochsen  bedeutet.     ABL.  büffeln,  v.:  sehr 
angestrengt  arbeiten.   Wohl  eigentlich  Dim.- 
Bildung  zu  mhd.  buffe7i   (s.  puffen)   «schla- 
gen» (vgl.  1571   bei  Mathesius  Sar.  40**  hart 
und  lang  püflen  und  schlagen),   später   aber 
an  Büffel  angelehnt,  was  dann  auch  die  Nach- 
bildung ochsen  hervorgerufen  hat.  Schon  bei 
Luther  hüffelerbeit«h.a,vte,  mechanische  Arbeit». 
Bug,  m.  (-es,  PI.  Büge  und  Buge) :  Stelle, 
wo  eine  Krümmmig  ist;  Körperteil  mit  Wirbel- 
knochen ;  breites  Vorderteil  des  Schiffes.  IVIbd. 
buoc  (PI.  büege),  ahd.  buog  m.  «das  obere  Ge- 
lenk des  Armes  (die  Achsel)  und  der  Vorder- 
beine bei  den  Tieren,  das  obere  Gelenk  des 
Schenkels  (die  Hüfte)»;  dazu  ndl.  boeg  «Schiffs- 
bug»,  ags.  bog,   böh  «Schulter,  Arm,  Ast», 
engl,   bough    «Ast»    und    boio    «Schitfsbug», 
anord.  bögr  «Bug»,  schwed.  bog,  auch  «Schiffs- 
bug»,    dän.  bov   und   boug  m.   «Schiffsbug». 
Übereinstimmend  mit  aind.&äMs  (Jüv^bhäghu) 
«Arm»,  aw.  bäzav-  «Arm»,  gr.  irf|xuc  m.  (für 
*q)rix»Jc)  «Bug  zwischen  den  beiden  Hörnern 
des  Bogens,  Ellenbogen,  Unterarm»,  armen. 
bazuk  «Ellenbogen».    Die  Bed.  «Schiffsbug» 
stammt  aus  dem  Ndl.  (sie  beruht  wohl  auf 
einem  Vergleich  des  Schiffes  mit  einem  Pferde) 
imd  ist  von  hier  aus  ins  Deutsche,  wie  Eng- 
lische und  Skand.  gedrungen,  sie  findet  sich 
hd.  schon  bei  Duez  1642. 


Bügel,  m,  (-S,  PI.  wie  Sg.):  ringförmig 
Zusammengekrümmtes.  Dem Hd.urspr. fremd, 
mhd.  (vereinzelt)  bügele  f.  «Steigbügel»,  dann 
um  1480im  Voc.inc.teut.c4^  &M^eZ«armillus», 
bei  Luther  bügel  und  bögel  m.  «Reif  eines 
Kranzes»,  bei  Henisch  1616  bügel,  bigel  usw. 
Dazu  mnd.  bogel,  ndl.  beugel  m.  «großer  me- 
tallner Ring,  Steigbügel».  Zu  biegen.  ABL. 
bügeln,  V.:  (Wäsche,  Zeug)  glätten  durch 
Daräberhinfahren  mit  dem  heißen  Glätteisen 
{Bügeleisen).  Bei  Krämer  1678  bögelen, pögelen, 
bei  Stieler  1691  biegelen  (biegein  auch  noch 
bei  Goethe  1,  304),  bei  Steinbach  1734  bügeln. 
Bei  Krämer  1678  auch  Bögel-  oder  Pögeleisen 
«Bügeleisen»,  nach  der  ringförmigen  Krüm- 
mung des  Glätteisens  benannt. 

bugsieren,  v.:  (ein  Schiff)  durch  Ruder- 
bote an  Tauen  vorwärts  ziehen.  Aus  dem 
Ndl.,  wo  jetzt  boegseeren,  aber  bei  Kilian 
1599  boechseerden,  entlehnt  aus  portug.  puxar 
«ziehen,  schleppen»,  Liebich  Btr.  23,  226.  Bei 
Ludwig  1716  bogsiren. 

Bugspriet,  n.  {-es,  PI.  -e):  die  über  dem 
Vorderteile  des  Schiffes  schräg  in  die  Höhe 
ragende  Stange.  Aufgenommen  aus  ndl.  boeg- 
sjn'iet  f.  (auch  ins  Engl,  entlehnt  als  bow- 
sp'it,  ins  Schwed.  als  bogspröte  n.),  das  zu- 
sammengesetzt ist  aus  boeg  «Vorderteil  des 
Schiffes»  (s.  Bug)  und  spriet  f.  «schräg  gehende 
Segelstange  am  Mäste»  (s.  sprießen).  Im  Hd. 
erscheint  das  Wort  als  Buchsbred  bei  Hulsius 
Schiffarten  11,  85  und  ist  bei  Ludwig  1716 
als  Boogspret  und  Bugspreet  verzeichnet. 

Bühel,  Bühl,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  natür- 
liche Erhöhung  des  Bodens  in  einer  Ebene, 
mäßiger  Hügel ;  (bildlich)  Auswuchs  an  Leibes- 
gliedern (bei  Musäus  Volksm.  4,  106  Ulrich 
mit  dem  Bühel  d.  i.  der  mißwachsenen  ver- 
renkten Schulter;  schon  mhd.  Flore  6911). 
Oberdeutsch;  Luther  und  den  meisten  Wörter- 
büchern fehlend,  aber  von  Wieland  gebraucht 
(auch  von  Goethe  2,  36).  Mhd.  bühel,  ahd. 
buhil  m.  Mit  grammatischem  Wechsel  zu 
biegen  gehörig,  s.  auch  Beule  und  Buckel. 
Eine  oberd.  Nebenform  ist  Pohl  m. 

Buhle,  m.  (-n,  PI.  -7i):  Geliebter.  Mhd. 
buole  m.  «geliebte  männliche  Person,  z.B.  naher 
Verwandter,  Bruder,  Gatte,  lieber  Freund, 
dann  auch  auf  eine  Person  weiblichen  Ge- 
schlechts bezogen, Gehebte,  Beischläferin»  (hier- 
für erst  spätmhd.  auch  buole  f.);  dazu  mnd. 
böle  m.  trauliche  Bezeichnung  von  Verwandten 
oder  sonst  durch  Beruf  nahestehenden  oder 
befreundeten   Personen,   Dim.  böleken  «leib- 


305 


Bnlme 


bnm1)s!  bnms! 


306 


liehe  Geschwister».  Man  sieht  ia  B.  eine 
Koseform  zu  Bruder,  die  später  überhaupt 
in  der  traulichen  Anrede  verwandt  wurde 
und  schließlich  die  Bed.  «Geliebter»  (im  ge- 
schlechtlichen Sinn)  annahm.  Entsprechend 
nH.hoelm.  undlett.  hälelin's,  hälin's  «Brüdei-- 
chen».  ABL.  buhlen,  v.:  mit  jem.  ein 
Liebesverhältnis  haben,  dann  sich  um  eine 
Gunst  bewerben.  Mhd.  huolen  (auch  umh 
eine  huolen  «sich  um  ihre  Gunst  bewerben»). 
Davon  Buhler,  m.  mhd.  huolcere,  Buhle- 
rin,  f.  (bei  Luther  Bulerin)  und  bnhlerisch, 
adj.  (bei  Luther  hulerisch),  sowie  Blllllerei, 
spätmhd.  hnolrle  f..  Blllllscliaft,  mhd.  huol- 
schaft  f.  ZUS.  Buhldirue,  f.,  1730  bei  Gott- 
sched crit.  Dichtkunst  14. 

Bnhne,  f.  (PI.  -n,  Goethe  Faust  11545): 
gegen  das  Wasser  emchtete  Schutzwehr  aus 
HolZj  Reisig  u.  dgl.  (danach  Ufermauerwerk, 
Kai  und  in  Seestädten  ein  umschlossener  Hof, 
in  dem  die  gelöschten  Waren  so  lange  auf- 
gehoben werden,  bis  man  sie  in  den  Speicher 
bringt,  1793  bei  Röding  Wb.  der  Marine  1, 
411).  Mittel-  und  norddeutsch.  Zu  hd.  Bühne 
«Brettergeiüst».  Mnd.  hune  f.  «Fischwehr», 
ndl.  hun  f.,  im  Hd.  vor  dem  17.  Jh.  nicht 
ZU  belegen  (1641  bei  Zesen  D.  Helikon  J.  4^, 
1781  bei  Ejndleben  aufgeführt). 

Bühne,  f.  (PI.  -n):  erhöhter  Fußboden 
von  Brettern;  Brettergerüste;  erhöhter  Schau- 
platz im  Theater  und  dieses  selbst;  (dialek- 
tisch auch)  Zimmerdecke,  Bodem-aum,  Spei- 
cher. Mhd.  hüne,  hün  f  «erhöhter  Fußboden, 
Decke  eines  Zimmers»,  um  1480  im  Yoc.  ine. 
teut.  t  8^  pun  «solarium»,  1482  im  Yoc.  theut. 
aa'Z''  puny  «solarium»,  puny  in  einem  schiff 
«tabulata»;  dazu  mnd.  hone  f.  «Fußboden, 
Decke,  Söller,  Speicher»,  ndl.  heun  f.  «Fuß- 
boden, Fischbehälter».  Vielleicht  mit  Boden 
verwandt,  falls  Ausfall  eines  d  vor  n  ange- 
nommen werden  darf.  Vgl.  Bönhase.  ABL. 
bühnen,  v. :  mit  Brettern  belegen.  Mhd.  in 
verhilnen. 

Bukett,  u.  (-5,  PI.  -s):  Blumenstrauß. 
Das  franz.  houquet  m.  «Blumenstrauß»,  eig. 
«kleiner  Busch»,  Demin.  von  franz.  hois,  ital. 
hosco  m.  «Busch,  Wald,  Holz»,  die  auf  das 
deutsche  Busch  (s.  d.)  zurückgehen.  Bei 
Wächtler  1711. 

Bulge,  f.  (PI.  -71):  Wasserbehälter  von 
Leder.  Mhd.  hulge,  ahd.  hulga  f  «lederner 
Sack»  (mhd.,  ebenso  mnd.  und  noch  bei  Luther 
auch  «Woge»).  Nicht  entlehnt  aus  dem  gleich- 
bed.  gall.-lat.  hulga,  sondern  mit  diesem  Worte 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


luwerwandt  und  zu  Balg  (s.  d.)  zu  stellen: 
also  eig.  «Schwellung».  Dazu  noch  engl,  hulge, 
hilge  «Bauch  eines  Fasses,  Schitfsbauch»,  anord. 
hylgja,  schwed.  hölja,  dän.  hölge  f.  «Woge». 

^Bulle,  m.  (-n,  PI.  -n):  Zuchtstier.  Nord- 
deutsch. Aus  dem  Ndd.,  wo  mnd.  hülle  m.: 
dazu  ndl.  hui,  engl,  hüll  (erweitert  hullock 
«junger  Ochse»,  ags.  hulbic),  altn.  holi  m. 
Lit.  hid'us  m.  stammt  wohl  aus  dem  Deutschen. 
Weitere  Anknüpfungen  bieten  sich  mannigfach. 
Von  Schulze  KZ.  29,  293  zu  gr.  qpdUoc  «Ghed» 
gestellt,  vgl.  ferner  Bezzenberger  Bezz.  Btr.  19, 
248,  Johansson  Btr.  15,  225,  LTilenbeck  Btr.  26, 
290.  Abgeleitet  ist  wohl  mhd.  hüllen,  ahd.  huUdn 
«briülen».  1616  bei  Henisch  verzeichnet.  Bei 
Schiller  Fiesco  2,  8  Bulle  für  Bullenheißer  (s.  d.). 

-Bulle,  f.  (PI.  -n):  angehängte  Siegel- 
kapsel, dann  die  damit  versehene  Urkunde; 
Verordnung  mit  dem  päpstlichen  Siegel.  Mhd. 
hidle  f.,  aus  lat.  hullaf.  eig.  «Wasserblase»,  dann 
«Knopf,  Kugel,  Kapsel».    Vgl.  auch  Bill. 

^  Bulle,  f:  Flasche,  s.  PuUe. 

Bullenbeißer,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Art 
großer  Hunde,  die  gegen  Stiere  gehetzt  wird 
(bei  Steinbach  1734  Bullenheißer ,  1719  bei 
Fleming  teutscher  Jäger  170  Boll-Beißer),  nd. 
hullenhiter  •.  bildUch  auf  einen  grimmig  bissigen 
Menschen  angewandt  (beiLessing  1, 286,  Bollen- 
heißer 1729  bei  Stoppe  Ged.  2,  161). 

Bulleuflnke,  m.  {-n,  PI.  -n)-.  Ochsen- 
ziemer. 1779  bei  Schummel  Spitzbart  168. 
Schles.  Bullfinke  f.,  zusammenges.  aus  Bulle 
i  «Zuchtstiei"»  und  nd.  Finke  «männliches  Glied». 

bullern,  v.:  Blasen  werfend  geräuschvoll 
aufwallen:  ein  dumpfes  Geräusch  machen. 
Wohl  nicht  entlehnt  aus  lat.  hdläre  «Blasen 
werfen,  aufsprudeln»,  sondern  lautnachahmen- 
des Wort,  zu  poltern  (s.  d.)  gehörig,  spätmhd. 
hollern  neben  holdem.  Erst  bei  Heynatz  1795 
und  Campe  1807  verzeichnet. 

Bult,  m.  [-en,  PI.  -en)  und  Bülte,  f. 
(PI.  -n),  Bulten,  m.  {'S,  PI.  wie  Sg.):  be- 
wachsener Erdhaufe.  Aus  dem  Ndd.,  wo  mnd. 
hidte  m.  «Haufe,  Hügel,  Bündel»,  ditmars.  und 
mark.  Biüt,  BiUten:  dazu  ndl.  Indt  m.  «Höcker, 
Geschwulst,  Erdhügel».  Dunkler  Herkimft. 
Ins  Hochd.  von  Voß  eingeführt. 

bumbs!  bums!  Interj.  des  dumpf  schal- 
lenden Aufschiagens  oder  Falles  auf  etwas  (bei 
I  Schiller  Kab.  1,  2  humhs,  1767  imBrem.Wb.  1, 
162  hums).  Lautnachahmend.  Vergleichen  läßt 
sich  gr.-lat.  homhus,  gr.  ßö|ußoc  m.  «tiefer, 
dumpfer  Ton»,  das  aber  nicht  als  Grundlage 
anzusehen  ist.  Vgl.  2?Mrnp,  Pumpes,  auch  plump. 

20 


307 


bummeln 


Burg 


308 


bummeln,  v. :  hangend  hin  und  her  schwe- 
ben; im  Nichtstun  umherschlendern,  Ablaut- 
bildung zu  bammeln  (s.  d.).  In  der  1.  Bed. 
von  Ludwig  1716  und  Frisch  1741  verzeich- 
net, von  Voß  Ged.  1,  13  gebraucht.  Die 
2.  Bed.  findet  sich  im  18.  Jh.  mehrfach  in 
ndd.  Dialektwörterbüchern  und  ist  erst  in 
neuerer  Zeit  allgemein  geworden.  Davon 
Bummel,  f.  (PI.  -n):  hin  und  her  schwe- 
bendes Anhängsel  und  Bummel,  m.:  ge- 
mächlicher Spaziergang,  beide  der  neueren 
Sprache  angehörig,  wie  auch  Bummler,  m. 
«umherschlendernder  Nichtstuer». 

Bund,  m.  (-es,  PI.  Bünde):  Vereinigung 
zu  einem  Zwecke;  Bindemittel,  Kopf  binde; 
Kuchen  in  Form  eines  Turbans;  (gewöhn- 
lich als  n.)  miteinander  Verbundenes.  Mhd. 
hunt  m.  (Gen.  hundes)  «Fessel,  Zusammen- 
gebxmdenes,  Bündnis»;  dazu  ndl.  hondva..  Zu 
linden.  ABL.  Bündel,  m.  n.  {-s,  PI.  wie 
Sg.):  Zusammengebundenes  zum  Tragen.  ]\Ihd. 
hündel  n.  (auch  gehündel,  ahd.  gibimtili  n.); 
dazu  ndl.  hundel  m.,  ags.  hyndele  f.,  engl. 
hundle.  Älternhd.  auch  m.  (1541  bei  Frisius 
776^  der  püntel,  auch  Stieler  und  noch  Hey- 
natz 1775  setzt  das  M.  an,  das  Adelung  auf 
das  Obd.  beschränkt,  bei  Goethe  der  und  das 
Bündel),  bei  Luther  dafür  das  Bnndlin. 
bündig,  adj. :  verbindend,  fest  überzeugend, 
kurz  zusammengedrängt  und  kräftig.  Mhd. 
hiindec  «verbündet»,  frühnhd.  bündig  «ver- 
bindend, kräftig».  Bündnis,  n.:  feste  Ver- 
bindung zu  einem  Zwecke.  Spätmhd.  bunt- 
nisse  n. 

Bundschuh,  m.  {-es,F\.-e):  grober  derber 
Schnürschuh  mit  langen  Riemen  (Bundriemen), 
Bauernschuh;  Meuterei, Empörung.  M.h.ä.bunt- 
schuoch  m.;  da  dieser  Schuh  schon  um  die 
Mitte  des  15.  Jh.  von  den  Bauern  bei  Auf- 
i'uhr  als  Standes-  und  Feldzeichen  aufge- 
hangen wui'de,  so  entstand  die  Bed.  «Em- 
pörung» schon  am  Ende  des   15.  Jh. 

^Buuge,  f.  (PI.  -n):  Trommel;  trommel- 
ähnliche Fischreuse.  Mhd.  bunge,  auch  mnd. 
bunge,  aschwed.  bunga  f.  «Pauke,  Trommel». 
Im  Ablaut  stehend  zu  engl,  bang,  anord.  banga 
«schlagen».     S.  Bengel. 

^Bunge,  f.  (PI.  -n):  Pflanzenknolle,  s. 
Bachbunge. 

Bunkel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  gedrungene, 
kurze,  dicke  Person.  Mhd.  bunkel  m.  Schlag, 
Stoß,  Beule,  woraus  sich  die  Bed.  «bauschige 
Masse,Bündel»  und  «Kind  von  kurzem,  dickem 
Körperbau»  (schweiz.  Id.  4, 1380,  Schmeller  ^  1, 


394)  entwickelten.  Von  obd.  blinken  «klopfen, 
stoßen,  pauken».    Dafür  schwäb.  Bimkes. 

bunt,  adj.  u.  adv.:  mannigfarbig.  Bei 
Luther  und  sonst  älternhd.  bund,  bundt.  Mhd. 
bunt  (flekt.  bunter,  nicht  blinder)  «schwarz 
und  weiß  getüpfelt  oder  gefleckt,  schwarz 
und  weiß  gestreift»;  dazu  nd.  bunt,  ndl.  bont. 
Wegen  des  in  der  Flexion  beibehaltenen  t 
als  entlehnt  anzusehen,  und  zwar  aus  lat. 
pmictus,  Part.  Perf.  Pass.  von  pungere  «ste- 
chen», also  eig.  «gestochen»,  dann  «punktiert, 
getüpfelt»;  ein  entsprechender  Ausfall  eines 
c  vor  t  auch  in  Tinte  (s.  d.)  aus  tincta. 
Nach  Heyne  stammt  es  aus  den  Klöstern, 
wo  punctus  das  mit  verschiedenen  Farben 
Gestickte  bezeichnete.  Als  Subst.  bezeichnet 
mhd.  buntn.  «mehrfarbiges  Pelzwerk»  (ebenso 
mnd.  bunt  n.)  im  Gegensatz  zu  grä  n.  «graues, 
einfarbiges  Pelzwerk»,  weshalb  häufig  grä 
unde  bunt  verbunden  vorkommt.  ZUS.  bunt- 
scheckig, adj.:  überladen  bunt.  Gegen 
Ende  des  17.  Jh.  (bei  Weise  Erzn.  88  bund- 
scheckigt),  zunächst  wohl  von  einem  mehr- 
farbigen Pferde  (Stieler  1691  hat  Buntschack 
«buntes  Pferd»  neben  dem  Subst.  Bunt- 
schäckigkeit,  Ludwig  1116  Buntschack  «hxmtes 
Pferd»).  Buntwerk,  n. :  geflecktes  Pelzwerk, 
mhd.  buntiverc  n. 

Buuzen,  s.  Punzen. 

Bürde,  f.  (PI.  -%):  Hebe-,  Traglast;  (bild- 
lich) 'Schwerzutvagendes.  Mhd.  bürde,  ahd. 
burdi  f.;  dazu  anord.  byrdr,  schwed.  börda, 
dän.  byrde,  got.  baurpei  f.  und  mit  weiterer 
Ableitung  asäcbs.  burthinnia,  ags.  byräen,  engl. 
bürden  f.  Mit  Dentalsuffix  zu.  ahd.  beran  «tra- 
gen» gebildet,  s.  Bahre  und  gebären.  ABL. 
bürden,  v. :  als  Last  aufladen,  mhd.  bürden. 

Büre,  f.  (PI.  -"):  Bett-,  Kissen-,  Polster- 
überzug. Aus  dem  Ndd,,  wo  mnd,  bure 
«Kissenzieche».  Das  Wort  wii'd  1775  von 
Heynatz  als  Büre  verzeichnet  und  von  Voß 
(z.  B.  Ged.  1,  45)  öfter  gebraucht. 

Bureau  (spr.  Büro),  n.  {-s,  PI.  -s) :  Schreib- 
tisch oder  -pult  zur  Besorgung  der  Geschäfte ; 
Schreib-  und  Geschäftsstube.  Aus  franz.  bureau, 
afranz.  burel  m.,  urspr.  «grobes  wollenes  Tuch, 
Teppich»,  dann  «ein  mit  einem  solchen  Tep- 
piche gedeckter  Tisch»,  weiter  «Geschäfts- 
tisch und  -stube»,  abgeleitet  von  franz.  bure  f. 
«grobes,  wollenes  Tuch»,  das  auf  lat,  btira 
(für  burra)  f.  beruht.    Um  1700  entlehnt. 

Burg,  f.  (P|.  -en):  befestigter  Ort;  (früher) 
Stadt  (vgl.  Bürger).  Mhd.  bure  (PI.  bürge), 
ahd.  burug,  bürg  f.  «mit  Mauern  umschlossener 


309 


Bürge 


Bursch 


310 


Ort,  Stadt»;  dazu  asächs.  burug,  hurg,  ndl.  hurg, 
ags.  hurh  (PI.  hyrg),  engl,  horough,  anord.- 
schwed.-dän.  borg,  got.  baurgs  f.  Das  spätlat. 
burgus  m.  nebst  ital.  horgo,  franz.  hourg  ist 
aus  dem  (jrerman.  entlehnt.  Burg  entspricht 
den  Lauten  nach  genau  air.  bri,  Akk.  brigh 
«Berg,  Hügel»,  das  wieder  in  der  Bedeutung 
zu  d.  Berg  stimmt,  so  daß  also  Berg  und 
Bnrg  im  Ablaut  stünden.  Der  Bedeutungs- 
wandel erklärt  sich  daraus,  daß  man  die 
Niederlassungen  gern  auf  Bergen  des  Schutz- 
bedürfnisses wegen  anlegte.  Andre,  vgl. 
Heyne  Deutsche  Hausaltertümer  1,  66,  stellen 
btirg  zu  bergen,  es  wäre  dann  eme  Abstrakt- 
bildung mit  der  Bedeutung  «  Schutz,  Bergmig». 
Der  PI.  lautet  älternhd.  wie  mhd.  Bürge, 
noch  Adelung  verlangt  diese  Form,  doch 
kommt  schon  früher  das  von  ihm  als  obd. 
bezeichnete  schwach  flekt.  Burgen  vor. 

Bürge,- m.  (-n,  PI.  -n):  der  wofür  Sicher- 
heit Leistende.  Mhd.  bürge,  ahd.  burigo, 
burgo  m.;  dazu  ndl.  borg,  ags.  borg  m.  Mit 
borgen  zu  bergen  gebildet,  Bürge  daher  urspi'. 
«wer  wofür  stehend  schont,  erhält,  vor  Schaden 
hütet».  ^-BL.  l)ürgen,  V. :  wofür  Sicherheit 
leisten,  mhd.  bürgen.  Bürgschaft,  f.,  mhd. 
bürgeschaft  f. 

Blirgeiiieister,  s.  Bürgermeister. 

Bürger,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Vollbe- 
rechtigter einer  Stadt  (Burg),  Ortschaft,  eines 
Staates;  Staatsangehöriger  außer  dem  Adel 
und  der  Geistlichkeit.  Mhd.  bürgcere,  burgcere, 
ahd.  burgäri  m.  «Stadtbewohner»;  aus  dem 
Deutschen  entlehnt  ndl.  burger,  schwed.  bor- 
gare, dän.  borger  m.  Got.  mit  andrer  Endung 
&aurgr/am.  «Stadtbewohner».  Älternhd.  auch 
oft  (obd.)  Bürger  (noch  bei  Frisch  1741). 
ABL.  bürgerlich,  adj.,  spätmhd.  bürgerlich. 
Bürgerschaft,  f.,  spätmhd.  burger schaft  f. 
Bürgertum,  n.,  erst  im  19.  Jh.  gebildet. 
ZUS.  Bürgerkrieg,  m.,  im  17.  Jh.  (Gry- 
phius  Trauersp.  424)  nach  lat.  bellum  civile. 
Bürgermeister,  m.,  spätmhd.  (auch  bei 
Luther)  burgermeister,  daneben  aber  mhd. 
(mit  Burg  zusammengesetzt)  bürge-,  burge- 
meister,  die  auch  älternhd.  oft  vorkommen 
(Stieler  1691  führt  Bürgemeister,  Rädlein  1711 
Burgemeister  an)  und  noch  von  Goethe 
{Burgemeister  Faust  846,  Herm.  u.  Dorothea 
4,  21)  gebraucht  werden.  Entlehnt  ndl. 
burgemeester,  engl,  burgomaster.  schwed.  borg- 
tnästare,  franz.bourgmesfre  m.  Bürgerrecht, 
n.,  mhd.  burgerreht  n.  Bürgerschule,  f., 
bei  Campe  1807  als  ein  neugebildetes  Wort, 


die  erste  Leipziger  Bürgerschule  wurde  1804 
eröffnet.  Bürgerworthalter,  m.:  Stadt- 
verordnetenvorsteher.    In  Holstein. 

Burgfriede,  m.  (-ns,  PI.  -n):  Vertrag 
zu  Sicherheit  und  Rulie  des  Burggebietes, 
sowie  diese  Sicherheit  und  Ruhe  selbst;  der 
nach  seinen  Grenzen  bezeichnete  Burgbezh'k. 
jVIhd.  burcvride  m. 

Burggraf,  m.  (-en,  PI.  -en):  erwählter 
Oberherr  eines  Ganerbenschlosses;  Schloß- 
pfleger; (ehedem  auch)  Stadtvogt.  Mhd. 
biircgräve,  ahd.  burcgrävo  m.  ZUS.  Burg- 
grafschaft, f.,  mhd.  burcgräveschaft  f. 

Bürgschaft,  s.  Bürge. 

Burliliard,  Mannesname.   Ahd.  Burchari. 

burlesk,  adj.:  possen-,  spaßhaft,  kui'z- 
weilig.  Aus  franz.  burlesque  und  dies  aus 
ital.  burlesco,  von  ital.-span.  burla  f.  «Posse, 
Spaß,  Spott»,  das  auf  einem  lat.  burrula  f. 
beruht,  Dimin.  zu  biirra  «zottiges  Gewand», 
PI.  «läppisches  Zeug,  Possen».  BeiSperander 
1728  burlesque. 

Burnus,  m.  (Gen.  Burnusses,  PI.  ohne 
Endung  und  Burnusse):  Mantel  ähnlichen 
Schnittes  wie  die  maurischen  weißen  wollenen 
Mäntel  mit  Kappe.  In  den  dreißiger  Jahren 
dieses  Jh.  entlehnt  aus  franz.  btirnous  m., 
dies  mit  span.-port.  albornoz  (cd  ist  der  arab. 
Artikel)  aus  arab.  burnus  «längliche  Kappe 
muhamedanischer  Mönche,  Kleid  mit  Kapuze». 

Bursch  {-en,  PI.  -en  und  -e),  Bursche 
(-«,  PI.  -n),  m :  jrmger  lediger  Mensch ;  Student 
nach  dem  ersten  Studienjahre.  Früher  auch 
Pursch  (Günther  162,  Schiller  11,  314).  Mit 
Übergang  des  s  in  seh  nach  r,  in  ähnlicher 
Begi'iffsentwicklung  wie  bei  Frauenzimmer 
(s.  d.)  hervorgegangen  aus  Burs,  Bursch  f. 
«beisammen  wohnende  Genossenschaft  männ- 
licher Personen»,  das  aus  mlat.  bursa  f.  (aus 
gl",  ßüpca  «Fell,  Leder»,  s.  Börse,  mit  dem 
Bursche  eig.  identisch  ist)  «Geldbeutel»,  dann 
«Stiftungskasse  zu  gemeinsamem  Unterhalte 
vornehmlich  der  Schüler  in  den  königlichen 
Schulen,  der  Hochschule  in  Frankreich»  (ein 
solcher  Stipendiat  hieß  deshalb  ein  bursarius), 
endlich  s.  v.  a.  zusammenlebende  Genossen- 
schaft, besonders  eine  solche,  deren  Mitglieder 
aus  gemeinsamer  Stiftungskasse  Unterstützung 
empfangen.  Daraus  dann  schon  in  der  2. Hälfte 
des  13.  Jh.  mhd.  burse  f.  «Geldbeutel»,  dann 
«Kasse»,  im  15.  Jh.  auch  «zusammenlebende 
Genossenschaft,  namentlich  studentische,  und 
gemeinschaftliches  Haus  derselben»;  im  16.  Jh, 
bezeichnet  Burs   überhaupt   eine   Schar   zu- 

20* 


311 


Bürste 


Büse 


312 


samraenlebender  oder  auch  nur  gelegentlich 
zusammengekommener,  namentlich  junger 
Leute  (Dasjrpodius  1537  hat  Burß  «contu- 
bernium,  kriegsleut»,  ebenso  Maaler  1561, 
Berghur ß  bei  Mathesius  Luther  105^,  sonst 
ist  Btirs  auch  oft  «eine  Zechgesellschaft»).  In 
der  2.  Hälfte  des  17.  Jh.  wird  das  kollektive 
die  Burs,  Bursch  auch  mit  dem  Prädikat  im 
Plural  verbunden,  z.  B.  bei  Opitz  Judith  2,  4, 
Moscherosch  Phil.  1,  383,  Grimmeishausen 
Simpl.  84,  und  daraus  dann  ein  Sing,  de^^ 
Bursch  gefolgert,  z.B.  Moscherosch  Phil. 2, 208, 
neben  dem  aber  die  Biirsch  sich  lange  er- 
hält; Duez,  Schottel  und  Krämer  kennen  nur 
das  kollektive  Burs,  Bursch  (doch  verzeichnet 
letztrer  Burschgen  n.  «giovanetto»),  während 
Stieler  1691  Burs  vulgo  Bursch  als  Ehren- 
name der  Studenten,  dann  aber  allgemein 
für  junger  Mensch  in  Handtverks- ,  Jäger- 
hursch  etc.  anführt.  Die  Flexion  ist  anfangs 
stark  und  schwach,  PI.  meist  Bursche,  wie 
auch  von  Adelung  und  von  Heynatz  1775 
verlangt  wird  (noch  bei  Goethe  Faust  2150), 
jetzt  häufiger  Burschen.  ABL.  Burschen- 
schaft, f.,  die  1815  zur  Pflege  vaterländischer 
Gesinnung  geschlossene  Studentenverbindung. 
Davon  Burschenschafter,  m.  hlirschikös, 
adj.  u.  adv.:  studentisch-flott.  Um  1700  zu- 
nächst als  Adv.  mit  giiech.  Endung  -ikoic  als 
halbgelehrte  Bildung  aufgekommen  (ältester 
Beleg  von  1720  bei  Meier  Studentenspr.  S,  27, 
bei  Heynatz  1775  besprochen),  dann  auch  als 
Adj.  gebraucht;  früher  mehr  in  übler  Bed. 
«studentisch-liederlich»,  Wallensteins  Lager 
459,   wie  studenticos  lehen  bei  Eädlein  1711. 

Bürste,  f.  (PI.  -n):  Reinigungswerkzeug 
aus  Borstenbüscheln.  Mhd.  hürste  f.,  von 
Borst,  Borste  (s.  d.)  abgeleitet.  ABL.  bürsten, 
V.,  auch  s.  V.  a,  trinken,  gleichsam  die  Gurgel 
putzen,  zugleich  unter  Einfluß  von  Burs^= 
«Zechgesellschaft».  Schon  im  16.  Jh.,  dann 
bes.  schwäbisch,  z.  B.  bei  ühland  53.  270. 
Eine  obszöne  noch  jetzt  übliche  Bed.  bei 
Kindleben  1781.  ZUS.  Bürstenbinder,  m. 
Redensart:  saufen  wie  die  Bürstenbinder  (im 
Anschluß  an  bürsten  «trinken»),  schon  bei 
Fischart  Barf.  2255. 

bürtig,  adj.:  woher  der  Geburt  nach 
seiend  (Goethe  11,  66).  Noch  in  eben-,  voll- 
bürtig,  sonst  üblicher  gebürtig.  Mhd.  bürtec, 
ahd.  burtig  von  mhd.-ahd.  burt  f.  «Geburt». 

^Bürzel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  die  Pflanze 
portulaca.  Mit  Wechsel  des  Geschlechts  aus 
mhd.  burzel,  purzel,  ahd.  hurzela,  purzela  f., 


von  lat.  portulaca,  das  auch  umgestaltet  zu 
porcilaca  (an  porcus  «Schwein»  angelehnt), 
porcellana  (so  ital.)  erscheint. 

^Bürzel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  kleiner 
dicker  Mensch,  s.  Purzelbaum. 

Bürzel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.:)  Steißende 
mancher  Tiere.  Bei  Luther  8,  85  Jen.  Pirtzel, 
bei  Maaler  1561  Bürtzel.  Von  südd.  borzen, 
bei  Hans  8acbs  pürtzen  «hervorstehen»,  wahr- 
scheinlich abgeleitet  von  mhd.  bürn,  ahd. 
burian  «in  die  Höhe  halten  oder  recken». 
(Daher  bedeutet  B.  mundartlich  auch  «Erd- 
erhöhung»). 

Busch,  m.  {-es,  PI.  Büsche) :  Strauchwerk, 
sowie  diesem  vergleichbares.  Alternhd.  auch 
Pusch  (bei  Luther,  den  schlesischen  Dichtem 
des  17.  Jh.,  Steinbach  1734,  noch  jetzt  im 
schles.  Dialekt).  Mhd.  husch,  bosch,  md.  auch 
pusch  m.,  ahd.  nur  in  brämälhusc  m.  «Brom- 
beerbusch»; dazu  ndl.  bosch  n.  und  bos  m., 
engl,  bush,  schwed,  huske  m.,  dän.  husk.  Ent- 
lehnt aus  mlat.  buscus,  boscus  m.  «Strauch- 
werk», woher  ital.  bosco,  span.-port.  bosque, 
franz.  bois  m.  «Gehölz,  Wald»,  Redensart: 
auf  den  B.  klopfen  «Nachrichten  etc.  aus 
jemand  herauszulocken  versuchen»,  eig.  «das 
Wild  durch  Klopfen  aus  seinen  Schlupf- 
winkeln auftreiben».  ABL.  BÜSChel,  m. 
(-5,  PI.  wie  Sg.),  bei  Luther  auch  Pusschel 
(2.  Mos.  12,  22),  mhd.  huschet  m.  buschicht, 
buschig,  adj.,  spätmhd.  puscheht.  ZUS. 
Buschklepper,  m.:  wegelagernder  Räuber. 
Bei  Zesen  Jbr.  1,  417  mit  ö  für  e  Busch- 
klöpper  (so  noch  bei  Frisch  1741),  bei  Schupp 
1,  305  mehr  hd.  Buschklöpffer.  Es  bezeichnet 
eig.  den,  der  durch  den  Wald  reitet,  den 
Heckenreiter,  denn  Klepper  (s.  d.)  ist  urspr. 
sowohl  «Pferd»  als  «Reiter». 

^Buse,  f.  (PI.  -n),  auch  Dim.  Bus-chen, 
u,:  feine  kurze  wollige  Härchen  wie  Flaum; 
Pflanzenwolle  an  den  Weidenkätzchen.  Ober- 
sächsisch, dazu  das  gleichbed.  Schweiz,  busi, 
büseli  (Schweiz.  Id.  4,  1740)  und  wohl  auch 
nd.  Pose  f.  «Feder». 

"Buse,  f.  (PI.  -n):  Katze.  Mundartlich, 
so  Schweiz,  das  Demin.  Busi,  Büsi  n.,  schwäb. 
Busi  f.  Dazu  näd.  jms,  nd.\.  poes,  engl,  puss, 
dän.  puus,  norw.  puse.  Nach  dem  Lockruf 
für  die  Katze.     ZUS.  Busekatze,  f. 

Büse,  f.  (PI.  -n):  leichtes  Fahrzeug,  bes. 
zum  Heringsfange.  1703  im  Zeitungslex.  Aus 
ndl.  buis  f.  «Fischerboot»;  dazu  engl,  buss, 
altnord.  büza,  auch  schon  mhd,  (im  Rolands- 
lied) hü^e  f.  «eine  Art  Schifl'»,  ahd.  few^o  m. 


313 


Büsel 


Butte 


314 


«Seeräuberschiff».  Zugrunde  liegt  mlat.  huza 
«größeres  Fahrzeug»,  woher  afranz.  Jmce, 
husse  f.,  altspan.  huzo  m.  «Ruderschiff». 

Büsel,  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.,  Goethe  Dicht. 
u.  Wahrh.  27,  265):  kleines  Geldstück.  Für 
Biesel,  Bezeichnung  einer  franz.  Silbermünze 
im  Elsaß,  aus  franz.  piece  f.  «Stück». 

Busen,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Vorderteil 
des  menschlichen  Leibes  vom  Halse  bis  zum 
Magen;  Öffnung  und  bauschiger  Teil  des 
Kleides  davor;  Meer-,  Seearm.  Bei  Luther 
hosam,  hosem,  hosen,  bei  Alberas  Dict.  Dd2'^ 
huosam,  im  17.  Jh.  häufig  Busem  (so  noch 
bei  Ludwig  1716).  Mhd.  huosem,  auch  schon 
huosen,  a.h.ä.huo»uni,  huosam  m.,  auch  «Schoß»; 
dazu  asächs.  hösom,  hösm,  ndl.  hoezem,  afries. 
hösm,  ags.  hösm  «Schoß»  m.,  engl,  hosom,  im 
Xord.  u.  Got.  fehlend.  Dunkler  Herkunft. 
Zusammenhang  mit  Btig  ist  kaum  möglich. 
ABL.  busig,  adj.  in  hoch-,  vollbusig.  ZUS. 
Buseufreund,  m.:  vertrauter  Freimd.  Bei 
Ludwig  1716  Busemfreund. 

Bu£,  m.  (Gen.  Busses,  PI.  Busse):  Kuß. 
In  der  Kindersprache.  Bei  Luther  5,  268^ 
Jen.,  schon  etwas  früher  begegnet  hussen 
«küssen».  Im  Bayr.  ist  Kiiß  durch  Büß 
ganz  verdi'ängt  worden.  Vgl.  engl,  huss,  \ 
schwed.  puss  «Kuß»,  Mit  lat.  bäsiäre,  franz.  1 
haiser  besteht  kein  Zusammenhang,  vielleicht 
aber  mit  ir.  hus  «Lippe»,   gäl.  hus  «Mund». 

Bussard,  m.  (-s,  PI.  -e)  -.  der  Mäusefalke. 
Mit  engl,  huzzard,  ndl.  huizert  m.  aus  franz. 
husard  m.,  das  von  lat.  hüteo  m.,  dem  Namen 
einer  Habichtsart,  mit  der  dem  deutschen 
-hart  nachgebildeten  Endung  -ard  abgeleitet 
ist.  Im  Mhd.  dafür  hüsant  m.  Bei  Maaler 
1561  in  halbdeutscher  Foi^m  Bußhart  (so 
noch  bei  Rädlein  1711),  bei  andern  in  An- 
lehnung an  Aar  Bußaar  (bei  Henisch  1616 
Bußarn,  noch  Adelung  setzt  Bußaar  an). 

Buße,  f.  (PI.  -n):   (kirchliche  oder  recht- 
liche) Genugtuung  wofür.    Mhd.  huo^e,  huo^, 
ahd.  huo^a  f.  «Besserung,   Heilung,  Abhilfe, 
Vergütung,  Buße,  Strafe»;   dazu  asächs.  höta 
«Besserung,  Heilung»,  ndl.  hoete,  afries.  höte, 
ags.  höt  f.   «Besserung,    Ersatz»,    engl,  hoot 
«Nutzen,  Vorteil»,  anord,  höt  f.  «Besserung,  i 
Buße»,  schwed.  hot  m.,  dän.  hod,  got.  höta  f. 
«Nutzen».     Im  Ablaut  zu  haß,    hesser,    hest : 
(s.  d.)  stehend.    ABL.  büßen,  v.:  ein  Übel, 
heben  oder  wegschaffen ;  wieder  cmtmachen,  i 
bessern  (z.  B.  die  Lücken  hiißen) ;  genugtun, ; 
namentlich  durch  Erduldung  von  Strafe;  zur  j 
Genugtuung  mit  Strafe  belegen.   Mhd.  hüe^en,  \ 


ahd.  &«02fen,  auch  «ausbessern,  flicken,  heilen»; 
dazu  asächs.  hötian,  ndl.  hoeten,  ags.  hetan, 
anord.  höeta,  schwed.  höta,  dän.  höde,  got. 
hötjan  «nützen».  Davon  Büßer,  m.,  spät- 
mhd.  hüe^er,  auch  «FHcker»,  schon  ahd.  scuoh- 
htw^äri  «Schuhflicker».  ZUS.  bußfertig, 
adj.  u.  adv.:  Buße  zu  tun  bereit;  über  Be- 
gangenes mit  der  Absicht  dafür  genugzutun, 
schmerzerfüllt,  mhd.  huogvertic.  Bußtag, 
m.,  bei  Stieler  1691. 

Bussöle,  f.  (PI.  -«):  Magnetbüchs-chen, 
Seekompaß.  Das  franz.  houssole,  ital'.  hüssola 
f.,  welches  aus  mlat.  huocula  «Büchs-chen», 
von  mlat.  huxis  statt  gr.-lat.  pyxis,  gr.  iruEic 
f.  «Büchse».  1 7 1 6  in  Chi-.  Wolffs  math.  Lex.  268. 

Büste,  f.  (PI.  -n) :  aus  Stein,  Gips,  Wachs 
usw.  geformtes  Brustbild ;  Oberkörper  bis  zur 
Brust.  Aus  dem  gleichbed.  franz.  huste,  ital.- 
span.  busto  m.,  die,  wenn  das  Wort  urspr. 
das  auf  dem  Grabmal  aufgestellte  Brastbild 
bedeutet  hat,  aus  lat.  hustum  u.  «Leichenbrand- 
stätte, Grabmal»  abgeleitet  werden  können. 
Im  18.  Jh.  entlehnt  (Wieland  Am.  2,  27). 

Butlke,  f.  (PI.  -n):  Bude;  elende  Hütte, 
Das  franz.  houtique  f.  «Kramladen»,  ital.  hodega 
f.,  mit  Abfall  des  anlautenden  Vokals  aus 
gr.-lat.  apofheca  f.  «Vorratskammer»  (s.  Apo- 
theke).    Im   17.  Jh.   entlehnt. 

butt,  adj.:  stumpf;  km-z  und  dick;  unan- 
sehnlich klein;  stumpfsinnig,  dumm.  Aus 
dem  Ndd.,  wo  hutt  «stumpf,  plump»  und  das 
Subst.  Butt  «kui'zes,  dickes  Ivind»;  ndl.  hot 
«stumpf,  plump,  dumm».  Fischart  gebraucht 
hott  von  den  Holländern,  ebenso  führt  Henisch 
hot  als  ndl.  Wort  an,  dagegen  Stieler  1691 
und  Rädlein  1711  hutt  als  hd.  Wohl  zu  ahd. 
hö^an,  ags,  heatan  «schlagen»  (s,  Amboß)  zu 
stellen,  eig.  also  «abgeschlagen,  abgestoßen». 
Vgl.  noch  Meringerldg. Forsch.  16, 155,  Zupitza 
KZ.  36,  243.  Die  bedeutungsverwandten  span. 
hoto  «stumpf»,  franz.  hotte  f.  «Klumpen»,  ital, 
hottone,  franz.  houton  m.  «Knopf,  Knospe» 
gehen  auf  das  Germ,  zuiiick.  S.  auch  Butzen. 
ABL.  butten,  v.,  auch  verhütten  (Voß  Horaz 
Sat.  1,  3,  46)  «im  Wachstum  zuiückbleiben, 
verknorzen,   verkommen». 

^Butte,  f.  (PI.  -n):  plattleibiger  stumpf- 
köpfischer  Seefisch.  Bei  G.  Agricola  putte, 
bei  Forer  S.  50^  Meei'hutt,  aus  der  ndd,  Be- 
nennung butte  f.,  ndl.  bot  f.,  engl.  but.  Wohl 
von  ndd.  hutt,  ndl.  hot  «stumpf». 

^  Butte  in  Hagebutte,  s.  d. 

^  Butte  und  Bütte,  f.  (PI,  -n) :  oben  offenes 
Daubengefäß;   hohes   Rücken- Traggefäß   von 


315 


Büttel 


büxen 


316 


Dauben.  Die  umlautlose  Form  jetzt  nament- 
lich in  Mitteldeutschland  (hei  Luther  Buffe7i); 
zuweilen  wird  zwischen  Bütte  «größrer  Zuber» 
und  Butte  «kleinres  Daubengefäß  mit  Hand- 
griff», namentlich  «Rücken- Traggefäß»  unter- 
schieden. Mhd.  hüte,  gekürzt  aus  hüten,  ahd. 
hutin,  hutinna  f.;  dazu  ags,  hyden  f.,  daneben 
hytt  f.  «Schlauch»,  engl,  hutt  «Faß»,  anord. 
hytta  «Butte»,  schwed.  bytta  f.,  dän.  hotte. 
Mit  ital.  hotte  f.  «Faß»,  span.-port.  hofa  f. 
«Schlauch»,  franz.  hotte  f.  «Weingefäß»  aus 
gr.-mlat.  hntina  f.  «Flasche»;  gr.  iruTivri,  taren- 
tinisch  ßurivri  f.  Vgl.  dazu  Meringer  Idg. 
Forsch.  16,  155.    Vgl.  auch  Bottich,  Bouteille. 

Büttel,  f.  (PI.  -n):  Flasche.  Aus  dem 
Ndd.,  "WO  Büttel,  Buddel:  wohl  mit  ndl.  hottel 
f.  aus  engl,  hottle,  das  auf  mlat.  hotilia  f. 
(statt  *huticula)  beruht,  woher  auch  franz. 
houteille  f.     S.  auch  Bottelier. 

Büttel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  niedriger 
Gerichtsbote,  Häscher.  IMlid.  hütel,  ahd.  hutil 
m.  «Gerichtsbote,  entbietende  Gerichtsperson»; 
dazu  ndl.  he\d  (aus  beudel),  ags.  hydel  m.,  engl. 
headle.    Mit  Bote  zu  hieten. 

l)Utteln,  V.:  schäumend  sprudeln  (Goethe 
33,  73).  Aus  dem  Ndd.  (1767  im  bremisch- 
ndsächs.  Wörterbuch  verzeichnet),  vielleicht 
lautnachahmend. 

Butter,  f. :  das  aus  Milchrahm  durch  Ab- 
sonderung des  Wässerigen  gewonnene  Fett. 
Im  Obd.  Butter  m.  Mhd.  huter  m.  f.,  spät- 
ahd.  hutera  f.,  dazu  ndl.  hoter  f.,  afries.  hutera, 
ags.  hutere  f.,  engl,  hutter.  Entlehnt  wohl 
durch  Vermittlung  der  Klöster  aus  dem  gleich- 
bed.  gr.-lat.  hutyrmn  n.  (zuerst  bei  Columella 
6,  12),  gr.  ßouTupov,  das  nach  Plinius  bist, 
nat.  28,  9  aus  dem  Skythischen  stammt  und 
an  ßoöc  f.  «Kuh»  und  xupöc  m.  «Käse»  an- 
gelehnt wurde.  Ins  Hd.  drang  das  Wort 
von  Norden  ein  und  verdrängte  die  echtahd. 
Benennungen  anko  m.,  anka  f.  (s.  Anke), 
kuosmero  m.  «Kuhschraeer»,  mhd.  auch  milch- 
smalz  n.  ABL.  buttern,  v.:  Butter  machen. 
1482  in  außputtern  (Voc.  theut.  aa  1  *).  ZUS. 
Butterbemnie,  s.  Bemme.    Butterbrot, 

n.,  bei  Duez  1664.  Buttermilch,  f.,  mhd. 
hutermilch  f.  Butterschnitte,  f.,  von  Gom- 
bert  7,  16  aus  dem  J.  1627  belegt.  Butter- 
VOgel,  m.:  Schmetterhng,  von  dem  man 
glaubte,  daß  er  Butter  stehle  (1517  bei  Tro- 
chus  H  6*  hottervogel);  vgl.  ndl.  hotervlieg 
f.,  engl,  hutterfly.  Butterweck,  m.:  Butter 
in  Weck-  d,  i.  Keilform.  Mhd.  huterivecke 
m.  ■  Butterwocbe,  f.:  die  fette  Woche  vor 


den  Fasten;  (übertragen)  Flitterwoche  der 
Neuvermählten. 

Büttner,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.)-.  Böttcher, 
Küfer.  In  Thüringen,  Franken,  Oberpfalz  usw. 
Mhd.  hütencere  m.,  von  hüten  f.  «Bütte»  (s.  d.). 

Butzen,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Klumpen; 
verdickte  Feuchtigkeit  in  Nase,  Auge,  einem 
Geschwüre;  Schnuppe  am  Licht;  Kerngehäuse 
im  Obst.  Mhd.  hiitze  m.  (selten)  «Klumpen», 
dazu  auch  gehütze  n.  «Eingeweide»,  dann  1482 
im.  Voc.  theut.  z  8^  putz  in  der  nasen,  putz 
am  ohß.  Wohl  mit  der  hochd.  Verschiebung 
zu  ndd.  few^^  «abgestumpft,  stumpf,  kurz  und 
dick».  Vgl.  noch  Zupitza  KZ.  36,  248.  ZVS. 
Butzensclieibe,  f.  (PI.  -n)-.  runde,  gewöhn- 
lich grüne  Fensterscheibe,  die  in  der  Mitte 
eine  ziemlich  starke  schlackenartige  Erhöhung 
[einen  Butzen)  hat.  ürspr.  in  Nürnberg  ge- 
bräuchliche Bezeichnung. 

Butzenmanu,  m.  [-es,  F],  Butzenmänner)  -. 
gespenstische,  vermummte  Schreckgestalt. 
Mhd.  das  einfache  hutze  m.  «Polter-,  Klopf- 
geist, ausgestopfte  Menschengestalt,  Lai-ve»; 
das  zusammenges.  Wort  erscheint  bei  Luther 
als  Potzmann,  bei  Alberus  Dict.  p  1  ^  hutzen- 
man  und  Hb  3*  hotzenman.  Mhd.  hutze  viel- 
leicht zu  ahd.  hö^an  «schlagen»  (s.  Amboß), 
also  «Klopf-,  Poltergeist»  oder  wohl  eher 
mit  dem  vorausgehenden  identisch,  also  eig. 
«kurze,  dicke,  verkrüppelte  Gestalt»  (auch  das 
schw'eiz.  bök  ist  «Butzenmann»  und  «Butzen») 
wie  noch  nhd.  Bützel  m.,  obersächs.  und 
Schweiz.  BUz  m.  «kleines,  unvollkommen  ge- 
staltetes Geschöpf»,  mhd.  bützel  m.  «Wichtel, 
Zwerglein», 

butzig  (Rückert  1,  110),  s.  putzig. 

Butzkopf,  m.  [-es,  PJ.  Butzköpfe):  der 
Nordkaper  (Walfisch).  Benannt  nach  der  ab- 
gestumpft aussehenden  Schnauze,  zu  ndd. 
hutt  «stumpf». 

Buxe,  f.  (PI.  -n):  Hose.  Aus  dem  Ndd., 
wo  hoxe,  büxe,  ndl.  bokse  f.:  daraus  entlehnt 
Island,  (im  PI.)  huxur,  schwed.  byx,  ^dän. 
buxe.  Von  Bock  abgeleitet,  also  eig.  «Hose 
von  Bocksleder»,  vgl.  engl,  buckskins  «bock- 
lederne Hose».  Helvig  1611  hat  Buchsen  als 
ndsächs.  Wort,  ebenso  verzeichnet  Adelung 
Büchse  als  ndsächs.,  1616  bei  Henisch  Bixen 
« Pluderhosen,  Schitferhosen  ». 

büxen,  v.:  behende  heimlich  entwenden. 
Aus  dem  gleichbed.  ndd.  huxen,  ndl.  hoksen, 
eig.  wohl  s,  v.^a.  «behende  ungesehen  in  die 
Hose  (Hosentasche)  stecken».  Bei  Schiller  da- 
für bixen  in  iveggehixt  (Räuber  2,  3). 


317 


CslU 


Charivari 


318 


AVörter,  die  man  hier  nicht  findet,  suche  man  unter  K  und  Z. 


Cafe,  s.  Kaffee. 

Canaille,  f.  (PI.  -n):  niedriger  Pöbel;  ver- 
ächtlicher Mensch.  Aus  dem  gleichbed.  franz. 
Canaille  nach  ital.  canaglia  f.,  eig.  «Hunde- 
volk», Kollektiv  zu  lat.  canis  «Hund».  Im 
17.  Jh.  ganz  geläufig  (bei  Schupp  1, 427  Canalie, 
bei  Stieler  1691  Kanalje);  die  persönliche Bed. 
schon  bei  Wächtler  1711. 

CailCan,  m.  (-5):  ein  unzüchtiger  Tanz. 
Aus  franz.  cancan,  das  aus  lat.  quanquam 
«obwohl».  Zunächst  wurde  es  in  der  Be- 
deutung einer  «Universitätsanrede»  gebraucht, 
weil  diese  meist  mit  quanquam  begannen. 
Neue  Entlehnung. 

Cerevis,  n.:  kleine  runde  Studentenmütze, 
die  bei  Bierkommersen  getragen  wii'd.  Aus 
lat.  cerevtsia,  urspr.  cervisia  f.  «Bier».  In 
der  neuern  Studentensprache,  abgekürzt  aus 
Cerevismütze. 

Chaise,  f.  (PI.  -w):  Halbkutsche.  Aus 
franz.  chaise  f.  eig.  «Stuhl»,  das  urspr.  Pariser 
Aussprache  statt  chaire  f.  «Lehrstuhl,  Stuhl, 
Sessel»  aus  gr.-lat.  cathedra  f.  (s.  Katheder). 
Im   17.  Jh.   entlehnt. 

Chalzedöu,  m.  {-s,  PL  -e)  oder  Chalce- 
donier,  m.  (s) :  milchbläulicher  Halbedelstein. 
Mhd.  calcedon,  aus  gr.-mlat.  chalcedonius,  d.  i. 
lat.  achates  chalcedoyiius  «Achat  von  Chal- 
cedon»  in  Kleinasien. 

Chamäleon,  n.:  farbenwechselnde  Ei- 
dechse; (bildlich)  ungetreuer  Yerstellungs- 
künstler.  Aus  g]\-lat.  chamaeleon,  gr.  xctM"i- 
Xeoiv  m.  d.  i.  «Erdlöwe»  (xaiaai  «an  der  Erde», 
\eujv  m.  «Löwe»).  Im  16.  Jh,  entlehnt  (1571 
bei  Heyden  Plinius  173  Chameleon  m.,  1595 
bei  Hulsius  Schiffahrten  1,  17  Chamelion). 
Früher  auch  als  M.  (Hagedorn  Oden  55, 
Goethe  1,  62). 

Champagner,  m.  (-s):  Schaumwein  aus 
der  Champagne.  Nach  franz.  vin  de  Cham- 
pagne, auch  bloß  Champagne  m.  Um  1750 
eingebürgert  (Goethe  Br.  2,  105,  bei  Aler  1727 
Champagnier  wein) . 

Champignon,  m.  (s,  PI.  -s):  eßbarer 
Feld-,  Rasenschwamm.  Das  franz.  Champignon 
m.,  aus  neulat.  campinio  m.,  von  lat.  campus 
m.  «Föld».      1715  bei  Amaranthes  Sp.  1474. 


Champion,  m.  (s,  PI.  -s)  -.  Kämpe,  Meister. 
Aus  gleichbed.  franz.  Champion,  das  auf  ein 
vulg.-lat.  campio  «Kämpfer»,  abgeleitet  von 
campus  m.  «Feld»,  zurückgeht.  1710  bei 
Nehring. 

Chaos,  n. :  verworrene  gestaltlose  Urmasse 
zur  Weltbüdung;  Wirrsal.  Das  gr.-lat.  chaos, 
gr.  xöoc  n.  eig.  «der  gähnende  leere  maßlose 
Raum»,  von  gr.  xaiveiv  «gähnen».  Im  17.  Jh. 
entlehnt.    Vgl.  Gas. 

Charakter,  m.  {-s,  PI.  Charaktere)-,  (auf- 
geprägtes) Kennzeichen;  eigentümliche  Ge- 
sinnungsweise;" Gesinuungsfestigkeit;  Titel, 
Rangstellung.  Aus  gr.-lat.  charäcter,  gr. 
xapaKTrjp  m.  «Eingegrabenes,  Eingeprägtes, 
Kennzeichen,  aufgeprägte  Eigentümlichkeit», 
von  gl".  x«P"cceiv  «einritzen,  einprägen»;  da- 
her schon  mhd.  kar acter  m.  «Buchstabe, 
Zauberschrift,  Gepräge,  Mei'kmal».  In  der 
2.  und  4.  Bed.  bei  Wächtler  1711.  ABL. 
charakterisieren,  v.:  kennzeichnen;  be- 
titeln. Aus  franz.  caracteriser ,  von  gr. 
XapaKxripiZieiv  «mit  einem  Merkmal  oder  Ge- 
präge versehen,  schildern»,  charakteri- 
stisch, adj.  Nach  dem  gr,  Adj.  xapaKTripi- 
cTiKöc  «bezeichnend».  Beide  im  18.  Jh.  auf- 
genommen (1749  bei  P^yra  und  Lange  400 
characteristisch). 

Charge,  f.  (PI.  -n):  dienstliche  Stellung. 
Aus  franz.  Charge  f.  eig.  «Last»,  zu  charger 
(s.  d.  folg.).  Im  Anfang  des  17.  Jh.  ent- 
lehnt. ABL.  chargieren :  laden ;  belästigen : 
einen  Angriff  unternehmen.  Aus  dem  gleich- 
bed. franz.  charger,  von  einem  mlat,  *carri- 
care  «auf  den  Wagen  laden,  belasten»,  das 
auf  carrus  m.  «Wagen»  zurückgeht.  Schon 
1617  im  teutschen  Michel  8  als  charschieren 
angeführt.  Das  Part,  als  Subst.  der  Char- 
gierte, studentischer  Würdenträger,  bei 
Kluge  Wb.  d.  Studentenspr.  aus  dem  J.  1831 
belegt,  dafür  1795   Chargenträger. 

Charivari,  n.:  Katzenmusik,  Aus  dem 
gleichbed.  franz.  charivari  m.,  eig.  s.  v.  a. 
«Polterabend»,  afranz.  (14.  Jh.)  caribari,  chali- 
vali,  mlat.  charivarium,  chalvaricum  n.  «un- 
harmonische Musik,  die  einer  zur  zweiten 
Ehe   schreitenden  Person    gebracht   wurde». 


319 


Chaussee 


Chor 


320 


Dunklen  Ursprungs  (1664  bei  Duez  franz. 
charivari  «Koi^fschmerz»,  aus  dem  gleichbed. 
gr.  Kapnßapia  f.,  eig.  «Schwere  des  Hauptes»). 
Bei  Wächtler  1714. 

Chaussee,  f.  (PI.  -n):  Kunststraße.  Das 
franz.  chaussee  aus  mlat.  calciata  «mit  Kalk 
gemauerte  Straße»,  dem  als  Subst.  gesetzten 
F.  des  Part  Perf.  Pass.  von  mlat.  calciare 
«mit  Kalk  (lat.  calx,  G.  calcis)  aufmauern». 
Um  die  Mitte  des  18.  Jh.  aufgenommen  (1779 
bei  Goethe  Br.  4,  94)  und  bei  Adelung  1793 
verzeichnet. 

Chauvinfemus,  m. :  übertriebener  Natio- 
nalstolz. Nach  franz.  chauvinisme  m.,  ein  Aus- 
druck der  eig.  die  Schwärmerei  für  Napoleon 
bezeichnet;  er  soll  auf  den  Veteranen  Nie. 
Chauvin  aus  Eochefort  zurückgehen. 

Chef,  m,  (-S,  PL  -s):  Oberhaupt,  Vorge- 
setzter. Das  franz.  chef  m. ,  von  lat.  caput 
n.  «Kopf,  Haupt».  -Im  Anfang  des  17.  Jh. 
entlehnt  (1616  bei  Wallhausen  Kriegsmanual). 

Chemie,  f.:  Scheidekunst.  Aus  gr.  xn^^i«, 
Nebenform  von  x"|Lteia  f.  «Vermischung»,  das 
auf  X'JMoc  m.  «Saft,  Flüssigkeit»  zurückgeht. 
Älternhd.  meist  Chimie,  Chyniie  (dies  noch 
bei  Adelung).  Vgl.  auch  Alchimie.  ABL. 
Chemiker,  m.  Aus  gr.  x^^miköc  «die  Säfte 
betreifend»,      chemisch,  adj. 

Chemisette,  f.  (PI,  -n):  Vorhemdchen. 
Das  franz.  Chemisette  f..  Dem.  zu  chemise  f. 
«Hemd»  aus  lat.  camisia  f.  1773  bei  Ama- 
ranthes^  1,  717. 

-chen,  Verkleinerungsendung  des  Sub- 
stantivs. Nach  ch  und  g  steht,  um  den  Miß- 
klang zu  vermeiden,  -eichen,  z.  B.  Bächelchen, 
Trögelchen,  vgl.  Wilmanns  Deutsche  Gramm. 
2,  319.  Im  16.,  17.  Jh.  auch  -ichen,  -ichin, 
mhd.  -ichin,  aber  nur  in  md.  Quellen.  Da- 
neben auch  hd.  das  unter  flämischem  Ein- 
fluß eingedrungene  -ekin,  z.  B.  gehürektn 
«Bäuerlein».  Im  altern  Nhd.  tritt  -chen  über- 
all hinter  -lein  zurück,  Luther  hat  in  der 
Bibel  nur  Caninichen  und  Saltzirichen  (Rand- 
glosse zu  4.  Mos.  7,  14)  «Salzfäßchen»,  häufiger 
Bildungen  auf  -ichen  in  seinen  Briefen.  Auch 
sonst  bei  Mittel-  und  Norddeutschen  erscheinen 
anfangs  solche  Bildungen  nur  ausnahmsweise 
(Opitz  Seelichin,  Wäldichin,  die  Schlesier 
haben  sonst  fast  durchaus  -lein,  öfter  -chen, 
-gen  bei  Rist,  Dach,  dann  bei  Chi'.  Weise 
u.  a.);  unter  den  Grammatikern  hält  sie 
Schottel  (S.  820  -ichen  mag  etiva  spielweis 
oder  sonst  im  gemeinen  Reden  schertzivegen 
gebrauchet  werden)  noch  fern,  während  1690 


Bödiker  S.  132  -chen  für  die  im  Hd.  üb- 
Hchste  Endung  erklärt. 

Chenille,  f.  (PI.  -n):  Samtschnürchen. 
Das  franz.  chenille  f.  «Raupe»,  dann  wegen 
der  Ähnlichkeit  jene  Schnur.  1715  bei  Ama- 
ranthes  Sp.  344  Chenellen,  deutsch  Schönellgen. 

Cherub,  m.  {-s,  PI.  Cherubim):  Thron- 
träger Jehovas.  Das  hebr.  cherüb.  Mhd.  ent- 
lehnt (aus  dem  PI.)  cherubm  m. 

Chiffre,  f.  (PI.  -n)-.  Namenszug;  Geheim- 
schrift. Das  franz.  chiffre  m.  «Zahlzeichen» 
(s.  Ziffer),  Geheimschrift.    Bei  Nehring  1710. 

ChigUOn,m.  {-s,  PI.  -s)  -.  hinaufgeschlagenes 
Nackenhaar;  Haarwulst.  Das  franz.  chignon 
m.,  das  auf  franz.  chaine  aus  lat.  catena  f. 
«Kette»  zurückgeht.  Im  spätem  18.  Jh.  auf- 
genommen   (1773    bei   Amaranthes'^  1,  720). 

Chiragra,  n.  (Schiller  Wall.  L.  488):  Hand- 
gicht. Aus  gr.-lat.  cMragra,  gr.  xexpd'xpa  f. 
«Handgicht». 

Chirurg,  m.  (-en,  PI.  -en):  Wundarzt. 
Aus  gr.-lat.  chirurgus,  gr.  xeipoupYÖc  m.  eig. 
«mit  der  Hand  arbeitender  Arzt»,  das  als 
Subst.  gebrauchte  M.  des  Adj.  x^ipoupT^^c 
«mit  der  Hand  arbeitend»  (xeip  «Hand»  und 
eine  Bildung  von  ^pyov  «Werk»).  Im  frühern 
Nhd.  meist  in  lat.  Form.  ABL.  Chirurgie, 
f.:  Wundarzneikunst.  Aus  lat.-gr.  chlrurgia, 
gr.  xe'poupYia  f.  «Arbeit  mit  der  Hand,  Wund- 
arzneikunst». Schon  frühnhd.  (Mumer  Narr. 
30,  1  Cirurgy).  chirurgisch,  adj.,  nach 
gr.-lat.  cMrurgiais,  gr.  xeipoupYiKÖc  «zur  Hand- 
arbeit, Wundarzneikunst  gehörig  oder  ge- 
schickt».    Bei  Fischart  Bodinus  (1586)   137. 

Chlodwig,  s.  Ludwig. 

Chlothar,  s.  Lothar. 

Cholera,  f. :  Brechruhr.  Das  gr.-lat.  cholera, 
gr.  xo^^pa  f.  «Galle,  Gallensucht»,  von  gr. 
Xo\r|  f.  «Galle»,  Schon  spätmhd.  colera  f. 
«Ruhr»,  1727  bei  Aler  Choler  f.,  vgl.  auch 
Koller.  ^5L.  cholerisch,  adj.:  zornsüchtig. 
Nach  gr.-lat.  cholericus,  gr.  xo^ep"<öc  «gallen- 
süchtig». Bei  Henisch  1616  cholerisch,  1615 
bei  Albertinus  Landstörzer  440  kolerisch. 

Chor,  m.  (-es,  PI.  Chöre):  Sängerkreis; 
vollstimmiger  Gesang;  hintrer  Teil  der  Kirche; 
Eraporkirche;  Schar.  Aus  gr.-lat.  chorus,  gr, 
Xopöc  m.  «Rundtanz,  Reigen,  Sängerschar», 
im  Mlat.  auch  «Kirchensitz  der  singenden 
Geistlichen»,  woraus  schon  mhd.  kör,  ahd. 
chor  m.  «Sängerschar,  Geisthchenschar  in  der 
Kirche,  der  Kirche  hintrer  Teil  als  Sitz  der 
singenden  Geistlichen».  In  der  neuern  Sprache 


321 


Chrestomathie 


Conr 


322 


auch  zuweilen  Xeutr.,  namentlich  in  der  letz- 
ten (übertragnen)  Bed.  ABL.  Choral,  m. 
(-S,  PI.  Choräle):  "Weise  eines  Kirchenliedes. 
Aus  mlat.  choralis  «zum  Chor  gehörig».  Früh- 
nhd.  (Ringwald  getr.  Eckh.  D  4^),  auch  bei 
Rot  1571  verzeichnet.  Als  Xeutr.  bei  Hage- 
dom Fab.  185.  Dazu  Choralhuch,  11.,  1562 
bei  Mathesius  147^  Coralbuch.  Chorist,  m. 
(-en,  PI.  -en):  zum  Singechor  eines  Theaters 
Gehöriger.  Aus  mlat.  cliorista  m.  «Chor- 
sänger». Bei  Adelung  1774.  ZUS.  Chor- 
rock,  ni.:  langes  geistliches  Amtskleid,  ur- 
spr.  im  Chore  der  Kirche  getragen,  iihd. 
korroc  m. 

Chrestomathie,  f.  (PI.  -n):  Mustersamm- 
lung aus  Schriften.  Aus  gl*.  xPn<^T0,ud9eia  f. 
«Sammlung  des  Brauchbarsten  aus  Schrift- 
stellern», von  gr.  xpncTÖc  «brauchbar»  und 
laaGeiv  «lernen».  Im  spätem  18.  Jh.  aufge- 
nommen. 

Chrisam,  n.m.  (-5):  geweihtes  kirchliches 
Salböl.  Mhd.  krisem,  kresem,  ahd.  chrisamo, 
chresamo  m.  aus  kii-chlich-lat.  chrisma  n.  «Sal- 
bung», im  Mlat.  «geweihtes  Salböl»,  gr.  xpicua 
n.  «Salböl». 

^Christ,  m.  (-es):  Christus;  Weihnachts- 
geschenk (als  Geschenk  von  Christus).  Mhd. 
nach  der  Aussprache  Krist,  ahd.  Christ, 
asächs.  Krist,  ags.  Crist,  anord.  Kristr  «Chri- 
stus», aus  dem  kirchlichen  gr.-lat.  Christus, 
gr.  XpicTÖc  eig.  «der  Gesalbte»,  d.  h.  der 
vom  Königsstamme  Davids  hei'vorgegangene 
König,  von  xpieiv  «salben».  ZUS.  Christ- 
abend, m.:  der  Abend  vor  "Weihnachten, 
mhd,  kristähent  m.  Christkind,  n.:  Chri- 
stus als  neugebomes  Kind;  Weihnachtsge- 
schenk. Bei  Luther.  Christmette, f.:  Messe, 
dann  Gottesdienst  zur  Feier  der  Geburt  Christi 
mit  AnbiTJch  des  Christtages.  Spätmhd.  krist- 
mettin  f.  Christmonat,  m. :  Monat  des  Festes 
der  Geburt  Christi,  Dezember,  späimhd.christ- 
män,  -mänet.  Christtag,  m.:  Tag  zur  Feier 
der  Geburt  Christi,  mhd.  krisftac  m. 

^Christ,  m.  {-en,  PI.  -eii):  der  in  Chiisti 
Namen  Getaufte.  Ältemhd.  auch  Christe 
(noch  Lessing  4,  59,  Schiller  Räuber  4,  2), 
im  16.  Jh.  mitunter  noch  Christen  (l.  Petr  4, 
16).  Mhd.  kristen,  kristcene,  ahd.  christäni 
m,,  eig.  Adj.  aus  dem  kirchlichen  gr.-lat. 
christiänus  gr.  Xpicriavöc  «Bekenner  Christi» 
(daher  die  Eigennamen  Christian  und  Chri- 
stine), abgeleitet  von  gr.  Xpicröc  (s.  ^  Christ). 
Als  Adj.  asächs,  kristin,  ags.  cristen,  anord. 
kristinn.  Das  "Wort  ist  im  Mhd,  zur  schwachen 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch,    ö.  Aufl. 


Dekl.  Übergetreten.     ABL.  Christenheit, 

f.,  mhd.  kristenheit,  ahd.  christanheit  f.,  dazu, 
andd.  cristinhed  i.  «Christlicbkeit,  Taufe». 
Christentum,  n.,  mhd.  kristentuom  m.  n., 
dazu  anord.  kristindömr  m.  Christin,  f. 
Mhd.  dafür  kristen  f.,  doch  auch  schon  kri- 
steninne  f.  christlich,  adj.  u.  adv.,  älter- 
nhd.  auch  christenliclt.  Mhd.  kristenlich,  ahd. 
christanlih. 

Chronik,  f.:  Zeitbuch.  Mhd.  krönike, 
kronik  f.,  aus  dem  gr.-lat.  PI.  chronica,  gr. 
XpoviKci  (wobei  ßißXia  «Bücher»,  zu  ergänzen 
ist)  «Zeit-  d.  i.  Geschichtsbücher»,  PI.  des 
Xeutr.  von  xpoviKÖc  «die  Zeit  betrefiend», 
abgeleitet  von  xpövoc  m.  «Zeit»,  —  Chronist, 
m.  {-en,  PI.  -en):  der  die  Zeitereignisse  ver- 
zeichnet. Aus  nlat.  chronista  m.  Frühnhd. 
(Albertinus  weibl.  Lustg.  35).  —  Chrono- 
logie, f.:  Zeitkunde.  Aus  gx*.  xpovoX.OYia  f. 
«Zeitrechnung»,  abgeleitet  von  xpovoXÖYoc 
i  «die  Zeit  berechnend»  (-Xotoc  zu  Xe'-feiv  hier 
«berechnen»).     Bei    "Wächtler   1711.     Davon 

chronologisch,  adj. 

Chrysolith,    m.  {-es,   PI.  -e):   gelblich- 
grüner  Edelstein.      Mhd,  chrysolit,   crisolit, 
\crisolt  m,  aus  gr.-lat,  chrysolithus  m,  f.,  gl-. 
XPucöXieoc  f.  «Goldstein»,  zusammenges.  aus 
xpucöc  m,  «Gold»  und   XiOoc  m.  «Stein». 

Chrysopras,  m.  {-es,  PI,  -e):  apfelgrüner 
Halbedelstein.  Eig.  gold-,  lauchgi-üner  Stein, 
Mhd.  crisoprassis ,  crisoprasse,  crisopras  m. 
n,  aus  gi\-lat,  chrysoprasiis,  gr.  xpucöirpacoc, 
zusammenges.  aus  gr.  xpucöc  m.  «Gold»  und 
einer  Bildung  von  irpdcov  n.  «Lauch». 

Clique,  f.  (PI,  -w):  Spießgesellschaft,  Das 
franz.  clique  f.,  das  von  cliquer  «klatschen» 
(wie  cJaque  von  ciaquer).  Im  spätem  18.  Jh. 
aufgenommen. 

Coupe,  n.  {-s,  PI. -5) :  Halbkutsche ;  Wagen- 
abteilung. Das  franz.  coupe  m.,  von  couper 
«schneiden,  abteilen,  hauen»,  abgeleitet  von 
coup  m.  «Streich,  Schlag»,  das  auf  gr.-lat. 
colaphus,  gr.  KÖXaqpoc  m.  «Faustschlag,  Backen- 
streich» zurückgeht.  —  Coupon,  m.  {-s, 
PI.  -s):  Zinsschein,  Zinsleiste.  Das  fx'anz. 
coupon,  ital,  cupone  m.,  von  couper  «schnei- 
den».    Beides  neue  Entlehnungen. 

Cour,  f.:  Hof,  Hoftag,  Aufwartung  bei 
Hofe;  höflichkeitsvolle  Gunstbewerbung  {die 
C.  machen).  Das  franz.  coiir  f.,  dies  wie  ital. 
Corte  m.  «Hof»  zeigt,  aus  mlat.  cortis  f, 
«fürstlicher  Hof»,  lat,  cors  (Gen,  cortis)  «Hof- 
raum, Hof»,  füi'  älteres  cohors  f.  Bei  "Wächt- 
ler 1711. 

21 


323 


Courage 


Dackel 


324 


Courage,  f.:  Herzhaftigkeit,  Mut.  Das 
franz.  courage,  ital.  coraggio  m,,  das  eine  Ab- 
leitung von  franz.  coeur,  ital.  cuore  m.  (aus 
lat.  cor  n.)  «Herz»  ist.  Um  1600  entlehnt 
(Wallhausen  Corp.mil.  67,  Coraß'va.  einem  Lied 
von  1619  bei  Hartmann  bist.  Volksl.  1,  122). 


Cousin,  m.  {-s,  PI.  -s):  Vetter.  Das  franz. 
cousin,  ital.  cugitio  m.,  zusammengez.  aus  lat. 
consoh'inus.  Cousine,  f.:  Base.  Das  franz. 
Cousine,  ital.  cugina  f.,  aus  lat.  consobrma  f. 
Beide  in  der  ^Vlitte  des  17.  Jb.  aufgenommen 
{Cousin  bei  Schupp  1,  274). 


D 


^da  1)  demonstratives  räumliches  Adv.: 
an  dem  Orte.  2)  relatives  räumliches  Adv.: 
wo,  nur  noch  altertümlich  und  dichterisch. 
Mhd.  da,  mit  Abfall  des  ausl.  r  aus  dar 
(wie  in  e  «ehe»,  wä  «wo»),  ahd.  dar;  dazu 
asächs.  tliar,  ndl.  daar,  afries.  ther,  ags.  pmr, 
engl,  there,  anord.  par,  schwed.  ther,  dän.  der, 
got.  par.  Von  dem  Stamme  des  Demonstr. 
der;  in  der  Bildung  ist  zu  vergleichen  aind. 
tär-Tii  «damals».  Älternhd.  auch  do  (durch 
Vermischung  mit  dem  folg.  Wort) ;  eine  Form 
dar  (unter  Einfluß  der  Zusammensetzungen 
daran,  darauf  usw.,  in  denen  sich  vor  Vokal 
das  urspr.  r  erhielt)  findet  sich  nicht  nur 
im  17.  Jh.,  z.  B.  Gryphius  Travxersp.  41. 
Lohenstein  Rosen  97,  sondern  noch  im  18. 
in  hier  und  dar  (Drollinger  44,  auch  bei 
Rückert  Ged.  3,  478),  femer  von  dar  (Lessing 
3,  35.     Bürger  194). 

"da  l)  demonstratives  Zeitadv.:  zu  der 
Zeit.  2)  relatives  Zeitadv.:  zu  welcher  Zeit, 
im  Anschluß  an  Substantive  und  dann  auch 
als  Konj.:  indem,  als.  3)  als  kausale  Konj.: 
weil.  Mhd. -ahd.  dö  und  duo;  dazu  asächs. 
thä,  ags.-anord.  pä,  schwed.  da,  dän.  da.  Von 
dem  Stamme  des  Demonstr.  der.  Die  Form 
da  setzte  sich  fest,  weil  Zusammenfall  mit 
dem  lokalen  ^da  eintrat,  ältemhd.  aber  auch 
do,  noch  im  17.  Jh.  bei  Tob.  Hübner. 

dabei,  Adv.,  das  auf  ein  ^S^ahesein  hin- 
weist. Älternhd.  auch  darbei  (noch  bei 
Steinbach  1734),  mhd.  därht,  däU,  ahd.  darin, 
asächs.  fhärhi,  ndl.  daarbij ,  engl,  thereby. 
Zusammengerückt  aus  ^da  vmd  bei. 

Dach,  n.  {-es,  PI.  Dächer):  Bedeckung, 
unter  der  man  sich  aufhalten  kann.  Älter- 
nhd. (noch  oft  im  17.  Jh.)  auch  Tach,  mhd. 
dach,  später  tach,  ahd.  dah  n.;  dazu  ndl.  dak, 
ags.  pcec,  engl,  thatch  «Strohdach»,  anord. 
Jjak,  schwed.  tak  n.  Zu  lat.  tegere  «decken», 
wozu  tectum  n.  «Dach»  und  (im  Ablaut  mit 
Dach  übereinstimmend)  toga  f.  eig.  «Hülle», 
gr.  T^-foc  «Dach»,  air.  tech  n.  «Haus»,  ferner 


von   einer   anlaut.  s   zeigenden  Wurzel,   gr. 

'  CT^Y^iv  «bedecken»,  c^i^oc  n.  ct^yi  f.  «Dach», 
lit.  stögas  m.  «Dach».  Redensart:  einem  zu 
Dache,  aufs  Dach  steigen  (bei  Kindleben  1781 

I  als  studentisch  verzeichnet)    «ihm   zu  Leibe 

j  gehen»  (früher  zu  Dache  sein  oder  sitzen). 
ABL.  dachen  in  ab-,  bedachen,  mhd.  dachen. 

j  S.  auch  decken.  ZUS.  Dachreiter,  m.: 
auf  dem  Dache   sitzendes  Türmchen.      1781 

!  bei  Jacobsson  techn.  Wb.  1,385^  Dachreuter. 

!  Dachstuhl,  m.:  Dachgebälke,  Frühnhd. 
Dachtraufe,  f.,  mhd.  dachtroufe  f.,  meist 
dacht rouf  m.  n. 

Dachs,  m.  (Gen.  Dachses,  PI.  Dachse 
und  seltner  Dachse).  Mhd.-ahd.  dahs,  ndl. 
das  m.  Ins  Mlat.  entlehnt  als  taxus,  daher 
ital,  tasso,  span.  texon,  franz.  taisson  m.  Ge- 
wöhnlich zu  mhd.  dehsen  «den  Flachs  schwin- 
gen», urspr.  aber  «schlagen,  hauen»  gestellt; 
dazu  femer  aind.  taks  «behauen,  zurecht  ma- 
chen», täksä  m.  «Zimmermann»,  gr.  t^ktujv 
m.  «Zimmermann».  Das  Tier  würde  dann 
seinen  Xamen  von  seinen  kunstvollen  Bauten 
erhalten  haben.  Doch  kann  natürlich  auch 
etwas  ganz  andres  darin  stecken.  Vgl.  auch 
Palander  Memoires  de  la  soc.  neophil.  ä 
Helsingfors  2,  99. 

Dächsei,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Hundeart 
zum  Dachsfange.     1719  bei  Fleming  teutsch. 
Jäger  185'',  bei  Adelung  1774  Tächsel.    Von 
dächsein,  v.:  nachts  den  Dachs  hetzen  und 
fangen.     1763  bei  Heppe  wohlred.  Jäger  91*. 
Dachstuhl,  s.  Dach. 
Dachtel,  f.  (PI.  -n):  Schlag  mit  flacher 
Hand    an    den    Kopf.       Frühnhd.    (LTilands 
Volksl.  41,  23),    auch    Tachtel.      Das    mhd. 
tahtel,  Nebenform  von  tattel  f.  «Dattel»,   in 
spottender  Anwendung,    wie  Feige  in   Ohr- 
feige, Kuß  (wenn  auch  nui-  im  Anklang  an 
die   Frucht)    in    Kopfnuß,    ndl.  muilpeer   f. 
(Maulbirne),  «Maulschelle». 
Dachtraufe,  s.  Dach. 
Dackel,  s.  Teckel. 


325 


dadnreli 


Dambocli 


326 


dadurch,  adv.  Mhd.  dar  durch,  da  durch, 
ahd.  dar  durh. 

dafür,  adv.,  bis  ins  17.  Jh.  auch  noch 
darfür.  Mhd.  dar  mir,  der  vür,  da  vür,  ahd. 
dara  fiiri,  dar  furi.  ZUS.  d.  halten,  v.: 
von  etwas  meinen,  wie  es  sei.  In  der  frühnhd. 
Kanzleisprache  (Janssen  Frankf.  ßeichskorr. 
1,  764).     Der  Inf.  als  Subst.  Dafürlmlten,  n. 

dagegen,  adv.,  älternhd.  auch  dargegen 
(noch  bei  Steinbach  1734).  Mhd.  dar-,  der- 
gegene,  da  gegen,  ahd.  dara  gagani. 

daheim,  adv. :  zu  Hanse.  Älternhd.  auch 
noch  daheime,  erweitert  daheimen  (l.  Sana. 
18,  10).  Mhd.  da  heime,  ahd.  dar  keime,  s. 
heim.  Nach  Hejnatz  1796  veraltet  und  nur 
für  die  scherzhafte  Schreibart  zu  empfehlen, 
jetzt  aber  wieder  durchaus  schriftsprachlich, 
wenn  auch  in  der  Umgangssprache  nicht 
überall  gebräuchlich. 

daher,' adv.:  zu  dem  Orte  her  (in  dahe)'! 
und  in  der  Verbindung  mit  Verben,  aber 
oft  mit  Zuriicktreten  der  lokalen  Beziehung, 
z.  B.  daher  fahren);  von  dem  Orte  her;  in- 
folge und  durch  Wirkung  dessen.  Mhd. 
da  her  «bis  zu  diesem  Orte,  Zeitpunkte»: 
das  auf  den  Ursprung  und  Grund  hinwei- 
sende daher  bei  Luther.  Älternhd.  auch 
daher 0,  s.  hero. 

dahier,  adv. :  hier  am  Orte.  Nach  Adelung 
1774  oberdeutsch,  im  Hochd.  ungewöhnlich. 

dahin,  adv.:  von  dem  Orte  weg,  mhd. 
da  hin  (nur  noch  in  der  Verbindung  mit 
Verben,  meist  mit  Zurücktreten  der  lokalen 
Beziehung,  z.B.  d.  sein  «weg,  verloren  sein», 
d.  schwinden,  sterben  usw.);  zu  dem  Orte 
hin;  zu  dem  Ziele. 

dahlen,  v. :  einfältig,  albern  reden;  spiel- 
haft tun,  zwecklos  tändeln  (Goethe  19,  64), 
In  der  1.  Bed.  frühnhd.  dalen  (Hans  Sachs 
Fastn.  83,  109),  auch  dallen  (Seb.  Franck 
Sprichw.  2,  80^);  hochd.  urspr.  mit  anlaut.  t, 
tollen  bei  Seb.  Franck  mor.  encom.  29^, 
Tallmann  \XTi.({  Tallmatz  m.  «inaniloquus»  1727 
bei  Aler  1873%  schles.  thalen  (Günther  241. 436) 
und  tallen  (Scherffer  Grob.  84.  213,  Steinbach 
1734);  daneben  älternhd.  im  16.  Jh.  talmen, 
bei  Stieler  1691  dalmen,  Schweiz,  talmen, 
dalmen  neben  talen,  dalen  «einfältig  reden», 
thüring.  dalmen  «tändeln».  Vgl.  engl,  dally 
«tändeln».  Dazu  im  Ablaut  ein  tillens  tellens 
und  unnütz  gepleuder  bei  Luther  3,  446*  Jen. 
Vielleicht  wurzelverwandt  mit  got.  dwals 
«töricht»,  dwalipa  f.  «Torheit»,  dwalmön 
«töricht,  verrückt  sein»,  ahd.  gitwola  f.  «Be- 


törung, Ketzerei»,  ahd.  toi,  asächs.-ags.  dol 
«töricht»  (s.  tolV). 

Daktylus,  m.  (PI.  Däktylemmä  Daktylen) : 
der  Versfuß  ~^  ^■.  Das  gr.-lat.  däctylus, 
gr.  bciKToXoc  m.  eig.  «Finger»,  weil  der  Vers- 
fuß den  drei  Finsrercrliedern  versflichen  wm-de. 
ABL.  daktylisch,  adj. 

Dälle,  s.  Teile. 

Dalles,  m.:  Unglück,  Verderben,  Armut. 
In  der  Judensprache.  Eig.  «das  Totenkleid» 
(als  talles  schon  1534  bei  Franck  Weltbuch 
153*'),  das  am  großen  Yersöhnungstage  an- 
gelegt wurde.  Aus  hel)r.  talith,  oder  von 
hebr.  dallnth  «Armut». 

Dallinger,  m.  (auch  Dollinger,  Dalcher): 
Henker,  Schai-frichter.  Ein  bereits  im  An- 
fange des  16.  Jh.  im  Liber  vagatonam  vor- 
kommendes Gaunerwort,  von  hebr.  täläh 
«aufhängen». 

damalig,  adj.  Im  17.  Jh.  (bei  Grimmeis- 
hausen Simpl.  10).  Von  dem  älternhd.  Adv. 
damal  «zu  der  Zeit»,  wofür  jetzt  damals, 
mit  mals,  mhd.  mdles,  dem  adverbiell  ge- 
brauchten Gen.  von  mhd.  mal  n.  «Zeitpunkt»: 
schon  in  der  frühnhd.  Kanzleisprache  (donials 
Reichs-Ordnimgen  140^  vom  J.  1527). 

Damast,  m.  {-es,  PI.  -e)-.  Zeugstoff  mit 
eingewebten  Bildern.  Aus  ital.  damasto  neben 
daniasco  m.,  franz.  damas  ra.,  d.  i.  geblümtes 
Seidenzeug  von  Damaskus  (ital.  Dawasco, 
franz.  Damas)  in  Syrien.  Danach  im  15., 
16.  Jh.  die  Formen  Damast  (dammasf  Murner 
Narr.  19,  63),  Damaseh  (schon  um  1400), 
Damascht  (bei  Mathesius),  Damask  (mnd., 
bei  Ringwald  Wahrh.  92  Damaschke),  1596 
bei  Fronsperger  Kriegsb.  3,  214^  Damaßkat, 
noch  bei  Schott el  1663  Damaskt.  Auch  be- 
tont Damast  {Dänmast  bei  Voß  Luise  2, 
82. 107).  ABL.  damasten,  adj.  Im  16.  Jh. 
auch  damasken. 

Damaszener,  m.(-s):  Stahl  von  Damaskus. 
Abgeleitet  von  gr.-lat.  Damascenus  «damas- 
zenisch», von  Damaskus  in  S^^ien.  —  da- 
masziereu,  v. :  (vom  Stahl)  flammend  ätzen. 
Nach  dem  gleichbed.  franz.  damasquiner,  ital. 
damaschinare,  abgeleitet  von  Damascenus,  da 
in  Damascus  zuerst  Stahl  flammig  geätzt 
wurde.  Bei  Henisch  1616  damaskeneren,  bei 
Duez  1664  damaßkieren  und  damaßkenieren 
(bei  Fischart  Garg.  295  Damascanirer  m.). 

Damhock,  m.  {-es,  PI.  Damhöcke):  Männ- 
chen des  Damw^ildes.  Dam-  ist  mhd.  täme 
m.  und  tum  n.,  ahd.  tämo  m.  und  tarn  n., 
verkürzt  ags.  da  f.,  engl,  doe  «Rehkuh»,  dän. 

21* 


327 


Dambrett 


Dämmer 


328 


äaa.  Von  gleichbed.  lat.  dama  m.  f.,  woraus 
mit  Wandlung  des  m  in  n  afranz.  daine  m. 
(nfranz.  daine  f.  «Damhirschkuh»),  ital.  daino 
m.  «Damhirsch»  und  daina  f.  «Damhirsch- 
kuh». Auf  diesen  roman.  Formen  beruht 
mhd.  tenisch  n.  «Leder  von  der  Haut  des 
Damwilds»,  im  16.  Jh.  Tänlein,  Dänlein 
(Schmeller  ^  1,  512)  «Damhirsch»,  sowie  das 
■/Mssunmenges.  Deuhock,  auch  Dannhock,  später 
dui'ch  Dambock  verdrängt. 

Dambrett,  auch  Damenbrett,  n.  {-es, 
PI.  -er):  Brett  zum  Damenspiel  (s.  Dame). 
Bei  Duez  1664  Dambrett,  hei  Rädlein  1711 
Damenbret. 

Dame,  f.  (PI.  -w):  vornehme  weibliche 
Person;  zwei  übereinander  gesetzte  Steine 
im  Spiel  auf  einem  in  64  Felder  abgeteilten 
Brett  (bei  Duez  1664  daher  D.  spielen,  eig. 
in  oder  auf  der  D.  spielen,  Goethe  37,  53, 
bei  Duez  im  dam  spielen);  die  Königin  in 
der  Karte  und  im  Schachspiel.  Aus  franz. 
dame  f.  (woraus  ital.  dama  f.),  das  auf  lat. 
domina,  mlat.  domna  beruht.  Das  Wort 
kommt  im  Anfang  des  17.  Jh.  auf,  wird 
schon  1617  im  teutschen  Michel  19  als  mo- 
disches Fremdwort  aufgeführt,  1629  von  Opitz 
Ged.  2,  217,  1638  von  Zincgref  2, 126,  1642  von 
Homburg  Clio  C  6,  dann  von  Rist,  Logau  u.  a. 
gebraucht  und  von  Schottel  1663  als  deutsch 
verzeichnet.  Anfangs  daneben  auch  das  ital. 
dama  {madamahei  Albertinus  weibl.  Lustg.  131). 

dameln,  dämelll,v.:  sich  kindisch,  töricht 
benehmen;  im  Kopfe  verwirrt,  unklar  sein. 
Aus  dem  Ndd.  In  den  Wörterbüchern  vor 
Campe  nicht  verzeichnet,  aber  schon  im  16.  Jh. 
als  dammein  belegt,  kommt  dann  seit  der 
Mitte  des  18.  Jh.  durch  die  nordd.  Umgangs- 
sprache auf  (döm,eln,  auch  Dömelei  bei  Hermes 
Sophiens  Reise  1,  413,  zusammendämmehi  bei 
Goethe  Jery  u.  Bat.  18,  20,  dammein  bei  Voß 
Ged.  2,  218;  in  Norddeutschland  unterscheidet 
man  heute  dämeln  in  obiger  Bed.  und  dammein 
«spielen,  tändeln,  scherzen,  schäkern»).  Ver- 
glichen wird  aind.  tämjati  «ermatten,  betäubt 
werden»,  lat.  temulentus  «trunken»,  ahg.  tomiti 
«mühen,  abquälen»,  ir.  famam« ruhe».  ABL. 
dämelig,  dämlig,  adj.:  töricht,  gedankenlos. 
Bei  Frisch  1741  dämlich.  ZUS.  Dämelack, 
m.  (-s):  Dummkopf,  Träumer.  Verstärkend 
statt  der  einfachen  Bildungen  Dämel  m.  und 
Lack  m.  «dummer  Mensch»  (Fulda  Id.  249), 
fränk.  Lacks  m.  «ungeschickter  großer  junger 
Mensch»,  westf.  Lacks  m.  «LafFe»,  östr.  Lackl 
m.  «unbeholfner  Mensch». 


Damenbrett,  s.  Damhrett. 

Damhirsch,  m.,  wie  Damhock  (s.  d.). 
Bei  Maaler  1561  Damhirtz,  sonst  älternhd. 
auch  DannJiirsch  (noch  1773  von  Goethe  im 
Götz  gebraucht,  d.  j.  Goethe  2,  316). 

damisch,  adj.:  betäuben,  unklaren  Geistes 
seiend  (dann  in  übertragener  Bed.  «unbe- 
holfen, plump  und  groß»  ein  damischer  Kerl). 
Im  15.  Jh.  im  Oberd.  erscheinend  (Osw. 
V.  Wolkenstein  122,  24  tämisch,  Schmeller- 
1,  603  tämisch,  temisch  neben  daumisch,  um 
1480  im  Voc.  ine.  teut.  r6^  tämisch  «hebes, 
ineptus,  stultus»),  noch  jetzt  im  Baja-.  als 
«betäubt,  schwindelig,  nicht  recht  bei  Sinnen», 
daher  wohl  nicht  zu  dem  md.-ndd.  dämeln, 
dämelig  gehörig,  doch  frühzeitig  damit  ver- 
mischt, deshalb  auch  dämlich  geschrieben. 
Abgeleitet  von  mhd.-ahd.  toum  m.  (ou  zu  ä, 
vgl.  Bahm,  mhd.  roum),  vgl.  Taumel. 

damit  l)  adv. :  mit  dem,  mit  welchen], 
womit,  mhd.  da  mite,  ahd.  dar  miti  2)  konj.: 
in  der  Absicht  daß  (bei  Luther).  Älternhd. 
auch  darmit. 

dämlig,  s.  dameln. 

Damm,  m.  {-es,  PI.  Dämme):  in  die 
Länge  aufgeschüttete  Erde  usw.,  besonders 
zum  Abhalten  des  Wassers.  Älternhd.  meist 
Tamm  (1507  bei  Wilwolt  von  Schaumburg  80 
tarn,  tamh,  bei  Luther  Tham,  bei  den  schle- 
sischen  Dichtern  Tha^nm,  Tamm,  diese  Form 
auch*  bei  Stieler  1691,  während  Schottel  1663 
Damm  hat);  die  Form  mit  d  wird  hier  aus 
dem  Ndd.  stammen,  findet  sich  aber  auch 
obd.  im  16.  Jh.  Redensart:  auf  dem  Damme 
sein  «sich  wohl  befinden»,  eig.  geschützt 
sein  gegen  Wassergefahr.  Mhd.  tarn  (Gen. 
tammes)  m.,  dazu  mnd.-fries.-engl.  dam  «Damm», 
anoi'd.  dammr  m.  Von  E.  Schröder  ZfdA. 
42,  66  aus  *dahma-  erklärt  und  zu  tapfer  (s.d.) 
gestellt.  ABL.  dämmen,  v.:  dui-ch  einen 
Damm  aufhalten,  hemmen,  hindern.  Mhd. 
temmen,dLaza  ags.demman,  got. in  faurdammjan 
«verhindern».  ZUS.  Dammerde,  f.  (dem 
Damme  Festigkeit  gebende)  fette  Erde  zu 
Pflanzenwuchs.     Bei  Frisch  1741. 

dammein,  s.  dameln. 

dämmen,  s.  Damm. 

Dämmer,  m.  (-s),  selten  n:  Übergangs- 
zustaud  von  Licht  zu  Dunkel  oder  von 
Dunkel  zu  Licht,  Zwielicht.  Mit  dem  urspr. 
e  entspricht  mhd.  (bei  Nie.  v.  Jeroschin) 
demere  f.,  ahd.  demar  n.;  das  nhd.  Wort 
setzt  indes  wohl  nicht  diese  Formen  fort, 
sondern    ist    in    der   neuern   Dichtersprache 


329 


Dämon 


dappeln 


330 


von  dämmern  npu  gebildet  TGoethe  hat  das 
bei  Adelung  und  Campe  noch  nicht  ver- 
zeichnete Wort  seit  1776  gebraucht  [d.  j. 
Goethe  3,  142,  Faust  395],  Morgenäämmer 
bei  Claudius  4,  121).  Verwandt  ist  zunächst 
asächs.  thimm  «dunkel»  und  mhd.  dinster, 
ahd.  dinstar  «finster»  (s.  d.),  weiter  noch 
aind.  tamräs  «finster»,  tämas  n.  «Finsternis», 
tämisräf.  «Xacht»,  ]it.famsä  f.  «Dunkelheit», 
ir.  temel  «Dunkelheit»,  lat.  fenebrae  (aus 
*tenesrae)  PI.  «Finsternis»,  dämmern,  v.: 
Zwielicht  werden.  Bei  Schott el  1663  demmern, 
früher  nicht  zu  belegen.  Davon  Dämmerung, 
f.  3»Ihd.  (bei  Nie.  v.  Jeroschin)  demerunge  f., 
ahd.  dafür  demenunga  f. 

Dämon,  m.  (-s,  PI.  Dämonen) :  böser  Geist. 
Von  gr.-lat.  daemon,  gr.  bai.uuuv  m.  «Geist», 
besonders  kirchlich  s.  v.  a.  «böser  Geist». 
Bei  Sperander  1728.  dämöniscll,  adj.:  von 
einem  bösen  Geiste  besessen,  teuflisch.  Nach 
gr.-lat.  daemonicus. 

Dampf,  m.  (-es,  PI.  Dämpfe):  dicker 
Rauch;  dick  aufsteigende  nebelartige  Feuch- 
tigkeit: (bUdlich)  Bedrängnis,  Pein,  Angst. 
Mhd.  dampf,  tampf,  ahd.  damph  m.:  dazu 
ndl.  daynp,  engl,  damp  «Feuchtigkeit,  Dunst», 
anord.  dampi  m...  dän.  damp.  ^lit  Ablaut  zu 
dem  starken  V.  dimpfen  CPräX.  dampf,  Part. 
gedumpfen)  «rauchen»,  von  Brennendem,  wie 
auch  von  erhitzten  Menschen,  Tieren  usw. 
Die  Herkunft  ist  unsicher.  Das  .deutsche 
Verb  könnte  man  auf  idg.  *iemh  zurückfühi-en 
und  zu  gr.  äxeußuj  «betöre,  schädige»  stellen. 
Dann  müßten  aber  die  nicht  hochdeutschen 
"Worte  davon  getrennt  oder  als  entlehnt  an- 
gesehen werden.  Ist  der  Anlaut  germ.  ä, 
idig.dh,  so  ließe  sich  aind.  (?a&A«ö^i  «beschädigt, 
versehrt,  betrügt  y^  vergleichen  (aus  *dhubh), 
doch  stimmt  dann  der  auslautende  Konsonant 
nicht.  Vielleicht  liegt  eine  Vermischung 
zweier  Wurzeln  vor.  ABL.  dampfen,  v.: 
Dampf  von  sich  geben;  Dampf  hervorbringen ; 
mittels  eines  dm-ch  Dampf  getriebnen  Schiffes 
oder  Wagens  fahren.  In  der  1.  Bed.  mhd. 
dempfen,  ältemhä.  dämpfen.  Davon  Dampfer, 
m.:  Dampfschiff",  dampfig,  adj.,  spätmhd. 
temphig  (um  1430  tampfg  -vaporosus»  im 
Voc.inc.teut.reb).  Zt^S.  Dampfnudel,  f., 
bei  Stieler  1691  Dämpfnudel.  Dampfschiff, 
m.     Dampfwagen,  m.     Neue  Bildungen. 

dämpfen,  v.:  rauchen  oder  (Feuer)  er- 
löschen machen;  ersticken  machen;  unter- 
drückend schwächen;  durch  Dampf  kochen. 
Mhd.  dempfen,  fempfen,  ahd.  demphen,  femphen 


«erlöschen,  ersticken  machen,  den  Atem  be- 
nehmen, würgen».  Das  Faktitiv  zu  dem 
starken  V.  mhd.  dimpfen  (s.  Dampf  ■.  Davon 
Dämpfer,  m.:  Homspitze  oder  Blechnapf 
mit  Stiel  zum  Löschen  der  Lichter  (bei 
Adelung  1774):  ein  Werkzeug,  den  Ton  musi- 
kalischer Instrumente  zu  mildem,  zunächst 
die  auf  den  Steg  der  Violine  gesteckte  kleine 
Klammer  (1781  bei  Jacobsson  techn.  Wb.  1, 
396*),  daher  bildlich  einen  Dämpfer  aufsetzen. 

dämpfig,  adj.:  engbrüstig,  schweratmend. 
In  frühnhd.  Glossaren.  Von  mhd.  dempfe  f. 
«Engbrästigkeit»,  wofüi- frühnhd.  auch  dampf. 

Dampfnudel,  -schiff, -wagen,  s.  Dampf 

Damwild,  n. :  Rotwildart  mit  etwas  schau- 
feligem Geweih.     S.  Damhock. 

danach,  darnach,  adv.:  nach  diesem. 
i  Mhd.  dar  nach,  da  nach.,  ahd.  dara  näh,  dar  näh. 

danieder,  darnieder,  mhd.  da  nidere, 
dernider,  ahd.  dar  nidare. 

Daniel,  Mannesname,  aus  hehr.  Dämel, 
d.  i.  «mein  Richter  ist  Gott»,  zusammenges. 
aus  hehr,  däm  «mein  Richter»  und  el  «Starker, 
Gott». 

Dank,  m.  \-es,  PI.  -e):  anerkennender 
AusdiTick  der  Verpflichtung  wofür.  Mhd- 
ahd.  danc  m.:  dazu  asächs.  thank,  ndl.  dank, 
afries.  thank,  ags.ßanc,  engl,  thanks  PL,  anord. 
pakkir  PL,  schwed.  tack,  dän.  tak,  goi.ßagks  m. 
Die  urspr.  Bed.  ist  «Gedanke,  Meinung,  Ab- 
sicht» (noch  in  der  veralteten  Redensart 
ohne  meinen  D.  d.  i.  Willen),  wie  sie  bei 
denken  zugnmde  liegt ,  vgL  noch  dünken. 
ABL.  danken,  v.,  mhd.  danken,  ahä.danchön: 
dazu  asächs.  thankön,  ndl.  danken,  ags.pancian, 
engl,  thank,  anovi.  ßakka,  schwed.  tacka,  dän. 
takke.  dankhar,  adj.  u.  adv.,  mhd.  danchcere, 
\  ahd.  danchäri.  Zl'S.  danksagen,  r.,  zu- 
sammengeschoben aus  mhd.  danc  sagen. 

dann,  adv.,  weist  auf  eine  Folge  in  der 
Zeit,  der  Ordnung.  !Mhd.  danne  imd  denne, 
gekürzt  dan,  den,  ahd.  danne  und  denne, 
selten  denni;  dazu  ndl.  dan,  ags.ßonne.ßcenne, 
engl,  fhen  «damals».  Von  dem  Stamme  des 
demonstrativen  Pron.  der  gebildet.  Von  denn 
( s.  d.),  das  mit  dann  urspr.  eins  ist,  scheidet 
sich  dieses  genauer  um  die  Mitte  des  18.  Jh. 

dannen,  demonstr.  Pronominaladv.,  nur 
!  noch  in  V07i  d.  «weg  von  dem  Orte,  weg 
von  da».  Mhd.  dannän,  meist  dannen,  danne, 
dan,  ahd.  danana,  danän ;  dazu  asächs.  thanan, 
ags.  ßanon,  engl,  (weitergebildet)  thence.  Von 
dem  Stamme  des  demonstr.  Pron.  der. 

dappeln,  (Goethe  1,  180),  s.  tappen. 


331 


dar 


dasig 


332 


^dar,  altertümliche  Nebenform  von  ^  da 
(s.  d.).  Außerdem  in  der  Zusammens.  mit 
vokaUsch  anlautenden  Lokaladv.,  z.  B.  dar- 
aus, mhd.  dar  mj,  da  üß,  ahd.  dar  ng;  darin, 
mhd.  dar  in,  da  in,  ahd.  dar  in;  darunter, 
mhd.  dar  under,  ahd.  dar  untari.  Dies  dar- 
erscheint  dann  auch  vor  konsonantischem  An- 
laut, z.  B.  ältemhd.  darhei,  darmit. 

"dar,  adv.:  dahin,  jetzt  nur  noch  in  Zu- 
sammensetzungen. Mhd.  dare,  dar,  ahd.  dara, 
dazu  asächs.  fha.r,  engl,  there.  Von  dem 
Stamme  des  demonstr.  Fron.  der.  Mit  Verben 
zusammenges.:  darhieten,  -hingen,  -geben  usw. 
(mit  ausgelassenem  Y.  bei  Schiller  Eäuber  1,  2 
auf  mich  dar).  ]\Iit  Lokaladv.  zusammenges. : 
daran,  mhd.  dar  ane,  ahd.  dara  ana;  darein, 
mhd.  dar  in,  ahd.  dara  in:  darüber,  mhd. 
dar  über,  ahd.  dara  ubiri.  Vor  konsonan- 
tischem Anlaut  ist  meist  da-  dafür  einge- 
treten (durch  Mischung  mit  da  =  ^dar),  so 
dagegen,  danach,  dawider,  dazu,  dazwischen, 
die  älternhd.  aber  noch  mit  dar-  begegnen, 
wie  noch  jetzt  darnach. 

darben,  v. :  das  Notwendigste  entbehren, 
Mangel  leiden.  !Mhd.  darben,  ahd.  darben; 
dazu  asächs.  tharbön  «entbehren»,  ags.  ^ear- 
fian  «ermangeln»,  got.  in  gaßarban  «sich  wo- 
von enthalten»,  neben  dem  Adj.  ßarbs  be- 
dürftig.    Zu  dürfen. 

Darge,  f.  (PI.  -n):  Angel  von  Messing, 
an  die  zum  Fange  der  Hechte  ein  roter  Lappen 
gesteckt  wird,  den  dieselben  für  ein  Rotauge 
halten  (1692  bei  Canitz  118.  59).  In  der  Mark 
Brandenburg,  Auch  Derge,  Terge.  Von  dar- 
gen,  V.:  mit  der  blinkenden  Angel  und  dem 
roten  Lappen  reizen  und  fangen,  das  aus  ndd. 
targen,  tergen,  hd.  zergen  «reizen,  necken», 
von  zerren  abgeleitet. 

darinnen,  drinnen,  adv.  Am  Ende  des 
15.  Jh.  weitergebildet  aus  drinne,  mhd,  dar 
inne,  ahd.  dar  inne. 

darlegen,  v.:  wohin  legen,  offen  wohin 
legen,  mhd.  dar  legen,  auch  noch  bei  Luther; 
eröffnen,  klarmachen  (bei  Luther). 

Darlehen,  Darlehn,  n.  (-.s,  Fl.  wie  Sg.) : 
zu  Wiedergabe  in  Benutzung  gegebenes  Geld. 
1663  bei  Schottel  626  Darlehn.  Von  dar- 
lehnen, wofür  jetzt  gewöhnlich  darleihen, 
das  schon  in  der  frühnhd.  Kanzleisprache  vor- 
kommt (Janssen  Frankf.  Reichskorr.  1,  781 
vom  J.  1509),  aber  von  Adelung  1774  noch 
für  obd.  erklärt  wii'd. 

Darm,  m.  {-es,  Fl.  Därme):  häutiger 
Schlauch  im  Leibe  zur  Aufsaugung  des  Nah- 


ningssaftes  und  Abfühning  des  Unrats.  Mhd. 
darm,  ahd.  darm,  daram  m.;  dazu  ndl.  darm, 
afries.  therm,  ags.  pearm,  anord.  Fl.  parniar, 
schwed.-dän.  tarm  m.  Verwandt  ist  gr.  Tpfma 
n.  «Loch»,  Tpäjuic  f.  «After».  ZUS.  Darm- 
gicht,  f.:  Leibgrimmen.  Mhd.  darnigiht  f. 
S.  Gicht. 

darnach,  s.  danach. 

daroh,  droh,  adv.:  dar-,  worüber,  des-, 
weshalb.  Mhd.  dar  obe,  da  obe,  ahd.  thär 
oba  «darüber». 

Darre,  f.  (Fl.  -n):  Ort  und  Vorrichtung 
(Horde)  zum  Dörren;  Handlung  des  DöiTcns: 
Krankheit  des  Ausdorrens  (Darrsucht).  Mhd. 
darre,  ahd.  darra  f.    S,  Dörre. 

darstellen,  v.:  offen  wohin  stellen  (auch 
refl.  sich  d.  «sich  öffentlich  zeigen»);  vor 
Augen  stellen  (refl.  vor  Augen  sein);  zum 
Ausdruck  biingen;  vergegenwärtigen,  schil- 
dern.    Bei  Luther  in  der  1.  u.  2.  Bed. 

dartun,  v.:  (veraltet)  wohin  tun;  auf- 
wenden, ausgeben  (bei  Luther);  beweisen, 
klarmachen  (auch  schon  fiühnhd.). 

darüber,  adv.,  s.  -dar. 

darum,  adv.:  im  Kreise  von  etwas;  in 
Beziehung  dar-  oder  worauf;  aus  dem  Grunde. 
ÄIhd.  dar  umbe,  da  umbe,  ahd.  dar  umhi  «in 
Beziehung  darauf,  deshalb». 

darunter,  adv.,  s.  ^dar. 

das,  Neutr.  zu  der,  eig,  identisch  mit  der 
Konj.*  daß  (s.  d.). 

Dase,  f.  (Fl.  -n):  Bremse,  blinde  Stech- 
fliege. Niederdeutsch.  Auch  Dassel  f.  Dunk- 
ler Herkunft,  vielleicht  zu  mhd.  dase  f.  «Un- 
holdin». 

Dasein,  n.:  Gegenwart,  dauernde  Wirk- 
lichkeit. Der  substantivische  Inf.  sein  mit 
^da.     Von  Christian  Wolff'  gebildet. 

daselbst,  adv.:  an  dem  Orte.  Spätmhd. 
da  selbes,  daselbs,  vereinzelt  auch  schon  da 
selbest,  um  1480  im  Voc.  incip.  teut.  d  2"^ 
daselbst  (Luther  hat  noch  daselbs). 

dasig,  adj.:  an  dem  Orte  befindlich.  Von 
der  Partikel  da  mit  einem  zwischen  den  Vo- 
kalen eingeschalteten  s  gebildet,  vgl.  hiesig. 
Die  Bildung  tritt  gegen  Ende  des  15.  Jh. 
auf  (Decameron  272,  19;  406,  30,  vgl.  Gom- 
bert  7,  17),  bürgert  sich  aber  wenig  ein,  da 
sie  von  Stieler  1691  und  noch  Frisch  1741 
als  neugeschaffen  bezeichnet  wird;  Adelung 
und  Campe  weisen  sie  den  gemeinen  Sprech- 
arten,  Heynatz  1796  in  der  schon  früher 
vorkommenden  Bed.  «derselbe»  den  hochd. 
schreibenden  Juden  zu.    Daneben  auch  daig. 


333 


daß 


Danm 


334 


daß,  konj.  !Mlid.  da^,  ahd.  da^,  dazu 
asächs.  fhat,  ags.  Jjcef,  engl,  that,  got.  ßafa 
mit  angetretener  Pronominalpartikel  ei  ßatei. 
Die  mit  dem  Xeutr.  das  (zu  der)  identische 
Konj.  wird  auch  in  der  Schreibung  von  ihm 
frühnhd.  nicht  gesondert  (für  beide  das  oder 
daß).  Die  Grammatiker  Clajus  und  Ölinger 
haben  ohne  Unterscheidung  das.  Dagegen 
unterscheidet  1561  Maaler  das  Pronomen  und 
den  Artikel  das  von  der  Konj.  daß  in  der 
Schreibung,  die  dann  entschieden  für  dieses 
mit  ß  und  jenes  mit  s  1629  von  Werner 
Rechtschreibung  S.  74  und  1641  von  Schottel 
Sprachkunst  S.  212  in  der  Grammatik  fest- 
gesetzt wii'd. 

datieren,  s.  Datum. 

Datir,  m.  {-s,  PI.  -e)  -.  Fall  auf  die  Frage 
wem?  Aus  lat.  datlvus  (nämlich  casus)  eig. 
c< Geben  anzeigender  Fall». 

Battel,  f.  (PI.  -n):  süße  Frucht  einer 
Palmenart.  Mhd.  tatele,  tatel  f.  Wie  ital. 
dattüo,  Span,  datil  m,  aus  gr.-lat.  dacfylus, 
gr.  bdKTuAoc  m.  eig.  «Finger»  und  dann  der 
fingerartigen  Gestalt  wegen  die  «Dattel».  Im 
16.  Jh.  auch  Dactel  (z.  B.  1574  bei  Fischart 
Onomastica  85^  Dattilen,  Dacteln)  und  mhd. 
tahtel,  woraus  unser  Dachtel  (s.  d.). 

dattern,  s.  tattern. 

Datum,  n.  (-S,  PI.  Daten):  Zeitangabe 
eines  Schreibens.  Im  14.  Jh.  mhd.  datum 
n.  m.  aus  lat.  datum  «gegeben»,  das  ehedem 
in  gerichtlichen  Aktenstücken  vor  die  An- 
gabe des  Tages  gesetzt  wurde.  ABL.  da- 
tieren, V.  Aus  franz.  dater,  mlat.  datare. 
Bei  Rot  1571. 

Daube,  f.  (PI.  -n)-.  Seitenbrett  eines  höl- 
zernen Gefäßes.  Aus  franz.  douve,  mailändisch 
dova,  ital.-mlat.  doga  f.,  die  auch  «Graben», 
sowie  «Fassung  des  Grabens,  Seitendaram», 
im  Ital.  selbst  «rings  als  Einfassung  des  Kleides 
umlaufender  Streifen  »  bedeuten.  Danach  wäre 
Daube  zunächst  «Einfassung  des  Gefäßes», 
urspr.  aber  ist  mlat.  doga  geradezu  «Gefäß» 
und  geht  so  wohl  auf  gr.  boxr\  f.  «Behälter, 
Gefäß»  zurück.  Auf  ital.  doga  geht  mhd.  düge, 
Schweiz,  (bei  Maaler  1561)  Dauge,  schwälj. 
Faßtauge  (württemb.Zollordn.von  1661  Tit.  10, 
vgl.  auch  Fischer  2,  111),  ndl.  duig  f.  «Faß- 
daube» zurück,  auf  franz.  douve  «Daube» 
(schon  bei  Luther,  aber  bei  Keisersberg  tauwe, 
bei  Mathesius  Sar.  119^  taube,  bei  Aventin 
5,  290,  20  nach  dem  Bayr.-Öst.  taufeJ  f )  unser 
Daube.  Die  Ableitung  von  mlat.  doga  be- 
zweifelt Fischer  a.  a.  0. 


däuchteil,  v.:  dünken.  Hei-vorgegangen 
aus  dem  Konj.  Prät.  von  dünken,  mhd.  diuhte, 
gekürzt  diuht,  was  dann  als  Ind.  Präs.  ge- 
nommen wird.  So  schon  spätmhd.  mich  (mir) 
deucht  und  häufig  im  16.  Jh.  (bei  Luther  in 
der  Bibel  nui"  Sir.  3.3,  14),  zuweilen  sogar 
deuchtet.  Der  Inf.  deuchten,  däuchten  1616 
bei  Henisch  und  dann  häufig  in  Gramma- 
tiken und  Wörterbüchern,  da  der  Zusammen- 
hang mit  dünken  nicht  mehr  empfunden  wird. 

Daudistel,  f.:  Gänsedistel.  1429  düdistel 
(lib.  ord.  rer.),  spätahd.  düdistel  m.,  dazu  ags. 
püßistel  m. 

däuen,v.  (Claudius  4,  47):  verdauen  (s.  d.). 

^  Dauer,  f :  Fortbestand.  Mhd.  vereinzelt 
(bei  Xic.  V.  Jeroschin)  dür  f.,  bei  Krämer 
1678  Daur,  bei  Stieler  1691  dagegen  Taure, 
bei  Christian  WolflF  Daure.  Von  dauern,  v.: 
fortfahren  zu  sein.  Mhd.  (zuerst  im  12.  Jh. 
und  nicht  allgemein)  türen,  düren,  wie  ndl. 
duren,  afries.  dv.ria,  engl,  dure,  schwed.  dura 
entlehnt  aus  lat.  düräre  «fortbestehen».  Im 
altem  Xhd.  nicht  häufig,  1562  bei  Mathesius 
Sarepta  284^  außtauren,  von  Henisch  1616 
als  dauren  verzeichnet,  von  Stieler  1691  als 
tauren,  auch  Ludwig  1716  kennt  noch  tauern. 
ABL.  dauerhaft,  adj.,  bei  Stieler  1691  tauer- 
haft,  dafür  1562  bei  Mathesius  Sar.  2^  thauer- 
hafftig,  bei  Henisch  1616  daurhafftig. 

"Dauer,  f.:  mitleidige  Stimmung  worüber. 
Xhd.  ungewöhnhch  (bei  Maler  Müller  1,  299), 
mhd.  türe  f.  Von  dauern,  v.:  zu  Unlust 
und  mitleidiger  Stimmung  bewegen,  unper- 
sönlich mich  dauert.  ^Yhä.  mich  türet,  ver- 
wandt mit  tiure  «kostbar»,  also  eig.  «viel 
kosten,  kostbar  sein,  allzu  kostbar  sein»,  was 
dann  in  die  Bedeutungen  des  «An-dem-Herzen- 
liegens»  und  dann  des  «Schmerzlichseins»  hin- 
überspielt. Ndd.  duren,  mengl.  douren,  sonst 
im  Germ,  nicht  vorhanden.  Bei  Luther  noch 
tauren,  während  schon  Maaler  1561  dauren 
hat;  tauern  hält  sich  namentlich  bei  Schle- 
siem  und  Obersachsen  und  \\"ird  noch  von 
Lessing  (l,  133;  6,  107)  gebraucht. 

Daum,  m.  (-es),  gewöhnlich  Daumen, 
m.  (-.s,  PI.  wie  Sg.):  der  erste  Finger.  Mhd. 
düme,  ahd.  dümo  m.;  dazu  ndl.  duim,  afries. 
thüma,  ags.püma,  engl,  thinnb,  schwed.  tumme 
m.,  anord.  abgeleitet  pümall,  ßümalfingr  m. 
(dän.  tommelfinger).  Gewöhnlich  als  «derstarke, 
dicke»  erklärt,  zu  lat.  tumere  «schwellen», 
tumulus  m.  «Hügel»,  aind.  tütumas  «stark», 
tumräs  «fett».  Das  urspr.  schwache  M.  hat  im 
Nom.  Sg.  n  angenommen,  daneben  mit  Ver- 


335 


Danne 


Decke 


336 


kürzung  und  Übergang  ziir  starken  Flexion  I 
Daum,  das  im  altern  Nhd.  häufiger,  jetzt  j 
wesentlich  auf  die  poetische  Sprache  be- 
schränkt ist.  ABL.  Däumling,  Däumer- 
ling  (Goethe  16,  64  u.  ö.),  m.:  Daumen  (früh- 
nhd.);  Überzug  über  den  Daumen,  Finger- 
hut (bei  Henisch  1616);  daumengroßer  d.  i. 
allzu  kleiner  Mensch;  Zaunkönig.  Entsprechend 
ndl.  duimeling,  anord.  pümlungr  m. 

Daune,  f.  (Fl.  -n):  weichste  Flaumfeder. 
Aus  ndd.  (schon  mnd.)  dune  f.,  das  mit  engl. 
doivn  auf  anord.  dünn  m.  (schwed.  diin,  dän. 
dun  n.)  zumckgeht.  Bei  Schottel  1663  noch 
mit  dem  ndd.  Vokal  Dunen  (und  Donst), 
das  noch  heute  in  der  bayrischen  und  öster- 
reichischen Rechtschreibung  gilt,  bei  Stieler 
1691   auch  als  Daunen.     S.  Eiderdaune. 

■"Daus,  m.:  in  Redensarten  wie  ei  der 
Daus!,  ivas  der  Daus!,  wie  ein  Daus,  bei 
denen  die  Bed.  «Teufel»  durchschimmert. 
Entsprechend  nd.  de  Düs!  «der  Teufel!», 
engl,  the  deuce!  (deuse),  die  man  entweder 
auf  lat.  deiis  «Gott»  oder  auf  gall.-mlat.  dusius 
«aufliegender  diu ckender  Geist»  zurückführt; 
vielleicht  ist  das  Wort  aber  wie  dithmars. 
Deusen,  nd.  Dukes,  Duks,  Düker,  Deuker, 
hd.  Deuster,  Deixel  u.  ähnl.  nur  eine  ver- 
hüllende Entstellung  für  Teufel.  Zuerst  im 
16.  Jh.  bei  Ringwald  (laut.  Warb.  368  gleich- 
wie ein  D.)  vorkommend. 

^Daus,  n.  (Gen.  Dauses,  PL  Däuser) :  je  ein 
Aucre  auf  einemWürfel;  die  Zwei  der  deutschen 
Spielkarte;  das  As.  Alternhd.  auch  Taus. 
Mhd.  tüs,  düs,  spätahd.  düs  n.,  entlehnt  aus 
afranz.  doues,  prov.  duas,  nfranz.  deux  «zwei». 

David,  Mannsname,  aus  hebr.  David  d.  i. 
«Geliebter». 

davon,  adv.  Alternhd.  (noch  bei  Stein- 
bach 1734)  auch  darvon,  mhd.  da  von.  Dazu 
ndl.  daarvan. 

Däz,  m.  (-es,  PI.  -e):  Kopf.  Niedriger 
Ausdna ck  in  Nord-  und  Mitteldeutschland, 
bei  Kleist  zerbr.  Ki-ug  980  Detz.  Wohl  aus 
ital.  testa,  frz.  tete  f.  «Kopf». 

dazumal,  adv.:  wie  damals  (s.  d.).  Aus 
einem  mhd.  da  ze  male.  In  der  fmhnhd.  Kanzlei- 
sprache {dozemal  Janssen  Frankf.  Reichskorr. 
1,  284  V.  J.  1473),  auch  von  Luther  gebraucht. 

-de,  Ableitungssilbe  für  Substantiva.  Schon 
mhd.  -de,  das  entspricht  1.  einem  ahd.  -ida 
in  den  Fem.  Begierde,  Behörde,  Beschwe^'de, 
Freude,  Gebärde,  Gefährde,  Liehde.  2,  einem 
ahd.  -idi  in  den  Neutr.  Gebäude,  Gehöfte,  Ge- 
lübde, Gemachte,  Gemälde,  Getreide. 


Debatte,  f.  (PI.  -n):  Wortgefecht.  Aus 
dem  gleichbed.  franz.  debat  m.,  von  debattre 
«bestreiten,  verhandeln».  Im  Zeitungslex.  1703 
(noch  bei  Nieremberger  1753)  erscheint  wie 
im  Franz.  Debat,  bei  Sperander  1728  aber 
mit  dem  PI.  Debatten,  aus  dem  der  Sg.  De- 
batte als  F.  gebildet  ist.  ABL.  debattieren, 
V. :  in  Worten  hin-  und  herstreiten.  Schon 
im  17.  Jh.  z.  B.  Weise  Erznarren  154. 

Debit,  m.  (-s):  Warenabsatz,  Vertrieb. 
Aus  franz.  debit  m.  «Verkauf»,  von  lat.  de- 
bitum  «verpflichtet»,  im  Mlat.  s.  v.  a.  «Be- 
trieb ».  debitieren,  v. :  verkaufen,  vertreiben, 
absetzen.  Aus  franz.  debiter.  Bei  Nehring  1694. 

Debüt,  m.  n.  {-s,  PI.  -s):  das  erste  Auf- 
treten auf  der  Bühne  usw.  Aus  gleichbed. 
franz.  debut  m.  Schon  bei  Nehring  1710  «d^r 
erste  Schuß  oder  Anfang  zu  schießen  nach 
der  Scheibe». 

Dechanef,  f.:  Amtsbezirk,  Wohnung  des 
Dekans.  Mhd.  techanie,  techenie  f.,  aus  mlat. 
decaniat  «Amtswürde  eines  Vorgesetzten  über 
10  Mönche»,  von  lat.  decänus  (s.  Dekan).  — 
D^chant  oder  Dechänt,  m.  (-en,  PI.  -e»): 
Obergeistlicher  eines  Stiftes,  Bezirkes.  Mhd. 
dechent,  techant,  ahd.  techant  m.,  mit  ange- 
tretenem t  aus  lat.  decänus. 

Dechärge,  f.:  Entlastung,  Anerkennung 
der  Richtigkeit  einer  Rechnung.  Aus  franz. 
gleichbed.  dechärge  f.,  zusammengesetzt  aus 
de  hier  soviel  wie  «ent»  und  charger  «laden». 
Bei  Campe  1813. 

Decher,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  10  Stück 
Felle  (aber  40  Stück  bei  russischen  Rauch- 
waren). Mhd.  techer,  mnd.  deker,  engl,  dicker 
m.,  aus  lat.  decuria  f.  «Zehnt». 

Dechsel,  f.  (PI.  -n):  Breitbeil,  Queraxt, 
Krummhaue.  IVfhd.  dehse  und  dehsel,  ahd. 
dehsa  und  dehsala.  Obd.  meist  mask.,  nd. 
Dessel  f.  Die  Formen  Deichsel,  Dächsei  und 
Dachsbeil  beruhen  auf  falscher  Anlehnung  an 
Deichsel  und  Dachs  (daher  deicliseln,  v.: 
mit  der  Dechsel  bearbeiten,  zurecht  hauen). 
Zu  mhd.  dehsen  «den  Flachs  schwingen»  eig. 
«schlagen»,  ai.  täksati  «behaut»,  lat.  texo 
«webe»,  gr.  t^ktuuv  m.  «Zimmermann». 

Deck,  n.  (-s) :  Verdeck  (s.  d.).  Aus  dem 
Ndd.-Ndl.  Zuerst  1716  bei  Ludwig  verzeichnet. 

Decke,  f.  (PI.  -n)  -.  über  etwas  Befindliches, 
das  es  dem  Blicke,  der  Kenntnisnahme  ent- 
zieht. ]\Ihd,  decke,  ahd.  decchi,  decki  f.  Von 
decken,  V. :  zu  Entziehung  für  Wahrnehmung, 
zum  Schutz  etwas  damber  oder  davor  machen. 
Wcidi. decken  (Vr'üi.dacte,  Vari.gedact, gedecket), 


337 


dedizieren 


degradieren 


338 


ahd,  decchen,  decken;  dazu  ndl.  deJcken,  afries. 
thekka,  ags,  ßeccan,  engl,  thatch,  anord.  ßekja, 
schwed.  täcka,  dän.  däkke.  Zu  Dach  (s.  d.), 
mittelst  eines  ^-Suffixes  gebildet.  Das  Prät, 
dackte  (bei  Luther  deckte,  decket)  kommt  noch 
im  16.U.  17. Jh.  zuweilen  vor;  das  VdA'i. geduckt 
hat  sich  als  technischer  Ausdi-uck  (bei  den 
Orgelbauern)  erhalten.  ABL.  Deckel,  m. 
(-S,  PI.  wie  Sg.),  spätmhd.  Deckung,  f., 
von    Adelung    1793    noch    nicht    angeführt. 

ZTJS.  Deckbette,  meist  Deckbett  n.,  1482 

im  Voc.  theut.  e  7*^  deckpef.  Deckmantel, 
m.,  mhd.  deckemantel  m.,  auch  schon  über- 
tragen (vgl.  hemänteln). 

dedizieren,  v.:  \\ädmeu,  jemandem  zu- 
eignen. Aus  dem  gleichbed.  lat.  dedicäre. 
1531  bei  Hedio  Josephus  Ant.  188^  dediciern. 
ABL.  DedikatiÖn,f.:  Widmung,  Zueignung. 
Im  16.  Jh.  bei  Fischart  2,  284  (Km-z)  dedi- 
cation,  aus  lat.  dedicätio  f. 

deduzieren,  v.:  durch  Schlußfolgerung 
herleiten  und  dartun.  Aus  lat,  dedücere,  eig. 
«herabführen».  Schon  bei  Rot  1571  deducirn. 
ABL.  Deduktion,  f.:  Herleitung  dui-ch 
Schlüsse;  Beweisführung  (Script,  rer.  Siles. 
4,  256  vom  J.  1579  deduction).  Aus  lat. 
deductio  f. 

Defekt,  ni.  {-es,  PI.  -e):  Mangel  worin. 
Aus  dem  gleichbed.  lat.  defectus  m.,  von  defi- 
cere  «fehlen».  Bei  Rot  1571  Defect  (Ger- 
mania 28,  364  ein  Beleg  von  1531),  —  De- 
fizit, n. :  Ausfall  an  Geld,  Fehlsumme.  Aus 
der  3.  Sg.  Präs.  Ind.  deficit  von  deficere.  1729 
in  Stoppes  Ged.  2,  121  bereits  in  bildlicher 
Anwendung  (Mangel  an  Körperfülle). 

defensiv,  adj.:  der  Verteidigung  dienend. 
Aus  dem  gleichbed.  mlat.  defensivus,  abge- 
leitet von  lat.  defensio  f.  «Verteidigung»,  von 
defendere  «verteidigen».  Frühnhd.  (1541  bei 
Liliencron  4,  180  defensiven  weis).  Defen- 
sive, f.:  Verteidigung,  1626  bei  Stettier 
Schweizerchronik  2,  189^.  Defensivkrieg, 
m.,   1617  bei  Wallhausen  Corp,  mil.  4, 

defilieren,  v.:  reihen-,  zugweise  vorbei- 
marschieren. Aus  franz.  defiler  «in  einer 
Reihe  hintereinander  gehen»,  von  file  m.  «Fa- 
den, Reihe»,  das  aus  lat.  filum  n.  «Faden». 
1703  im  Zeitungslex.  Davon  Defil^e,  n.  (-s, 
PI.  -s):  Enge,  Engpaß.  Aus  franz.  defile  m. 
1703  im  Zeitungslex.  defilees  «enge,  verhauene, 
schlammigte  Wege». 

definieren,  v.:  unterscheidend  erklären, 
einen  Begriff  bestimmen.  Aus  lat,  deflnire 
«ab-,  begrenzen,  im  Begriffe  bestimmen»,  wor- 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


aus  schon  mhd.  diffinieren  «bestimmen,  fest- 
setzen». Definition,  f. :  Begriffsbestimmung. 
Aus  lat.  definUio  f.  Frühnhd.  (Luther  5, 
276 *>  Jen.),  definitiv,  adj.:  abschheßend, 
unwiderruflich.  Aus  lat.  deßmtnms  «  bestimmt, 
begrifi'sbestimmt».     Bei  Wächtler  1711. 

Defizit,  s.  Defekt. 

deftig,  adj.:  tüchtig,  trefflich.  Aus  dem 
Xdd.  in  die  hd.  Umgangssprache  eingedrungen, 
auch  ndl.  deftig.  Zu  ags.  gedceft  «passend», 
engl,  deft  «niedlich,  geschickt»,  abgeleitet  von 
dem  V,  got.  gadahan  «passen».  Bei  Schottel 
1663  verzeichnet. 

^ Degen,  m.  (-s,  PL  wie  Sg.):  tüchtiger 
Kriegsmann.  Mhd.  degen,  ahd.  degan  m. 
«männhches  Kind,  Knabe,  Diener,  Gefolgs- 
mann, tapfrer  Kriegstnann,  Held»;  dazu  asächs. 
thegan  m.  «Knabe,  Diener,  Mann»,  ags.  ßegn 
«Diener,  Mann,  Ritter»,  engl,  thayie  «Frei- 
herr», anord.  ßegn  m.  «freier  Untertan,  freier 
Mann».  Das  Wort  bedeutet  urspi-.  «Knabe» 
und  stimmt  der  Lautverschiebung  gemäß  mit 
gr.  xeKvov  n.  «Erzeugtes,  Kind»,  zu  TiKxeiv 
«erzeugen,  gebären».  Xicht  zu  -Degen.  Es 
wurde  im  15.  bis  18.  -Jh.  nur  selten  gebraucht 
und  Stieler,  Steinbach,  Frisch  führen  es  nur 
als  veraltet  auf;  1759  wurde  es  aber  von 
Lessing  im  Anschluß  an  Logau  empfohlen 
und  von  ihm  (Em.  Galotti  1,  4),  sowie  von 
Wieland,  Bürger,  Goethe,  Schiller  (Jungfr. 
V.  Orl  ProL  3),  Uhland,  E.  M.  Arndt  usw. 
wieder  als  edler  Ausdruck  aufgenommen. 
Aus  der  Anlehnung  an  -Degen  erklären  sich 
Bildungen  wie  Hau-,  Raufdegen. 

^ Degen,  m.  {-s,  PL  wie  Sg.):  Ehren-  und 
Standes waffe.  Zuei'st  im  15.  Jlo.,  aber  in  der 
Bed.  «Dolch»,  1507  bei  Wilwolt  von  Schaum 
bürg  124  langer  legen;  auch  von  Luther  ge 
braucht,  aber  nicht  in  der  Bibel  (Rieht,  3 
16  änderte  er  stoßdegen  in  Schwert),  bei  Dasy 
podius  1537  als  dägen  «gladiolus»  verzeichnet 
Entsprechend  franz.  dague,  ital.-span.  daga 
engl,  dag,  mlat.  dagga  f.,  deren  Herkunft  un- 
sicher ist.  Im  Älternhd.  auch  Dege,  Deg 
(Tag  Gryphius  Trauersp,  40). 

degenerieren,  v.:  ausarten.  Aus  dem 
gleichbed.  lat.  degeneräre,  vom  Adj.  degener 
«entartet».     Schon  bei  Rot  1571. 

degradieren,  v.:  der  Würde  entsetzen. 
Mhd,  degradieren,  digradiei'en  «der  Würde 
entsetzen»,  namentlich  bei  Geistlichen,  «der 
Weihe  benehmen»,  aus  dem  gleichbed.  mlat. 
degradare,  dessen  gradare  von  lat.  gradus  m. 
«Stufe,  Rang». 

22 


339 


dehueu 


deklinieren 


340 


dehnen,  v. :  in  die  Länge  ziehen,  ausein- 
ander ziehen.  Mhd.  denen,  auch  dennen,  ahd. 
dennen;  dazu  asächs.  thenian,  ags.  penian, 
anord.  J>enja,  schwed.  tänja,  got.  panjan  (in 
ufpanjan).  Verwandt  mit  gr.  reiveiv  «spannen», 
aind.  tanöti  «dehnt,  spannt»,  lat.  tendere, 
«spannen»  usw.  mit  reicher  Verzweigung. 
S.  auch  dinsen,  Dohne,  dünn.  ABL.  dehn- 
bar, adj.,  bei  Adelung  1774.  Dehming,  f., 
bei  Henisch  1616. 

Deich,  m.  (-es,  PI.  -e):  Schutzdamm  gegen 
Wasser.  Mhd.  tich,  dich  m.  aus  dem  gleich- 
bed.  mnd.-mnl.  dik  m.  (schon  andd.  dik),  da- 
zu afries.  dlk,  ags.  dik  m.,  engl,  dike  (auch 
ditch  «Abzugsgraben»),  anovd.  diki  n.,  dän.  dige. 
Eig.  identisch  mit  Teich  (s.  d.),  aber  in  halbndd. 
Lautform  (doch  älternhd.  auch  oft  Teich,  so 
noch  beiLudwigl716  und  Frisch  1741,  während 
das  reinndd.  Diek  bei  Schottel  1663  steht 
und  auch  Ludwig  1716  bekannt  ist).  ABL. 
deichen,  v. :    einen  Schutzdamm   errichten. 

Mndl.  diken.  ZUS.  Deichgraf,  Deichgräfe, 

m.:  Oberaufseher  über  das  Deich wesen  einer 
Landschaft,  Deichhauptmann.  Norddeutsch, 
1591  bei  Spangenberg  Adelsspiegel  1,  323 
Teichgrave.     Mnd.  dikgreve  m.     S.  Graf. 

Deichsel,  f.  (PI.  -n)-.  Wagenstange  zwi- 
schen den  Zugtieren.  Mhd.  dihsel,  ahd.  dih- 
sala  f.;  dazu  andd.  tMsla,  ndl.  dissel  m.,  ags. 
ßixl,  ßlsl,  anord.  ßisl  f.  Grundform  *pinhslä 
und  daher  zu  lat.  temo  (aus  *tenxmo)  m. 
pr.  teansis  «Deichsel»,  aus  *tenksis.  Vgl. 
noch  Osthoff  Idg.  Forsch.  8,  36.  Im  altern 
Nhd.  die  Nebenformen  Deistel  (auch  bei 
Luther)  und  Deisel. 

deichseln,  s.  Dechsel. 

^dein,  erweitert  deiner:  Gen.  Sg.  von 
du  (s.  d.).  Mhd.-ahd.  din,  asächs.-afries.  thin, 
ags.-anord.  ßin,  got.  peina.  Seiner  Bildung 
nach  zu  dem  possessiven  '^dein  gehörig.  Das 
erweiterte  deiner,  schon  mhd.  vereinzelt  diner, 
ist  bei  Luther  noch  selten  (in  der  Bibel  nur 
5.  Mos.  13,  17),  doch  führen  es  die  Gram- 
matiker Ölinger  und  Clajus  neben  d.  an  und 
Schottel  gibt  der  längern  Form  den  Vorzug. 

^dein,  besitzanzeigendes  Pron,  der  2.  Per- 
son. Mhd.-ahd.  din,  asächs.-afries.  thm,  ags. 
ßin,  engl,  thy,  thine,  anord.  J)in7i,  schwed.-dän. 
din,    got.  ßeins.     Von   du    (s,  d.)  abgeleitet. 

deinesgleichen,  erstarrte  Genetivform, 
mhd.  di7ies  geliehen.  Im  Mhd.  ist  in  dhi  geliche 
«der  dir  gleich  ist»  sowohl  das  Possessiv  als 
das  substant.  geliche  mit  Flexion  versehen, 
z.  B.  er  vant  dinen  geliehen. 


deinet-  in  deinethalhen ,  -wegen,  -willen, 
hervorgegangen  aus  dem  im  Frühnhd.  noch 
vorkommenden  deinent-,  mit  angetretnem  t 
aus  deinen,  das  in  deinethalhen  (aus  deinen 
halben)  und  deinetwegen  (aus  deinen  ivegen) 
als  Dat.  PL,  in  deinetivillen  (bei  Luther  noch 
vmh  deinen  tvillen)  als  Akk.  Sg.  anzusehen  ist. 

deinig,  adjektivische  Bildung,  die  immer 
den  Artikel  vor  sich  hat.  Am  Ende  des  16. 
Jh.  entstanden;  1663  bei  Schottel  S.  541  an- 
geführt, 

Deise,  f.  (PI  -n):  Gestell  im  oder  am 
Schornsteine  zum  Trocknen  von  Holz  oder 
Fleischwaren.  Im  15.  Jh.  thüring.  und  1469 
mittelrhein.  (Voc.  ex  quo)  deyse,  auch  mnd, 
deise  (Crecelius  260).  Jetzt  in  Hessen,  Elsaß, 
Kärnten  usw. 

Deist,  m.  (-en,  PI.  -en):  Gottgläubiger 
ohne  OiFenbarungsglauben.  Aus  engl,  deist, 
franz.  deiste  m.,  abgeleitet  von  lat,  deus  m. 
«Gott»,  Bei  Sperander  1728.  Vgl.  Ladendorf 
Hist.  Schlagwb.  47.     ABL.  deistisch,  adj. 

Deixel,  m.,  Entstellung  aus  Teufel  (s.  d.) 
Schon  im  17.  Jh. 

Dekade,  f,  (PI.  -n):  Zahl  von  10.  Aus 
dem  gleichbed.  franz.  decade  f.  von  gr.  bcKclc 
(Gen.  beKöboc)  f.  «Abteilung  von  10».  Im 
spätem   18.  Jh.  entlehnt. 

Dekagramm,  n,:  lO  Gramm,  Deka- 
meter, n,:  10  Meter.  Durch  Reichsgesetz 
von  1868  eingeführte  Benennungen,  entlehnt 
aus  franz.  decagramme  m.  und  decametre  m., 
deren  deca  aus  gr.  biKa  «zehn». 

Dekan,  m.  (-s,  PI.  -e):  Obergeistlicher; 
Fakultätsvorstand.  Mhd,  und  spätahd,  dechan. 
techan  m.,  aus  lat.  decänus  m.  «Vorgesetzter 
von  10,  z.  B.  10  Mönchen».  S.  auch  Dechant. 
ABL.  Dekanat,  n.:  Amt  und  Amtsbezii'k 
des  Dekans.  Aus  mlat.  decanatus  m.  Bei 
Wächtler  1711. 

deklamieren,  v.-.  im  Redeton  laut  vor- 
tragen. Aus  lat.  declämäre.  Schon  bei  Rot 
1571  declamirn.  ABL.  Deklamation,  f,: 
Redevortrag.     Aus  lat.  declämätio  f. 

deklarieren,  v.:  sich  woi-über  erklären. 
Schon  mhd.  declariren  (Mon.  Boica  43,  401 
vom  J.  1381),  von  lat.  decläräre.  ABL.  De- 
klaration, f.  Aus  lat.  declärätio  f.  1495 
Declaration  (Reichsordn.  19^). 

deklinieren,  v.:  nach  Zahl  (Numerus) 
und  Fall  (Kasus)  biegen.  Schon  mhd.  de- 
cliniren,  aus  lat.  decHnäre  eig.  «abbiegen». 
ABL.  Deklination,  f.  Aus  lat.  decllnätio 
f,     Frühnhd.  (Luther  7,  20^  Jen.). 


341 


dekolletieren 


Demut 


342 


dekolletieren,  v.:  den  Hals  entblößen. 
Aus  franz.  äecolleter,  zusammengesetzt  aus  de, 
lat.  dis  «weg  von,  ent-»  und  collet  «Kragen», 
von  lat.  Collum  u.  «Hals».    Xeue  Entlehnung. 

dekorieren,  v.:  verzieren,  schmücken. 
Aus  dem  gleichbed.  lat.  decoräre.  Schon  bei 
Rot  1571.  ABL.  Dekoration,  f.:  Verzie- 
rung; Ehrenzeichen.  Aus  dem  lat.  decorätio 
f.  «Ausschmückung».  —  Dekorum,  n.: 
Wohlanständigkeit,  Anstand.  Das  lat.  de- 
cörum  n.,  das  Neutr.  des  Adj.  decönis  «zier- 
lich, fein,  wohlanständig».  Im  spätem  18.  Jh. 
üblich  geworden  und  bei  Campe  1811  ver- 
zeichnet. 

Dekret,  n.  (-es,  PI.  -e) :  gerichtlicher  Be- 
scheid; obrigkeitliche  Verordnung.  Schon 
mhd.  decret  n.,  aus  lat.  decretum  n.  «Ent- 
scheidung», dem  Neutr.  des  Part.  Perf.  Pass. 
von  decernere  «entscheiden».  ABL.  dekre- 
tieren,-v.:  Bescheid  erteilen,  beschließen. 
Aus  mlat.  deo'etare.  Frühnhd.  decretiren 
(Script,  rer.  Siles.  4,  252  vom  J.  1579). 

delektieren,  refl.  v.:  sich  woran  erfreuen. 
Aus  dem  gleichbed.  lat.  deledäre.  1643  im 
Sprachverderb  er  als  modisches  Fremdwort 
angeführt. 

delikat,  adj.:  fein  und  wohlschmeckend; 
zartfühlend;  heiklig.  Aus  dem  gleichbed. 
franz.  delicat,  das  auf  lat.  delicdfus  «üppig, 
verzärtelt,  wählerisch»  beruht.  In  der  l.Bed. 
1653  bei  Harsdörffer  mathem.  Erquickstun- 
den 3,  563,  in  der  Bed.  «heikel»  1598  bei  Al- 
bertinus  Sendschreiben  1,  114^.  ABL.  Deli- 
katesse, f.:  Leckerei  (1668  bei  Erasmus 
Francisci  ost-  u.  westind.  Staats-  und  Lust- 
garten 1,  318*);  Zartgefühl  (bei  Weise  Erz- 
narren 123).     Aus  franz.  delicatesse  f. 

Delinquent,  m.  {-en,  PI.  -en):  verhafteter 
Verbrecher.  Aus  lat.  delinquens  (Gen.  delin- 
quentis),  dem  Part.  Präs.  von  delinquere  «sich 
vergehen  ».  1626  bei  Stettier  Schweizerchronik 
2,  496*  Delinquant,  1655  bei  Abele  Gerichts- 
händel 252  Delinquent. 

Delle,  s.  Teile. 

Delphin,  m.  (s,  PI.  -e):  eine  Walfisch- 
art. Schon  mhd.  delfm,  telfhi,  aus  gr.-lat. 
delpMnus,  gv.  be\qpiv  m.  Bei  Schiller  11, 
.270  Neutr. 

Demagög,  m.  (-en,  PI.  -en):  Volksführer, 
Volksverführer.  Aus  gr.  brmafuuYÖc  (bfnuoc 
ra.  «Volk»,  -aYUj-foc  zu  äyeiv  «führen,  leiten»). 
Im  18.  Jh.  entlehnt  (bei  Heynatz  1775j.  ABL. 
Demagogie,  f.  Aus  gr.  briua-fuj-fia  f.  «de- 
magogisch»,  adj. 


Demant,  s.  Diamant. 

demnach,  adv.,  das  eine  Folge  anzeigt. 
Fiühnhd.,  zunächst  wohl  in  der  Kanzlei- 
sprache (im  15-  Jh.  bei  Nicl.  v.  Wyle  352, 
27,  ferner  1509  bei  Janssen  Frankf.  Reichs- 
kon-. 2,  763),  auch  in  temporaler  «nachher, 
nachdem»  und  kausaler. Verwendimg  «weil», 
doch  bei  Luther  schon  in  der  jetzigen  «des- 
halb, mithin,  folglich». 

demnächst,  adv.:  unmittelbar  danach; 
in  kurzer  Zeit.  Im  16.  Jh.  aufkommend 
(Galmy  1588  demnechst). 

demohngeachtet,  s.  demungeachtet. 

Demokrat,  m.  (-en,  PI.  -e«):  Anhänger 
der  Volksherrschaft.  Aus  dem  gleichbed. 
franz.  deniocrate  m.,  das  aus  gr.  briuoRpoireia 
(s.  d.  folg.)  gebildet  ist.  Im  18.  Jh.  ent- 
lehnt (Klopstock  Oden  171).  —  Demokratie, 
f.:  Volksherrschaft.  Aus  franz.  democratie. 
das  auf  gr.  briuoKpdTeia  (bfjiuoc  m.  «Volk», 
-Kpareia  zu  Kpareiv  «herrschen»)  beruht.    Bei 

Wächtler  1714.    demokratisch,  adj. 

demolieren,  v. :  niederreißen,  schleifen. 
Aus  dem  gleichbed.  franz.  demolir  oder  auch 
wie  dieses  aus  lat.  demö  Irre.  Bei  Krämer  1678 
und  fiiiher. 

demonstrieren,  v.:  hin-,  erweisend  ver- 
anschaulichen. Aus  lat.  demonsträre  «vor 
Augen  stellen,  dartun,  zeigen,  weisen,  be- 
haupten». Schon  bei  Rot  1571  demonstrirn. 
^-Bi. Demonstration, f.:  Darlegung;  Droh- 
bewegung. Aus  lat.  demonstratio  f.  Im  18.  Jh. 
entlehnt.  demoUStratlT,  adj.  Aus  lat. 
demonsträtivus.  Im  18.  Jh.  entlehnt.  Daher 
das  Demonstrativ,  lat.  (pronomen)  demon- 
strätivum,  das  hindeutende  Fürwort. 

demungeachtet,  Konj.,  die  einen  Gegen- 
satz anzeigt  «trotzdem».  Älternhd.  auch  in 
der  entstellten  Form  demohngeachtet  (noch 
bei  Lessing  2,  559).  Wohl  friih  im  17.  Jli. 
aufgekommen. 

Demut,  f.:  Selbsterniedrigung.  Mhd.  die- 
miiete,  diemuot,  demuot  (mit  demselben  Laut- 
übergang wie  in  Demant,  s.  Diamant),  ahd. 
diumuoti,  deomuoti  f.,  von  dem  Adj.  ahd.  diu- 
muoti,  deomuoti,  mhd.  diemüete,  diemuot.  de- 
muot, eig.  «die  Gesinnung  eines  Dienenden 
habend,  demütig,  herablassend»,  das  zusammen- 
ges.  ist  aus  ahd.  deo,  got.  pins  m.  «Knecht, 
Diener»  (s.  dienen,  Dirne)  und  dem  von  ahd. 
mMO^« Mut»  abgeleiteten  Adj.  -muoti <!.-vaviiig-». 
Das  Wort  ist  durch  das  Christentum  ge- 
schaffen worden.  Die  Form  Demut  (für  De- 
müte,  Diemüte)  dringt  xmter  Einfluß  von  Ar- 

22* 


343 


denen 


Depositen 


344 


mut  dmch.  ABL.  demütig,  adj.,  mhd. 
diemüetic,  demüetic,  spätahd.  diemuottg.  Da- 
von demütigen,  v.,  mhd.  diemüetegen,  de- 
müetegen  (neben  den  von  dem  Subst.  abge- 
leiteten diemüeten). 

denen.  Dat.  PL  des  demonstrativen  und 
relativen  der,  die,  das.  Eine  im  15.  Jh.  auf- 
gekommene Erweiterung  des  mhd.  den,  ahd. 
dem,,  an  das  die  Endung  des  Dat.  PI.  noch- 
mals angetreten  ist.  Vom  Demonstr.  wird 
jetzt  nur  noch  denen  gesetzt,  wenn  der  Dat. 
allein,  also  substantivisch  steht,  während  älter- 
nhd.  bis  tief  ins  18.  Jh.  auch  mitunter  denen 
als  Dat.  PI.  des  Artikels  erscheint. 

dengeln,  v.:  kaltes  Eisen  durch  wieder- 
holtes Hämmern  schärfen.    Mhd.  tengeln,  auch 
überhaupt  «zuschlagen, klopfen», ahd. begegnet  \ 
tangeläri  m.  «Kaltschmied».   Zu  ahd.  tangol  m.  j 
«Hammer»,  ferner  mhd.  tengen  (in  widertengen) 
«schlagen,   klopfen»,   ags.  dencgan  «stoßen», 
engl.  Ägr  «schlagen»,  anord.dengja  «schlagen»,  i 
aschwed.  diunga,  schwed.  dänga  «heftig  klop-  [ 
fen»,  dän.  dünge  «bläuen,  prügeln»,  aus  denen 
ein   starkes  V.  ahd.  *dingan   zu    erschließen 
ist.     Die  zu  erwartende  Form  tengeln  noch 
bei  Frisch  1741,   dengeln   (mit   der  üblichen 
Yertauschung  von  d  und  t  wie  in  Daus  usw.) 
schon  frühzeitig  im  Obd. 

Denkart,  s.  denken. 

denken,  v.  (Prät.  dachte,  Konj.  dächte, 
Part,  gedacht):  geistestätig  sein.  Mhd.  denJcen 
(Prät.  dähte,  Konj.  dcehte,  Part,  gedäht),  ahd. 
denchen,  denken;  dazu  asächs.  thenkian,  ndl. 
denken,  afries.  thenkia,  agä.pencan,  engl,  think, 
&nor ä.  ßenkja,  schwed.  tänka,  dän.  tanke,  got. 
ßagkjan.  Mit  einem  j- Suffix  zu  derselben 
Wurzel  gebildet,  zu  der  auch  dünken  (s.  d.) 
gehört  und  genau  entsprechend  lat.  tongere 
«nosse,  scire»,  osk.  tanginüd  «sententia».  ABL. 
denkbar,  adj.  Erst  bei  Adelung  1793  an- 
geführt. Denker,  m.  Bei  Adelung  1774, 
aber  als  gezierter  Ausdruck  empfunden.  ZUS. 
Denkart,  f.:  Eigentümlichkeit  des  Denkens 
über  die  sittlichen  Verhältnisse,  um  1750 
aufgekommen  (Wieland  Suppl,  2,  106.  Her- 
der 1,  15  u.  a.),  daneben  auch  Denkungsart 
(1739  bei  Liscow  803,  bei  Lessing  1,  283), 
das  von  Heynatz  1775  als  gewöhnlicher  be- 
zeichnet wird,  und  im  18.  Jh.  Denkensart 
(Gombert7, 18).  Denkfreilieit,  f.,  1739  bei 
Liscow  809 fg.  Denkmal,  n.  (PL  Denk- 
mäler),  bei  Luther.  Denkmünze,  f.,  bei 
Adelung  1774.  Denkschrift,  f.,  im  17.  Jh. 
gebildet  (1716  beiLudwig  vei-zeichnet).  denk- 


würdig, adj.,  frühnhd. (Rollenhagen Froschm. 
3, 1, 4).  Davon  Denkwürdigkeit,  im  17.  Jh. 
gebildet  (vgl.  Gombert  7,  19).  Denkspruch, 
m.,  1663  bei  Schottel  S.  428.  Denkzettel, 
m.  Bei  Luther  Denkzedel  noch  im  urspr. 
Sinn,  daneben  im  16.  Jh.  auch  schon  bildlich. 

denn,  Konj.,  die  1)  die  Gedankenfolge, 
den  Erläuterungsgrund  anzeigt,  2)  zur  Ver- 
gleichung  dient,  wie  «als»  nach  Kompara- 
tiven, 3)  eine  Ausnahme  bezeichnet  in  Sätzen 
wie  es  sei  denn.  Eig.  eins  mit  dann  (s.  d.) 
und  daher  urspr.  die  Zeitfolge  bezeichnend. 
Von  dann  wird  denn  um  die  Mitte  des  18.  Jh. 
geschieden. 

dennoch,  eine  den  Gegensatz  nachdrück- 
lich hervorhebende  Konj.  Mhd.  dannoch,  den- 
noch, zusammengeflossen  aus  ahd.  danne  noh 
«noch  zu  dem  Zeitpunkt,  dann  noch,  da  noch», 
woher  schon  in  mhd.  dannoch  die  Bezeichnung 
des  Gegensatzes. 

denunzieren,  denuuziieren,  v.:  zur 
Anzeige  bringen.  Aus  lat.  denunciäre  an- 
zeigen. Frühnhd.  (Reichsordnungen  71  v.  J. 
1512).  ABL.  Denunziant,  m.  {-en,  PL  -en): 
Angeber.  Aus  dem  lat.  Pai't.  Präs.  denun- 
cians  (Gen.  denunciantis).  Ein  Beleg  von 
1703  bei  Gombert  8,  3.  Denunziation,  f.: 
Angeberei,  aus  dem  J.  1554  belegt  bei  Gom- 
bert 8,  3.     Aus  lat.  denunciätio  f. 

Depesche,  f.  (PL  -n):  Eilbotschaft,  Eil- 
schreiben. Aus  dem  gleichbed.  franz.  depeche 
f.,  ital.  dispaccio  m.,  von  franz.  depecher, 
ital.  dispacciare  «losmachen,  abfertigen».  Bei 
Nehi'ing  1710;  1703  im  Zeitungslex.  Depeches. 

deponieren,  v.:  niederlegen,  bes.  zur  Auf- 
bewahrung. Aus  lat.  depönere  «ab-,  nieder- 
legen». Schon  bei  Rot  1571.  Deponieren 
und  Deposition  f.  waren  Ausdrücke  für  die 
ehemals  auf  Universitäten  übliche  Einweihung 
der  jungen  Studenten  in  das  akademische 
Leben,  schon  im  16.  Jh.  als  alter  Brauch  be- 
zeichnet (0.  Schade  im  Weim.  Jahrb.  Bd.  6). 
—  Depositen,  PL:  in  gerichtliche  Ver- 
wahrung niedergelegte  Gelder;  gegen  Zinsen 
aufgenommene  Handelsgelder.  Aus  dem  PL 
von  mlat.  depösituni,  subst.  Neutr.  des  Part. 
Perf.  Pass.  depösitus  von  depönere.  Bei  Wächt- 
ler 1714  Depositen- Gelder. 

Deportation,  f.:  Landesverweisung,  Ver- 
bannung. Aus  lat.  deportätio  f.,  von  depor- 
täre  «verbannen»,  eig.  «wegschaffen».  In  der 
frähnhd.  Rechtssprache  (Brant  Layenspigel 
dd  10). 

Depositen,  s.  deponieren. 


345 


deputieren 


dermalen 


346 


deputieren,  v. :  abordnen.  Aus  lat.  dipu- 
täre  «einem  etwas  bestimmen».  Im  16.  Jb. 
entlehnt  (kursäcbs.  Schulordnung  von  1580). 
ABL.  Deputat,  n.:  als  Anteil  Zukommen- 
des, besolduDgsmäJßiges  Einkommen.  Aus  lat. 
deputätmn,  dem  substantivisch  gesetzten Xeutr. 
des  Part.  Perf.  Pass.  von  äeputäre.  Im  16.  Jh. 
Deputation,  f.:  Abordnung;  Gesamtheit  von 
Abgeordneten.  Im  16.  Jh.  (Germania  29,  350 
ein  Beleg  vom  J.  1569),  aus  mlat.  deputatio  f. 

der,  die,  das,  demonstratives  und  rela- 
tives Pronomen,  sowie  bestimmter  Artikel. 
In  der  1.  Anwendung  mhd.-ahd.  der,  diu,  da^; 
dazu  asächs.  fhie,  thiu,  that,  ndl.  die,  die,  daf, 
afries.  thi,  thiu,  thet,  femer  mit  abweichen- 
der Form  des  Xom.  Sg.  M.  und  F.  ags.  se, 
seo,  thcet  (engl,  für  alle  Geschlechter  und 
Kasus  unverändert  tha{),  anord.  sä,  sü,  ßaf 
(schwed.-dän.  den  M.  F.,  det  X.),  got.  sa,  so. 
[pata  (in-  relativer  Verwendung  mit  -ei  ver- 
banden: saei,  söei,  ßatei).  Wie  in  diesen 
Sprachen  ergänzen  sich  verschiedene  Stämme 
in  gr.  6  (für  *so),  x]  (für  *se,  *sä),  t6  (aus 
*TÖb),  awest.  haut',  Jiä,  tat,  aind.  sa,  sä,  tad,  da- 
gegen wird  wie  im  Deutschen  der  eine  Stamm 
durchgeführt  in  lit.  täs  tä  tai,  abg.  tu,  ta,  to, 
auch  lat.  is-te,  ista,  istiid.  S.  auch  das,  denen, 
deren,  dero,  dessen,  deß. 

derart,  adv..  Zusammenrückung  der  Gen. 
«der  Art»  erst  neuerdings  als  ein  Wort  er- 
scheinend. ABL.  derartig,  adj..  Am  An- 
fang des  19.  Jh.  aufkommend  (vgl.  Gombert 
7,  19),  bei  Campe  1807  noch  nicht  ver- 
zeichnet. 

derb,  adj.  und  adv.:  zusammengedrängt 
und  fest;  (bildlich)  voU  Gewicht  und  Kraft 
einwirkend,  iihd.-ahd.  derp  ist  «ungesäuert», 
ebenso  meist  ags.  peorf,  anord.  pjarfr:  da- 
gegen ist  afries.  /Äer/" «heftig»  (von  Schlägen). 
Die  jetzige  Bed.  stammt  aus  dem  Xdd.  (mnd. 
derf  ist  «schlicht»),  und  erklärt  sich  durch 
Vermischung  mit  einem  Wort,  das  dem 
asächs.  derii  «feindlich,  ruchlos»  entspricht, 
sie  findet  sich  bei  Schottel  1663,  dann  bei 
Rädlein  1711  und  Ludwig  1716,  dagegen  bei 
Adelung  1774  «nur  im  gemeinen  Leben». 

dereinst,  adv.:  in  später  Zukunft.  Ver- 
bindung des  Gen.  der  mit  einst,  wohl  unter 
dem  Einfluß  von  dermaleinst,  derweil,  derzeit, 
oder  aus  dar  eins  mit  Beschränkung  des 
Sinnes  auf  die  Zukunft.  Schon  bei  Luther 
als  dereins  (auch  noch  1722  bei  Freyer  S.  81), 
dann  dereinst  (Gryphius  Trauersp.  384),  Vgl. 
ZfdU.  11,211.    ABL.  dereinstig,  adj.,  bei 


Adelung  1793  als  obd.,  1761  bei  Moser  Herr 
u.  Diener  315. 

deren.  Gen.  Sg.  F.,  sowie  Gen.  PI.  des 
demonstrativen  und  relativen  der,  die,  das. 
Daneben  im  Gen.  PI.  demonstrativ  derer. 
Schon  in  der  2.  Hälfte  des  15.  Jh.  erschei- 
nende Ei'weiterungen  von  der,  die  aber  Liither 
noch  nicht  gebraucht:  derer  steht  bis  ins 
18.  Jh.  auch  für  den  Artikel,  jetzt  werden 
beide  Fonnen  mix  substantivisch  gesetzt,  und 
zwar  steht  derer  für  den  Gen.  Plur.,  an  den 
sich  ein  Eelativpron.  anschließt,  und  in 
Wendungen  wie  (?erer  von  Quitzoiv,  deren 
in   den  übiigen   Fällen. 

derenthalben,  derentwegen,  adv.,  Zu- 
sammensetzung der  erweiterten  Form  des 
Gen.  Sg.  F.  und  des  Gen.  PL  von  der,  au 
die  t  angetreten  ist,  mit  den  Präp.  halben 
und  wegen.     Schon  im   16.  Jh. 

derer,  s.  deren. 

dergestalt,  adv.:  Ln  der  Weise,  Ver- 
bindung der  Gen.  Sg.  der  Gestalt,  zunächst 
wohl  in  der  Kanzleisprache  (z.  B.  Janssen 
Frankf.  Reichskorr.  2,  802  von  1510). 

dergleichen,  Verbindung  des  Gen.  der 
mit  dem  Adv.  gleichen  (mhd.  geliche  mit  an- 
getretnem  n),  demonsti'ativ  und  relativ,  als 
Adv.  sowie  un biegbares  Adj.  gebraucht.  Seit 
dem  15.  Jh.  (früher  auch  dergleich),  auch 
bei  Luther. 

derhalben,  Verbindung  des  Gen.  PI.  der 
mit  der  Präp.  halben  (s.  d.).  Frühnhd.  (auch 
derhalb).  iMhd.  derhalb,  derhalben  «auf  dieser 
Seite»  ist  Verbindung  des  Aiükels  mit  dem 
Dat.  Sg.  von  mhd.  halbe  f.  «Seite». 

deri vieren,  v.:  (ein  Wort  ab-,  herleiten. 
Aus  lat.  derwäre.  Schon  bei  Rot  1571.  ABL. 
Deriratiön,  f.:  Herleitung.  Aus  lat.  derh 
vätio  f. 

der-,  die-,  dasjenige,  Verbindung  des 
Artikels  mit  dem  von  jene)-  abgeleiteten 
jenige.  In  der  frühnhd.  Kanzleisprache  (Reichs- 
ordnungen 67  V.  J.  1507),  dann  auch  bei  Luther. 
Das  einfachere  derjene  findet  sich  im  15.  (z.  P.. 
bei  Xic.  V.  Wyle)   und   16.  Jh. 

derlei,  aneinandergemckte  Gen.  Sg.  F. 
oder  PI.,  in  dem  Sinne  von  «dergleichen», 
doch  etwas  geringschätziger.  Schon  mhd. 
der  leie  (s.  lei). 

dermaleinst,  Verbindung  der  Gen.  PI. 
der  male  mit  einst.  Bei  Luther  der  mal  eins 
und  der  mal  einst  (Sir.  6, 3).  Vgl.  noch  dereinst. 

dermalen,  adv.:  zu  gegenwärtiger  Zeit, 
zusammengerückte    Gen.  PI.    der    male    mit 


347 


dermaßen 


desto 


348 


angetretenem  n.  Bei  Ludwig  1716.  ABL. 
dermalig,  adj.,  1757  in  Meiers  Metaphysik 
3,  126,  häufig  bei  Wieland. 

dermaßen,  adv.:  in  der  Weise,  in  dem 
Grade,  zusammengerückte  Gen.  Sg.  der  maßen 
(in  schwacher  Flexion),  mhd.  der  mä^e.  In 
der  frühnhd.  Kanzleisprache  (Janssen  Frankf. 
ReichskoiT.  1,  624)   und   bei  Luther   üblich. 

dero,  in  höfischer  Anrede  erhaltner  alter- 
tümlicher Gen.  PI.  von  äe^'  und  die.  Ahd. 
dero,  im  Alemann,  in  dieser  Form  erhalten 
und  um  1500  in  die  allgemeine  Kanzleisprache 
eingedrungen  (z.  B.  Janssen  Frankf.  Reichs- 
koiT. 1,  908),  anfangs  demonstrativ  und  relativ, 
später  in  seinem  Gebrauch  beschränkt. 

der-,  die-,  dasselbe:  der,  die,  das  und 
kein  andrer,  keine  andre,  kein  andres.  Mhd. 
der  selbe,  diu  selbe,  da^  selbe,  ahd.  de^'  selbo, 
diu  selba,  dag  selba,  got.  das  2s  eutr.  pafa  silbö. 
Die  erweiterte  Form  derselbige  kommt  seit 
dem  15.  Jh.  und  bei  Luther  vor. 

derweil,  adv.:  während  der  Zeit,  zu- 
sammengerückte Gen.  Sg.  mhd.  der  wtle. 

Derwisch,  m.  (-es,  PI.  -e):  mohammeda- 
nischer Mönch.  Das  pers.  derwesch,  das  eig. 
«arm»  bedeutet.  Bei  Hagedorn  raoral.  Ged. 
154  Dervis,  wie  ndl.  dervis  m.,  aber  schon 
1530  bei  Seb.  Franck  Cronica  der  Türekey 
H  3  ^.  J  2  *  Dermschler. 

derzeit,  adv.:  zu  der  Zeit,  zusammen- 
gerückte Gen.  Sg.  mhd.  der  zite.  ABL. 
derzeitig,  adj.,  erst  im   19.  Jh. 

Desem  (auch  Desemer),  m.  (-s):  Schnell- 
wage. Aus  dem  Ndd.  bei  Voß  1,  165.  Da- 
neben und  urspr.  besemer,  mnd.  auch  bisemer, 
mit  altn.  bisniari  m.,  schwed.  besman,  dän. 
bisnier   aus   dem  gleichbed.  russ.  bezmen  m. 

desertieren,  v.:  fahnenflüchtig  werden. 
Aus  dem  gleichbed.  franz.  deserter  von  mlat. 
desertare,  abgeleitet  von  lat.  deserere  «ver- 
lassen». Im  17.  Jh.  ABL.  Deserteur, 
m.  (-S,  PI.  -e):  Fahnenflüchtiger.  Das  franz. 
deserteur  m.  aus  lat.  desertor  m.  Desertion, 
f.:  Fahnenflucht.  Aus  franz.  desertion,  f.  von 
lat.  desertio  f. 

desfalls,  adv.:  in  diesem  Fall,  zusammen- 
gerückte Gen.  Sg.,  von  Gombert  8,  4  aus 
dem  J.  1545  nachgewiesen.  J.BL.  desfallsig, 
adj.     In  der  neuern  Kanzleisprache. 

desgleichen,  Verbindung  des  Gen.  des 
mit  dem  Adv.  gleichen  (mhd.  geliche  mit  an- 
getretenem w),  als  Adv.  und  (wie  dergleichen) 
auch  als  Adj.  verwendet.  Schon  im  15.  Jh. 
des  glichen. 


deshalb,  adv.:  eig.  von  selten  (s.  halb) 
des  im  Vorhergehenden  Ausgedrückten,  in 
der  Rücksicht.  Ältemhd.  deshalben  (Nicl. 
v.Wyle  352,  28).  Die  Form  deshalb  kommt 
schon  im  15.  Jh.  vor  (Janssen  Frankf.  Reichs- 
korr.  1,  149),  dringt  aber  erst  im  18.  durch. 

designieren,  v. :  jemand  wozu  bezeichnen. 
Aus  lat.  designäre  «bezeichnen».     Im  17.  Jh. 

despektierlich,  adj.  und  adv.:  gering- 
schätzig, verächtlich.  Zusammenges.  mit 
despektiereu  <scliimpfen,  verachten»,  das  im 
17.  Jh.  aus  lat.  despectäre  «herabsehen»  ent- 
lehnt wurde  (bei  Nehring  1694).  Bei  Spe- 
rander  1728. 

desperat,  adj.:  verzweifelt.  Aus  lat. 
desperätus,  dem  Part.Perf.  Pass.  von  desperäre 
«ohne  Hoffnung  sein».  1575  bei  Fischart 
Garg.  266.  ABL.  DesperatiÖn,  f.:  Ver- 
zweiflung. Aus  lat.  d esper ätio  f.  Bei  Rot  1571. 

Despot,  m.  [-en,  Fl.-€7i):  Gewalt-,  Zwangs- 
herrscher. Aus  gr.  becTTÖTJTC  m.  «Gebieter, 
Herr,  unumschränkter  Gebieter».  Bei  Henisch 
1616,  als  Herrschertitel  1562  bei  Mathesius 
Sarepta  116^.  ABL.  despotisch,  adj.,  bei 
Leibniz  deutsche  Schriften  1,  231  vom  J.  1670. 

deß.  Gen.  Sg.  von  der,  in  der  poetischen 
Sprache  öfters  gesetzt,  wo  sonst  dessen  (s.  d.) 
gebraucht  werden  muß.  Eig.  identisch  mit 
des,  aber  mit  Rücksicht  auf  dessen  mit  ß 
geschrieben.  Fiüher  auch  meist  deßhalb, 
deßivegen  usw.  und  indeß,  unterdeß  (s.  d.  d.). 

dessen.  Gen.  Sg.  des  alleinstehenden  und 
so  substantivische  Geltung  habenden  demon- 
strativen und  relativen  der,  das.  Im  altern 
Nhd.  (noch  nicht  bei  Luther)  eingetretene 
Verlängening  der  Form  des.  Auch  in  den 
Zusammenschiebimgen  dessenthalben,  dessent- 
wegen, dessentwillen  mit  eingeschaltetem  /. 

Dessert,  n.  (-.s,  PI.  -s,  -e)-.  Nachtisch. 
Das  gleichbed.  franz.  dessert  m.  von  desservir 
«die  Speisen  abtragen».  In  der  2.  Hälfte 
des  18.  Jh.  eingedrungen  und  bei  Kindleben 
1781   aufgeführt. 

destillieren,  v.:  flüchtige  und  flüssige 
Teüe  wovon  durch  Wärme  in  verschlossenem 
Gefäße  absondern.  Aus  lat.  destilläre  «ab- 
träufeln». Im  15.  Jh.  (wie  auch  noch  später) 
distillieren  (bei  Nicl.  v.  Wyle  88,  9,  im  Voc.  ex 
quo  1469  distileren).  ABL.  Destillation,  f. 

desto,  den  Verhältnisgrad  vor  Kompa- 
rativen bezeichnend:  um  so.  Mhd.  deste 
(mit  komparativischer  Endung  deste}'),  auch 
noch  des  de,  des  die,  ahd.  des  diu,  was  der 
das  "Verhältnis  des  (ji-undes  anzeisrende  Gen. 


349 


deswegen 


Dezember 


350 


des  und  der  das  Verhältnis  des  Maßes  ein- 
schließende Instrumental  diu  ist.  Während 
Luther  sich  noch  der  Form  deste  bedient, 
findet  sich  sonst  im  16.  Jh.  auch  desto,  das 
Henisch  1616  aufführt. 

deswegen,  adv.:  aus  dem  Beweggrunde, 
Verbindung  des  Gen.  Sg.  des  mit  dem  prä- 
positioneilen i.cegen  (s.  d.).   Bei  Henisch  1616. 

Deul)e, f.:  Diebstahl.  Veraltet.  'Slhd.diuhe, 
ahd.  diuha  f.,  im  Got.  piuhi  n.     S.  Dieb. 

Deut,  m.  (-es,  PI.  -e):  kleinste  Münze. 
Aus  dem  ndl.  duit  m.  \/g  Stüber  (in  Cleve 
"/.  Pfennig  preuß.),  das  auf  anord.  pveit 
«eine  kleine  Münze»  (von  ßiita  «schneiden») 
zurückgeführt  wird.  Zuerst  bei  Ludwig  1716 
(Schottel  1663  hat  Dütge,  Rädlein  1711  Dwfgre«). 
Vgl.  Scherf. 

Deute  (Goethe  Herm.  7,  202),  f.,  s.  Tüte. 

deuten,  v. :  etwas  verständlich  machen: 
(erklärenrl)  zeigen.  Mhd.-ahd.  d.iuten;  dazu 
ndl.  duiden,  afries.  thioda  (in  hithiodd),  anord. 
ßyda,  schwed.  fyda,  dän.  tyde.  Urspr.  s.  v.  a. 
volksverständlich  machen,  in  der  Volkssprache 
auslegen,  abgeleitet  von  ahd.  diof  m.n.,  diota  f. 
«Volk»  (s.  deutsch).  ABL.  deuteln,  v.: 
m  gekünstelter  Weise  auslegen.  Bei  Luther, 
wie  auch  Deutelei  f  Deuter,  m.  in  Stern-, 
Traumdeuter  usw .  ^Ihd.dädcerem.  deutlich, 
adj.  und  adv.:  leicht  zu  erkennend  und  zu 
verstehend.  Mhd.  nur  als  adv.  dudliche  (auch 
diutecliche),  dazu  ndl.  du  idelijk,  während  Luther 
auch  das  Adj.  verwendet.  Deutung,  f.,  mhd. 
diutunge  f. 

deutsch,  adj. und  adv.,  dazu  substantivisch 

Deutscher  m.,  Deutsche  f.,  sowie  Deutsch 

n.  «die  deutsche  Sprache».  'Mhi.dmtischjdiutsch 
u.  tiutisch,  tnitsch,  tiuscJi,  dazu  asächs.  thiudisk, 
ndl.  duitsch  (daher  engl,  dutch  «holländisch»), 
a.gs.ßeodisc,  schwed.  (entlehnt^  tysJi,  dän. tydsk. 
Im  Got.  findet  sich  das  Adv.  piudiskö  «heid- 
nisch» (nach  gr.  ^Gviköic).  Abgeleitet  von 
ahd.  diot  m.  n.,  diota  f.,  asächs.  thiod,  thioda  f., 
ags.peod  f.,  got.piud.at  «Volk,  Volksstamm»; 
dazu  lit.  tatitä  f.,  ah*,  tuath,  osk.  touto  f.  «Volk». 
Die  ursprüngliche  Bed.  des  Wortes  ist  daher: 
dem  Volke  eigen,  volksmäßig,  national,  und 
zwar  st^ht  es  im  Deutschen  von  dem,  was 
unserm  Vaterland  angehört,  zunächst  von 
unsrer  Sprache  als  der  Volkssprache  gegen- 
über der  in  der  Kirche  nnd  bei  den  Ge- 
lehrten gebrauchten  lateinischen,  dann  auch 
von  unserm  Volke  (asächs.  thiudisca  liudi 
«Gennania»).  Das  auf  ahd.  diniisc  beruhende 
nilat.  theodisais.  theotiscns  kommt  schon  seit 


788  vor.  Vgl.  J.  Grimm  Gramm.  1=^,  13  tf., 
H.  Fischer  Btr.  18,  203  ff.  Im  altern  Nhd. 
wird  deutsch  (bei  Luther  deudsch)  und  teuf  seh 
geschrieben,  dies  besonders  bei  Oberdeutschen, 
doch  auch  bei  Mitteldeutschen;  teutsch  wird 
von  Duez,  Klrämer,  Stieler,  Ludwig,  Frisch 
angesetzt,  während  Schottel,  Gottsched  und 
Adelung  sich  für  deutsch  entscheiden.  Die 
Schreibung  teutsch  erhält  sich  bis  ins  19.  Jh. 
hinein,  verschwindet  aber  dann,  nachdem  sie 
J.  Grimm  (irrtümlich,  da  doch  mhd.  tiutsch 
zugrunde  liegt)  als  falsch  bekämpft  hatte. 
ABL.  deutschen,  v.:  auf  deutsch  sagen 
(mhd.  tiutscheri,  noch  bei  Stieler  1691  teutschen, 
dann  durch  verdeutschen  verdrängt;  bei  Goethe 
6, 110  teutschen  =  deutschtümeln).  Deutsch- 
heit,  f.  Bei  Stieler  1691,  aber  erst  nach 
1750  in  der  Bed.  «deutsche  Art»  recht  üblich 
geworden  (im  15.  Jh.  bei  Osw.  v.  Wolken- 
stein tiiitschecheit).  Deutschtum,  n.  Erst 
nach  1815  aufgekommen.  Dazu  (in  herab- 
setzendem Sinn)  deutsch tibn ein  v.  und  Deutsch- 
tilmelei  f.  ZUS.  Deutschland,  n.  Im  15.  Jli. 
als  Zusammensetzung  TiutschJand  (früher  dag 
tiutsche  lant,  daneben  derPlur.,  z.B.  diatsche 
laut  im  Annolied),  doch  auch  öfter  noch  mit 
Flexion  des  1.  Bestandteils  (auch  bei  Luther). 
Vgl.  Hildebrand  Kleine  Sehr.  217. 

DCTlSe,  f :  Wahl-,  Sinnspnich.  Aus  franz. 
devise,  ital.  divisa  f.  «Abteilung,  Wahl,  Wahl- 
spmch,  Unterscheidungszeichen»,  von  lat. 
divisiis,  dem  Part.  Perf.  Pass.  von  lat.  dwidere 
«teilen,  unterscheiden».  Im  16.  Jh.  entlehnt 
(1564  in  der Zimmerschen Chronik;  beiFischart 
Garg.  185  nach  dem  Ital.  Divis). 

dCTÖt,  adj.:  fromm,  ergeben.  Aus  dem 
gleichbed.  lat.  devötus,  eig.  Part.  Perf.  von 
devovere  «als  Opfer  weihen,  dahingehen». 
Im  17. Jh.  entlehnt.  DcTOtiÖn,  f.:  Frömmig- 
keit, Hingebung.  Aus  lat.  devötio  f.  Im 
17.  Jh.  (Grimmeishausen  Simpl.  101). 

Dezem,  m.  f-.s):  der  Zehnte  als  Abgabe 
an  den  Geistlichen.  Aus  mlat.  decimwn  n. 
«Zehntabgabe :-,  dem  Xeutr.  des  lat.  Adj. 
decimus  «der  zehnte».  Schon  ohd.  dezem^'}  m. 
Daher  md.  Däzen  m.  «Anteil». 

Dezember,  m.  (-s):  der  letzte  Monat 
im  Jahre.  Aas  lat.  December  d.  i.  «der 
zehnte  Monat  vom  Mäi-z  an»,  von  lat.  decem 
«zehn».  Dafür  ahd.  (nach  der  Benennung 
Karls  d.  Gr.)  heilagmanöth,  spätmhd.  christrnan 
«Christmonat»,  auch  hartmän  «Hartmonat» 
(wegen  des  gefrornen  Erdbodens)  slahtmun 
«Schlachtmonat»  (wegen  des  Schlachtens  der 


351 


Dezennium 


dicht 


352 


Schweine)  und  wolfmän  «Wolfmonat»  (weil 
die  Wölfin  im  Winter  läufig  ist). 

Dezennium,  n.  (s,  PI.  Dezennien) :  Jahi-- 
zehnt.  Baslatdecenniumn.  Bei  Nehring  1694. 

dezent,  adj.:  geziemend,  wohlanständig. 
Von  lat.  decens  (Gen.  decentis),  dem  als  Adj. 
gesetzten  Part.  Präs.  von  lat.  decere  «ge- 
ziemen, gebühren,  wohlanstehen».  Im  18.  Jh. 
entlehnt.  Dezeuz,  f.:  Wohlanständigkeit. 
Aus  dem  gleichbed.  lat.  decentia  f. 

Dezigramm,  n.  (-s,  PI.  -e):  ^lo  Gramm. 
Durch  Reichsgesetz  von  1868  aufgenommen 
aus  franz.  decigramme  m.,  dessen  deci-  nach 
lat.  decimus  «der  zehnte». 

dezimal,  adj.:  die  Zahl  10  (lat.  decem) 
betreffend.  Aus  mlat.  decimalis.  1716  bei 
Wolff  math.  Lex.  Sp.  172  Decimal-Rechnung. 

dezimieren,  v.:  den  zehnten  Mann  töten. 
Aus  dem  gleichbed.  lat.  deciniäre  von  lat. 
decimus  «der  zehnte».     Im  18.  Jh.  entlehnt. 

Diadem,  n.  (-5,  PI. -e):  Kopf-,  Stirnbinde 
als  Zeichen  der  höchsten  Würde,  Mhd. 
diadem  m.  Aus  gr,-lat,  diadenia,  gr,  bidbrnua  n. 
«Binde,  Band,  persische  Binde  um  den  Turban, 
diese  Binde  als  Zeichen  königlicher  Würde», 
von  gr.  biabeiv  «umbinden». 

Diakon,  m.  [s  oder  -en,  PI.  -en):  Hilfs- 
prediger. Aus  dem  kirchlichen  gv. -lat.  diäconus 
m,  «Kirchendiener,  -gehilfe»,  gr.  bicxKovoc  m. 
«Diener»,  Schon  mhd.  (mit  Abschwäehung) 
diaken  m.  ABL.  Diakonissin,  f. :  Kirchen- 
dienerin zu  (Armen-  und)  Krankenpflege.  Aus 
kirchlich-lat,  diaconissa  f.  «Kirchendienerin». 

Dialekt,  m,  {-es,  PI.  -e)-.  Mundart,  Aus 
gr.-lat.  dialedus  f,  «Mundart»,  gr.  bidXeKToc  f. 
«Unterredung,  Ausdruck,  Landessprache, 
Mundart»,  von  biaX^jecGai  «sich  unterreden, 
redegewandt  sein».  1634  bei  Spee  Trutznachti- 
gall Vorr.  der  PI.  Dialecten.  —  Dialektik, 
f.:  die  Kunst  gelehrten  Streites;  Wissenschaft 
der  Denkformen,  IMhd,  dialectike  f,  aus  gleich- 
bed, gr.-lat,  dmZed-ica  (zu  ergänzen  ars  «Kunst»), 
gr.  bia\eKTiKri  (nämlich  x^x^n  «Kunst»),  dem 
Fem.  des  gr.-lat.  Adj.  dialedicus,  gr.  bia\eK- 
TiKÖc  «zur  Unterredung,  zum  Disputieren 
gehörig».  Davon  Dialektiker,  m,:  Kenner 
und  Lehrer  der  Dialektik. 

Dialog,  m,  (-S,  Pl,-e):  Wechselgespräch. 
Aus  gr.-lat.  diälogus  m.,  gT,  bidXoYoc  f.  «philo- 
sophische Unterredung,  Zwiegespräch»,  von 
bxaXiyecQai  (s.  Dialekt).  Beleg  von  1621  bei 
Gombert  8,  4. 

Diamant,  m,  {-s  oder  -en,  PI.  -en),  ver- 
altet und  dichterisch  Demant,  m.  {-s,  PI.  -e): 


der  härteste  Edelstein.  Mhd.  diamant,  diemant 
(wora^^s  demant  hervorgegangen,  wie  denmot 
aus  dienmot)  aus  ital.-span.  diamante,  franz. 
diamant  m,,  die  auf  gr.-lat.  ädamas  (Gen. 
adamäntis)  beruhen,  woher  auch  mhd.-ahd. 
adamant  m.  Bei  Luther  Demand,  später  setzte 
sich  wieder  die  dem  Franz.  näherstehende 
Form  Diamant  durch,  ABL.  diamanten, 
denianten,  adj. 

Diarium,  n.  {-s,  PI.  Diarien):  Tagebucb, 
Kladde.  Aus  lat,  diärium  n.  «Tagebuch», 
einer  Ableitung  von  dies  «Tag»,  1703  im 
Zeitungslex. 

Diarrhoe,  f,  (PI.  -n):  Durchfall.  Aus 
dem  gleichbed,  gr.-lat.  diarrJioea,  gi',  bidß|)oia  f,, 
von  bia^^eiv  «durchfließen».  Bei  Wächtler  1711 
Diarrhee. 

Diät,  f.:  Lebensordnung;  schmale  Kost. 
Mit  fi-anz.  diete,  ital.  dieta  f.  aus  gr.-lat.  diaeta, 
gr,  biaira  f.  «Lebensart,  ärztliche  Vorschrift 
zur  Erhaltung  der  Gesundheit»,  Schon  früh- 
nhd.,  in  Brants  Narrenschiff  38,  3  dyget,  im 
Grobianus  3904  Diet,  auch  bei  Bot  1571  ver- 
zeichnet. Auch  adjektivisch  ein  diätes  Leben 
bei  Nehring  1710,  hervorgegangen  aus  diät 
leben  «nach  der  Diät  leben»  (1719  bei  Fleming 
Jäger  1,  92^). 

Diäten,  PI. :  Taggelder,  Taggebühren,  Mit 
franz,  diete,  ital,  dieta  i.  «Reichstag»  von  mlat. 
dimta  oder  dieta  f.  «Tagreise,  Tagsatzung,  Tag- 
geld» von  lat.  dies  «Tag»  (vgl.  mlat,  dietim 
«täglich»).     1773  bei  Amaranthes'*  1,  862. 

dihbern,  v.:  reden,  angelegentlich  be- 
sprechen. Auch  döl)ern.  Jüdisch-deutsch 
aus  hebr.  dibber  «reden». 

dicht,  poetisch  auch  noch  dichte  (Goethe  1, 
115,  4,  101),  adj.  u,  adv.:  eng  zusammenge- 
drängt. Mhd.  (bei  Nie.  v.  Jeroschin)  dthfe 
(daher  bei  Burkhard  Waldis  3,  94,  165  deicht, 
jetzt  noch  preuß.-livländ.-estländ.),  häufiger 
(auch  in  obd.  Quellen)  gedihte  als  adv,  «in 
einem  fort,  häufig»,  daraus  dann  mit  ge- 
kürztem Vokal  (aus  dem  Md,)  dicht,'  bei 
Luther  ticht;  dazu  mnd.-mnl,  dichte  «stai-k, 
tüchtig»,  anord.  pettr  (aus  *J)ihtr),  dän,  tcet, 
engl,  tight  «dicht».  Ob  das  Wort  zu  ahd. 
dihan  «gedeihen»  gehört,  das  wie  gediegen 
(s.  d.)  zeigt,  auch  dieBed.  «reif,  fest,  hart  und 
so  eng  beisammen  (dicht)  werden,  trocknen» 
hatte,  scheint  zweifelhaft.  Nach  Stokes  Bezz. 
Btr. 25,  47  zu  ir.  techt  «geronnen ».  Gewöhnlich 
vergleicht  man  auch  lit.  tänkus  «dicht,  dicht 
zusammenstehend»,  arm.  thanjr  «dicht»  und 
stellt  diese  zu  ai.   tanäkti  «zieht  zusammen, 


353 


dichten 


Diemen 


354 


gerinnt».  ABL.  Dichte,  f.,  bei  Krämer 
1678.  dichten,  v.:  dicht  machen,  im  16.  Jh. 
Dichtigkeit,  f.,  bei  Henisch  1616. 

dichten,  v.:  Yerse  machen;  überhaupt 
schöpferisch  hei-vorb ringen:  worauf  sinnen 
(in  d.  und  trachten).  Mhd.  tihten  «schriftlich 
abfassen,  schriftlich  in  Yerse  fassen,  ersinnen 
und  zwar  künstlerisch»,  ahd.  dihton,  tihton 
«in  Versen  erfinden  und  schaffend  hervor- 
bringen»; dazu  ndl.  dichten,  schwed.  (ent- 
lehnt) dikta,  dän,  digte.  Aus  lat.  dictäre  «zum 
Nachschreiben  vorsagen  (diktieren),  nieder- 
schreiben lassen,  vorsagend  anfertigen,  dich- 
ten». Bei  Luther  noch  mit  urspiünglichem 
t  tichten,  ebenso  bei  den  schlesischen  Dich- 
tem (noch  bei  Günther).  ABL.  Dichter, 
m.  (-S,  PI.  wie  Sg.),  mhd.  tihtcere.  Davon 
dichterisch,  adj.  u.  adv.  (von  Zesen  ge- 
braucht, z.  B.  1645  in  der  Adriat.  Rose- 
mund 123,  s.  Gombert  7,  20)  und  Dichter- 
ling, m.:  schlechter  Dichter  (von  Christian 
Wemicke  1697  gebildet).  Dichtung,  f.  mhd. 
tihtunge  f.  ZUS.  Dichtkunst,  f.,  bei  Schottel 
S.  447  Tichtekunst. 

dick,  adj.  u.  adv.:  stark  an  Masse.  Ver- 
kürzt aus  dicke  (so  noch  gewöhnlich  bei 
Luther),  mhd.  dicke  (das  Adv.  auch  «oft», 
wie  noch  jetzt  mundartlich),  ahd.  dicchi,  dicki; 
dazu  asächs.  thikki,  ndl.  dik,  afries.  thikke, 
ags.  picce,  engl,  thik,  anord.  ßykkr,  pjokkr, 
schwed.  ijok,  dän.  tyk.  Verwandt  ist  altir. 
tiiig  (aus  Higu)  «dick».  Kaum  zu  gedeihen, 
ahd.  dihan,  also  etwa  «zu  größerer  Körper- 
lichkeit angewachsen»,  was  wegen  der  Form 
Schwierigkeiten  macht.  Auch  Verwandtschaft 
mit  dicht  ist  nicht  sicher.  ABL.  Dicke,  f., 
mhd.  dicke,  ahd.  dicchi,  dicki  f.  dicken, 
V. :  dick  werden,  mhd.  dicken,  ahd.  dicchen, 
dicken ;  dick  machen  (auch  in  er-,  verdicken). 
Dickicht,  n.  Nach  Frisch  aus  der  Jäger- 
sprache aufgenommen,  aus  der  es  zuerst  1719 
bei  Fleming  (teutsch.  Jäger  1,  42  Dickigt) 
erscheint,  anfangs  auch  als  M.  gebraucht 
(Hagedom  poet.  W.  2,  231,  noch  1775  bei 
Heynatz) ;  eig.  substantivierte  Form  eines  Adj. 
dickicht  «etwas  dick»,  bei  Henisch  1616  dickigt. 
ZUS.  Dickkopf,  m.:  Kopf  großen  Umfangs 
(bei  Duez  1664) ;  Mensch  oder  Tier  mit  solchem 
Kopfe ;  geistig  beschränkter  Mensch  (im  17.  Jh. 
bei  Wecklieriin  1,  511);  unnachgiebiger,  störri-  ; 
scher  Mensch. 

Dickbein,  n.:  das  Bein  von  der  Hüfte 
bis  zum  Knie.  Bei  Stieler  1691.  Mit  An- 
lehnung an  dick  entstellt  aus  Diechbein  (im 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


]  14.  Jh.  diechpain  bei  Megenberg  144,  35  ist 
«Schenkelknochen»);   mhd.  diech,   ahd.  dioh 

I  n.  «Schenkel»  ist  sonst  veraltet,  aber  noch 
im  Bayr.  vorkommend,  entsprechend  nd.  de, 

j  ndl.  dij,  afries.  thiach,  ags.  ßeoh,  engl,  thigh, 

I  anord.  ßjö.  Es  gehört  zu  lit.  taukai  «Fett», 
apr.  taukis  «Schmalz»,  abg.  tukü  m.  «Fett». 
Didaktik,  f.:  Lehrkunst;  Lehrdichtung. 
Von  gr.  bibaKTiKri  (nämlich  xexvri  «Kunst»), 
Fem.  des  Adj.  bibaKxiKÖc  «zum  Unterricht 
gehörig,  belehi'end»,  von  bibdcKeiv  «belehren». 

I  Im  18.  Jh.  entlehnt,    didaktisch,  adj.:  lehr- 

j  haft  (Lessing  6,  254). 

Dieb,  m.  (-es,  PI.  -e):  heimlicher  Ent- 
wender fremden  Eigentums.  Mhd.  diep,  ahd. 
diob,  diub  m.;  dazu  asächs.  thiof,  ndl.  dief, 
afries.    thiaf,    ags.  ßeof,    engl,    thief,    anord. 

pjöfr,  schwed.  tjuf,  dän.  tyv,  got.  piufs,  ßiicbs 
m.  Dunkler  Herkunft.  S.  auch  Deiche.  ABL. 
Dieberei,  f.,  mhd.  dieberte  f.    diebisch, 

adj.,  fiühnhd.  (bei  Kaisersberg),  mhd.  dafüi- 
diepHch.  diebjo!  als  Ausmf:  haltet  den 
iDieb!  Mit  angetretener  Interjektion  wie 
I  mhd.  -ä,  z.  B.  in  tüäfenä  «Waffen  herbei!» 
Ln  15.  Jh.  ZTJS.  Diebstahl,  m.,  mhd.  da- 
für diepstäle,  diupstäle  f.,  zusammengesetzt 
aus  Dieb  (ahd.  und  mhd.  dialektisch  auch 
diup)  und  dem  im  Ahd.  erhaltenen  stäla  f. 
von  stelan  «stehlen».  Das  Mask.  Diebstahl 
1482  im  Vocab.  predicantium  A  a  2^  (geist- 
licher diehstal)  und  bei  Luther. 

Diecb,  s.  Dickbein. 

Diele,  f.  (PI. -w):  langes  Brett;  Fußboden; 
Zimmerdecke;  Hausflur;  Dreschtenne.  Mhd. 
dil  m,  f.  und  mit  J-Suffix  abgeleitet  dille, 
ahd.  dil,  dilo  m.,  dili  n.  tmd  dilla  (aus  *dilja) 
f.  «Brett,  Bretterwand,  Seitenwand  des  Schiffes, 
brettei'ner  Fußboden»,  mhd.  dille  auch  s.  v.  a. 
obere  Decke  des  Hauses;  dazu  mnd.  dele  f. 
«Brett,  Fußboden,  Flur»,  ndl.  deel  n.  «Brett», 
ags.  pel  n.  und  abgeleitet  ßille  f.  «Brett», 
anord.  pil,  pili  n.  «Bretter-,  Scheidewand, 
Getäfel»  und ßil ja  f.  «Ruderbank».  Verwandt 
sind  lit.  tUe  f.  «Kahn diele»,  abg.  tilon.  «Boden», 
die  man  weiter  zu  aind.  talam  n.  «Fläche» 
und  lat.  teliüs  f.  «Erde»  stellt.  Die  Bedd. 
«Hausflur,  Dreschtenne»  sind  aus  dem  Ndd. 
aufgenommen ;  zuerst  bei  Ludwig  1716.  ABL. 
dielen,  v.:  (den  Fußboden)  mit  Dielen  be- 
schlagen. Mhd.  dafür  dillen,  ahd.  dillön  (in 
gadilWn),  abgeleitet  von  mhd.  dille,  ahd.  dilla  f. 

Diemen,  m.  oder  Dieme,  f.:  Haufen  von 
Stroh  oder  Getreide.  Ndd.  (bei  Schottel  1663 
Dient  f.).    S.  Feim. 

23 


355 


dieueu 


diesseit 


356 


dienen,  v.:  jemandes  Befehl  untergeben 
sein;  zu  jemandes  Zweck  oder  Nutzen  tätig 
sein;  als  Mittel  wozu  brauchbar  sein.  Mhd. 
dienen,  ahd.  dionön-,  dazu  asächs.  thionön, 
ndl.  dienen,  afries.  thiania,  anord.  pjöna, 
schwed.  tjäna,  dän.  tjene.  Es  ist  eine  Ab- 
leitung von  ahd.  dio,  deo  (Gen.  diuwes),  ags. 
peow,  got.  pius  (Gen.  ßiiois  m.)  «leibeigner 
Diener,  Knecht,  Sklave»,  wovon  mhd.  diu, 
ahd.  diu  (Gen.  dimvi),  asächs.  thiu,  thiuwi, 
ags.  peowe,  peoiven,  anord.  ßyr  f.  «Magd, 
Sklavin».  S.  auch  Demut  und  Dirne.  ABL. 
Diener,  m.,  mhd.  diencere.  Davon  Diene- 
rin, f.,  mhd.  diencerinne,  und  Dienerschaft, 
f.  (bei  Henisch  1616).  dienlicll,  adj.:  nütz- 
licb.    Bei  Luther. 

Dienst,  m.,  mhd.  dienest  m.  n.,  ahd.  dio- 
nost  n,;  dazu  asächs.  thionost  n.,  ndl.  dienst 
m.,  anord.  ßjönusta  f.,  schwed.  tjänst  m.,  dän. 
tjeneste.  Von  ahd.  dionön  abgeleitet  (wegen 
des  Suffixes  vgl.  Angst).  Mhd.  dienest  be- 
zeichnet auch  «die  Dienerschaft»  und  «den 
einzelnen  Diener»,  wie  noch  jetzt  schweize- 
risch (Plur.  Diensten,  auch  nd.  Denst  m. 
«Diener»,  bei  Voß  Dienstin  f.).  ABL.  dienst- 
bar, adj.,  mhd.  dienestbcere.  dienstlich, 
adj.  u.  adv.:  dienstbefdssen,  mhd.  dietiestlich; 
den  Dienst  betreffend  (noch  nicht  bei  Ade- 
lung). ZUS.  Diensthote,  m.:  Knecht  oder 
Magd.  In  frühnhd.  Glossaren  (Diefenb.  127 '', 
auch  Reichs-Ordnung.  72^  v.  J.  1512).  dienst- 
fertig, adj.,  bei  Krämer  1678.  Dienstmann, 
m.  [-S,  PI.  -en),  in  der  altern  Sprache  mhd. 
dienestman,  ahd.  dionostman  «der  dem  Ge- 
folgsherm  zu  Dienst  Verpflichtete,  Vasall, 
Ministeriale»;  dagegen  erst  nach  1860  (PI. 
Dienstmänner  odier  Dienstleute)  «Packträger». 
dienstwillig,  adj.,  im  16.  Jh.  (1640  bei 
Comenius  878,  aber  DienstimlUgkeit  schon 
bei  Fischart  2,  285  Kurz). 

Dienstag,  m.  (-s,  PI.  -e):  der  dritte  Tag 
der  Woche.  IVIh.  spät  und  selten  dienstac, 
dinstac,  gewöhnlich  zistac,  ziestac  (daher  bei 
Hebel  Zistig);  dazu  afries.  tiesdei,  ags.  ti- 
wesdceg,  engl,  tuesday,  anord.  tysdagr,  schwed. 
tisdag  m.,  dän.  (entstellt)  tirsdag.  Dies  be- 
deutet: der  dem  Kriegs-  und  Siegesgott,  ahd. 
Zio,  ags.  Tirv,  anord.  Tyr  geweihte  Tag  und 
ist  eine  Nachbildung  des  lat.  dies  Martis  (wo- 
her franz.  mardi).  Zio  gehört  zu  gr.  Zeüc, 
lat.  Juppiter,  aind.  Djäus  «Himmelsgott»  (zu 
aind.  div  «Himmel»).  Nach  früherer  Annahme 
ist  Dienstag  aus  der  ndd.  Form  tiesdag  für 
ziestac  entstellt   (mit  Anlehnung  an  dienen, 


wie  auch  schon  mhd.  ziestac  zu  zinstac  ent- 
stellt wurde),  doch  sprechen  dagegen  die 
Formen  mnd.  dingsedach,  dinschedach,  mnl. 
dinxendacli,  dinsendach,  mit  denen  D.  jeden- 
falls in  Verbindung  zu  bringen  ist.  Man 
führt  das  Wort  auf  einen  Beinamen  des 
Zio  zurück,  den  er  als  Beschirmer  der  Ge- 
richtstage fühi'te,  in  latinisierter  Form  Thingsus 
(zu  ahd.  dinc  «gerichthche  Verhandlung»,  s. 
Ding),  dann  also  aus  Dingestag,  Dingstag 
(was  auch  in  md.  Quellen  des  14.  bis  16.  Jh. 
erscheint).  Es  hätte  sich  dann  zunächst  Dins- 
tag  entwickelt,  wie  auch  Luther  hat,  weiter 
mit  Anlehnung  an  dienen  Dienstag.  Dafür 
bayr.  Ertag,  Erclitag,  nachweislich  im  13.  Jh. 
eritac,  heritac  und  erigtac,  bei  Berthold 
V.  Regensburg  1,  54,  16  ergetac,  im  14.  Jh. 
eretac,  ertac  und  eryntag  (mon.  ZoD.  3,  ur.  187). 

dienstbar,  Dienstbote  usw.,  s.  Dienst. 

dieser,  diese,  dieses  oder  dies  (auch 
dieß),  das  Demonstrativ -Pronomen.  Mhd. 
diser  (durch  Assimilation  meist  dirre),  Fem. 
disiu,  Neutr.  ditze  oder  di^  (im  15.  Jh.  auch 
schon  dises),  ahd.  deser  (und  therer,  diser), 
desiu  (disiu),  dizi,  diz;  dazu  asächs.  these, 
thius,  tJiit,  ndl.  deze,  dit,  afries.  this  (thes), 
thius,  thit,  ags.  pes,  peos,  pis,  anord.  pessi, 
petta,  schwed.  denne,  denna,  detta,  dän.  denne, 
dette.  Aus  zwei  Stämmen  zusammengeflossen, 
dem  Demonstrativstamm,  der  auch  in  der  ent- 
halten ist  und  emem  ebenfalls  demonstrativen 
Stamm  sa-  in  got  sa,  so  «der,  die»  usw.  (s.  der). 

diesfalls,  adv. :  in  diesem  Falle.  Zusammen- 
gerückt aus  dies  Falls,  worin  dies  aus  dieses 
gekürzt  (wie  auch  mhd.  dis,  diss  für  dises 
steht).  1570  disfals,  1531  ditzfals  bei  Gom- 
bert  8,  6.  diesfällig,  adj.,  ein  Kanzleiwort, 
von  Gombert  8,  6  aus  dem  J.  1708  belegt. 

diesjährig,  adj.:  von  diesem  Jahre  seiend. 
Abgeleitet  von  dem  Akk.  Sg.  dies  Jähr.  Schon 
1537  bei  Dasypodius  dißjärig. 

diesmal,  adv.,  aus  dem  Akk.  Sg.  dies  Mal. 
Frühnhd.,  bei  Luther  dis  mal.  ABL.  dies- 
malig, adj.,  bei  Adelung  1774  als  obd.Wort 
(doch  schon  bei  Stieler  1691  dißmalig). 

diesseit,  diesseits,  adv.,  dann  präp.  mit 
Gen.:  auf  dieser  Seite.  Mhd.  dissit,  der  Akk. 
Sg.  von  Seite  mhd.  ^te  mit  dem  Demonstr. 
diese  zusammengeschoben;  spätmhd.  auch 
schon  mit  angetretenem  genetivischen  -s  dis- 
seits.  Bei  Luther  disseid  (als  Präp.  mit 
Gen.,  seltener  mit  Dat.)  und  disseids.  ABL. 
diesseitig,  a'dj.,  1626  bei  Londorp  acta 
publica  2,   ISlö''. 


357 


Dietrich 


dingen 


358 


Dietrich,  m.  (s,  PI.  -e):  Nach-,  Diebs- 
schlüssel.  Schon  spätmhd.  dieterich,  beiLuther 
dietrich,  bei  Alberus  Dict.  Bb.  2^  dietherich. 
Wohl  von  dem  Mannsnamen  Dietrich,  mhd. 
Dieterich,  ahd.  Diofrih,  latinisiert  Theoderi- 
cus  (zusammengesetzt  aus  mhd.  diet,  ahd.  diot 
«Volkx,  s.  deutsch  und  -rieh  «Herrscher»,  s. 
rieh),  zumal  da  der  Nachschlüssel  im  Ndd. 
neben  Dierken  (von  Dierk,  der  ndd.Diminutiv- 
und  Koseform  von  Dietrich,  daher  schwed. 
dyrk  und  dän.  dirk  m.  «Nachschlüssel»)  auch 
Peferketi,  d.  i.  Peterchen  heißt.  Spätahd.  sagte 
man  aftershi^el  m.,  mhd.  miteslüg^el  m.,  auch 
im  14.  Jh.  diehslüsseh 

die  weil,  adv.  u.  konj.:  in  der  Zeitdauer 
daß;  aus  der  Ursache  daß.  Die  zusammen- 
gerückten Akk.  Sg.  die  wile,  ahd.  dia  ivUa, 
die  zunächst  als  Adv.  der  Zeitdauer  gebraucht 
wurden.  Verstäx-kt  mhd.  alle  di-e  wile.  al  die 
wile,  woraus  miser  veraltetes  alldieiceil. 

differieren,  v.:  verschieden  sein.  Aus 
dem  gleichbed.  franz.  differer,  das  auf  lat. 
diff'erre  «auseinandertragen»  beruht.  Im  16. Jh. 
entlehnt  (Rot  1571  hat  differirn  in  der  Bed. 
«aufschieben»).  ABL.  Differenz,  f.:  Unter- 
schied. Aus  lat.  differentia  f.  Schon  spätmhd. 

diktieren,  v.:  in  die  Feder  sagen,  zum 
Nachschreiben  vorsagen;  befehlend  zuerkennen. 
Aus  lat.  dictäre  «wiederholt  sagen,  vorsagen, 
befehlen»,  abgeleitet  von  dicere  «sprechen». 
Frühnhd.  (Reichs-Ordnungen  82 »  v.  J.  1512). 
ABL.  Diktator,  m.  (-5,  PI.  -en):  unum- 
schränkter Machthaber.  Aus  lat.  dictätor  m. 
Frühnhd.  (1534  bei  Franck  Weltb.  75*j.  dik- 
tatorisch, adj.,  Beleg  von  1735  bei  Gom- 
bert  8,  5.  Diktatur,  f.:  Machthaberwüi-de, 
Hochgewalt.  Aus  lat.  dictätura  f.  Frühnhd. 
(Sallust  M  2»). 

Dilettant,  m.  (-en,  PI.  -en):  Kunstlieb- 
haber. Aus  ital.  dilettante,  eig.  Part.  Präs. 
von  dilettare  «ergötzen,  vergnügen»,  das  aus 
dem  gleichbed.  lat.  delecfäre.  Um  1750  auf- 
gekommen (bei  Wieland  Amadis  257,  Idris  8 
Dilettante,  bei  Hermes  Soph.  Reise  3,  52  als 
*  neumodisch»  bezeichnet  j. 

Dill,  ra.  (-es,  PI.  -e):  starkriechende,  als 
Zutat  an  Speisen  dienende,  in  Gärten  gezogene 
Doldenpflanze,  anethum.  Mit  d  für  ursprüng- 
liches t  (bei  Luther  noch  Till)  aus  mhd. 
tille  f.  m.  (n.?),  ahd.  tilli  n.:  dazu  ndl.  dille 
f.,  ags.  dile  f.,  engl,  dill,  schwed.  (entlehnt) 
diu  m.,  dän.  dild.  Dunkler  Herkunft.  Im 
18.  Jh.  meist  Dille  f.  (1722  bei  Freyer  271 
noch  Tille),  so  bei  Heynatz   1775  und  Ade- 


lung, der  das  Mask.  Dül  (das  bei  Frisch  1741 
angesetzt  ist)  für  dialektisch  erlärt.  Das 
Fem.  ist  heute  noch  bayr.-österreichisch. 

Dille,  f.:  Schloßbeschlag  um  das  Schlüssel- 
loch, s.  Tnlle. 

Dimension,  f.  fPl.  -en):  Ausdehnung. 
Aus  lat.  dlmensio  f.  «Abmessung».  Bei 
Wächtler  1711. 

Diner,  n.  {-s,  PI.  -S):  Mittagsmahl.  Aus 
dem  gleichbed.  franz.  diner,  eig.  subst.  Inf. 
des  V.  diner,  afranz.  disner,  disgne);  ital. 
disinare,  desinare  «zu  Mittag  essen»,  das 
wahrscheinlich  auf  ein  mlat.  *disjejunare  «das 
Fasten  brechen»  (von  lat.  dis-  und  jejnnus 
«nüchtern»  gebildet  j  zurückgeht.  ABL. 
dinieren,  v. :  ein  Mittagsmahl  einnehmen. 
Von  franz.  diner.  Beide  im  spätem  18.  Jh. 
entlehnt. 

Ding:,  11-  (-^S,  PI.  -e,  auch  -er):  (veraltet) 
rechtliche  und  gerichtliche  Verhandlung;  An- 
gelegenheit; Gegenstand.  Mhd.-ahd.  dinc  (Gen. 
dingt'S)  n.:  dazu  asächs.-afries.  thing,  ndl.  ding, 
ags.  ping  n.,  engl,  thing,  anord.  ping  nui- 
«Gerichtsverhandlung,  Volksversammlung  >-, 
schwed.  ting,  dän.  ting,  thing  n.  (auch  in 
Storthing  und  Folkething  ;< Reichstag  in  Nor- 
wegen und  in  Dänemark»j;  dazu  auch  lango- 
bard.  f/iiw.'c  «rechtliche  Schenkung».  Das  Woii: 
wird  zu  got.  peihs  n.  (aus  *pinhs)  «Zeit;>  zu 
stellen  sein,  so  daß  die  Bedeutungsentwick- 
lung: Termin,  Tagsatzung,  rechtliche  und  ge- 
richtliche Verhandlung  gewesen  sein  ^vird.  Es 
würde  dann  zu  lat,  tempus  n.  gehören  können, 
wenn  man  das  unregelmäßige  j?  (für  ^w)  durch 
Entlehnung  des  Wortes  aus  dem  Sabinischen 
erklären  könnte.  Die  Bed.  < Verhandlung» 
schimmert  noch  bei  dingen  (s.d.)  durch.  Wegen 
der  weitern  Bedeutungsentwicklung  vgl.  >SacAe. 
Vgl.  auch  Dienstcuj  und  verteidigen.  Der  PI. 
lautet  bei  Luther  auch  Dinger  (Luk.  20,  26), 
jetzt  nur,  wenn  das  Wort  die  Bed.  «gering- 
wertiger Gegenstand»  hat  oder  herabsetzend 
von  Menschen  (bes.  Mädchen)  gebraucht  wird, 
z.  B.  Lessing  1,  222,  Wieland  21,  203,  Goethe  6, 
258,  Schiller  13,  368.  Das  Dimin.  lautet  meist 
Dingelchen  (bei  Rädlein  1711  Dingelgen),  im 
PI.  auch  Dingerchen.    S.  Dings. 

dingen,  v.:  woniber  verhandeln,  insbe- 
sondere über  den  Preis  von  etwas;  vertrags- 
mäßig für  Lohn  in  Dienste  nehmen.  Mhd. 
di)igen,  ahd.  dingön  und  dingen  «vor  Gericht 
wofüi-  reden,  gerichtlich  verhandeln,  unter- 
handeln, besprechend  emen  Vertrag  schließen, 
vertragsmäßig  festsetzen,    vertragsmäßig  für 

23* 


359 


dingfest 


diskret 


360 


Lohn  in  Dienste  nehmen»;  dazu  asächs.  thingon 
«verhandeln»,  ndl.  di7igen  (Prät.  dong,  Part. 
gedongen  «dingen»),  afries.  thmgia« gerichtlich 
verhandeln»,  ags.  pingian  besonders  «schlich- 
ten, einen  Streit  beilegen»  und  pingan  «einen 
Vertrag  schließen»,  anord.pmga  «verhandeln», 
besonders  «gerichthch».  Abgeleitet  von  Di7ig 
(s.  d.).  Das  V.  hat  früher  nur  schwache  Flexion, 
im  17.  Jh.  dringt  nach  der  Ähnlichkeit  von 
singen,  springen  usw.  auch  starke  ein,  die 
aber  Schottel  1663  noch  nicht  kennt.  Stieler 
1691  indes  verzeichnet  ich  dünge  und  dingte, 
gedungen  und  gedingt.  Adelungsetzt  die  starken 
Formen  (Prät.  düng,  jetzt  auch  dang)  als  regel- 
mäßig an,  doch  haben  sich  die  schwachen 
daneben  erhalten. 

dingfest,  adj.:  rechtlich  (gerichtlich)  in 
Haft  gesetzt;  überhaupt  s.  v.  a.  haltbar  fest. 
Wie  es  scheint,  nicht  vor  1830  und  aufge- 
nommen im  Gegensatz  zu  dem  Adj.  ding- 
fiüchtig  «sich  durch  Flucht  dem  Gericht  oder 
einer  Vertragserfüllung  entziehend»,  mhd. 
dincflühtic. 

dinglich,  adj.:  was  einer  Sache  zukommt 
im  Gegensatze  der  Person.  Erst  bei  Ade- 
lung 1793.  Mhd.  dingelich,  ahd.  ditidih  ist 
«gerichtlich», 

Dings,  m.  f.  n.,  als  unbestimmte  Bezeich- 
nung einer  ungenannten  Person  oder  Sache, 
eines  ungenannten  Ortes.  Hervorgegangen 
aus  dem  Gen.  Sg.  von  Ding,  wenn  dies  bei 
einem  andern  Subst.  steht,  z.  B.  ein  stück 
dings,  vil  dings.  Schon  bei  Henisch  1616 
als  selbständiges  Wort  angesetzt. 

dinieren,  s.  Diner. 

Dinkel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  eine  Weizen- 
art, Spelz.  Mhd.  dinkel,  ahd.  dinchil,  dinkil 
m.     Dunkler  Herkunft. 

Dinte,  s.  Tinte. 

Diözese,  f.  (PI.  Diözesen):  Kirchsprengel, 
Bezirk.  Aus  gr.-lat.  dioecesis  f.  «Landbezirk», 
im  5.  Jh.  n.  Chr.  auch  s.  v.  a.  «Kirchsprengel», 
gr.  bioiKricic  f.  «Land-,  Gerichtsbezirk».  1703 
im  Zeitungslex.  Dioeces. 

Diphtliöni?,  m.  (-es,  PI.  -e):  Zweilaut. 
Aus  gr.-lat.  diphthongos,  gr.  bicpBoYToc  f.  «Zwei- 
laut, Doppelvokal»,  dem  als  Subst.  gesetzten 
Adj.  bicpOoYYoc  «zweifach  lautend»  (b(c  «zwei- 
mal» und  einer  Ableitung  von  qpGdYT^ceai 
«einen  Laut  von  sich  geben»).  Schon  um 
1522  in  Ickelsamers  Grammatik  p.  44  der  PI. 
Diphthongen  nach  der  früher  übUchen  schwa- 
chen Deklination,  1478  bei  Nicl.  v.  Wyle  351, 
14  des  diptongons  ai. 


Diplom,  n.:  Emennungs-,  Bestallungsur- 
kunde. Aus  gr.-lat.  diplöma,  gr.  biTrXiu^a  n. 
«Beglaubigungsschreiben,  Gnadenbrief»  eig. 
«doppelt  Zusammengelegtes»,  von  gr.  biTrXoOv 
«doppelt  zusammenlegen,  falten».  Bei  Wächt- 
ler 1711,  früher  Diploma.  ABL.  Diplomat, 
m.  (-en,  Ph-en):  Staatsgeschäftskundiger,  eig. 
der  mit  Urkunden  iimzugehen  weiß.  Aus 
franz.  diplomate  m.  Davon  Diplomatie,  f., 
aus  franz.  diplomatie  f.,  und  diplomatisch, 
adj.  nach  franz.  diplomatique.  Alle  im  18.  Jh. 
aufgenommen. 

Diptam,  m.  (-s,  PI.  -e):  zitronenartig 
riechende  Pflanze.  Mhd.  diptam  neben  dictam 
m.  Aus  mlat.  diptamus  m.,  verderbt  aus  gr.- 
lat.  dictämnus  m.,  dictamnum  n.,  gr.  biKxaiuov 
n.,  biKTOiLivov  n.   und   biKxaiavoc  f. 

direkt,  adj.  u.  adv.:  in  gerader  Richtung 
worauf,  stracks,  geradezu.  Aus  lat.  directus, 
dem  Pai't.  Perf.  Pass.  von  dlrigere  «gerade 
richten,  lenken,  leiten».  Bei  Rot  1571  (bei 
Fisch  art  Garg.  29  dir  echt).  Direktion,  f.: 
Richtung,  Leitung.  Aus  lat.  dnectio  f.  Direk- 
tor, m.  (-S,  PI.  -en):  Leiter,  Vorsteher.  Aus 
nQviai.  director  m.  Bei  Rot  1571.  dirigieren, 
V. :  lenken,  leiten.  Aus  lat.  dirigere  (s.  oben). 
Bei  Rot  1571  dirigirn. 

Dirne,  f.  (PI.  -w):  dienende  weibliche 
Person;  junge  unverheiratete  weibliche  Per- 
son; leichte,  feUe  Weibsperson.  Mit  Kürzung 
des  Vcrkals  (schon  bei  Luther)  aus  mhd.  dierne, 
ahd.  diorna  f.;  dazu  asächs.  thiorna,  ndl.  deern, 
anord.  (aus  dem  Deutschen)  perna  f.  Jeden- 
falls von  ahd.  deo,  got.  pius  m.  «Knecht» 
(s.  dienen)  abgeleitet;  ein  vorauszusetzendes 
got.  *piwairnö  (nach  widmvairna  m.  «Waise», 
eig.  «Witwensohn»,  zu  widmvö  f.  «Witwe») 
könnte  die  Bed.  «Knechtstochter»  gehabt 
haben.  Nach  Adelung  im  Hochd.  fast  ver- 
altet, aber  von  Niederdeutschland  und  Bayern 
aus,  wo  es  volksüblich  ist,  gegen  Ende  des 
18.  Jh.  wieder  in  die  Schriftsprache  einge- 
di'ungen. 

Diskant,  m.  (-es,  PI.  -e):  höchste  Sing- 
stimme. Mhd.  discante  m.  aus  mlat.  discan- 
tus  m.,  ursprünglich  wohl  Gesang  von  zwei 
Stimmen  und  dann  auf  die  obere  beschränkt. 

Diskont,  m.  und  Diskonto,  m,  (-es), 
Abzug  bei  Zahlung  vor  dem  Ziele.  Aus  ital. 
disconto,  jetzt  sconto  m.  «Abrechnung,  Ab- 
zug», aus  einem  mlat.  discomputus  m.  (s. 
Konto).    La  der  1.  Hälfte  des  17.  Jh.  entlehnt. 

diskret,  adj.  u.  adv.:  besonnen  unter- 
scheidend, rücksichtsvoll,  zurückhaltend.   Aus 


361 


disknrieren 


dito 


362 


lat.  discretus,  dem  Part.  Prät.  Pass.  von  dis- 
cernere  «absondern»,  Wohl  schon  im  16.  Jh. 
entlehnt  (im  17.  z.  B.  bei  Logau  2,  14).  ABL. 
Diskretion,  f.:  Eücksichtnahme;  Zurück- 
haltung; Gutbefinden.  Aus  lat.  discretio  f. 
«Absonderung».  Im  16.  Jh.  (Script,  rer.  Siles. 
4,  274  vom  J.  1581  Discretion). 

diskuri ereil,  v. :  hin-  und  heiTeden.  Aus 
franz.  discourir,  das  aus  lat.  disairrere  «aus- 
einanderlaufen, sich  woiüber  ergehen».  Um 
1600  gebraucht  (Albertinus  Kriegsleut  Weck- 
uhr 2,  16%  aber  das  Adj.  diskuri erlich  schon 
bei  Fischart  Garg.  275).  —  Diskürs,  m. 
(Gen,  Diskurses,  PI.  Diskurse):  Untei-redung. 
Aus  fr'anz.  discours  m.  «Unterhaltungsge- 
spräch», das  aus  lat.  discursus  m.  «Bün-  und 
Herlaufen».  Um  1600  fAlbertinus  weibl. 
Lustg.  200 b). 

Dispens,  m.  (-es,  PI.  -e):  Erlassung.  Aus 
'franz.  dispense  f.  Erst  im  18.  Jh.  dispen- 
sieren, v.:  austeilen,  wovon  freisprechen, 
entbinden.  Schon  mhd.  dispensieren,  aus  lat. 
dispensäre  eig.  «austeilend  abwägen».  ABL. 
Dispensation,  f.:  Erlassung.  Aus  lat.  dis- 
pensätio,  woraus  schon  im  14,  Jh.  dispen- 
säcie,  bei  Luther  christl.  Adel  60  Dispen- 
sation. 

disponieren,  v.:  anordnen,  bestimmen. 
Aus  lat.  dispönere  «in  Ordnung  bringen,  ein- 
richten, bestimmen».  Schon  bei  Rot  1571. 
ABL.  Disposition,  f.:  Anordnung;  Stim- 
mung, Geneigtheit.  Aus  lat.  dispositio  f.  Im 
16.  Jh.  (Fischart  Garg.  169). 

Disput,  m.  i-es,  PI.  -e):  Wortwechsel, 
Woi-tstreit.  Aus  franz.  dispute,  ital.  disputa 
f.  1694  bei  Nehring  (fiüher  erscheint  dafür 
Disputat,  z.  B.  Albertinus  weibl.  Lustg.  196). 
disputieren,  v. :  wissenschaftlich  besprechend 
kämpfen:  Worte  wechselnd  streiten.  Schon 
mhd. disputierest  aus  \a.t. disputdre  «mit Worten 
auseinandersetzen».  ABL.  Disputation,  f.: 
gelehrtes  Streitgespräch.  Aus  lat.  disputätio 
f.,  woraus  schon  mhd.  disputäzie  f.  und  in 
Ottokars  Reimchronik  91352  disputacion. 

Dissertation,  f.  (PI.  -en):  Erörtemngs-, 
gelehrte  Streitschrift.  Aus  lat,  dissertätio  f., 
abgeleitet  von  dissertäre  «auseinandersetzen». 
Bei  Rot  1571   Dissertation  «lange  red». 

Dissident,  m.  (-en,  PI.  -en):  der  nicht 
der  Staatskirche  angehört.  Aus  lat.  dissi- 
dens,  Part.  Präs.  von  dissidere  «nicht  über- 
einstimmen, getrennt  sein».  Zuerst  1573  von 
den  beiden  sich  streitenden  Religionsparteien, 
seit  1632  Benennung  der  Nichtkatholiken. 


Dissonanz,  f.  (PI.  -en) :  Mißklang.  Aus  lat. 
dissonantia  f.,  woraus  im  15.  Jh.  dissonantz  f. 
Distanz,  f.  (PI.  -en):  Abstand.    Aus  lat. 
distantia  f.     Bei  Rot  1571, 

Distel,  f.  (PI.  -n):  eine  stachlige  Pflanze. 

I  Mhd.  distel  m.,  ahd,  distü  m.  und  distila  f. : 

,  dazu  ndl.  distel  f.,  ags.  pistel  m.,  engl,  thistle, 

'  anord.  pistill  m.,  schwed.  tistel  m.,  dän.  tidsel. 

'  Wenn  distil  aus  *dihstil  entstanden  ist,  könnte 

I  man  es  zu  aind.  tiktäs  «scharf»,   gr.  cjiZew 

I  «stechen»  d.  stechen  stellen.    Got.  dafür  deinö 

f.    (in    wigadeinö   «Wegedistel»).      Alternhd. 

auch  als  Mask.  (bei  Luther,  sowie  Rollenhagen 

Froschm.  3, 1,  5).    ZUS.  Distelfink,  m.  (-en, 

1  PI.  -en) :  der  Distelsamen  fressende  Fink,  mhd. 

distelvinke,  ahd.  distilvincho ,  distilvinko  m., 

dazu  ndl.  distelvink  f.     Distelkoll)en,  m.: 

Blüte  und  Samenkapsel  der  Distel,  mhd.  distel- 

kolhe  m. 

Distichon,  n.  (-s,  PI.  Distichen):  aus 
einem  Hexameter  und  einem  Pentameter  be- 
stehendes Yerspaar.  Das  gr.-lat.  distichon, 
gr.  bicTixov,  X.  Sg,  des  Adj.  bicxixoc  «zwei- 
zeilig».    Im  18.  Jh. 

I       distinguieren,  v. :  mit  Auszeichnung  be- 
handeln.    Aus    lat.    distinguere    «absondern, 
]  ausschmücken».    Im  16.  Jh.  (1524  bei  Emser 
j  Annot.  Ji  7^  in  der  Bed.  «unterscheiden»,  1593 
:  bei  Helber  16  das  Part.  Prät.  disfm^tVf  «unter- 
schieden»). Distinktion,  f.:  Unterscheidung: 
Auszeichnung,  Rang,  Stand,   Aus  lat,  distinc- 
tio  f.  «Absonderung,  Unterscheidung».     Bei 
Luther  8,  135^  Jen.  Distinction  «Unterschei- 
dung»,   (vom  J.  1543)    und    schon    1524   bei 
Emser  Annot.  R  5*. 

Distrikt,  m.  (-es,  PI,  -e):  Gebiet,  Land- 
bezirk.    Aus   mlat.  districtus  m.   «Gerichts- 
zwang, -gebiet»,  abgeleitet  von  lat.  distrin- 
'  gere.     Schon  bei  Rot  1571. 

Disziplin,  f.  (PI.  -en) :  Lehrzweig,  Wissen- 
schaft; Zucht  und  Ordnung,  besonders  Manns-, 
Schulzucht.  In  der  1.  Bed.  1520  bei  Luther 
chnstl.  Adel  L2%  in  der  2.  Bed.  schon  mhd. 
discipline  f.  «geistliche  Züchtigung,  geistliche 
;  Zucht».  Aus  lat.  disciplina  f.  «Lehre,  Wissen- 
schaft, Zucht». 

Dithyrambe,  f.  (PI.  -n):  begeisterungs- 
voller Lobgesang.  Aus  gr.-lat.  dithyrämhus, 
gr.  biöüpaußoc  m.,  urspr.  ein  Gesang,  dessen 
Gegenstand  Bacchus  war.  Im  18.  Jh.  (Wil- 
lamov  Dithyramben  1763). 

dito,  adv.:  desgleichen,  als  Subst.:  das 
eben  Genannte,  Mit  franz.  dito  aus  ital.  detto 
eig.  «das  Gesagte»,  Part.  Perf.  Pass.  von  dire 


363 


divers 


Docke 


364 


«sagen».  Am  Anfang  des  16.  Jh.  üblich  (in 
der  Augsburger  Chronik  des  W.  Kern). 

divers,  adj.:  verschieden,  mancherlei.  Aus 
lat.  diversus  eig.  «nach  mehreren  ßichtung'en 
gekehrt»,  von  divertere.     1703  im  Zeitunglex. 

Dividende,  f.:  Verhältnisanteil  an  dem 
zu  teilenden  Gewinste.  Aus  franz.  dividende 
m.,  das  beruht  auf  lat.  dwidendus,  dem  Part. 
Fut.  Pass.  von  dividere  «zerteilen».  Im 
spätem  18.  Jh.  entlehnt,  dividieren,  v.: 
eine  Zahl  durch  eine  andre  teilen.  Neben 
addieren,  multiplizieren  1514  in  Böschenstayns 
Rechenbuch  A4^  (schon  spätmhd.  dividieren 
als  musikalischer  Ausdruck).  Aus  lat.  dwi- 
dere.  Division,  f.:  Zahlenteilung  durch 
Untersuchung,  wievielmal  eine  Zahl  in  einer 
andern  enthalten  ist:  Heei-esteil.  Aus  lat. 
dwisio  f.  «Teilung»,  von  dwidere  «teilen». 
Die  2.  Bed.  (nach  franz.  division  f.,  das  am 
Anfang  des  18.  Jh.  aufkam)  bei  Ludwig  1716. 

Diwan,  Divan,  m.  (s,  PI.  -s,.-e):  (per- 
sischer) Gerichtshof;  geheimer  Staatsrat  des 
Sultans;  (morgenländischer)  Polstersitz,  Sofa. 
Aus  franz.  divan,  ital.  divayio  m.,  dies  aus  arab.- 
pers.  diwän  «Buch  von  mehreren  Blättern, 
Rechnungsbuch,  Schriften  Sammlung  (Samm- 
lung von  Gedichten  bei  Goethe),  Ratsver- 
sammlung, Prachtzimmer  mit  niedrigen  Sofas». 
Im  Zeitungslex.  1703  in  der  2.  Bed.,  bei  Neh- 
ring  1710  «großes  Zimmer»,  die  3.  findet  sich 
erst  im   19.  Jh. 

^DÖbel,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  dickköpfiger 
Weißfisch.  Bei  Albems  Fab.  19,  154.  Im 
Altpreußischen  kommt  schon  im  15.  Jh.  dube- 
lis  «Halbfisch»  vor.  Vielleicht  verglich  man 
den  dicken  Kopf  des  Fisches  einem  Zapfen 
(s.  d.  folg.  Art). 

"Döbel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg,):  eingefügter 
Pflock,  Zapfen;  (mundartlich)  Klotz.  Obd. 
dafüi-  dühel,  bayr.  düpel.  Mit  d  für  ur- 
sprüngHches  t  und  md.  ö  für  ü  aus  mhd. 
tühel  m.,  ahd.  tuhila  f.,  tuhili  n.  (auch  in 
gituhila,  gitubüi  n.)  «Zapfen,  Zapfenverbin- 
dung»; dazu  engl,  dowel  und  (mit  anderm 
Suffix)  ndl.  deiivik  m.,  vgl.  auch  schwed.  duhh 
m.  «Zapfen».  Verwandt  mit  gr.  rüqpoc  (für 
*0uq)oc)  bei  Hesjch  m.  «Keil».  Ins  Lit.  ent- 
lehnt als  dnbelis  m.  «Nagel». 

döbern,  s.  dibhem. 

doch,  Adv.  u.  Konj.  zur  Hervorhebung 
einer  Entgegensetzung.  Mhd.  doch,  ahd.  doh 
mit  Küi-zung  eines  urspr.  langen  Vokals;  da- 
zu asächs.  thoh,  ndl.  doch,  ags.  ßeah,  engl. 
though,   anord.  ßö,  dän.  dog  (entlehnt),  got. 


ßauh  «wenigstens,  etwa,  wohl».  Dies  ist 
aus  der  Partikel  fau  «oder,  doch,  wenig- 
stens» mit  angehängtem  h  entstanden,  das 
dem  lat.  que,  gr.  re,  ai.  ca  «und»  entspricht. 

Docht,  m.  (-es,  PI.  -e):  der  zum  leuch- 
tenden Brennen  mit  F«tt  getränkte  Körper 
im  Lichte.  Mit  Verkürzung  des  zu  o  ver- 
dumpften  Vokals  aus  mhd.-ahd,  täht  n.  m.; 
dazu  anord.  ßättr  (tt  aus  hf)  m.  «Faden, 
Lichtfaden».  Man  erwartet  daher  ahd.  däht. 
Dazu  vielleicht  Schweiz,  tägel,  dägel  «brennen- 
der Docht,  Licht,  Lampe».  Dunkler  Her- 
kunft. Bei  Luther  Tocht  n.  (auch  noch 
bei  Zachariä  Renommist  2,  12),  bei  Günther 
Dacht,  Tacht  n.,  auch  jetzt  noch  zuweilen 
Docht  n.  Auch  die  Lautform  ist  im  altem 
Nhd.  schwankend:  die  Länge  zeigt  sich  noch 
in  Daacht  bei  Henisch  1616,  auch  jetzt  noch 
mundartlich  Docht;  mit  dem  ursprtinglichen  a 
noch  im  18.  Jh.  Dacht  (Brockes  9,  55;  Lessing 
1, 171 ;  2,  562;  Thümmel,  Göekingk)  und  Tacht 
(Günther  379;  Haller  5:  Voß  Ged.  2,  59; 
Büi'ger  124);  noch  Heynatz  1775  entscheidet 
sich  fiii-  Dacht,  während  Adelung  nur  Docht 
zuläßt.  Dacht,  Tacht,  Tocht  aber  für  mimd- 
artlich  erklärt. 

Dock,  n.  (-S,  PI.  -s):  gemauerter  Wasser- 
behälter in  einem  Hafen  oder  bei  einer  Schifi's- 
werft  zum  Bauen  und  Ausbessem  der  Schiff'e. 
Das  engl,  dock,  ndl.  dok,  dän.  dokke,  schwed. 
docka  f.,  das  vielleicht  zurückgeht  auf  mlat. 
doga,  doha  f.  «Graben,  Grabenmauer,  Ein- 
fassung eines  Wasserbehälters»,  von  gr,  bcxn 
f.  «Wasserbehälter,  Gefäß»  (vgl.  Daube).  Auch 
als  Fem.  Docke  (bei  Adelung). 

^Docke,  f.  (PI.  -n):  Puppe;  (übertragen) 
junges  Mädchen;  puppenartiges  Gewundenes, 
Bündel;  rund  Gedrechseltes,  kurze  dicke  Säule, 
Zapfen.  Mit  d  für  ursprüngliches  t  aus  mhd. 
tocke  (auch  in  der  3,  u.  4.  Bed.),  ahd.  toccha, 
tocka  f,  «Puppe»;  dazu  mnd.  docke,  schwed, 
docka  f.  Dunkler  Herkunft;  auch  die  Grund- 
bed.  des  Wortes  ist  unsicher, 

^ Docke,  f.  (PI.  -en):  Art  eines  sehr  hohen 
weiblichen  Kopfputzes.  Mhd.  tocke  f.  aus 
franz.  toque  f.  «Haube,  Mütze»,  ital.  tocco  m. 
«Reisehut»,  span.  toca  f.  «Haube».  Ob  das 
gleichbed.  kymrische  toc  die  Grundlage  oder 
nicht  vielmehr  selbst  aixs  dem  Franz.  entlehnt 
ist,  bleibt  unklar. 

^ Docke,  f.  (PI.  -n):  Tastenharamer  des 
Klaviers.  AVohl  von  ital.  tocchare,  älterfranz. 
toquer  berühren,  hier  vom  Anschlagen  an  die 
Saiten.     Bei  Adelmicr  1774. 


365 


Dogge 


Bolman 


366 


Dogge,  f.  (PI.  -n):  Art  großer  englischer 
Hetzhunde.  Aus  engl,  dog,  woher  auch  ndl. 
(log,  schwed.  dogg,  dän.  dogge.  In  der  2.  Hälfte 
des  16.  Jh.  entlehnt,  anfangs  als  schwach- 
flekt.  Mask.  (Docke  bei  Fischart  Garg.  295, 
341,  Dogg'  m.  noch  bei  Voß  Id.  16,  151)  und 
m  der  Schi-eibung  schwankend  (Docke  noch 
bei  Adelung  1793,  auch  z.  B.  bei  Schiller  11, 
277,  während  Henisch  1616  dog,  dogg,  doggen 
m.,  Schottel  1663  dogge  neben  dokk  m.  hat 
und  Heynatz  1775  Dogge  verlangt). 

Dogma,  n.  (-S,  PI.  Dogmen) :  Lehrmeinung, 
Lelirsatz.  Das  gr.-lat.  dogma,  gi\  böyiaa  n., 
abgeleitet  von  boKeiv  «meinen».  ABL.  Dog- 
mätik,  f.:  Gebäude  der  Lehi-satzungen,  bes. 
des  christlichen  Glaubens.  Aus  gr.-lat.  dog- 
ynatica,  dem  Fem.  des  gr.-lat.  Adj.  dogma- 
ticus,  gr.  boTMctTiKÖc  «die  Lehrsätze  betreffend». 
Beide  im  18.  Jahrb. 

Dohle,  f.  (PI.  -/i):  ein  krähenartiger  Vogel. 
Mit  d  für  urspi-üngliches  t  aus  mhd.  takele, 
zusammengez.  täle,  ahd.  tahala  f.  (davon  ital. 
taccola  f;  «Elster»  zu  obd.  dachet),  abgeleitet 
von  dem  einfachen  (in  obd.  Mundarten  er- 
haltenen) mhd.  tahe,  ahd.  taha  f.,  das  wohl 
zu  apreuß.  doacke  «Star»  gehört.  Daneben 
erscheint  mhd.  tul,  auch  fi-ühnhd.  häufig 
Tul,  Dul.  An  Zusammenhang  von  mhd.  tul 
mit  dem  zweiten  Bestandteil  von  lat.  mone- 
dula  darf  man  nicht  denken,  vgl.  Niedermann 
Idg.  Forsch.  10,  235.  Das  nhd.  Dohle  scheint 
beiden  Formen  zu  entsprechen,  es  kommt 
schon  im  Spätmhd.  als  tole,  dole  f.  vor,  bei 
Luther  als  Thole,  Dole,  1537  bei  Dasypodius 
88^  doli  und  316 a  Dohl,  1540  bei  Alberus 
Dikt.  z2*'  dol.  Doch  erhält  sich  daneben 
die  Form  mit  a  (bei  Schottel  1663  als  Dale, 
Duez  1664  als  Thale,  Dohle,  bei  Ludwig  1716 
als  Dale,  bei  Steinbach  1734  als  Dahle). 

'Dohne,  f  (PI.  -n):  Bügel  mit  Schlinge 
zum  Vogelfange.  Eig.  gespannter  Zweig; 
die  Zweiggeschosse  an  Waldbäumen  werden 
zu  Bügeln  umgebogen,  in  die  man  Schlingen 
hängt.  Mhd.  do7ie,  don  f.  ist  «Spannung», 
spätahd.  done  f.  «Spannader,  Nerv»  (davon 
donen,  ahd.  donen  «sich  spannen,  strecken»), 
ahd.  dona  f.  «Rebschoß,  Schoß,  Ranke»;  da- 
zu ags.  pona  m,  ßone  f.  (in  celfpona  m.,  odf- 
ßone  f.  «Alpranke,  Geißblatt»).  Zu  dehnen 
(s.  d,).  Vgl.  die  zu  gr.  xeiveiv  «spannen»  ge- 
hörigen gr.  T^vujv  m.  «Sehne»,  lat.  temis  n. 
«ausgespannte  Schnur,  Dohne»,  aind.  fäntus 
m.  «Schnur»,  abg.  teneto  «Strick»,  lit.  tinklas 
«Netz», 


-Dohne,  f.  (PI.  -n)-.  Zimmerdecke  und 
,  bes.  Tragebalken  derselben.  Nur  mimdart- 
lich  (wetterauisch,  oberhessisch  usw.).  Von 
mhd.  don,  ahd.  dono  m.  «Ausgespanntes,  Decke» 
in  mhd.  Überdon,  ahd.  uhardono  m.  «überge- 
breitetes Tuch,  Totentuch».     Mit  mhd.  don 

■  f.  «Spannung»  (s.  ^ Dohne)  zu  dehnen. 

Doktor,  m.  (-S,  PI.  -en):  mit  der  höchsten 
von  einer  Fakultät  erteilten  Gelehrtenwüi-de 
Bekleideter ;  Arzt.  Aus  lat,  doctor  m. «  Lehi-er  ;>, 
von  docire  «lehren».  In  der  2.  Bed.  schon 
im  16.  Jh.  (Scheidt  Grob.  1259).  ABL.  dok- 
;  torn,  V. :  den  Arzt  gebrauchen ;  ohne  Arzt 
zii  heilen  versuchen. 

Dokument,  n.  (-5,  PI.  -e):  urkundhches 

j  Beweismittel,  Beweisschrift.     Aus  lat.  docu- 

I  mentum  n.  «Beweis»,    von  docere.     1703  im 

'  Zeitungslex.,    der    Plur.    bei    Ludwicr   17 16 

Documenten. 

Dolch,  m.  [-es,  PI.  -e):  messerartige  zwei- 
schneidige Stichwaffe.    Um  1500  tolch.  tolchen 
(bei  Dasypodius  1537  dolch,  bei  Hans  Sachs 
dollich),  dazu  ndl.-dän. -schwed.  dolk  m.,  nicht 
i  entlehnt  aus  dem  gleichbed.  böhm.  und  poln. 
j  (veraltet)  tulich  m.,  vgl.  Mikkola  Bezz.  Btr.  25, 
;  74,  vielleicht  aus  lat,  dolo  «Art  Stock degen», 
I  das  ins  Niederländ,  (mndl.  dol)  und  von  da 

■  weiter  vordrang.  Doch  macht  auch  das 
Schwierigkeiten.  Eher  vielleicht  unter  dem 
Einfluß  des  lat.  Wortes  aus  einem  deutschen 

i  umgestaltet,  das  in  aisl.  dälkr  m.  «Nadel  um 

I  den  Mantel  über  der  Achsel  zu  befestigen: 

;  Dolch  Messer»,  ags.  dale,  dolc  m.  vorliegt. 
Alternhd.   auch   mit   schwacher  Flexion. 

Dolde,  f.:  Blumenbüschel.  Mit  d  für 
ursprtingHches  t  aus  mhd.  tolde  f.  m.,  ahd. 
toldo  m.   Wohl  eines  Stammes  mit  ahd.  tola  f. 

j  «Weintraubenkamm»,  das  -d  ist  also  ableitend. 

I  Verglichen  wird  noch  gl",  GöXoc  f.  «Kuppel- 
dach» oder  GoiWu)  «blühe»,   GciXoc  n.  «junger 

,  SprößUng,  Zweig».     Frtihnhd.  häufig  weiter- 
gebildet tolder,  dolder  m.  (jetzt  schwäb.-alem.), 
Dole,  f,  (PI,  -n):  unterirdischer  Abzugs- 

!  graben,  Kanal,  Im  15.  Jh,  dol  (1482  im  Voc. 
theut.  f  1^)  «Mine»,  ahd.  dola  f.  «Röhre,  Erd- 
röhi'e».  Zu  gr.cuj\r)v  ra.  «Rinne,  Röhre,  Kanal», 

i  abg.  tulü  m.  «Köcher»,  ai.  tünas  m.  «Köcher», 

'  vgl,  Ehrismann  Btr,  20,  60, 

Dolman,  m.  {-s,  PI.  -s):  schnürenbesetzte 

;  Jacke  unter  dem  Pelze  des  Husaren.  Aus 
türk.  dölämän  «Unterkleid  von  Tuch».  1645 
bei  Zesen  Ibrahim  3  Doliman,  aber  schon 
um  1500  in  Quellen  zur  Geschichte  Sieben- 
bürgens (s.  Gombert  8,  7). 


367 


Dolmetsch 


Donner 


368 


Dolmetsch,  m.  [-en,  PI.  -en,  -e):  Über- 
setzer. Mit  d  für  ursprüngliches  t  aus  spät- 
mhd,  (schon  gegen  1300)  tohnetsche,  tulmet- 
sche  m.,  aufgenommen  aus  dem  gleichbed. 
poln.  tiumacz,  böhm.  tlumad,  abg,  tlüniaci, 
das  auf  das  Tüi-Msche  zurückgeht,  dol- 
metschen, V.:  aus  fremder  Sprache  in  eine 
bekannte  übertragen;  dui'ch  Rede  verständ- 
lich machen.  Spätmhd.  tolmetschen,  tulmet- 
schen.  Davon  Dolmetscher,  m.  (schon  bei 
Luther).  Das  gleichbed.  mhd.  tolJce  m.  geht 
auf  lit.  tulkas  m.  «Dolmetscher»,  abg.  tlükü 
m.  «Dolmetschung»  zurück. 

Dom,  m.  (-es,  PI.  -e):  bischöfliche  Haupt- 
kirche; Kuppelturm.  Wie  franz.  dorne,  ital. 
duomo  m.  entlehnt  aus  lat.  domus  f.  «Haus», 
hier  von  Gottes  Hause  (domus  dei),  dem 
Tempel,  verstanden.  Die  echtdeutsche  Form 
ist  Thuni,  mhd.-ahd.  ttioni,  ebenfalls  aus  lat. ! 
domus  entwickelt,  aber  schon  in  ahd.  Zeit. 
Im  altem  Nhd.  wechseln  Thum  und  Dom  j 
(Luther  hat  nur  Timm,  aber  Henisch  1616 
Dom),  noch  Frey  er  1722  S.  273  setzt  Thum 
an.  ZUS.  Domherr,  m.  Dafür  mhd.  tuom- 
herre  m.  Dompfaffe,  m.:  (veraltet)  Dom- 
geistlicher, mhd.  tuompfaffe  m.;  Blutfink  oder 
Gimpel  (wegen  seines  schwarzen  Scheitels, 
der  der  Kappe  eines  Domgeistlichen  ähnelt). 
1557  bei  Heußlin  21  ^^  Tlmmpfaff. 

Domäne,  f.  (PI.  -n)-.  landesherrliches  Gut, 
Krongut.  Aus  franz.  domaine  m.,  das  aus 
lat.  dominium  n.  «Hen'schaft  worüber,  Eigen- 
tum», abgeleitet  von  dominus  m,  «Herr,  Ge- 
bieter, Besitzer».  ImZeitungslex.1703  Domaine. 
Domestlk(e),  m.  (-n,  PI.  -n):  Diener, 
Dienstbote.  Aus  franz.  gleichbed.  domestique, 
das  des  lat.  domesticus  «zum  Hause  gehörig» 
ist.  Im  17.  Jh. 
Domherr,  s.  Dom. 

dominieren,  v.-.  beherrschen.  Aus  lat. 
dominäri,  von  dominus  m.  HeiT.  Schon  bei 
Rot  1571. 

Dominikaner,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  Mönch 
von  dem  1215  gestifteten  Orden  des  heil. 
Dominicus  (von  lat.  dominus  «Herr»,  d,  i. 
dem  Herrn  [Jesu]  gehörig). 

Domino,  m.  (-s,  PI.  -s):  das  lange  Mas- 
kenkleid; eine  Art  Spiel.  Das  ital,  und  span. 
domino  m.  «seidener  Mantel  zum  Maskieren, 
eig.  verhüllende  Winterkleidung  des  Geist- 
lichen», von  lat.  dominus  m.  «Herr»,  im  Mlat. 
auch  s.  v.  a.  höherer  Geistlicher.  Um  die 
Mitte  des  18.  Jh.  aufgenommen  (Zachariä 
poet.  Sehr.  1,  135). 


Domizil,  n.  (-s,  PI.  -e):  Aufenthaltsort, 
Wohnsitz.  Aus  lat.  domicilium  n.,  von  domus 
f.  «Haus».  Bei  Wächtler  1711,  Sperander  1728 
noch  in  lat.  Foi-m. 

Domniel  (Goethe  Faust  4334),  s.  Rohr- 
dommel. 

Dompfaffe,  s.  Dom. 

Donlage,  Donlege,  f.  (PI.  -n):  abhängige 
Richtung  eines  Ganges,  einer  Fläche.  Berg- 
männischer Ausdi-uck  1562  bei  Mathesius 
Sarepta52*  danleg,  51^  danlag,  204^  dohnlege, 
bei  G.  Agricola  1546  donlege).  Zusammen- 
gesetzt aus  l)  dan,  don,  das  wohl  mhd.  dane, 
ahd.  dana  in  danatrib  m.  «Forttreiben,  Schei- 
dung», dananww/if  f.  «Hinausnehmen,  -tragen», 
das  mit  dannen  zusammenhängt.  2)  mhd. 
lege  f.  «Legung,  Lage,  Niedersenkung»  (bei 
Stieler  1691  Läge  f.  «Bodenneigung»  und  das 
Adj.  Adv.  läge  «abwärts  sich  neigen»,  mnd. 
lege). 

Donner,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  heftig 
schallende  Lufterschütterung.  Mhd.  donei; 
ahd.  donar  (auch  als  Name  des  heidnischen 
rotbärtigen  Blitz-  und  Donnergottes  Donar) 
m.;  dazu  asächs.  thuner  (nur  als  Name  des 
Gottes  Thuner  belegt),  ndl.  donder,  afries. 
thuner,  ags,  panor,  engl,  thunder,  anord.  J5örr 
(nur  als  Name  des  Donnergottes),  dän.  (ent- 
lehnt) dunder  m.  Von  einem  V.,  das  im  Ags. 
ahpunian  «donnern»  erscheint;  vei'wandt  mit 
Idt.tonäre  «donnern»,  dazutonitrusm. «Donner», 
weiter  aind.  tan  «tönen,  rauschen».  ABL. 
donnern,  v.,  mhd.  donern,  ahd.  donarön. 
ZUS.  Donnerhart,  m.:  Hauswurz  (die,  auf 
das  Dach  gepflanzt,  vor  dem  Einschlagen  des 
Gewitters  schützen  soll).  1538  in  Rößlins 
Ki-äuterbuch  \U^  und  1546  bei  Bock  142» 
donderhar  «barba  Jovis».  Donnerheseii, 
m.:  auf  Bäumen  gewachsenes  (angeblich  vom 
Blitz  erzeugtes)  wirres  Strauchwerk,  im  17.  Jh. 
DonnergUge,  m.:  Hirschkäfer,  nach  dem 
Aberglauben,  daß  in  ein  Haus,  in  das  ein 
solcher  Käfer  (schweiz.  guege)  getragen  wird, 
der  Blitz  schlägt.  Dounerkeil,  m.:  keil- 
förmiger Stein,  den  das  Volk  sich  vom  BHtz 
geschleudert  denkt;  Blitzstrahl.  Bei  Luther. 
Donnerschlag,  m.,  mhd.  donreslac  m. 
Donnerstag,  m.:  der  fünfte  Wochentag, 
eig.  der  dem  Gott  Donar  geweihte  Tag. 
Mhd.  donerstac,  ahd.  toniris  (d.  i.  donares) 
tac  m.;  dazu  ndl.  donderdag,  ags.  _piinresd.(Bg, 
engl,  thursday,  ßchwed.-dän.  torsdag  m.  Eine 
Nachbildung  des  lat.  di&s  Jovis.  Dafür  bayr. 
Pfinztag  m.,  im  13.  Jh.  bei  Berthold  v.  Regens- 


369 


doppel 


Dorre 


370 


burgl,  58,  AipMnztac;  durch  kirchlich-byzant. 
(got.)  Einfloß  aus  gr.  -rreuTTTri  (fjuepa)  der 
fünfte  (Tag).     Vgl.  Ch-ündonnerstag. 

doppel:  eins  und  das  Gleiche  mitein- 
ander verbunden  (s.  doppelt),  nur  noch  in 
Zusammensetzungen  wie  Doppeladler,  m. 
(bei  Adelung  1774):  Doppelbier,  n.:  stärker 
gebrautes  Bier  (im  17.  Jh.  i:  Doppelgänger, 
m.:  ein  an  verschiedenen  Orten  zugleich  er- 
scheinender Mensch  (von  Jean  Paul  gebildet, 
Siebenkäs  1,  66);  Doppelhakeil,  m.:  große 
Hakenbüchse,  Wallbüchse,  die  beim  Abfeuern 
aufgelegt  wurde,  im  16.  Jh.  (^bei  Fronsperger 
2, 106*):  Doppelpunkt,  m.:  das  Satzzeichen  : 
(1641  bei  Schottel  Sprachkunst  526):  Doppel- 
sinn, m.:  mehrfacher  Sinn  (bei  Adelung  1774, 
aber  das  Adj.  doppelsinnig  schon  bei  Gry- 
phius  Trauerspr.  57);  doppelzüngig,  adj.: 
von  mehrfacher,  sich  widersprechender  Rede 
(bei  Heniseh  1616).  Davon  doppeln,  v., 
1475  clevisch  diibhelen  (Teuthonista  84),  1537 
bei  Dasyijodius  doppeln,  bei  Luther  u.  a. 
dupeln,  dvppehx. 

doppeln,  V. :  mit  Würfeln  im  Brett  spielen ; 
im  Spiele  beträgen.  Mhd.  toppein  «würfeln», 
von  toppel  m.  «Würfelspiel»,  das  aus  fi'anz. 
doublet  m.  (von  double  «doppelt»,  s.  d.)  «Wurf 
mit  gleichen  Augen».  Entsprechend  ndl.  dob- 
belen,  aisländ.  dubia,  dän.  doble. 

doppelt,  adj.,  älterahd.  doppel  (s.  d.).  Aus 
franz.  double,  das  auf  lat.  duplus  «zweifach» 
beruht;  mhd.  vereinzelt  daraus  dublin  (in 
Wolframs  Willehalm  410,  21).  1475  clevisch 
im  Teuthonista  dobbel,  dubbel  und  sonst  in 
niederrhein.  Quellen,  am  Anfang  des  16.  Jh. 
auch  hd.  dopel,  doppel,  dupel,  duppel  (so  auch 
bei  Luther  6, 846  W),  doppel  bei  Mumer  Schelm. 
5,  29.  Auch  in  der  Kanzleisprache  (Reichs- 
Ordnungen  78*  V.  J.  1512  duppel).  Daneben 
findet  sich  die  Fonn  doppelt  (wohl  tmter 
Einfluß  des  Part,  gedoppelt)  schon  1537  bei 
Dasypodius  und  wird  dann  z.  B.  von  Ring- 
wald, Rollenhagen,  Albertinus  gebraucht.  Die 
beiden  Formen  doppel  (duppet)  und  doppelt 
(duppeli)  erhalten  sich  lange  nebeneinander: 
die  schlesischen  Dichter  gebrauchen  meist 
duppel,  auch  duppelt;  Rädlein  1711  führt  noch 
doppel  an,  Ludwig  1716  dagegen  nur  doppelt, 
doch  ist  doppel  auch  noch  später,  z.  B.  von 
Voß,  gebraucht  worden. 

Dorf,  n.  {-es,  PI.  Dörfer) :  Ortschaft  ohne 

höhern  Rang.  Mhd.-ahd.  dorfn.;  dazu  asächs,- 

afries.  thorp,  ndl.  dorp,  ags.  ßorp  (auch  prop, 

prep),   engl,  thorp   (in  Eigennamen)   «Dorf», 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  .\afl. 


in  der  Bed.  abweichend  anord.  porp  «Ge- 
höft» (auch  «Menschenmenge»),  schwed.  torp 
«Landgut»;  got.  ßaftrp  n.  ist  «Bauland,  Feld». 
Verwandt  sind  lat.  trdbs  f.  «Balken»,  osk. 
tritbüm  m.  «Gebäude»,  air.  treb  «Dorf»,  umbr. 
trebeit&er  verweilt»,  lit.  tröbä  f.  «Gebäude»  mit 
ganz  gewöhnlichen  Bedeutungsübergängen, 
nämlich  von  «Haus»  zu  «Niederlassung»,  dann 
«die  Menge  im  Dorf».  ÄJBL.  Dörfer,  meist 
Dörfler,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Dorfbewohner. 
Mhd.  dorfcere,  im  16.  Jh.  auch  dörfler.  Vgl. 
auch  Tölpel,  dörflich,  adj.,  frfihnhd.  dorflich. 
Dorfschaft,  f.,   mhd.  dorfschaft. 

dorlen,  v.  (Goethe  5,  179):  sich  im  Kreise 
herumdrehen.  Aus  dem  Thüringischen.  Wahr- 
scheinlich mit  Ausfall  des  m  aus  mhd.  tur- 
mein (auch  schon  turlen),  tilrmeln  «schwin- 
deln, taumeln».  Davon  Dorl,  m.  (-s,  PI. 
-e):  Kreisel,  bei  Goethe  Drehdorl  (5,  193). 
Dorn,  m.  (-.s,  PI.  -e?i):  stechende  Spitze 
an  einer  Holzpflanze;  stachlige  Holzpflanze; 
jener  Spitze  Alinliches.  Mhd.-ahd.  dorn  m; 
dazu  asächs.-afries.  thorn,  ndl.  doorn,  ags.- 
anord. ^orw,  engl,  thorn,  dän.  torn,  got.paumus 
m.  Der  Lautverschiebung  gemäß  entspricht 
abg.  trünü  m.  «Dom»,  aind.  tJTia-  m,  n. 
«Grashalm».  Der  PI.  mhd.  dorne,  ahd.  dorna 
lautet  im  Nhd.  seltner  Dome  (namentlich 
in  der  poetischen  Sprache,  z.  B.  bei  Uhland, 
Rückert);  Luther,  der  einmal  (Micha  7,  4) 
'  den  Sg.  Dome  hat,  bildet  den  PI.  Domen 
;  (vereinzelt  Dornen)  und  diese  Form  bleibt 
I  auch  später  gewöhnlich;  daneben  tritt  im 
16.  Jb.  Dörner  auf  (Hans  Sachs  Fastn.  8, 
892;  Ringwald  tr.  Eckh.  B%^;  Opitz  2,  17 
und  die  andren  Schlesier).  ÄJ3L.  dornen, 
adj.,  mhd.  dürnin,  ahd.  durnin:  dazu  ags. 
pyrnen,  got.  ßaurneins.  doruiclit,  adj.  mhd. 
nur  weitergebildet  dornehtic,  ahd.  dornohti. 
Bei  Luther  dörnicht,  jetzt  durch  dornig  ver- 
drängt, dornig,  adj.,  mhd.  dornec,  ahd. 
domac,  dazu  ndl.  doomig.  Dornicht,  n. : 
Domgebüsch.  Mit  angetretenem  t  aus  mhd. 
dorruich,  spätahd.  thornahe  n. 

Dorothea,  Frauenname,  aus  gr.-lat.  Doro- 
I  thea,  gr.  AuupoGea  «Geschenk  Gottes»,  von  gi\ 
\  büjpov  «Gabe,  Geschenk»  und  öeöc  m.  «Gott». 
i  Verkürzt  Dortchen. 

Dörre,  f.  (PI.  -n)  -.  Vomichtung  zum  Trock- 

I  nen.    1469  derre  (voc.  ex  quo).  Von  dörren, 

•V.:  dürr,  d.  i.  ausgetrocknet  machen.    Mit  ö 

I  für  ursprüngliches  e  (bei  Luther  noch  derren) 

aus  mhd.  derren,   ahd.  derren,   darren   (aus 

darjan);  zugleich  geht  aber  dörren  auch  auf 

24 


371 


Dorsch 


Douane 


372 


dürren  zuiiick,  das  in  md.  Mundarten  dörren 
ausgesprochen  wird,  dörren  erscheint  obd. 
schon  im  16.  Jh.  und  findet  sich  bei  Henisch 
1616  angegeben,  während  Stieler  kein  dörren 
kennt  und  Eädlein  und  Ludwig  unter  dörren 
avd  dürren  verweisen;  Schotte!  1663  und  Frisch 
1741  aber  setzen  dörren  an.  Ahd.  derren  ist 
Faktitiv  zu  einem  starken  V.,  das  im  Got. 
als  pairsan  (in  gapairsan)  «ausgetrocknet 
sein»  erscheint.  Dies  stimmt  zu  gr.  x^pcccGai 
«trocken  werden»,  auch  lat.  torrere  (aus  tor- 
ser e)  «dörren».  Weiter  sind  verwandt  aind. 
frsjati  «dürstet»,  awest.  tarsav-  «trocken», 
ir.  fir,  tirim  «trocken»  u.  a.  S.  auch  Darre 
und  Durst.  —  dorren,  v.:  dürre  werden. 
Mhd.  dorren,  ahd.  dorren;  dazu  asächs.  thor- 
rön,  ndl.  dorren,  im  Got.  dafür  gapaursnan, 
eine  Inchoativbildung. 

Dorsch,  m.  (-es,  PI.  -e):  Art  Schellfisch 
in  der  Ostsee.  Aus  dem  Ndd.,  schon  mnd. 
dorsch,  dors,  1610  bei  Colerus  Hausb.  3,  260 
dorst  m.;  dazu  ndl.  dorsch,  anord.  porskr, 
schwed.-dän.  torsk  m.  Dunkler  Herkunft,  viel- 
leicht zu  russ.  treskd  «Stockfisch». 

Dorsche,  f.,  auch  m.  (PI.  -n) :  Kohl-,  Salat- 
stengel. MundartHch  am  Rhein,  Schwaben, 
Bayern.  Mhd.  torse,  turse,  ahd.  torso,  turso 
m.  «Stengel»,  wohl  entlehnt  aus  roman.  (ital.) 
torso  m.  «Strunk»,  das  aus  gr.-lat.  thyrsus, 
tursus,  gr.  öüpcoc  m.  «Stengel,  Strunk». 

Dort,  m.  (-es):  ährentragendes  Unkraut 
im  Getreide.  Mit  d  für  urspmngliches  t  aus 
mhd.  turt,  ahd.  turd  m.;  dazu  asächs.  durth  n. 

dort,  vei'längert  dorten,  demonstratives 
Pronominaladv.:  an  jenem  Orte.  Mhd.  dort, 
ahd.  dorot,  in  älterer  Form  darot  [tliarot  im 
Ludwigslied)  «dorthin,  dahin»;  entsprechend 
asächs.  tharod,  afries.  tJiard  «dorthin»,  sonst 
nicht  vorkommend.  Das  Adv.  mhd.  dar, 
ahd.  dara  «dorthin»  mit  angetretenem  -ot, 
das  vielleicht  zu  lat.  uta  in  alnita  «irgend 
anders»  gehört.  Die  verlängerte  Form  dorten 
kommt  schon  um  1500  vor  (Fastnachtssp.  4, 
22).  ABL.  dortig,  adj.  Frühnhd.  (Aven- 
tin  1,  448,  18  vom  J.  1511),  aber  erst  bei 
Adelung  1774  verzeichnet. 

Dose,  f.:  Büchse  mit  Deckel  zu  Tabak, 
Zucker  usw.  Aus  dem  Ndd. -Ndl.;  schon  1475 
clevisch  im  Teuthonista  dose  f.  «Behälter  zum 
Tragen,  Lade,  Koffer»,  ndl.  doos  und  dooze  f., 
dazu  dän,  daase.  Schottel  1663  führt  Doos 
«capsa»  als  ndd.  an.  Stieler  1691,  Rädlein 
1711  usw.  als  Schriftdeutsch  Dose.  Daneben 
oribt  Frisch  1741    Dese  «Waschfaß    auf  drei 


Füßen»  an,  Adelung  Döse:  die  Form  findet 
sich  in  bayi'.-öst.  Mundarten  für  «Holzgefäß». 
In  ostmd.  Dialekten  deise,  teuse  «Schachtel, 
Dose».  Ursprung  und  Entwicklung  der  For- 
men dunkel. 

dösen,  v.:  in  Betäubung  sein,  gedanken- 
los dasitzen,  schlummern.  Mit  d  für  urspr. 
t  Frühnhd.  dosen  (Schm eller  ^  1,  548),  schon 
im  14.  Jh.  verdcesen  «überhören»;  dazu  ndd. 
dösen,  dän.  döse,  engl,  doze  «schläfrig  sein, 
schlummern».  Obd.  dosen,  auch  dosein,  dos- 
men.  Verwandt  mit  Dusel  (s.  d.).  In  den 
Wörterbüchern  ist  das  nur  der  Umgangs- 
sprache angehörige  Wort  nicht  verzeichnet. 
ABL.  Döserei,  f.  (bei  Lessing  10,  86  Töse- 
rey).  dÖsig,adj.  gedankenlos,  halb  im  Schlafe. 

Dosis,  f.  (PI.  Dosen):  Gabe  Arznei.  Aus 
gr.-lat.  dosis,  gr.  böcic  f.  «Gabe»,  von  bibövai 
«geben».    Im  17.  Jh. 

Dost,  m.  (-es)  und  Dosten,  m.  (-s) :  eine 
majoranartige  Pflanze,  gr.-lat.  origanum  ge- 
nannt. Mhd.  doste,  ahd.  dosto,  tosto  m.  u.nd 
tosta  f.  Urspr.  wohl  s.  v.  a.  buschartig  wach- 
sende Pflanze,  denn  spätmhd.  doste  m.  «Strauß» 
und  bayr.  Dosten  «Busch,  buschartig  sich 
Ausbreitendes»  sind  wohl  verwandt. 

Dote,  s.   Tote. 

dotieren,  v. :  ausstatten;  mit  Einkünften 
versehen.  Schon  mhd.  dotieren,  aus  lat.  dö- 
täre  «ausstatten»,  abgeleitet  von  dös  f.  (Gen. 
dötis)'«Gahe,  Mitgift».  ABL.  Dotation,  f.: 
Ausstattung  durch  Schenkung;  Schenkung. 
Aus  mlat.  dotatio  f. 

■^Dotter,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.),  seltner  n.: 
das  Gelbe  im  Ei.  Mit  d  für  m-sprünghches 
t  (bei  Luther  noch  totter)  aus  mhd.  totere, 
ahd.  totoro  m.  und  zusammengesetzt  tutarei, 
dazu  andd.  dodro,  ndl.  dooier,  ags.  abgeleitet 
dydring m.  Die  Grundbed.  scheint  «Verdickung, 
Klumpen»  zu  sein;  dazu  gehört  ndl.  dot  f. 
«Knäuel»,  ags.  dott  m.,  engl,  dot  «Punkt, 
Fleck»  und  wohl  auch  mhd.  tutte  m.  f.,  ahd. 
tutto  m.  und  tutta  f.  «Brustwarze».  ZUS. 
Dotterblume,  f.,  Name  mehrerer  dotter- 
gelb blühenden  Pflanzen,  der  Caltha  palustris 
(1546  bei  Bock  54^),  des  Löwenzahns  (bei 
Bock  100 b),  der  Trollblume. 

"Dotter,  m.  (-s):  flachsartiges  Unki'aut. 
1482  im  Voc.  theut.  gg  7*  todter.  Dazu  engl.- 
dän.  dodder,  schwed.  dodra  f.  Kaum  mit 
^Dotter  verwandt  (etwa  wegen  des  kleinen 
gelben  Samens), 

Donane,  f.:  Maut:  Zollhaus,  Zollamt;  Ge- 
samtheit der  Zollwächter  und  -beamten.  Das 


373 


dozieren 


Drang 


374 


franz.  douane,  ital.  dogäna,  span.-port.  aduana 
f.,  das  zurückgeht  auf  arab,  dlvän,  addlvän 
«Reclinungsbuch,  Bureau,  Kanzlei,  Maut- 
bureau».    Bei  Sperander  1728. 

dozieren,  v.:  vorti-agend  lehrend.  Aus 
lat.  docere  «lehren».  Bei  Rot  1571.  ABL. 
Dozent,  m.  i-en,  PI.  -en):  vortragender 
Lehrer  einer  Hochschule.  Aus  lat.  docens 
(Gen.  docentis),  dem  Part.  Präs.  von  docere 
«lehren». 

Drache,  m. :  fabelhafte  fliegende  Schlange : 
Kinderspielzeug.  Mit  d  für  urspininghches  t 
(durch  Einfluß  des  gi'.-lat.  Grundwortes)  aus 
mhd.  trache,  ahd.  frahho  m.,  auch  mhd.  tracke, 
ahd.  traccho  m.;  mit  ndl.  draak,  ags.  draca, 
schwed.  drake  m.,  dän.  drage,  entlehnt  aus 
gi-.-lat.  draco  (daneben  dracco),  gr.  bpctKuuv 
m.  «fabelhafte  große  Schlange»,  lat.  auch 
«Kohortenzeichen»  in  Form  eines  Drachen, 
vgl.  Dragoner. 

Drachme,  f.  (PI.  -n)-.  7^  Lot  (4  Gramm). 
Aus  gr.-lat.  drachnia,  gr.  bpaxuri  f.  «Be- 
nennung eines  sehr  kleinen  Gewichtes». 

Dragoman,  m.  {-s,  Pl.-s,  -e):  Dolmetscher 
bei  den  Tüi'ken.  Aus  franz.-span.  dragoman, 
ital.  dragomanno,  mlat.  dragumanus,  droga- 
mundus  (woraus  mhd.  Trougemunt),  die  zu- 
inickgeheu  auf  arab.  tardschumän  «Ausleger», 
von  iardsclianm  «übersetzen,  dolmetschen». 
Bei  Spei'ander  1728.  Gleichen  ürspiiings,  aus 
roman.  trucheman,  im  14.  und  15.  Jh.  trüfzel- 
niann  m.  «Dolmetscher». 

Dragoner,  m.  (-.s,  PI.  wie  Sg.):  Art 
leichter  Reiter,  urspr.  ein  Fußsoldat,  der  das 
Pferd  zum  schnellen  Fortkommen  braucht. 
Gebildet  von  franz.  dragon  m.  «Drache»  (s.  d.), 
also  D.  eig.  Angehöriger  einer  Schar,  in  deren 
Standarte  sich  ein  Drachenbild  befand.  Um 
1600  aufgekommen  (1617  bei  Wallhauseu  Corp. 
mil.  10  Dragoens,  im  teutschen  Michel  22  Tra- 
goner),  wähi-end  in  Frankreich  die  Arkebusiere 
zu  Pferd  schon  im  16.  Jh.  dragons  hießen. 

Dragün,  m.  (-s):  Kaisersalat,  Schlangen- 
kraut, eine  als  Gewürz  an  Speisen  dienende 
Pflanze.  Mit  wallen,  dragonn,  franz.  targon 
(daneben  estragon  ra.  aus  port.  estragqp  m.), 
ital.  targone  m.,  span.  taragona,  taragontea, 
dragontea  von  lat.  draco  m.  «Drache»  in  der 
Bed.  dracünculus  wie  unsre  Pflanze  bei  Plinius 
heißt.     1712  bei  Hübner  Naturlex.  430. 

Draht,  m.  (es,  PI.  Drähte):  zusammen- 
gedrehter dicker  Faden;  (Gaunersprache)  Geld. 
Mit  Dehimngs-Ä  zu  mhd.-ahd.  drät  m.;  dazu 
ndl.   draad  m.,   afiies.  thred,   ags.  ßr(ed  m. 


«Faden»,  engl,  thread,  anord.prädr  m.,  schwed. 
träd  m.,  dän.  traad.  Zu  drehen,  formell  ge- 
nau gr.  xpriTÖc  «durchbohrt»  entspi'echend. 
ABL.   drähtig,  adj.,  in  zwei-,  dreidrähtig. 

drall,  adj.:  wohlgedreht;  elastisch  fest 
(Lessing  Nathan  2,  5);  hurtig;  rasch,  munter, 
kräftig  und  gedrungen  aussehend.  Aus  dem 
Xdd.  (schon  mnd.  dral  «rasch  sich  drehend, 
rasch»),  in  die  Schriftsprache  von  Lessing 
eingeführt;  Adelung  erwähnt  das  Wort  nur 
gelegentlich  als  ein  niedersächsisches,  Hey- 
natz 1796  spiicht  sich  dagegen  aus,  während 
Campe  es  empfiehlt.  Fmher  erscheint  das 
auch  von  Adelung  verzeichnete  ndd.  drell, 
z.  B.  bei  Caniz  124  hey  deiner  liebsten  Dr eilen, 
wobei  in  einer  Anmerkung  gesagt  wird,  daß 
man  in  der  Mai'k  z.  B.  sage  eine  drelle  Dirne, 
das  ist  «ein  frisches,  derbes  Mädchen»,  auch 
bei  Hermes  Sophiens  Reise  4,  166.  Zu 
^drillen. 

Drama,  n.  (-s,  PI.  Dramen) :  BühnenspieL 
Aus  dem  gleichbed.  gr.-lat.  dränia  (Gen,  drä- 
matis),  gr.  bpä|ua  n.,  das  urspr.  s.  v.  a.  «Tat, 
Handlung»,  abgeleitet  von  bpäv  «tun».  In 
der  Mitte  des  18.  Jh.  aufgekommen.  ABL. 
dramatisch,  adj.  Xach  gr.-lat.  drämaticus, 
gr.  bpaiiOTiKÖc.  Bei  Gödeke  Giiindriß  ^  3,  226, 
75  vom  J.  1676. 

dran,  gekürzt  aus  daran,  wie  drauf,  draus, 
drein,  drin,  droh,  drüben,  drüber,  dnmter  usw. 
aus  darauf,  daraus,  darein  usw.  AUe  diese 
Adverbien  sind  urspr.  Zusammenschiebungen 
des  dar,  mhd.  dar  «dahin»,  oder  des  dar, 
mhd.  dar  (vor  Adverbien  geschwächt  dar), 
da,  da  mit  einem  Präpositionaladv.  Jene  dar- 
gingen  mhd.  auch  in  tonloses  der-  über  und 
wurden  endlich  bloßes  dr-.  So  findet  sich 
bereits  mhd.  drane,  dran  aus  derane,  darane, 
ahd.  därana  wad  dara  ana;  drüfe,  drüf  aus 
dar  üfe,  dar  üf,  ahd.  dar  uf  usw. 

Drang,  m.  {-es):  Zudringen,  Bedrängnis; 
starkes  Getriebensein  wozu.  Mhd.  dranc  m. 
«Gedi'änge,  Bedrängnis»;  dazu  ndl.  drang  m. 
«Gedränge,  Drang»,  ags.  ßrong  (in  geprong 
n.),  engl,  throng  «Gedränge»,  anord.  pröng  f. 
«Gedränge»,  dän.  trang  «Gedränge,  Bedräng- 
nis». Zu  dringen.  Die  2.  Bed.  erst  bei  Ade- 
lung. ABL.  Drangsal, f.,  seltenern. (Bürger, 
Schiller,  Goethe  usw.),  spätrahd.  drancsal  m., 
wohl  von  dem  später  verschwTindenen  mhd. 
drangen  « drängen»  abgeleitet.  Davon  drang- 
salieren, V.  Neue  Bildung  mit  der  fremden 
Endung  -ieren  (nach  dem  Muster  von  tribn- 
lieren  u.  dgl.). 

24* 


375 


drängen 


drei 


376 


drängen  v. :  di-ingen  machen,  Drang  aus- i^eÄ;Är  m.,  schwed.  träck  m.,  dän.  dräk  n. 
üben.  Älternhd.  drengen  (wie  Preyer  1722  Vielleicht  verwandt  mit  gr.  xpuE  (Gen.  rpuföc) 
vorschreibt  und  noch  Lessing  2,  180  hat),  mhd.  f.  «Hefe,  ünreinigkeit».  Sehr  ansprechend 
drengen  (häufiger  drangen,  ahd.  drangön,  engl,  vergleicht  Sommer  Idg.  Forsch.  11,  91  spätlat. 
thronq).  Wie  anor ä.  ßrengja,  schwed.  ^rängra, ,  froia  «Sau»  aus  *fro^ja  mit  unserm  Wort.  Doch 
dän.  tränge  das  Faktitiv  zu  dringen.  ABL. ;  hat  gi\  Tpäyoc  «Bock»  fernzubleiben.  Eedens- 
drängeln,  v.  in  frequentativer  Bed.  Bei  art:  Dreck  am  Stecken  haben:  Unsauberes, 
Campe  1807.  Hinterhaltiges  in  geheimer  Absicht.     ABL. 

drapieren,  V.:  mit  Gewändern  bekleiden.  drecMg,  adj.  Friihnhd.  (bei  Dasypodius 
Aus  dem  gleichbed.  franz.  draper,  von  drap,  1537,  Alberus  A  A2*  hat  dreckicht,  1475  cle- 
spätlat.  drappus  m.  «Tuch».  ABL.  Dra-  visch  im  Teuthonista  dreckich). 
perie,  f.:  Bekleidung  der  Figuien.  Aus  drehen,  v.:  im  Kreise  bewegen;  mittelst 
franz.  draperie  f.  Beides  1712  bei  Hübner  Kreisbewegung  eines  Werkzeuges  und  durch 
Naturlex.  430.  Ursprünglich  Malerausdruck.  Meißel  rund  formen  (drechseln).  Mit  e  für 
drastisch,  adj.  u.  adv.:  kräftig  wirkend,  urspr.  öß  (schon  bei  Luther  drehen,  obd,  an- 
Mit  -isch  gebüdet  nach  dem  gr.-neulat.  Adj.  fangs  dafür  dräjen,  dräen,  drähen,  noch  bei 
drasticiis  «geschwind  wii-kend,  kräftig  wir-  Ludwig  1716  drähen),  aus  mhd.  drcejen,  drcen, 
kend»,  gr.  bpacTiKÖc  urspr.  «tätig»,  dann  «kräf-  ahd.  dräjen,  dräen;  dazu  ndl.  draaijen,  ags. 
tio-  wirksam»,  abgeleitet  von  bpäv  «tun»,  prätvan  (mit  starker  Flexion),  engl,  throw, 
Früher  (noch  bei  Campe  1811)  nur  von  Arz-  schwed.  (aus  dem  Deutschen)  drej'a,  dän.dreje. 
neien  crebraucht.  |  Verwandt  sind  gr,  cuvTpfjcai  «durchbohren», 

dränen,  s.  drohen.  '  Tpfiua  n.  «Loch»,  xepeTv  «bohren,  drechseln», 

drauf,  draus,  s.  dran.  lat.  terehra  f.  «Bohrer»,  ir.  tarafhar  «Bohrer», 

dräuschen,  V. :  heftig  rauschen,  besonders  abg.  treti  «reiben».  ABL.  drehbar,  adj. 
von  Regen  u.  dgl.  Ein  md.-ndd.  Wort,  ober-  Junge  Bildung,  noch  nicht  bei  Campe  1807. 
Sachs,  dreschen,  Prov,  Sachsen  (^räs'cAew,  schon  Dreher,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Drechsler  (in 
bei  Hans  Sachs  dreussen  «heftiges  Geräusch  frühnhd.  Glossaren  des  15.  Jh.  bei  Diefenb. 
machen»,  auch  ndl.  drMWCÄen  «rauschen».  Viel-  588^);  Türgriff  (ndd.);  langsamer  Walzer, 
leicht  zu  got.  driusan,  asächs.  driosan,  ags.  drei,  Zahlw.  Mhd.  drt  (Xeutr.  driu),  ahd. 
dreosan  «fallen,  niederfallen»,  so  daß  das  V.  dri,  drte  (F.  drio,  N.  drm);  dazu  asächs.  thria, 
urspr.  das  durch  Fallen  (z.  B.  der  Eegen-  \  ndl.  drie,  ags.  pri,  preo,  engl,  three,  anord, 
tropfen)  verursachte  Geräusch  bezeichnete,  prlr,  schwed.-dän.  tre,  got.  preis  (F.  prijös, 
Doch  wohl  eher  laut  nachahmend,  vgl.  trat-  IST.  prija).  Der  Lautverschiebung  gemäß  stim- 
schen.    Bei  Stieler  1691  dreuschen.  mend  mit  lat.  tres  (N.  tria),  gr.  xpeic,  aind. 

draußen,  adv.:  außerhalb.  Gekürzt  aus  tri-  (Xom.  M.  träjas),  abg.  trije,  lit.  tris, 
daraußen,  mhd.  dar  uzen,  ahd.  dar  üg^ana,  altir.  tri.  Bei  substant.  Gebrauch  wird  das 
daneben  mhd.  dar  ü§e,  ahd.  dar  üga,  woher  Wort  flektiert  N.  A.  drei,  seltner  dreie,  G. 
unser  drauß  (auch  zusammengezogen  mhd. '  dreier,  D.  dreien;  steht  es  attributiv  ohne 
dü^e,  daher  das  volksübliche  dauß,  1593  bei  Artikel  vor  einem  Subst.,  so  ist  beim  Gen. 
Helber  30  daussen).  die  flektierte  Form  üblich,  beim  Dat.  dagegen 

drechseln,  v. :  Dreherarbeit  machen.  Mhd.  jetzt  veraltet  (zu  dreien  malen  Schiller  Jungfr. 
drcehseln,  mit  gekürztem  Vokal  drehsein,  ab-  Prol.).  Davon  Drei,  f. :  Dreizahl ;  3  Augen 
geleitet  von  drcehsel,  drehsei,  ahd.  drähsil  m.  im  Würfelspiel;  die  Ziffer  fiü-  drei.  Schon 
«Drehhandwerker».  Dies  kann  nicht  zu  (Zre/iew  mhd.  (in  den  beiden  ersten  Bedd.)  drie  f. 
gestellt  werden,  dem,  wie  mhd.-ahd.flra^  zeigt,  ABL.  Dreier,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  Drei- 
urspr.  kein  h  zukommt,  sondern  gehört  zu  pfennigstück.  Im  15.  Jh.  Dreiheit,  f.,  mhd. 
einer  sonst  nicht  im  Germanischen  vertretenen,  driheit  f.  Dreiling,  m.  (-5,  PL  -e):ein  Maß, 
aus  drehen  erweitei-ten  Wurzel,  die  lat.  tor-  der  dritte  Teil  von  etwas  oder  das  Dreifache 
gwere «drehen»,  gr.  xp^TTecGai« wenden»  zeigen,  von  etwas  (Luther  zu  Jes.  40,  12  «ein  Maß 
ABL.  Drechsler,  m.,  spUtmhd.  drehsler  m.  dreier  Finger  breit»),  spätmhd.  drUinc  m.; 
Dreck,  m.  {-es,  PI.  -e,  -er) :  Um-einigkeit ;  Dreipfennigbrötchen.  Vgl.  auch  Drell,  Drü- 
als  wertlos  Verachtetes.  Mhd.  drec  (Gen.  lieh,  Drilling,,  dritte.  ZUS.  Dreieck,  n. 
dreckes)  m.  «ausgeworfener  Unrat  von  Men- i  Mhd.  driecke  als  Adj.  dreieinig,  adj.:  als 
sehen  oder  Tieren:  dazu  ndl.  drek  m.,  anord.  'ein  Wesen,  in  drei  Personen  bestehend.    Im 


377 


drein 


drillen 


378 


17.  Jh.,  während  das  dazu  gehörige  Dreieinig-  1 
Jceit   schon   mhd.   als   drieinekeit  vorkommt. 
dreierlei,  aneinandergerückte  Gen.  PI.   als 
Adv.  (s.  -lei).     dreifach,  adj.,  bei  Luther,  j 
dreifaltig,  dreifältig,  adj.,  mhd.  dnval- 
fec.    Davon  Dreifaltigkeit,  mhd.  drivalte-  j 
keit  f.     Dreifuß,   m.:    dreifüßiges    G-estell. 
mhd.  driinio^  m.     Dreimaster,  m.:  Schilf 
mit  drei  Masten ;   steifer  länglich  dreieckiger  '' 
Hut   (bei   Campe  1807).      dreißig,   Zahlw. , 
(s.  -zig),  mhd.  dri^ec,  dri^ic,  ahd.  dri^uc;  da-  | 
zu  asächs.  thrltig,  ndl.  dertig,  afries.  thntich, ' 
SLgs.prüig,  engl.thirty,  anord.ßrjätigi,  schwed. . 
trettio,  dän.  tredive,  got.  ßreis  tigjus.    Davon  ' 
dreiiSigste,  Ordinalzahl,  mhd.  dri^igeste,  ahd.  ; 
dripcgösto.   dreizehn,  Zahlw.,  mhd.  drizehen,  \ 
ahd.  drizehan,  ndl.  dertien,  ags.  preotyne,  engl. 
thirteen,  anord.  ßrettän,  schwed.  tret&n,  dän. 
treten.      Davon   dreizehente,    Ordinalzahl, 
mhd.  driz-ehende. 

drein,  adv.     Mhd.  drin  aus  dar  tu,  ahd.  ■ 
dara  in.  [ 

dreißig,  s.  drei.  | 

dreist,  adj.  u.  adv.:   aus  Zuversicht  und 
Selbstvertrauen   fui'chtlos.      Aus    dem  Ndd., 
schon  mnd.  driste,  drtst,  asächs.  thristi,  ndl.  j 
driest,  ags.  priste.    Von  Kluge  unwahrschein- ' 
Hch   zu   lat.  trlstis   «traurig»    gestellt,    vgl. ! 
daorecren  Osthoff  Parercra  1,  163.    Im  Hochd. 
erscheint  das  Wort  zuerst  1616  bei  Henisch 
760,  59  als  dryste,  driest,  751,  57  fg.  als  drieß,  j 
dries,  driessig,  1663  bei  Schott el  als  driest,  I 
dreist,  1691  bei  Stieler  als  drüst,  dreist,  driest 
(dies  ndd.  driest  noch  bei  Frisch  1741).     Im 

18.  Jh.   häufig   in   der   Form  dreust   (zuerst 
1711  bei  Rädlein),    die   von  Lessing  3,  307, 
Herder  1,  23,    Weiße,    Thümmel,    Musäus, 
Schiller  Fiesko  4,  14  gebraucht  wird   (auch 
noch   bei   Goethe  Faust  6688   im   Reim   e7'-  ; 
dreiisten);    Adelung  1774  und  Heynatz  1775^ 
haben  dreist.    ABL.  Dreistigkeit,  f.    Mnd.  j 
dristicheit,   gebildet   zu   dem   von   drist  ab- 
geleiteten  Adj.   dristich.      Stieler    1691    hat 
Driestigkeit,  Rädlein  1711  Dreustigkeit.  \ 

dreizehen,  s.  drei.  \ 

drell,  s.  drall. 

Drell,    m.  (-S,  PI.  -e):   leinenes  Gewebe  i 
aus  dreifachen  Fäden.    Aus  dem  Ndd,  (mnd. 
im  15.  Jh.  drei).    Vgl.  Drillich.    D.  ist  nach  [ 
Bnigmann  Abb.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  25  No.  5 
S.  34   aus   drinal    entstanden,    entsprechend 
einem  ahd.  zwinal,  zwinel,  zivenel  «gemellus». 

dreschen,   v.   Prät.  drasch   und   drosch,  | 
Part,  gedroschen:   mit   dem   üblichen  Werk- 


zeucre  die  Frucht  aus  den  Hülsen  schlafen. 
Mhd.  dreschen,  ahd.  drescan;  dazu  ndl.  dor- 
schen,  ags.  perscan  (beide  mit  Umstellung 
des  r),  engl,  thrash,  thresh  auch  «prügeln», 
aisl.  pryskua,  schwed.  tröska,  dän.  tärske, 
got.  priskan.  Verwandt  sind  ht.  tresinti 
«schlagen»  oder  trasketi  «rasseln»,  abg.  treskü 
«Ki'ach».  Vgl.  auch  die  entlehnten  ital.  tres- 
care,  afi-anz.  trescher  «tanzen»,  span.-port. 
triscar  «mit  den  Füßen  unruhig  sein».  Die 
Grundbed.  scheint  also  «lärmend  mit  den 
Füßen  stampfen»  gewesen  zu  sein ;  das  Ge- 
treide wu-rde  früher  ausgetreten.  Das  V. 
wird  von  Voß  dröschen  geschrieben.  Das 
Prät.  lautet  mhd.  drasch,  PI.  dräschen,  da- 
neben (vgl.  das  im  Ahd.  belegte  dhruscun) 
druschen,  nach  diesem  PI.  schon  älternhd. 
neben  drasch,  drusch  {drusche  Schupp  1,  397) 
und  drosch,  Schottel  S.  582  setzt  drasch  und 
drosch  an,  ebenso  Stieler  und  Bödiker,  Gott- 
sched und  Adelung  geben  der  Form  drosch 
den  Vorzug,  doch  hat  sich  drasch  daneben 
erhalten.  Zuweilen  auch  schwache  Flexion 
des  V.,  bei  Luther  im  Präs.  (Imp.  dresche 
Mich. 4, 13),  später  manchmal  im  Prät.  {dreschte 
Haller  Ged.  106).  ABL.  Drescher,  m.  {-s, 
PI.  wie  Sg.),  spätmhd.  dr escher  m.  ZUS. 
Dreschflegel,  s.  Flegel. 

dressieren,  v. :  abrichten,  einschulen. 
Aus  franz.  dresser,  ital.  dirizzare,  eig.  «gerade 
richten,  wohin  richten»,  abgeleitet  von  einem 
aus  lat.  directus  «gerade»  abgeleiteten,  aber 
nicht  nachweisbaren  mlat.  directiare.  Bei 
Sperander  1728.  ABL.  Dressur,  f.  Bei 
Campe  1813. 

Driesch,  m.  n.  f.  {-es,  PI.  -e):  zu  Gras- 
wachs undHutung  ungepflügt  liegendes  Acker- 
land, auch  als  Adj.  driesch  «brach».  Ein  ndd. 
u.  rhein.  Wort  mit  anlaat.  d  für  hochd.  t 
und  schwankendem  Vokal.  Mndl.  driesch, 
1475  clevisch  dryesch,  mnd.  drisch,  drisch, 
auch  in  mrhein.  Quellen  (Diefenbach-Wülcker 
369,  Crecelius  297)  drisch,  dris,  jetzt  hessisch 
dreisch  (ei  aus  ie),  drisch,  schwäb.  dreisch, 
nd.  dresk,  dresch  (im  brem.  Wb.  1,  263  drusk). 
Dunkler  Herkunft.  ABL.  Drieschliug,  m.: 
Champignon.  \A:loc\ex\^ch.dryeslyng.  Häufiger 
Drüschling  (1546  bei  Bock  Druschling  «daruml:) 
das  sie  auff  den  druschen  gern  wachsen»). 

d rieseln,  s.  auch  aufdrieseln. 

Drift,  s.  Tnft. 

^drillen,  v.:  kreisend  hemmbewegen. 
Frühnhd.  Ein  mhd.  *drellen  ist  aus  dem 
starken  Part.  Prät.  gedr ollen  «rund  gedreht. 


379 


drillen 


droheu 


380 


drall»   zu  erschließen;    es  ist  wahrscheinlich  ! 
aus  dredl-  entstanden  und  gehört  zu  drehen. ' 
Doch   ist  in   drillen   wohl   noch   ein   andres 
Wort  eingeflossen,  das  dem  däu.  trille,  schwed. 
trilla  «rollen,  wälzen»,  engl,  trill  entspricht 
(s.  Triller) ;  dies  ist  wahrscheinlich  aus  trizl-  < 
entstanden    und    gehört    zu   nd.-md.  triseln, 
s.  aufdrieseln.       Häufig    trillen    geschrieben ; 
(bei  Bürger,  Voß,  Schiller,  Rückert).    S.  auch  | 
drall  und  drollig. 

"drillen,  v.:  bohren;  überlästig  plagen, 
quälen,  necken.  Auch  trillen  (bes.  in  der 
2.  Bed.).  Aus  ndd.-ndl,  (schon  mndl.)  drillen 
«bohren»,  dazu  engl,  tlirill  «bohren»,  dän. 
(aus  dem  Nd.)  drille,  schwed.  drilla.  Eig. 
mit  ^drillen  identisch.  Die  2.  Bed.  schon 
im  mnd.  drillen  (auch  ndl.  und  dän.-schwed.); 
sie  könnte  auch  aus  drillen  «drehen»  abge- 
leitet werden,  indem  sie  vielleicht  urspr. 
eine  Strafe  für  oferinffe  Versfehen,  das  Ge- 
drehtwerden  im  Drehkäfig,  dem  Driller 
(Triller),  bezeichnete.  ZUS.  Drillbohrer, 
m.  (-s):  mittels  einer  Schnur  in  Bewegung 
gesetzter  Bohrer  der  Stein-  und  Metallarbeiter. 
Aus  dem  Ndd.,  auch  ndl.  drillhoor  f. 

^drillen,  v.:  zum  Soldaten  einüben.  Wohl 
aus  ^drillen  hervorgegangen.  Schon  am  An- 
fang des  17.  Jh.  (Soltau  Volksl.  2,  298 
V.  J.  1606.)     So  auch  ndl.  drillen. 

Drillich,  Drilch,  m.  (s,  PI.  -e):  leinenes 
Gewebe  aus  dreifachen  Fäden.  Spätmhd. 
drillich  m.,  aus  dem  mhd.  Adj.  drillicli,  drilch, 
ahd.  drilih  «dreifach,  dreifädmig»,  das  Nach- 
bildung des  gleichbed.  lat.  trilix  (Gen.  tri- 
licis)  ist,  vgl.  Zwillich.     S.  auch  JDrell. 

^Drilling:,  m.  (s,  PI.  -e):  zu  gleicher 
Zeit  mit  zwei  andern  Kindern  von  einer 
Mutter  geborenes  Kind;  dreiläufiges  Jagdge- 
wehr. Nach  Zwilling  gebildet,  bei  Stieler  1691, 
während  früher  Dreiling  gesagt  wurde,  vgl. 
ndl.  drieling.  Schwed.-dän.  trilling  wird  direkt 
von  anord.  ßrennr  «dreifach»  abgeleitet. 

"Drilling,  m.  (-s,  PI.  -e):  zweischeibiges 
Triebrad  einer  Mühle.  Von  ^drillen.  Bei 
Adelung  1774. 

drin,  adv.  Mhd.  drin,  gekürzt  aus  dar  in, 
ahd.  dar  inne.     Vgl.  drein. 

dringen,  v.  (Prät.  drang,  Part,  gedrungen) : 
mit  treibender  Gewalt  sich  bewegen,  dann 
sich  bewegen  machen  (wie  drängen).  Mhd, 
dringen,  ahd.  dringan;  dazu  asächs.  dringan, 
ndl.  dringen,  ags.  pringan,  anord.  pryngva, 
got.  preihan  (aus  *ßrinhan).  Der  Lautver- 
schiebung  gemäß    übereinstimmend    mit   lit. 


trenkti  «dröhnend  stoßen»,  tranksmas  m. 
«dröhnendes  Getümmel».  Das  Prät.  mhd, 
dranc,  PI.  drungen  kommt  im  17.,  18,  Jh. 
auch  als  drung  vor.  ABL.  dringentlicli 
(von  dem  Part.  Präs.  gebildet),  bei  Wieland 
18,  64,  von  Adelung  1793  noch  nicht  er- 
wähnt, dringlich,  adj.  u.  adv.  Frühnhd, 
(1482  im  Voo.  theut.  f2a). 

driune,  adv.  (Luther  Jer,  32,  43.  Goethe 
31,  208).  Mhd.  drinne,  gekürzt  aus  dar  inne, 
ahd.  dar  inne.  Vgl.  ^dar  und  inne,  sowie  drin. 

drinnen,  adv.  (schon  bei  Luther),  ge- 
kürzt aus  darinnen.  Vgl.  ^dar  und  innen, 
mhd.  innen,  ahd.  innana,  vinän. 

Drischel,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.)  und  f. 
(PI.  -n):  Dreschflegel.  Veraltet  (noch  jetzt 
obd.).  Mhd.  drischel,  ahd.  driscila  f.,  dazu 
ags.  perscel  m.     Von  dreschen. 

dritte,  Ordnungszahlwort  zu  drei.  Mhd, 
dritte,  ahd,  dritto;  dazu  asächs.  thriddio,  ndl. 
derde,  ags.  ßridda,  engl,  third,  anord.  ßride, 
schwed.-dän.  fretZie,  got.ßridja.  Es  entspricht 
genau  lat.  tertius  (aus  Hritjos)  (gr,  rpiToc, 
aind,  trtljas  weichen  etwas  ab),  oder  lit. 
trei'as,  abg.  tretiji  «dritter».  Davon  drittens, 
adv.  Hervorgegangen  aus  dem  schwachen  Gen. 
dritten  mit  angetretenem  adverbialischen  s. 
Zuerst  bei  Nieremberger  1753,  von  Adelung 
aber  noch  als  ein  Wort  des  gemeinen  Lebens 
bezeichnet.  ZUS.  drittehalb,  dritthalb 
2^/.,, 'spätmhd.  drithalp.  Dritteil,  gekürzt 
Drittel,  n.,  mhd.  dritteil  n. 

droben,  Raumadv.,  gekürzt  aus  dar  oben 
(voc.  ex  quo  1469,  dar  oben  noch  bei  Herder 
zur  Lit.  15,  77).  Bei  Luthei-,  Goethe  (l,  93 
da  d.,  16,  59  dort  d.).  Dafür  mhd.  dar  obe, 
drobe  (s.  oben). 

Droge,  f.  (PI.  -n):  Spezereiware.  Aus 
dem  gleichbed.  franz.  drogue,  ital.-span.-port. 
droga  f.,  das  gewöhnlich  mit  engl,  drug  auf 
das  ndl.  droog  «trocken»  zurückgeführt  wird, 
also  eig.  «getrocknete  Ware».  Um  1600 
entlehnt  (Hulsius  Schifi'.  9, 42  Drogen).  ABL. 
Drogist,  m.  [-en,  PI.  -en):  Spezereiwaren- 
händler.  Aus  franz.  droguisfe,  ital.  droghista 
m.  Um  1600  {Drogist  Hulsius  Schift'.  3,  19, 
Triigist  Moschei'osch  Phil.  1,  344). 

drohen,  v. :  zu  erkennen  geben,  daß  man 
etwas  Übles  antun  wolle.  Mit  der  Nebenform 
dräuen,  mhd.  drömcen,  dreuwe^i,  dromoen, 
ahd.  drewen,  drottwen:  dazu  asächs.  thröön 
(in  githröön),  ags.prean.  Die  alte  Verbindung 
mit  lat.  torvus  «wild,  finster»  ist  unsicher. 
Eher    gehört    das    Wort    zu    gr.  TirpöiCKeiv 


381 


Drohne 


Drossel 


382 


«verwunden,  schädigen».  Ygl.  noch  Karstea 
Beiträge  zur  germ.  Wortkunde  1  ff.  Neben 
dieser  altem  Form  wurde  auch  in  engrer 
Anlehnung  an  das  Subst.  mhd.  (^neben  drouwe) 
drö,  ahd.  (neben  drawa,  drouwa)  drö,  droa  f. 
(danach  bei  Rückert  1,  458  altertümelnd 
Drohe  f.),  mhd.  dron,  auch  schon  ahd.  dröan 
geschaffen.  Luther  gebraucht  nur  dreiven, 
dräuen,  was  auch  sonst  im  16.  Jh.  das  ge- 
wöhnliche ist;  dron,  drohen  sind  selten  (bei 
Dasypodius, Maaler nicht  angeführt);  Henisch 
kennt  auch  drohen  und  im  17.  Jh.  wird 
diese  Form  die  übhche,  doch  erhält  sich 
dräuen  in  der  poetischen  Sprache.  ABL. 
Drohimg,  f.  Mhd.  dafür  drmicunge  f., 
ahd.  draivunga,  dröunga  f. 

Drohne,  f.  (PI.  -n)-.  Bienenmännchen, 
Bi-utbiene.  Mit  o  für  urspmngliches  a  aus 
dem  Xdd.,  schon  asächs.  drän,  ags.  drän  f., 
engl,  drone,  dän.  (aus  dem  Xdd.)  drone.  Das 
"Wort  kommt  schon  im  16.  Jh.  bei  Nord- 
deutschen vor  (Thronen  Eollenhagen  Froschm. 
2,  3,  7)  und  wird  von  Schottel  1663  als  Drone  f. 
angesetzt;  Stieler,  Ludwig,  Rädlein,  Frisch 
aber  kennen  diese  Form  nicht  und  noch 
Adelung  bezeichnet  sie  als  ndd.  Die  urspr. 
hochd.,  noch  in  Österreich  und  Sachsen  üb- 
liche Form  des  Wortes  ist  Trene  f.  (bei 
Das3'podiusl537  tren,  bei  Maaler  1561  tränm., 
noch  bei  Adelung  Thräne),  mhd.  trene,  tren, 
ahd.  treno  m.,  mit  asächs.  drän  ini  Ablaut 
stehend.  Zu  griech.  revöprivri  f.  und  xevGpribibv 
m.  «eine  Bienen-  oder  Wespenart»,  dvöprivri 
f.  und  dvöprjbdiv  m.  «wilde  Biene»,  lakon. 
öpüjvaE  m.  «Drohne». 

dröhnen,  v.:  erschütternd  tönen.  Aus 
dem  Ndd.,  schon  mnd.  dronen:  dazu  ndl. 
dreunen,  anord.  drynja,  das  zu  drynr,  got. 
drunjus  m.  «Schall»  gehört.  Weiter  ver- 
bindet man  gr.  Gpfivoc  m.  «Totenklage,  Klage- 
lied», aind.  dhränati  «tönt»  (im  Dhätupatha). 
Das  Wort  dringt  im  17.  Jh.  ins  Hochd.  ein 
(drönen  bei  Schupp  1,  20,  auch  von  Schottel 
1663  verzeichnet),  ist  aber  im  18.  noch  nicht 
völlig  eingebürgert:  nach  Adelung  ist  es 
nur  im  Niedersächsischen  einheimisch,  und 
Kindleben  1781  nimmt  es  als  mundartlichen 
Ausdruck  mit  auf. 

Drohnng,  s.  drohen. 

drollig,  früher  droUicht  (Lessmg  1,  106), 
adj.  u.  adv.:  wegen  Sonderbarkeit  ergötzlich. 
Aus  dem  gleichbed.  ndd.  drullig,  ndl.  drollig, 
abgeleitet  von  ndl.  drol  m.  «Kegel,  Klumpen, 
Knirps,  Possenmacher»,  zu  ^drülen  «drehen». 


Daraus  sind  auch  entlehnt  engl,  droll  «Schalk», 
franz.  dröle  «possierlich».  Zuerst  bei  Schottel 
1663  und  Krämer  1678  verzeichnet.  Ein 
älteres  nhd.  drollicht  {drollet  bei  Hans  Sachs) 
bedeutet  «mnd  gedreht,  rundlich,  drall»  (^so 
noch  bei  Geliert  3,  279).  Das  mhd.  trolle, 
trol  m.  «plumper  Mensch,  Tölpel,  Ungetüm», 
dazu  anord.  troll,  troll  n.  «Dämon»  scheint 
nicht   dazu  zu  gehören,   s.  auch  Trulle. 

Dromedar,  m.n.  (-s,  Pl.-e):  einhöckeriges 
Kamel.  Mhd.  tromedar,  dromedar  m.,  aus 
lat.  dromedärius  m.  eig.  «Schnelläufer»  von 
gi\-lat.  dromas  (camelus)  «Dromedar»,  gr. 
bpoudc  «laufend».     S.  Trampeltier. 

Drommete,  f.:  Trompete.  Alt  und 
dichterisch,  bei  Luther  Dromete,  s.  Trompete. 
ABL.  drommeten,  v.:  die  Trompete  blasen. 
Bei  Luther. 

Droschke,  f.  (PI.  -n):  vien-äderiges  Miet- 
fuhrwerk. Aus  gleichbed.  xnass.  droski,  poln. 
drozka  f.  um  1800  übernommen.  Ygl.  ZfdW. 
8,  124.  879. 

Dröselei,  f.  (Goethe  5,  178):  Tiftelei. 
Von  dröseln,  s.  aufdrieseln. 

Drossard,  m.  (-s):  Drost  (s.  d.).  Das 
ndl.  drossaard  m.     Bei  Schiller  7,  217. 

^Drossel,  f.  (PI.  -/*):  Art  größerer  Sing- 
vögel. In  der  jetzigen  Form  aus  dem  Ndd. 
Rhein.,  schon  im  11.  Jh.  in  andd.  Glossen 
drossela,  mittelrhein.  im  11. — 12.  Jh.  drosla 
(ZfdA.  6,  331.  277),  im  15.  Jh.  im  Voc.  ex 
quo  drossel,  drussel,  druyssel,  1475  clevisch 
droissel.  Die  gewöhnliche  mhd.  Form  ist 
droschet,  ahd.  dröscala  f.,  abgeleitet  von  ahd. 
drösca  f.;  hierzu  mit  abweichendem  Vokal 
ags.  Prysce  f.,  engl,  thrush.  Eine  3.  Form  ist 
mhd.  drostel  (1482  im  Voc.  theut.  f  3*  trostel) 
f.,  dazu  ags.pröstlet.,  engl.  throstle(aus*ßramst) 
vmd  ohne  das  ableitende  l  (mit  abweichendem 
Vokal)  anord. pröstr  ( Ans'prastu-)  m.  Im  Nhd. 
überwiegt  zunächst  Drostel  (bei  Oberdeut- 
schen) und  Dröschet,  Henisch  1616  hat  auch 
Drossel,  Schottel  1663  und  Stieler  1691  Drossel 
neben  Droschel,  Ludwig  1716  Drossel  neben 
Droschel,  Drostel:  doch  setzt  noch  Frisch 
1741  Drostel  (bei  einigen  Drossel,  Droschel) 
an,  das  auch  noch  von  Voß  (Horaz  Ep.  1, 
15,  41)  gebraucht  wird,  während  Adelung 
nur  Drossel  zuläßt.  Es  besteht  wohl  Ver- 
wandtschaft mit  lat.  turdus  m.,  mlat.  turdela  f. 
«Drossel»,  lit.  sträzdas  m.  «Drossel».  Ver- 
wandtschaft mit  gr.  CTpoüGoc  m.  «Sperling» 
ist  zweifelhaft.  Doch  vgl.  Solmsen  Idg.  Forsch. 
13, 138.   Indes  ist  nicht  völlig  klar,  in  welchem 


383 


Drossel 


drum 


384 


Verhältnis  die  deutschen  Formen  zu  diesen 
Worten  und  untereinander  stehen. 

2 Drossel,  f.  (PI.  -n):  Kehle.  Veraltet. 
Mhd.  dru^^el,  drü^^el  m.,  von  dem  gleiehbed. 
mhd.  dfOßße  f.  m.,  ahd.  drog^a  f.;  dazu  ags. 
ßrofu  f.,  engl,  throat,  auch  wie  im  Hd.  weiter- 
gebildet throttle  «Kehle».  Daneben  steht  mit 
anlaut.  s  mhd.  stro^ge  f.  «Kehle»,  dazu  andd. 
strota,  ndl.  stroot  f.,  auch  entlehnt  ins  Ro- 
manische (ital.  strozza  f.  «Kehle»).  ABL. 
drosseln,  v.  (Lessing  2,  237,  Goethe  16,  176. 
49,  1,  88),  häufiger  erdrosseln,  v.:  an  dem 
Halse  würgend  töten.  Um  1480  im  Voc. 
ine.  teut.  d  5^  droßlen. 

Drost,  m.  {-en,  PI.  -enj :  Amtshauptmann, 
Landvogt  (früher  in  Hannover).  Das  ndd. 
droste,  spät-altndd.  drossete,  ndl.  drost,  afries. 
drusta,  latinisiert  drossatus,  auch  anord. 
dröttseti  m.,  übereinstimmend  mit  dem  hd. 
Truchseß  (s.  d.).  S.  auch  Drossard.  ABL. 
Drostei,  f.:  Bezirk  oder  Wohnung  eines 
Drosten. 

drüben,  adv.,  zu  dem  gleiehbed.  altern 
drüber  gebildet  nach  dem  Verhältnis  von 
drunten  zu  drunter.     1711  bei  Rädlein. 

drüber,  adv.,  gekürzt  aus  darüber  (s.  "dar). 

Druck,  m,  {-es,  PI.  -e):  Wirkung  durch 
Schwere,  drängende  Kraft;  das  Auftragen 
einer  Schrift  mittels  der  Presse,  sowie  das 
Aufgetragene  selbst.  Mhd.  druc  (Gen.  druckes, 
PI.  drücke),  ahd.  druc  (Gen.  drucches)  m. ;  dazu 
ndl.  druk  m.,  ags.  prycc  m.,  schwed.  tryck, 
dän.  tryk  n.  Von  drücken,  v.:  durch 
Schwere,  drängende  Kraft  einwirken.  Refl. 
sich  drücken  auch  s.  v.  a.  «sich  zurückziehend 
gering  machen»;  «sich  still  wegbegeben»  (aus 
der  Studentensprache  bei  Augustin  1795). 
Daneben  drucken,  jetzt  nur  noch  vom  Auf- 
tragen einer  Schrift,  von  Figui-en,  Bildern 
u.  dgl.  mittels  einer  Presse  (also  Bücher, 
Zeuge  u.  dgl.  drucken).  Beide  Verba  gehen 
zurück  auf  mhd.  drucken  (obd.),  drücken, 
spätmhd.  (wie  älternhd.)  auch  trucken,  trücken 
ahd.  drucchen ;  dazu  ndl.  drukken,  ags. ßryccan, 
anord.  prykja,  schwed.  trycka,  dän.  trykke. 
Drucken  ist  eine  Intensivbildung  (vgl.  schmü- 
cken zu  schmiegen)  zu  anord. ^r%a  «drücken», 
das  wohl  mit  lit.  trükti  «entzweireißen, 
entzweigehen»,  träukiti  «zerren»  zu  ver- 
binden ist.  Von  Büchern  steht  drücken  seit 
1460 — 70  und  hat  sich  in  dieser  Bed.  in 
der  obd.  Form  festgesetzt  (daneben  anfangs 
drücken),  weü  die  ältesten  Druckorte  meist 
auf  obd.  Gebiet  gelegen  sind.    Auch  in  andrer 


Bed.  wird  obd.  anfangs  drucken  (trucken) 
gebraucht,  md.  aber  meistens  drücken.  So 
hat  Luther  in  der  Bibel  meist  drücken,  aber 
Prät.  druckte,  Part,  gedruckt,  wie  auch  Clajus 
Gramm.  162  ansetzt.  Drucken  in  der  Bed. 
von  drücken  erscheint  noch  bei  Rädlein  1711, 
Ludwig  1716  und  Nieremberger  1753,  während 
Frisch  1741  und  Adelung  wie  jetzt  unter- 
scheiden. Doch  hat  noch  Goethe  öfters 
drucken  =  drücken  gebraucht,  altertümelnd 
auch  noch  Rückert  (z.  B.  1,  297.  3, 13).  ABL. 
1)  von  drücken:  Drücker,  m.  (-s,  PI.  wie 
Sg.):  Werkzeug  zum  Drücken.  Bei  Stieler 
1691,  2)  von  drucken:  Drucker,  m.  (-s, 
PI.  wie  Sg.).  Bei  Brant  im  NarrenschiflE" 
65,  64  drucker.  Davon  Druckerei,  f.  (bei 
Brant  103,  99   truckery  f.). 

Drucker,  m.,  als  Malerausdruck:  Pinsel- 
strich von  tiefer,  starker  Farbe  zur  nachdrück- 
lichen Hervorhebung,  aufgesetzter  Schatten. 
Bei  Sulzer  1773. 

drucksen,  v.  (Goethe  Jery  12):  zurück- 
haltend langsam  wozu  sein.  Als  Frequen- 
tativ  von  drucken  =  drücken  gebildet.  Von 
Adelung  1774  als  neues  Wort  aufgeführt. 
ABL.  Druckser,  m.,  bei  Goethe  1,  143. 

Drude,  f.  (PI.  -n):  Hexe,  Zauberm,  Un- 
holdin. Spätmhd.  irute  f.  (dazu  dän.  drude, 
goÜänä.druda  «liederliches  Frauenzimmer»?), 
älternhd.  drute,  drutte.  Falls  das  anlaut.  t 
des  mhd.  Wortes  auf  d  zuiückgeht  (wie  in 
tausend)  könnte  Verwandtschaft  bestehen  mit 
anord.  ßrüdr  f.  «göttliches  Wesen,  Walkyre, 
Jungfrau»,  eig.  «gewaltige»,  zu  prüd-  (in 
Zusammensetzungen)  «Kraft,  Macht», ßrüdugr 
«gewaltig»,  ags.ßrydt  «Kraft,  Stärke»  (auch 
in  Zusammensetzungen).  Verwandtschaft  mit 
traut  ist  nicht  recht  wahrscheinlich,  ZUS. 
Drudenfuß,  m.:  dreifaches  ineinander  ver- 
schlungenes Dreieck  als  Fünfwinkelzeichen. 
Spätmhd.  trutenvuoß  m. 

Druder,  f.  (PI.  -n):  wie  eine  Latte  zu 
gebrauchende  Stange;  Dachlatte;  Querlatte 
im  Weinberg.  Am  Mittelrhein.  Mit  d  für 
ursprüngliches  t  aus  mhd.  truoder  (auch  drudel 
Weisth.  1,  453  v.  J.  1449,  bei  Alberus  Dict. 
Nn.  S''  der  PL  trudeln).  Vielleicht  aus  lat. 
trudis  f.  «Stange». 

Druide,  m.  (-w,  PI.  -n):  altkeltischer 
Priester.  Aus  dem  kelt.-lat.  PI.  drüidae  und 
drüides,  von  keltisch  (gälisch)  draoi,  draoidh, 
druidh  «Druide». 

drum,  adv.,  gekürzt  aus  darum  (s.  d.), 
schon  mhd.  drumbe,  drumme. 


385 


dnmten 


Duckmäuser 


386 


drunten,  adv.,  gekürzt  aus  daninten  (bei 
Luther  6,  393*  Jen.  darunden,  Jes.  14,  9  drun- 
den),  mhd.  derunden  und  ohne  auslautendes  n 
dar  unde,  spät.-ahd.  diruntini,  s.  ^dar. 

drunter,  adv.,  gekürzt  aus  darunter  (s. 
^dar\  schon  mhd.  drunder. 

Drusch,  m.  {-es,  PI.  -e  und  Dräsche): 
Handlung  des  Dreschens;  das  Ausgedroschene. 
1776  bei  Krünitz  9,  563. 

^Druse,  f.  (PI.  -n) :  löcheriges,  yei-wittertes 
Erz,  leerer  Raum  im  Gestein,  dessen  Wände 
mit  Kristallen  bedeckt  sind.  In  der  Berg- 
mannsprache des  16.  Jh.  (1546  bei  Georg 
Agricola  drusen  «Höhlchen  der  Adern  und 
Klüfte»,  1562  bei  Mathesius  Sar.  45^  usw.). 
Wohl  zu  Drüse  gehörig,  vgl.  Liebich  Btr. 
23,226.  .-LBi^.  drusig,  adj.  1557  bei  Bechius 
vom  Bergkwerck  56  drußig. 

"Druse,  f.  (PI.  -n):  in  Gestalt  kleiner 
Kristalle  angeschossenes  Gestein,  czech.  di-uza 
f.     1727  bei  Hübner. 

^Druse,  f.  (PI.  -n)-.  Geschwüi-;  Drüsen- 
geschwulst mit  Xasenausfluß  des  Pfei'des  (so 
auch  ndl.  droes  m.).     S.  Drüse. 

Drüse,  f.  (PI.  -n):  schwammiger  Körper- 
teil zur  Absonderung  gewisser  Feuchtigkeiten. 
Mhd.-ahd.  druos  f.  (daher  unser  Druse)  imd 
mhd.  drüese,  ahd.  druosi  f.,  auch  s.  v.  a. 
«eichelartige  Geschwulst,  Beule,  Geschwür» 
(daher  die  Verwünschung  daß  dich  die  Drüs! 
«daß  dich  die  Pestbeule,  die  Pest  befalle!»). 
Dunkler  Herkunft.     JJBL.  drüsig,  adj. 

Drusen,  PI.:  Bodensatz,  Hefe.  Veraltet, 
noch  im  Alem.  Mit  d  für  ursprüngliches  t 
aus  mhd.  truosen,  ahd.  truosana  f.  «beim 
Keltern  zuerst  abfließender  Schaum»,  dann 
«Bodensatz,  Hefe»;  dazu  ndl.  (/roesem  m.,  ags. 
drösne  f.  «Bodensatz,  übriggebliebner  Rest 
von  Gekeltertem,  Trester».  Verwandt  mit 
Trester,  s.  d.  Das  gleichbed.  engl,  dregs, 
apreuß.  dragios  scheint  Ausfall  eines  h  zu 
erweisen.  Eine  3.  Ablautstufe  neben  Druse 
und  Trester  zeigt  Schweiz,  trost  «Überreste 
im  Bienenstock»,  schwäb.  tros,  trost  «Hefe», 
preuß.  dross,  drost  «Hefe,  Wachs», 

drusig,  s.  Druse,     drüsig,  s.  Drüse. 

Dschonke,  f.  (PI.  -n)-.  SchiflF.  Aus  dem 
Chines.  1703  im  Zeitungslex.  Juncke. 

Dschungel,  m.  (-s,  -n),  eigentlich  nur 
im  Plural  Dschungeln.  In  neuster  Zeit  durch 
das  Englische  aus  dem  indischen  jangalas  m. 
«menschenleere  Gegend»  entlehnt. 

du,  Personalpronomen  der  2.  Person. 
Mhd.  du    (betont  du,   duo),    ahd,  du;    dazu 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


asächs.-afries.  thu,  nöl.du,  ags.-anord.-got.  ^, 
engl,  thoii,  schwed.-dän.  du.  Der  Lautver- 
schiebung gemäß  stimmend  zu  lat.  tu,  gr.  cu 
(dorisch  Tü),  aind.  tvam,  lit.  tu,  abg.  ty.  Die 
übrigen  Kasus  sind:  Gen.  dein  (s.  d.);  Dat. 
dir,  mhd.-ahd.  dir  (mit  r  aus  s),  got.  ßus: 
Akk.  dich,  mhd.  dich,  ahd.  dih,  got.  ßuk. 

Dual,  m.  (-5,  PI.  -e):  Bezeichnung  des 
Numerus,  der  die  Zweizahl  ausdrückt.  Aus 
lat.  duälis  «von  zweien,  zwei  enthaltend», 
zu  ergänzen  numerus  «Zahl».  Neuere  Ent- 
lehnung. Von  lat.  duälis  ist  abgeleitet 
Dualismus,  m.:  HeiTSchaft  von  zweien. 
Bei  Kant. 

Dublette,  f.  (PI.  -71):  Doppelstück,  z.  B. 

zweimal    in    demselben   Besitze   befindliches 

I  Stück  (Buch  usw.),  zwei  auf  einmal  erlegte 

I  Stück    Wild.      Aus    dem    gleichbed.    franz. 

doublet  m.,  von  double  (s.  doppel).    Im  18.  Jh. 

entlehnt. 

Duhlone,   f.   (PI.  -n):    eine   Goldmünze, 
.  Doppeldukaten.     Aus  dem  gleichbed.  franz. 
doublon,  und  dies  aus  span.  doblon  m.,   von 
double  (s.  doppel).     Um  1600  entlehnt  (Do- 
I  hlone  Albertinus   weibl.  Lustg.  46,   Dublone 
1  Zincgi-ef  1,  309).      Goethe   gebraucht   dafür 
I  auch  Double  (12,  8)  oder  Duhbel  (12,  35). 
'      Ducht,    f.    (PI.  -en):    Ruderbank.     See- 
männischer Ausdruck,  aus  dem  Xiederd.  ent- 
I  lehnt,  wo  er  im  mnd.  belegt  ist.     Das  cht 
j  ist   aus  ft    entstanden.     Die    hd.   Form  ist 
I  Duft,  aus  ahd.  dofta  f.  «Ruderbank»  (mhd. 
•  nicht  belegt):  dazu  mndl.  dofte,  dochte,  anord. 
ßopta   f,   und    die   Zusammensetzimgen    ahd. 
gidofto,  ags.  gepofta,  an,  ßofti  m.  «Genosse 
I  auf  der  Ruderbank,  Genosse».     Nach  Schade 
I  zu  lit.  tupeti  «hocken».     Unsicher. 

ducken,  v. :  jemand  niederdrücken;   sich 

j  niederwärts  zusammenbiegen.    In  dieser  Bed. 

häufiger  refl,  sich  d.      Mit  d  für  urspriing- 

liches  t  (noch  bei  Frisch  1741  tucken)   aus 

mhd.  tucken,  tUcken  «eine  schnelle  Bewecrunor 

j  machen,  besonders  nach  unten».     Verwandt 

I  mit   mhd.  tüchen  «tauchen»    (s.  d.),    zu  dem 

j  d.  Intensivbildung   sein   wird.     Luther  ver- 

j  wendet  ducken  und  tucken,  und  auch  sonst 

;  erscheint     ältemhd.    oft     ein    umgelautetes 

ducken,    tucken:    noch   Freyer  271   verlangt 

\  ducken,  Adelung  hat  nur  ducken. 

Duckmäuser,  auch  Tnckmäuser,  m.  (-s, 
I  PI,  wie  Sg.):  hinterlistig  Heimlicher;   Kopf- 
hänger. Bei  Brant  NarrenschifF  105, 19  ducket- 
I  muser,  von  dem  spätmhd,  Verb  tockelntüsen 
!  «Heimlichkeit    treiben»,    zusammenges.    aus 

25 


387 


Duckstein 


dnmm 


388 


dem  mit  tuckeln  (s,  d.)  zusammengehörigen 
tockel-  und  einem  mhd.  mnsen  «langsam  und 
leise  gehen»  (s.  -mausen).  Im  16.  Jh.  er- 
scheinen die  Formen  dockmeuser  (z.  B.  bei 
Hans  Sachs  Fastn.  6,  183)  und  (mit  Anleh- 
nung an  Tücke)  tückmeuser  (Alberus  Dialog. 
E  3^),  Henisch  1616  hat  duckmauser:  du  ekel-, 
dockehnäuser  u.  ä.  noch  jetzt  im  Schwäb.- 
Alem.  ABL.  duckmäuserig,  auch  duck- 
mäiisig,  adj.  (1669  bei  Giimmelshausen  Simpl. 
476  dockmäusig).  Dafür  duckmäusisch  bei 
Fischart  die  Gelehrten  638,  tockmeuserisch 
1697  bei  Thomasius  Schlitten  1,  367.  duck- 
mäusern,  v.,  fi-ühnhd.  duckmausen  {dock- 
mawsent  bei  Hans  Sachs  Fab.  204,  104). 

Duckstein,  m.:  Tuffstein,  s.  Tuff. 

dudeln,  v.:  auf  einem  Blasinstrumente 
schlecht  blasen.  Wohl  gebildet  nach  poln. 
dudliö  «dudeln»,  von  dem  PI.  dudy  «Sack- 
pfeife», 1651  bei  Mich.  Franck  dudeln,  bei 
Stieler  1691  dudeln.  ABL.  Dudelei,  f.  Im 
18.  Jh.  Dudeldei,  m.  {-s):  unbedeutende 
Kleinigkeit,  Spottgeld.  Im  18.  Jh.  ZUS. 
Dudelsack,  m.:  Sackpfeife,  bei  Stieler  1691. 

Duell,  n.  (-S,  PI.  -e):  Zweikampf.  Aus 
dem  gleichbed.  lat.  duellum.  In  der  1.  Hälfte 
des  17.  Jh.  entlehnt  (Moscherosch  Phil.  1, 109; 
bei  Schottel  1267  als  m.).  ABL.  duellieren, 
refl.  V.  Aus  mlat.  duellare.  Bei  Krämer  1678. 
Duellant,  m,  (-en,  PI.  -en):  Kämpfer  in 
einem  Zweikampf.  Aus  duellans  (Gen.  duel- 
lantis,  dem  Part.-Präs.  von  duellare.  1694 
bei  Nehring. 

Duett,  n.  (-es,  PI.  -e) :  Gesang  zu  zweien. 
Aus  dem  gleichbed.  ital.  duetto  m.,  abgeleitet 
von  due  «zwei».     Bei  Adelung  1774. 

duff :  matt,  glanzlos,  dumpf.  Bei  Campe. 
Niederdeutsch.  Dazu  ndl.  dof.  Wahrschein- 
lich mit  toben  verwandt  (s.  d.  und  Duff). 

Düffel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  ein  zottiger 
WollenstoflF.  Neue  Entlehnung  aus  dem 
gleichbed.  ndl.-engl.  duffel,  das  von  dem  Orte 
Düffel  bei  Antweqjen  seinen  Namen  hat. 

Duft,  m.  {-es,  PI.  Düfte):  gefromer  Dunst; 
feine  Ausdünstung;  feiner  Geruch.  Mit  d 
für  ursprüngliches  t  (Rädlein  1711  kennt 
noch  tufft  f.)  aus  mhd.  tuft  m.,  seltener  f. 
«Dunst,  Nebel,  Reif,  an  Bäumen  usw.  han- 
gender gefromer  Dunst»,  alid.  einmal  duft 
«Frost»;  ins  Ndd.  eingedrungen  duft  «übler 
Geruch»,  woher  dän.  duft  «Geruch».  Dazu 
anord.  dupt  n.  «Staub»,  norweg.  duft,  dyft  f. 
«Mehlstaub».  Das  Wort  ist  wohl  weiter 
verwandt  mit  aind.  dhüpas  m.  « Rauch ei" werk. 


Rauch»;  kaum  gehört  das  Wort  zu  ndl.  dof, 
ndd.  duffig  «dumpfig,  feucht,  matt».  Vgl.  Much 
ZfdW.  2,  286.  ABL.  duften,  früher  auch 
duften,  V.  Mhd.  tiiffen  (noch  bei  Rädlein  1711 
tüfften).  duftig,  adj.  Finihnhd.  tüftig,  düftig. 

düfteln,  s.  tüfteln. 

Dukaten,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Gold- 
münze. Aus  spätmhd.  ducate  m.,  von  mlat. 
ducatus,  ital.  ducato  m.;  der  Name  daher, 
weil  ein  italienischer  Herzog  (ital.  duca  m.), 
man  sagt  der  König  Roger  II.  von  Sizilien, 
als  Herzog  von  Apulien  zuerst,  und  zwar 
1140  diese  Münze  mit  der  Inschrift  sit  tibi, 
Christe,  datus,  quem  tu  regis,  iste  ducatus 
prägen  ließ.  Früher  auch  Ducat  f.  (Giimmels- 
hausen  4,  134  Kurz). 

dulden,  v.:  -näUig  oder  ergeben  zu-  oder 
auf  sich  lassen.  Mhd.  dulden,  diäten,  ahd. 
dulfen,  dazu  ndl.  dulden:  abgeleitet  von  mhd. - 
ahd.  dult  f.  (s.  Geduld).  Dies  geht  zurück 
auf  mhd.  doln,  ahd.  dolen,  dolon  «dulden»; 
dazu  asächs.  tholian,  tJiolon,  afries.  tholia, 
ags.  polian,  engl,  thole.  anord.  ßola,  schwed. 
täla,  dän.  taale,  got.  Jmlan.  Diese  stimmen 
in  der  Wui'zel  überein  mit  lat.  toleräre  «er- 
tragen», tuli  «ich  habe  getragen»,  gr.  T\f|vai 
«auf  sich  nehmen»,  aind.  tuldjati  «hebt  auf», 
lit.  tiUti  «schweigen»:  die  Grundbed.  ist 
«tragen,  ertragen».  ABL.  Dulder,  m.  (-s). 
Erst  in  der  Dichtersprache  des  spätem  18.  Jh. 
(bei  Klopstock),  bei  Adelung  1793  (noch 
nicht  1774)  als  von  einigen  neuern  Schrift- 
stellern versuchtes  Wort  angeführt,  duld- 
sam, adj.  Bei  Henisch  1616  dultsam.  Dul- 
dung, f.     Bei  Henisch  1616. 

Dult,  f.:  Jahrmarkt.  Bayrisch.  Urspr. 
durch  ü-gend  ein  örtliches  Fest  (z.  B.  Kirch- 
weih) veranlaßt  oder  mit  einem  solchen  in 
Verbindung  stehend.  jVIhd.  tult,  ahd.  tidd  f., 
dazu  got.  dulps  f.  «Fest,  Feier».  Wie  sich 
apreuß.  tuldlsnan  «Fest»  dazu  verhält,  ist 
unklar. 

Dulzinea,  f.  (PI.  Dulzineen  und-  -s): 
Liebchen,  GeUebte,  eigentüch  der  Name  der 
Geliebten  des  Don  Quichotte  Dulcinea  von 
Toboso.     Im  18.  Jh.  eingebüi-gei't. 

dumm,  adj. (Komp. (/»»imer,  ^vi^.dümmst): 
an  Verstand  imkräftig,  zu  Einsicht  und 
Kenntnis  unfähig;  kraftlos,  verdorben  (Matth. 
5,  13);  ärgerlich,  unangenehm.  Altemhd. 
meist  mit  ursprünglichem  t  tumm  (tumb) 
imd  tJmmm  (thumb,  bei  Luther  thum);  Stieler, 
Steinbach,  Frisch  setzen  tumm  an,  das  auch 
noch  bei  Günther  18,  Brockes  1, 158,  Haller  67 


389 


dninpf 


dunkel 


390 


und  zuweilen  selbst  bei  Lessing  steht.  I»a- 
gegen  spricht  sich  Bödiker  Sprachl.  für  duuim 
aus,  dem  Rädlein,  Ludwig  usw.  folgen.  Mhd. 
himp  fflekt.  tumher)  «unklug,  uneirfahi-en 
(ohne  Welt-  und  Menschenkenntnis),  unge- 
lehrt», ahd.  tump  «stumm,  taub,  stumpfsinnig, 
töricht»;  dazu  and.  ditmfe  « dumm, unnütz '>,  ndl. 
domh,  ags.-engl.  dumh,  anord.  dumbr,  schwed.- 
dän.  dum,  got.  diimhs  (stummj.  Die  vertretenen 
Bedd.  «taub,  stumm»  lassen  an  «stumpfsinnig» 
als  Grundbed.  denken;  als  verwandt  haben  zu 
gelten  taiih,  toben  (s.  d.).  Aus  dem  Griech. 
■«-ird  TuqpXöc  (für  *euq)\öcj  «blind»  verglichen 
(xg\.  dazu  anord.  dumha  f.  «Xebel,  Finsternis», 
eig.  Blindheit?).  Doch  sind  auch  andere  Er- 
klärungen möglich,  vgl.  J.  Schmidt  Kritik  65, 
Siebs  KZ.  37,^311.  ABL.  Dummheit,  f. 
Mhd.  tumpheiti.,  and.  dunqihed.  Dümmling, 
m.  (-S-,  PI.  -e).  Spätmhd.  tummeUng  m.  ZTJS. 
Dummfeart,  m.:  Dummkopf  (Bürger  323). 
Aus  dem  Xdd.  (1755  bei  Richey  Idiot.  46  ange- 
führt). Dummerjan,  Dummrian,  m.: 
Dumiukopf.  Bei  Seb.  Franck  Spricbw.  2,  49^^ 
noch  in  zwei  Worten  dummer  Jan.  Jan  ist 
die  ndd.  Form  von  Johann.  Dummkopf, 
m.     Bei  Nieremberger  1753. 

dumpf,  adj.  u.  adv.:  feucht  moderig:  den 
Schall  beengend,  tief  und  gedämpft;  (bezüg- 
lich des  Gefühlslebens^  ohne  klare  Besinnung. 
Erst  im  17.  Jh.  (1678  bei  Krämer  der  Komp. 
dumpffer,  aber  noch  nicht  bei  Schottel  1663 
und  Stieler  1691),  hervorgegangen  aus  dem 
altem  Xd}. dumpfig,  dumpficht,  schon  im  15.  Jh. 
dumjjfig  «engbiüstig»,  1668  bei  Schottel,  1691 
bei  Stieler  s.  v.  a.  «schimmelig»,  1711  bei 
Rädlein  «engbrüstig,  feucht,  schimmeHg»,  1716 
bei  Ludwig  «betäubt,  feucht,  muffig,  heiser», 
auch  ndl.  dompig  «enge,  finster,  feucht».  Dies 
Adj.  gehört  zu  mhd.  (bei  X.  v.  Jeroschin) 
dttmpfe  m.  «Dampf»  (vom  warmen  Blut), ' 
nmd.  dumpe  «catarrhus»,  bei  Schottel,  Stieler 
Dumpf  m.  «Schimmeb,  sowie  zu  mhd.  dumpfen, 
dumpfen  «dampfen,  ersticken».  Zu  mhd. 
dimpfen,  timpfen  und  dampf,  tampfd.  Dampf ). 
Die  Grundbed.  ist  wohl  «durch  Rauch,  Dunst 
beengend,  feucht  riechend,  feucht»,  dann  «eng- 
brüstig», weiter  mit  IJbertragung  auf  das 
Gehör  «heiser,  hohl»;  diese  Bed.  ist  Adelung  i 
bei  dump ficht  geläufig,  während  er  sie  bei 
dumpf  nur  aus  der  neuern  Dichtersprache 
kennt.  ABL.  Dumpfheit,  f.  Xoch  nicht 
bei  Adelung  1793,  aber  von  Goethe  öfter 
gebraucht,  dumpfig,  früher  auch  dumpficht,  | 
adj.,  s.  oben.  1 


Dune,  s.  Daune. 

Düne,  f.  (PI.  -n):  Sandhügel  an  der 
Meeresküste.  1616  bei  Henisch  Duni.  Auf- 
genommen aus  dem  ndd.  düne  f.,  mnd.  saiit- 
dune  f.,  ndl.  duin  m.  «Sandhügel»;  dazu  ags. 
dün  f.  «Hügel»,  engl,  down  «Sandhügel». 
Schon  ahd.  aus  dem  Xd.  entlehnt  düna  f. 
«Vorgebh-g».  Verwandt  ist  air.  dün  «Hügel» 
(aus  dem  dann  zäun  [s.  d.]  entlehnt  wii-d  i 
und  vielleicht  gr.  9ic,  Gen.  öTvöc  f.  «Sand- 
hügel am  Meer». 

Dünung,  f.  (PI.  -en):  starke  Wellenbe- 
wegung des  Meeres  bei  verhältnismäßig  stillem 
Wetter.  Aus  dem  ndd.  und  weiter  aus  fries. 
dining  «starker  AVeUengang  der  See»,  ndl. 
deining  f.  «Brandung,  heftige  Bewegung  der 
See».     Herkunft  unbekannt.  • 

Dung,  m.  (-es,  PI.  -et:  Stoß'  zur  Besserung 
des  Bodens  und  zui-  Pflanzennahrung.    Älter- 
nhd.  auch  mit  dem  ui-spiiinglichen  t  tung.  ]Mit 
Wechsel  des  Geschlechts  aus  mhd.  tunge  (auch 
tünget),  ahd.tungaf.  und  tungln  f.  «Düngung», 
vgl.  auch  mhd.-ahd.  tunc  f.  «im  Wiiiter  mit 
Mist  bedeckte  miterirdisehe  Webstätte/ ;  dazu 
afries.-ags.  düng  f.,  engl,  düng  «Dünger».   Her- 
kunft unsicher.  VieDeicht  zu  gr.  Tctqpoc  «Grab» 
(aus  *9d(poc),  lit.  dengti  «bedecken»,  vgl.  Zu- 
pitza  Gutt.  99.      Das  M.  erst  bei  Steinbach 
1734  (neben  dem  F.  Dung)  imd  Frisch  1741, 
fi-üher  Dung  f.  (bei  Henisch  1616,  bei  Grim- 
melshausen    Simpl.  31    Tung)    und   das   um- 
gelautete  Dünge  f.  (1540  bei  Alberus  Dict. 
AA2^  düng,   noch  Rädlein   1711    hat  Düng, 
Ludwig  1716  Dünge,  das  noch  von  Heynatz 
1796   angefühlt    wird).      Auffallend   ist    die 
obd.  Nebenform  Dumm.   ABL.  düngen,  v., 
ältemhd.  auch  tüngen  (Lohenstein  Cleop.  6 ), 
mhd.  tungen.  tüngen;  dazu  ags.  dyngan,  engl. 
düng.      Dünger,    m.  (-s),    spätmhd.  tunger. 
dunkel,    adj.  u.  adv.:    des    Lichtes    er- 
mangelnd.    Bei  Luther  und  sonst  ältemhd. 
mit  dem  ursprünglichen  t  tunkel  (z.  B.  bei 
den  schlesischen  Dichtem,  noch  bei  Ludwig 
1716).      Mhd.  tunkel,    ahd.  tunchaJ.    tunkal: 
dazu   anfr.   dunkal,    schwed.-dän.    (entlehnt) 
dunkel.     Daneben   mit  andrem  Suffix  älter- 
mhd.  tunker  wie  asächs.  dunkar,  mnd.  dunker, 
ndl.  donker,   afries.  diunker,   und   ohne   Ab- 
leitung und  mit  abweichendem  Vokal  afries. 
diunk,  anord.  d^kkr  (urspr.  dinkwa-).  Dunkler 
Herkunft.      Vielleicht    wurzelvenvandt    mit 
aind.  dhväntds  ::dunkeL  ,  gr.  öcivaroc  m.  «Tod». 
Davon  substantiviert  Dunkel  n.,  bei  Luther 
tunckel  n.,  mhd.  dafür  tunkel  f.,  ahd.  tunchali. 

25* 


391 


Dünkel 


düpieren 


392 


fiiukaU  f.  ABL.  Dunkelheit,  f ,  mhd. 
funkelkeit  f.  dunkeln,  v.:  dunkel  werden, 
mhd.  ttmkeln,  alid.  tunclmlen. 

Dünkel,  m.  (-s):  herabsehende  hohe 
Meinung  von  sich.  Bei  Luther  diinckel  und 
(hmckel,  funckel  «Bedünken,  Einbildung»; 
auch  bei  Henisch  1616  Dunckel.  Die  jetzige 
Bed.  zuerst  bei  Schottel  1663,  aber  erst  um 
die  Mitte  des  18.  Jh.  allgemein  üblich.  Ge- 
bildet von  mhd,  dune  m.  «Bedünken»  (da- 
neben auch  dunkel-  in  dnnkelbilde  n.,  vgl. 
mnd.  dunkelgöd  «dünkelhaft»),  zu  dünken  (s.d.). 
ABL.  dünkelhaft,  adj.  u.  adv.  Noch  nicht 
bei  Adelung  1793,  aber  1774  von  Klopstock 
gebraucht.  dunkeln,  v.  (Goethe  Faust 
2630). 

Dunkelheit,  dunkeln,  s.  dunkel. 

dünken,  v.  (Prät.  auch  däuchte,  Part. 
gedäuclit):  nach  Ansehen  und  Bedenken  wahr- 
scheinlich sein,  nur  unpers.  mich  (mir)  dünkt 
imd  refl.  sich  d.:  von  sich  der  Meinung  sein. 
Mhd.  dünken  (im  Obd.,  auch  noch  frühnhd.), 
dünken,  ahd.  dünken;  dazu  and.  thunkian,  ndl. 
dünken,  ags.pijncan,  engl,  fhink,  anord.pykkja, 
schwed.  tycka,  dän.  tykke,  got.  ßugkjan.  Mit 
mhd.  dune  m.  (s.  Dünkel)  im  Ablaut  zu  denken 
und  Dank  (s.  d.)  stehend;  verwandt  ist  lat. 
tongere «kemaen»,  pränest.  tongitio  «Kenntnis», 
osk.  tanginüd  «Meinung».  Das  Prät.  lautet 
mhd.  dühte,  Konj.  diuhte,  Part,  gedüht,  daneben 
auch  dünkte,  gedünkt  Nhd.  entwickelt  sich 
aus  dem  Konj.-Prät.  deuchte  ein  Präs.  deucht 
(s.  däuchten);  als  dessen  Prät.  gilt  dauchfe, 
das  im  18.  Jh.  veraltet,  aber  noch  von 
Klopstock,  Voß,  Bürger  gebraucht  wird,  da- 
für dann  däuchte,  das  auch  noch  als  Prät. 
von  dünken  (neben  dünkte)  empfunden  wird, 
uiid  das  Part,  gedäucht 

dünn,  unverkürzt  (bei  Luther,  jetzt  na- 
mentUch  noch  poetisch)  dünne,  adj.  u.  adv.: 
von  geringer  Dicke,  von  geringemUmfang;  (von 
Flüssigkeiten)  leicht  fließend.  Mhd.  dünne,  ahd. 
dunni;  dazu  and.  thunni,  ndl.  dun,  ags. pynne, 
engl,  thin,  anord.  Jtunnr,  schwed.  tunn,  dän. 
fynd.  Der  Lautverschiebung  gemäß  über- 
einstimmend mit  lat.  tenuis  «dünn,  zart», 
gr.  Tavu-  (in  Zusammensetzungen)  «gestreckt, 
lang,  schlank»,  ravaöc  «lang»,  air.  tana,  abg. 
tinükn,  aind.  tam'is  «lang,  schmal,  dünn». 
Zu  dehnen  (s.  d.),  also  Grundbed.  «ausge- 
dehnt». ABL.  Dünne,  f.,  mhd.  dünne,  ahd. 
dunni  f.  dünnen,  v.,  mhd.  dünnen  «dünn 
machen»  (daneben  «dünn  sein»,  ahd.  dünnen). 

Duns,  m.  (-es,  PI.  -e) :  von  Gelehrsamkeit 


Aufgeblasener,  eig.  sich  in  Grübeleien  und 
überfeinen  Spitzfindigkeiten  gefallender  Ge- 
lehrter. Wohl  von  dem  Philosophen  Joannes 
Duns  Scotns  (f  1308),  der  die  auszeichnende 
Benennung  doctor  suhtüis  erhielt.  Vgl.  engl. 
dunce  «Dummkopf»,  das  ebenfalls  auf  Duns 
Scotus  zurückgeht.  Ei'st  gegen  die  Mitte 
des  18.  Jh.  vorkommend. 

dunsen  (Voß  Ovid  Nr.  49,  201),  s.  auf- 
gedunsen. 

Dunst,  m.  {-es,  PI.  Dünste):  feine  auf- 
steigende in  der  Luft  schwebende  Flüssigkeit; 
dicke  verdorbene  Luft;  feinstes  Schrot  (1727 
bei  Hübner);  feinstes  Mehl.  Selten  Dunst  f. 
(Geliert  verm.  Schriften  1,  23).  Mhd.  dunst, 
urspränglicher  tunst  m.,  md.  auch  f.  «Aus- 
dünstung, feuchter  Dampf»,  aber  ahd.  tunisf, 
dunist,  dornst  m.  «üngewitter,  Sturm»  (noch 
Schweiz,  dunst,  düst,  tust  «Wind  durch  Er- 
schütterung, z.  B.  von  einer  Kanonenkugel, 
Lawine,  vom  Einsturz  eines  Hauses»).  Da 
diese  Bed.  (Staubwind)  als  die  urspmngliche 
anzusehen  ist,  wird  das  Wort  auf  dieselbe  Wz. 
zurückgehen  wie  aind.  dhvaß-  «zerstieben», 
dhvastis  f.  «das  Zerstieben».  Vgl.  Dust. 
Daß  Duft  dazu  gehört  (wie  mhd.  verminst 
neben  Vernunft,  vernuft  steht)  ist  wegen  der 
ahd.  Formen  nicht  wahrscheinlich.  ABL. 
dunstig,  früher  auch  dunstig  (noch  bei  Wie- 
land Idris2,53),  adj.  Mh.d..dunstec «dampfend», 
ahd.  (!Mms%«stürmisch».  dunsten,  dünsten, 

V.:  Dunst  von  sich  geben,  dampfen;  zum 
Dampfen  bringen.  Mhd.  dunsten,  dünsten 
nur  als  Intrans.  ZUS.  DunstkreiS,  m.: 
der  einen  Himmelskörper  zunächst  umgebende 
Luftkreis,  Atmosphäre.  1754  bei  Reimarus 
vornehmste  Wahrh.  d.  natürl.  Eel.  259. 

Dunzel,  f.  (PI.  -li):  lebhaftes,  munteres, 
ausgelassenes  Mädchen ;  leichtfertiges  Mädchen. 
Aus  franz.  donzelle  (und  dies  aus  ital.  donzella), 
Span,  doncella  f.,  das  auf  mlat.  dom{i)nicella, 
eine  diminutive  Bildung  von  doniina  f.  «Herrin, 
Frau»  zuräckgeht.  Am  Mittelrhein  (Maler 
Müller  1,  229). 

Duodez,  n.  (-es):  (urspr.)  Format,  wenn 
der  Bogen  in  12  Blätter  gefalzt  ist,  die 
Zwölftelgröße,  (jetzt)  kleines  Format;  in 
Zusammensetz,  lächerlich  klein.  Aus  lat.  in 
duodecimo  (duodecimus  «der  zwölfte»).  Bei 
Sperander  1727. 

dupfen,  s.  tupfen. 

düpieren,  v,:  täuschen,  überlisten.  Um- 
bildung von  gleichbed.  franz.  duper,  das  un- 
bekannter Herkunft  ist.     Bei  Roth  1791. 


393 


dupliereu 


Durchlaucht 


894 


duplieren,  v.:  verdoppeln.  Aus  dem 
gleichbed.  lat.  dupläre.  1478  bei  Nicl.  v.  Wyle 
349,  20.  Dazu  Dupllk,  f.  (PI.  -m):  die 
Entgegnung  des  Beklagten  auf  die  Replik 
des  Klägers.  Aus  franz.  gleichbed.  duplique  f., 
einer  Ableitung  von  dupliquer,  das  aus  lat. 
duplicäre  «verdoppeln»  stammt.  1710  bei 
Xehring  noch  in  franz.  Form.  Duplikat,  n. 
(-6-,  PI.  -e):  Abschrift  eines  Schriftstücks. 
1728  bei  Apinus  duplicata.  Duplum,  n. 
{-s,  PI.  Dupla) :  das  Doppelte.  Aus  gleichbed. 
lat.  duphim.  Davon  in  duplo*.  doppelt. 
Beides  1728  bei  Apinus. 

Dur,  s.  Moll. 

durch,  adv.  sowie  präp.  mit  Akk. :  so, 
daß  Trennung  da  ist;  in  —  hin  und  aus  — 
(z.  B.  er  geht  durch  die  Tür  =  in  die  Tür 
hin  und  aus  ihr):  von  einem  Ende  bis  zum 
andern  hin :  auf  Ursache  oder  Wirkung  von  — . 
5Ihd.  durch,  dur,  alid.  dunih,  durah  durh: 
dazu  asächs.  thurh,  ndl.  door,  deur,  ags.  ßurh, 
engl,  through  und  thorough  «durchaus»,  da- 
neben mit  anderni  Ablaut  got.  pairh,  dem 
ahd.  fZeWt« durchbohrt»  (vgl.  derha  «r)tfnung») 
entspricht.  Wegen  der  Bed.  ist  noch  got. 
ßairkö  f.  «Loch,  Öhi-»  und  ahd.  durhil,  mhd. 
dürhel,  dürkel  «durchlöchert»  heranzuziehen,  j 
Falls  der  auslaut.  Guttural  in  (/.  als  ableitend 
betrachtet  werden  kann,  ist  gr.  xepeiv,  ropeiv 
«durchbohren»,  gr.  xpdjYA^n  f.  «Loch,  Hölüe» 
als  verwandt  anzusehen.  In  der  Zusammen- 
setzung hat  d.  mit  Substantiven  verbunden 
den  Hauptton,  z.  B.  Dnrchgatig,  Durchlaß; 
mit  Verben  verbunden  nur  dann,  wenn  es 
von  diesen  in  der  Flexion  getrennt  werden 
kann,  z.  B.  durchbrechen,  ich  breche  durch, 
durchgebrochen  usw.;  ist  es  aber  untrennbai', 
so  ruht  der  Hauptton  auf  der  Stammsilbe 
des  Verbums,  das  dann  im  Part.-Prät.  ge- 
nicht  annimmt,  z.  B.  durchbrechen,  ich  durch- 
breche, durchbrochen  usw.  Auch  als  erstes 
Wort  in  der  Zusammensetzung  mit  Partikeln, 
hat  durch  den  Hauptton  nicht,  sondern  diese 
erhalten  ihn,  z.  B.  durchaus,  durchhin  usw. 

durchaus,  adv.:  (veraltet)  hindurch  und 
auf  der  andern  Seite  heraus;  bis  zum  Ende 
(bei  Luther);  ganz  und  gar;  unter  allen  Um- 
ständen, schlechterdings   (bei  Ludwig  1716). 

durchbrennen,  v.:  mit  Brand  durch- 
dringen oder  durchdrungen  werden;  davon- 
laufen. Diese  Bed.  taucht  um  1840  in  der 
Studentensprache  auf  (zunächst  «die  Univer- 
sität verlassen»)  und  ist  wenig  später  auch 
in  die  Umgangssprache  eingedrungen. 


durcheinander,  adv.,  Zusammem-ückung 
von  durch  und  einander  (s.  d.).  Schon  bei 
Keisersberg.  Davon  Durcheinander,  n. 
(Schiller  Eäuber  2,  3). 

Durchfall,  m.  (s):  die  bekannte  Krank- 
heit. 1711  bei  Rädlein.  Von  durchfallen,  v. : 
durch  eine  Öffnung  fallen;  (bei  einer  Bewer- 
bung usw.)  nicht  bestehen.  Diese  Bed.,  die 
Lessing  8,  413  aus  «der  gemeinen  Spi'ache» 
anführt  (auch  Adelung  1774  vei'zeichnet  sie) 
sreht  zuiiick  auf  die  schon  fmhnhd.  Redens- 
art  durch  den  Korb  fallen,  was  eig.  auf  den 
Liebhaber,  der  im  Korbe  zum  Gemach  seiner 
Geliebten  emporgezogen  wii-d,  geht  (vgl. 
DW.  5,  1802)  und  die  Bed.  «bei  der  Liebes- 
werbung keinen  Erfolg  haben»  hat. 

Durchgänger,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Aus- 
reißer. Ursprüngl.  von  Soldaten,  so  1691  bei 
Stieler.  Jetzt  von  Pferden  und  flott  lebenden 
Menschen  gebraucht. 

durchgängig,  adj.  u.  adv.:  von  Anfang 
bis  zu  Ende,  ohne  Unterschied.  Bei  Nierem- 
berger  1753  als  Adv.  «überall»,  bei  Adelung 
1774  auch  als  Adj.  Nicht  das  mhd.  durch- 
gengic,  ahd.  duriihgengic  «einen  Durchgang 
habend»,  abgeleitet  von  mhd.  durchganc,  ahd. 
dnruhganc  m.,  sondern  eine  jüngere  Bildung, 
die  sich  au  durchgehen  anlehnt.  Älter  ist 
das  gleichbed.  durchgehends,  genetivisches 
Adv^     Bei  Krämer  1678, 

Durchlaucht,  f.:  fürstliche  Person.  Als 
hoher  Titel  schon  zu  Anfang  des  16.  Jh. 
Substantivierung  des  Adj.  durchlaucht:  fürst- 
lich erhaben.  Dies  ist  urspr.  Pai't,  Prät.  von 
durchleuchten,  mhd.  durchliuhten  «dui'ch- 
strahlen»,  Part,  durchliuhtet,  geküi'zt  durch- 
linkt,  das  seit  dem  14.  Jh.  als  Ehrenbeiwort 
iürstlicher  Personen  für  das  lat.  illustris  (das 
in  der  spätem  römischen  Zeit  Ehrenbezeichnung 
von  Beamtenwürden  war)  steht;  daneben 
namentlich  md.  (mit  Einführung  des  Rüek- 
umlauts)  durchlüht.  Älternhd.  findet  sich 
durchleucht  und  durchlaucht,  entsprechend 
beim  Subst.;  Durchleucht,  das  noch  1741  von 
Fx-isch  angesetzt  wird,  während  es  Adelung  1774 
nur  «aus  einigen  Gegenden»  kennt,  noch  bei 
Schiller Kab.  1, 6.  ABL.  durchlauchtig,  adj. 
Mhd.  durchliuhtec  «durchscheinend,  strahlend, 
hellglänzend»,  spätmhd.  durchliuhtig ,  durch- 
lühtig  als  Titel,  älternhd.  auch  durchlauchtig 
(1722  bei  Freyer  47),  durchleuchtig  (1741  bei 
Frisch).  Davon  Durchlauchtigkeit,  f. 
'Spidmhd.durchlühtigkeit  als  Ehrentitel.  Später 
durch    das    einfache   Durchlaucht    zurückge- 


395 


Durchmesser 


dürr 


396 


drängt,  nach  Adelung  nur  Kanzleiwort  (doch 
noch  bei  Schiller  WaU.  Lag.  11). 

Durchmesser,  m.:  eine  gerade  Linie, 
die  eine  Figui-  in  zwei  gleiche  Teile  teilt. 
Als  Übersetzung  von  Diameter  m.,  gr.  bid- 
|Li€Tpoc  f.  1670  bei  Joh.  Christoph  Sturm 
teutscher  Archimedes. 

durchs,  zusammengezogen  und  verschleift 
aus  durch  das.  Mhd.  durch ^.  dnrche^  aus 
durch  da§. 

Durchschlag,  m.  {-es,  PI.  Durchschlage) : 
siebartiges  Gerät  zur  Absonderung  des  Flüs- 
sigen, Feinem  vomGröbern:  Kopie  der  Schreib- 
maschine. Spätmhd.  durchslag  m.,  von  dvrch- 
slahen,  ahd.  duruhsiahan  «  durchlöchern,  durch- 
drücken». 

Durchschnitt,  m.  {-es,  PI,  -e):  Durch- 
schneidimg (1561  bei  Maaler);  eine  durch- 
schneidende Linie  (Beleg  voll  1684  beiGombert 
8,  9),  im  17.  u.  18.  Jh.  Durchmesser  (1653  bei 
Harsdöröer  mathem.  Erquickstunden  3,  394); 
Darstellung  eines  durchschnitten  gedachten 
Gegenstandes  (bei  Ludwig  1716):  Mittelzahl, 
Mittelwort  (Brockes  3,  233).  ABL.  durch- 
schnittlich, adj.  u.  adv.  (nach  der  letzten 
Bed.  von  Durchschnitt).  In  der  neuern 
Sprache. 

Durchsicht,  f.:  Blick  dm-ch  etwas  hin- 
durch; zu  einem  solchen  Blick  geeigneter 
Ort;  prüfendes  Durchlesen.  Erst  bei  Stein- 
bach 1734.  Gebildet  von  dem  Adj.  durch- 
sichtig, mhd.  durchsihtec. 

durchstankern,  durchstänkern,  v.: 
in  kleinHcher  Weise  durchsuchen,  eig.  durch- 
schnüffeln, durchriechen.  S.  stankern.  Im 
17.  Jh.  in  Mitteldeutschland  (z.  B.  bei  Weise 
Hauptverd.  28),  aber  von  Geliert  4,  20  als 
nicht  schriftsprachHches  Wort  geiiigt. 

Durchstecherei,  f.:  in  heimUchem  Ein- 
verständnis mit  andern  bewii'kte  Betrügerei. 
Bei  Frisch  1741  aus  älterer  Quelle  belegt. 
Von  dem  älternhd.  mit  eitlem  durchstechen 
(noch  bei  Lessing  10,  209):  mit  einem  andern 
Betrügerei  heimlich  verabreden,  eig.  wohl 
'<die  Karten  durch  Durchstechen  kenntlich 
machen»,  vgl.  abkarten.  Andre  knüpfen  an 
die  betrügerischen  Kniffe  der  Riemenstecher 
(s.  d.)  an,  die  sich  auf  Jalirmärkten  produ- 
zierten. Schon  mnd.  dorchsfeken  hat  den 
Sinn  «betrügen». 

durchtrieben,  adj.:  von  Anfang  bis  zu 
Ende  bewandert  und  ausgelernt;  aller  Schlau- 
heit voll  rmd  unermüdlich  darin.  So  in 
Bez.  auf  Böses  schon  mhd.  durchtriben,  das 


Part.  Prät.  von  diirchtrtben  «durchstreifen, 
durchwandern»,  dann  s.  v.  a.  «geistig  durch- 
dringen». 

durchwamsen,  s.  v.  wie  dbivamsen  (s.  d.). 

durchweg  (und  durchweg),  adv.:  ohne 
Ausnahme;  aUeraal.  Zusammemückung  der 
Präp.  durch  mit  dem  Akk.  Sg.  Weg,  vgl. 
himreg.  Das  von  Adelung  1793  noch  nicht 
verzeichnete  Wort  wird  von  Heynatz  1796 
als  niedersächsisch  aufgeführt. 

dürfen,  v.  (Präs.  darf,  PI.  dürfen,  Prät. 
durfte,  Konj.  dürfte,  Part,  gedurft):  nötig 
haben  (noch  häufig  bei  Luther,  auch  später 
altertümelnd,  z.  B.  Claudius  3, 130,  heute  dafür 
bedürfen);  Ursache  haben;  Freiheit  wozu 
haben.  Mhi.  dürfen,  dürfen  «nötig,  Ursache, 
Freiheit  haben»,  ahd.  durfan  «Not  leiden, 
Not  haben»;  dazu  asächs.  thurban,  ndl.  durven, 
ags.ßurfan,  afries.  thurva,  anord.purfa,  schwed. 
tarfva,  dän.  tarve,  got.  paurban  (Präs.  parf, 
Frät. ßaurfta)  «nötig  haben».  Die  Grundbed. 
ist  «entbehren»,  wie  sie  auch  in  darben  (s.  d.) 
erscheint,  vgl.  noch  bieder,  verderben.  Mit 
älterahd.  türren  (s.  d.)  «sich  getrauen,  wagen», 
das  durch  dürfen  völlig  verdrängt  wurde, 
hat  dieses  Wort  nichts  gemein.  Das  Prät. 
i  lautet  mhd.  dorfte,  Konj.  dörfte,  Part,  gedorft, 
,  im  Nhd.  ist  meist  (schon  bei  Luther)  nach 
1  dem  Inf.  dürfen  u  eingedrungen,  doch  haben 
andre  in  umgekehrter  Ausgleichung  dörfen, 
Prät,  dorfte,  Pai-t,  gedörft,  so  1574  Ölinger 
Gramm.  89  und  noch  bis  ins  18,  Jh.  (1741 
bei  Frisch  dörfen).  Das  Part,  lautet  schon 
frühnhd.  (anch  bei  Luther)  in  Verbindung 
mit  einem  Inf.  dürfen. 

Dürft,  nur  in  Notdurft  (s,  d.), 

dürftig,  adj. ü. adv.:  wie  bedürftig;  Mangel 
an  Unentbehrlichem  leidend,  arm;  armselig, 
unzureichend.  Mhd.  dürftic,  ahd.  durftic; 
dazu  asächs.  thurftig,  anord.  purftugr.  ABL. 
Dürftigkeit,  f.,  mhd.  dürfticheit  f, 

dürr,  unverkürzt  (bei  Luther)  dUn'e,  adj, 
u,  adv,:  der  Innern  lebenskräftigen  Feuchtig- 
keit gänzlich  benommen;  mager,  Mhd,  dürre, 
ahd.  durri;  dazu  asächs.  thurri,  mndl.  darre, 
ndl.  dor,  ags.  pyrre,  anord,  purr,  schwed,  torr, 
dän,  tör,  got,  (mit  der  urspiünglichen  Laut- 
verbindung rs)  paursus.  Zu  dem  bei  dorren 
(s.  d.)  angegebenen  got,Wurzelverbumj^airsa«, 
vgl,  auch D?(rs^,  ABL.  Dürre,  f.,  mhd.  dürre, 
ahd.  durri  f,  ZUS.  DÜrrfleisch,  n,,  auch 
(mit  der  md.  Form  dörr  =  dürr)  Dörrfleisch 
n,:  in  Rauch  gedörrtes  Fleisch.  Schon  bei 
Hans  Sachs  1,  330«, 


397 


Dnrst 


Düte 


398 


Durst,  m,  {-es):  Verlangen  zu  trinken: 
(bildlich)  heftiges  brennendes  Verlangen  wo- 
nach. Mhd.-ahd.  durst  m.:  dazu  aiächs.  thurst, 
ndl.  clor  st,  ags.  ßijrst  m.,  engl,  thlrst,  anord. 
ßorstim..,  schwed.-dän.fcV.s-^,  got.  weitergebildet 
pmirstei  f.  "Durst».  Abgeleitet  mit  Erhaltung 
des  ursprünghchen  s  von  der  Wui-zel  des  got. 
pairsan  (s.  dwren  und  dürr).  Es  weist  also 
urspr.  auf  Dürre  im  Schlünde,  die  zum 
Tiinken  reizt.  ABL.  dursten  und  (nament- 
lich in  übertragenem  Sinn)  dürsten,  v. : 
Durst  empfinden.  Mhd.  dursten,  dürsten,  ahd. 
dursten:  dazu  asächs.  thurstian,  ndl.  dorsten, 
ags.  ßyrstan,  engl,  thirst,  anord.  pyrsta, 
schwed.  törsta,  dän.  törste.  Im  Got.  ohne 
ableitendes  -t  paarsjan  «dürsten»,  das  der 
Lautverschiebung  gemäß  mit  aind.  trsjati 
«dürsten»  übereinstimmt,  vgl.  auch  aind,  trsüs 
«durstig,  verlangend;.,  den  Lauten  nach  das 
deutsche^ rf«rr  (s.  d.),  eig.  «verlangend  nach 
etwas»,  durstig,  adj.,  mhd.  durstec,  ahd. 
durstac;  dazu  asächs.  tJmrstig,  ndl.  dorstig, 
ags.  pyrstig,  engl,  thirsty,  schwed.-dän.  törstig. 

durstig,  adj.:  vei-wegen,  s.  türstig. 

dürstiglich,  durstiglich,adv.,  s.  türstig. 

dus,  adj.:  in  sich  gekehrt,  schüchtern, 
still;  glanzlos  matt.  In  ober-  und  mitteld. 
Mundarten,  auch  bei  H.  L.  Wagner  Kinder- 
mörderin Akt  5  sie  war  immer  so  duß,  so 
fromm  wie  ein  Lamm.  Nicht  aus  franz.  doux 
«sanft,  mild,  ruhig»,  das  allerdings  eingewirkt 
haben  kann.  Vielmehr  zu  dösen  (s.  d.)  und 
Dusel  (s.  d.)  gehörig,  s.  auch  düsseln.  Frühnhd. 
und  noch  jetzt  mundartlich  erscheint  auch 
ein  abgeleitetes  dusam,  dusmig,  adv.  «schüch- 
tern, stül;  tiiibe»,  das  schwerlich  ans  dovxenient 
hervorgegangen  ist. 

Dusche,  f.  (PI.  -n):  Brause;  Sturzbad. 
Aus  gleichbed.  franz.  douche  f.,  das  aus  ital. 
doccia  f.  stammt.  Dies  setzt  ein  vulgäi'lat. 
ductia  voraus,  das  von  diicere  «führen»  ab- 
geleitet ist  und  eigentlich  «Wasserleitung» 
bedeutet.     Neue  Entlehnung. 

Düse,  f.  (PI.  -«):  Mündung  des  Gebläses 
in  Hüttenwerken.  Aus  czech.  duse  f.  <  Höhlung 
des  Geschützes»,  abg.  dusa  f.  «Hauch,  Seele, 
Kern».  1562  bei  Mathesius  Sar.  211*'  tüsel, 
213*  thüsel  m. 

Dusel  auch  Dussel,  m. :  Schwindel; 
Geistesbetäubung;  Geistesdumpfheit;  Glück. 
Daneben  Dusel,  Düsel,  m.:  dummer  Kerl. 
Zunächst  ndd.,  aber  auch  in  ober-  u.  mitteld. 
Volkssprache  (im  16.  Jahrh.  dusel,  dussel 
«Dämmerung»,  obd.  auch  «Qualm,  ansteckende 


Krankheit»).  Mit  d  für  urspmngliches  t  wie 
in  dus,  dösen  (s.  d.),  dösig.  Vgl,  noch  ahd. 
tusic  «geistesstumpf,  unverständig,  töricht», 
mnd.  dusich  «hetäuht,  schwindelig»,  näd.  düsig 
(mit  Unrecht  jetzt  diesig  geschrieben),  ags.dysig 
«töricht»,  engl,  dizzy  «töricht,  schwindehg». 
Verwandt  ist  auch  noch  mit  Übergang  des  s  in 
>•  Tor  m.  (s.  d.).  ABL.  duselig,  dusselig 
(Goethe  27,  371),  adj.  Dazu  ndl.  duizelig 
«schwindelig»,  duseln,  dusseln,  v.:  betäubt 
sein,  schlummern :  geistesbetäubt,  geistesdumpf 
handeln.  Dazu  ndl.  duizelen  «schwindehg  sein». 
ZUS.  Duseltier,  n. :  Schimpfwort  in  Nordd. 

düsseln,  v.:  leise  reden  (ScbiUer  1,  343); 
sich  still  verhaltend  worauf  sinnen  (Schüler 
Piäuber  1,  2).  Aus  dem  Schwab.- Alem.,  wo 
düsle  neben  düseme  steht,  vgl.  dus.  Mhd. 
tü§  «stni»,  tü§en  «stül  sein»,  tützen,  ahd. 
tutzea  «zum  Schweigen  bringen»  {^.verdutzt) 
sind  wohl  fernzuhalten. 

Dust,  m.  i-es):  Staub.  Bei  Goethe  Faust 
1116  und  6758.  Aus  dem  Ndd.  (mnd.  dust 
m.  «Staub,  Spreu»,  daher  bei  Schottel  1663 
dust  «Dampf,  Rauch»);  dazu  ndl.  duiM  n,, 
ags.  dust,  engl,  d^ist,  anord.  dust  n.  «Staub». 
In  allen  diesen  Formen  ist  n  vor  s  weg- 
gefallen, das  Wort  ist  also  eig.  mit  Dunst 
(s.  d.)  identisch. 

düster  (mit  u),  adj.  u.  adv.:  dunkel,  tmbe, 
Uchtlos.  Aus  dem  Ndd.,  schon  mnd.  dnster: 
dazu  asächs.  thiustri,  ndl.  duister,  afries.  thius- 
tere,  ags.  pystre,  peostre  «dunkel».  Kaum 
entsprechend  dem  von  thimm  (s.  Dämmer) 
abgeleiteten  asächs.  thimstar,  ahd.  dimstar  (s. 
finster),  wiewohl  sich  ein  Übergang  zeigt  in 
ältemhd.  dünster  (von  dumpfem  Geklingel, 
Simpl.  3,  98,  31  Kurz).  Das  Wort  ist  im 
16.  Jh.  hochd.  noch  selten,  Luther  hat  ver- 
einzelt düster,  Mathesius  tuster,  Henisch  1616 
duste)',  im  17.  wird  es  häufiger  (z.  B,  Mo- 
scherosch  Phil.  2,  585),  auch  von  Schottel 
und  Stieler  verzeichnet,  doch  weist  es  noch 
Adelung  1793  den  gemeinen  Mundarten  zu. 
Jetzt  ins  Pfalz,  und  Schwab.- Alem,  als  duster 
eingedrungen,  hess.-nass,  mit  regelrechter  Ent- 
wicklung des  alten  Ti  zu  eu  deuster.  Davon 
Düster,  n.  Am  Ende  des  18.  JIi.  (Voß 
2,233).  ^-Bi^,  Düsterheit,  daneben  D»5/em- 
heit,  f.  Bei  Stieler  1691.  düstern,  v.:  düster 
werden  (Goethe  6,  182,  unpersönlich  8,  19), 
düster  machen  (Goethe  16,  352),  Ndd.  im 
15.  Jh.  dustern.  Düsternis,  f.  Ndd.  u.  md. 
im  15.  Jh.  düster nis. 

Düte,  s.  Tüte. 


399 


Düttcheu 


Eber 


400 


Düttchen,  s.  Deut. 

Dutzend,  n.  (-5,  PI.  -e):  zwölf  an  der 
Zahl.  Spätmlid,  totzen,  tutzen  n.,  woraus  mit 
angetretenem  Dental  tutzend,  dutzend,  früher 
auch  tutzet,  dutzet  Aus  dem  gleichbed.  franz. 
douzaine,  ital.  dozzina  f.,  woraus  auch  ndl. 
dozijn  n.,  engl,  dozen. 

duzen  (mitw),  v.:  mit  du  anreden.  Mhd. 
duzen,  duzen  (woraus  älternhd.  auch  dauzen), 
abgeleitet  von  du.  ZUS.  Duzbruder,  m., 
frühnhd.  (Ringwald  getr.  Eckh.  F  4). 

dwatsch,  s.  tivatsch. 

Dynamit,  n.  (-s):  sehi-  starker  Spreng- 
stoff. Ein  1867  von  A.  Nobel  gebildetes 
Wort,  abgeleitet  von  gr.  büvainic  f.  «Kraft, 
Gewalt,  wirkendes  Vermögen»,  das  auch  sonst 
noch  in  vielen  wissenschaftlichen  Fremdwör- 


tern wie  Dynamik,  Dynamomaschinen  usw. 
auftritt.     Einzelne  davon  schon  im  18.  Jh. 

Dynast,  m.  {-en,  PI,  -ew):  abhängiger 
Machthaber  eines  kleinen  Landes.  Aus  gr.-lat. 
dynastes,  gr.  buvctcTric  m,  «Machthaber».  Bei 
Roth  1791.  ABL.  Dynastie,  f.:  Herr- 
schergeschlecht. Aus  gr.-mlat.  dynastia,  gr. 
buvacxeiaf.  «Macht,  Herrschaft».  Bei  Wächtler 
1711. 

Dys-,  aus  gr.  buc-  «schlecht»  entlehnte 
Vorsilbe,  mit  der  viele  Fremdworte  zusammen- 
gesetzt sind,  z.  B.  Dysenterie,  f.  (PI.  -n)-. 
Ruhr.  Aus  gleichbed.  griech.  buc-evxepia  f., 
dessen  zweites  Glied  «Inneres»  bedeutet.  1710 
i  bei  Nehring.  Dyspepsie,  f. :  schlechte  Ver- 
dauung. Aus  gr.  buc-TreH^ia  f.  «Unverdaulich- 
keit».     1727   bei  Hübner. 


Ebbe,  f.:  regelmäßig  weichende  Meerflut: 
(bildhch)  Leere  nach  Abfluß.    Aus  dem  Ndd., 
mnd.  ebbe  i.,  andd.  in  ebhiunga  f.;  dazu  ndl. 
ebbe  f.,  afries.-ags.  ebha  m.,  engl,  ebb,  (entlehnt) 
schwed.   ebb  m.,    dän.    ebbe.     Das    echtnor- 
dische Wort  in  dän.  evje,  aisl.  efja  f.  «Moor, 
Schlamm».    Da  das  e  umgelautet,  vielleicht 
zu  ahd.   aba   «weg  von»   —    (s.  ab),  abuh 
«abgewendet»    (s.   äbicht),    also    «die    abge- 
wendete,   zurückweichende   Flut»,    oder   zu 
aber,  aber  «leer,   trocken».     Vielleicht  aber 
auch  eine  alte  Zusammensetzung  *ap-ijä  «das 
Zurückgehen  des  Wassers».  Vgl.  auch  Wiede- 
mann  Bezz.  Btr.  28,  74.     Jedenfalls  ist  das 
Wort  alt.     Bei  Henisch  1616   als   sächsisch, 
dann  bei  Schottel  1663   als   hd.  verzeichnet. 
ABL.  ebben,  v.,  mnd.  ebben,  and.  in  firebben 
«verwallen,    wallend   weichen    (von   Zorn)», 
mhd.  (vereinzelt  im  Md.)  eppen,  ags.  ebbian. 
eben,  adj.:  geradlinig,  ohne  merkliche  Er- 
hebung und  Vertiefung.  Mhd.  eben,  ahd.  eban; 
dazu  asächs.  etan  (and.  emnia),  ndl.  even,  ags. 
efen,  engl,  even,  anord.  jafn,  schwed.  jämn,  dän. 
jävn,  got.  ibns,  vielleicht  ans  *ininos  (wwwird 
zu  bn)   und   zu   lat.  aemulus   «nacheifernd», 
imitor  «komme   gleich»,   imägo  «Ebenbild», 
gehörig,  vgl.  Walde  s.  v.     Davon  das  Adv. 
eben:  gleichmäßig;  genau;  in  diesem  Augen- 
blicke. Mhd.  ebe7ie,  ahd.  ebano.  ABL.  Ebene, 
f.,  mhd.  ebene,  ahd.  ebani,  ebem  f.    ebenen, 
ebnen,  v.,  mhd.  ebenen,  ahd.  ebanön;  dazu 
anord.  jafna,  schwed.  jämna,  während  got. 


ibnjan  (in  ga-ibnjan)  andere  Ableitung  zeigt. 
Vgl.  auch  neben. 

Ebenbaum,  m.:  ein  Baum,  der  ein  feines 
steinhartes  schweres  schwarzes  Holz  hat,  das 
Ebenholz.  Mhd.  ebboum,  meist  in  lat.  Form 
ebenus,  aus  gr.-lat.  ebenus  f.  «Ebenbaum  und 
Ebenholz»,  gi\  ^ßevoc  f.,  dies  aus  hebr.  hob- 
mm,  dem  PI.  von  hobni  statt  obni  «steinern», 
von  ojben  d.  i.  eben  «Stein». 

Ebenbild,  n.:  genau  Entsprechendes. 
Mhd.  ebenbilde  n.  —  ebenbürtig,  adj.: 
aus  gleichem  Stande  geboren.  Mhd.  eben- 
bürtic.  —  ebenfalls,  genetivisches  Adv. :  in 
übereinstimmender  Weise  mit  dem  Vorher- 
gehenden. Bei  Stieler  1691  ebenfalls,  1598 
bei  Albertinus  Sendschreiben  3,  158^  ebens- 
falls,  1652  bei  Gombert  8,  10  ebenes  Falls. 
Ebenmaß,  n.:  Gleichmaß.  Mit  Wechsel 
des  Geschlechts  (s.  Maß)  aus  mhd.  ebenmä^e, 
ahd.  ebanmä^a  f.  ABL.  ebenmäßig,  adj, 
u.  adv.,  mhd.  ebenmcegec,  adj. 

Ebenholz,  s.  Ebenbaum. 

Ebenist,  m.  {-en,  PI.  -en) :  Tischler,  der  ein- 
gelegte Arbeit  (urspr.  Ebenholzarbeit)  macht. 
Aus  franz.  ebeniste,  ital.  ebanista  m.,  von  lat. 
ebenus  f.  (s.  Ebenbaum).     Bei  Roth  1791. 

Ebenteuer,  s.  Abenteuer. 

Eber,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  männliches 
Schwein.  Mhd.  eber,  ahd.  ebar,  ebur  m.,  dazu 
and.  evur-,  ags.  eofor,  anord.  jöfurr  m.  (über- 
tragen «Fürst,  'König»)  und  weiter  lat.  aper, 
abg.  vepri  m.  «Wildschwein».    Vgl.  Walde  s.  v. 


401 


Eberesche 


eckig 


402 


Eberesche,  f.:  Vogelbeerbaum,  der  der 
Esche  ähnlich  ist.  Eberasch  bei  Cordus  1534, 
Eberaschen  1588  bei  Camerarius  161,  Eber- 
esche 1599  in  Colers  Hausbuch  15,  22.  Eber- 
könnte  hier  auf  Aber-  zurückgehen,  Avie  auch 
mxm^divxMch.  Aberesche  vorkommt  (1652  schle- 
sisch  bei  Scheröer  Abresch),  d.  h.  unechte, 
geringwertige  Esche,  doch  vgl.  auch  im  15.  Jh. 
eberboum,  es  hängt  daher  das  Wort  eher  mit 
ir.  ibar  «Eibe,  Eberesche»  zusammen,  vgl. 
Schrader  Reallexikon  S.  784. 

Eberhard,  Mamaesname,  ahd.  Eburhart, 
zusammengesetzt  aus  Eber  und  Jiart  «stark». 

Eberwurz,  f.:  die  auf  den  Bergen  wach- 
sende Kreuz-,  Karlsdistel.  Mhd.  und  spät- 
ahd.  ebervmrz  f. 

Ebritz,  m.  {-es):  die  Aben-aute  (s.  d.). 
1482  eberitz  (Voc.  theut.  f  5'')  neben  eber- 
tcurz.  Mit  Anlehnung  an  Eber  aus  der  gr.- 
lat.  Benennung  abrötannm,  gr.  äßpörovov  n. 

ebsch,  s.  äbicht. 

echappieren,  v. :  entwischen.  Aus  gleich- 
bed.  franz.  echapper,  zusammenges.  aus  e,  lat. 
ex  «aus»  und  cJwpe  aus  mlat.  cappa  «Be- 
deckung», also  «aus  der  Bedeckung,  dem  Ge- 
fängnis herauskommen».     1710  bei  Behring. 

echauffieren,  v. :  erhitzen.  Meistens  refl. 
sich  e.  Aus  gleichbed.  fi-anz.  echauffer,  das 
auf  lat.  excalfacere  «erhitzen»  zurückgeht, 
zusammenges.  aus  ex  und  cal-facere  «warm 
machen».     1710  bei  Nehring. 

Echo,  n.:  Widerhall.  Aus  gr.-lat.  eclw, 
gr.  rixiü  f.  Schon  im  16.  Jh.  entlehnt,  zu- 
nächst als  F.  (Fischart  Garg.  63),  was  bis 
ins  18,  Jh.  noch  vorkommt  (Schiller  6,  303), 
dann  im  17.  Jh.  auch  Mask.  und  Neutr.  (s. 
Gombert  8,  10).  ABL.  echoen,  v.:  wider- 
hallen (von  Goethe  gebildet,  Faust  9598). 

Echse,  f.  (PI.  -n):  eine  den  Schlangen 
verwandte  Art  von  ReptiUen.  Ein  von  den 
Naturforschern  um  1840  aus  Eidechse  fälsch- 
lich abstrahiertes  Woi-t. 

echt,  adj.  u.  adv.:  ehelich;  probehaltig 
als  das,  was  es  sein  soll.  Aus  dem  Ndd., 
mnd.  und  mndl.  echte  (daher  nndl.  echt  m. 
«Ehe»),  dann  auch  ins  Ostmitteldeutsche  ein- 
gedrungen, wo  es  durch  die  aus  dem  Sachsen- 
spiegel abgeleiteten  Rechtsbücher  mehr  und 
mehr  in  Umlauf  kam.  Es  entspricht  (mit 
Zusammenziehung  und  Ersatz  des  ft  durch  cht) 
dem  mhd.  and.  ehaft  «gesetzlich,  rechtsgültig, 
ehelich  geboren»,  afries.  äft  (daher  äfte  f. 
«Ehe»),  abgeleitet  von  e  f.  «Gesetz»  (s.  Ehe). 
Das  Wort  fehlt  noch  bei  Luther  und  in  den 
We  i  g  a  n  d ,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


Wörterbüchern  des  16.  Jh.,  erscheint  1616 
bei  Henisch  in  der  Rechtsformel  e.  und  recht, 
im  17.  Jh.  sich  dann  weiter  verbreitend.  Stieler 
1691  schreibt  (mit  Anlehnung  an  achten)  acht, 
was  auch  später  üblich  bleibt,  dagegen  er- 
klären sich  Freyer  und  Adelung  für  e.  ABL. 
Echtheit,  f,  erst  bei  Adelung  1793. 

Eck,  n.  {-es,  PI.  -en),  meist  Ecke,  f. 
(PI.  -n):  hei-vorstehender  scharfer  oder  spitzi- 
ger Teil  eines  Körjjers;  innerer  Raum,  wo 
Flächen  zusammenstoßen:  (in  nordd.  üm- 
gangsspr.)  eine  geringe  Entfernung  {ein  Eck- 
chen bei  Weiße  Jagd  1,  11).  Mhd.  ecke,  egge 
f.,  selten  ecke  n.,  ahd.  ecka  f.;  dazu  asächs. 
eggia,  ags.  ecg  f.,  engl,  eäge,  anord.  egg  f. 
«hervorstehende  Spitze  wovon.  Schneide  der 
Waffe..  Das  Wort  entspricht  genau  lat. 
acies  f.  «Schneide,  Schärfe»,  zu  dem  viele 
andere  Worte  gehören  wie  acuere  «spitzen, 
schärfen»,  acus  f.  «Nadel»,  gr.  ctKri  f.,  otKic  f. 
"Spitze»,  s.  auch  Ahne,  Ähre.  Das  N.  Eck 
kommt,  wie  auch  Adelung  angibt,  wesenthch 
dem  Obd.  zu  (daher  auch  1561  bei  Maaler, 
während  es  Stieler  u.  a.  nicht  kennen),  all- 
gemein jetzt  in  Drei-,  Viereck  usw.  ABL. 
ecken,  v.:  Ecken  bilden:  an  die  Ecke  stoßen, 
z.  B.  in  anecken.  Spätmhd.  ecken  auch  «als 
Ecke  hervorstehen,  in  eine  Ecke  bringen». 
eckig,  früher  eckicht,  adj.,  mhd.  eckeht. 
ZUS.  Eckstein,  m.:  Stein  emer  Ecke;  ein 
ein  Bauwerk  tragender  Stein  unter  der  Ecke : 
in  der  Spielkarte  das  franz.  caiTeau.  Mhd. 
eckestein  m.  in  der  1.  Bed. 

Ecker,  f.:  Eichel;  Spielkax'te  mit  dem 
Zeichen  der  Eichel:  Buchel  (in  Buchecker). 
Mhd.  eckern  und  ecker  n.  «Frucht  der  Eiche 
oder  Buche»,  md.  und  ndd.  auch  ecket'  f., 
daneben  ohne  Umlaut  (der  eig.  dem  PI.  an- 
gehört) ackeran,  ackeram  n.  m.  (PI.  eckern); 
dazu  ndl.  aker  m.,  ags.  cecern  n.,  engl,  acom 
«Eichel»,  anord.  akarn  n.,  dän.  agem  «Wald- 
frucht», got.  akran  n.  schlechtweg  «Frucht», 
zu  Vymr.  aeron  «Früchte»,  eirynen  «Pflaume», 
kom.  aeran  «Pflaume»,  ir.  äirne  «Schlehe» 
(Zimmer  bei  Zupitza  Gutt.  213),  aber  nicht  zu 
Ackeii-,  also  eigentlich  «wilde  Frucht»,  sondern 
zu  einer  Wurzel  äg  «wachsen»,  zu  der  noch 
lit.  üoga  «Beere,  Kirsche»,  abg.  vin-jaga  f. 
«Weinbeere»  gehört.  Vgl.  Liden  Idg.  Forsch. 
18,  503.  Von  Karten  gesagt  findet  sich  noch 
die  Form  Eckern,  auch  in  Zusammensetzungen 
wie  Eckerndaus;  sonst  ist  (vom  PI.  die  Eckern 
aus)  das  F.  Ecker  durchgednmgen. 

eckig,  Eckstein,  s.  Eck. 

26 


403 


edel 


Egge 


404 


edel,  adj.  u.  adv.:  von  Geschlecht  mehr 
als  bürgerlich  (von  Adel);  anerkannt  ausge- 
zeichnet vor  anderm  seiner  Art.  Mhd.  edele, 
edel,  ahd.  edili,  durch  Umlaut  aus  adali;  da- 
zu asächs.  edili,  afries.  ethele,  ags.  (Bdele, 
schwed.-dän.  (aus  dem  Deutschen)  ädel.  Ab- 
geleitet von  Adel  (s.  d.)  in  der  Bed.  «aus- 
gezeichnetes Geschlecht».  ABL.  edeln,  v.: 
edel  machen.  Mhd.  edelen,  vgl.  auch  adeln. 
ZUS.  Edelknabe,  m.:  adeliger  Knabe,  der 
dient  um  Eitter  zu  werden.  Mhd.  edel- 
knappe  m.  Edelknecht,  m.,  mhd.  edelkneht 
m.  Hier  hat  Knecht  die  Bedeutung  wie  Knabe 
(s.  d.  und  Knecht).  Edelmann,  m.,  mhd. 
(erst  im  15.  Jh.)  edelman  m.,  das  Adj.  edel- 
niännisch.1598  bei  Albertinus  Sendschreiben 
1,  134''.  Edelmut,  m.,  erst  bei  Stieler  1691, 
während  das  Adj.  edelmütig  schon  mhd.  (in 
der  Ableitung  edelmüetecheit  f.)  vorkommt. 
Edelstein,  m. :  der  zu  Schmuck  verwendete 
Stein,  mhd.  edelstein  m.,  bei  Luther  mit 
Flexion  von  edel.  Edelweiß,  n.:  Edelraute, 
filago  leontopodium,  eine  Pflanze  der  Alpen. 

Edgar,  Mannesname,  engl,  Edgar,  ags. 
Eadgar;  dafür  ahd.  Ötker  (daher  franz.  Ogier). 
Von  ags.  ead,  asächs.  öd,  ahd.  ötn.  «Besitztum, 
Vermögen»,  und  Ger  (s.  d.)  «Wuif spieß». 

Edikt,  n.:  landesherrliches  Ausschreiben, 
Verordnung.  Aus  lat.  edictum  n.  urspr,  «Aus- 
sage, Befehl»,  dem  als  Subst.  gebrauchten 
N.  von  edictus,  dem  Part.  Perf.  Pass.  von  lat. 
edicere  «aussagen».  In  der  frühnhd.  Kanzlei- 
sprache (Reichs-Ordnungen  119  **  vom  J.  1522). 

edieren,  v. :  herausgeben,  bekanntmachen. 
Aus  gleichbed.  lat.  edere.  Schon  in  der 
1.  Hälfte  des  16.  Jh.  geläufig  (Schwartzen- 
bach  Syn.  12 ä).  Edition,  f.:  Herausgabe, 
Ausgabe  (eines  Buches).  Aus  lat.  editio  f. 
1572  bei  Rot. 

Edmund,  Mannesname,  engl.  Edmund, 
ags.  Eadmund,  von  ags.  ead,  asächs.  öd  n. 
«Besitztum,  Vennögen»,  und  Mund  (s.  d.) 
«Schutz». 

Eduard,  Mannesname,  engl.  Edivard,  ags. 
Eadweard,  Vermögenswart  (s.  d.  vor.). 

Efeu,  m.  (-s):  Wintergrün,  ein  Ranken- 
gewächs. Selten  Neutr.,  z.  B.  1615  bei  Alber- 
tinus Landstörzer  364  und  1735  bei  Stoppe 
Pamass  32,  noch  seltener  Fem.  (1521  bei 
Judas  Nazarei  26).  Mhd.  ephöii,  ehehöu  n., 
ahd.  ebeheivi,  ehihomvi  n.,  daneben  aber  auch 
ehah  m.,  ehahhi,  spätahd.  ebewe,  ebowe  n. 
und  andere  Formen  (vgl.  Björkmann  ZfdW.  2, 
226),   so  daß  die  erstem  Formen  wohl  An- 


lehnung an  mhd.  höu,  ahd.  hewi,  houwi  er- 
fahren haben  werden;  dazu  mnd.  (mit  löf 
«Laub»  zusammenges.)  iflöf,  ndl.  eiloof,  ags, 
ifegn,  ifig  n.,  engl,  ivy  «Wintergrün».  Die 
Grundlage  des  Wortes,  das  nicht  mit  Eppich 
(s.  d.),  mit  dem  es  vermischt  worden  ist, 
aus  lat.  apium  abgeleitet  werden  darf,  ist 
dunkel.  Hoops  Idg.  Forsch.  14,  484  vergleicht 
lat.  i&ejc  «Steinbock»  unter  der  Annahme  einer 
Grmidbedeutung  «Kletterer».  Ältenihd.  findet 
sich  die  Form  Ebheu  (noch  bei  Schottel  1663), 
Epheu,  und  in  dieser  Form  drang  die  Aus- 
sprache ph  =  f  durch  im  17.  Jh.,  wie  die 
Schreibung  Efeu  (Harsdörfer  Gespr.  3,  406) 
zeigt.  Sie  stammt  aus  dem  Ostmd.,  während 
sich  Ebheu  n.  im  Obd.  erhalten  hat, 

Effeif,  n,,  s.  FF. 

Effekt,  m.  {-es,  PI.  -e):  Wirkung,  Er- 
folg. Aus  lat.  effectus  m.  «Ausführung,  Wir- 
kung, Erfolg»,  von  efficere  «ausführen,  be- 
wirken». Bei  Rot  1571,  ein  Beleg  von  1540 
bei  Gombert  8,  11.  Eifekten,  PI.:  Hab- 
seligkeiten; Staatspapiere.  Nach  franz.  les 
effets,  aber  im  Laut  an  lat.  effectus  ange- 
schlossen. Von  Gombert  8,  11  aus  dem 
J.   1680  belegt. 

egal,  adj.:  gleichförmig;  gleichgültig.  Das 
franz.  egal  aus  lat.  aequälis.    1694  bei  Nehring, 

Egart,  f. :  migebrochenes  Grasland,  Brach- 
land. Aus  mhd.  egerde,  egorte  f.,  ahd.  egerda 
f.  «Brachland».  Unbekannter  Herkunft,  vgl, 
Lexer  mhd.  WB.,  Schweiz.  Id.  1,  129,  In 
Oberdeutschland  noch  volkstümlich, 

Egel,  s.  Blutegel. 

■^Egge,  f.  (PI.  -n):  gewobene  Leiste  des 
Tuches,  Seihende  (s.  Salband).  Aus  dem 
Ndd.,  mnd.  egge  f.,  nl.  egge,  eig.  mit  egge 
«Spitze,  Kante»  (s.  Ecke)  identisch.  1716  bei 
Ludwig  angeführt,  auch  im  18.  Jh,  von  nord- 
deutschen SchriftsteUem  gebraucht. 

^Egge,  f.  (PI.  -n) :  Zinkengerät  zum  Acker- 
bau. Spätmhd.  ege  f.,  so  auch  bei  Luther, 
1537  bei  Dasypodius  (aber  das  V,  eggen),  1540 
bei  Alberus  Dict.  L  2^,  auch  noch  häufig 
im  17.  Jh.  (z.  B.  Lohenstein  Hyac.  69);  bei 
Stieler  1691  Ege  und  Egge,  ebenso  bei  Ludwig 
1716,  bei  Frisch  1741  dagegen  nur  Ege  und 
auch  Adelung  erklärt  sich  für  Ege,  da  er 
in  Egge  eine  niedersächs.  Form  sieht,  wäh- 
rend Campe  Ege,  das  noch  vielfach  in  den 
Mundarten  lebt,  nicht  mehr  hat.  Die  Form 
Egge  ist  im  Anschluß  an  eggen  =  egen  (s. 
unten)  geschaffen,  schon  mnl.  egghe  f.  (nnl. 
egge,  eg  f.),  egge  1495  in  der  Kölner  Gemma, 


405 


Egoismus 


Ehehaften 


406 


ebenso  hd.  1462  bei  Mone  Anz.  7,  154  fg., 
auch  1561  bei  Maaler  aus  dem  Scbweize- 
rischen,  Egken  1577  bei  Junius  194 **.  Mhd. 
dafür  gewöhnlich  egeäe,  ekle  f.  (das  1.  noch 
alem.-schwäb.,  das  2.  hess.),  mnd.  ebenso, 
md.  1517  bei  Trochus  QS*'  eyden,  ahd.  egüla, 
and.  egicla,  ags.  egede.  egde  f.  Verwandt  ist 
lat.  occa  f.  (aus  *oteka)  «Egge»,  occäre  «eggen», 
lit.  aketi  «eggen»,  dazu  akic'os  PI.  «Egge», 
preuß.  aketes,  kom.  oket,  kynu-.  oged  «Egge» 
gr.  öEivr).  ABL.  eggen,  V.  Älternhd.  auch 
egen.  Mhd.  egen  und  eggen,  ahd.  egen,  ecken 
(beide  Formen  aus  *agjan). 

Egoismus,  m.:  Selbstsucht.  Mit  lat.  En- 
dung aus  franz.  egoisme  m.,  abgeleitet  von 
lat.  ego  «ich».  Bei  Roth  1791.  —  EgOlSt, 
m.  {-en,  PI.  -en):  der  Selbstsüchtige.  Aus 
franz.  egoiste  m.  Zu  Anfang  des  18.  Jh.  bei 
Chr.  Wulff  Vernunft.  Gedanken  §  944  Egoiste 
m.-  als  philosophischer  Ausdruck.  Davon 
egoistisch,  adj.:   selbstsüchtig. 

eh,  Interj.  des  Auffordems,  leichten  Stau- 
nens. Wohl  aus  der  franz.  Interj.  eh!  Bei 
Xicl.  V.  Wyle  ä. 

ehe,  eh,  l.  adv.  (jetzt  fast  nur  mit  kom- 
parativischer Endung  eher):  früher;  lieber. 
2.  konj.:  früher  als,  bevor.  Mit  Anfügung 
eines  adverbiellen  e  (h  ist  dann  hiatusfüllend 
zwischen  getreten)  aus  mhd.  e,  geschwächt 
aus  er,  ahd.  er,  adv.  (auch  konj.  und  präp.) 
«früher»;  dazu  asächs.-afries.  er,  ndl.  eer, 
ags.  cer,  engl,  ere,  got.  airis  «früher».  Dies 
ist  das  Adv.  des  Komp.  (mit  abgefallener 
Komp.-Endimg  außer  im  Got.)  und  steht 
neben  dem  adjektivischen  got.  airiza,  ahd. 
eriro,  mhd.  irre,  erre  «der  frühere».  Der 
Positiv  findet  sich  als  got.  air,  ags.  ter, 
anord.  är,  adv.  «frühe».  Vgl.  auch  erst  und 
ehest,  ehe  gehört  weiter  zu  gr.  äpicxov  n. 
(aus  *äi€picTov)  «Frühstück»,  fipi  «in  der 
Frühe»,  aw.  ajard  «am  Tage».  Die  Form 
ehe  in  md.  Quellen  des  15.  Jh.,  dann  der 
Kanzleisprache  geläufig,  wird  auch  von 
Luther  gebraucht  (Dasypodius  1537  hat  eh, 
Maaler  1561  ee).  In  dem  Adv.  eher  ist  die 
Komp.-Endung  angefügt,  bei  Luther  noch 
selten  neben  ehe,  Stieler  1691  hat  (S.  359) 
für  das  Adv.  eher.  Als  Präp.  ist  ehe-  nur 
noch  in  ehedem,  ehedessen,  ehegestern,  ehemals 
(s.  d.)  erhalten. 

Ehe,  f.  (PI.  -n):  gesetzliche  Verbindvmg 
von  Mann  und  Weib,  ^ßt  Anfügung  der 
Endung  -e  (h  ist  hiatusfüllend  zwischen- 
geschobenj  aus  mhd.  e,  früher  ewe  f.,  ahd. 


eiva,  ea  f.  «E-\vigkeit,  endlos  lange  Zeit», 
(eig.  seit  undenklichen  Zeiten  geltendes?) 
«Recht,  Gesetz,  Vertrag»,  (dann,  zuerst  bei 
Xotker)  «Rechtsverhältnis  zwischen  Mann  und 
Weib»,  asächs.  eo  m.  «Gesetz»,  afries.  eiva 
f.  «Gesetz»  (unser  Ehe  ist  im  Afries.  äfte 
f.  wie  ndl.  echt  m.,  s.  echt),  ags.  ce,  cew  f. 
«Leben,  Gesetz,  Ehe»,  got.  aiws  m.  «Zeit, 
Ewigkeit».  Es  entspricht  lat.  aevum  n.  «Zeit, 
Lebenszeit,  Ewigkeit»,  aetas  (aus  aevitas)  f. 
«Zeitalter»,  aeternus  (aus  aeviternus)  «ewig», 
gr.  aiiüv  m.  «Ewigkeit»,  aiei,  aiec  «immer», 
aind.  ajus  n.  «Lebensdauer».  Die  Bed.  «Ge- 
setz, Vertrag,  Ehe»  kann  im  Genn.  entwickelt 
sein,  vgl.  Ding,  doch  trennen  manche  das 
Wort  in  dieser  Bed.  ganz  und  stellen  es  so 
zu  aind.  evas  m.  «Gang,  Wandel,  Sitte»  oder 
recht  unwahrscheinlich  zu  lat.  aequus  «gleich», 
wobei  dann  ein  Guttural  im  Germ,  ausge- 
fallen sein  müßte.  Vgl.  Meringer  Idg.  Forsch. 
18,  295.  ABL.  ehelich,  adj.  u.  adv.  :Mhd. 
elich:  ahd.  eoUh.  elih  ist  «gesetzmäßig».  Da- 
von ehelichen,  v.,  spätmhd.  elichen.  ZUS. 
Ehebett,  n.  Bei  Luther,  ehebrechen,  v. : 
die  eheliche  Treue  verletzen,  mhd.  ebrechen. 
Davon  Ehebrecher,  m.,  mhd.  ehrechcere, 
und    Ehebruch,    m.,    spätmhd.    ehruch   m. 

Ehefrau,  f.,  mhd.  evrouwe  f.  Ehegespons, 

m.  n.  {-ses,  PL  -n):  s.  Gespans.  Ehehaften, 
PL:  rechtsgültiges  Hindernis.  Mhd.  ehafte, 
ahd.  ehafti  f.  ist  «Recht,  Pflicht»,  abgeleitet 
von  mhd.-ahd.  ehaft  «gesetzmäßig,  rechts- 
gültig», s.  echt.  Ehehalt,  Ehalt  m.:  Person, 
die  vertragsmäßig  der  Dienstbote  eines  an- 
deren ist;  PL  Ehehalten  «Hausgesinde».  In 
Schwaben,  Bayern,  ÖsteiTeich.  Mhd.  ehalte, 
ahd.  elialto  m.:  der  das  Gesetz  Haltende,  (a)  das 
göttliche:  «Priester»,  (b)  das  eines  andern: 
«Dienstbote».  Ehekrüppel,  m.:  gebrech- 
Hcher  Ehemann.  Bei  Henisch  1616.  ehelos, 
adj.  u.  adv.  Bei  Luther,  mhd.  elös  ist  «außer- 
halb des  Gesetzes  stehend».  Ehemann,  m., 
mhd.  eman  m.  Ehepakten,  PL:  gegen- 
seitiger Heiratsvertrag.  Bei  Ludwig  1716. 
Vgl.  Pakt.     Ehestand,  m.     Bei  Luther. 

ehedem,  adv.:  vor  dieser  Zeit.    Erst  bei 

Adelung  1774.     Friiher   dafür   ehedes,    ehe- 

'  dessen  (Geliert  verm.  Sehr.  1,  24),  mhd.-ahd. 

e  des.  ehe  hier  als  Präp.  wie  häufig  mhd.  e. 

I      ehegestern,    adv.:     vorgestern.      Mhd. 

egester,  spätahd.  er-,  egestere,  egesteren,  d.  i. 

'  e,  er  als  Präp.  mit  dem  Dat.  gester e,  gesteren; 

dazu  ndl.  eergisteren,  ags.  cergistrandceg. 

Ehehaften,  -krüppel,  -lieh  usw.,  s.  Ehe. 

26* 


407 


ehemals 


Ehre 


408 


ehemals,  adv.  Mlid.  e  mäles,  d.  i.  e  als 
Präp.  mit  dem  Gen.  von  mal  «Zeitpunkt» 
(s.  Mal),  bei  Luther  noch  getrennt  ehe  mals. 
sonst  auch  ältenihd,  ehenicd.  ABL.  ehe- 
malig, adj.     Bei  Stieler  1691. 

Ehemaun,  s.  Ehe. 

eheilder,adv. :  eher.  Oberdeutsch  (älternhd. 
auch  in  der  Literatui-,  z.  B.  bei  Albertinus, 
Grimmeishausen).  Mit  Anlehnung  an  ehe  und 
angetretener  Komparativendung  zurückgehend 
auf  mhd.  end,  ent,  konj.  «ehe,  bevor»,  ahd.  enti 
«früher»;  dazu  ags.  end,  anord.  äär  «vorher», 
lat.  ante  «vor»  usw. 

Ehepakten,  s.  Ehe. 

eher,  s.  ehe.    Vgl.  auch  wannehr. 

ehern,  adj. :  aus  Erz  bestehend.  Bei  Luther 
ehrn  und  (unter  Einfluß  von  kupfern,  steinern 
usw.)  ehem.  Aus  mhd.-ahd.  erin,  abgeleitet 
von  er,  s.  Erz. 

ehest,  Superlativbildung  zu  ehe.  In  der 
Kanzleisprache  des  16.  Jh.  Davon  ehestens, 
adv.:  in  nächster  Zeit.  Entstanden  mit  an- 
getretenem s  aus  dem  Gen.  des  ehesten  (da- 
neben auch  ältenihd.  ehestes). 

Ehestand,  s.  Ehe. 

Ehre,  f.:  das  Ansehen,  das  jemand  auf 
Grund  seiner  Stellung  oder  seiner  Vorzüge 
genießt,  sowie  die  Bekundung  dieses  Ansehens 
durch  andere,  Auszeichnung;  das  auf  dieses 
Ansehen  begmndete  Selbstbewußtsein.  Schon 
bei  Luther  und  DasyjDodius  1537  mit  dehnen- 
dem h  Ehre.  Mhd.  ere,  ahd.  era  f.;  dazu 
asächs.  era  f.  «Ehre,  Schutz,  Gnade,  Gabe», 
ndl.  eere  f.,  ags.  är  f.  «Ehre,  Glanz,  Gnade, 
Hilfe»,  anord.  eir  f.  «Gnade,  Barmherzigkeit», 
(entlehnt)  schwed.  ära,  dän.  äre  f.  Got. 
wäre  aiza  f.  anzusetzen,  zu  dem  aistan  «sich 
vor  jemand  scheuen,  ihn  achten»  gehört,  das 
mit  lat.  aestimäre  «würdigen»  verwandt  ist. 
Dazu  weiter  gr.  mboiuai  «scheue,  verehre», 
aibdic  «Ehrfurcht,  Scheu,  Scham»,  und  viel- 
leicht auch  ai.  ide  «verehre,  preise,  flehe  an». 
Doch  bleiben  lautliche  Schwierigkeiten.  Vgl. 
Walde  s.  v.  Ehren,  Ehrn  vor  Namen  (z.  B. 
Ehren  Loth  Bürger  226)  gehört  urspr.  nicht 
hierher,  sondern  geht  zurück  auf  mhd.  ern 
(zum  Nom.  er),  abgeschwächte  Form  aus 
herren  (zu  herre).  ABL.  ehrbar,  adj.  u. 
adv.  Mhd.  erhcere,  dazu  ndl.  eerhaar.  ehren, 
V.,  mhd.  eren,  ahd.  eren,  erön;  dazu  asächs. 
erön,  ags.  ärian.  ehrlich,  adj.  u.  adv.  Mhd. 
erlich,  ahd.  erlih  «anständig,  herrlich,  ehren- 
haft»; dazu  asächs.  erlik,  ags.  ärlic.  Ehrlich 
bedeutet  im  altem  Nhd.,   z.  B.  bei   Luther, 


noch  «ansehnlich,  vornehm;  redlich,  ohne 
Falsch:  ziemlich,  anständig»,  während  heute 
neben  der  allgemeinen  Bedeutung  «zuver- 
lässig in  bezug  auf  fremdes  Eigentum»  die 
von  «tüchtig,  ordentlich,  ziemhch»  vorliegt. 
ehrsam,  adj.  u.  adv.,  mhd.-ahd.  ersam  «ehr- 
bar», so  auch  im  altern  Nhd.,  besonders  in 
Titeln  üblich  und  dann  im  Gefühlswert 
sinkend.  ZUS.  1)  mit  Ehr-:  ehrerbietig, 
adj.  u.  adv.  Schon  im  15.  Jh.,  wie  auch 
Ehrerbietung,  f.  (Germania  28, 365),  Ehr- 
erbietigkeit, f.  1562  bei  Mathesius  Sa- 
repta  131^.  Von  mhd.  einem  ere  erbieten. 
Ehrfurcht,  f.,  am  Ende  des  17.  Jh.  auf- 
gekommen (1698  bei  Chr.  Gryphius  poet. 
Wälder  303),  aber  noch  1759  von  Domblüth 
139  als  neu  ersinnt  bezeichnet.  Dagegen  das 
Adj.  ehrfürchtig  schon  im  16.  Jh.  Ehr- 
geiz, m.  Bei  Luther,  während  sonst  im 
Iß.  Jh.  noch  oft  Ehrgeit  (Alberus  Dict.  cc  3*), 
s.  Geiz.  Davon  ehrgeizig,  adj.,  bei  Luther, 
daneben  ehrgeitig,  wie  bei  Alberus  und  Maaler. 
ehrlos,  adj.  u.  adv.  Mhd.-ahd.  erlös,  ags. 
ärleas.  Ehrsucht,  f.  Bei  Luther.  Ehr- 
WÜrde,  f.,  im  PI.  Ehrwürden,  Titel  geist- 
licher Personen.  Lu  16.  Jh.  Davon  das  Adj. 
ehrwürdig,  mhd.  ertvirdic,  auch  als  Ehi-- 
bezeichnung  für  geistliche  Personen  üblich. 
2)  mit  Ehren-:  Ehrenamt,  n.,  1536  bei 
Polychorius  fiueton  iS^  ehrenämpter.  ehren- 
fest*, adj.  Spätmhd.  erenvest  als  auszeich- 
nendes Beiwort.  Ehrengericht,  n.:  Ge- 
richt, das  -in  Ehrensachen  entscheidet.  Bei 
Adelung,  ehrenhaft,  adj.  u.  adv.,  1598 
bei  Sebiz  Feldbau  404  ehrnhafft,  dafüi- 
mhd.  erhaft.  Ehrenmann,  m.,  frühnhd. 
(Murner  Narr.  13,  74).  Ehrenpreis,  m.,  die 
(vor  andern  heilkräftige)  Pflanze  veronica. 
1500  in  Brunschwygs  Kunst  der  Destillirung 
und  1540  in  Bocks  Kräuterbuch  76*^  erenhreiß, 
1571  in  Cai'richters  Kräuterbuch  und  1574  bei 
Fischart  Gnom.  42  Erenwerdt,  auch  Grund- 
heil  {Grundtheyl  bei  Fuchs  1542)  und  _He?7 
aller  Schaden,  Heil  aller  Welt  (schlesisch). 
ehrenreich,  adj.,  mhd.  erenrich.  ehren- 
rührig, adj.,  frühnhd.  Ehrcnsold,  m., 
von  Campe  gebildet.  ehreUTOll,  adj.,  1616 
bei  Henisch  811.  ehrenwert,  adj.  u.  adv,, 
bei  Luther.  Ehrenwort,  n.:  Aussage,  für 
die  man  seine  Ehre  zum  Pfände  setzt,  1789 
bei  Ludwig;  fiiiher  in  der  Bed.  «höfliche 
Redensart»,  1661  bei  Maaler  Eerenwort,  wäh- 
rend Henisch  1616  Ehrwort  hat  und  schon 
1512  Mumer  Narrenbeschw.  88,  17  Erwort. 


409 


£i 


Eichhorn 


410 


Ei,  u.  [-es,  PI.  -er ) :  sieh  aus  dem  weiblichen 
Organismus  ablösender,  den  Keim  zu  einem 
jungen  enthaltender  minder  Körper.  !Mhd.  ei 
(PI.  auch  eiger),  ahd.-and.  ei,  PI.  eigir  n.:  da- 
zu ndl.  ei,  ags.  ceg,  engl,  (aus  dem  Xord.)  egg, 
anord.  egg.  schwed.  ägg,  dän.  eg  n.,  got.  nur 
im  Krimgot.  als  ada  belegt.  Als  verwandt  sieht 
man  an  lat.  Ovum  n.,  griech.  iLiov,  ujov  n., 
altir.  og,  altbulg.  jaje  n.,  obgleich  die  Laut- 
verhältnisse nicht  ganz  klar  sind.  Das  germ. 
Wort  geht  auf  ajoyn  oder  ajjotn  zurück,  wäh- 
rend im  gl',  und  lat.  ein  w  in  dem  Worte 
steckt.  VieDeicht  ist  ic  idg.  geschwunden,  j 
Redensart:  sich  um  ungelegte  Eier  kümmern 
schon   im   16.  Jh.    (Gombert  ZfdW.  1,  354). 

-ei,  betonte  Ableitungsendung  weiblicher 
Substantiva,  die  eine  Eigenschaft  des  Grund- 
wortes, das  Gewerbe  der  Person  oder  den 
Ort,  wo  es  betrieben  wird,  eine  Gesamtheit 
eine  Wiederholung  (oft  mit  tadelndem  Sinn) 
usw.  bezeichnen,  z.  B.  Kinderei.  Bäckerei. 
Reiterei,  Bettelei.  Aus  älterm  -eie,  mhci. 
-te,  entlehnt  aus  der  altfranz.  Endung  -ie, 
die  von  fremden  Wörtern  auch  auf  deutsche 
Bildungen  übertragen  ist.  Erweitert  -erei 
und   -elei  (z.  B.  Zankerei,  Liebelei). 

ei!  Interj.  der  Verwunderung,  der  Freude, 
des  Spottes.  'Süid.  ei,  daneben  eia,  vgl.  das 
gleichbed.  lat.  eia,  gr.  eia,  eia.  Dazu  eia 
popeia.  eieil,v.:  liebkosen.  In  derKinderspr. 

Eibe,  f.  (PI.  -n):  der  Taxus,  ^lit  Ver- 
wandlung eines  w  ia  h  aus  mhd.  iwe  «Eibe», 
auch  «Bogen  aus  Eibenholz»,  ahd.  twa  und 
iga  f.,  igo  m.,  dazu  and.  ich,  ags.  iw  und 
eoh  m.,  engl,  yew,  anord.  yr  m.  Diese  Formen 
fühi'en  auf  eine  gemianische  Grundform  ihivö 
mit  Guttural,  der  auch  noch  in  Schweiz,  iche, 
ige  vorliegt.  Die  Wörter  der  verwandten 
Sprachen  zeigen  dagegen  nui*  iv,  altir.  eo, 
kjmr.  i/iv  «Eibe»,  abulg.  iva  f.  «Weide»,  lit. 
jievä  f.  «Faulbaum;,  preuß.  iuwis  «Eibe». 
Sind  also  die  Worte  nicht  aus  dem  Germa- 
nischen entlehnt,  was  unwahrscheinlich  ist, 
und  hängen  sie  überhaupt  zusammen,  was 
man  kaum  wird  ablehnen  können,  so  muß 
der  Guttui-al  des  Germanischen  sekundär 
entstanden  sein,  vgl.  .Tugend.  Ins  Romanische 
wurde  das  Wort  aufgenommen  als  franz.  if 
m.,  span.-port.  iva  f.,  mlat.  ivus.  ABL. 
eiben,  adj.  Mhd.  iidn.  Auch  in  Eiben-  ] 
bäum,  mhd.  iwinboum  m. 

Eibisch,  m.  {-es,  PI.  -e):  eine  raalven- 
artige  Pflanze.  Mhd.  ibesche,  ahd.  ibisca  f., 
aus  griech.-lat.  ibisaim  n.,  griech.  ißicKoc  m. 


^  Eiche,  f.,  der  Waldbaum  lat.  quercus. 
Mit  Anfügung  eines  e  (bei  Luther)  aus  mhd. 
eich,  selten  eiche,  ahd.  eih  f.;  dazu  and.  ek, 
ndl.  eik,  eck,  ags.  äc,  engl,  oak,  anord.  eik  (all- 
gemein «Baiun»),  schwed.  ek,  dän.  eg  f.  Auf 
die  gleiche  Wurzel  gehen  wohl  zui-ück  griech. 
aiYcipoc  f.  «Schwarzi^appel»  (?),  aiTiX.uJHJ  m. 
«Eichenart  mit  süßen  Früchten»,  lat.  aesculus  f. 
«Bergeiche».  Vgl.  Walde  s.v.  ABL.  Eichel, 
f.:  Fracht  der  Eiche :  eichelähnlicher  Köiioer: 
Karte  mit  dem  Bilde  der  Eichel.  Mhd.  eichel, 
ahd.  eihhila  f.;  dazu  ndl.  eikel,  ekel  m.  Ge- 
wöhnlich als  diminutive  Bildung  erklärt, 
weil  die  Frucht  der  Eiche  gleichsam  Kind 
des  Baumes  ist,  vielleicht  aber  aus  aiki-kila 
und  letzteres  zu  lit.  gile,  abg.  zeloßi,  lat.  glans, 
gr.  ßciXavoc  f.  «Eichel».  Als  Farbe  imKai-ten- 
spiel  Eicheln,  1575  im  Theatrum  diabolorum 
439^  Eycheln  (von  1561),  1559  bei  H.  Sachs 
23, 167  Aicheldaus.  eichen,  adj.  ^Ihd.  eichin, 
ahd.  eihMn,  ndl.  eiken.  Auch  in  ZUS.  ^^■ie  Ei- 
chenholz. Eichicht,  n.:  Eichenwald.  Mit  an- 
getretenem t  aus  mhd.  eichach,  ahd.  eihhahi  n. 

-Eiche,  f.  (PI.  -n):  Handlung,  Amt  des 
Eichens:  Eichzeichen.  Spätmhd.  tche  f.  Von 
eichen,  v.-.  ein  MaßgeschiiT  von  Obrigkeits- 
wegen abmessen  und  dem  gesetzlichen  Maße 
gleichmachen.  In  der  1.  Hälfte  des  15.  Jh. 
ichen,  daneben  auch  ichten,  kaum  aus  ächten, 
Nebenform  von  achten  «bestimmen,  abschät- 
zen», mit  dem  das  Wort  nur  zusammenge- 
worfen wurde.  Mnd.  ike  f.  ist  «Eichzeichen, 
Eichinstniment»,  aber  auch  «Lanze»,  daher 
wohl  als  Gnuidbed.  «spitzes  Instniment»  an- 
zusehen, ndl.  ijk  m.  «Eichzeichen»  und  ijken. 
Entlehnung  aus  lat.  aequäre  «eichen»  ist  un- 
wahrscheinHch.  Somit  unbekannter  Herkunft. 
Die  Schreibung  Aiche,  aichen  erst  bei  Frisch 
1741.     Adelung  verlangt  Eiche,  eichen. 

Eichel,  5.  Eiche. 

Eichhorn,  n.,  das  von  Baum  zu  Baum 
springende  Waldtier,  lat.  sciunis.  Mhd.  eichorn, 
ahd.  eihhoim  m.;  dazu  ndl.  eekhoren  m.,  ags. 
äcwern  n.,  äcweoma,  anord.  ikorni  m.,  schwed. 
ekorre,  ikom,  dän.  egern  m.  Im  Hd.  an 
Eiche  xind  Hörn  angelehnt;  die  Grundform 
war  wohl  *aik-wern,  dessen  zweiten  Bestand- 
teil Much  ZfdA.  42,  166  mit  Recht  zu  abg. 
veverica,  preuß.  vevare,  lit.  vovere  f.  «Eich- 
horn», lit.  vaivaras  m.  «Männchen  vom  Iltis 
und  Frettchen»,  lat.  viverra  f.  «Frettchen» 
gestellt  hat.  Vgl.  noch  Zubaty  Arch.  f.  slav. 
Phil.  16,  418  f.  Gewöhnlich  als  Dim.  Eich- 
hörnchen n.,  auch  Eichkäfzchen. 


411 


£id 


eigen 


412 


Eid,  m.  {-es,  PI.  -e):  feierliclie  Ver- 
sichening  bei  etwas,  was  uns  heilig  ist,  zu 
voller  Bekräftigung;  die  Formel  dieser  Ver- 
sicherung. !Mhd.  eit  (gen.  eides),  ahd.  eid  m., 
dazu  altsächsisch  eth,  ndl.  eed,  ags.  äß,  engl. 
oath,  anord.  eidr,  schwed.-dän.  ed  m.  Es 
entspricht  aü-.  oeth.  Vgl.  über  weitre  Er- 
klärungen ühlenbeck  Btr.  30,  258,  Meringer 
Idg.  Forsch.  18,  295.  ABL.  eidlich,  adj. 
u.  adv.  Bei  Stieler  1691.  ZUS.  eidbrüchig, 
adj.  Bei  Henisch  1616.  Eidgeuoß,  m. 
(ssen,  PI.  -ssen) :  Eideshelfer,  Schwurgenosse ; 
einer  durch  einen  Eid  verbundenen  staat- 
hchen  Gemeinschaft  Angehöriger.  Mhd. 
eitgenöge,  eitgenö^  m.  Davon  Eidgenossen- 
schaft, f.  Spätmhd.  eifgenoßschnft  f.  Eid- 
SChwiir,  m.  Bei  Dasypodius  1537,  ahd. 
dafür  eidsicart  f. 

Eidam,  m.  {-S,  PI.  -e):  Tochtermann. 
Bei  Luther  auch  Eidem,  sonst  älterahd. 
Eiden  (Alberus  Dict.  Hh4'^  eyden,  1537  bei 
Schaidennreiszer  12^  ayden).  jVIhd.  eidem  m. 
«Tochtermann,  auch  Schwiegei'vater»,  ahd. 
eidum,  eidam  m.;  dazu  mnd.  eidnm,  afiies. 
äthom,  ags.  ädinn  m.  «Schwiegersohn».  Ge- 
wöhnlich zu  Eid  gestellt,  also  «dui'ch  Eid 
Verbundener»,  vgl.  engl,  son-in-laiv,  aber 
dabei  wird  die  Ableitung  nicht  erklärt,  und 
der  Ursprung  ist  daher  wohl  anderswo  zu 
suchen. 

eidbrüchig,  s.  Eid. 

Eidechse,  f.,  nach  dem  Obd.  auch  Eidechs, 
m.  (Wieland  Oberon  11,  19):  vierfüßiges 
Amphibium  mit  langem  Schwänze.  Mit  Auf- 
lösung eines  g  aus  mhd.  egedehse,  ahd.  egi- 
dehsa  f.;  dazu  and,  egithassa  und  ewidehsa, 
mndl.  eggedisse,  nndl.  hagedis,  haagdis,  ags. 
ädexe  f.,  engl.  ask.  Der  1.  Teil  ei-  des  zu- 
sammengesetzten AVortes  gehört  kaum  zu 
mhd.  ege,  ahd.  egi  f.,  got.  agis  n.  «Fui-cht, 
Schrecken»  (wie  ahd.  egetier  n.  «Ungeheuer, 
eig.  Tier  des  Schreckens»),  sondern  eher  zu 
griech.  öcpic,  skr.  ahist  «Schlange»,  der  2.  Teil 
ist  dunkel.  Indem  man  fälschlich  Eid-echse 
teilte,  kam  man  zu  dem  Wort  Echse  (s.  d.). 

Eider,  m.  (-.s,  PI.  wie  Sg.),  f.  (PI.  -n): 
Eidergans,  anas  moUissima.  (Das  Mask.  bei 
Voß  Luise  3,  2, 604).  Durch  das  Nd.  aus  dem 
Nord,  entlehnt,  Island,  ce^r  (gesprochen  eißer)  f. 
«Eidergans»,  vgl.  engl,  eider,  eiderduck,  schwed. 
ejder  m.,  dän.  ederfugl.  Eider,  f.  (Haller 
Alpen  2)  tmd  Eider,  n.  (Schiller  Räuber  1,3): 
Flaumfeder  der  Eidergans.  ZUS.  Eider- 
daune, f.   Aus  dem  nd.  eiderdune,  (entlehnt) 


schwed.  ejderdnn,  dän.  ederduun  n.  Bei  Hübner 
1727  Eiderdune,  auch  noch  bei  Voß  a.a.O.; 
Eiderdaun  n.  bei  Göckingk  2,  55,  Eiderdon  n. 
bei  Wieland  18,  87. 

Eidgenoß,  -schwur,  s.  Eid. 

Eierklar,  n.:  Eiweiß.  Mhd.  eierklär  n. 
«das  Helle  (Klare)  des  Eies».  Eierkuchen, 
m.,  spätmhd.  eierkuoche  m.  Eierweck,  m.: 
Weck  (Gebäck)  aus  Teig,  der  mit  Eiern 
mürbe  gemacht  ist.  Bei  Wagner  Kinder- 
mörderin 1.     Eierweiß,  s.  Eiweiß. 

Eifer,  m.  (-s) :  leidenschaftUche  En-egung, 
besonders  aus  Streben  wonach;  Fleiß.  Bei 
Luther  eiuer,  wie.  auch  sonst  älternhd.  bei 
Mitteldeutschen,  z.  B.  Gryphius.  Zuerst  1494 
yfer  m.  «Eifersucht»  (Brant  Narr.  Nr,  89,  19), 
schon  frülier  begegnen  obd.  eifern,  Eifrer, 
eifrig  s.  u.  Bei  Luther  zuerst  allgemein  für 
leidenschaftliche  Erregung  (namenthch  Zorn) 
ge1)raucht,  vgl.  darüber  die  Stelle  bei  Dietz 
1,  492.  Aus  dem  Hd.  entlehnt  nd.  iver,  ndl. 
ijver,  schwed.  ifver,  dän.  iver  m.  Grund- 
bed,  wohl  «Herbigkeit»,  da  ahd,  eibar,  eivar, 
ags,  äfor  «herb»  verwandt  zu  sein  scheint, 
—  eifern,  v.,  im  Anfang  des  15.  Jh.  iferen 
als  Subst.  «Eifersucht»,  um  1480  im  Voc. 
ine.  teut.  d  6*^  eifern  «zelotipare»,  1482  im 
Voc.  theut.  f  6^  eyffern,  auch  später  obd.  in 
der  Bed.  «eifersüchtig sein»  (Albertinus  Lustg. 
17^^),  bei  Luther  in  der  jetzigen,  S.  auch 
üferh.  ABL.  Eiferer,  m,,  schon  im  14,  Jh, 
bei  Megenberg  eifrcer  m,  «Haustyrann,  Eifer- 
süchtiger», auch  öfter  im  15,  Jh,  eifrig, 
adj,  u,  adv.:  leidenschaftlich,  heftig;  fleißig. 
Im  altern  Obd.  «eifersüchtig»,  wie  nhd.  bei 
Keisersberg  und  Luther.  Zr*S.  Eifersucht,  f. 
Bei  Hans  Sachs  (z.  B.  Fastn.  17,  27),  eig. 
«Ki'ankheit  des  Eiferns»  (entsprechend  bei 
Hans  Sachs  lastersucht  u.  a.),  sonst  älternhd. 
dafür  oft  Eifer  (Fischart  Ehez.  G  2^).  Davon 
eifersüchtig,  adj.     Bei  Stieler  1691. 

eigen,  adj.:  angehörig;  ausschließlich  an- 
gehörig: sonderbar  (Adelung  «im  gemeinen 
Leben»).  Mhd.  eigen,  ahd.  eigan;  dazu  asächs. 
egan,  ndl.  eigen,  ags.  ägen,  engl,  oivn,  afries. 
eigin,  anord.  eiginn,  schwed.-dän.  egen.  Eig. 
das  starke  Part.  Prät.  des  V,,  mhd.  eigen, 
ahd.  eigan,  asächs.  egan,  ags.  ägan,  got.  aigan 
(Präs.  aih,  Prät.  aihta)  «haben,  besitzen». 
Verwandt  ist  aind.  Ig  «besitzen»  mit  dem 
Part.  Igänas,  aw.  isan-  «Herr  über  etwas». 
Davon  Eigen,  n.  j\Ilid.  eigen,  ahd.  eigan 
n,:  dazu  asächs,  egan  n,,  anord,  eign  f.,  got. 
aigin   n.   «Eigentum,  Vennögen».      eigens, 


413 


eignen 


ein 


414 


gemtivisches  Adv.  Bei  Adelung  1774.  ABL. 
eignen,  v.:  zu  eigen  machen,  mhd.  eigenen, 
ahd,  eiganen;  eigen  sein  (frühnhd.,  jetzt  nur 
poetisch).  Kefl.  sich  eignen  «wozu  passen» 
(von  Campe  für  sich  qualifizieren  gebildet). 
Eigenheit,  f.  (zu  eigen  in  der  2.  u.  3.  Bed.), 
mhd.  eigenheit  f.  Eigenschaft,  f.,  mhd. 
eigenschaft,  spätahd.  eiginscaß  f.  «Eigentum, 
Eigentümlichkeit».  Damit  zusammengesetzt 
Eigenschaftswort,  n.,  bei  Adelung  1793. 
eigentlich,  adj.  und  adv.  Mit  eingeschobe- 
nem t  aus  mhd.  eigenlich  «eigentümlich,  aus- 
drücklich, bestimmt»;  in  der  letzten  Bed. 
namentlich  das  Adv.  eigenliche.  Eigen- 
tum, n.,  mhd.  eigenhiom,  n.  Davon  Eigen- 
tümer   (spätmhd.)    und    eigentümlich, 

adj.:  als  Eigentum  angehörig  (frühnhd.); 
überhaupt  «eigen,  sonderbar»  (noch  nicht 
bei  Campe  1807).  ZUS.  eigenartig,  adj. 
Bei  Campe  1807.  Eigenbrötler,  m.:  Son- 
derling, eig.  der  eigenes  Brot  backt,  einen 
eigenen  Haushalt  führt.  In  dieser  Bed. 
schon  im  altern  ]S'hd.  Vgl.  mhd.  einhrcetec 
«der  sein  eigenes  Brot  hat».  Eigenliehe,  f., 
bei  Stieler  1691.  Eigenloh,  n.,  bei  Luther 
als  eigen  loh.  eigenmächtig,  adj.,  im 
16.  Jh.  Eigenname,  m.,  bei  Luther  als 
eigen  name.  Eigennutz,  m.,  im  15.  Jh. 
(Liliencron  1,  558),  bei  Luther  getrennt  eigen 
nutz.  Davon  eigennützig,  adj.  Eigen- 
sinn, m.,  bei  Luther  als  eigen  sinn,  wälu-end 
das  Adj.  eigensinnig  schon  im  14.  Jh.  vor- 
kommt als  «freiwillig»,  im  15.  in  der  jetzigen 
Bed.  Eigenwille,  m.,  im  15.  Jh.  als  eigen 
tvill,  während  das  Adj.  eigenwillig,  schon 
mhd.  erscheint. 

■^eignen,  v.:  zu  eigen  machen,  s.  eigen. 

"eignen,  refl.  v.  in  es  eignet  sich  «zeigt 
sich  geisterhaft  an»  (Musäus  Volksmärchen 
•2,  79,  Goethe  Faust  11417).  Mit  ei  für  eu 
aus  mhd.  öugenen,  gewöhnlich  äugen  «zeigen», 
ahd.r/iigan,  augan  «vor  Augen  bringen,  zeigen», 
ags.  eowan,  got.  augjan  «zeigen»;  refl.  mhd, 
sich  öugenen  «sich  zeigen»,  bei  Luther  »ich 
engen.     S.  ereignen. 

Eigner,  m.  (-s)  -.  Eigentümer,  Besitzer.  Bei 
Logau  2,  7,  98,  Eigener  1663  bei  Schottel  333. 

Eiland,  n.  (-es,  PI.  -e):  wasserumflossenes 
Land,  Lisel.  Mhd.  (erst  in  der  höfischen 
Poesie)  eilant,  meist  einlanf,  n.  «Insel»,  gleich- 
sam «isoliertes,  abgesondert  liegendes  Land», 
aber  wohl  nur  angelehnt  an  ein  und  entlehnt 
aus  mndl.  eiland  (das  selbst  aus  dem  Fries, 
entnommen   ist),   mnd.  eiland,   eland,   oland, 


ags.  ealand,  egland.  igland,  engl.  isJand,  anord, 
eyland,  dän.  eiland  n.  «Insel»,  die  zusammen- 
gesetzt sind  mit  einem  Worte,  das  unserm 
Aue  (s.  d.)  entspricht,  also  eigentlich  s,  v.  a. 
«im  Wasser  liegendes,  von  diesem  umflossenes 
Land/. 

Eile,  f.:  Eifer,  Geschwindigkeit  wozu. 
Mhd.  7le,  ahd.  ila  f.  Von  eilen,  v.:  auf 
ein  Ziel  hin  geschwind  sein,  mhd.-ahd.  ilen: 
dazu  asächs.  Üian,  ndl.  ijlen  «sich  strebend 
bemühen,  wonach  mit  Eifer  tätig  sein»,  aus 
dem  Deutschen  schwed.  ila,  dän.  ile.  Viel- 
leicht mit  ags.  ile  m.,  anord.  u.  noch  norw.  il  f. 
«Füßsohle»,  afries.  ile  «Fußballe,  Schwiele», 
zur  Wurzel  aind.  i  ..gehen»,  lat.  ire,  griech. 
ievai.  Von  Sievers  Idg.  Forsch.  4,  340  aus 
Hdlä  ei'klärt,  und  zu  anord.  f<f,  iäi.  «Studium» 
gestellt.  Davon  eilends,  adv.,  eigentlich 
Genitiv  des  Part.  Präs.  von  eilen.  Lu  15.  Jh. 
bei  Tucher  Baumeisterb.  128,  8  eilentz,  bei 
Luther  auch  eilend.  ABL.  eilig,  adj.  u.  adv. 
]\Ihd.  ilec,  ahd.  Ute  «eifrig,  eilig ■.,  ZUS. 
Eilbote,  m.  Nach  Kindlelien  1781  ein  neu- 
gebackenes Wort,  eilfertig,  adj.  u.  adv. 
Im  17.  Jh.  (Schottel  349).  Eilwagen,  m., 
Nachbildung  von  Eilpost,  das  Campe  für 
Diligence  vorschlug. 

eilf,  s.  elf. 

Eimer,  m.  (-.s-,  PI.  wie  Sg.):  Wasser- 
'  gefäß  mit  übersehendem  Bügel  zum  Tragen 
I  und  Schöpfen ;  ein  Flüssigkeitsmaß.  Mit 
Assimilation  des  mh  aus  mhd.  eimher,  einher, 
auch  eimer,  ahd.  einibar,  einbar  m.,  und  abge- 
leitet eimhert,  eimhri  n. ;  dazu  and.  enibar  m.  n., 
ndl.  emmer  m.  Scheinbar  zusammengesetzt 
aus  ein  und  -har  von  ahd.  heran  «tragen», 
also  eig.  «Gefäß  mit  einem  Griff",  einträgiges 
Wassergefäß»,  im  Gegensatz  zu  Zuber  (s.  d.). 
Formen  wie  ahd,  ambar,  emher,  ambri,  ags. 
amber,  omber  m.,  (entlehnt)  schwed.  ämbar  n, 
lassen  indes  einbar  als  volksetymologische 
ümdeutung  eines  auf  gr.-lat.  amphora  f. 
«zweihenkeliger  Kiiag»  bemhenden  Wortes 
erscheinen. 

^ein,  zunächst  Zahlwort,  dann  in  den 
Pronominalbegi-ifi'  übergehend,  um  Gleichheit 
zu  bezeichnen  (ein  und  derselbe):  unbestimmtes 
Pronomen  =  irgend  einer,  jemand;  das  N,  ein 
mit  Gen,  Sg.  des  Subst.,  z.  B.  ein  Leides, 
ein  Wesens;  das  N.  eins  als  unbestimmtes 
Objekt  in  eins  trinken,  eins  plawlern:  un- 
bestimmter Artikel  (auch  in  Wendungen  wie 
ein  langes  und  ein  breites  sprechen,  es  ist 
um   ein   gutes  bessei-):    demonstr.  Pronomen 


415 


ein 


Einbuße 


416 


zur  naclidiückliclien  Hervorhebung  (öfter  bei 
Luther,  z.  B.  ich  bin  ein  guter  Hirte  und 
in  kanzleimäßigen  Wendungen  wie  ein  hohes 
Ministerium  schon  im  15.  Jh.  Weisth.  4,  517, 
Uhland  Yolksl.  10).  Vor  Zahlen  steht  ein 
zur  ungefähren  Angabe,  z.  B.  ein  Eimer 
zwanzig  Wein  (Schiller  Räuber  4,  3),  ein 
zwanzig  Louis  (Schiller  3,  553).  Mhd.-ahd. 
ein:  dazu  asächs.-afries.  en,  ndl.  een,  ags.  an, 
engl,  one,  anord.  einn,  sehwed.-dän.  en.  Ver- 
wandt ist  lat.  unus  (altlat.  oenus),  griech.  oivöc, 
altir.  öin,  abg.  im'i,  lit.  vienas,  apreuß.  ains. 
"ein,  adv.:  in  das  Innere  (auf  die  Frage 
wohin),  z.  B.  Feld  ein  und  aus  Bürger  234. 
Mhd.  in,  auch  noch  in,  ahd.  in,  wie  asächs.- 
ndl.-afries.-ags.  in,  anord.-got.  inn.  Mit  Deh- 
nung des  Vokals  zur  Präposition  in  (s.  d.). 
In  Zusammensetzungen  mit  Substantiven  und 
Verben  erhält  ein  den  Ton,  z.  B.  Eingang, 
eingehen,  auch  wenn  es  mit  Adverbien  zu- 
sammengerückt ist,  z.  B.  hinein,  oder  mit 
Substantiven,  z.  B.  jahrein,  feldein,  waldein. 
einander,  unflektiertes  Zahlwort,  in  dem 
ander  einen  Dativ  oder  Akkusativ  vertritt. 
Schon  mhd.  meist  unflektiert  einander,  da- 
neben aber  auch  mit  Flexion  des  ander, 
z.  B.  hi  einandern,  ahd.  zeinanderen,  oder 
mit  Flexion  beider  Wörter,  z.  B.  zuo  einen 
anderen. 

einäschern,  v.:  in  Asche  legen.  Von 
der  Nebenform  Äscher  zu  Äsche  gebildet, 
s.  Äschermittwoch.  Um  1600  (1618  bei 
Schönsleder  einäschern,  bei  Opitz  eineschern), 
sonst  ältemhd.  auch  eineschen,  wie  mnd.  in- 
eschen. Dagegen  1562  bei  Mathesius  Sar.  184^ 
eineschern  «einbeizen»  (s.  Äscher). 

Einback,  m.:  einmal  gebackenes  feines 
Brot,  im  Gegensatz  zu  Zwieback  (s.  d.).  Bei 
Campe  1807. 

Einband,  m.,  s.  einbinden. 
Einbaum,  m.  (-s,  PI.  -bäume):  Kahn  aus 
einem  ausgehölten  Baumstamm.  Aus  dem 
Oberd,  in  die  Schriftsprache  eingedi-ungen. 
Einbeere,  f.:  die  jedesmal  eine  Beere 
tragende  Pflanze  paris  quadrifolia.  Ahd. 
einbere  (Steinmeyer-Sievers  Gloss.  3,  568,  38), 
mhd.  einbere,  embere,  mnd.  enbere  f. 

einbilden,  v.:  in  etwas  als  Bild  hinein- 
drücken, einprägen.  Mhd.  (bei  den  Mystikern) 
inbilden.  Refl.  sich  e.  «im  Geist  in  sich  als 
Bild  entstehen  machen»,  jetzt  meist  von  un- 
begründeten Vorstellungen,  wie  schon  1495 
bei  Reuchlin  Demosthenes  1.  Olynth.  Rede  S.  12 
Poland    einbilden    «einem    etwas    einreden». 


ÄBL.  eiubildisch,  adj.  Im  17.  Jh.,  dafüi- 
jetzt  eingebildet,  das  1759  von  Dornblüth  32 
noch  bekämpft  wird.  Einbildung,  f. :  bloß 
durch  Seelentätigkeit  und  in  derselben  Da- 
seiendes, insbesondre  wenn  es  imbegründet 
ist.  Mhd.  (bei  den  Mystikern)  mbildunge,  f. 
Damit  zusammengesetzt  Einbildungskraft, 
f.     Schon   1640  bei  Comenius  343. 

einbinden,  v.:  in  etwas  bindend  befe- 
stigen, zusammenbinden;  Bücher  mit  einem 
Bande  versehen;  als  Pate  dem  Taufkinde 
ein  Geldgeschenk  geben,  eig.  nach  früherer 
Sitte  in  die  Windeln  des  Kindes  binden  (da- 
her Eingebinde,  n. :  Patengeschenk) ;  (über- 
tragen) einem  etwas  einschärfen,  eig.  «in 
den  Eid  (Weisth.  1,  369),  in  die  Pflicht  binden» 
(Reichsordnungen  37 '^  von  1500).  Bei  Luther 
z.  B.  1.  Mos.  43,  3  (denunciavit  sub  attesta- 
tione  juris  jurandi,  Vulgata),  noch  bei 
Lessing  1,  297  heilig  einbinden.  ÄBL.  Ein- 
band, m.,  zu  der  2.  Bed.  von  e. 

Einblatt,  n.:  Pflanze  mit  einem  einzelnen 
Blatt  am  Stengel.      1536  bei  Brunfels  2,  72. 

einbleuen,  v.:  durch  Schläge  (Bleuen) 
beibringen.     Bei  Luther  einblewen. 

einbrechen,  v.:  l)  intrans.  gewaltsam 
in  etwas  dringen,  mhd.  inbrechen;  als  Zeit 
oder  zeitliche  Erscheinung  mit  Geschwindig- 
keit, mit  Macht  anfangen  zu  sein,  zunächst 
von  der  Nacht,  dann  auch  vom  Tage  (Goethe 
8,  283),  vom  Morgen  (ebenda  292).  2)  trans. 
gewaltsam  nach  innen  öfl"nen;  brechend  zu- 
sammenreißen (Micha  1,  6).  ÄBL.  Ein- 
brecher, m.  Bei  Junius  550*.  —  Ein- 
bruch, m.  Mhd.  inbruch  m.  «gewaltsames 
Eindringen  ». 

einbringen,  v.:  in  ein  Inneres  bringen, 
mhd.  inbringen  (davon  das  Eingebrachte, 
was  die  Frau  mit  ins  Haus  bringt);  Ertrag 
geben  (eigentlich  von  eingeführten  Früchten) ; 
einen  Schaden  wieder  gutmachen  (bei  Luther). 

einbürgern,  v.:  meist  refl,  sich  e.  «sich 
wo  eingewöhnen,  eig.  sich  an  einem  Ort  als 
Bürger  aufnehmen  lassen».  In  der  ursprüng- 
lichen Bedeutung  bei  Leibniz,  in  der  über- 
tragenen am  Ende  des   18.  Jh.      Davon  das 

Part,  eingebürgert. 

Einbuße,  f.:  Verlust  durch  Tätigkeit  bei 
etwas.  Im  altern  Nhd.  «Ersatz,  Entschädi- 
gung» (in  der  jetzigen  Bed.  bei  Rädlein  1711). 
Von  einbüßen,  v.:  Verlust  an  und  bei  et- 
was haben,  eig.  zur  Besserung  hinein-,  zu- 
geben. Im  15.  Jh.  ein  püßen  «durch  Neues 
bessern»  (s.  büßen).     Vgl.  Ausbeute. 


417 


eindächtis: 


eingefleischt 


418 


eindächtig,  adj.  (l.  Thess.  2,  9):  einge- 
denk.    Im  15.  Jh.   indcechtig,  vgl.  andächtig. 

Eindruck,  m.  (-es,  PI,  Eindrücke):  das 
Hinein dinicken  in  eine  Masse  und  die  da- 
durch bewirkte  Vertiefung;  Einwii'kung  aufs 
menschliche  Gemüt.  Mhd.  fndruc  m.,  liei  den 
Mystikern  auch  in  der  2.  Bed. ;  nhd.  erscheint 
das  Wort  erst  wieder  bei  Ludwig  1716. 

einen,  v. :  eins  machen,  vereinigen.  Mhd. 
einen,  ahd.  einön,  and.  gienön. 

einer,  das  unbestimmte  persönliche  Fron., 
s.  ein.  Für  beide  Personen  (die  männliche 
und  die  weibliche)  kann  das  sächliche  eins 
gesetzt  werden.      Unser  einer,  s.  unser. 

Einer,  auch  Einser,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.): 

das  Zahlzeichen  1 ;  am  Würfel  das  As ;  in 
der  Rechenkunst  einziffrige  Zabl  aus  Ein- 
heiten bestehend,  im  Gegensatz  zu  Zehner, 
Hunderter  usw.  (1774  bei  Adelung,  dagegen 
bei  AdainuRies  1529  eins). 

einerlei,  adv.,  auch  als  Subst.  gesetzt 
Einerlei  n.  Aneinandergeinickte  Genitive, 
mhd.  einer  leige,  einer  leie  (s.  -lei). 

einerseits,  genitivisches  Adv.  mit  ange- 
tretenem s;  dafür  mhd.  die  Akkusativver- 
bindung einstt  «auf  der  einen  Seite»,  im 
Gegensatz  zu  andersit  (s.  anderseits).  Noch 
nicht  bei  Adelung  1793. 

einfach,  adj.  u.  adv.:  nur  einmal  ge- 
nommen, nicht  zusammengesetzt;  schlicht; 
leicht  zu  fassen  oder  auszuführen.  .  In  der 
1.  Bed.  1495  im  Voc.  rerum  g  1^  und  bei 
Luther. 

einfädeln,  v.:  den  Faden  durchs  Nadel- 
öhr ziehen;  auf  feine  Weise  ins  Werk  setzen. 
1678  bei  Ki-ämer  einfädelen,  einfademen.  Das 
V.  fädeln  mit  Übergang  des  n  in  l  aus 
fadenen  und  dies  aus  fädemen,  mhd.  vedenien, 
ahd.  fadamon  «mit  dem  Faden  arbeiten,  nähen». 

Einfall,  m.  (-s,  PI.  Einfälle):  das  Fallen 
in  etwas;  Einbruch;  unerwarteter  Gedanke. 
Mhd.  tnval  m.,  bei  den  Mystikern  auch  in 
der  3.  Bed. 

Einfalt,  f.:  Einfachheit;  sittliche  Ein- 
fachheit; ungekünstelter  treuer  Natursinn; 
Beschränktheit  und  Ungeschicktheit  des 
Geistes.  Mhd.  einvelte,  ohne  Umlaut  des  a 
einvalte,  einvalt  f.,  ahd.  einfaltl  f.  Dazu  got. 
ainfalpei  f.  «Gutmütigkeit»,  schwed.  (aus  dem 
Deutschen)  enfald  f.;  ndl.  eenvoud  m.  «Ein- 
heit, Singular».  Abgeleitet  von  dem  Adj. 
mhd.  einvalt,  ahd.  einfalt,  asächs.  enfald,  ags. 
änfeald  «einfach»,  got.  ainfalßs  «schlicht, 
arglos».  S.  -falt.  Damit  zusammengesetzt 
W  e  i  g  a  n  d ,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


Einfaltspinsel,  m.:  geistig  beschränkter 
Mensch.  Bei  Günther  467.  S.  Pinsel.  ABL. 
einfältig,  adj.:  mhd.  einvaltec,  umgelautet 
einveltec  «einfach,  schlicht,  leichtgläubig», 
ahd.  einfältig,  ndl.  eenvoudig,  schwed.  enfaldig, 
dän.  enfoldig. 

einfangen,  v.:  fangen  und  eintun;  ab- 
grenzen, mit  etwas  umgeben.  Mhd.  invahen, 
invän. 

einfließen,  v. :  in  einen  Ort  fließen  (mhd. 
m  vlie^en);  emlaufen  (von  Geldern);  mit 
auf  oder  in,  Einfluß,  Wirkung  haben  (im 
18.  Jh.);  beiläufig  erwähnen  (18.  Jh.). 

einflößen,  v.:  in  etwas  fließen  machen 
(1640  bei  Comenius) ;  einem  etwas  beibringen, 
z.  B.  Wissenschaften  (so  noch  bei  Adelung), 
jetzt  nur  von  Gefühlen,  die  erweckt  werden. 

Einfluß,  m.  [-sses,  PI.  Einflüsse):  das 
Fließen  in  etwas  und  Ort  des  Einfließens; 
von  außen  kommende  Einwirkung.  Mhd. 
mvhiß  m.,  auch  in  der  2.  Bed. 

einfrieden,    meist   einfriedigen,   v.: 

zum  Schutz  mit  einem  Zaun  umgeben.  Zu- 
samm enges,  mit  mhd.  vriden  «zum  Frieden 
(s.  d.)  bringen,  in  Schutz  und  Schirm  nehmen, 
mit  einem  Zaun  umgeben».  In  der  letzten 
Bed.  häufiger  hevriden,  woneben  fiühnhd. 
auch  hevridigen  steht.  Adelung  hat  nur 
einfrieden,  Heynatz  1795  auch  einfriedigen, 
beide  beanstanden  aber  noch  das  Wort. 

Einfuhr,  f.:  das  Hereinführen  von  Ge- 
treide in  die  Scheune,  von  Waren  in  das 
Land,  Import.  Älternhd.  ist  E.  «das  Her- 
einfahren, -kommen  oder  der  Ort,  wo  man 
hereinfährt»;  die  jetzige  Bed.  (im  Anschluß 
an  einführen)  bei  Frisch  1741,  Adelung  hat 
Einführe.     Vgl.  Ausfuhr. 

Eingebinde,  n.,  s.  einbinden. 

eingeboren,  adj.:  einem  Lande  oder  Ort 
der  Geburt  nach  angehörig.  Mhd.  ingehorn, 
neben  inborn,  imhorn,  zusammengesetzt  mit 
dem  Adv.  ein.  Dagegen  eingeboren,  adj.: 
einzig  durch  Geburt.  Mlid.  eingehorn  neben 
einhorn,  zusammenges.  mit  dem  Zahlwort  ein. 

eingebracht,  s.  einbringen. 

eingebürgert,  s.  einbürgern. 

eingedenk,  adj.:  im  Innern  gedenkend. 
^Ihd.  ingedenke  neben  indenke.     Vgl.  gedenk. 

eingefleischt,  adj.:  in  fleischlicher  Ge- 
stalt erscheinend;  in  oder  zu  Fleisch  und 
Blut  geworden;  in  Köi-pergestalt  wirkend, 
leibhaftig.  Verdeutschung  des  kii-chlich-lat. 
incarnätus,  Part.  Pei*f.  Pass.  von  incarnäre. 
Bei  Luther. 

27 


419 


eingemacht 


Einkorn 


420 


eingemaclit,  s.  einmachen. 

eingenommen,  s.  einnehmen. 

Eingeweide,  n.:  die  Köi-perteile  im 
Irmeni  der  Bnist-  und  Bauchhöhle.  Älter- 
nhd.  auch  Ingeweide  (z.  B.  bei  Luther  1,  260'', 
noch  bei  Adelung  erwähnt,  aber  in  der 
Bibel  immer  E.).  Mhd.  ingeweide  n.  «Ge- 
därme», ursprünglich  bloß  geiveide  n.  (noch 
ältenihd.  Geivaid  n.  bei  Gäbelkhover  4  u.  213). 
Kollektiv  von  tveide,  ahd.  weida  f.  «Futter, 
Speise,  genossene  Speise»,  dann  «die  innem 
Körperteile,  die  die  Speisen  in  sich  auf- 
nehmen, das  Gedärme»,  vgl.  auch  weiden, 
ausweiden.  Das  in-  wie  bei  gleichbed.  spät- 
mhd.  ingedärm,  ingereite,  mhd.  ingeriusche  n, 
(s.  Geräusch  2).  Wohl  aus  der  Jägersprache 
übernommen. 

eingezogen,  s.  einziehen. 

einhändigen,  v.:  in  die  Hand  über- 
geben. Bei  Duez  1664,  aber  schon  1618  bei 
Londorp  acta  publica  1,  375  **  Einhändigung. 
Vgl.  aushändigen. 

einheimisch,  adj.:  dem  Land,  Ort,  Haus 
als  in  ihnen  lebend  angehörig.  Ln  15.  Jh. 
inheimisch  «zu  Hause»,  zu  ahd.  inheima  f. 
«Heimat».     Bei  Luther  einheimisch. 

einheimsen,  v.:  von  außen  nach  Hause 
bringen.  Bei  Stieler  1691  vom  Einbringen 
der  Feldfiüchte  (im  Simplicissimus  einheim- 
schen).  Zusammenges.  mit  spätmhd.  heimsen 
«heimbringen,  an  sich  nehmen»,  abgeleitet 
von  heim  n. 

Einheit,  f.  (PI.  -en):  das  Einssern;  Eins 
an  der  Zahl,  Als  philosophisches  Wort  häufig 
bei  Jak.  Böhme  (f  1623),  dann  mehrfach  bei 
Angelus  Silesius,  Leibniz  und  Wolff,  doch 
auch  schon  in  Glossaren  des  15.  Jh.  einheit 
«unitas».  Aus  dem  Hd.  ndl.  eenheid,  schwed. 
enhet,  dän.  eenhed.  ABL.  einheitlich,  adj. 
Woi't  der  neuem  Sprache. 

einhellig,  adj.  u.  adv.:  übereinstimmend, 
in  eins  zusammenstimmend.  Mhd.  einhellec, 
abgeleitet  von  dem  gleichbed,  Adj.  einhel,  ahd. 
einhelli.  Zu  ahd.  (bei  Notkei')  in  ein  hellen, 
mhd.  enein  hellen  «übereinstimmen»,  s.  Hall. 

einher,  adv.:  herzu,  zunächst  nach  dem 
Lmem,  wo  der  Sprechende  sich  befindet. 
Mhd.  (selten)  mher  «herein».  Bei  Luther 
oft  in  Verbindung  mit  Verben,  wo  aber  e. 
meist  wie  daher  die  Beziehung  auf  ein  ört- 
liches Ziel  verloren  hat,  z.  B.  einherfahren. 

Einhorn,  n.:  vierfüßiges  Tier  mit  einem 
Home.  jMhd.  einhorn  n.,  neben  einhürne, 
ahd.  einhurno   m.   «Einhorn,   Tfashorn»,   wo 


-hurno  als  Ableitung  von  hörn  n.  «den  Ge- 
hörnten» bedeutet.  Dazu  ags.  änhyrne  deor 
«das  eingehörnte  Tier»,  auch  änhorna,  än- 
horn  m. 

einhotzeln  (Bürger  Kaiser  und  Abt), 
besser  einhutzeln,  v.:  einschi-umpfen.  Zu 
hutzel  «getrocknete  Birne»,  s.  d. 

-"^einig,  adj.:  nur  ein  (in  dieser  Bed.  jetzt 
durch  einzig  verdrängt,  doch  noch  bei  Lessing, 
Goethe,  Schiller);  (auch  veraltet)  allein;  in 
eins  zusammengehörig;  ganz  gleichen  Sinn, 
Willen  usw.  habend  (diese  Bed.  bei  Luther). 
Mhd.  einec,  einic,  ahd.  einac,  dazu  asächs. 
e)iag,  ndl.  eenig  «einzig,  allein»;  dafür  got. 
(mit  schwacher  Flexion)  ainaha  «einzig». 
Abgeleitet  von  ein.  ABL.  Einigkeit,  f.: 
mhd.  einecheit,  ahd.  einigheit  f.  «Einzigkeit, 
Einheit,  Einsamkeit».  Bei  Luther  auch  die 
jetzige  Bed.     S.  auch  einigen. 

"einig,  pron. :  (veraltet)  irg'end  einer; 
nicht  viel,  im  PI.  etliche  (auch  in  einige 
zwanzig  usw.,  d.  i.  «einige  über  zwanzig»). 
Ahd.  einig-,  dazu  asächs.  enig,  ndl.  eenig,  ags. 
mnig  «irgend  einer».  Abgeleitet  von  ein. 
Im  Mhd.  erscheint  einic  «irgend  einer»  nur 
in  md.  Quellen  des  13. — 15.  Jh.  und  ist 
dann  auch  von  Luther  gebraucht  worden. 
Die  Bed.  «nicht  viel»  und  im  PI.  «etliche» 
ist  erst  um  1700  allgemein  geworden;  an- 
geführt bei  Ludwig  1716.  einigermaßen, 
adv.,  -1699  bei  Leibniz  Deutsche  Sehr.  2,  122, 


einigen, 


in   eins   verbinden,      Mhd, 


einigen,  einegen,  ahd,  einigen  (in  geeinigen), 
abgeleitet  von  einig. 

Einigkeit,  s.  einig. 

Einkehr,  f.:  das  sich  worein  Begeben 
zu  kui-zem  Aufenthalt;  das  in  sich  Gehen. 
Mhd.  inkere  f.,  daneben  inker  m.  in  der 
2.  Bed.  (bei  den  Mystikern).  Von  ein- 
kehren, V.:  zu  kurzem  Aufenthalt  sich 
worein  begeben,  mhd.  tnkeren. 

Einklang,  m.  {-es):  in  eins  zusammen- 
stimmender Klang ;  Gleichförmigkeit;  richtiges 
Verhältnis.  Im  15.  Jh.  einklang;  die  2.  Bed. 
kommt  um  1750  auf  (Wieland  Suppl.  2, 160). 

einkommen,  v.:  wo  hineinkommen;  sich 
mit  einer  Bitte  usw.  an  eine  höhere  Stelle 
wenden  (im  17.  Jh,);  wohin  übergeben  werden; 
in  den  Sinn  kommen;  in  die  Kasse  kommen. 
Mhd.  inkomen,  ahd.  inqueman  in  der  1.  Bed., 
die  5.  ist  fmhnhd.  So  auch  als  Subst. 
Einkommen^  n.,  s.  Einkünfte. 

Einkorn,  n.  (-es)  -.  wilder  Dinkel,  triticum 
monococcum.  Mhd.  einkorn  n..  ahd.  einchorn  n. 


421 


Einkimft 


eins 


422 


und.  einachorno  m.,  weil  man  dieser  Art  Dinkel 
nur  ein  Korn  in  jeder  Hülse  zuschrieb. 

Einkimft,  f.,  jetzt  nur  im  VI.  Einkünfte: 
das  an  Geld  oder  Nutzung  für  sich  zu  Be- 
ziehende. Mhd.  (bei  Jeroschin)  vikumft  f. 
<' Eintreffen»,  die  jetzige  Bed,  erst  im  17,  Jh. 
bei  Logau  (3,  Zugabe  201  Einkunß),  der 
Plural  1691  bei  Stieler.     Von  einkommen. 

einladen,  t.  :  wohin  zur  Teilnahme  bitten. 
Mhd.  inladen,  ahd.  inladön.  Urspr.  nur  mit 
schwacher  Flexion,  wie  noch  zuweilen  im 
18.  Jh.,  aber  durch  Vemiischung  mit  ^laden 
in  starke  Flexion  übergegangen. 

einländiscll  (l.Makk.  ll,  38),  s.  inländisch. 

Einlaß,  m.  (sses)  -.  das  Hineinlassen  und  i 
Ort  desselben.     Bei  Dentzler  1709,  von  ein- 
lassen, V. :  hineinkommen  lassen  oder  machen, 
mhd.  inladen,    ahd.  inlägan;   refl.   sich  ein-  : 
lassen:  sich  womit  abgeben  (frühnhd.,  z.  B. 
Luther  7,  165^  Jen.). 

einlegen,    v. :    in  etwas  legen,    mhd.  m- ! 
legen ;  mit  eingelegtem  Zierat  versehen ;  (Lanze  \ 
e.)  unter  den  Ann  nehmen  und  gegen  jemand  ; 
richten;  (Ehre,  Spott  usiv.  e.)  erwerben  (im 
15.  Jh.,  z.  B.  Liliencron  2,  92,  vgl.  mhd.  gelt 
inlegen  «zurücklegen»). 

einleucllten,    v.:     als    Licht    in    etwas 
dringen;    klar    und   deuthch   werden.      Aus 
der  neuem  Sprache  bei  Adelimg  1774.  Davon 
das  Part.  Präs.  einleuchtend  als  Adj,,  klar  : 
und  deutlich  (Lessing  6,  374).  ' 

einlullen,  s.  lullen. 

einmachen,    v. :    Frucht,    Gemüse  u.  a.  ' 
zu   längerer  Aufbewahrung  herrichten,   eig. 
hineinlegen,    hineintun   in    ein   Gefä£.     Da- 
von das  Part.  Prät.  das  Eingemachte,  n. 

Bei  Henisch.  Früher  auch  in  der  Bedeu- 
tung von  «ausgemacht». 

einmähren,  s.  mähren. 

einmal,  Zahladv.  Auf  einmal;  auf  einen 
Zeitpunkt:  zu  unvermutetem  Zeitpunkte, 
plötzlich.  Zusammenrückung  des  Zahlwox-ts 
ein  mit  dem  Akk.  Mal  «Zeitpunkt».  ^Ihd. 
dafür  eines  mäles  oder  zeineme  male.  ABL. 
einmalig,  adj.     Bei  Stieler  1691. 

einmal,  Zeitadv.:  zu  irgendeiner  Zeit, 
dann  als  hen'orhebende  Part,  gebraucht.  Zu- 
sammenriickung  des  Artikels  ein  mit  dem 
Akk.  Mal.  Bei  Keisersberg  (Emeis  14*)  mid 
Luther. 

Einmaleins,  n.:  Rechentabelle.  1529  bei 
Adam  Ries  Rechnung  auff  der  Linihen  8  das 
ein  mal  eins. 

einmummen,  s.  mummen. 


Einmut,  f.:  tl)ereiustimmung  der  Ge- 
sinnung. ^Ihd.  einmuote,  einmuot,  ahd.  *ein- 
miioti  f.,  von  dem  Adj.  einmuote,  ahd.  ein- 
muoti.  ABL.  einmütig,  adj.  u.  adv.  Mhd. 
einmvetec,  ahd.  einmuotig.  Davrm  Einmütig- 
keit, mhd.  einmnetecheit  f. 

einnehmen,  v.:  in  etwas  hin  einnehmen; 
bei  sich  aufnehmen  (in  diesen  Bedd.  mhd. 
innemen,  ahd.  innemany.  in  sich  nehmen;  in 
Besitz  nehmen  fbei  Luther);  für  sich  ge- 
winnen (im  17.  Jh.).  Nach  dieser  Bed.  das 
Part.  Präs.  einnehmend  als  Adj.  «gewin- 
nend» (Klopstock  Mess.  83;  Geliert  4,  288; 
Lessing  4,  126)  und  das  Pai-t.  Perf.  einge- 
nommen. ABL.  Einnehmer,  m.  (-s,  PI. 
wie  Sg.):   der  Geld,   Steuern  usw.  einnimmt. 

Im  15.  Jh.  —  Einnahme,  f.    Im  15.  Jh. 

eiuuisteln,  s.  nistein. 

Einöde,  f.:  unbewohnte,  leblose  Gegend. 
Mit  Anlehnung  an  öde  aus  mhd.  eincete,  ein- 
cede  f.  n.,  ahd.  eimti  n.:  dazii  asächs.  mödi 
f.  n.,  ags.  änäd  n.  Mit  der  Ableitungssilbe 
ahd.  -Ott  von  ein  «einsam,   allein»  gebildet. 

einpaschen,  s.  paschen. 

einpauken,  v.:  einbleuen.  Studentisch, 
s.  pauken. 

einpferchen,  s.  Pferch.  ^ 

einpökeln,  s.  pökeln. 

einprägen,  v.:  Zeichen  oder  ein  Bild 
einpressen  (s.  prägen) ;  zu  festem  Haften  et- 
was in  das  Gedächtnis  bringen.  1691  bei 
Stieler  einpregen. 

einquartieren,  v.:  in  Quartier  legen, 
Einlager  geben.     Bei  Krämer  1678. 

einräumen,  v.:  in  einen  Raum  stellen: 
einen  Raum  zum  Einnehmen  gewähren;  zu- 
gestehen.    Bei  Luther,  auch  in  der  3.  Bed. 

Einrede,  f  Fiühnhd.  (Brant  Xan-.  Xr.  111, 
27  jnred).  Von  einreden  in  der  Bed.  «in 
eine  Rede  einfallend  Widerspruch  erheben». 

einreißen,  v.:  nach  innen  reißen,  zer- 
stören; überhand  nehmen,  eig.  von  Fluten, 
die  ins  Land  eindringen.  Die  2.  Bed.  im 
15.  Jh.  imd  bei  Luther. 

Eins,  f.:  Zahl  oder  Ziffer  1.     Im  18.  Jh. 

^eins,  n.:  Neutrum  des  Zahlwortes  ein, 
adverbialisch  in  eins  sein,  eins  werden  «gleiches 
Sinnes»  (l)ei  Luther). 

^eins,  adv.:  einmal.  Mit  eins  «einmal, 
plötzlich».  Mhd.-ahd.  eines,  dazu  ndl.  eetis, 
ags.  änes,  engl,  once  «einmal»,  der  zum  Adv. 
gewordene  Gen.  des  sächlichen  Zahlworts  eins. 
Im  18.  Jh.  veraltet,  doch  noch  bei  Lessing, 
Wieland,  Voß,  vgl.  auch  einst. 

27* 


42J 


einsam 


Einstand 


424 


einsam,  adj.  u.  adv.:  mit  sich  alleiii;  von 
anderm  Lebenden  entfernt.  In  Vokabularen 
des  15.  Jh.  (Diefenbach  gl.  541*>),  dann  bei 
Luther.  Aus  dem  Deutschen  ndl.  eenzam, 
schwed.  eusam,  dän.  ensom.  Gebildet  von 
ein  «allein,  für  sich  abgesondert».  ABL. 
Einsamkeit,  f.  Im  15.  Jh.  einsamcheit  f. 
(Diefenbach  a.  a.  0.). 

einschalten,  s.  schalten. 

einschärfen,  v. :  scharf,  entschieden  sagen. 
Im  17.  Jh.  (Moscherosch  ins.  cur.  par.  26). 
VgL  bei  Stieler  1691  einem  das  Gesetz  schärfen 
«eindringlich  ermahnen». 

Einschiebsel,  n.  Von  Gottsched Sprachk.^ 
504  für  Parenthese  gebildet. 

einschläfern,  v.:  in  Schlaf  bringen.  Bei 
Krämer  1678.  Älterahd.  einschlafen  (noch 
bei  Wieland),  zu  mhd.  slcefen  (in  entslcefeii 
«schlafen  machen»). 

Einschlag,  m.  (-es):  das  Hineinschlagen 
und  was  eingeschlagen  wird;  bei  den  Webern 
der  in  den  Aufzug,  Zettel,  eingeworfene  Fa- 
den, auch  Einschuß,  Eintrag  (s.  d.).  In  dieser 
Bed.  schon  mnd.  mslach,  auch  1599  bei  Kilian 
214  inslagh.     Hd.  bei  Stieler  1691. 

einschlägig,  adj. :  in  Betracht  kommend. 
Von  Campe  1807  als  landschaftliches  Wort  an- 
geführt. Von  einschlagen:  sich  in  ein  Gebiet 
hineinerstrecken,  betreifen  (bei  Frisch  1741). 

einschließlich,  adv.  Von  Campe  für 
lat.  inclusive  gebildet. 

einschreiten,  v.:  gegen  fngesetzüches 
die  gesetzlichen  Maßregeln  treffen.  Noch  nicht 
bei  Adelung  1793,  aber  bei  Heynatz  1795  als 
ein  Wort  des  Reichskanzleistils  erwähnt, 

einschüchtern,  v,:  schüchtern  machen. 
Bei  Campe  1807  als  neues  Wort. 

einschürig,  adj.:  nur  einer  Schur  jähr- 
lich unterworfen.  Bei  Frisch  1741  einscherig, 
das  auch  Adelung  und  Heynatz  noch  keimen. 

einschustern,  v..  im  Schustern  (Schuh- 
flicken) zusetzen;  überhaupt  aus  eignem  Ver- 
mögen zusetzen;  in  Vennögensvei'fall  kommen. 
Bei  Stieler  1691.    Vgl.  zuschustern. 

einschwärzen,  v.:  Waren  heimlich  über 
die  Grenze  bringen;  (übertragen)  unvermerkt 
hineinbrmgeu.  Urspr,  obd.  Wort,  s.schwärzen, 
aber  in  der  2.  Bed.  im  18,  Jh,  auch  in  Nord- 
deutschland üblich  (Hermes  Sophiens  Reise 
3,  889). 

Einsicht,  f.:  das  Hineinsehen;  Erkennt- 
nis, Verständnis.  Lim  1700  aufgekommen 
(Günther  734),  aber  noch  1759  von  Dorn- 
blüth  65    bekämpft.     Älternhd.    dafür   Ein- 


sehen, n.  (jetzt  noch  in  ein  Einsehen  haben), 
schon  mhd.  (bei  den  Mystikern)  tnsehen  n. 
ABL.  einsichtig,  adj.:  verständig.  Von 
Adelung  als  Wort  des  gemeinen  Lebens  an- 
geführt. 

Einser,  m.,  s.  Einer. 

Einsiedel,  m.  (-s,  PI,  wie  Sg,):  entfernt 
von  Menschen,  still,  einsam  religiöser- Betrach- 
tung lebender  Mensch,  Eremit.  Mhd.  ein- 
sidele,  einsidel,  ahd.  einsidilo  m.,  zusammen- 
ges.  aus  ein  «allein,  für  sich  abgesondert» 
und  sidilo  m.  «der  sich  wo  ansässig  macht», 
s,  siedeln.  Nachbildung  von  lat,  monacus,  s. 
Mönch.  ABL.  Einsiedelei,  f.  Bei  Stieler 
1691,  in  der  Bed.  «Einsiedlerleben»  schon 
1622  bei  Londorp  acta  publica  2,  1258^.    ein- 

siedeln,  v.    Erst  im  18.  Jh.    Einsiedler, 

m.  Spätmhd.  einsidelcere ,  das  das  ältere 
Einsiedel  verdrängt. 

einsilbig,  adj.:  nur  eine  Silbe  habend: 
karg  an  Worten.  In  der  2.  Bed.  erst  im 
18.  Jh,  (Hagedom  Fab.  61  eynsilhigt). 

einsmals,  s.  einstmals. 

einspannen,  v.:  ein  Pferd  usw.  in  die 
Deichsel  spannen:  einziehen  (die  Nase  ein- 
gespannt bei  Schiller).  ABL.  Einspänner, 
m.:  ein  Wagen  mit  einem  Pferd;  ein  geringer 
Fuhrmann,  der  einen  solchen  Wagen  hat; 
wer  allein  lebt.  In  der  letzten  Bed.  im  18.  Jh. 
einspännig  (vom  Bergbau,  wer  allein  baut). 

einst,  adv.:  zu  einer  (vergangenen  oder 
zukünftigen)  Zeit.  Bei  Luther  (Richter  16, 
28)  noch  einest.  IVIhd.  einest,  ahd.  (bei  Notker) 
einest,  imter  dem  Einfluß  superlati^nscher 
Bildungen  hervorgegangen  aus  dem  adver- 
bialen Genitiv  eines  (s.  eins)  «einmal»,  im 
Mhd.  auch  «zu  irgendeiner  (vergangenen 
oder  künftigen)  Zeit».  Vgl,  ahd.  (bei  Notker) 
änderest  «wiederum»,  mhd,  änderst,  das  eben- 
so aus  dem  adverbialen  Genitiv  ahd.  andei'es 
hei'vorgegangen  ist.  Weiter  gebildet  zu  einsten 
(schon  spätmhd.,  auch  noch  nhd.,  z,  B,  bei 
Schiller  1,  107.  211)  und  mit  angetretenem 
adverbialischen  s  einstens  (bei  Geliert  1,  65. 
196).  ABL.  einstig,  adj.  Erst  bei  Campe 
1807.  ZUS.  einstweilen,  adv.:  bis  zu  fester 
Bestimmung  bestehend.  Zusammenges.  mit 
weilen,  mhd.  wilen,  s.  weiland.  Von  Adelimg 
1774  und  Heynatz  1775  noch  getadelt.  Bei 
Wieland  auch  eins  weilen.  Davon  einstweilig, 
adj.  (bei  Heynatz  1796). 

Einstand,  ,m.  {-es,  PI.  Einstände) :  Amts-, 
Dienstantritt;  Eintritt  in  die  Rechte  eines  Käu- 
fers; Eintrittsgeld,  Eintrittsleistung  (Goethe 


425 


einstehen 


Einwurf 


426 


31,  71;  bei  Stieler  1691  «Eintrittsschmaus»). 
Mhd.  instant  m.«Vorreclit  beim  Kaufen,  Näber- 
kauf». 

einstehen,  v.:  in  eine  Gemein-,  Genossen-, 
Mitgliedschaft  eintreten  (fmhnhd.):  in  einen 
Dienst  eintreten;  gewährleistend  eintreten, 
gewährleisten  (bei  Adelung  1774);  (vom  Züng- 
lein an  der  Wage)  nach  keiner  Seite  neigend 
stehen  (Goethe  1,  131,  schon  bei  Stieler  1691): 
bevorstehen  (Goethe49,l,  109,  schoniml7.  Jh.). 

einstellen,  v.:  hineinstellen,  namentlich 
zur  Aufbewahrung  oder  Rast,  zur  Arbeit, 
mhd.  instellen:  (mit  Ergänzung  von  Pferd) 
einkehren:  unterwegen  lassen,  aufgeben 
(spätmhd.).  Refl.  sich  e.:  sich  einfinden. 
Frühnhd.  (Luther  3,  49  »^  Jen.). 

einsten,  einstens,  einstig,  s.  einst. 

einstimmen,  v.:  in  den  Klang  einer 
Stimme  einfallen;  lieifallen,  zustimmen.  In 
der  2.  Bed.  bei  Luther.  —  einstimmig, 
adj.  und  adv.:  mit  einer  Stimme;  überein- 
stimmend.    Bei  Ludwig  1716. 

einstmals,  adv.:  zu  einer  (vergangenen 
oder  künftigen)  Zeit.  Fräher  einsmals  (noch 
bei  Schiller  Räuber  4,  5),  mhd.  eines  mäles, 
Gen.  Sing,  von  mal  «Zeitpunkt»  (s.  mal),  mit 
unbestimmtem  Artikel.  Stieler  1691  hat  einst- 
mals, doch  läßt  Adelung  eins-  und  einstmals 
nur  im  gemeinen  Leben  zu. 

einstweilen,  s.  einst. 

einsuckeln  (Goethe  39,  243),   s..  suckeln. 

einte,  <Jrdnungszahlwort  zu  ein\  einer  von 
mehreren.  Gebildet  nach  zweite  usw.  Bei 
Schweizern  (Lavater,  Pestalozzi). 

eintönig,  adj.  u.  adv.:  nur  mit  einem 
Ton;  (in  tadelndem  Sinne)  einförmig.  In  der 
2.  Bed.  bei  Adelung  1793. 

^Eintracht,  m.,  s.  Eintrag. 

'Eintracht,  f.:  Zusammenstimmung  der 
Gesinnung.  Mhd.  eintrahte,  eintralit  f.  «Ver- 
btindnis,  Mitangehörigkeit»  (md.,  namentlich 
in  Rechtsquellen,  aus  nd.  eindracht),  wohl 
mit  nd.  Übergang  von  ft  in  cht  entstanden 
aus  eintraft,  vgl.  ahd.  eintraft  «einfach»,  ein- 
trafti  f.  «Einfachheit»,  zu  treffen,  also  eig. 
«das  Trefien  eines  Zieles».  Eingewirkt  hat 
wohl  die  Redensart  mhd.  über  ein  tragen 
«übereinstimmen»;  später  erfolgte  Anlehnung 
an  trachten.  Aus  dem  Deutschen  nl.  een- 
dracht,  schwed.  endrägt  f.  ABL.  einträch- 
tig, adj.  Mhd.  (in  md.  Quellen)  eintrehtic. 
S.  Zivietracht. 

Eintrag,  m.  {-es,  PL  Einträge):  die  in 
den  Aufzucf  des  Webers  zur  Verbindunor  ein- 


getragenen Querfäden:  (bildlich  hiernach?) 
Abbruch  woran,  ^S^achteil  (durch  etwas  in  die 
Quere  Kommendes,  Aljhaltendes),  vgl.  beein- 
trächtigen; Handlung  des  Eintragens  und 
Eingetragenes  (in  ein  Buch  usw.),  erst  in 
der  Neuzeit.  In  der  1.  Bed.  bei  Keisersberg 
intrag,  bei  Luther  eintracht  m.,  die  über- 
tragene Bed.  ist  in  der  Rechtssprache  des 
spätem  15.  Jh.  gewöhnlich  =  «Einwand,  Ein- 
rede, Schaden,  Nachteil»  (namentlich  in  Ein- 
trag tun  «widersprechen»).  Daneben  im  16^ 
und  17.  Jh.  die  Bed.  «Ertrag,  Einnahme,  Ge- 
winn», wovon  das  Adj.  einträglich  «Ge- 
winn bringend». 

eintränken,  v.:  zugefügtes  Übel  ver- 
gelten, eig.  einen  schädlichen  Trank  eingießen. 
So  schon  mhd.  tntrenken. 

eintreiben,  v.:  wo  hinein  treiben;  in  die 
Enge  treiben  (Apost.  Gesch.  9,  22),  zwingend 
belästigen  (Richter  14,  17);  durch  Treiben, 
drängend  einbringen,  z.  B.  Gelder  (bei  Lud- 
wig 1716).  Es  einem  e.  «ihn  büßen  lassen» 
(frühnhd.). 

Einung,  f.  (PI.  -en) :  das  Einigwerden  wo- 
riiber,  Beschluß.  Mhd.  einunge,  ahd.  einunga 
f.,  von  einon  «einigen».  ^ 

einverleiben,  v.:  in  einen  Köii^er  (Leib), 
ein  Ganzes  bringen.  Nachbildung  des  lat. 
incorpoi'äre.  Im  16.  Jh.,  schon  friiher  be- 
gegnet einleibeii  und  verleiben. 

einverstanden,  adj.:  übereinstimmend, 
Part.  Prät.  von  sich  einverstehen  {Lessing  2, 
262),  «zu  einem  übereinstimmenden  Verständ- 
nis gelangen».    ABL.  Einverständnis,  n., 

bei  Adelung  1774  als  Kanzleivvort. 

Einwand,  m.  {-es,  PI.  Einwände).  Von 
Zesen  1648  in  Dögens  Kriegsbaukunst  ge- 
bildet. Von  einwenden,  v.:  gegen  eine 
Behauptung,  Fordenmg  usw.  einschränkend 
richten.     In   der  Rechtssprache    des   17.  Jh. 

einwärts,  adv. :  nach  innen  gerichtet.  Mhd. 
inwei'tes,  genitivisches  Adv.  zu  inwert,  in- 
wart, ahd.  inwart,  inwarti,  inwerti ader  innere, 
inwendige»,  adv.  inwert. 

einwohnen,  v. :  woiin  Wohnsitz  haben. 
Bei  Dasypodius  1537.    ABL.  Einwohner, 

m.:  durch  festen  Wohnsitz  Orts-,  Landesan- 
gehöriger. Mhd.  in-,  imvoncere  m.,  auch 
älternhd.  Inwohner  (noch  bei  Adelung  1774 
erwähnt). 

Einwurf,  m.  {-es,  PI.  Eimvürfe):  das 
Hineinwerfen  und  was  hineingeworfen  wird: 
Einrede.  In  der  2.  Bed.  in  der  frühnhd. 
Rechtssprache  (Brant  Layensp.  R.  1*). 


427 


einwurzeln 


eitel 


428 


einwurzeln,  v.:  Wurzel  worin  fassen. 
Frülinhd.  (Murner  Schelm.  13,  24). 

Einzahl,  f.:  der  Singular  (s.  d,).  Von 
Campe  eingeführt  für  das  friihere  die  einzelne 
Zahl.  Im  Üb.  ord.  rer.  von  1429  Bl.  19^ 
ainczal  «Einzahl»  neben  czwoczal  «Zweizahl». 

Einzelheit,  f.  Im  17.  Jh.  (bei  Lohen- 
stein Armin.  2,  1294,  dagegen  bei  Stieler  1691 
Einzelheit)  für  «Einheit,  Alleinsein»,  in  der 
jetzigen  Bed.  «Detail»  ei'st  bei  Campe  1807. 
Bei  Goethe  dafür  Einzelnheit.  Zu  einzeln. 
—  Einzelwesen,  n.  Von  Campe  für  In- 
dividuum gebildet. 

einzeln,  adj.  u.  adv. :  eins  oder  jedes  für 
sich  abgesondert.  Mhd.  einzeln,  enzeln,  auch 
verstärkt  alenzeln  (in  md.  Quellen),  adv.,  eig. 
Dat.  Plur.  der  seltenen  Adj.  einzel  «für  sich 
abgesondert».  Abgeleitet  von  dem  gleichbed. 
seltnen  mhd.  Adj.  einez,  einz,  ahd.  einaz  (ab- 
geleitet von  dem  Zahlwort  ein),  dessen  Dat. 
PI.  mhd.  einzen,  ahd.  einazem  als  Adv.  «einzeln» 
ausdiückt.  Darauf  geht  auch  mhd.  einzeht 
(noch  jetzt  obd.),  einzlich,  einzelinc  «einzeln», 
sowie  einsig  zurück.  Bei  Luther  lautet  das 
Adj.  noch  einzel,  doch  tritt  in  der  prädika- 
tiven Stellung  dafür  auch  das  Adv.  einzelen 
ein  (Jes.  49,  21.  51,  2).  Die  Form  einzel,  im 
17.  Jh.  häufig,  erhält  sich  von  Adelung  als 
obd.  bezeichnet  noch  im  18.  Jh.  {einzle  Haller 
146,  einzier  Lessing  8, 47)  und  wird  noch  von 
Uhland  und  Rückert  gebraucht  (z.  B.  einzlen 
3,  140). 

einzig,  adj.:  ausschließlich  einer;  vor 
aDem  seiner  Art  vorzüglich.  Mhd.  einzic,  einzec 
«einzeln»,  der  Dat.  Plur.  einzigen  als  Adv. 
«einzeln».  Abgeleitet  von  mhd.  einez,  ahd. 
einaz,  dem  Ntr.  des  Zahlworts  ein  «einzeln». 
Der  ältre  Ausdi'uck  für  einzig  ist  einig,  s.  d. 

Eis,  n.  (Gen.  Eises):  gefrorne  Flüssigkeit. 
Mhd.-ahd.  is  n.;  dazu  ndl.  ijs,  afries.-ags.  is, 
engl,  ice,  anord.  iss  m.,  schwed.  is  m.,  dän. 
is  n.,  zu  aw.  isav-  Adj.  «frostig,  eisig»,  afghan. 
asai  «Frost»,  Pamirdial.  is  «Kälte».  ZUS. 
Eishahn,  f.  1691  bei  Stieler.  Eishär,  m.: 
Bär  der  Eismeere.  Bei  Adelung  1774.  Ndl. 
ijsheer,  schwed.  ishjörn  m. 

Eishein,  n.:  Hüftbein.  Aus  dem  Nd., 
and.-mnd.  ishen,  ndl.  ijsheen  n.,  (nach  Kluge 
auch  [wo  belegt?])  ags.  isbän.  Der  1.  Teil 
der  Zusammensetzung  ist  dunkel.  Bei  Henisch 
1616.  Wahrscheinlich  liegt  volksetymologische 
Umgestaltung  eines  altem  Wortes  unter  An- 
lehnung an  Bein  vor.  Aber  daß  gr.  icxiov  n. 
«Hüftgelenk»  verwandt  sei,  ist  nicht  sicher. 


Eisen,  n. :  das  bekannte  Metall  und  daraus 
Verfertigtes.  Mhd.  tsen,  ahd.  isan  n.,  mit 
Ausstoßung  eines  r  statt  des  ebenfalls  ge- 
läufigen mhd.  isern,  ahd.  isarn;  dazu  asächs, 
Isarn,  ndl.  ijzer,  afries.  Isern,  ags.  Isern,  Iren, 
engl,  iron,  anord.  Isarn,  got.  eisarn  n.  Wahr- 
scheinlich entlehnt  aus  dem  Keltischen,  wie 
bei  dem  anord.  jarn,  schwed.  järn,  dän.  jern 
n.  eine  Entlehnung  aus  dem  jungem  Kel- 
tischen (altir.  iarn)  stattgefunden  hat.  In 
der  Wurzelsilbe  kaum  verwandt  mit  ahd.  er, 
got.  aiz  n,  «Erz»  (s.  d.  und  ehern).  Eine 
nicht  wahrscheinliche  Etymologie  bei  Much 
ZfdA.  42,  164.  S.  auch  eisern.  ZUS.  Eisen- 
hahn,  f.      Um    1830    erscheinend.     Eisen- 

heißer,  Eisenfresser,  m.:  einer,  der  sich 
seiner  Kriegstaten  liihmt,  Prahlhans.  Eisen- 
heißer bei  Murner  Schelmenz.  11,  mhd.  tsen- 
M^;  Eisenfresser  bei  Luther  1,  388^  u.  ö.  Nach 
mhd.  isen  e^^en,  isen  freß^en,  von  Kriegern, 
die  sich  selbst  vor  dem  Härtesten  nicht  scheuen. 

eisen,  v. :  zu  Eis  erstarren,  mhd.  isen,  ahd. 
isen;  das  Eis  auf-,  abschlagen  (bei  Adeliuig). 

Eisenhut,  m.  (-es):  eine  Giftpflanze.  1546 
im  Dioscoiides  127''  eisenhüttle.  Mhd.  isen- 
huot  m.  ist  «eiserner  Helm». 

Eisenkraut,  n.  (-es) :  die  Pflanze  verbena. 
Mhd.  isenkrüt  n.,  ahd.  dafür  isarna  und  isanina 
f.,  eig.  «die  Eiserne»,  gemäß  der  lat.  Benen- 
nung ferräria  (herha),  gr.  cibripixic  f. 

eisern,  adj.:  von  Eisen;  eisenhart.  Mhd. 
isernin,  daneben  von  der  Form  iser  gebildet 
iserin,  isern  und  von  isen  aus  isenin,  ahd. 
isarntn,  isamn;  dazu  asächs.  Isarnin,  ndl. 
ijzer en,  ags.  Isen,  Iren,  got.  eisarneins.  Alter- 
nhd.  auch  eisen  (zuweUen  bei  Luther). 

eisig,  adj.:  voll  Eis,  beeist;  eiskalt.  Mhd. 
isec;  dazu  ndl.  ijzig,  ags.  tsig. 

Eiß,  m.  {-es,  PI.  -e),  auch  Eiße,  f.  (PL 
-n):  Blutgeschwür,  s.  Eiter. 

EiSTOgel,  m. :  Art  smaragdgrüner  Wasser- 
vögel. Mhd.  isvogel,  ahd.  isfogal  m.  Der 
Name,  weü  der  Fische  fressende,  an  Bächen 
nistende  Vogel  nach  der  Sage  zur  Winterzeit 
brütet. 

eitel,  adj.:  leer;  gehalt-,  wertlos;  gehalt- 
lose, hohe  Meinung  von  sich  oder  Eignem 
habend;  nichts  seiend  als.  Davon  das  Adv. 
eitel  «nichts  als,  nichts  mehr  als»;  vielfach 
vor  Substantiven,  z.  B.  eitel  Brod  und  in  dem 
Eigennamen  Eitelfritz  «allein  Fritz».  Mhd. 
itel,  ahd.  ital  <:<leer,  ledig,  nichtig,  rein,  nichts 
als  —  seiend»;  dazu  asächs.  idal,  ndl.  ijdel, 
ijl,  ags.  idel,  engl,  idle  «leer,  nichtig».     Als 


429 


Eiter 


■el 


430 


ursprüngliche  Bedeutiuig  nehmen  viele  «glän- 
zend, nur  scheinend»  an  und  vermuten  dann 
Zusammenhang  mit  gr.  aiGeiv  «brennen»,  aind, 
idh  «leuchten».  Doch  ist  das  wenig  wahr- 
scheinlich. Die  Bed.  «eingebildet»  erscheint 
erst  im  18.  Jh.  ABL.  Eitelkeit,  f.,  mhd. 
itelkeit  «Nichtigkeit»,  auch  schon  «leerer 
Hochmut»,  auf  ein  von  ttel  abgeleitetes  Adj. 
ttelec  zurückgehend. 

Eiter,  m.  (-s):  sich  beim  Schwären  bil- 
dende Flüssigkeit.  Älternhd.  meist  Neutr, 
(bei  Luther,  noch  bei  Opitz  [Amst.]  3,  150), 
dagegen  bei  Schottel  und  Stieler  Mask.  Mhd. 
eiter,  ahd.  eitar  n;  dazu  and.  ettar,  ndl.  etter 
m.,  ags.  ättor,  engl,  atter,  anord.  eitr  n., 
schwed,  etter  n.,  dän.  edder  m.  «Gift,  Eiter». 
Mit  unverschobenem  t  wegen  der  ursprüng- 
lichen Lautfolge  tr  wie  in  hitter,  lauter,  Otter. 
Daneben  ohne  ableitendes  r  und  mit  ver- 
schobenem t  mhd.-ahd.  eiß,  ei^e  m.  «Eiter- 
beule, Geschwür»,  noch  jetzt  obd.  Eiß,  Eiße. 
Verwandt  sind  wohl  lett.  idra  f.  «das  faule 
Mark  eines  Holzes»  oder  gr.  oiboc  n.,  olb|ua  n, 
«Geschwulst».  Vgl.  Bezz.Beitr.  27,  172  und 
Walde,  s.  aemidus.  ABL.  eiterig,  adj.  Mhd. 
eiter ec,  ahd.  eitarig  «giftig»,  and.  ettar ag. 
eitern,  v.  Mhd.  eitern  «vergiften».  ZUS. 
Eiternessel,  f.:  die  kleine  Brennessel,  Urtica 
minor.  Mhd.  eiterne^^el,  ahd.  eitarnezzila  f., 
ursprünglich  s.  v.  a.  «Giftnessel,  Geschwür 
erzeugende  Nessel». 

Eiweiß,  n.  (-es) :  das  Weiße  des  Eis.  Bei 
Adelung  1793,  während  früher  Eierweiß  n. 
(1557  bei  Heußlin  Vogelbach  135^)  vorkommt. 
Vgl,  Eierklar. 

Ekel,  m.  (-s):  widrige  (urspr.  Brechreiz 
anregende)  Empfindung  wovor;  Gegenstand 
des  Abscheus.  Dazu  das  Adj.  ekel,  «Ekel 
empfindend;  kleinlich  wählerisch  im  Genuß». 
Von  ekeln,  unpers.  Verb,  (mit  Dat.,  seltner 
Akk.):  Ekel  erwecken,  zum  Ekel  stimmen. 
Zuerst  1517  bei  Trochus  Prompt.  Q8''  eckel, 
dann  bei  Luther  Ekel  [Ecket),  das  Adj.  ekel 
und  ekeln.  Dafür  im  Obd.  ercken  (1541  bei 
Frisius  362^  und  578%  und  1561  bei  Maaler, 
auch  abgeleitet  erckelen  (noch  jetzt  Schweiz. 
erkele)  «Unwillen  und  Abscheu  vor  etwas 
haben»,  schon  mhd.  erklich  «leidig,  zuwider»; 
dazu  engl,  irk  «verdrießen,  unangenehm  sein», 
irksome  «verdrießlich».  Luthers  Formen 
stehen  wohl  mit  obd.  erkeln  in  Zusammen- 
hang, sind  aber  beeinflußt  durch  mnd.  egelen, 
echelen  (eichelen)  «verdrießen».  Dies  steht 
wieder    in   einem,    allerdings   lautlich   nicht 


klaren  Zusammenhang  mit  dem  urspr.  ober- 
deutschen heikel  (s.  d.).    Vgl.  noch  Schroe- 
i  der  Btr.  29,  557,  der  ekeln  auf  ein  *aiwilön 
(zu    got.    aiwiski    «Schande»)    zurückführt. 
Andi-e  ziehen  kaum  mit  Recht  ags.  äcol  «be- 
stürzt, erregt»  heran.    Helvig  1611  hat  noch 
Eckel    und    Egel,    auch   Eickeln    (Ekel    als 
sächsisch),  auch  Henisch  1616  Eckel,  Eickel 
!  und  Egel.     Die  Form  Eckel  (Schottel  1668 
i  Ekkel,  Duez  und  Krämer  Eckel,  Stieler  aber 
1691  Ekel)  erhält  sich  bis  ins  18.  Jh.  (noch 
bei  Lessing  und  Herder).    ABL.  ekelhaft, 
adj.:  Ekel  gegen  sich  erweckend;  zum  Ekel 
geneigt.      Bei   Henisch  1616.     eklig,    adj.: 
'leicht  Ekel  erweckend,   widerwärtig;    leicht 
empfänglich    für    Ekel.      Bei    Henisch  1616 
eklicht  (schon  thüringisch  im   15.  Jb.  echlig, 
Thür.  Rechtsd.  1456,  vgl.  oben  erklich). 

Ekelname,  m.:  Beiname  zui-  Beschim- 
pfung. Mit  Anlehnmig  an  Ekel  entstellt  aus 
nd.  ökelname,  mnd.  okelname  m.;  dazu  anord. 
aukanafn,  schwed.  öknamn,  dän.  ögenavn  n. 
«Beiname».  Zusammenges.  mit  asächs.  ökian, 
anord.  auka,  got.  aukan  «mehren»  (s.  auch). 

eklatant,  adj.  u.  adv.:  laut  und  öflent- 
lich;  glänzend;  Aufsehen  erregend.  Dfcs  gleich- 
bed.  franz.  eclatant,  eig.  Part,  von  eclater 
«zerspringen,  ausbrechen,  ruchbar  werden, 
glänzen».     Bei  Sperander  1728. 

eklektisch,  adj.:  auswählend,  prüfend. 
Aus  gr.  dK\eKTiKÖc  «auslesend»,  von  i.KXife\v 
«auslesen».  1710  bei  Thomasius  Hofphilo- 
sophie 50. 

eklig,  s.  Ekel. 

Ekliptik,  f.:  die  sog.  Soimenbahn,  der 
Tierkreis.  Aus  lat.  ecliptica  f.  (nämlich  linea), 
dem  Fem.  des  gr.-lat.  Adj.  eclipticus,  gr. 
^KXeiTTTiKÖc  «mangelhaft».  1668  bei  Erasm. 
Francisci  ost-  u.  westind.  Staats-  u.  Lust- 
garten 3,  1659^'.  Das  Wort  wurde  von  der 
Sonnenbahn  deshalb  gebraucht,  weil  in  ihr 
die  Eklipsis,  gr.  CKÄenvic  f.  «das  Abnehmen 
oder  Verschwinden  (gr.  ^KXeiiTeiv  eig.  «aus- 
lassen») des  Sonnen-  oder  Mondlichts,  d.  h. 
Sonnen-  oder  Mondfinsternisse,  vorkommt. 

Ekstase,  f.:  Ent-,  Verzückung.  Aus  dem 
kirchlichen  gi".-lat.  ecstasis,  gi'.  Ikctocic  f. 
«Entzückung»,  urspr.  «das  Rücken  von  der 
Stelle».  Im  18.  Jh.  entlehnt  (Schubart  2,  30). 
Dazu  das  Adj.  ekstatisch,  1759  bei  Wie- 
land Cyrus  1,  402. 

-el,  die  oberd.  Verkleinerungssilbe  d.  Subst., 
mit  doppelter  Verkleinerung  -eichen  (s.  chen) 
bei  Subst.,  die  auf  ch  (aber  nicht  seh)  und 


431 


Elaborat 


Elend 


432 


g  auslauten,  z.  B.  Bächelchen,  Sprüchelchen, 
Dingelchen,  Jüngelchen,  Trögelchen,  Wägel- 
chen, oft  mit  einem  gewissen  Anstrich  des 
Vertraulichen,  z.  B.  Hänselchen  (Voß  Luise 
1,  669).  Mhd.  -ele,  -el,  ahd.  -ili,  in  ältrer 
Zeit  auch  beim  Mask  -ilo,  beim  Fem.  -ila, 
got.  beim  Mask.  -ila  (z.  B.  in  Attila,  s.  Atte), 
beim  Fem.  -ilö,  beim  Neutr.  -ilö.   Vgl.  -lein. 

Elaborat,  n.  (-[e]s,  PI.  -e):  Ausarbeitung, 
Vorlage,  mit  etwas  verächtlichem  Nebensinn. 
Aus  neulat.  elaboratum  n.  «das  Ausgearbeitete», 
dem  Part.  Perf.  Pass.  von  lat.  elaböräre  «aus- 
arbeiten».   Noch  nicht  bei  Campe. 

Elan,  m.  (-s):  Schwung,  Ungestüm.  Aus 
gleichbed.  franz.  elan  m.     Neue  Entlehnung. 

elastisch,  adj.  u.  adv.:  spann-,  feder- 
ki-äftig,  prall.  Nach  franz.  elastique,  das  auf 
einem  neulat.  elasticus  beruht,  gebildet  von 
gl'.  dXaüveiv  «antreiben,  in  Bewegung  setzen». 
1716  in  Wolffs  mathemat.  Lexik.  —  Elasti- 
zität, f.:  Schnell-,  Spann-,  Federkraft.  Nach 
franz.  elasticite  f.,  nlat.  elasticitas  (1727  bei 
Hübner). 

Elbe,  f.:  Name  eines  deutschen  Flusses. 
Mhd.  Elhe  f.,  germ.-lat.  Älhis  m.,  czech.  Labe 
n.,  poln.  Laha  f.  Vgl.  anord.  elf  f.,  schwed. 
älf,  dän.  elv  m.  «Fluß»,  gr.  A\qpeioc. 

Elch,  m.  (-es,  PI.  -e),  bei  Rückert  Elk: 
Elentier,  eigentümliche  Hirschart,  hos  cervi 
figura  (Cäsar).  Aus  mhd.  elhe,  eich,  ahd. 
elaho.  Dazu  ags.  eolh,  anord.  elgr,  schwed.-dän. 
elg  m.  und  weiter  kelt.-lat.  alces,  gr.  a\Kr\  f., 
russ.  lost  m.  «Elentier»,  aind.  fgjas  m.  «Anti- 
lopenbock», pamir.  rus  «wildes  Bergschaf». 
Da  das  Tier  aus  Deutschland  im  wesentlichen 
verschwand,  wurde  das  Wort  durch  das 
slavische  Ele?i  (s.  d.)  verdrängt,  aber  in  neurer 
Zeit  wieder  aufgenommen. 

Eldorado,  n.:  fabelhaftes  Goldland;  Land 
des  Glückes,  Paradies.  Das  span.  el  dorado 
d.  i.  das  vergoldete,  seit  der  Conquistadoren- 
zeit  im  16.  Jh.  das  in  Venezuela  am  sagen- 
haften See  Parime  gesuchte  Goldland. 

Elefant,  m.  (-en,  PI.  -en):  das  größte 
Landtier,  lat.  elephas.  Mhd,  elefant,  elfant 
(mit  Anlehnung  an  helfen),  helfant,  ahd.  ela- 
fant,  helfant  m.;  mit  ags.  ylpend,  elpend  m. 
entlehnt  aus  gr.-lat.  elephas  (Gen.  elephantis), 
gr.  e\^9ac  (Gen.  dX^qpavxoc)  m.  Bei  Luther 
und  sonst  oft  nhd.  nach  dem  gr.  Elephant. 
S.  Elfenhein  und  Kamel. 

elegant,  adj.  u.  adv.:  auserlesen,  ziei-hch, 
geschmackvoll.  Aus  franz.  elegant  nach  lat. 
elegans  (Gen.  elegantis)  «wählerisch,  fein,  ge- 


schmackvoll». Erst  im  18.  Jh.  —  Eleganz, 
f.:  Auserlesenheit,  Zierlichkeit.  Aus  dem 
gleichbed.  franz.  elegance,  lat.  elegantia  f. 
Schon  bei  Rot  1571. 

Elegie,  f.  (PI.  -w) :  Gedicht,  dessen  Grund- 
ton Wehmut  und  Zärtlichkeit  ist;  Klagege- 
dicht. Aus  gr.-lat.  elegia,  gr.  iXe-^eia  f.  «Ge- 
dicht in  Distichen».  Schon  1517  elegi  (Voca- 
bula  pro  juventute  2S^).  —  elegisch,  adj.: 
wehmütig,  zärtlich,  in  der  Empfindung  weich, 
empfindsam.  Nach  dem  gleichbed.  gi'.-lat. 
Adj.  elegiacus.     Im   18.  Jh. 

elektrisch,  adj.:  das  Vermögen  besitzend, 
infolge  des  Reibens  leichtere  Körper  anzu- 
ziehen und  bei  Annäherung  andrer  einen 
knisternden  Funken  zu  erzeugen.  Nach  franz. 
electrique,  neulat.  electricus,  das  auf  gr.-lat. 
electrum,  gr.  rjXeKTpov  n.  «Bernstein»,  zuiiick- 
geht.  1721  bei  Jablonski,  Elektrizität,  f. 
Nach  franz.  electricite  f.  1744  bei  Picander 
5,  176.  elektrisieren,  v,:  Elektrizität  er- 
regen oder  mitteilen;  (bildlich)  durchblitzen, 
lebhaft  befeuern.  Aus  dem  gleichbed.  franz. 
electriser.     Bei  Picander  a.  a.  0. 

Element,  n.  {-es,  PI.  -e):  UrstoflF,  Grund- 
bestandteil; Lebensstoff".  Der  Plur.  Elemente 
«Anfangsgründe».  Schon  mhd.  dement  n., 
aus  lat.  elementum  n.  «Urstoff"»,  dessen  Ur- 
sprung dunkel.  Vgl.  Diels  Elementum.  Älter- 
nhd.  im  Plur.  auch  Elementen  (Brockes  3, 37). 
ABZ;,  elementar,  früher  elementärisch 
(17.  Jh.),  adj.:  urstofflich,  uranfänglich;  den 
Anfangsgiünden  gemäß.  Nach  lat.  elemen- 
tärius  «zu  den  Anfangsgründen  gehörig». 
Bei  Heynatz  1775, 

Elen,  m.  {-es,  PI.  -e),  Elentier,  n.:  größte 
Hirschart.  Älternhd.  Elend  (Luther  5.  Mos. 
14,  5),  Eilend  und  zusammenges.  Elendthier; 
dazu  ndl.  eland  m.  Mit  angetretenem  d  (das 
in  Elentier  später  wieder  unterdrückt  wurde) 
aus  lit.  elnis,  abg.  jelem  m.  «Hirsch»,  die 
verwandt  sind  mit  gv.  ^\Xöc  aus  *i\v6c  m. 
«Hirschkalb»,  kymr,  elain  «Hinde». 

Elend,  n.  {-es):  (veraltet)  Land  der  Ver- 
bannung, wie  diese  selbst;  hilfloser  Zustand; 
größte  Bedrängnis  und  Beschwernis.  Von 
elend,  adj.:  ganz  verlassen;  völlig  hilflos 
und  beklagenswert.  Das  Subst.  älternhd, 
auch  noch  Elende  (Logau  1,  46).  Das  Adj. 
ist  mhd.  eilende,  auch  endende,  ahd.  dilenti, 
urspr.  «im  andern  Land,  fem  von  der  Hei- 
mat», dann  «fremd,  verbannt,  hilfsbedürftig, 
jammervoll»;  dazu  asächs.  elilendi,  ags.  eilende 
«fremd».     Zusammenges.  aus  ahd.  eli-,  ali-. 


433 


elendig 


Ellipse 


434 


das  zu  got.  aljis,  ags.  elles  («anders»,  engl. 
eise),  lat,  alius,  gr.  äWoc,  altir.  aile  «ein 
andrer»  gehört  (auch  in  Elsaß,  mlat.  Älisatia, 
zu  ahd.  Elisäß^o  «der  dmben,  am  andern 
Ufer  Wohnende»)  und  dem  von  layit  gebildeten 
-lenti.  Davon  substantiviert  mhd.  eilende, 
ahd.  elilenti,  asächs.  elilendi  n.,  ndl.  eilende  f., 
urspr.  «Fremde,  Aufenthalt  in  der  Fremde», 
dann  «Bedrängnis,  Not».  ABL.  elendig, 
adj.,  mhd.  ellendec,  dazu  ndl.  ellendig. 

elendig,  s.  Elend. 

Eleonore,  Frauenname,  verkürzt  Lenore, 
Lore.  Aus  mengl.  Alienor,  Eleanor  mit  ge- 
lehrter Anlehnung  an  gi".  eXeoc  m.  «Erbannen, 
Mitleid»,  gleichsam  die  Barmherzige. 

Elephant,  s.  Elefant. 

Elf,  m.  (-es,  PI.  -e):  Nachtgeist,  böser 
Neckgeist.  Die  neben  dem  deutschen  Alp 
(s.  d.)  eingeführte  engl.  Form  elf,  s.  Elfe. 

elf,  Zahlwort.  Älternhd.  eilf  (noch  bei 
Adelung,  während  Frey  er  1722  elf  verlangt, 
das  schon  Schottel  1663  kennt).  Mhd.  eilf,  zu- 
sammengez.  aus  einlif  eilif,  ahd.  einlif;  dazu 
asächs.  (mit  Angleichung  des  n)  elletan,  ndl. 
elj,  afries.  andlava,  ags.  endleofan,  engl,  elleven, 
anord.  ellifu,  schwed.  ellofva,  elfva,  dän.  elleve, 
got.  ainlif  (Gen.  ainlihe).  Zusammenges.  aus 
ein  und  dem  nui-  noch  in  zwölf  (s.  d.)  vor- 
liegenden -lif,  das  eine  Entsprechung  im  Lit. 
hat,  wo  die  Zahlen  von  11 — 19  mit  -lika 
gebildet  werden  (vienolika  11);  dies  gehört 
zu  lat.  linquere  «übrig  lassen»,  also  eig. 
(zehn  und)  eins  darüber.  Das  f  ist  aus  dem 
Guttural  wegen  des  w  in  zwölf  entstanden 
und  auf  elf  übertragen.  ABL.  Elfer,  m.: 
die  Zahl  oder  Ziffer  11;  Mitglied  einer  aus 
1 1  Männern  zusammengesetzten  Behörde,  mhd. 
einlifer ;  der  1811  gewachsene  vorzügHcheWein. 
eifern,  v.:  zu  Zweien  mit  (40)  deutschen 
Karten  ein  Spiel  spielen,  bei  dem  der,  welcher 
11  Stiche  und  dariiber  macht,  gewinnt.  Bei 
Wei£e  kom.  Opera  2,  128  eilfern,  elfte, 
Ordnungszahlwort.  Älternhd.  eilfte,  mhd. 
eilifte,  einlifte,  ahd.  einlifto,  asächs.  ellifto, 
ndl.  elfde,  ags,  endhjfta,  cendlyfta. 

Elfe,  f.  (PI.  -n):  leicht  im  Reihentanz 
über  Blumen  und  Gras  schwebendes  geistiges 
Wesen.  Neben  mhd.  elbe  f.,  weibliche  Bildung 
zu  Alp  (s.  d.),  entlehnt  aus  engl,  elf,  ags. 
celf  f.  Zuerst  bei  Wieland  in  der  Übersetzung 
von  Shakespeares  Sommeniachtstraum  1764 
und  dann  öfter  von  ihm  gebraucht. 

Elfenbein,  n.  (-s):  Masse  der  Stoßzähne 
des  Elefanten.     Bei  Luther  (Hohelied  5,  14) 

Weigand,  Deutsches  Wörterbnch.    5.  Anfl. 


Elphenbein,  mhd.  dafür  helfenhein,  mit  aus- 
gestoßenem t  für  ahd.  helphanthein,  s.  Elefant. 
ABL.  elfenbeinen,  elfenbeinern,  adj., 
mhd.  Jielfenheinin,  ahd.  helphantbeinin. 

Elfer,  elfte,  s.  elf 

Elisabeth,  Frauenname,  Schweiz.  Elsbeth. 
Mhd.  Elizabeth,  md.  Elsebet,  aus  dem  bibli- 
schen gr.-lat.  Namen  Elisabeth,  biblisch-gr. 
'EXicdßeT,  von  hebr.  Elischeba  2.  Mos.  6,  23 
d.  h.  «Gott  der  Eid»  =  «der  (die)  bei  Gott 
schwört,  Gott  verehrt»,  von  hebr.  el  «der 
(die)  Starke,  Gott»,  und  schäba"  (hiph.) 
«schwören».  Im  Nhd.  gekürzt  Elise;  im  Mhd. 
tritt  seit  dem  14.  Jh.  als  Koseform  zu  jenem 
Elsebet  der  Name  Else  auf,  Dim.  Elslin, 
später  auch  Elßlin  (s.  Ilse). 

Elixir,  n.  (-S,  PI.  -e):  Kraft-,  Heiltrank. 
Aus  spätmhd.  elixir e,  elixirium  n.,  das  zu- 
lückgeht  auf  arab.  el  iksir  «Stein  der  Weisen» 
u.  ä.  (aus  gl'.  ?ripöv  n.  «trockenes  Mittel»). 
Schon  1562  bei  Mathesius  (Sarepta  43*). 

Ellbogen,  s,  Ellenbogen. 

Elle,  f.  (PI.  -n):  Längenmaß  von  2  Fuß. 
Mhd.  eile,  assimihert  aus  eine,  auch  elen,  ele 
(woraus  die  nhd.  Nebenform  Ehle,  nachitd  elung 
ebd.),  ahd.  eliiia.  elna,  elin  f.;  dazu  and.  elma, 
ndl.  eile,  el,  ags,  ein,  engl,  eil,  anord.  öln, 
schwed.  aln,  dän.  alen  (aus  '^aluna),  got.  aleina 
f.  «Elle»,  urspr.  aber  die  Länge  des  Vorder- 
arms. Verwandt  ist  gi*.  ujXevri  f.  «Ellenbogen», 
lat.  ulna  f.  «Ellenbogen,  Elle»,  altir.  uile  n. 
«Ellenbogen»,  npers.  ära«  «Elle».  Weitresbei 
Walde  s.  v.  ulna.  Lis  Roman,  eingedrungen  als 
ital,  alna,  franz,  aune  f,  «Elle»,  ZUS.  Ellen- 
bogen, m,,  auch  Ellbogen  (Goethe  44,  887): 
Gelenk  zwischen  Ober-  und  Unterarm.  Mhd. 
ellenboge,  elenboge,  ahd.  elUnbogo  und  elinbogo 
m.,  auch  elinboga  f.;  dazu  ndl.  elleboog,  ags, 
elnboga,  engl,  elbow,  anord.  ölnbogi,  dän.  aXbiie 
m.  Zusammenges.  aus  ahd.  elina,  hier  «Unter- 
arm», und  bogo  ra.  «Biegung». 

Eller,  f.:  Erle  (s.  d.).  Aus  dem  Md,- 
Ndd.,  mnd.  ehe  f.,  auch  1663  bei  Schottel 
{Ellern,  Ellerbautn)  angeführt. 

Ellipse,  f.  (PI.  -n):  Auslassung  von 
Worten,  die  der  grammatischen  Vollständig- 
keit wegen  in  Gedanken  zu  ergänzen  sind; 
Langkreis,  d.  h.  ein  in  Hinsicht  der  strengen 
Rundung  mangelhafter  Kreis.  Von  gr.e\\e\\\i\c, 
eig.  «das  Ermangeln»,  dann  «Auslassung  im 
Satze»,  so  auch  lat.  ellipsis  f.  Im  18.  Jh. 
—  elliptisch,  adj.,  nach  gr.-nlat.  ellipticus, 
gr.  ^XXeiTTTiKÖc,  eig,  «mangelhaft».  1658  bei 
Harsdörffer  mathem.  Erquickstunden  2,  266, 

28 


435 


Eloge 


Erneute 


436 


Eloge  (spr.  elöze),  f.  (PI.  -n) :  Lob,  Lobes- 
erhebung. Aus  gleichbed.  franz.  eloge  m.,  das 
aus  mlat.  eidogium  n.,  gr.  eüXoTia  f.  stammt, 
zusammenges.  aus  eu  «gut»,  und  XoYia  von 
XÖToc  «Rede».     Bei  Koth  179L 

Elritze,  f.  (PI.  -n):  ein  fingerlanger, 
bittrer  Backfisch.  1563  in  Forers  Fisch- 
buch 159*  «in  Meyssen  und  Saxen  Eideritz, 
Elritz».  Abgeleitet  von  Mler  =  Erle,  wie 
der  Fisch  auch  daneben  Erlitze  (um  1480 
im  Voc.  ine.  teut.  c  2*  erlitz)  und  Erling, 
mhd.-ahd.  erlinc  heißt;  er  hält  sich  gern 
unter  den  an  Bachufern  stehenden  Erlen  auf. 

Eisbeere,  f.  (PI.  -%):  schwarze  oder 
schwärzhche  Beere  mehrerer  Baumai"ten, 
namentlich  von  prunus  padus.  In  Luthers 
Briefen  Eisheer.  Wahrscheinlich  aus  dem 
Ndd,;  mnd.  eise  f.,  eig.  Erle  (s.  Else),  be- 
zeichnet auch  mehrere  andre  Baumarten,  z.  B. 
den  Faulbaum.  Vgl.  franz.  alize  f.  «Eisbeere». 

^Else,  f.,  ein  Fisch,  aus  Älose  (s.  d.). 

2  Else,  f.  (PI.  -n):  Erle.  Aus  dem  Nd. 
(schon  mnd.  eise  f.,  auch  ndl.  eis  f.,  elzen- 
hooni  m,),  von  Norddeutschen  (Schmidt  von 
Werneuchen  Ged.  53,  146)  gebraucht.  Ein 
andd.  *alisa,  *elisa,  das  mit  ursprünglichem  s 
zu  Eller  (s,  d.)  gehört,  ist  ins  Romanische 
gedi'Ungen,  span,  aliso  m.  «Erle»,  vgl.  auch 
Eisheere. 

^Else,  Frauenname,  s.  Elisabeth  und  Ilse. 

Elster,  f.  (PI.  -n):  weiß  und  schwarzer, 
langgeschwänzter  Vogel  vom  Rabengeschlecht. 
Mhd.  elster,  zusammengez.  aus  egelster,  da- 
neben agelster,  aglaster,  agelaster  (noch  1642 
die  Agelaster  bei  Tscherning  Ged.  Frühl.  138), 
ahd.agalstra,agalstera,  agelstra  f.  nebst  andern 
Nebenformen.  Nicht  zu  trennen  sind  davon 
ahd.  agazza,  and.  agastria,  mnd.  egester,  nd. 
aakster  und  ekster,  ags.  agii  f.  und  mhd.  atzel. 
Vergleiche  über  die  verschiedenen  Formen 
Bruinier  KZ.  34,  844,  Die  etymologische 
Ableitung  des  Wortes  ist  noch  dunkel,  ins- 
besondere ist  es  zweifelhaft,  ob  man  von 
einem  ursprünghchen  Wort  auszugehen  hat, 
das  lautlich  oder  volksetymologisch  umge- 
staltet ist,  oder  ob  verschiedene  Ableitungen 
von  einem  Stamme  vorliegen,  oder  ob  sich 
schließlich  verschiedene  Worte  beeinflußt 
haben.  Vielleicht  liegt  eine  Form  *agarstria 
zugrunde,  dessen  r  teils  zu  l  wurde,  teils 
schwand.  Ätzel  ist  dazu  Koseform  und  ags. 
agu,  das  auch  mhd.  als  age  belegt  ist,  Kurz- 
form. Neben  der  Form  mit  vokalischem 
x\nlaut  stehen   auch  solche  mit  h  wie  obd. 


hätz,  Jietzel,  ndd.  häkster,  heigster,  heister. 
Bei  Luther  finden  wir  Aglaster,  sonst  älter- 
nhd.  oft  Alster,  worauf  die  Schreibung  Älster 
(bei  Adelung)  beruht.  ZUS.  Elsterauge, 
n.:  Leichdorn.      1716  bei  Ludwig. 

Elter,  f.:  Großmutter;  Hebamme.  Im 
Hessischen,  wo  mit  Lautangleichung  eller 
gesprochen  wird.  Wohl  Kürzung  aus  Elter- 
mutter,  mhd.  eltermuoter  f.  Auch  Eller  m, 
«Großvater»,  gekürzt  aus  mhd.  eltervater  m., 
kommt  vor. 

Eltern,  pl.:  Vater  und  Mutter.  Mhd. 
eitern,  meist  altern,  ahd.  eltiron,  altiron,  der 
Nom.  Plur.  von  altiro  «älter»,  Kompai'ativ 
von  alt,  der  hier  substantivische  Bed.  ange- 
nommen hat,  vgl.  Jünger;  dazu asächs.  eldiron, 
ndl.  oudern,  ouders,  afries.  aldera,  ags.  eldran, 
yldran  (im  Sing,  yldra  m.  «Vater»)  Plur. 
«Eltern»,  Der  Umlaut  ist  hier  in  ältrer  Weise 
durch  e  bezeichnet  (Adelung  verlangt  Altern). 
ABL.  elterlich,  adj.     Bei  Stieler  1691, 

Elysium,  n,:  Wohnort  der  Seligen  im 
Totenreiche.  Das  gr.-lat.  elysium  n.  Davon 
elysisch,  adj,,  1575  bei  Fischart  Garg.  216 
elisisch,  1694  bei  Leibniz  Deutsche  Sehr,  2, 463 
elyseisch. 

Email,  n.  (-s),  Emaille,  f.:  Schmelz, 
Schmelzglas.  Aus  gleichbed.  franz.  email  m., 
das  aus  dem  Germanischen  stammt,  vgl.  ags. 
smelt,  d,  schmelzen.  1727  bei  Hübner,  ABL. 
emaillier  eu.     Bei  Nehring  1710. 

emauzipiereu,  v.:  freilassen  zur  Gleich- 
berechtigung, Aus  lat,  emancipäre.  Im  17.  Jh, 
entlehnt.  EmauzipatiÖU,  f.:  Freilassung. 
Aus  lat.  emancipätio  f.  Schlagwort  für  die 
Fraueuemanzipation  seit  1831.  A'^ gl.  Laden dorf, 

EmM^m,  n.  {-s,  PI.  -e):  Sinnbild,  Keim- 
zeichen. Aus  lat.  emhlema,  gr.  g|aß\Ti|na  n,, 
«eingelegte  Metallarbeit»,  zusammenges.  aus 
^v  «in»  und  ßX.f||aa,  einer  Ableitung  von 
ßotWeiv  «werfen».  1703  im  Zeitungslex.  em- 
hlema «ein  Sinnbild  mit  einem  kurtzen  Spruch 
begleitet». 

emeudiereu,  v.:  berichtigen,  bes.  Fehler 
in  einem  Buche.  Aus  lat.  emenääre.  Im 
18.  Jh.  entlehnt  (Heynatz  1775). 

emeritiereu,  v.:  für  ausgedient  (lat. 
enieritus)  erklären.     Im  18.  Jh. 

Emeß,  n.  (-es,  PI.  -e):  lederner,  dann 
auch  eiserner  Ring  unten  am  Joch,  der  die 
Deichsel  daran  festhält,  Jochring,  Am  Mittel- 
rhein und  in  Hessen.     Dunkler  Herkunft. 

Euieüte,  f*.  (PI.  -n):  Aufstand,  Meuterei. 
Aus  gleichbed.  franz.  emcMfe  f.  Bei  Campe  1813. 


437 


emigrieren 


Emphase 


438 


emigrieren,  v.:  auswandern.  Aus  dem 
gleichbed.  lat.  emigräre.  Bei  Roth  1791. 
Emigrant,  m.  (-en,  PI.  -en):  Vaterlands- 
flüchtiger. Aus  dem  Part.  Praes.  lat.  emigrans 
(Gen.  emigrantis).     Bei  Heynatz  1775. 

Emil,  Mannsname,  aus  franz.  Emile,  dies 
aus  dem  lat.  Namen  Äeniilius,  aus  dessen 
Fem.  Aemilia  der  franz.  Frauenname  Emilie, 
woraus  bei  vms  Emilie. 

Eminenz,  f.:  Erhabenheit,  als  Titel  bei 
Kardinälen  usw.  Aus  lat.  eminentia  f.,  von 
eminer e  «hervorragen».  Schon  1617  im  Teut- 
schen  Michel  49. 

Emir,  m.  (-s,  PI.  -e):  arabischer  Fürst. 
Das  arabische emfr,  ('amir)  «Befehlshaber», von 
'amara  «befehlen».  Bei  Sperander  u.  Apinus  1728. 

Emissär,  m.  {-s,  PI.  -e):  Geheimbote, 
Kundschafter.  Aus  franz.  emissaire,  von  lat. 
emissärius  m.,  eig.  «Ausgeschickter».  Bei 
Sperander  1728  noch  Emissaire.  Emission, 
f.  (PI.  -en):  Ausgabe  von  Wertpapieren.  Aus 
franz.  emission  f.  und  dies  aus  lat.  emissio  f. 
«das  Heräussenden»,  abgeleitet  von  e  «aus» 
und  missio  von  mitter e  «senden».  Neuere 
Entlehnung. 

Emma,  Frauenname.  Ahd.  Emma;  wie 
Imma  assimiliert  aus  Erma,  Irma,  der  Kose- 
form zu  den  mit  Irm-  gebildeten  Namen 
(Irmgard,  Irmtrud). 

Emmerling,  veraltete  Schreibung  für 
Ämmerling,  s.  Ammer. 

empfahen,  s.  empfangen. 

Empfang,  m.  (-es).  Mhd.  enpfanc,  ge- 
wöhnlich anpfanc,  antvanc,  ahd.  antfanc  m. 
Von  empfangen,  v.  (Praet.  empfing,  Part. 
empfangen) :  entgegennehmen,  an  sich  nehmen, 
in  sich  ein  oder  aufnehmen.  Mhd.  dafür 
enpfähen,  enpfan,  mit  Assimilation  aus  ent- 
fahen,  entfän  (Prät.  enpfienc,  enpfie,  Part. 
enpfangen),  ahd.  intßhan;  dazu  asächs.  ant- 
fähan,  ndl.  ont fangen,  ags.  onfön.  Älternhd. 
im  Präs.  empfahen,  empfahl,  was  sich  als 
poetische  Form  erhalten  hat  (oft  beiKlopstock, 
Wieland,  Goethe,  Platen,  Uhland,  Rückert);  die 
Form  empfangen  stammt  aus  dem  Nd.  (schon 
mnd.  entvangeri  neben  entvän)  und  kommt 
vereinzelt  bereits  bei  Luther  vor.  Vgl.  fangen. 
ABL.  Empfänger,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.). 
Dafür  mhd.  enpfälmre  m.  empfänglich, 
adj.,  mhd.  enpfenclich,  früher  anpfanclich, 
ahd.  anffandih.  Davon  Empfänglichkeit, 
mhd.  enpfenclicheit  f.  Empfängnis,  f.,  mhd. 
enpfencnisse,  ahd.  intfancnissa  f.  «Entgegen- 
nahme».    Die  jetzige  Bed,  bei  Luther. 


Empfehl,  m.  (-es,  PI.  -e).  Im  18.  Jh.  aus 
dem  Obd.  aufkommend  (schon  bei  N.  v.  Wyle 
232,  9.  274,  2  enpfelch).  Von  empfehlen,  v. 
(Prät.  empfahl,  Konj.empföhle,  Part,  empfohlen): 
zu  Sorge,  Gunst  oder  Geneigtheit  über-  oder 
dargeben.  Mhd.  enpfelhen,  mit  Assimilation 
aus  entfelhen,  md.  auch  enpfelen,  zusammenges. 
aus  ent  und  felhen,  ahd.  felahan  (s.  Befehl), 
urspr.  also  s.  v.a.  zur  Bewahrung  (Verbergung) 
dargeben,  zur  Besorgung  übergeben;  dazu  mnd. 
ent  feien  «übertragen».  Das  Prät.  lautet  mhd. 
empfalch,  Plur.  empfulhen  (auch  empfälhen), 
Konj,  empfülhe,  danach  nhd.  empföhle,  und 
auch  im  Indik.  früher  empfohl  (Lessing  6,  1, 
Schiller  7,  56).     ABL.  Empfehlung,   f., 

1  spätmhd.  enpfeUmng  f. 

1  empfinden,  v.  (Prät.  empfand,  Part, 
empfunden):  mittels  der  Nerven  wahrnehmen; 

!  Gefühl  wofür  haben.     Mhd.  enpfinden,   mit 

I  Assimilation    aus    entfinden,    ahd.  intfindan; 

!  dazu  asächs.  anifidan,  antfindan,  ags.  onfindan. 
ABL.  empfindbar,  adj.:  sich  empfinden 
lassend ;  (früher  auch)  empfindend,  empfindsam. 
Im  18.  Jh.  (Lessmg  3,  337).  empfil^eln,  v.: 
in  kleinlicher  Weise,  übertrieben  empfindsam 
sein.  Bei  Adelung  1774.  Davon  Empfindelei, 
f.  empfindlich,  adj.:  zu  empfinden  fähig, 
mhd.  enpfintlich,  ahd.  (bei  Notker)  inphintlich 
«der  Empfindung  leicht  zugänglich;  zu  übler 
Empfindung  geneigt  (bei  Stieler  1691);  an- 
greifend  auf  die  Empfindung  wirkend»  (bei 

Frisch  1741).  Davon  Empfindlichkeit,  f. 
Mhd.  enphintlicheit  f  «Wahrnehmung».  Emp- 
findnis,  f.:  Empfindung  (frühnhd.);  angrei- 
fende, auf  den  Köi'per  wirkende  Seelenbe- 
wegung (Schiller  Räuber  2, 1).  empfindsam, 
adj.:  zartfühlend,  überzärtUch  empfindend, 
sentimental,  um  die  Mitte  des  18.  Jh.  auf- 
gekommen, schon  vor  Bodes  Übersetzung 
von  «Yoricks  empfindsamer  Reise»  1768,  in 
einem  1771  gedruckten  Briefe  der  Frau 
Gottsched  aus  dem  J.  1757  und  öfter  in  der 
1762  zu  Leipzig  bei  Weidmanns  Erben  er- 
schienenen Landbibliothek.  Davon  Empfind- 
samkeit, f.,  öfter  1762  in  der  Landbibliothek 
(s.  Gombert  8,  16  fg.).  Empfindung,  f. 
Spätmhd.  inphmdunge  f.  «Erfahrung». 

Emphase,  f.  (PI.  -n):  Nachdruck  im 
Reden,  Gewicht  des  Ausdrucks.  Aus  lat. 
emphasis,  gr.  ?|Li(pacic  f.  «Schein,  Verdeut- 
lichung, Nachdnick».  Bei  Sperander  1728 
noch  in  der  lat.  Form,  emphatisch,  adj. 
Nach  gr.  ^inqpariKÖc  «veranschaulichend,  nach- 
drucksvoll». 1700  beiZeidler  Sieben  Teufel  105. 

28* 


439 


Empirie 


Eudivie 


440 


Empirie,  f.:  Erfahrung,  Erfahrungswissen. 
Aus  gr.  ^lUTreipia  f.  «Erfahrung».  Im  18.  Jh. 
empirisch,  adj.:  erfahrungsgemäß.  Nach 
Campe  bei  Moritz.  Nach  gr.  ^laireipiKÖc,  von 
diesem  auch  Empiriker,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.): 
Erfahrungsarzt,  einer,  dessen  Wissen  mid  Han- 
deln auf  Erfahrang  beiiiht.  1710  beiNehring 
enipiriats  «ein  Marktschreyer,  Storger»  (von 
Kurpfuschern). 

empor,  adv. :  in  die  Höhe,  zur  Höhe. 
Bei  Luther,  aus  dem  sonst  im  altern  Nhd. 
häufigen  entbor.  Mhd.  eiibor,  enhore,  ab- 
geschwächt aus  ahd.  in  bor,  in  bore  «in  der 
Höhe,  in  die  Höhe»,  einer  Verbindung  der 
Präpos.  in  mit  dem  Akk.  und  Dat.  von 
mhd. -ahd.  bor  f.  «Höhe,  oberer  Raum»,  das 
mit  mhd.  bürn,  ahd.  burian  «erheben»  wohl 
zu  ahd.  beran  «tragen»  gehört.  Vgl.  Borkirche. 

Empöre,  f.  (PI.  -n)-.  erhöhter  Raum, 
namentlich  in  der  Kirche.  Erst  bei  Campe 
1807,  wohl  abgekürzt  aus  Emporkirche,  s. 
Borkirche  imd  empor. 

empören,  v.:  erheben;  aufbringen  im 
Gemüte.  Refl.  sich  e.:  sich  erheben,  bes. 
feindlich  gegen  Obere.  Mhd.  enboeren,  urspr. 
entboeren,  zusammenges.  aus  e7it-,  gekürzt  en-, 
und  einem  von  mhd.  bor  m.  «Trotz,  Wider- 
setzlichkeit» abgeleiteten  beeren,  das  auch  in 
spätahd.  aneboren  «aufstehen  wider  — »,  sich 
findet,  und  mit  mhd.  bor  «Höhe»  (s.  empor) 
in  Ablaut  steht.  ABL.  Empörer,  m.  {-s, 
PI.  wie  Sg.),  bei  Henisch  1616.  Empörung, 
f.,  bei  Luther. 

Emporkömmling,  m.  {-s,  PI.  -e):  eine 
in  den  80  er  Jahren  des  18.  Jh.  geprägte 
Verdeutschung  des  gleichbed.  franz.  parvenu, 
und  seit  dieser  Zeit  als  Schlagwoi't  beliebt. 
Vgl.  Ladendorf. 

Emse,  s.  Ameise. 

emsig,  adj  u.  adv.:  beharrlich,  ununter- 
brochen tätig.  Mit  s  für  ß  (ältermhd.,  auch 
zuweilen  bei  Luther  noch  emßig)  aus  mhd. 
eme^^ic,  em^ic,  ahd.  emeg^ig,  emag^ig,  emi^^ig; 
awajjigr  «fleißig,  fortwährend,  ununterbrochen», 
das  zurückgeht  auf  das  Adj.  ahd.  emi^,  ema§, 
mhd.  eme^  (in  dem  Adv.  emegUche,  eme^lichen) 
«beständig,  immerwährend».  VonKlugeZfdW. 
7,  170  zu  lat.  amäre  «lieben»  gestellt  unter 
Hinweis  auf  die  Bedeutungsentwicklung  von 
lat.  diligens,  düigenter.  Eher  zu  anord.  ama 
«belustigen,  bemühen»,  aind.  ämUi  «dringt 
an,  bedrängt,  versichert  eindringlich»,  aind. 
amas,  aw.  ama-  m.  «Kraft,  Stärke,  Macht», 
wozu   dann   auch  lat.  amäre  gehören  kann. 


Zusammenhang  mit  Ameise  besteht  nicht. 
ABL.  Emsigkeit,  f.,  spätmhd.  em^icheit  f. 

Ende,  n.  (-s,  PI.  -n):  das  Letzte  von 
etwas,  in  Raum  oder  Zeit;  Zacke  am  Hirsch- 
geweih; Letztes  einer  Erstrebung.  Mhd.  ende, 
ahd.  enti  m.  n.;  dazu  asächs.  endi  m.,  ndl. 
einde  n.,  ags.  ende  m.,  engl,  end,  anord.  endir, 
endi  m.,  schwed.  ände  m.  und  ända  f.,  dän. 
ende,  got.  atideis  m.  Verwandt  ist  aind.  antas 
m.,  antam  n.  «Ende»,  xgl.antjas  «der  Letzte», 
gr.  övTioc  «gegenüberbefindlich»,  lat.  antiae 
«Haare  in  der  Stirn»,  ir.  et  «Ende,  Spitze», 
etan  «Stirn».  Der  Plur.  lautet  älternhd. 
Ende,  seit  dem  17.  Jh.  Enden  (Fleming 
Ged.  664,  bei  Stieler  1691  Tiichenden).  ABL. 
enden,  v.  Mhd.  enden,  ahd.  enteön,  enton: 
dazu  asächs.  endiön,  endön,  ndl.  einden,  ags. 
endian,  anord.  enda,  schwed.  ända,  dän,  ende. 
—  Ender,  m.,  in  Sechs-,  Acht-  usw.  -ender. 
Bei  Stieler  1691.  endigen,  v.  In  Glossaren 
des  15.  Jh.,  abgeleitet  von  spätmhd.  endec 
«zu  Ende  kommend»,  endlich,  adj.:  am 
Ende  kommend;  endgültig;  ein  Ende  habend. 
Das  Adv.  endlich:  am  Ende,  zuletzt;  nach 
durchgeharrter  Zeit.  Mhd.  endelich,  ahd. 
entlih  (in  unentUh),  s.  auch  endelich.  End- 
SChaft,  f.,  spätmhd.  endeschaft  f.  Endung,  f. 
Spätmhd.  endung  ist  «Beendigung»;  in  die 
Grammatik  hat  Schottel  den  Ausdruck  ein- 
geführt. ZUS.  endgültig,  adj.:  zuletzt 
gülti*  bleibend.  Neues  Wort,  bei  Campe  1807 
noch  nicht  verzeichnet,  endlos,  adj.  u.  adv., 
mhd.  endelös.  Endschluß,  m.:  Endurteil, 
1670  bei  Zesen  Assenat  164,  mit  andrer 
Schreibimg  bereits  1626  in  Stettiers  Schweizer- 
chronik 1,  398^  Entschluß.  Endzweck,  m.: 
letzter  Zweck,  zu  Anfang  des  17.  Jh.  bei 
Joh.  Arndt  wahr.  Christenthum  (s.  Gombert 
8,  19). 

endelich,  adj.  u.  adv.:  zum  Ende  strebend 
und  eilend,  ohne  Säumen.  Bei  Luther  (Spr. 
Sal.  21,  5  und  Luk.  1,  39),  später  veraltet, 
aber  von  Goethe  Faust  10067  (endlich  vor- 
geschritten!) wieder  angewandt.  Eig.  iden- 
tisch mit  endlich  (s.  Ende),  mhd.  endelich 
«zum  Ende  strebend,   eilig,    eifrig,  tüchtig». 

Endivie,  f.  (PI.  -n):  zu  Salat  dienende 
Zichorienart.  Aus  ital.-span.-port.-mlat.  en- 
divia  f.,  von  einem  lat.  intibea,  dem  Fem. 
eines  von  lat.  intibus,  intybus,  intubus  «Ci- 
chorie»  abgeleiteten  Adj.  intibeus.  Mnd. 
andivien,  endiyien  (Regel  Arzneibuch  S.  8), 
seit  dem  15.  Jh.  auch  im  Hd.  nachzuweisen, 
z.B.  um  1400  enduvie  Diefenb.  gl.  202%  1460 


441 


Energie 


Enkel 


442 


bei  Pfolsprundt  11  antify,  1546  bei  Bock  102^ 
Endivie. 

Energie,  f.:  Tatkraft.  Aus  üsiüz. energie, 
von  gr.  ^vepTeia  f.  ,<Tatki'aft».  Im  18.  Jh. 
entlehnt  (Wieland21,331).  J.Bi>.  energisch, 
adj.:  tatkräftig,  dui'chgi-eifend.  Nach  franz. 
energique.     Nach  der  Mitte  des  18.  -Jh. 

eng,  früher  auch  enge.  adj.  u.  adv. : 
wenig  Raum  bietend.  ^Ihd.  enge,  ahd.  engi, 
aiigi;  dazu  asächs.  engi,  ndl.  eng,  ags.  enge, 
ange,  anord.  öngr,  got.  aggwus.  In  der  Wurzel 
übereinstimmend  mit  lat.  angustus  «eng», 
angere  «zusammendiücken»,  gv.  ä^xeiv  «zu- 
schnüren», aind.  ahüs  «eng»,  aw.  qzak  n. 
: Bedrängnis :>,  abg.  qziikü  «eng»,  vgl.  Angst. 
ABL.  Enge,  f.,  mhd.  enge,  ahd.  engi  f. 
engen,  v.,  mhd.-ahd.  engen,  got.  aggicjan 
(in  gaaggwjan).  engern,  v. :  enger  machen 
(5.  Mos.  27,  IT).  Von  dem  Komparativ  ge- 
büdet.  ZUS.  Engbrüstigkeit,  f.,  1541  bei 
Frisius  504  b. 

engagieren  (spr.  qgaztren),  v.:  verbind- 
lich machen;  anwerben;  in  Sold  und  Dienst 
nehmen.  Aus  franz.  engager,  eig.  «verpfän- 
den», (davon  engagement  m.,  Avoraus  Enga- 
gement n.)  zusammenges.  aus  en  «in»,  und 
dem  von  gage  m.  abgeleiteten  afranz.  gager 
«pfänden».     Beide   1694  bei  Nehring. 

Engel,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  Gott  oder 
dem  Teufel  dienstbarer  Geist.  Mhd.  en^el, 
ahd.  engil,  angil  m. :  dazu  asächs.  engil,  ndl. 
und  ags.  engel,  engl,  angel,  anord.  engül,  got. 
aggüus  m.  Entlehnt  aus  gr,-lat.  angelus,  gr. 
ä-pfeXoc  m.  ■  Bote,  Gesandter».  ABL.  eng- 
lisch, adj.,  mhd.  engelisch,  nach  gr.-lat.  an- 
geliciis.  ZUS.  Engelmacherin,  f.:  Weib, 
das  neugebome  Kinder  in  Pflege  nimmt,  um 
sie  langsam  verkommen  zu  lassen  (zu  Engeln 
zu  machen).  Im  19.  Jh.  Engelsverstand, 
ra.:  äußerst  heller,  dm-chdringender  Verstand. 
Bei  Campe  1807. 

Engelsilß,  n.:  eine  Farmki-autart  mit 
sehr  süßer  Wurzel,  polypodium.  Spätmhd. 
engelsü€§e  n.;  dazu  ndl.  engelzoet  n.,  dän. 
engelsöd.  Der  Name  wohl,  weil  die  süße 
Wurzel  als  Mittel  gegen  Schlaganfall  im 
Volksglauben  von  den  Engeln  gegeben  schien. 

engen,  s.  eng. 

Engerling,  m.  [-s,  PL  -e) :  Maikäfen-aupe ; 
Hautmade,  die  Larve  der  Viehbremse  (oestrus 
bovis).  Mhd.  engerinc,  auch  bereits  mit  ein- 
getretenem l  engerlinc,  ahd.  engirinc  m.  «Korn- 
made», abgeleitet  von  dem  gleichbed.  ahd. 
angar,  angari,    mhd.  anger,  enger  m.,    noch 


jetzt  alem.  enger  (neben  engerig  etc.).  Viel- 
leicht zu  poln.  ivagry  «Schweinfinnen»,  lit. 
ankstirai  PI.  «Finnen,  Engerlinge». 

engern,  s.  eng. 

England,  gekürzt  aus  Engelland  (Schüler 
Maria  St.  1,  7),  mhd.  Engellant,  ahd.  Engillant, 
ags.  Engla  land,  d.  i.  von  den  Angeln  (ags. 
Angle,  Engle)  bewohntes  Land.  ABL.  Eng- 
länder, m.,  auch  noch  EngellämJer  (Schiller 
Jungfrau  v.  0.  2,  1.  3,  10),  mhd.  Engellender. 
engländisch,  adj.  (engellündsch  bei  ScbiUer 
J.  V.  0.  1,  5  u.  ö.),  wofür  üblich  englisch, 
schon  mhd.  englisch. 

Englischleder,  n.  (-5):  starkes  Baum- 
wollgewebe.    1834  belegt. 

enhinder  (Luther  2.  Mos.  3,  1),  abge- 
schwächt aus  mhd.  hinhinder  «zurück,  rück- 
wärts». 

Enke,  m.  (-//,  PI.  -«);  unter  dem  Groß- 
knecht stehender  Vieh-  oder  Ackerknecht. 
Mhd.  enke,  ahd.  encho  m.  In  Mittel-  und 
Norddeutschland  noch  üblich.  Verwandtschaft 
mit  lat.  anculus  «Diener»,  a«.ci7/a  «Magd»  ist 
unwahrscheinlich,  da  jenes  zu  gr!  djLiqpiiroXoc 
«Diener»  gehört,  auch  stimmt  die  Lautver- 
schiebung nicht.  Formell  mit  ahd.  anihho 
«avus»  übereinstimmend,  doch  besteht  kaum 
ein  Zusammenhang. 

1  Enkel,  m.  {-s,  Pl.wieSg.):  Fußknöchel. 
Mhd.  enkel  m.,  ahd.  enchil,  anchal  m.  und 
enchila,  anchala  f.,  ferner  weitergebildet  aii- 
chläo;  dazu  mnd.-ndl.  enkel  m.  und  weiter- 
gebildet enklauw  m.,  wie  auch  afries.  onklef 
n.  und  ags.  ancleoiv  f.,  engl,  ankle,  anord. 
ökkla  n.,  schwed.-dän.  ankel.  Zu  ahd.  encha 
f.  «Schenkel,  Schienbein,  Knöcheb;  und  ancha 
f.  «Nacken»  (s.  Anke)  und  weiter  mit  Wechsel 
von  g  und  gh  zu  gr.  övuE,  lat.  unguis  m. 
«Nagel»,  Ht.  nagä  «Huf»,  abg.  noga  f.  «Fuß», 
aind.  nrggam  n.  «Glied,  Körper»,  angidis  f. 
«Finger,  Zehe:>. 

"Enkel,  m.  (-.s,  PI.  wie  Sg.):  Kindesldnd. 
Ältemhd.  auch  Enickel  [Enicklehi),  mhd. 
enikel,  mit  Ausfall  des  zweiten  n  aus  enenkel, 
eninkel,  spätahd.  eninchli  n.,  das  in  ähnlicher 
Weise  wie  ahd.  lewinckili  n.  «Löwchen»  von 
lewo  «Löwe»  und  huonichlin  n.  «Hinkel»  (s.d.), 
von  hu/)n  «Huhn»,  zweifache  Diminutivbüduug 
von  ahd.  ano  m.  «Großvater»  (s.  AJm)  ist 
und  so  urspr.  «kleiner  Großvater»  bedeuten 
wird.  Entsprechend  gebildet  ist  lat.  avuncidus 
m.  «Oheim»,  zu  avus  m.  «Großvater».  Ver- 
wandt sind  noch  lit.  anukas  (aus  dem  Slavi- 
schen)  m.,   abg.  vünukü  m,   «Enkel».      Vgl. 


443 


Enklaye 


entbrennen 


444 


W.  Schulze  KZ.  40,  408,  Hirt  lag.  Forsch. 
22,  84.   ABL.  Enkelin,  f.,  bei  Ludwig  1716. 

Enklaye,  f.  (PI.  -n):  von  fremdem  Ge- 
biet umschlossenes  Land.  Das  gleichbed. 
franz.  enclave  f.,  eig.  «eingenageltes»  (ew, 
lat.  in,  clave  zu  lat.  clävus  m.  «Nagel»). 
Erst  im   19.  Jh. 

ennuyieren,  v.:  langweilen,  belästigen. 
Aus  gleichbed.  franz.  ennuyer,  das  auf  ein 
volkslat,  inodiare,  zusammengesetzt  aus  w 
imd  einer  Ableitung  von  odiuni  n.  «Haß, 
Abscheu»  zurückgeht.  Ln  18.  Jh.  Verdeut- 
schungsversuche bei  Campe  1813. 

enorm,  adj.  u.  adv.:  ungemein,  über- 
mäßig. Aus  franz.  enorme  «ungeheuer»,  das 
auf  lat.  enormis  «unregelmäßig,  unverhältnis- 
mäßig groß»  ((?.  ex  «aus»,  normis  Yon  normaf. 
«Winkelmaß,  Richtschnur,  Regel»)  beruht. 
Bei  Sperander  1728,  aber  Enormität  f.  be- 
reits 1699  von  Gombert  8,  19  nachte  wiesen. 

Enqnete,  f.  (PI.  -n):  Untersuchung,  Er- 
mittlung. Aus  gleichbed.  franz.  enquete  f. 
Neuere  Entlehnung. 

ent-:  Yorsübe,  mit  der  Grundbedeutung 
«gegen».  Danach  bezeichnet  ent  in  vielen 
Verben  das  Werden,  Herv^orkommen  eines 
neuen  Zustandes,  z.  B.  entblühen,  entsprießen, 
sowie  das  Versetzen  in  einen  solchen,  z.  B. 
entbrennen,  entzünden,  anderseits  in  einer 
noch  größern  Anzahl  von  Verben  das  Aus- 
treten aus  dem  alten  Zustand  («weg»,  ent- 
kommen, entweichen,  entgleiten,  entwachsen, 
entführen)  und  gewinnt  so  beraubende  (pri- 
vative) Bed.,  z.  B.  entarten,  entdecken,  ent- 
fesseln, enthaupten  in  Verben,  die  oft  vom 
Substantiv  aus  gebildet  sind.  Vor  Labialen 
geht  einigemal  ent-  in  emp-  über,  s.  empören, 
empfangen,  empfehlen,  empfinden.  Den  Sub- 
stantiven, in  denen  die  Vorsilbe  eat-  erscheint, 
liegen  Verba  gleicher  Zusammensetzung  zu- 
grunde, während  bei  ursprünglicher  Zu- 
sammensetzung mit  Substantiven  noch  die 
ungeschwächte  Form  ant-  (s.  d.)  sich  erhielt. 
Mhd.  ent-,  gewöhnlich  gekürzt  en-,  ahd.  ant-, 
int-,  gekürzt  in-,  unt-;  dazu  asächs.  and-, 
ant-,  ndl.  ont-,  ags.  on  (aus  ond-,  and-), 
anord.  and-,  got.  and-,  vor  Substantiven  auch 
anda-.  Als  selbständiges  Wort  erscheint  die 
Vorsilbe  in  der  got.  Präp.  and  «worauf  hin, 
entlang,  entgegen»,  asächs.  and  «bis».  Über 
die  Urverwandtschaft  s.  ant-,  Z.  T.  liecrt 
dem  heutigen  ent  aber  auch  die  Vorsilbe  in 
zugrunde,  namenthch  bei  den  Verben  der 
zweiten  Klasse,  wie  entbrennen. 


entäußern,  v.:  von  sich  geben,  meist 
refl.  sich  e.  Spätmhd.  entiu^ern,  daneben 
entiugen,  entü^enen,  s.  äuße^-n. 

entbehren,  v.:  nicht  haben  und  es  ver- 
missen; ermangeln,  Urspr.  mit  Gen,  (noch  bei 
Goethe  50,  220),  später  auch  mit  Akk.  (schon 
bei  Luther  6,  16^  Jen.).  Bei  Luther  entberen, 
auch  mit  Assimilation  (Sir.  38,  36)  emperen, 
bei  Stieler  1691  entbären,  sonst  im  17.  Jh.  e. 
Mhd,  enbern,  ahd,  inberan  «ermangeln»,  mit 
starker  Flexion,  die  auch  ältemhd,  noch  vor- 
kommt; dazu  mnd,  entberen,  ndl,  ontberen, 
(entlehnt)  schwed,  undvara,  dän.  undväre. 
Das  Wort  gehört  wohl  zu  ahd.  beran  «tragen» 
und  bedeutet  urspränglich  «nicht  tragen», 
andi-e  denken  an  Zusammenhang  mit  bar, 
s,  d,  ABL.  entbehrlich,  adj.  Bei  stieler 
1691  entbärlich.  Entbehrung,  f.  Bei  Stieler 
1691  Entbärung. 

entbinden,  v.:  losbinden,  von  einem 
Bande  freimachen  (insbesondre  durch  die 
Geburt,  bei  Luther  Hauspost,  221  %  bei  Mone 
Ztschr,  8,  55  vom  J,  1379  e  diu  frow  von  ir 
arbait  enbunden  wirt).  Mhd,  enbinden,  en- 
pinden,  ahd,  intbintan,  got,  andbindan.  ABL. 
Entbindung,  f,  Frühnhd.  Freisprechvmg 
von  Sünden.     1741  bei  Frisch  Gebären. 

entblöden,  v.:  der  Blödigkeit  benehmen, 
in  Beherztsein  versetzen.  Meist  refl.  sich  e.: 
sich  außer  Blödigkeit  setzen,  sich  getrauen, 
sich  *  erkühnen.  Im  17.  Jh.  (Harsdörfer 
Gesprächssp.  2,  105),  daneben  in  gleicher 
Bed.  sich  nicht  e.,  in  welchem  sich  e.  kaum 
in  der  Bed.  «in  Blödigkeit  geraten,  blöde 
sein»,  genommen  werden  darf,  vielmehr  nicht 
als  Zusatz  anzusehen  ist.  Ludwig  1716  hat 
sich  nicht  e.,  während  Steinbach  1734  und 
Frisch  1741  sich  e.  verlangen,  das  auch  von 
Wieland,  z.  B.  Amadis  2,  171,  gebraucht  wu-d. 

entbrechen,  v.:  hei-vorbrechen.  Mhd. 
enbrechen.  Meist  refl.  sich  e.  «sich  wovon 
losmachen  oder  zurückhalten»,  jetzt  nur  ne- 
giert sich  nicht  e.  (Lessing  1,  350)  ^<sich 
nicht  enthalten»,     Mhd,  sich  enbrechen. 

entbrennen,  v,:  l)trans,  in  Brand  setzen, 
zum  Brennen  bringen,  2)  intrans.  in  Brand 
kommen,  eigenthch  wie  bildlich,  Mhd.  en- 
brennen,  ahd,  intbrennan,  nui'  in  der  trans. 
Bed.,  während  in  der  intrans.  das  stark 
flektierende  mhd.  enbrinnen,  ahd.  intbrinnan 
steht,  das  auch  noch  im  16.,  17.  Jh.  obd. 
als  entbrinneif  vorkommt  (bei  Goethe  ew. 
Jude  166  noch  das  Part.  Prät.  entbronneyi). 
S.  brennen. 


445 


entdecken 


enthalten 


446 


entdecken,  V.:  unbedeckt  machen;  (bild- 
lich) Unbekanntes  zur  Kenntnis  bringen. 
Mhd.  endecken,  entecken,  ahd.  intdecchan  «der 
Decke  benehmen,  aufdecken,  offenbaren»; 
dazu  ndl.  onddekken.  ABL.  Entdeckung,  f. 
Im   14.  Jh.  intteckunge  f.  «Offenbarung». 

Ente,  f.  (PI.  -n):  der  bekannte  Wasser- 
vogel; Zeitungslüge.  Mhd.  ant  (Gen.  ente), 
auch  schon  ente,  ahd.  anut,  anit  (Plur.  enti)  f. ; 
dazu  ndl.  eend,  ags.  ened,  anord.  önd  (um- 
gelautet aus  *anud),  schwed.-dän.  and  f. 
Verwandt  ist  gr.  vfjcca  (aus  *nätja),  lat.  anas 
(Gen.  anatis),  aind.  ätis,  lit.  äntis,  abg.  qtt  f. 
«Ente».  Die  Bed.  «Lüge,  Zeitungslüge»  geht 
bis  ins  15.  Jh.  zuiiick,  wo  die  Redensart 
von  blauen  Enten  reden  (auch  von  blauen 
Gänsen)  im  Sinne  von  «von  Fabelhaftem, 
Erlogenem  erzählen»  üblich  war.  Schon 
bei  H.  von  Sachsenheim  Mörin  2197  ein 
Entemär,  .Tempel  757  ein  Entenniär  «lügen- 
hafte Geschichte»,  auch  bei  Murner  Schelm. 
1,  1  von  blawen  Enten  predigen.  Ähnlich 
gebrauchen  die  Franzosen  un  canard.  ABL. 
Eutericll,  m.  (-s,  PI.  -e):  die  männliche 
Ente.  Dafür  mhd.  antreche  m.  (noch  1540 
bei  AlberusDict.  y4*  antrech),  ahd.antrehho, 
antrahho  m.,  zusammenges.  aus  ant  «Ente» 
und  einem  urspr.  selbständigen  Worte,  das 
im  Nd.  drake,  engl,  drake  «Enterich»  lautet 
(schwäb.  trech  scheint  erst  aus  antrech  her- 
vorgegangen zu  sein).  Die  Zusammensetzung 
lautet  im  Mnd.  und  Mndl.  antdrake  m.,  ent- 
sprechend auch  in  hd,  Mundai-ten  (wetter.) 
andrach  und  endedrach.  Bei  Stieler  1691 
Entrech.  Im  Nhd.  hat  Anlehnung  an  die 
Bildungen  mit  -rieh  stattgefunden,  schon 
spätmhd.  kommt  antreich,  entreich  vor.  S. 
Täuberich.  Älternhd.  war  auch  Antvogel, 
mhd.  antvogel  m.,  aber  bloß  von  der  zahmen 
Ente  üblich.     S.  auch  Erpel. 

enteignen:  durch  ein  öffentliches  Ver- 
fahren des  Eigentums  benehmen.  1807  bei 
Campe  als  neu  und  dichterisch,  sowie  als  Ver- 
deutschung von  expropriieren  vorgeschlagen. 

entern,  v.:  (ein  Schiff)  feindlich  mit 
Haken  heranziehen,  um  es  zu  ersteigen  und 
zu  nehmen.  Aus  dem  gleichbed.  nd.  entern, 
ndl.  enteren,  engl,  enter,  die  auf  das  aus  lat. 
inträre  gewordene  span.  entrar  «hineingehen, 
einfallen,  einnehmen»  usw.  zurückgehen.  Bei 
Stieler  Zeitungslust  1695.  ZUS.  Enter- 
haken, m.,  bei  Ludwig  1716. 

entfachen,  V.:  entflammen.  Neugebildetes 
Wort,  s.  anfachen. 


entfalten,  v. :  aus  den  Falten,  auseinander 
legen;  entwickeln.  Frühnhd.  In  übertragner 
Bed.  erst  bei  Adelung  1774. 

entfernen,  v.:  machen,  das  etwas  fern 
wird,  Refl.  sich  e.:  sich  zur  Ferne  begeben, 
sich  wovon  ab-,  wec^wenden.  Mhd.  entverren, 
in  md.  Quellen  auch  entvernen.  ABL.  Ent- 
fernung, f.,  bei  Krämer  1678. 

entgegen,  adv.  u.  prap. :  in  der  Richtung 
hin  oder  her  zu  — ;  gegenüber;  feindhch  in 
der  Richtung  oder  in  Beziehung  zu  — ;  im 
Verhältnis  zu  — .  Als  Adv.  dann  auch  in 
Zusammensetzungen  verwendet.  Bei  Luther 
entgegen,  sonst  in  md.  Quellen  auch  (mit 
Assimilation  des  t)  enkegen,  wobei  ent  für 
fmheres  en,  d.  i.  abgeschwächtes  in,  wie  in 
entzwei  (s.  d.  und  empor)  eingetreten  ist. 
Mhd.  engegen,  ahd.  ingagan,  ingegin  als  Präp., 
aber  mhd.  engegene,  ahd.  ingagani,  ingegini 
als  Adv.;  dazu  asächs.  angegin,  ags.  ongean, 
engl,  again,  weiter  gebildet  against,  anord. 
i  gegn,  schwed.  igen,  dän.  igjen,  s.  gegen. 

entgegnen,  v. :  entgegen  kommen,  insbes. 
begegnen,  (mhd.  engegenen,  ahd.  ingaganen), 
noch  bei  Goethe  Epimenides  17,  Pandora 
695 ;  sich  gegenüberbefinden  (Goethe  27,  270): 
widerstehen  (Goethe  Elp.  2,  2);  Worte  an 
jemand  richten  (Schiller  11,  284);  dagegen 
sagen,  antworten  (bei  Campe  1807).  ABL. 
Entgegnung,  f.,  bei  Campe. 

entgelstern,  v.:  des  Geistes,  der  Be- 
sinnung berauben.  Bei  Stieler  1691.  Mhd. 
dafür  engeisten. 

Entgelt,  n.  Spätmhd.  in  ön  engelt  «ohne 
Kosten».  Das  Wort  ist  urspr.  Mask.,  das 
Neutr.  (nach  Geld)  schon  bei  Ludwig  1716. 
Vgl.  unentgeltlich.  Von  entgelten,  v.:  als 
Schuld  und  Nachteil  tragen.  Mhd.  engelten, 
ahd.  intgeltan;  dazu  and.  and-,  indgeldan  «ent- 
gelten». Bei  entgelten  lassen  steht  der  Akk. 
der  Person  und  gewöhnlich  auch  Akk.  der 
Sache  (auch  mit  Dat.  der  Person  und  Akk. 
der  Sache,  z.  B.  Lessing  1,  537),  während 
mhd.  engelten  län  Akk.  der  Person  und  Gen. 
der  Sache  bei  sich  hat. 

enthalten,  v.:  Halt  gewähren,  aufrecht- 
halten, stützen  (bei  Luther,  mhd.  enthalten 
«Aufenthalt,  Bewirtung  usw.  gewähren»); 
zurückhalten  wovon  (Luther  Weish,  1,  11, 
auch  mhd.);  in  sich  halten  (erst  bei  Ludwig 
1716).  Reo.  sich  e.:  sich  aufhalten  (im  18.  Jh. 
veraltet,  doch  noch  bei  Wieland),  mhd.  «sich 
aufhalten,  behaupten»,  vgl.  Aufenthalt;  sich 
nähren  von  —  (2.  Makk.  5,  27) ;  sich  zurück- 


447 


enthaupten 


entrinnen 


448 


halten  wovon,  den  Gebrauch  wovon  unter- 
lassen» (auch  schon  mhd.).  ABL.  ent- 
haltsam, adj.  u.  adv.,  nach  der  letzten  Bed. 
von  sich  e.  Erst  bei  Steinbach  1734.  Davon 
Enthaltsamkeit,  f.,  1774  bei  Adelung  als 
neu. 

enthaupten,  v.:  durch  Abschlagen  des 
Hauptes  töten.  Mhd.  enthouheten,  daneben 
auch  beJiouieten  und  bloß  Jiotiheten,  ahd. 
houbitöu.  Davon  Enthauptung,  f.,  im 
15.  Jh.  bei  Diefenb.  gl.  91''  entliouptung. 

Enthusiasmus,  m.:  Begeisterung,  Hoch- 
gefühl, Geistesrausch.  Aus  dem  gi-.  ^vöou- 
ciac.uöc  m.  «Begeisterung»,  von  dvGoucidZieiv 
«ein  Gottbegeisterter  (evGeoc)  sein».  Bei 
Luther  «Schwärmerei».  Enthusiast,  m.  {-en, 
PI.  -en).  Aus  gr.  ^veouciacrnc  m.  Bei  Luther 
«Schwarmgeist».  ABL.  enthusiastisch, 
adj.  Nach  dem  gi'.-neulat.  enthusiasticus, 
gr.  ^vöouciacTiKÖc. 

entlang,  adv.  u.  präp.:  nach  der  Länge, 
der  Länge  nach.  Als  Präp.  zunächst  dem 
regierten  Substantiv  nach-,  dann  auch  vor- 
gestellt. Auch  bei  Zeitbezeichnuncren,  z.  B. 
manchen  zu  jugendlichen  Tag  e.  (Goethe  7, 
154);  vereinzelt  mit  dem  Gen.,  z.  B.  entlang 
des  Waldgebirges  (Schiller  Braut  v.  M.  1,  7). 
Zuerst  bei  Frisch  1741,  der  das  Wort  für 
niedersächs.  erkläx*t  und  endlang  schreibt; 
nach  Adelung  1793  und  Heynatz  1796  nur 
im  gemeinen  Leben  üblich.  Es  ist  das  mnd. 
endlang,  asächs.  andlang,  afries.  ondlenge,  ags. 
andlang,  ondlong,  engl,  along,  anord.  aber 
endHangr,  endlangr,  eig.  als  Adj.  «entgeggn- 
reichend,  entgegengewendet»,  aus  etit-  (s.  d.) 
und  lang,  das  zu  gelingen  gehört.  Vgl.  Sievers 
Festgruß  an  Böhtlingk  S.  110.  Wie  afries. 
ondlenge,  ags.  ondlong,  engl,  along  ist  auch 
das  durch  adverbiaHsches  s  erweiterte  mnd. 
entlanges  als  Präp.  verwendet;  daneben  mit 
angetretenem  t  (gleichsam  superlativisch)  ent- 
langest, daher  zuweilen  nhd.  entlängst. 

entlarven,  v.:  der  Larve,  d.  h.  Maske, 
benehmen.  Bei  Krämer  1678,  in  übertragenem 
Sinne  im  18.  Jh. 

entlassen,  v.:  von  sieb  weg-,  fortlassen; 
von  Bindendem,  Verpflichtendem  usw.  frei- 
geben, z.  B.  aus  dem  Dienste  entlassen,  oft 
mit  Gen.  der  Sache  (bei  Krämer  1678,  Lessing 
2,  288).  Refl.  sich  e.  (mit  Gen.) :  sich  wovon 
freimachen  (Lessing  Laokoon  199).  Mhd. 
enÜä^en,  entlän  ist  «fahi-en  lassen,  loslassen, 
lösen ».  S.  auch  Antlaß.  ABL.  Entlassung, 
f.  (Schiller  Kab.  3,  2). 


entlegen,  adj.:  in  weiter  Feme  gelegen, 
weit  abgelegen,  eig.  Part.  Prät.  von  entliegen, 
mhd.  entligen  «nieder  liegen»,  in  md.  Quellen 
auch  «fern  liegen». 

entlehnen,  v.:  auf  Wiedergabe  nehmen; 
(bildl.,  z.  B.  von  SchriftsteDem)  nicht  als 
sein  Eigen  anführen.  Mhd.  entlehenen,  ahd. 
intlehanön,  ndl.  ontleenen.    Zu  leihen  (s.  d.). 

entleiben,  v.:  des  Lebens  (vgl.  Leib) 
berauben,  töten.     ^Ihd.  entliben. 

entleihen,  v.:  auf  Wiedergabe  nehmen. 
Mhd.  entVihen  hat  auch  die  Bed.  «auf  Wieder- 
gabe dargeben»,  ahd.  intliJian  nur  diese  Bed. 

entloben,  v.:  die  Verlobung  aufheben. 
ABL.  Entlobung,  f.  Beides  junge  Bil- 
dungen, die  die  Wörterbücher  nicht  ver- 
zeichnen. 

entmannen,  v.:  der  Mannheit  berauben, 
gänzlich  schwächen.  Bei  Krämer  1678,  mhd. 
entmannen  ist  «der  Mannschaft  berauben». 

entnehmen,  v.:  wegnehmen,  mhd.  ent- 
nemen,  ahd.  intneman  «entgegen,  zu  sich 
nehmen»  (mhd.  Geld  aufnehmen,  leihen);  (mit 
Akk.  der  Person)  entledigen  (bei  Luther); 
erschließen,  erkennen  (von  Adelung  1774  noch 
als  selten  bezeichnet). 

Entoutcas  (spr.  qtukä),  m.  (PI.  mit  ge- 
sprochenem s):  Schirm  gegen  Regen  und 
Sonne.  Aus  franz.  en  tout  ras  «in  jedem 
Fall».     In  der  neuern  Sprache. 

eütpuppen,  refl.  v.:  aus  der  Puppe 
(Schmetterlingslarv^e)  hei-vorgehen.  Bei  Campe 
1807,  in  übertragner  Bed.  «sich  als  den  zeigen, 
der  man  eigentlich  ist»  erst  in  der  neuem 
Sprache. 

entraten,  v.:  entbehren,  nicht  haben. 
Mhd.  zuweilen  entraten  (häufiger  seit  dem 
16.  Jh.),  öfter  geraten  «Mangel  haben»  (auch 
rät  hän  eines  Dinges,  wo  rät  «Abhilfe,  Be- 
freiung, Unterlassung,  Entbehrung»). 

Entree,  n.  (PL  -s):  Eintrittsgeld;  Vor- 
zimmer; Vorspeise.  Aus  franz.  entree  f.  von 
entrer  v.  «eintreten»,  das  dem  lat.  inträre 
«eintreten»  entstammt.     Ln   17.  Jahrh. 

entrichten,  v.:  (fdlhges  Geld)  bezahlen. 
Im  16.  Jh.;  mhd.  entrihten,  ahd.  intrihten 
dagegen  ist  «in  rechte  Ordnung  bringen, 
schlichten,  entscheiden»  (so  noch  bei  Luther), 
daneben  mhd.  auch  «vom  rechten  Wege  ab- 
bringen». 

entrinnen,  v. :  entfliehen.  Mhd.  entrinnen, 
ahd,  intrinnan,  zusammenges.  mit  einem  als 
einfaches  Verbum  nicht  erhaltenen  Irinnen, 
ahd.  trinnan,  s.  trennen. 


449 


entrüsten 


entwenden 


450 


entrüsten,  v.:  außer  Fassung  (Bereit- 
schaft) bringen:  aufbringen,  zornig  machen. 
Refl.  sich  e.:  aufgebracht,  zornig  werden. 
Mhd.  entrüsten  «der  Rüstung  entkleiden,  der 
Rüstung  benehmen»,  bildl.  s,  v.  a.  «außer 
Fassung  bringen»,  bei  Luther  und  H.  Sachs 
(Fab.  232,  6)  s.v.  a.  «erzürnen».  ABL.  Ent- 
rüstung, f.    Bei  Rädlein  1711. 

entsagen,  v.:  (mit  Dat.,  seltener  Gen.) 
sich  lossagen  von  — ,  auch  refl.  sich  e. 
(Lessing  2,  484).  Mhd.  entsagen  (auch  «auf- 
kündigen, Fehde  ansagen»),  ahd.  intsagen; 
refl.  mhd.  sich  entsagen  mit  Gen.,  Dat.  oder 
Präp.  «sich  wovon  losmachen,  entziehen». 
ABL.  Entsagung,  f  Bei  Stieler  1691  in 
der  jetzigen  Bed. 

Entsatz,  m.  (-es):  gewaltsame  Befreiung 
von  einer  Belagerung;  Mannschaft  zu  solcher 
Befreiung.  In  der  1.  Bed.  um  1600  auf- 
kommend,.auch  bei  Comeniusl640  verzeichnet 
ffrüher  Entsatzung).     S.  entsetzen. 

Entscheid,  m.  {-es,  PI.  -e).  Im  15.  Jh., 
daneben  auch  entschid  m.  Von  entscheiden, 
V,:  richterlich  zum  Austrag  bringen ;  endgültig 
bestimmen.  Refl.  sich  e.:  zur  endgültigen 
Bestimmung  gelangen.  Mhd.  entscheiden  ist 
«unterscheiden,  sondern,  entscheiden,  beschei- 
den». Das  Part.  Prät.  entschieden  als  Adj.: 
festbestimmt,  ausgemacht;  fest  im  Entschluß. 
Am  Ende  des  18.  Jh. 

entschlagen,  refl.  v.  (mit  Gen.):  sich 
entschieden  entäußern.  Mhd.  sich  entslahen, 
sich  entslän:  trans.  entslahen,  entsiän  «be- 
ginnen, wovon  losmachen,  befreien». 

entschließen,  v.:  des  Schließens  (Ge- 
schlossenseins) benehmen,  mhd.  entslie^en,  ahd. 
intslio^an.  Refl.  sich  e. :  aus  dem  Geschlossen- 
sein heraustreten,  mhd.  sich  entstiegen;  den 
festen  Vorsatz  an  den  Tag  legen  (in  der 
frühnhd.  Kanzleisprache,  auch  bei  Luther). 
Davon  das  Part.  Prät.  entschlossen  als  Adj. : 
den  festen  Vorsatz  habend  (Fischart  Ehez. 
Q  8^).  —  Entschluß,  m.,  bei  Krämer  1678, 
während  Entschließung,  f.,  schon  bei  Opitz 
Argenis  1,  707  steht. 

entschlüpfen,  v.:  mit  Geschwindigkeit 
und  unbemerkt  entgehen,  entgleiten.  Mhd. 
entslüpfen,  ahd.  intslupfen. 

entschnicken  (Goethe  4,  46),  s.  Schnick. 

entschuldigen,  v.:  der  Schuld  benehmen, 
uam.  durch  Worte.  Bei  Luther  entschuldigen. 
Mhd.  entschuldigen,  auch  entschulden  «von 
einer  Schuld  freisprechen». 

entsetzen,  v. :  aus  dem  Besitz  einer  Sache 

Weigand,  Deatsches  Wörterbuch,    ö.  Aufl. 


bringen,  mhd.  entsetzen,  ahd.  insetzen  «durch 
Hilfe  wovon  befreien,  bes.  von  feindlicher 
Belagertmg»  (auch  schon  mhd.),  s.  Entsatz; 
(bildl.)  vor  Furcht  oder  Abscheu  außer  sich 
bringen  (mhd.  vereinzelt  «außer  Fassung 
bringen»).  Refl.  sich  e.:  vor  Fui-cht  oder 
Abscheu  außer  sich  kommen»,  mhd.  sich  ent- 
setzen «sich  scheuen»,  üblicher  entsitzen  «in 
Furcht  sein»,  eig.  «aus  dem  Sitz,  der  Ruhe 
kommen»,  wovon  entsetzen  das  Faktitiv  ist. 
Der  Inf  als  Subst.  Entsetzen,  n.  Bei  Luther, 
mhd.  dafür  entsetzunge  f.  ABL.  entsetz- 
lich, adj.  u.  adv.:  außer  sich  bringend  und 
verabscheuenswert.     Bei  Luther. 

entspinnen,  v.:  zu  spinnen  anfangen.  Refl. 
sich  e.:    den  Anfang  nehmen.      Bei  Luther. 

entsprechen,  v,  (mit  Dat.):  gemäß  sein. 
Mhd.  eyitsprechen  «entgegnen,  antworten»  usw., 
in  der  jetzigen  Bed.  bei  Keisersberg  und 
spätem  Alemannen.  Das  von  Wieland,  z.  B. 
Suppl.  4,  56  gebrauchte  Wort  wurde  1759 
von  Lessing  6,  31  als  empfehlenswert  be- 
zeichnet und  kam  danach  bald  in  Aufnahme. 
Davon  das  Part.  Präs.  entsprechend,  zu- 
erst im  DW.  ohne  Beleg. 

entspringen,  V. :  hervorspringen;  den  Ur- 
sprung haben;  (dui'ch  Springen)  entkommen. 
Mhd.  entspringen,  ahd.  intspringan. 

entstehen,  v.:  wegstehen,  fernbleiben, 
ermangeln,  mhd.  entstän,  entsten,  in  md. 
Quellen,  und  bis  ins  18.  Jh.  üblich  bleibend, 
z.  B.  bei  Wieland,  Lessing  (Minna  4,  8),  Voß, 
Schüler,  doch  von  Adelung  als  selten  be- 
zeichnet; zu  stehen,  zu  sein  beginnen  (auch 
schon  mhd.).  Offenbar  liegen  bei  e.  Zusammen- 
setzungen  mit   den  Präp.  ent-  und  in-  vor. 

entstellen,  v.:  aus  der  rechten  Stelle 
bringen,  verunstalten.     Mhd.  entstellen. 

entweder,  nur  mit  nachfolgendem  oder: 
das  eine  von  beiden.  Mhd.  eintweder,  aucli 
schon  entwedei',  der  Akk.  des  Zahlpron.  eint- 
weder «eins  von  beiden»,  als  Partikel  einem 
nachfolgenden  oder  gegenüber;  hervorge- 
gangen aus  eindeweder,  d.  i.  em  mit  dem  bei 
Xotker  vorkommenden  deweder  «irgendeiner 
von  zweien»,  ahd.  steht  in  gleicher  Bed.  ein- 
wedar.     S.  weder. 

entweichen,  v.:  sich  forteilend  entziehen: 
unvermerkt  von  der  Stelle  weichen.  Mhd. 
entwichen,  ahd.  inticlhhan,  ndl.  ontwijken. 

entwenden,  v.:  wegwenden,  in  dem  refl. 
sich  e.  (5.  Mos.  23,  15);  entziehen,  von  je- 
mand sich  heimlich  aneignen,  mhd.  entwen- 
den <ia.hyv  enden,  abwendig  machen,  entziehen». 

29 


451 


entwerfen 


Epigramm 


452 


entwerfen,  v.:  bildend  leicht  (in  um- 
rissen) von  sich  geben  (hinwerfen).  Mhd. 
entwerfen  zunächst  von  der  Bildweberei  ge- 
braucht, dann  s.  v.  a.  «zeichnen,  malen,  ge- 
stalten». —  Entwurf,  m.  Im  17.  Jh.,  bei 
Philander  (Frankf.  1645)  3,  238;  Zesen  Ibr.  153. 

entwickeln,  v. :  auseinander  wickeln  (bei 
Ki-ämer  1678);  aus  verwon-enem,  unvoll- 
kommenem Zustand  genauer  im  einzelnen 
gestalten  (erst  im  18.  Jh.,  bei  Adelung  1774). 
ABL.  Entwicklung,  f.  Bei  Adelung  1774, 
in  der  Bed.  «Erklärung,  Deutung»  schon  1645 
bei  Zesen  adriat.  Rosenmund  240. 

entwischen,  v. :  mit  größter  Geschwindig- 
keit entgehen.  Wndi. entwischen,  ahd.intwisken. 

entwöhnen,  v.  (mit  Gen.):  aus  der  Ge- 
wohnheit kommen,  nicht  mehr  in  Gewohn- 
heit haben  (Goethe  Faust  4405,  Schiller  Pico. 
1,  3).  Mhd.  entwonen,  ahd.  intwonen,  zu- 
sammenges.  mit  dem  in  gewohnen  stecken- 
den wohnen. 

entwöhnen,  v.:  von  der  Gewohnheit, 
bes.  von  der  Mutterbrust  abwenden  und  sie 
vergessen  machen.  Bei  Luther  enticehnen 
und  entwenen;  im  17.  Jh.  meist  entwöhnen 
(Krämer  1678).  Mhd.  entwenen,  ahd.  int- 
tvennen.     S.  gewöhnen. 

Entwurf,  s.  entwerfen. 

entziffern,  v.:  (Schriftzeichen  usw.)  ent- 
rätseln. Nach  franz.  dechiffrer,  zu  Ziffer, 
das  hier  w^ie  franz.  chiffre  die  Bed.  «geheimes, 
rätselhaftes  Schriftzeichen  >■>  hat.  Bei  Adelung 
1774  entziefern,  1771  bei  Wieland  Amadis 
9,  27  entziffern. 

entzücken,  v.:  im  Geist  oder  Gefühl 
hinreißen.  Mhd.  entzucken,  entzücken  ist  «wo- 
von wegzucken,  wegi'eißen»;  die  jetzige  Bed. 
bei  Luther.  ABL.  Entzückung,  f.  Fiüh- 
nhd.  (bei  Trochus  Prompt.  Ol^  entzuckung 
«extasis»). 

entzünden,  v.:  in  Feuer  setzen.  ]Mlid. 
entzünden,  ahd.  intzunten.  Bei  Th.  Könier 
(Schreckenstein  V  63),  A.  Giün  und  H.  Heine 
im  Part.  Prät.  nach  der  Volkssprache  stark 
flektiert  entzünden. 

entzwei,  adv.:  zerbrochen,  zerrissen.  Mit 
ent  füi-  frühres  en  aus  mhd.  enzwei,  ahd.  in 
zwei,  d.  i.  in  mit  dem  Akk.  Plui\  des  neu- 
tralen zwei,  urspr.  «in  zwei  Teile».  ABL. 
entzweien,  v.:  uneins  machen,  refl.  sich  e.: 
uneins  werden,  spätmhd.  sich  enzweien. 

-enzen,  Ableitungsendung  an  Verben,  bei 
denen  sie  ein  Ahnlichsein,  ein  Hingeneigtsein 
zu   oder   ein  Riechen   und  Schmecken   nach 


dem  mitteilt,  was  das  Stammwort  ausdrückt 
(s.  faulenzen).  Mhd.  -enzen,  ahd.  enzön. 
Material  für  diese  früher  häufigere  Bildung 
bei  Kluge  ZfdW.  6,  40. 

Enzian,  m.  (-5,  PI.  -e):  die  Bitterwurz, 
lat.  gentiana.  Im  15.  Jh.  (Diefenbach.  Gl. 
260  b,  1491  bei  Brack  47);  aber  schon  ahd. 
encian,  genciane.     Aus  lat.  gentiana  f. 

Enzj'klika,  f.  (PI.  -en):  Rundschreiben 
des  Papstes.  Fem.  des  nlat.  Adj.  encyclicus, 
das  auf  gr.  cykukXoc  (s.  d.  f.)  zmückgeht. 

Enzyklopädie,  f.  (PI.  -n)  -.  Lehrkreis  der 
Wissenschaften,  auch  nui*  der  zu  einem  Fache 
gehörigen.  Aus  dem  gleichbed.  franz.  ency- 
clopedie,  das  auf  gr.  eYKUKXoTraibeia  f.  (efKUKXoc 
«kreisförmig»  und  naibeia  «üntenicht»)  zu- 
mckgeht.  Im  18.  Jh.  entlehnt  (in  lat.  Form 
1727  bei  Hübner),  in  kürzrer  Form  bereits 
1582  bei  Hayneccius  Hans  Pfriem  3322  Cyclo- 
pedeyi.,  wie  engl,  cyclopaedia.  ABL.  enzy- 
klopädisch, adj.,  nach  franz.  encyclopedique. 
1772  in  den  Frankf.  Gel.  Anzeigen  583. 

Epaulett,  n.  {-s,  PI.  -en),  Epaulette,  f. 
(PI.  -n):  Achselstück.  Das  gleichbed.  franz. 
epaulette  f.,  Dim.  von  epaule  f.  «Achsel».  Im 
18.  Jh.   entlehnt  (Wagner  Kinderm.  289). 

ephemerisch,  adj.:  einen  Tag  dauernd, 
eintägig,  von  Campe  mit  «dauerlos»  ver- 
deutscht. Aus  gr.  ^qprmepioc,  zusammenge- 
setzt aus  eqp-  (eiTi)  «für»  und  einer  Ableitung 
von-  >T|iiepa  f.  «Tag».      Im   18.  Jh. 

Epidemie,  f.  (PI.  -n)  -.  hen-schende  Ki-ank- 
heit,  Seuche.  Aus  mlat.  epidemia,  dem  Fem, 
des  Adj.  epidemius,  gr.  ^inbriiuioc  «über  ein 
Volk  verbreitete»  (gr.  ^tti  «dai'auf,  daiüber», 
bf|]uoc  m.  «Volk»),  nänil.  vöcoc  f.  «Krankheit». 
Bei  Sperander  1728.  ABL.  epidemisch, 
adj.:  seuchenartig.  Von  Gombert  8,  20  aus 
dem  J.  1681,  epidemialisch  vom  J.  1574  nach- 
gewiesen. 

Epigonen,  Plur.:  Nachgeborene,  Nach- 
kommen. Von  dem  gleichbed.  gr.  ^ttitovoi 
{ini  «darauf,  danach»,  yövoi  PI.  von  tövoc  «Ge- 
borener» zu  YiTveiv  «gebären»).   Bei  Adelung. 

Epigramm,  n.  (-s,  PI.  -e):  Sinngedicht. 
Von  gr.-lat.  epigramma,  gr.  eiriYpom-ia  n.,  eig. 
«Aufschrift»  (von  i-ni  [s.  oben]  und  YpctMM« 
zu  Ypäqpeiv  «schreiben»),  dann  «Sinngedicht».. 
Im  18.  Jh.,  meist  mit  dem  Plm-.  Epigrammen 
(Lessing  12,  119.  8,  469  u.  ö.).  ABL.  epi- 
grammatisch, adj.  Nach  gr.-lat.  epigram- 
maticus.  Bei  Lessing  5,  60,  Aber  epigram- 
matisieren  bereits  1668  bei  Erasm.  Francisci 
ost-  und  westind.  Staats- u.  Lustgarten  1,  ISS'*. 


453 


Epilepsie 


er- 


454 


Epilepsie,   f.    (PI.  -w):   Fallsucht.     Aus' 
givlat.  tpüepsia,   gr.  emXriH'ia  f.  «Anfassen, 
Anfall,  bes.  Fallsucht».    Bei  Wächtler  1711.  ■ 
ABL.  epileptisch,  adj.:  fallsüchtig.    Nach 
gr.-lat.  epilepficiis,  gr.  eiriXriirTiKÖc. 

Epilog,  m.  (-es,  PL  -e) :  Schlußrede,  Xach- 
wort.  Aus  gr.-lat.  epüogus,  gr.  eTriXo-foc  m. 
«Schluß,  Schlußrede*,  aus  ^tti  (s.  o.)  und  Xö-foc 
«Eede».  Im  18.  Jh.,  aber  epilogisieren  bereits 
1581  bei  Joh.  2s  as  examen  concordiae  417. 

episch,  adj.:  das  Heldengedicht  betreffend, 
ihm  angehörig.  Xach  dem  gleichbed.  gi'.-lat. 
epiciis,  gr.  ^itiköc,  von  tiroc  n.  «Wort,  Er- 
zählung», dann  wie  gr.-lat.  ejjos  «Heldenge- 
dicht».    Im   18.  Jh. 

Episode,  f.  (PI.  -/<):  Zwischenhandlung 
in  etwas,  ZwischenspieL  Aus  dem  gleich- 
bed. franz.  episode  m.,  das  auf  gi-.  eireicöbiov 
n.,  eig,  «von  außen  hinein  Gekommenes,  Ein- 
schiebsel, zwischen  den  Chorgesängen  ein- 
geschaltete Handlung»  beruht,  zusammenge- 
setzt aus  eiri  (s.  o,),  eic  «in»  und  einer  Ab- 
leitung von  öböc  f.  «Weg».  Im  18.  Jh.  f Les- 
sing 3,  95;  1727  bei  Hübner  Episodhun). 
ABL.  episodisch,  adj.,  nach  dem  franz. 
episodique.     Bei  Campe  1813. 

Epistel,  f.  (PI.  -n):  Sendschi-eiben,  Brief. 
Als  biblisches  Wort  bei  Luther,  schon  spät- 
mhd.  epAstole  f.,  aus  gr.-lat.  episfola,  gr.  im- 
cToXrj  f.,  eig.  «Übersandtes»,  von  gr.  ^tricTeX- 
Xeiv  «zu-,  hinschicken».  \ 

Epoche,  f.  (PI.  -n):  bedeutsamer  Zeit- 
punkt (in  E.  machfii):  Zeitabschnitt.  Bei 
Hübner  1121  Epocha.  Aus  gr.-mlat,  epocha;  gr. 
^TToxr)  f.,  eig.  «Anhalten.),  dann  (bedeutsamer)  ; 
«Haltpunkt  in  der  Zeitrechnung».  Daraus 
franz.  epoque  f.,  wonach  bei  Klopstock  12,  186 
und  Musäus  Volksm.  4,  120  Epoke. 

Epopöe,  f.  (PI.  -n):  Heldengedicht.  Aus 
gr.  ^TtoTTOüa,  eig.  «Verfertigung  eines  Epos», 
(^noc  s.  Epos  und  n-oüa  zu  -rroieiv  «machen») 
dann  dieses  selbst.    Im  18.  Jh.  (Lessing  5,  56). 

Epos,  n.  fPlur.  Epen):  Heldengedicht,  s. 
episch. 

Eppich,  m.  (-6-,  PI.  -e):  die  auch  die 
Petersilie  und  den  Sellerie  umfassende  Dol- 
denpflanzenart,  lat.  apium,  woher  das  deutsche 
Weit.  Mhd.  epfich.  ahd.  ephih  m.,  daneben 
ohne  die  Ableitung  ahd.  ephi,  mhd.  epfe,  auch 
eppe,  effe  m.  (jetzt  obd.  epf.  epficJt).  Schon 
am  Anfang  des  16.  Jh.  wm-de  das  Wort  auch 
für  Efeu  (s.  d.)  gebraucht, 

Equipage,  f.  (PI.  -«);  Schiffsbesatzung; 
Kriegsgepäck;  Ausriistung  zur  Reise  (Schiller 


Br.  1,  87j;  Eeisegerät.  Kutsche  und  Pferde. 
Aus  franz.  equipage  m.,  von  equiper  (s.  das 
Folg.),  Im  17.  -Jh.  entlehnt,  zunächst  in  den 
drei  ersten  Bedd..  doch  bei  Sperander  1728 
auch  schon  «das  zui'  Reise  nötige  Fuhrwerk 
und  Geräte;..  —  equipiereu,  v.:  ein  Schiff 
ausrüsten  oder  bemannen;  ausriisten,  aus- 
statten, mit  allem  Nötigen  (zunächst  Reise- 
gerät) vei-sehen.  Aus  dem  gleichbed.  fi-anz. 
equiper,  afranz.  esquiper,  von  franz.  esquif, 
span.-poit.  esquife,  ital.  s'-hifo  m.  «Boot»,  die 
auf  unser  Schiff,  nd.  skip  zurückgehen.  1643 
bei  Harsdörffer  Gesprächsp.  3,  430. 

Er,  verküi'zt  aus  Serr  (bei  Lutherj,  in 
Titel  und  Am-ede,  z.  B,  Glück  zu,  Er  König 
(2.  Sam.  16.  16).  !Mit  Flexion  Em,  worauf 
unser  Ehren  vor  Xamen  (s.  Ehre)  zurückgeht. 

er,  sie,  es,  Pronomen  der  3.  Pers,  iihd. 
er,  Fem.  siu,  si,  ]^eutr.  ej,  ahd,  ir,  er  (fränk. 
auch  her,  he),  Fem,  siu,  si,  Xeutr.  i^,  ej; 
dazu  asächs.  he.  hie,  Fem.  siu,  Xeutr.  if,  ndl. 
//()'.  zij.  het,  afries.  hi.  he.  hiu.  hit,  ags.  he. 
heo.  hit,  engl.  he.  she.  if,  anord.  hatin,  Fem. 
hon,  hun  (Xeutr.  fehlend),  schwed.  M.  han. 
F.  hon,  dän,  han,  hun,  got.  is.  si.  ita.  In 
er.  es  liegt  die  Wurzel  i  zugmnde,  die  auch 
in  dem  verwandten  lat.  is,  ea,  iä,  lit.  jis, 
abg.  J/,  aind.  X.  iJ-ihn  erscheint;  sie  gehtauf 
eine  andre  Wiurzel  zurück,  gr.  t]  «die»  (aus 
*sä),  aind.  sjä,  apers.  hjä  «sie».  Schon  mhd. 
auch  substantiviert  der  er.  Der  Xom.  Sing,  er 
in  der  Anrede  kam  (mit  dem  F.  sie)  im  17.  Jh. 
durch  Einfluß  der  französischen  und  italie- 
nischen Gesellschafts-  und  Höflichkeitssprache 
auf  und  zwar  in  Vertretung  von  Herr  oder 
einer  andern  männlichen  Benennung,  sinkt 
aber  im  Lauf  des  18.  Jh.  zur  Anrede  an  eine 
Person  geringen  Standes  herab,  indem  der 
Plur  Sie  als  ehrende  Anrede  an  eine  Per.-on 
von  Stand  dafür  eintrat. 

^er-,  unbetonte,  untrennbare  Partikel,  in 
Zusammensetztmgen  von  Verben,  woraus  dann 
Substantiva  usw.  abgeleitet  werden  können. 
Sie  hat  den  Gnindbegriff'« hervor,  aus»,  woraus 
sich  die  Bed.  des  «herauf,  auf»,  z.  B.  erbauen, 
erwecken,  des  «Beginnens  und  Wei'dens»,  z.  B. 
erblassen,  erblinden,  des  «^viede^»,  z.  B.  er- 
innern, ^'setzen,  des  «zu  sich  her»,  z.  B.  er- 
borgen entwickeln,  sowie  die  Bezeichnung  des 
Beginnes  der  auf  einen  Gegenistand  hin  er- 
gehenden Handlung,  z.  B.  ergreifen,  erzeigen, 
und  endlich  die  Fähigkeit,  transitiven  Begriff 
zu  bewii'ken  oder  doch  hei-vorzuheben,  tmd 
das  momentane  Eintreten  der  Handlung  an- 

29* 


455 


er- 


Erbe 


456 


zudeuten,  z.  B.  erblicken,  erlauben.  Die  urspr. 
mit  der  Partikel  zusammengesetzten  Subst. 
und  Adj.  wahren  dagegen  die  betonte,  ur- 
sprünglichere Form  ur-,  z.  B.  Urahn,  uralt, 
urbar,  Urbild,  Urheber,  Urkunde,  Urlaub,  ur- 
2)lötzlich,  Urquell,  Ursache,  Urschrift,  Ur- 
sprung, Urteil  usw.  In  neuena  Bildungen 
hat  ur-,  mit  Substantiven  verbvmden,  den  Be- 
griff des  Anfänglichen,  Ersten.  Mhd.  er-, 
ahd.  ur-,  ar-,  ir-,  er-;  dazu  asächs.  ä-  (aus 
ar-),  betont  ur-,  ags.  a-,  betont  or-,  anord. 
nur  vor  Substantiven  und  Adjektiven  er-, 
got.  US-,  uz-,  ur-.  Im  Got.  und  Ahd.  auch 
für  sich  stehend,  und  zwar  als  Präp.  mit 
Dat.  in  der  Bed.  «hervor,  aus,  von». 

^er-,  gekürzt  aus  her-,  bei  Luther  erab 
(2.  Mos.  11,  8)  «herab»,  erauf  (2.  Kön.  3,  23) 
«herauf»,  eraus  (2.  Mos.  8,  18;  Jos.  8,  5)  «her- 
aus», erein  (l.  Mos.  27,  5)  «herem»  usw. 

^  -er,  an  Namen  von  Orten,  Gegenden,  Län- 
dern, z.  B.  Frankfurter  Bürger,  das  Mecklen- 
burger Land,  Pfälzer  Weine.  Es  ist  urspr. 
der  Gen.  Plur.  männlicher  Substantiva  auf 
-er  (mhd.  -(cre,  -ere,  ahd.  -äri,  -ari),  z.  B. 
Thüringer  Mark,  ahd.  Duringäro  marca,  d.  i. 
Grenzland  der  Thüringer. 

"-er,  Komparativendung  der  Adjektiva, 
mhd,  -er,  ahd.  -iro  und  -oro,  asächs.  -iro 
(-ero)  und  öro,  ags.  -ra,  anord.  -ri  und  -ari, 
got.  -iza  und  -öza.  Die  Endung  ahd.  -iro 
bewii'kt  Umlaut  des  Wurzelvokals. 

erachten,  v.:  dafür  halten.  Mhd.  er- 
ahten,  ahd.  irahtön  «ermessen,  erwägen,  be- 
stimmen». Davon  der  Inf.  als  Subst.  Er- 
achten n.,  in  meines  Erachtens,  1535  bei 
Micyllus  Tacitus  340%  1545  in  Schertlins 
Briefen  38. 

eräugen,  eräuguen,  s.  ereignen. 

erbarmen,  v.:  zu  tätigem  Mitgefühl  be- 
wegen. Kefl.  sich  e.  und  unpers.  es  erbarmt 
mich  mit  Gen.  des  Gegenstandes  (bei  Luther, 
2.  Mos.  33,  19).  Mhd.  erbarmen  {mich  oder 
mir  erbarmet  ein  dinc,  auch  refl.  sich  er- 
barmen undtrans. «bemitleiden»,  selten  unpers.), 
ahd.  irbarmen,  zurückgehend  auf  ir-bi-armen, 
got.  arman,  s.  barmherzig.  Davon  der  Inf. 
als  Subst.  Erbarmen  n.,  auch  schon  mhd. 
ABL.  Erbarmer,  m.,  mhd.  erbarmcere  m. 
erbärmlich,  adj.  u.  adv.  Mhd.  nur  als  Adv. 
erbermeliche ,  ahd.  (bei  Notker)  erbarmeWi 
«zu  bejammernd».  Erbarmung,  f ,  mhd. 
erbarmunge  f.;  dazu  and.  erbarmunga  f. 

erbauen,  v. :  baulich  bearbeiten,  anbauen ; 
durch    Bau    hervorbringen    oder    gewinnen; 


durch  Bau  auf-,  errichten;  (bildlich)  geistig 
aufrichten  oder  erheben;  durch  Fortpflanzung 
oder  Nachkommenschaft  bestehen  machen 
(1.  Mos.  30,  3,  5.  Mos.  25,  9).  Mhd.  erbüwen, 
erbiuwen,  erbouwen  «an-,  bebauen,  durch  Bau 
hervorbringen,  baulich  aufrichten  (eig.  wie 
bildlich),  beizeiten,  ausrüsten».  Refl.  sich  e. 
«sich  geistig  aufrichten  oder  erheben».  Bei 
Ludwig  1716.  ABL.  erbaulich,  adj.  u. 
adv.  (zu  sich  e.).  Bei  Stieler  1691.  Er- 
bauung, f.     Bei  Stieler  1691. 

Erbe,  m.  (-n,  PI.  -n):  wer  ein  Erbe  zu 
erwarten  hat  oder  übei'kommt.  Mhd.  erbe, 
ahd.  erbo,  eribo,  erbeo,  arbeo  m.;  dazu  anord. 
arfi,  got.  arbja  m.  Von  Erbe,  n.  (-s): 
nachgelassenes  Grundeigentum,  hinterlassenes 
Stammgut;  was  auf  den  Sterbfall  an  einen 
andern  übergeht.  Mhd.  erbe,  ahd.  erbi,  arbi 
n.;  dazu  asächs.  erbi,  ndl.  erf,  ags.  yrfe 
n.,  anord.  (ohne  j-Suffix)  arfr  na..,  schwed, 
arf,  dän.  arv  n.,  got.  arbi  n.  Da  man  mit 
Sievers  Btr.  12,  174  von  dem  Ntr.  Erbe  «be- 
wegliche Hinterlassenschaft»  ausgehen  muß, 
so  kann  man  lat.  orbus  m.  «Waise»,  orbäre 
«verwaist  machen,  berauben»,  gr.  öpcpavoc  m. 
«Waise»  (ohne  Ableitungssuffix  in  öpqpoßörnc 
«Waisen  erziehend»),  altir.  comarpi  «Äüterbe» 
vergleichen;  die  Grundbed.  von  Erbe  wäre, 
«was  zum  Verwaisten  gehört».  Ob  die  Bedeu- 
tung «Vieh»,  anord.  arfr  m.  «Ochse»,  ags.  yrfe 
orfu.  «Vieh»,  aus  der  von  «Erbe»  entwickelt 
ist,  oder  umgekehrt,  ist  nicht  ganz  sicher. 
ABL.  erben,  v.:  eine  Nachlassenschaft  zum 
Besitz  ei'halten;  als  Nachlassenschaft  auf 
jemand  übergehen.  Mhd. -ahd.  erben,  ndl. 
erven,  schwed.  ärfva,  dän.  arve.  erblich, 
adj.  u.  adv.  Mhd.  als  Adv.  erbelichen,  im 
15.  Jh.  auch  als  Adj.  erblich.  Erbin,  f. 
Bei  Pomey  1690,  während  vorher  der  Erbe 
auch  von  der  Erbin  gesagt  wird,  z.  B.  Spr. 
Sal.  30,  23.  Erbschaft,  f.,  mhd.  erbescJmft 
f.  ZUS.  Erbfall,  m.:  Anfall  eines  Erbes, 
mhd.  erbeval  m.  Erbfeind,  m.,  mhd.  erbe- 
vint  m.  Erblasser,  m..-  wer  beerbt  wird. 
1663  bei  Schottel  S.  333.  Vgl.  mhd.  da§  erbe 
län  «das  Erbe  hinterlassen».  Erbschichter, 
m.:  wer  ein  Erbe  ab-,  einteilt  (Luk.  12,  14). 
Mhd.  erscheint  erbeschichtunge  f.  «Erbteilmig», 
vgl.  schichten.  Erbschleicher,  m.:  der  sich 
in  unredlicher  Weise  um  em  Erbe  bemüht. 
1696  bei  Thomasius  Ausübung  der  Sitten- 
lehre 292.  Erbsünde,  f :  die  angebonie 
Neigung  zur  'Sünde  als  Erbe  Adams.  Mhd. 
erbesünde  f. 


457 


erbittern 


Erde 


458 


erbittern,  v.:  zu  Bitterkeit,  Zora  und 
Haß  treiben.  3>Ihd.  erbittern.  ABL.  Er- 
bitterung, f.     Bei  Duez  1664. 

erblassen,  v. :  blaß  werden  (bei  Luther); 
sterben.  \ 

Erblasser,  s.  Erle. 

erbleichen,  v.  (Prät.  erUeichte,  Part,  er- ' 
bleicht i:  bleich  werden;  totenbleich  werden, 
sterben.  Mhd.  erbleichen,  ahd.  irUeihhen.  S. 
-bleichen.  In  gleicher  Bed.  erbleichen,  Prät. 
erblich,  Part,  erblichen,  mhd.  erblichen  «den 
Glanz,   die  natürliche  Farbe  verlieren». 

erblieh,  s.  Erbe. 

erblicken,  v.:   den  Blick  wohin  richten 
und  mittelst  Blickes  wahrnehmen.    Mhd.  er- 
blicken, auch  intrans  s.  v,  a,  erglänzen,  vgl. , 
blicken.  i 

erbosen,  v.:  böse  machen;  böse  werden.} 
Dafür  meist  refl.  sich  e.:  böse  werden,  in 
Bösheit  kommen,  Mhd.  erbosen  ist  wie  das 
einfache  mhd.  bösen,  ahd.  boson  «schlecht  wer- 
den», auch  «Böses  tun»;  die  jetzige  Bed.  bei 
Stieler  1691.  Für  das  trans.  erbosen  wäre 
eig.  erbösen  zu  erwarten,  das  auch  bei  Schottel 
S.  630  steht. 

erbötig,  adj.:  sich  erbietend.  In  der 
frühnhd.  Kanzleisprache  erbötig,  erbütig,  ab- 
geleitet von  frühnhd.  erbot  n.  «Anerbieten», 
daneben  auch  urbütig  (Brant  Laiensp.  V4^), 
abgeleitet  von  mhd.  tirhot  n.   «Anerbieten», 

Erbschaft,  -schichter.  -Schleicher, 
s.  Erbe. 

Erbse,  f.  (PI.  -n)-.  die  Schotenfrucht  lat, 
pisum,  sowie  die  Pflanze  selbst.  Alternhd. 
Erbs  (Erbse  erst  bei  Frisch  1741),  fiüher 
noch  Erbes,  Erbeis  (so  bei  Luther),  mit  b 
für  ursprüngliches  iv  aus  mhd.  arwei^,  erwei^, 
ertci^,  ahd,  arawei^,  araivi^  f. ;  dazu  and.  erit, 
ndl.  erwt,  ert,  anord.  ertr  f.  Plur.,  schwed.  ärt 
m,,  dän.  ert.  Dazu  auch  ohne  Ableitungs- 
endung ags.  earfe  «Erbse»,  das  wohl  direkt 
aus  lat.  ervum  stammt.  Zu  lat.  ervum  n, 
«Hülsenfrucht»,  gr,  ^pdßivGoc  m,,  öpoßoc  m, 
«Kichererbse».  Es  handelt  sich  dabei  um 
ein  uraltes  Kulturwort,  bei  dem  aber  die  An- 
nahme einer  unmittelbaren  Entlehnung  auf 
lautliche  Bedenken  stößt.  Vgl,  Hoops  Wald- 
bäume S,  464. 

Erbsünde,  s.  Erbe. 

Erchtag,  s.  Dienstag. 

Erdapfel  usw.,  s.  Erde. 

Erde,  f  (PI.  -«):  der  Weltkörper,  worauf 
wir  wohnen;  die  Oberfläche  desselben,  worauf 
man  wandelt;  die  von  Meer  umgebene  Ober- 


fläche: der  Stofl"  dieser  <Jberfläche.  Mhd. 
erde,  ahd.  erda  f.:  dazu  asächs.  ertha,  ndl. 
aarde,  ags.  eorde,  engl,  earth,  anord.  jörä, 
schwed. -dän.  jord,  got.  airpa  f.  Der  Dental 
ist  ableitend:  dazu  das  einfache  ahd,  ero,  anord, 
jörfi  m,  «Sand,  Gras»,  die  zu  gr.  6pa  in 
epaZe  «zur  Erde»  stimmen  (aber  nicht  zu  lat, 
arvum  «Pflugland»!  Bei  Luther  flektiert 
Erde  vielfach  schwach,  wie  noch  jetzt  in 
der  poetischen  Sprache,  ABL.  erden,  adj,: 
aus  Erde  (Ton)  gebrannt.  Bei  Luther,  jetzt 
nur  irden  (s,  d,),  erdig,  adj.:  Erde  ent- 
haltend. Im  15.  Jh.  ZUS.  Erdapfel,  m. 
(-.?,  PI.  Erdäpfel):  Knollenfrucht;  Kartoffel. 
Mhd.  ertapfel,  ahd,  erdaphul  m.  «Melone, 
Gurke»,  im  16.  Jh,  von  verschiedenen  KnoUen- 
wurzeln,  die  aus  der  Erde  gegraben  wurden; 
im  17,  Jh.  die  Kartoffel  (P.  J,  Becher  nän*. 
Weisheit  5.  bei  Adelung  1774  als  meißnisch); 
jetzt  findet  sich  E.  besonders  im  Süden,  in 
Mitteldeutschland  wird  Erdbirne  oder  Grund- 
birne  vorgezogen ;  ags,  eor^oeppel  m.,  sowohl 
«Gurke»  als  «Knollenwurzel  (Mandragora)», 
Erdball,  m.,  1774  bei  Adelung  als  dichterisch, 
Erdbeben,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Beben  der 
Erde.  Bei  Luther,  in  altern  md,  Quellen 
ertbiben  n.  Dafür  gewöhnlich  mhd,  ertbidetn 
m.  (noch  jetzt  obd,).  Daneben  mhd.  ertbibe. 
ahd.  ertbiba  f,  und  mhd.  erthibunge,  ahd.  erd- 
bibunga,  ags.  eorßbifung  f.  S.  beben  und  bidmen. 
Erdbeere,  f,:  die  gewürzhafte,  nah  an  der 
Erde  wachsende  Beere,  lat,  fragum,  Mhd, 
ertber,  erdeber,  ahd.ertberi  n,  (s.  Beere):  da- 
zu ndl.  aardbezie  f.,  schwed, -dän,  jordbär. 
Vgl.  Böhtlingk  Idg.  Forsch,  7,  272.  Erd- 
beschreibung, f.,  1561  bei  Maaler  für 
Geographie.  Erdfloh,  m.:  ein  kleiner,  floh- 
artig spi-ingender  Käfer.  1546  bei  G.  Agricola. 
Erdgalle,  f.:  Ij  Tausendgüldenkraut,  wegen 
der  sehr  bittem  Wurzel  (s.  Galle^),  mhd. 
ertgalle,  ahd.  ertgalla  f.,  ags.  eorßgealla  m., 
engl,  earth-gall.  2)  ein  unfruchtbarer  Platz 
in  einem  Acker,  Erdgeschoß,  n.:  unterstes 
Stockwerk  eines  Hauses,  S,  Geschoß  -.  Noch 
nicht  bei  Heynatz  1796  (Adelung  schlug  Erd- 
bau, Campe  u,  a,  Erdraum  für  Parterre  vorj, 
Erdkreis,  m.  Bei  Luther  Erdenkreis.  Erd- 
kunde, f.:  Verdeutschung  von  Geographie. 
1774  bei  Adelung,  Erdnähe,  f :  nächster 
Stand  der  Sonne,  des  Mondes  zu  der  Erde, 
1716  bei  Wolff  math.  Lex.,  mit  dem  Gegen- 
satz Erdferne.  Erdrauch,  m. :  der  Tauben- 
kropf, fumaria  L,  Mhd,  ertroiich  m,,  auch 
mnd.  ertrök  m.    Auch  im  Griechischen  Rauch 


459 


erdreisten 


ergeben 


460 


(kottvöc)  genannt,  weil  der  scharfe  Saft  der 
Pflanze  wie  der  Rauch  Tränen  aus  dem 
Auge  lockt.  Erdreich,  n,:  Gebiet  der  Erde 
(im  Gegensatz  zu  Himmelreich);  Erde  als 
menschlicher  Wohnort;  Erde  als  wasserum- 
flossenes  Land:  Erdboden;  Erde  als  Stoff. 
Mhd.  ertriche,  ahd.  erdrihhi  n.;  dazu  asächs.- 
afries.  ertknki,  ndl.  aardrijk,  ags.  eoränce  n. 
Bei  Luther  auch  mit  Kürzung  des  mhd.  / 
der  zweiten  Silbe  Erdrich.  Erdteil,  m. 
Junge  Bildung  des  19.  Jh.  Erdzunge,  f.: 
zungenai-tig  in  Wasser  sich  erstreckendes, 
langes,  schmales  Stück  Land.  Bei  Hübner 
1745  für  «Isthmus», 

erdreisten,  refl.  v.:  sich  erkühnen.  1599 
bei  Schütze  Preußen  62^,  aber  erst  im  18.  Jh. 
im  Hd.  allgemeiner  geworden.  Früher  mit 
der  Nebenform  erdreustei),  s.  dreist. 

erdrosseln,  v.:  dm-ch  Zudmcken  der 
Kehle  (Drossel,  s.  d.  -)  t'iten.   Bei  Stieler  1691. 

Erdteil,  Erdznnge,  s.  Erde. 

ereignen,  refl.  v. :  als  zeitliche  Erscheinung 
vor  Augen  treten.  Mit  Anlehnung  an  eigen 
aus  mhd.  eräugen,  erougen,  ahd.  irougen 
«sehen  lassen,  erscheinen»,  zusammengesetzt 
mit  dem  von  Auge  abgeleiteten  ahd. -mhd. 
ougen,  got.  augjan.  afries.  auica,  ags.  iewan, 
eatvan  «vor  das  Auge  bringen,  sehen  lassen». 
Schon  am  Anfang  des  16.  Jh.  findet  sich 
ereigen  (bei  H.  Sachs,  Mathesius,  Fischart), 
durch  das  aber  ereugen,  eräugen  nicht  ver- 
drängt wird;  ereignen  neben  eräugnen  bei 
Duez  1652,  allein  angeführt  bei  Krämer  1678, 
doch  hat  noch  Stieler  1691  auch  sich  ereugen, 
Ludwig  1716  e^-äugnen  neben  ereignen,  selbst 
Adelung  1774  eräugenen.  eräugnen,  entscheidet 
sich  aber  1793  für  ereignen,  das  er  schon 
früher  als  vorherrschend  bezeichnet  hatte, 
ebenso  Heynatz  1796.  Doch  findet  sich  er- 
äugen noch  bei  Lessing  3,  39,  Justus  Moser 
Patr.  Phant.  2,  177,  eräugenen  bei  Lessing  2, 
160.  225.  302.  6,  327,  eräugnen  mitunter  bei 
Goethe  3,  284,  Faust  5917,  an  Zelter  2,  454. 
ABL.  Ereignis,  n.  Ahd.  araucnissa  f., 
arougnessi  f.  «das  Sichzeigen»,  mhd.  nicht 
belegt.  1774  Ereignis  f.  (Klopstock  Gelehrten- 
rep.  140,  auch  bei  Musäus,  Miller  usw),  1793 
bei  Adelung  Ereignis  n.,  Heynatz  1796  spricht 
sich  noch  gegen  die  Bildung  aus.  Früher 
wurde  Eräugnung  (Steinbach  1734),  Ereuge- 
nung  (Stieler  1691),  Ereignung  (Krämer  1678) 
dafür  gebraucht:  Eräugung  bei  Lessing  7, 
203  ist  «Vor -Augen -Bringung,  Darstellung 
einer  Handlunsf  zum  Schauen».  ■ 


Eremit,  m.  (-en,  PI.  -en)-.  Einsiedler, 
Klausner.  Aus  dem  gleichbed.  gr.-lat.  eremita, 
gl".  lpr\ii.{xr\c  m.,  abgeleitet  von  ^p>i|Lioc  «ein- 
sam». Bei  Rot  1571,  Heremit  schon  1521 
bei  Judas  Nazarei  58.  ABL.  Eremitage, 
f. :  Einsiedelei.  Mit  Anlehnung  an  lat.  ereniHa 
aus  dem  gleichbed.  franz.  ermitage  m.  Im 
17.  Jh.   (Grimmeishausen  Simpl.  510). 

Eren,  s.  Em. 

erfahren,  v.:  fahrend  erwei-ben;  (bildl.) 
durch  eigne  Anschauung  zukommende  Kunde 
vernehmen.  Mhd.  ervarn,  ahd.  irfaran  «durch- 
ziehen, durchwandern,  erforschen,  erreichen». 
Das  Pai-t.  Prät.  erfahren,  als  Adj.:  be- 
wandert. Im  15.  Jh.  (Voc.theut.  g7a).  ABL. 
Erfahrung,  f.  MhA.ervarunge  f.,  eig. «Durch- 
wanderung», dann  «Erforschung;  Wahrneh- 
mung; Kenntnis»  (so  in  E.  bringen). 

erfinden,  v.:  aus-,  auffinden;  durch  Ver- 
such erkennen,  als  ein  bisher  Unbekanntes 
hervorbringen.  Mhd.  ervinden,  ahd.  irfindan 
«ausfinden,  gewahr  werden».  ABL.  Erfin- 
der, m.,  frühnhd.  Davon  erfinderisch, 
adj.  Bei  Adelung  1774.  erfindlich,  adj. 
Bei  Luther.  Erfindung,  f.  Im  15.  Jh. 
ervindung  f. 

Erfolg,  m.,  1619  bei  Helvicus  Sprach- 
kunst 35.  Vom  älternhd.  erfolgeil  in  der  Bed. 
«eiTeichen»,  mhd.  ervolgen  «erreichen,  erlangen, 
erfüllen»  (mit  Dat.  «zuteil  werden»). 

erfordern,  v. :  verlangen,  bedürfen,  nötig 
haben.  jVIhd.  ervordern  ist  «fordern,  gericht- 
lich verfolgen».  ABL.  erforderlich,  adj.: 
nötig.  1741  bei  Frisch.  Nach  Adelung  obd. 
und  im  gemeinen  Leben.  Erfordernis,  n.  f. 
Bei  Frisch  1741.     Früher  nur  f. 

erfrören,  v.:  erfrieren  machen.  !Mhd. 
ervroeren.  Jetzt  nui-  noch  obd.,  während  in 
der  Schriftsprache  das  intr.  erfrieren  dafür 
eingetreten  ist. 

erfüllen,  v, :  voll  machen ;  zu  Ende  bringen, 
ausführen,  verwirklichen.  Mhd.  ervüllen.  ABL. 
Erfüllung,  f.,  mhd.  ervüllunge  f. 

ergattern,  v.:  heimlich,  spähend  aus- 
findig machen  und  in  seine  Gewalt  bekommen. 
Urspr.  wohl  vom  Geier,  der  seine  Beute  durch 
das  Hühnergatter  erspäht.  Im  16.  Jh.  (D.  AV,  3, 
894  vom  J.  1594).    S.  gattern  und  ausgattern. 

ergeben,  v.:  aus-,  herausgeben;  einträg- 
lich sein,  eintragen  (ui'spr.  wiedergeben.  Auf- 
gewandtes vergelten).  Refl.  sich  e.:  sich 
in  jemandes  'Gewalt  geben;  als  Folge  her- 
vorgehen. Mhd.  ergehen,  ahd.  irgehan;  da- 
zu asächs.  ägetan,  ags.  ägifan,  got.  nsgiban 


461 


ergötzen 


Erker 


462 


«ausgeben,  wiedergeben,  vergelten,  bezahlen, 
erweisen».  Mhd.  sich  ergehen  auch  «sich 
zeigen,  zum  Vorschein  kommen».  Das  Part. 
Prät.  ergeben  als  Adj.:  hingegeben,  sich  hin- 
gebend. Bei  Maaler  1561.  Davon  Ergeben- 
heit, f.,  bei  Steinbach  1734.  ABL.  Er- 
gebnis, n.  (zu  sich  ergehen):  was  sich  als 
Folge  ergibt.  Bei  Campe  1807  als  neues 
Wort  verzeichnet.  Ergebung,  f.:  Übergabe 
einer  Stadt  usw.,  frtihnhd.  (bei  S.  Franck 
Weltb.  18*);  Gesinnung  eines  Ergebenen,  Hin- 
gebung, Geduld,  1691  bei  Stieler.  ergiebig, 
adj.  Bei  Stieler  1691  (doch  «sich  eingebend»), 
bei  Frisch  1741  wie  jetzt,  ältemhd.  dafür 
ergihlich  (Albertinus  Lustg.  5^),  ergehlich 
(Maaler  1561). 

ergötzen,  ergetzen,  v.:  (mit  Gen.)  ent- 
schädigen (Jer.  8,  18):  zu  einem  innerhch 
behaglichen  Wohlgefühle  stimmen.  Mhd.  er- 
getzen, ahd.  irgefzcii  «eines  Dinges  vergessen 
machen,  wofür  entschädigen,  vergüten.  Ge- 
nüge tun,  vergnügen,  vergnügheh  stimmen», 
das  Faktitiv  zu  ahd.  irge^^an  «vergessen». 
Die  Schi-eibung  ergötzen  kommt  schon  im 
16.  Jh.  bei  Oberdeutschen  vor,  im  17.  Jh. 
auch  zuweilen  bei  ^litteldeutschen,  z.  B.  Fle- 
ming Ged.  218,  und  ist  im  18.  Jh.  sehr  ge- 
wöhnlich, doch  schreibt  Adelung  ergetzen. 
während  Heynatz  1796  sich  für  ergötzen  ent- 
scheidet ;  bei  Goethe  ist  in  der  Ausgabe  letzter 
Hand  ergetzen  durchgeführt.  ABL.,  ergötz- 
lich, adj.  u.  adv.,  bei  Luther  ergetzlich.  Da- 
von Ergötzlichkeit,  f.  Schon  im  15.  Jh. 
ergetzlichait  f.  «Vergütung,  Belohnung». 

erhaben,  adj.  und  adv.:  hei-vorragend; 
(abstr.)  unerreichbar  und  so  zu  Ehrfurcht 
und  Bewunderang  stimmend.  Mhd.  erhaben, 
das  Part.  Prät.  von  mhd.  erheben,  ahd.  ir- 
heffen,  asächs.  ähebbian,  ags.  ähebban,  got. 
ushafjan,  «zur  Höhe  heben,  anheben».  Dies 
Part,  ist  sonst  im  Nhd.  durch  erhoben  er- 
setzt (doch  kommt  e.  noch  im  17.  Jh.  z.  B.  bei 
Harsdörfer,  Schupp,  Gryphius  vor),  während 
sich  im  adjektivischen  Gebrauch  e.  erhalten 
hat.  Das  Prät.  von  erheben  lautet  erhob 
und  erhuh  (s.  heben),  früher  auch  erhebte, 
Part,  erhebt  (Luther  Randglosse  zu  Rieht.  11, 
35  hoch  erhebt).  ABL.  Erhabenheit,  f., 
mhd.  erhabenheit  f. 

erhalten,  v.:  aufrechthalten;  in  einem 
Zustand  bewahren :  Unterhalt  geben :  erlangen, 
bekommen.  In  allen  diesen  Bedd.  bei  Luther, 
mhd.   noch  nicht   nachzuweisen. 

Erhart,  Mannsname,  ahd.  Erhart. 


erhärten,  v.:  hart,  fest  machen;  bekräf- 
tigen.    In  der  2.  Bed.  schon  mJid.  erherten, 
doch  noch  von  Adelimg  dem  Obd.  zugewiesen. 
erheben,  s.  erhaben. 
erheblich,  adj.  u.  adv.:  von  Gewicht,  von 
Belang.     Frühnhd.  T Albertinus  Lustg.  203*). 
^Bi.."  Erheblichkeit,  f.,  bei  Stieler  1691. 
erholen,  v. :    (veraltet)    heraus-,   herbei- 
'  holen;    erwerben  (es  erholen  Lessing  3,  62). 
'  Refl.  sich  e. :  sich  verschaffen  (in  sich  Rats 
e.);   Verlorenes,  Versäumtes   zurück-,    nach- 
!  holen,  wieder  einbringen,  gutmachen;  frische 
j  Kraft   gewinnen,    eig.   wohl    «wieder   Atem 
holen».     Mhd.  erholn,  ahd.  irhalön,  irholön, 
refl.  mhd.  sich  erholn.    ABL.  Erholung,  f. 
Bei  Luther. 

erinnern,  v. :  machen,  daß  jemand  wessen 
wieder  inne  wird:  iemand  auf  etwas  auf- 
!  merksam  machen,  bes.  tadelnd.  Refl.  sich  e.: 
\  wieder  inne  werden.  Frühnhd.,  auch  bei 
Luther,  mhd.  dafür  bloß  innern,  ahd.  innarön, 
i  abgeleitet  von  innaro  «der  Innere»,  daneben 
I  mhd.  erinnen  «inne  werden».  ABL.  erinner- 
I  lieh,  adj.  Bei  Stieler  1691.  Erinnerung,  f. 

I  Im   15.  Jh. 

erkalten,  v.:  kalt  werden.  Mhd.  erkalten, 
ahd.  irkalten.  Dagegen  erkälten,  v. :  kalt 
machen,  mhd.  erkelten.  ABL.  Erkältung, 
f.,  bei  Rädlein  1711. 

erkennen,  v. :  durch  Sinji  oder  Geist  wahr- 
nehmen, sich  eines  bereits  Wahrgenommenen 
wieder  bewußt  werden:  seine  Überzeugung 
wovon  dartun,  vgl.  anerkennen;  sich  richter- 
lich äußern ;  beiliegen  (oft  in  der  Bibel).  Mhd. 
erkennen,  ahd.  ar-,  irchennan  in  den  obigen 
Bed.;  ags.  äcennan  «zeugen»,  got.  iiskannjan 
«jemand  etwas  kundtun,  empfehlen».  ABL. 
von  dem  Part.  Prät.  mhd.  erkennet,  erkant: 
erkenntlich,  adj.  u.  adv.:  erkennbar;  Dank- 
barkeit an  den  Tag  legend.  Mhd.  erkantlich 
«erkennbar,  bekannt»,  frühnhd. erA'en^^/cÄ  (voc. 
ine.  teut.  e2''),  älternhd.  oft  erkänntlich;  in 
der  2.  Bed.  im  17.  Jh.  (erkantlich  bei  Grimmels- 
hausen  Simpl.  2,  147,  12  Keller).  Davon  Er- 
kenntlichkeit, f.,  bei  Stieler  1691.  Er- 
kenntnis, f.  n.  Mhd.  erkantnisse  f.  n.  «Hand- 
lung, Begiiff  des  Erkennens»,  bei  Luther  Er- 
kentnis  f.  n.,  auch  im  18.  Jh.  noch  oft  als 
Neutr.,  z.  B.  bei  Haller,  Klopstock,  Schiller, 
Kant,  während  jetzt  (nach  Adelung)  Erkennt- 
nis n.  nur  «nach  Untersuchung  und  Befund 
sich  ergebende  und  ergehende  Bestimmung». 

Erker,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  vorspi-ingen- 
der  Ausbau   oben  an  einem  Hause  oder  an 


463 


erkiesen 


Erlkönig 


464 


der  Vorderseite  einer  Mauer.  Mhd.  ärker, 
erker  m.,  mnd.  auch  arkener,  erkener  m,,  aus 
mlat.  ärcora  f.  von  lat.  arcus  m.  «Bogen»,  im 
Mlat.  auch  s.  v.  a.  «Zimmerwölbung,  bogen- 
förmiges Zimmer». 

erkiesen,  v.:  erwählen.  Mhd.  erkiesen, 
ahd.  irkiosan;  dazu  asächs.  äkiosan,  ags. 
äceosan,  got.  uskiusan.  Die  Flexion  ist  wie 
bei  kiesen  (s.  d.)  stark  (Prät.  erkor,  Part. 
erkoren)  und  schwach. 

erklären,  v.:  klarmachen;  der  Einsicht 
öffnen;  bestimmt  kundgeben.  Mhd.  erMeeren 
«klar,  hell,  deutlich  machen»;  die  3.  Bed. 
frühnhd.  (in  Glossaren  des  15.  Jh.  bei  Diefen- 
bach  168*).  ABL.  erklärlich,  adj.  Bei 
Rädlein  1711.  Erklärung,  f.  Im  15.  Jh. 
(Lexer  Nachtr.  157  vom  J.  1497). 

erklecken,  v.:  wozu  ausreichend  sein; 
zum  Vorteil,  zum  besten  gereichen,  förder- 
hch  sein.  Mhd.  erklecken.  ABL.  erkleck- 
lich, adj.     Frühnhd.     S.  klecken. 

erkohern,  v.:  für  verlorene  Kraft  frische 
sammeln.  Noch  oberdeutsch  und  in  der 
Sprache  der  Bienenzüchter.  Mhd.  erkoheren, 
erkoveren  «erlangen,  gewinnen,  zusammen- 
halten, zu  frischer  Kraft  anregen»,  refl.  «sich 
erholen»,  ahd. irkohorön verlangen,  erreichen». 
Wie  mhd,  koberen,  koveren,  ahd.  kohorön  ent- 
lehnt aus  lat.  recuperäre  «wiedererlangen», 
refl.  «sich  wieder  erholen»,  mlat.  cuperare 
«erwerben»,  woher  auch  afranz.  coubrer  «be- 
kommen», recovrer  und  recouvrer  «wieder- 
bekommen, genesen»,  prov.-span.  cobrar  «be- 
kommen», iproY.  recobrar  und  span.  reco&rarse 
«sich  erholen»,  sowie  mndl.  koeveren  «er- 
werben», ags.  äcofrian  «wieder  genesen», 
engl,  recover  «sich  wieder  aufraffen»,  schwed. 
förkofra  «aufhelfen». 

erkoren,  s.  erkiesen. 

erküren,  neuere  Bildung  (um  1730)  statt 
des  älteren  erkiesen,  s.  küren. 

erkundigen,  v.:  Kunde  wovon  erwerben. 
Mhd.  dafüi-  et^kunden,  dies  noch  bei  Luther 
und  bis  ins  18.  Jh.  neben  erkündigen. 

erlangen,  v.:  abreichend  woran  kommen; 
strebend  erhalten.  Mhd.  trans.  erlangen  «er- 
reichen». 

Erlaß, m.  (-sses,  PI.  -sse):  Nichtanrechnung ; 
zur  Befolgung  Verfügtes  oder  Befohlenes.  Bei 
Adelung  1774  (dafür  ahd.  urlä^  m.  «Entlas- 
sung»). Von  erlassen,  v. :  nicht  anrechnen, 
von  Anzurechnendem  befreien;  von  sich  aus- 
gehen lassen.  Mhd.  erlägen,  erlän,  ahd.  ir- 
lägan  «wovon  freilassen»;  dazu  asächs.  älätan, 


ags.  älätan,  got.  usletan  «ausschließen».  Die 
2.  Bed.  bei  Adelung  1774. 

erlauben,  v.:  Recht  und  Freiheit  geben, 
etwas  zu  tun  oder  zu  lassen.  Bei  Luther, 
auch  sonst  früher  bei  Mitteldeutschen,  erleuben. 
Mhd.  erhüben,  e^iöuben,  ahd.  irlouben;  dazu 
ags.  älyfan,  got.  uslaubjan.  Vgl.  glauben. 
ABL.  Erlaubnis,  f.  Fmhnhd.  (um  1480 
im  Voc.  ine.  teut.  e2^  erlaubniß). 

erlaucht,  adj.:  hoch  und  hen-lich,  als 
Titel,  im  besondeni  bei  Reichsgrafen,  «er- 
haben». Davon  als  Subst.  Erlaucht,  f.: 
Erhabenheit,  Titel  der  Reichsgrafen.  Das 
zum  Adj,  gewordene  Part.  Prät.  von  er- 
leuchten, mhd.  erliuhten,  ahd.  irliuJiten,  mhd. 
(mit  Einführung  des  Rückumlauts)  erlühtet 
(für  erliuhtet),  erlüht,  das  schon  im  14.  Jh. 
als  fürstliches  Titelbeiwort  verwendet  wird, 
ABL.  erlauchtig,  adj.,  mhd.  erliuhtic,  er- 
lühtic  (auch  als  Titel).    Vgl,  durchlaucht. 

erläutern,  v.:  erklären,  klarmachen.  Mhd. 
erliutern  «hellmachen,  erklären»,  von  lauter 
(s.  d.). 

Erle,  f.  (PI.  -n):  der  auf  Sumpfboden 
wachsende  Baum,  lat.  alnus,  Mhd,  erle,  ahd, 
erila,  umgestellt  aus  elira  f,  (s.  Eller);  dazu 
ags,  alor,  engl,  alder,  anord,  ölr  m.,  elrir  m., 
elri  n.  und  mit  Erhaltung  des  sonst  zu  r 
gewandelten  s  ndl,  eis  (s,  Else).  Verwandt 
ist  lat,  alnus  aus  *alsnus  f,,  abg,  jelicha  f, 
«Erle*»,  lit.  eiksnis  m.  «Erle».  ABL.  erlen, 
adj,,  mhd. -ahd,  erlin.   Auch  in  Erlenholz  usw, 

erledigen,  v, :  ledig,  d.  i,  frei,  leer  machen, 
mhd.  erledigen  «völlig  zu  Ende  bringen»  (erst 
von  Adelung  1774  als  obd.  angeführt). 

erlegen,  v.:  niederlegen,  zu  Falle  bringen, 
mhd.  erlegen  «bezahlen»,  eig.  «auf  den  Zahl- 
tisch legen»  (fmhnhd.). 

erleiden,  s.  leideyi. 

erlesen,  adj.:  ausgesucht,  ganz  vorzüglich. 
Frühnhd.,  eig.  Part.  Prät.  von  erlesen,  mhd. 
erlesen,  ahd.  irlesan  «auslesen,  das  Beste  her- 
auslesen». 

erliegen,  v.:  danieder  liegen,  völlig  bis 
zum  Nichtwiederaufstehen  entkräftet  werden 
wovon.  ÄIhd.  erligen,  ahd.  irliggan,  irligan, 
ags.  alicgan. 

Erlkönig,  auch  Erlenkönig,  m.:  Elfen- 
könig. Beide  1779  von  Hei'der  in  seinen 
Volksliedern  gebildet  als  Übersetzimg  des 
dän.  ellekonge,  ellerkonge,  d.  i.  elvekonge,  elver- 
konge  «Elfenkönig,  Beherrscher  der  Elfen»,  in 
welchem  Wort  er  eile  aus  Mitverständnis  für 
eil,  in  Zusammensetzungen  eile  «Erle»  nahm. 


465 


Erlös 


Ernte 


466 


Erlös,  m.  {-es):  das  gelöste  oder  einge- 
nommene G-eld.  Erst  bei  Campe  1807  als 
obd.  angeführt.  Von  erlösen,  in  der  Bed. 
«Geld  gewinnen»,  schon  mhd.  erloesen  auch 
«erzielen,  gewinnen». 

erlöschen,  v.  (Prät.  erlosch,  Part,  er- 
loschen): aufhören  zu  leuchten:  (büdl.j  auf- 
hören sichtbar,  wirksam,  tätig  zu  sein.  Mhd. 
erleschen  (Prät.  erlasch),  ahd.  irlescan.  Da- 
gegen erlöschen  (Prät.  erlöschte,  Part,  er- 
löscht): erlöschen  machen.  Mhd.  erleschen 
(Prät.  erlaschte),  ahd.  irlescan,  irlesken,  das 
Faktitiv  von  irlescan.     S.  löschen. 

Erlöser,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Befreier, 
nam.  von  Christus  als  Befreier  von  der  Sünde. 
Mhd.  erloescere  (auch  bloß  Icescere),  ahd.  ir- 
lösari  m. 

erlnstleren,  retl.  v. :  sich  in  Wohlgefühl, 
heitere  Stimmung  versetzen.  Bei  Luther, 
mit  fremder  Endung,  dagegen  mhd.  erlusten, 
wie  neben  erlusten  bei  Luther;  bei  Maaler 
1561  erlustigen.  ABL.  Erlustlgung,  f., 
1538  bei  Schaidenreißer  Paradoxa  8*. 

ermächtigen,  v. :  wozu  Macht,  Vollmacht 
geben.  Bei  Wieland,  wohl  aus  dem  Obd. 
(noch  nicht  bei  Adelung).  Dagegen  refl. 
sich  e.:  sich  bemächtigen.  Von  Adelung 
1774  als  obd.  angeführt,  noch  bei  Schüler 
(Jungfr.  V.  Orl.  1,^10.     Teil  2,  2). 

ermannen,  refl.  v.:  Mut  fassen,  eig.  zum 
Mann  werden.    Mhd.  (ohne  sicK)  ennannen. 

ermessen,  v.-.  ausmessen,  mhd.  ernie^^en, 
ahd.  irme^^an:  erwägen,  beurteilen.  In  der 
2.  Bed.  in  der  frühnhd.  Kanzleisprache  (Janssen 
Frankf.  Reichskorr.  1,  317),  von  Adelung  und 
Heynatz  noch  als  obd.  empfunden.  Davon 
das  Subst,  Ermessen,  n. 

erniitteln,v. :  feststellen,  ausfindig  machen, 
ausmitteln  (s.d.j.  Erst  um  1800,  bei  Campe  1807 
noch  nicht  verzeichnet.  Früher  in  der  Bed. 
«durch  angewandte  Mittel  möglich  machen», 
1619  bei  Londorp   acta  publica  1,  698  ^ 

ermuntern,  V. :  munter  machen,  erwecken, 
anregen.     Mhd.  ermuntern  «aufwecken».         j 

Em,  Eren,  auch  Ähren,  m.  {-s,  PI.  wie : 
Sg. j :   der  Hausraum    zwischen    der    Haustür 
und   den   Zimmern   desselben   Stockes.     Ln 
westlichen  Süd-  und  Mitteldeutschland,  auch 
Thüringen   üblich  (bei  Schiller  Käuber  4,  4 
Ohm,  Schweiz,  u.  schwäb.  auch  Ervi).    Mhd.  | 
eren,  em  «Fußboden,  Tenne»,  ahd.  arin,  erin\ 
m.  «Fußboden,  Altar»:  dazu  ags.  am  n.  «Haus», 
anord.  arenn,    dän.  arne  m.  «Herd».     Wohl 
urverwandt  mit  lat.  ärea  f.  «Tenne,  innerer 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


freier  Hofraum».  Weiteres  bei  Walde  s.  v. 
ärea,  Meringer  Idg.  Forsch.  17,  122.  Zu- 
weilen auch  ÄJire  f.  (Klopstock  Messias  20, 
144  und   152,  auch  bei  Adelung). 

ernennen,  v.:  zu  einer  Stelle  bestimmen, 
Mhd.  ernennen  «namhaft  machen»;  die  jetzige 
Bed.  bei  Krämer  1678. 

^  Ernst,  das  Appellativum  Ernst  (s.  d.)  als 
Mannesname,   ahd.  Ernust. 

"Ernst,  m.  (-es):  Festigkeit  des  Wülens- 
entschlusses;  Festigkeit  der  Gesinnung.  In 
es  ist,  ivird  Ernst,  mhd.  ynir  ist  ernest,  in 
adjektivische  Bed.  übergehend,  dann  auch 
attributiv  verwendet  «im  Wülensentschlusse 
fest:  scherzlos»  (schon  bei  Luther).  ^Ihd. 
ernest,  ernst  (auch  «Kampf»),  ahd.  ernust  f. 
n.;  dazu  ags.  eornost  f.  «Kampf,  Zweikampf», 
ndl.  ernst  m.,  engl,  earnest  (auch  Adj.).  Ver- 
wandt ist  mit  Vokalablaut  got.  amiba  adv. 
«fest,  sicher»:  femer  vielleicht  aind.  ärnas  n. 
«wallend, flutend,  Woge.  Kampfgewühl,  Strom», 
arnäväs  «wallend,  flutend»,  aw.  armav-  m. 
«Kampf,  Wettkampf»,  Bartholomae  ZfdW. 
6,  355.  ABL.  ernsthaft,  adj.  u.  adv.  Mhd. 
ernesthaft  (auch  «kampfbereit»),  ahd.  ernust- 
haft.  Davon  Ernsthaftigkeit,  f.,  mhd. 
ernesthafticheit  f.  ernstlich,  adj.  u.  adv., 
mhd.  emestlich  auch  «streitbar»,  ahd.  emustlih, 
and.  ernusfHko  (ernstlich,  wirksam). 

Ernte,  f.:  Einsammlung  des  Boden-  oder 
Baumertrags;  die  eingesammelten  oder  ein- 
zusammelnden Früchte;  die  Zeit  der  Ein- 
sammlung: (büdl.)  Gewinn,  Ertrag  wovon. 
Bei  Luther  ernd,  erndte,  sonst  ältemhd.  meist 
Emd,  Emde,  erst  bei  Adelimg  1793  Ernte. 
Mhd.  ernede,  ernde  f.,  hervorgegangen  aus  dem 
Plur.  arnödi  des  ahd.  arnöd  m.,  das  eine  Ab- 
leitung von  dem  Verbum  ahd.  arnon,  mhd. 
arnen,  ags.  earnian,  engl,  earn  ist,  vgL  Mond 
aus  mhd.  mänöt.  Das  gewöhnliche  Wort 
für  Ernte  ist  mhd.  erne  f.  (auch  noch  älter- 
nhd.  und  jetzt  dialektisch),  hervorgegangen 
aus  dem  Plur.  erni  des  ahd.  aran  m.  «Ernte»; 
dazu  got.  mit  dem  lu-sprüngl.  s  asans  f. 
«Erntezeit,  Emtefeld»,  anord.  önn  (aus  *azna) 
f.  «Erntezeit,  Arbeitszeit,  Arbeit».  Dazu  ge- 
hört noch  got.  asneis  m.  «Mietling,  Tage- 
löhner», ahd.  (nait  bewahrtem  s)  asni  m. 
«Mietling»,  ags.  esne  m.  «Knecht,  Jüngling», 
and.  asna  f.  «Lohn,  Abgabe».  Nicht  zu  lat. 
annöna  f.  «Jahresertrag  an  Getreide»,  das 
nur  auf  "^atnona  zurückgehen  kann,  vgl. 
Walde  s.  v.,  vielmehr  zu  apreuß.  assanis 
«Herbst»  (aus  dem  Gotischen?),  ahg.  jeseni 

30 


467 


erobern 


erschrecken 


468 


m.  «Herbst».  ABL.  ernten,  V.  Bei  Luther 
erndten,  dafür  mhd,  amen,  1482  im  Voc. 
theut.  hl*  erneu.  ZUS.  Erntemonat,  m.: 
August.  Ahd.  arcmmcwoth  m.,  die  von  Karl 
d.  Gr.  eingeführte  Benennung. 

erobern,  v.:  durch  (Waffen-)  Gewalt  zum 
Herni  wovon  werden.  Eig.  «der  Obere  wo- 
von werden»,  mhd.  auch  einfach  ohern,  ahd. 
oharon,  spätmhd.  erobern  «übertreffen,  über- 
winden, eriibrigen»,  intr.  «übrigbleiben», 
frühnhd.  dann  «behaupten,  erwerben»  und 
bei  Luther  (auch  eröhern)  in  der  jetzigen  Bed. 

erörtern,  v.:  von  allen  Enden  (Seiten) 
betrachten,  darlegen.  Im  15.  Jh.,  daneben 
auch  bloß  örtern  «genau  untersuchen»,  ab- 
geleitet vom  Plur.  Örter  des  mhd.  ort  n.  m. 
«Spitze,  Ende,  Seite»,  also  eig.  «bis  an  die 
äußersten  Spitzen  verfolgen»,  vgl.  ausecken. 

erotisch,  adj.:  die  Liebe  betreffend.  Nach 
dem  gleichbed.  ,gi\  ^pujtiköc,  von  ^ptur  m. 
«Liebe».     Im  spätem   18.  Jh. 

Erpel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Enterich. 
Ndd.,  schon  mnd.  erpel,  arpel  m.  Vgl.  anord. 
jarpr  «Haselhuhn»,  eig.  «der  Braune»,  ahd. 
erp/'«fuscus»,  russ.  rjahu  «bunt»,  lett.  ierhe  f. 
«Haselhuhn». 

erpicht,  adj.:  durch  Leidenschaft  woran 
gefesselt.  Eig.  vom  Vogel,  der  am  Pech 
(Vogelleim)  hängen  geblieben  ist.  Seit  dem 
17.  Jh.  (Fleming  Ged.  390),  daneben  auch 
verpicht  (Gryphius  Trauersp.  483). 

erpressen,  v.:  durch  Zwang  erlangen, 
1595  bei  Pistorius  anatomia  Lutheri  Vorr. 
54  erbressen. 

erquicken,  v.:  zu  fnschem  Leben  er- 
wecken. Mhd.  erquicken,  auch  erkücken,  er- 
kicken, ahd.  irquicchen,  auch  irchucchen  «wie- 
der lebendig  machen,  vom  Tode  erwecken», 
dann  «erneuern»,  dessen  quicchen  abgeleitet 
von  dem  Adj.  quec  «lebendig»,  s.  auch  keck; 
dazu  asächs.  äquikön,  ags.  äcividan.  ABL. 
erquicklich,  adj.  u.  adv.  Frühnhd.  Er- 
quickung,  f.     Frühnhd. 

erratisch,  adj.:  verirrt,  zerstreut,  bes.  in 
der  Verbindung  erratischer  Block:  Wander-, 
Findlingsblock.  Aus  lat.  e>Täticus  «umher- 
irrend» von  erräre  «irren».  Kunstwort  der 
neuen  Geologie,  durch  Scheffel  allgemein  be- 
kannt geworden. 

erregen,  v.:  rege  machen,  in  Bewegung 
bi"ingen;    (von    Gefühlen   usw.)    hei'vorrufen. 

Bei  Luther.    ABL.  Erregung,  f. 

erreichen,  v.:  bis  woran  reichen;  wozu 
gelancren.     Mhd.  erreichen. 


erretten,  v.:  einer  Gefahr  oder  Not  ent- 
ziehen. IVIhd.  erretten,  ahd.  irretten,  ags.  ähred- 
dan,  urspr.  «heraus-,  wegreißen,  entreißen», 
s.  retten.    ABL.  Errettung,  f.    Bei  Luther. 

Errungenschaft,  f.:  Erwerbung,  Vor- 
teil. Urspr.  Rechtswort,  1663  bei  Schottel 
380  nur  i.  d.  Bed.  «in  der  Ehe  erworbene 
Güter»,  so  auch  bei  Adelung  als  Kanzlei- 
ausdiiick,  die  allgemeine  Bed.  gehört  der 
neusten  Zeit  an,  s.  Ladendorf. 

Ersatz,  m.  (-es).  Im  15.  Jh.  in  der  Schweiz 
ersatz  m.  «gleichgeltende  Strafe»,  erst  nach 
1750  in  der  jetzigen  Bed.  allgemein  gewor- 
den.   Von  ersetzen,  s.  d. 

ersaufen,  v.:  zum  Verderben  saufen 
(Jesaia  28,  7);  in  Flüssigkeit  das  Leben  ver- 
Ueren.  Bei  Luther:  dagegen  mhd.  ersüfen. 
ahd.  irsüfan  «sich  voll  trinken ».  Dazu  als 
Faktitiv  das  schwach  flektierende  ersäufen, 
V.:  ersaufen  machen,  mhd.  ersoufen,  ersöufen, 
neben  mhd. -ahd.  soufen  «ertränken»,  Faktitiv 
von  ahd.  süfan  «saufen»  (s.  d.). 

erschallen,  v.:  einen  starken,  weithin 
gehenden  Laut  zuriick-  oder  von  sich  geben; 
in  solchem  Laute  sich  kundgeben.  Dafür 
mhd.  erschellen  (Prät.  erschal,  Plur.  erschullen, 
Part,  erschollen),  ahd.  irskellan  als  intr.  Ver- 
bum,  das  ein  trans.  erschellen  (Prät.  erschalte), 
ahd.  irskellen  «Schall  hervorrufen»,  und  ein 
seltenes  von  schal  gebildetes  mhd.  erschallen 
«durch  Schall  erwerben»  neben  sich  hat.  Bei 
Luther  im  Präs.  erschallen,  Prät.  erschall, 
seltener  erschallte  (1.  Sam.  4,  5),  Part,  er- 
schollen, sonst  älternhd.  auch  erschellen  im 
Präs.,  3.  Sing,  er  schult,  im  17.  Jli.  von  den 
Schlesien!  gebraucht  und  noch  bei  Adelung 
angefühi-t  (auch  ein  trans.  erschellen,  s.  zei'- 
schellen).  Das  Prät.  erscholl  1663  bei  Schottel 
584  (aber  Konj.  noch  erschülle). 

erscheinen,  v. :  zum  Vorschein  kommen, 
sichtbar  werden,  mhd.  erschinen,  ahd.  irskinan: 
deutlich  werden,  erhellen  (frühnhd.) ;  in  einer 
gewissen  Gestalt  sich  zeigen.  ABL.  Er- 
scheinung, f.,  mhd.  erscMnunge  f. 

erschöpfen,  v.:  ausschöpfen  (mhd.  er- 
sehe}) fen,  1541  bei  Frisius  erschöpfen):  zu 
Ende  bringen;  vollständig  behandeln.  Refl. 
sich  e.:  zu  Ende  gelangen.  Im  17.  Jh.  (1696 
in  Lokmans  Fab.  16). 

erschrecken,  v.  (Prät.  erschrak,  Part. 
erschrocken):  infolge  einer  heftigen  Wirkung 
auf  die  Seele  auf-,  zusammenfahren.  In  nordd. 
Umgangssprache  auch  refl.  (ich  habe  mich  er- 
schrocken, besser  ich  bin  erschrocken).    Mlid. 


469 


erschüttern 


ersuchen 


47u 


erschrecken,  daneben  erschricken,  ahd.  ir- 
scricclian  «aufspringen»,  dann  «erschüttert 
auf-,  zusammenfahren»,  s.  Schreck.  Die  starke 
Flexion  dringt  erst  vom  11.  Jh.  an  durch, 
daneben  noch  mhd.  erschricken  mit  schwacher 
Flexion.  Dazu  erschreckeu,  ^■.  (Prät,  er- ' 
schreckte):  erschrecken  machen,  in  Schrecken' 
setzen.  Mlid.  erschrecken  (Prät.  erschrahfe, 
erschracte),  ahd.  (bei  Notker)  irscrecchen, 
das  Faktitiv  von  irscricclmn.  ABL.  er- 
SChrecklich,  adj.  u.  adv.  Mhd.  erschrecke- 
lieh.  Älternhd.  oft  erschröcklich,  das  auf 
mhd.  erschrockenlich  (vom  Part.  Prät.  er- 
schrocken) zurückgeht.  Erschreckiiis,  f.  n. 
Mhd.  erschrecknis  f. 

erschüttern,  v.:    in  Bewegung  geraten 
(noch   im  18.  Jh.;   bei  Luther   erschüttern); 
in  Bewegung  versetzen.  Mhd,  ohne  AbleituHg 
erschütten,    ahd.  irscutten  «erschüttern,   er- ; 
schüttert -werden».    '  I 

erschwingen,  v.:  schwingend  in  Bewe- 
gung setzen,  mhd.  erswingen;  im  Schwünge 
reichen  (so  mhd.,  auch  büdlich) ;  (von  Kosten) 
«aufbringen»  (Hans  Sachs  4,  343).  ABL. 
erschwinglich,  adj.,  nach  der  letzten  Be- 
deutung des  Verbs,      1774  bei  Adelung. 

ersetzen,  v.:  wiedersetzen,  d.  h.  den 
gleichen  Wert  erstatten.  !Mhd.  ersetzen,  ahd. 
irsetzen  in  dieser  Bed.,  dagegen  ags.  äsettan 
«zusammensetzen,  errichten,  einrichten»,  got. 
ussattjan  «aussetzen,  ausschicken,  draufsetzen, 
pflanzen,  gründen,  zeugen». 

ersprießen,    v.:     wachsend    zur    Höhe! 
sich  heben;  förderlich  sein.    Mhd.  er  sprießen.  : 
ABL.  ersprießlich,  adj.  u.  adv.:  gedeihHch, 
forderlich.     In    der  friihnhd.  Kanzleisprache 
(Janssen  Frankf.  Reichskon-,  1,  502),  1524  von 
Luther  noch  bekämpft  (Bindseil  7,  315). 

erst,   mit   dem   bestimmten  Artikel  der, 
die,   das  erste:    Ordnungszahlwort  von  eins. 
Mit  Präp.  in  attfs  erste,  fürs  erste,  am  ersten, 
zum  ersten  adverbial.    Davon  Akk.  Sing,  des 
Neutr.  erst  als  Adv. :  vor  aUem  andern,  vor  1 
allen  andern ;  vor  allem ;  vor  allem  einmal ;  | 
anfangs;  nicht  friiher;  nicht  weiter  oder  mehr  [ 
als.    Mhd.  erest,  erst,  ahd,  erist:  dazu  asächs. 
erist,  ndl.  eerst,  afries,  erosf,  ags.  (erest,  der 
Superl.   zu   eher,   s.  ehe.     Davon   erstens,  i 
genitivisches    Adv.    für    früheres    am,    zum 
ersten.     Erst  bei  Adelung  als  Wort  des  ge- , 
meinen  Lebens  angeführt,      erstcrer,  der  ' 
erstere.      Mit  Komparativendung  von  erst 
gebildet.    Im  17.  Jh.,  zunächst  ohne  strenge 
Scheidung  von  der  erste,  dann  zum  Hinweis  ; 


auf  das  erste  von  zwei  genannten  Personen 
oder  Dingen  gebraucht.  ABL.  erstlich, 
adv.:  am  ersten,  zum  ersten.  Bei  Luther. 
Erstling,  m.  {-s,  PI.  -e):  das  zuerst  Her- 
vorgebrachte.    Bei  Luther. 

erstatten,  v.:  ergänzend  geben  (bei  Luther); 
schadlos  machend  geben:  überhaupt  geben 
(in  Bericht  e.).  Mhd.  erstaten  «ersetzen». 
S.  statten. 

erstaunen,  v.:  in  Staunen  versetzt  wer- 
den (1541  bei  Frisius  818^);  in  Staunen  ver- 
setzen (zunächst  das  Part.,  erstaunend  «staunen 
machend»  bei  Steinbach  1734  und  Frisch  1741, 
danach  die  übrigen  Formen,  z.  B.  bei  Cloethe, 
SchiUer  usw.).  S.  staunen.  ABL.  erstaun- 
lich, adj.  u.  adv.:  Staunen  eiTegend.  Bei 
Stieler  1691. 

erstecken,  s.  ersticken. 

erstehen,  v.:  sich  erheben,  mhd.  erstan, 
ersten,  ahd.  irstantan,  ebenso  asächs.  ästan- 
dan,  got,  iisstandun:  überstehen,  aushalten 
(friihnhd.);  am  Auktionstisch  stehend  er- 
werben (mhd.  durch  Stehen  vor  Geincht  er- 
werben); überhaupt  erwerben,  kaufen. 

erstens,  ersterer,  s.  erst. 

ersticken,  v.:  l)  intr.  mit  sein:  aus 
Mangel  an  Luft  aufhören  zu  leben.  2)  trans. 
mit  haben:  durch  Entziehung  der  Luft  auf- 
hören machen  zu  leben,  Mhd.  ersticken,  ahd. 
irsticchen  ist  intr.  «ersticken»,  urspr.  wohl 
dui'ch  Steckenbleiben  des  Atems  zum  Tode 
benommen  sein.  Ein  transitives  mhd.  ersticken 
findet  sich  in  der  Bed.  «aus-,  vollstopfen», 
dann  im  Mitteldeutschen  des  14.  Jh.  wie  unser 
transitives  ersticken,  so  auch  von  Luther  ge- 
braucht. Es  verdrängte  das  üblichere  mhd, 
erstecken  (Prät.  erstahte),  das  noch  im  17.  Jh. 
bei  den  schlesischen  Dichtem  und  noch  jetzt 
dialektisch  im   Bayr.  vorkommt. 

erstlich,  Erstling,  s.  erst. 

erstummen,  v.:  stumm  werden  (Luk.  1, 
20).     Mhd.  erstumynen,  ahd.  ir stummen. 

erstunken,  adj, :  übelriechend  geworden, 
in  erstunken  und  erlogen  «verabscheuenswert 
gelogen»  (bereits  bei  Mumer  Geuchm.  46  und 
bei  Luther).  Das  Part.  Prät.  von  älternhd. 
erstinken,  mhd.  erstinken  «in  Gestank  oder 
Fäulnis  übergehen,  stinkend  werden». 

ersuchen,  v.:  aussuchen  (1,  Sam.  13,  14); 
inständig  bitten  (bei  Luther):  in  förmhcher 
Weise  bitten  (aus  der  Kanzleisprache).  Mhd. 
ersuochen  ist  «ausforschen,  ergründen,  unter- 
suchen, heimsuchen»,  ahd,  irsuochen  «ver- 
suchen, ei*proben»,  got.  ussökjan  «untersuchen». 

30* 


471 


ertappen 


£rz 


472 


ertappeil  v.:  wobei  überraschen,  eig.  ifacÄ;f<z^'ei  «rufen»,  wrtcÄiiS  «Geschrei».  ABL. 
mit  der  Hand  fassen,   s.  tappen.     Friihnhd.  i  Erwähnung,  f.,   1607  bei  Sattler. 

erteilen,  V.:  zuteil  werden  lassen.  Mhd.  erwehren,  V.:  (ältemhd.  mit  Dat.  der 
erteilen,  ahd.  irteilen  ist  «ein  Urteil  sprechen,   Pers.)  wovon  abhalten  (l.  Sam.  25,  33),  refl. 


urteilend    zuerkennen,    zusprechen»,    ebenso 
asächs.  ädelian,  ags.  ädcelan.    Vgl.  Urteil 


sich  e.  (mit  Gen.):  abhaltend  (sich  wehrend, 
verteidigend,  schützend),  standhalten  gegen- 


Ertrag,  m.  (-es,  PI.  Erträge):  Gewinn  :  ü^er  — .  Mhd.  erwern,  auch  erwerjen,  er- 
vom  Boden  und  dem,  was  auf  demselben .  ^^,^^^^,^1^^  ahd.  irwerian,  irwerran  (mit  Gen. 
wächst.  Bei  Stieler  1691  (bei  Maaler  1561  oder  Dat.)  «verteidigen,  behaupten  gegen, 
ist  Ertrag  «das  Ertragen,  Aushalten»).  Von  j  yei-w^ehren»;  dazu  ags.  äiverian. 
ertragen  in  der Bed. «eintragen,  einbringen»,  jjrweis,  m.  {-es,  PI.  -e).  Bei  Ludwig 
(bei  Maaler  1561),  der  die  Bed.  «nach  Köi-per- ,  ^^^g  y^^  erweisen,  v.:  durch  Wort  oder 
kraft  tragen»  und  «mit  gefügigem  Aushalten  ^^^  kundtun,  mhd.  erwisen  «anweisen»,  refl. 
tragen»  (bei  Luther)  vorausgeht.  ABL.  er-  ^^^-^^^  kundtun».  Die  Flexion  ist  im  Mhd. 
träglich,  adj.  u.  adv.:  erduldbar,  leidlich,  g^hwach,  so  auch  bei  Luther  und  sonst  älter- 
Nach  der  letzten  Bed.  von  ertragen.  Bei ;  ^^^^  ^^^^-^  ^^g-  Hagedorn),  doch  gibt  schon 
Krämer  1678.  Bei  Maaler  1561  äaiür  ertragen- 1  g^i^ottpi  ißßg  ^^^  starken  Formen  erwies,  er- 
Uch.  Erträgnis,  n.:  Ertrag.  Neues,  bei  j  ^.^^^^  ^^^_  Q.  weisen. 
Campe  1807  noch  nicht  angeführtes  Wort  Erwerh,  m.  (-es).    Bei  Stieler  1601.    Von 

ertranken,  v.:  ertrinken  machen     Mhd.   ^^werhen,  v.:  durchHandeln  erreichen  oder 
ertrenken,  ahd.  xrtrenchen,  das  laktitiv  von  ^ 

ertrinken,  mhd.  ertrinken,  ahd.  irtrinchan 
«in  Flüssigkeit  untergehend  sterben». 

erwägen,  v.:  nach  Wichtigkeit  und  Ge- ,  ,  -,   •      -j     -  ^ 

1    IX      ^        -i'      1J.  i.  ■  .      a      ■  1  ■  1,  i  s.v.  a.  «ersetzen»,  ahd.  triüiaaro?i«  verwerten», 

halt  piiifen.     veraltet  ist  reti.  sich  e.:    sich  i    .  '  .  .       ,  .      ' 

1      i-ni^iio      j.    r  -i.  u      eis.   «entgegen   sem»,    -iviaaron   von   wiaar 

durch  Entschluß  unterfangen;  sich  wessen  be- ,     =. .  ,      ■■  -^  ^      \r,T^      «i  x- 

,  •      1,      /      u  u  •  T    4-1,    \     MUA    «Wider»  abgeleitet.    ABL.  Erwiderung,  f. 

geben,  es  preisgeben  (noch  bei  Luther).    Mhd.  |  j        „    j, 

erwägen  (Präs.  erwige,  Prät.  erioac,  Part.  ^- '_,''.    '  ,  ^    _,     . 

wegen)  «aufwärts  bewegen,  emporheben,  in  \  Erwui,  Mannsname,  ahd.  Erwin. 
Bewegung  setzen,  im  Geiste  hin  und  her  be-  \  erwischeu,  v.:  mit  Geschwindigkeit  fan- 
wegen,  wägend  prüfen»;  refl.  sich  erwegen  gen.  •  ^^lä.  erwischen,  daneben  erwüschen. 
«sich  erheben,  sich  wagend  entschließen»;  Erz,  n.:  metallhaltiges  Gestein,  rohes 
aber  auch  s.  v.  a.  «sich  von  etwas  zurück-  \  Metall;  Metallgemisch,  Kupfermischimg; 
bewegen,  sich  wessen  begeben,  es  preisgeben»,  j  Metallgerät.  Älternhd.  auch  mit  angetre- 
Die  starke  Flexion  ist  im  Präs.  aufgegeben  tenem  t  Erzt  (am  frühesten  1429  erczt  im 
(doch  noch  im  18.  Jh.  erwigt  bei  Drollinger  ,  Lib.  ord.  rer.  18*,  auch  bei  Luther  und 
18,   erwieget   bei  Breitinger  Forts,  der  crit.  1  Mathesius   zuweilen   Erzt),    was    sich    noch 


erlangen,  mhd.  erwerben. 

erwidern,  v.:  wogegen  durch  Wort  oder 
Tat    zumckgeben,      Mhd.    erwideren,    auch 


Dichtk.  97),  Prät.  erwog,  Part,  erwogen  (bei 
Luther  noch  erwegen),  zuweüen  auch  schwach 
erwägte,  erwägt.     S.  wägen. 


manchmal  im  18.  Jh.  findet,  z.B.  bei  Hagedorn 
Werke  1,  34,  Klopstock  Hermann  u.  d.  F.  83, 
Lessing  6,  466.  8,  496,   Wieland  Idris  2,  36, 


erwähnen,  v.:  gedenken,  andeutend  zur  !  Schubart  Ged.  2,  82,   selbst   noch    1799   bei 
Kenntnis  bringen.    Erst  im  17.  Jh.  (bei  Duez  ,  Schüler  11,  296,    Mhd,  erze,  arze,  ahd.  erizzi, 


1642  erwehnen,  schon  1607  bei  Sattler  erwent 
=  gemelt),  im  Mhd.   dafür   gewähenen,  ge- 


arizzi,  aruzzi,   aruz  n.  «Metallschlacke,  un- 
gereinigtes, unbearbeitetes  Metall»,  dazu  and. 


wehenen,  ahd.  giwahannen,  giivahinen  «ein-,arM^m.  «Stückchen  Erz».  Unverwandt  mit 
gedenk  sein,  gedenken»,  mit  dem  Prät.  (ohne  i  mhd.-ahd.  er  n.  «Erz»,  ags.  är,  cer  «Eisen», 
das  dem  Präs,  angehörende  Nasalsuffix)  mhd.  j  engl,  ore,  anord.  eir  n.  «Metall,  Mischmetall», 
geivuoc,  ahd.  giiouog.  Nicht  mit  wähnen  von  |  got.  aiz  n.  «Erz,  Geld»,  die  mit  lat.  aes,  Gen. 
Wahn  gebildet.  Das  für  sich  mcht  vor-  j  aeris  n.  «Mischmetall»,  amd.  äjas,  aw.  ajah-  n. 
kommende  Verb  um  gehört  zu  lat.  vocäre  \  «Eisen»  verwandt,  s.  ehern.  Es  gehört  viel- 
«rufen»,  vöx  (Gen.  vöcis)  f.  «Stimme»,  gr.  leicht  zu  lat.  raudus  m.  «formloses  Erzstück 
OTTO  (Akk.)  «Stimme»,  und  mit  Ablaut  giTocn.  als  Münze»,  lat.  rudis  «roh»,  abg.  ruda  f. 
«Wort»,  eiTTov  «ich  sagte»,  aind.  vac  «sagen,  j  «Erz».  Weiter  klingt- sumerisch  ifn^d« Kupfer» 
reden»,  aor.  ävöcam,  ir.  faig  «dixit»,  apreuß.   an.     Vgl.  noch  Schruder  Reallex.  203. 


473 


Erz- 


es 


474 


Erz-,  erz-  als  untrennbares  erstes  Wort 
einer  Zusammensetzung  bezeichnet  das  Ur- 
sprünglichste, Erste,  Torzüglichste  des  durch 
das  2.  Wort  Ausgediückten.  Mhd.  erze-^ 
erz-  geht,  wie  ndl,  aarts-,  zurück  auf  mlat.  i 
arci-,  lat.  archi-,  gr.  dpxi-,  von  äpxeiv  «der 
Erste  sein,  anfangen».  Es  steht  zunächst  in 
den  Wörtern,  die  den  lateinischen  Bildungen 
mit  archi-  nachgebildet  sind,  z.  B.  Erz- 
bischof ,  mhd.  erzehischof,  ahd.  erzibiscof,  < 
aus  gr.-lat.  archi episcopus  m.:  Erzengel, 
mhd.  erzengel,  aus  gi\-lat.  archangelns  m., 
denen  sich  andre  kii-chliche  Worte  wie  z.  B. 
ErzTater  nach  lat.  patriarcha  m.  anreihen: 
später  auch  bei  Hofämtem,  z.B.  Erzkanzler, 
aus  mlat.  archicanceUarius  m.  und  wegen  der 
Gleichstellung  mit  den  Kurfürsten,  die  als 
Verwalter  der  Eeichserzämter  auch  Erz- 
fürsten  hießen,  Erzherzog  (mlat.  archidiix) 
als  Titel  der  Füi-sten  und  Prinzen  von  Öster- 
reich, der  erst  1453  auf  Anordnung  Kaiser 
Friedrichs  III.  allgemeine  Anerkeimung  fand. 
Im  spätem  Mhd.  werden  mit  erz-  auch 
Spott-  und  Scheltnamen  gebüdet,  zunächst 
für  das  Hofgesinde,  z.  B.  erzhuohe  «archi- 
scurra»,  und  dergleichen  Bildungen  sind  bei 
Luther  sehr  gewöhnlich,  z.  B.  Erzketzer, 
Erznarr,  Erzschalk.  SchließUch  wird  Erz- 

auch  zur  Bildung  von  Adjektiven,  namentlich 
von  solchen  übler  Bed.,  vei'vvendet,  z.  B. 
erzhöse  (bei  Luther),  erzdnmni  usw.  Im 
Grot.  findet  sich  arkaggilns  m.  «Erzengel», 
das  die  Aussprache  des  c  in  mlat.  arci-  als 
Verschlußlaut  voraussetzt,  entsprechend  ags. 
arce- ,  anord.  erki- ,  z.  B,  ags.  arcehiscop, 
anord.  erkibiskup  m.  «Erzbischof»,  schwed. 
ärke-,  däru  erke. 

erzählen,  v.:  in  Worten  darstellen,  bes. 
Begebenheiten.  Fiiiher  (noch  bei  Lessing) 
meist  erzehlen.  Mhd.  erzein,  erzeUen  «der 
Zahl  nach  darlegen,  aufzählen»  (noch  bei 
Luther),  dann  «auseinandersetzen,  ausdiücken, 
ia  Worten  darstellen»:  dazu  ags.  äteUan  «aus-, 
aufzählen».  ABL.  Erzählung,  f.  Im  15.  Jh. 
erzelungef.  (Frankf.ReichskoiT.  2, 186  von  1461). 

erzeigen,  v.:  hervor-,  darzeigen,  sehen 
lassen  (Sir.  36,  7);  sichtbar  zukommen  lassen, 
in  die  Sinne  fallend  zu  erkennen  geben. 
Refl.  sieh  e.     Mhd.  erzeigen. 

^  erzen,  adj.:  von  Erz.  Im  16.  Jh.  ertzin. 
Dafür  meist  ehern,  s.  d. 

"  erzen,  v.:  mit  Er  anreden.  Gebildet  wie 
duzen,  ihrzen.  Im  15.  Jh.  TEschenburgs 
Denkm.  402,  14;. 


erziehen,  v.:  fort-,  wegziehen;  unter 
leiblicher  oder  geistiger  Pflege  aufwachsen 
machen  (vgl.  lat.  edücäre  «erziehen»,  zu 
dücere  «ziehen»).  Mhd.  erziehen,  ahd.  irziohan 
«herausziehen,  aufziehen,  leiblich  großziehen, 
aufnähren,  unter  geistiger  Pflege  heranwachsen 
lassen»,  auch  s. v.a.  «wegziehen»;  dazu  asächs. 
ätiohan  «heranziehen,  gebären»,  ags.  äteon 
«heraus-,  wegziehen,  behandeln,  sich  wohin 
begeben»,  got.  ustiuhan  «hinausziehen,  hinaus- 
führen, vollkommen  machen,  endigen».  Auch 
das  einfache  ahd.  ziohan  bed.  «säugen,  auf- 
nähren», dann  auch  «geistig  nähren»,  d.  h. 
«lehren»,  asächs.  tiohan  «aufziehen».  ABL. 
Erzieher,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.),  bei  Stieler 
1691.  Davon  erzieherisch,  adj.  u.  adv., 
erst  in  der  neuem  Sprache.  Erziehung,  f., 
bei   Stieler  1691. 

erzielen,  V.:  ei-zeugen,  hervorbringen,  mhd. 
erziln :  als  Frucht,  Ergebnis  gewinnen ;  zielend, 
als  Ziel  abreichen  SchiUer  (Br.  v.  M.  1,  7). 

Erzt,  s.  Erz. 

^es,  Xom.  und  Akk.  Sing,  des  neutralen 
Pron.  der  S.Pers.,  in  Verkürzung  angehängt  's, 
s.  er.  In  gewissen  Verbindungen  ist  es  als 
Gen.  Sing,  dieses  Pron.  anzusehen,  entspre- 
chend mhd.  es,  ahd.  is,  es,  asächs.-got.  i~s, 
ags.  his,  z.  B.  Gott  7calte  es,  ich  bin  es  über- 
drüssig,   ehe  ihr    es   euch   verseht  (Wieland 

1,  252),  Sie  sollen  mir  es  noch  Dank  wissen 
(Lessing  2,  400),  er  hat  es  nimniemiehr  Ge- 
winn (Bürger  Leonore  Str.  8),  du  host's 
auch  Ursache  gehabt  (Goethe  Bürgergeneral 

2.  Auftr.),  er  hat  es  gar  keinen  Hehl  (Schiller 
Parasit  5,  3).  Sonst  wird  dies  es  jetzt  durch 
dessen  oder  seiner  verti'eten. 

^es,  's,  in  Volksliedern  geküi"zt  aus  älterem 
sich,  z.  B.  meister  Paul  ist  ers  genant  (Soltau 
1, 146),  mhd.  der  here  ivas  sich  Morolt  genant 
(Eilhart  Trist.  292);  auch  auf  die  1.  und 
2.  Person  bezogen  daß  du  es  [dich]  willst 
scheiden  von  mir  (Erk  Liederh.  28,  vgl. 
Grimm  Gramm.  4,  319). 

^es,  ÖS,  im  Bayr.-Östr.  (z.  B.  es  habts 
«ihr  habt»)  Nom.  u.  Akk.  des  alten  Duals 
der  2.  Person,  jetzt  auch  für  den  Plural 
gebraucht,  mhd.  ej,  ahd.  vermutlich  ij,  alt- 
sächs.-ags.  git,  anord.  it,  später  ^it,  nordfiies. 
jat,  lit.  judii.  Dazu  der  Dat.  und  Akk. 
Duaüs  bayr.-östr.  enk  «euch»,  mhd.  enk,  alt- 
sächs.  ink,  ags.  ine,  anord.  ykkr,  got.  igqis, 
sowie  der  Gen.  bayr.-östr.  enker  «euer»  (zu- 
gleich Possessivpronomen  «euer»),  mhd.  enker, 
ags.  incer,  anord.  ykkar,  got.  igqara. 


475 


Esch 


Esse 


476 


Esch,  m.  n.  (-es,  PI.  -e):  Ortsflui*;  Gesamt- 
heit aneinander  liegender  Äcker,  die  zu  ein 
und  derselben  Zeit  entweder  bebaut  und  ab- 
geerntet oder  als  Brachfeld  benutzt  werden. 
Obd.,  auch  im  westlichen  Niederdeutschland 
(ostfries.  esk  «fruchtbares,  zum  Getreidebau 
sich  eignendes  Land  auf  der  Geest»).  Mhd. 
esch,  zusammengezogen  aus  e^^esch,  e^^isch 
m.,  ahd.  ezzisc  m.;  dazu  got.  atisk  n.  «Saat- 
feld», das  vielleicht  zu  \aX.ador  m.  «Getreide- 
art, Spelt»  gehört.     Anders  Walde  s.  v. 

Esche,  f.  (PI.  -n):  der  Laubholzbaum 
lat.fraxinus;  Eschenlanze.  Mhd.  selten  escÄe  f., 
meist  ascli  m.,  ahd.  ose  (Plur.  esci)  m.;  dazu 
ags.  (BSC  m.,  engl,  ash,  anord.  askr  m.,  schwed.- 
dän.  ask  f.  S.  auch  Asch.  Verwandt  ist 
abg.  jasika  f.,  lit.  fiosis  m.,  preuß.  looasis 
«Esche»,  alb.  ah  m.  (aus  *aska)  «Buche», 
gr.  öEuri  f.  «Buche»  und  weiter  lat.  ornus 
«wilde  Bergesche»,  kymr.  onnen  (aus  *osnen) 
«Esche»,  arm.  hagi  «Esche».  Literatur  bei 
Walde  s.v.  ABL.  escheil,  adj.,  mhd.  esdun, 
auch  in  Eschenholz,  Eschealaub  usw. 

Esel,  ra.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  das  Grautier 
lat.  asinus;  dummer  Mensch.  Mhd.  esel  (auch 
als  Schimpfwort),  ahd.  esil  m.:  dazu  asächs. 
esil,  ndl.  ezel,  ags.  esol,  eosol,  got.  asllus  m. 
Entlehnt  mit  Wandelung  des  ii  in  l,  wie  in 
Kümmel,  Orgel  (s.  d.),  aus  dem  gleichbed, 
lat.  asinus  m.,  das  mit  gr.  övoc  m.  f.  unsichrer 
Herkunft  ist.  Vgl.  Brugmann  Idg.  Forsch. 
22,  197.  Aus  dem  German.  stammt  abg. 
oslM,  lit.  äsilas  m.  Redensarten:  Einem  einen 
E.  bohren  «im  Spott  den  Zeige-  und  kleinen 
Finger  gegen  ihn  ausstrecken  (während  die 
übrigen  drei  eingebogen  werden),  um  die 
Eselsohren  anzudeuten»  (schon  mhd.  einem 
eselören  machen).  Dem  Esel  zu  Grabe  läuten 
«die  hangenden  Beine  vor-  und  zurückbaumeln 
lassen»  (nach  Jer.  22,  19).  ABL.  Eselei,  f. 
(PI.  -en),  mhd.  eseUe.  eselhaft,  adj.,  bei 
Comenius  1640  eselhafftiy,  mhd.  dafür  eselbcere, 
eselisch.  Eselin,  f.  (PI.  -nen):  mhd.  eseliii, 
eselinne,  ahd.esilin,  esilinna,  got.  dafür  asilus  f. 
ZUS.  Eselsbrücke,  f.  (PI.  -//)=  Hilfsmittel 
für  Träge,  um  Schwierigkeiten  zu  überwinden. 
Bei  Günther  462  (ein  Schulfuchs,  der  die 
Eselsbrücke  tritt).  Der  Ausdruck  stammt  aus 
der  scholastischen  Philosophie,  wo  mit  pons 
asinorum  ein  logischer  Mittel begiifl' bezeichnet 
wurde.  Darauf  geht  auch  die  Bed. «  Schwierig- 
keit für  Unwissende»  (bei  Adelung)  und 
«selbstverständliche  Sache»,  wie  franz.  pont- 
anx-oves  zurück.  Esclsolir,  n.  (-es,  PI.  -en). 


mhd.  eseJöre.  esels  öre  n.  In  der  Bed.  «ein- 
geschlagene Ecken  in  Büchern»  schon  bei 
Duez  1664.  Esclswiesc:  Die  Sprechsaal- 
artikel der  Zeitungen.     Etwa  seit  1870. 

Es]i:adr6n,  f.  (PI.  -en,  -s):  Reiterschar, 
Schwadron  (s.  d.).  Aus  franz.  escadron, 
span.  esquadron,  itaK  squadrone  m.  (daher 
bei  Wallhausen  Kriegskunst  zu  Pferd  1616 
S.  13  fg.  Squadron  m.)  «Heeresabteilung», 
von  ital.  squadrare  «viereckig  machen»,  das 
em  mlat.  exqnadrare  (quadrare  von  quadrus 
«viereckig»)  voraussetzt.  Zur  Zeit  des  30- 
jährigen  Kriegs  entlehnt  (belegt  bei  Homburg 
Clio  C  5).     Vgl,  auch  Geschwader. 

eskamotieren,  v.:  verschwinden  lassen, 
dui'ch  Kunstgriff  beiseite  schaffen.  Aus  franz. 
escamoter,  nach  span.-port.  escamotar,  das 
wohl  zumckgeht  auf  span.-port.  escamar  «ab- 
schuppen», im  Port,  auch  «betiügen»,  mlat. 
exsquamare  von  lat.  squäma  f.  «Schuppe». 
Bei  Campe  1801. 

Eskorte,  f.  (PI.  -n):  Schutzgeleit;  Be- 
deckungsmannschaft. Aus  dem  gleichbed. 
franz.  escorte,  ital.  scorta  f.  von  ital.  scorgere 
«wahrnehmen,  .begleiten»,  das  auf  ein  mlat. 
excorrigere  «regieren,  zurechtweisen,  geleiten» 
zurückgeht.      1703  im  Zeitungslex. 

Espe,  f.  (PI.  -n):  hochstämmiger  Baum 
mit  zitterndem  Laube,  Zitterpappel.  Ln 
15.  Jh.  espe  (1469  im  Voc.  ex  quo  und  1482 
im  Voc.  theut.  h.^^)  neben  asjje,  mhd,  aber 
asjye,  ahd.  as2)a  f.;  dazu  ags.  cespe,  engl,  asp, 
anord.  ös^j  f.  und  lit.  apusis,  pr.  abse,  lett. 
apse,  abg.  osina  f.  «Espe».  Vgl.  noch  Liden 
Idg.  Forsch.  18,  490.  ABL.  espeu,  adj., 
mhd.  espin.  Auch  in  den  ZTJS.  Espenlaub, 
mhd.  esptn  loup,  Espenholz,  mhd.  espin  holz. 

eßbar,  s.  essen. 

^Esse,  f.  (PI.  -'0=  Schmiede-,  Feuerhei-d: 
Feuermauer  (Rauchfang)  über  dem  Herde. 
Mhd.  esse,  ahd.  essa  f.  (mit  Umlaut  aus  *assia) 
«Herd  der  Metallarbeiter»;  dazu  schwed.  äsjia  f., 
dän.  esse.  Vgl.  auch  mnd.  ase  f.  «Rauch- 
kammer». Hei'kunft  unsicher;  vielleicht  mit 
Asche  zu  lat.  äridus  (aus  as-)  «trocken»  (eig. 
durch  Hitze)  zu  stellen.  In  der  2.  Bed.  bei 
Ludwig  1716. 

"'Esse,  n.:  ein  Sein  nach  Herzenswunsch,  in 
der  Redensart  in  seinem  Esse  sein.  Der  lat.  Inf. 
esse  alsSubst.  Schon  bei  dem  Mystiker  Eckhart 
entlehnt  isse  «das  Sein»  (er  sitzet  in  sim  isse. 
alle§  in  sich,  niergen  üge)'  sich  121,  14),  mnd. 
so  lange  daf  kloster  in  eße  (Wohlseiu,  Wohl- 
stand) geivesen  Schiller-Lübben  1,  748. 


477 


esseu 


Etikette 


478 


essen,  v.  (Prät.  aß,  Part,  gegessen) :  Nah- ' 
rungsmittel  in  sich  aufnehmen.  Mhd.  e^^en 
(Prät.  rtj,  Part,  gegiert},  ahd.  e^^an;  dazu 
asächs.-ags.  etan,  ndl.  eten,  afries.  eta,  engl, , 
eat,  anord.  eta,  schwed.  äta,  dän.  öde,  got,  j 
itan.  Der  Lautverschiebung  gemäß  stimmend 
mit  dem  gleichbed.  lat.  edere,  gr.  ebeiv,  abg. 
1.  Sg.  jami  (aus  *edmi),  Kt.  edmi  «ich  fresse», 
aind.  admi  «ich  esse».  Das  Part.  Prät,  lautet 
bei  Luther  vereinzelt  schon  mit  nochmals 
vorgetretenem  ge-  gegessen  (Pred.  Sal.  2,  25), 
meist  geessen,  gessen,  wie  auch  Clajus  an- 
setzt; im  17.  Jh.  dringt  gegessen  durch,  doch 
hat  noch  Goethe  aus  der  Volkssprache  gessen. 
Davon  der  Lif.  als  Subst.  Essen,  n.  (-s, 
PI.  wie  Sg.):  Handlung  des  Essens,  aufge- 
tragene Speise;  Mahlzeit.  Mhd.  ej^en,  ahd. 
e^^an  n.  S.  auch  Aas.  ABL.  eßbar,  adj.: 
zum  Essen  tauglich  oder  dienlich.  1482  im 
Yoe.  theut.  hS»  eßper.  ZUS.  Eßlaube,  f. 
(PI.-»):  Speisesaal,  Speisezimmer.  Bei  Luther 
1.  Sam.  9,  22  Esseleuhe,  mhd,  e^^eloube  f. 
«Speisehalle,  Torratskammer»,  S.  Lauhe. — 
Eßlust,  f.  Bei  Stieler  1691,  aber  schon 
1475  clevisch  etensluyst  (Theuton.  93).  Ver- 
deutschung von  Appetit,  die  am  Schluß  des 
18.  Jh.  noch  nicht  durchgedrungen  war 
(Kindleben  1781  führt  Eßlust  unter  den 
Provinzialwörtem  auf).  —  Eßware,  f. 
(PI.  -n).  Bei  Henisch  1616,  wohl  nach  dem 
NdL  (1599  bei  Kilian  107  eetwaere. 

Essenz,  f.  (PI.  -en):  Kraftauszug,  eig. 
das  Wesentliche,  aus  Kräutern,  Früchten  usw. 
Aus  lat.  essentia  f.  «das  Wesen  einer  Sache, 
von  lat.  esse  sein»,  danach  schon  mhd,  essenzje 
(Germ.  18,  272),  in  der  jetzigen  Bed.  im  16.  Jh. , 

Essig,  m.  {-s,  PI.  -e) :  mittelst  Verwesung 
(Oxydation)  des  Weingeistes  (Alkohols)  oder 
mittelst  Zersetzung  durch  Hitze  unter  Ab- 
schluß der  Luft  aus  Pflanzenkörnern  ge- 
wonnene Flüssigkeit.  Spätmhd.  e^^ic,  auch 
im  15.  Jh.  imd  bei  Luther  Essig,  mhd.  aber 
e^^ich  (danach  ältemhd.  Essich,  noch  bei 
Steinbach  1734j,  ahd.  ezzih,  ezzih,  wie  nmd. 
ettik,  ndl.  edik  m.,  schwed.  ättika  f.,  dän. 
eddike  mit  Versetzung  der  Konsonanten 
(gleichsam  *atecum)  aus  dem  gleichbed.  lat. 
acetum  n.,  abgeleitet  von  acere  «sauer  sein», 
das  un versetzt  dem  asächs.  ecid,  ags.  eced, 
got.  akeit  n.,  sowie  auch  abg.  ocUü  m.  zu- 
grunde liegt.  ZUS.  Essigmiitter,  s,  Mutter. 

-est,  Superlativendung,  mhd.  -est,  ahd. 
und  altsächs.  -ist  und  -ost,  ags.  -est  und  -ost, 
anord.  bei  Adj.  -str  und  -astr,  bei  Adv.  -st 


und  -ast,  got.  bei  Adj.  -ists  und  -östs,  bei 
Adv.  -ist.    Das  Suffix  -ist  bewirkte  Umlaut. 

Estrade,  f.  (PI.  -n)-.  mäßig  erhöhter  Teil 
eines  Raumes.  Aus  gleichbed.  franz.  estrade, 
das  über  provenz.  estrada  auf  ein  vulg.-lat. 
'^strata  (lat.  Stratum  n.  «Lager,  Polster»)  von 
sterilere  «hinbreiten»  zurückgeht.  1813  bei 
Campe. 

Estrich,  m.  n.  {-es,  PI,  -e):  mit  Steinen 
ausgelegter  oder  mit  Gips  überzogener  Zimmer- 
boden; ähnliche  Zimmerdecke.  Mhd.  esterich, 
esterich,  estrich,  ahd.  astrih,  estenh  m.  and. 
estrlh  «mit  Steinen  ausgelegter  Fußboden», 
mit  ndl.  estrik  m.  aus  mlat.  astricum,  astra- 
CMwn.  «Steinboden,  Pflaster»,  von  dem  gleich- 
bed. mlat.  astintm  n.;  dies,  im  klassischen 
Lat.  s.  V.  a.  «Sternbild,  Gestirn»,  geht  wohl 
zunächst  auf  die  den  Fußboden  verzierenden 
sternförmig  zusammengesetzten  Steinplatten. 
Vgl.  He3'ne  Hausalt.  1,  78.  251. 

etablieren,  v.:  giünden,  en-ichten;  in 
rechten  Stand  bringen.  Aus  franz.  etablir, 
das  auf  lat.  stahilire  «festmachen,  befestigen» 
zui-ückgeht.  Bei  Wächtler  1711,  1703  im 
Zeitungslex.  «feste  setzen». 

Etage  (spr.  etäze),  f,  (Pl.  -n):  Stockwerk. 
Aus  franz.  etage,  ital.  staggio  m.  «Aufenthalt, 
Wohnung,  Stockwerk»,  das  auf  ein  mlat. 
staticum  n.,  von  lat.  stäre  «stehen,  sich  auf- 
halten» zurückgeht.     Bei  Sperander  1728. 

Etappe,  f.  (PI.  -11):  Verpflegungsort  durch- 
ziehender Truppen;  Rastplatz;  Abstand  von 
einem  Rastplatz  zum  andern.  Aus  franz. 
etape  f.,  ui'spr.  «Ort  des  Mundvorrates  beim 
Marsche,  Warenniederlage,  Stapelplatz»,  afranz. 
estaple  f.,  von  ndl.  stapel.  S.  Stapel.  Bei 
Sperander  1728  in  der  1.  Bed. 

Etat  (sprich  etäh),  m.  [-s,  -s) :  Voranschlag, 
namentlich  des  Staatshaushalts.  Aus  fi'anz. 
etat  m.  «Staat,  Zustand  und  BeschaÖenheit 
einer  Person  oder  Sache»,  in  welcher  Be- 
deutung es  im  17,  Jh.  ins  Deutsche  entlehnt 
wurde.   Die  jetzige  Bedeutung  1791  bei  Roth. 

Ethik,  f.:  Sittenlehre.  Aus  lat.  ethice, 
etliica,  dem  substantivierten  Fem.  des  Adj. 
gv.-\\xi.ethicus,  gi'.fieiKÖc  «sittlich»,  abgeleitet 
von  nGoc  n.  «Gewohnheit,  Sitte».  1663  bei 
Schuppius  955  u.  974.  —  ethisch,  adj.: 
sittlich.  Um  1700  (bei  Thomasius  philosophia 
aulica  126). 

Etikette,  f.  (PI.  -ii):  Bezeichnungszettel 
einer  Ware;  Höflichkeitsföi-mlichkeit.  Aus 
franz.  etiquette  f.,  eig.  «aufgeheftetes  Zettel- 
chen»,   hennegauisch   estiquete   «zugespitztes 


479 


etlich 


£ule 


480 


Hölzchen»,  gebildet  von  nd.  sfe/i;e«Stiftclien». 
In  der  1.  Bed,  in  einem  bayr.  Generalmandat 
vom  26.  Nov.  1701  Arzneietiquetten ,  in  der 
2.  Bed.  im  spätem  18.  Jh.  entlehnt. 

etlich,  pronominales  Adj.  Mhd.  etelich, 
ahd.  etalih,  ettalth,  etilih,  ettilih  «irgendeiner, 
irgendwelcher»,  im  PI.  «einige».  Daneben, 
dem  veralteten  etzlich  entsprechend,  mhd. 
eteslich,  ahd.  eteslih,  etteslih,  eddeslih.  Das 
mit  'lih  (s.  licJi)  zusammengesetzte  ahd.  eddes-, 
etes-,  eta-  gehört  wohl  zu  gotaippau  «oder». 
In  Verbindung  mit  Zahlen  etliche  20,  30  usw. 
«etliche  über  20»,  statt  des  frühern  etlich 
und  zwanzig  usw. 

etsch,  s.  ätsch. 

Etter,  m.  n.  (-s) :  Zaun,  mhd.  eter  vn.  n., 
ahd.  etar  «Zaun»  m.  n.,  asächs.  edor,  ags. 
eodor,  an.  jadarr  m.  «Zaun».  Verwandt  ist 
noch  abg.  odrii,  m.  «Bettgestell»,  czech.  odr 
m.  «Pfahl»,  odry  PI.  «Gerüst  in  der  Scheune». 
Vgl.  Meringer  Idg.  Forsch.  18,  256.   Noch  obd. 

Etui,  m.  (-S,  PI.  -s):  Behältnis.  Das 
franz.  etui,  afranz.  estuis,  span.  estuche  m., 
dessen  Herkunft  unsicher  ist.  Im  18.  Jh. 
entlehnt  (Hermes  Sophiens  Reise  5,  439). 

etwa,  adv.:  irgendwo;  irgend  wohl;  irgend 
einmal.  Mhd.  eteicä,  etwa,  früher  etewär 
«ii-gendwo»,  dann  «irgend  wohl,  vielleicht», 
daneben  mhd.  eteswä,  zusammenges.  aus  et- 
in  etlich  (s.  d.)  und  wä,  war,  s.  wo.  ABL. 
etwaig,  adj.,  bei  He3'natz  1796  als  Wort 
der  Geschäftssprache. 

etwan,  adv. :  irgendwann,  manchmal ;  sonst 
mitunter,  vormals;  irgend  einmal.  Mhd. 
etwan,  etwen,  gekürzt  aus  etewanne,  etewenne, 
ahd.  ettewanne,  eddewanne,  daneben  auch  mhd. 
eteswenne,  ahd.  eddesicanne,  zusammenges. 
aus  et-  in  etlich  (s.  d.)  und  wanne,  nhd.  wann. 
ABL.  etwanig,  adj.  Im  spätem  18.  Jh. 
aufgekommen  (bei  Lessing,  Kant,  Klopstock), 
namentl.  in  der  Geschäftssprache.  Der  Bed. 
nach  auch  zu  etwa  gehörig. 

etwas,  Pron.:  irgendein  Ding;  irgend- 
einiges; (adverbial)  ein  wenig.  Mhd.-ahd. 
etewa^,  das  Neutr.  zu  mhd.-ahd.  etewer,  zu- 
sammenges. aus  ete-  (s.  etlich)  und  wa§,  nhd. 
was.  Daneben  auch  mhd.eteswag,  ahä.etteswag, 
eddeswa^.  Substantivisch  EtwaS,  n.,  1698 
bei  G.  Arnold  geistl.  Liebesfunken  149. 

etwelch,  Pron.:  ü-gendwelch,  irgendein. 
Erst  bei  Stieler  1691,  mhd.  erscheint  dafür 
vereinzelt  in  md.  Quelle  eteswilch. 

etwo,  adv.  (Sir.  24,  11):  irgendwo.  Mhd. 
etewä,  üblicher  etestvä.     S.  etioa. 


Etymologie,  f.  (PI.  -«):  Wortforschung, 
Wortableitungslehre ;  Wortableitung.  Aus 
gr.-lat.  etymölogia,  gr.  eTUjaoXoYia  f.,  zurück- 
gehend auf  das  aus  gr.  Stuiuov  n.  «die  wahre 
Bedeutung  und  Erklärung  eines  Wortes  nach 
seiner  Abstammung»,  dem  Neutr.  des  Adj. 
Itu|uoc  «wahr,  echt,  gewiU»,  und  einer  Ab- 
leitung von  \iy€iv  «reden»  gebildete  Adj. 
^TU|uo\ÖYoc  «Wortableitung  treibend».  1521 
bei  Emser  Quadruplica  C  1^  ethimologeij,  1538 
bei  Franck  Germaniae  chronicon  296*^  Ethi- 
mologi,  im  17.  Jh.  Etymologie  und  Etymologey 
(Moscherosch  Phil.  2,  512).  ABL.  etymo- 
logisch, adj.,  1631  bei  Comenius  Sprachen- 
thür  h  b^.  Nach  gr.-lat.  etymologicus ,  gr. 
^TuiLioXoTiKöc.  etymologisieren,  v.,  1673 
bei  Grimmeishausen  Teutscher  Michel  Kap.  7. 

etzlicll,  s.  etlich. 

euch,  Dat.  u.  Akk.  Plur.  des  substanti- 
vischen Pron.  der  2.  Pers.  Urspr.  nur  Akk., 
mhd.  iuch,  iuwich,  ahd.  iuwih,  dann  aber 
auch  für  die  Dativf'orm  mhd.-ahd.  iu  einge- 
treten. Dazu  ags.  Dat.  eow,  Akk.  eoivic, 
aber  ndl.  u,  asächs.-afries.  iu,  anord.  ydr,  got. 
izwis  für  beide  Kasus. 

euer.  Gen.  Plur.  des  substantivischen  Pron. 
der  2.  Pers.  Mhd.  iuwer,  ahd.  iuwar;  dazu 
asächs.  imvar,  ndl.  uwer,  afries.  iuwer,  ags. 
eower,  engl,  yours,  anord.  yäwar,  ydar,  got. 
izwara.  Davon  euer  als  besitzanzeigendes 
Proij.  Mhd.  iuwer,  ahd.  iuwar-,  dazu  asächs. 
iuwar,  ndl.  uw,  ags.  eower,  engl,  your,  anord. 
yäar,  got.  izwar.  In  ehrender  Anrede  in 
Euer  (älternhd.  Ewer,  daher  gekürzt  Eiv.) 
Wohlgeboren,  Euer  Hochwürden  usw.  erhalten, 
sonst  durch  Ihr  verdrängt. 

euert-,  euret-,  in  euerthalben,  -wegen, 
-willen  u.nd  eurethalben  usw.,  s.  deinet-. 

Eule,  f.  (PI.  -n):  der  Nachtraubvogel, 
lat.  ulula;  dickköpfiger  Nachtschmetterling 
(1721  bei  Frisch  Insecten  3,  Vorbericht  S.  3, 
auch  schon  mud.);  Borstwisch  (nach  nd.  üle, 
z.  B.  bei  Klopstock,  wohl  nach  dem  Aus- 
sehen). In  1.  Bed.  mhd.  iuwele,  w^e,  ahd. 
üwila  f.;  dazu  ndl.  uil  m.,  mnd.-ags.  üle  f., 
engl,  owl,  anord.-schwed.  ugla  f.,  dän.  ugle. 
Daneben  steht  ahd.  (bei  Notker)  hiuwela, 
hüwela  f.,  das  als  diminutive  Ableitung  von 
ahd.  hüwo,  hüo,  asächs.  hüo,  mhd.  hüwe  m. 
«Ohreu^le,  Uliu»  zu  betrachten  ist;  ferner 
noch  ahd.  üfo,  üvo,  mhd.  üve  m.,  nhd.  Auf 
«Uhu».  Wahrscheinlich  ist  die  ganze  Gi'uppe 
lautnachahmenden  Ursprungs.  Siehe  Uhu, 
heulen. 


481 


Enlenspiegel 


exequieren 


482 


Enlenspiegel,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.): 
Schalksnarr,  possenhafter  Mensch.  Von  dem 
bekannten  SchalksnaiTen  Till  IJlenspiegel,  der 
zuerst  1515  erwähnt  wird.  Der  Xame  be- 
deutet nach  Jeep  «verre  podicem»  (zu  eulen 
«reinigen»  und  Spiegel  übertr.  für  «Hinterer»). 
Davon  Eulenspiegelei,  f.  (PI.  -en):  aus- 
gelassen lustiger  Streich. 

Eunuch,  m.  (-en,  PI.  -en) :  Verschnittener. 
Aus  gr.-lat.  eunuchus,  gi*.  eOvoOxoc  m.  Im 
18.  Jh.  entlehnt  (Wieland  Amadis). 

euret-,  s.  euert-. 

eurig,  adj.  Fiühnhd.  (bei  Luther).  Vgl. 
deinig. 

Euter,  n.,  selten  m.  (-s,  PI.  wae  Sg.): 
Milchdiüse  der  Säugetiere.  Mhd.  üter,  iuter  m.  n., 
ahd.  ütar,  ütaro,  ütir  m.;  dazu  and.  ficler  m.,  ndl. 
uider,  uijer  n.,  ags.-afries.  üder  n.,  engl,  udder, 
femer  mit  Ablaut  mnd.  jeder,  afries.  iader  n. 
Der  Lautverschiebung  gemäß  stimmend  mit 
dem  gleichbed.  gr.  ouGap  n.  (mit  Ablaut), 
lat.  über  (mit  h  für  d)  n.,  aind.  üdhar  n. 
Vgl.  auch  lit.  üdrüoti  «ti-ächtig  sein,  Milch 
ins  Euter  bekommen»,  abg.  vym^  n.  (aus 
üdmen)  «Euter». 

Evangelium,  n.  (s,  PI.  Evangelien): 
Lehre  Jesu;  apostolisches  Buch  von  Jesu 
Leben  und  Lehre;  sonntäglicher  Abschnitt 
daraus.  Mhd.  evangeljum,  meist  evangelje, 
evangeli  n.,  ahd.  evangeljo  m,,  got.  aiioaggeljö 
f.  und  aiwaggeli  n.  Aus  dem  kirchhehen 
.gi\-lat.  evangeliuni,  gr.  eüay-f^^iov  n.  «Freuden- 
botschaft», zusammenges.  aus  €u  «gut,  wohl» 
und  einer  Ableitung  von  ä-fY^^oc  m.  «Bote, 
Verküadiger».  Der  deutsche  Ausdruck  dafür 
war  ahd.  gotspel,  engl,  gospel  d.i.  «Erzählung 
[spei  s.  Kirchspiel)  von  Gott».  ABL.  CTan- 
g^lisch,  adj.  Wadi.evayigeliscli,  ahd.  evangelisc 
nach  kirchl.-lat.  evangelicus,  gr.  eüa-ffeXiKÖc. 
Eyangelist,  m.  (-en,  F\.-en),  mhd.  evangeliste 
m.,  von  kirchl.-lat.  evangelista,  gr.  e\)ay(e\icTr\c 
m.,  gebildet  von  eua^Yc^i^iecGai  «frohe  Bot- 
schaft, das  Evangelium  verkündigen». 

eventuell,  adv.:  eintretendenfalls.  Aus 
dem  franz.  Adj.  eventuel  «zufällig,  möglich», 
das  auf  mlat,  eventualis  beruht,  von  lat. 
eventus  m.  «Ausgang,  Begebenheit».  Bei 
Heynatz  1775,  früher  dafür  eventualiter,  z.  B. 
bei  Wächtler  1714. 

evident,  adj.  u.  adv.-.  augenscheinlich, 
sonnenklar.  Aus  gleichbed.  lat.  evidens  (Gen. 
evidentis).     Bei  Nehring  1710. 

Ewer,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  kleines  flaches 
Fahrzeug,    Fischerkahn,      An    der   Nordsee- 

Weigand,  Deatsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


küste.  Mnd.  eve^-,  wahrscheinlich  aus  envare 
(en  «ein»,  var  n,  «Fahrzeug»),  eig.  «Fahr- 
zeug mit  einem  Mast».  Die  vorgeschriebene 
Schreibung  mit  w  ist  also  falsch.  1703  im 
Zeitungslex.  angeführt. 

ewig,  adj.  u.  adv.:  der  Zeit  nach  endlos. 
Mhd.  ewic,  ewec,  ahd.  ewig;  dazu  SiSächs.  ewig, 
ndl.  eeuwig,  schwed.-dän.  (aus  dem  Deutschen) 
evig.  Abgeleitet  von  ahd.  eiva  f.  «Ewigkeit  , 
s.  Ehe.  ABL.  Ewigkeit,  f.,  mhd.  eivicheit, 
ahd.  ewigheit  f. 

exakt,  adj.  u.  adv.:  genau,  pünktlich. 
Das  franz.  exact,  aus  lat.  exactus,  von  exigere 
«hinausführen,  vollenden».  1703  im  Zeitungslex. 

exaltleren,  v.:  die  Begeisterung  wofür 
erhöhen,  überspannen,  überreizen.  Aus  franz. 
exalter,  von  lat,  exaltäre  «erhöhen»  (altäre 
von  altus  «hoch»).     Im  spätem  18.  Jh. 

Examen,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.  u.  Examina) : 
Prüfung.  Das  lat.  exämen  n.  «Untersuchung, 
Prüfung»,  von  exagere,  eaji^ere  «untersuchen». 
Frühnhd.  (Luther  3,  41 1»  Jen.).  ABL. 
examinieren,  v.:  piüfen;  richterlich  aus- 
forschen. Schon  im  14.  Jh.  examinieren, 
aus  lat,  exäminäre. 

Exegese,  f.:  Schrifterklärung.  Aus  gi'. 
ilr\^r[C\c  f.,  von  dEriyeicGai  «ausführen,  aus- 
legen, erklären».  1813  bei  Campe.  —  Exeg^t, 
m,  (n.):  Schrifterklärer.  Aus  sx.  ihx^r\Tr[C  ra. 
1728  bei  Sperander  exegeta. 

Exekution,  f.  (PI.  -en)-.  Vollziehung 
eines  ürteiles,  einer  Leibes-  oder  Lebens- 
strafe; gerichtliche  Zwangshilfe.  Aus  lat, 
execütio,  eig.  exsecütio,  von  exsequi  «etwas 
verabfolgen,  vollziehen».  Fmhnhd.  (Liliencron 
2,  205'',  Reichsordnungen  17*  von  1495,  von 
Gombert  8,  24  aus  dem  J.  1453  nachgewiesen). 

Exempel,  n.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Muster, 
Beispiel.  Mhd.  exempel  n.,  aus  lat.  exemplum 
n.  «Muster».  ABL.  Exemplar,  n,  (-es, 
PI,  -e):  Vorbild:  einzelner  Bild-,  Schrift- 
abdnick.  Mhd.  exemplar  n.  in  der  1.  Bed., 
die  2.  Bed.  1531  bei  Hedio  Josephus  Vorr.  5*. 
Aus  lat.  exemplar  n.  «Muster,  Vorbild,  Ab- 
schrift». Davon  exemplarisch,  adj.  u.  adv.: 
musterhaft:  Beispiel  gebend.  Um  1600  (Alber- 
tinus  weibl.  Lustg.  62^). 

Exequien,  f.  pl. :  Totenfeier.  Aus  gleich- 
bed. lat,  '^exsequiae  f.     Im  17,  Jh. 

exequieren,  v.:  einen  Befehl  usw.  voll- 
ziehen; eine  Schuld  beitreiben;  auspfänden. 
Aus  lat.  exsequi,  s.  Exekution.  In  der 
frühnhd.  Rechtssprache  (Schwartzenbach  Syn. 
84  a), 

31 


483 


exerzieren 


Extrakt 


484 


exerzieren,  v.:  einüben;  Ki-iegs-,  Waffen- 
übung halten.  Aus  lat.  exercere  «üben,  hand- 
haben, betreiben».  Bei  Rot  1571  (belegt  bei 
Fischart  Garg.  288).  —  Exerzitien,  Plur.: 
Übungen,  Waffenübungen.  Aus  lat.  exercitia, 
Plm\  von  exercitium  n.  «Übung».  In  der 
2.  Bed.  1617   bei  Wallhausen  Coi*p.  mil.  83. 

Exil,  n.  (-es,  PI.  -e):  Landesverweisung; 
Verbannung;  Verbannungsort.  Aus  lat.  exi- 
lium  n.  Im  18.  Jh.  Aber  schon  ahd.  ilisili, 
ihseli. 

Existenz,  f.  (PI.  -en):  Dasein,  Bestehen. 
Aus  franz.  existence,  nlat.  existentia  f.,   von 
dem    Part.  Präs.   existens    (Gen.   existentis) 
des  lat.  existere,  eig.  exsistere  «heraustreten,  | 
entstehen».     In  der  philosophischen  Sprache  I 
des   17.  Jh.   (Thomas  Einleit.  36).   —   exi-  j 
stieren,  v. :  ein  Dasein  haben,  bestehen,  leben.  I 
Aus  lat.  existere  (s.  o.).     1714  bei  Wächtler.  1 

exkommunizieren,  v.:  aus  der  kirch- 
lichen Gemeinschaft  ausschließen,  in  den 
Bann  tun.  Aus  lat.  excommunicäre.  Früh- 
nhd.  (bei  Schönsleder  1618). 

Exkrement,  n.  {-es,  PI.  -e):  Auswurf 
des  Leibes;  Auswurfstoff,  Kot.  Aus  lat. 
excrementum  n.,  von  excernere  «aussondern». 
1563   bei  Forer  Pischbuch  114^  Excrement. 

Exmission,  f.  (PI.  -n):  gerichtliche  Aus- 
weisung aus  einer  Wohnung.  Aus  lat.  ex- 
missio  f.  [ex  «aus»  und  missio  f.  von  mitter e 
«schicken».     1710  bei  Nehring  in  lat.  Form. 

exorbitant,  adj.;  übertrieben.  Aus  lat. 
exorhitans,  Part.  Präs.  von  ex-orhitäre  «ab- 
weichen».     1710  bei  Nehring. 

exotischi,  adj.:  ausländisch,  fremdartig. 
Aus  gr.-lat.  exöticus,  gr.  dHiuriKÖc  «auslän- 
disch».    1727  bei  Sperander. 

expedieren,  v.:  abfertigen,  absenden. 
Aus  lat.  expedire.  Bei  Rot  1571  (belegt  bei 
Fischart  Garg.  270).  ABL.  Expedition,  f. 
(PI.  -en):  Abfertigung;  Unternehmung,  Feld- 
zug. Aus  lat.  expedttio  f.  Frühnhd.  (Janssen 
Frankf.  Reichskorr.  1,  770  vom  J.  1509). 

Experiment,  n.  (-es,  PL  -e):  Versuch, 
Erfahrungsversuch.  Aus  lat.  experimentum, 
von  experlri  «versuchen».     Bei  Rot  1571. 

explizieren,  v. :  entwickeln,  auseinander- 
setzen. Aus  lat.  explicäre  «auseinanderfalten». 
Bei  Rot  1571. 

Explosion,  f.  (PI.  -en):  Losknallen,  Spren- 
gung.    Aus  franz.  explosion  f.,  von  lat.  ex- 
plösio  f.    «Ausklatschen»,  zu  explödere  «klat- 
schend hinaustreiben».     Bei  Campe  1801. 
exponieren,  v.;  auslegen;  ins  Deutsche 


übersetzen  (Schiller  Räuber  1,  2);  aussetzen, 
der  Gefahr  aussetzen.  Aus  lat.  expönere 
«aussetzen,  ausstellen,  vorlegen,  beschreiben». 
In  beiden  Bed.  frühnhd.  (in  der  ersten  bei 
Luther  4,  349^  Jen.,  in  der  zweiten  Fast- 
nachtsp.  804,  10). 

Export,  m.  (-es,  PI.  -e):  Warenausfuhr. 
Aus  engl,  export,  das  auf  lat.  exportäre 
«hiaausschaffen»  zumckgeht.  Bei  Campe  1801. 

expreß,  adj.  u.  adv.:  ausdrücklich,  be- 
sonders. Aus  lat.  expressus  (als  Adv.  expresse) 
«ausgedrückt,  deutlich».  Im  17.  Jh.  Davon 
der  Expresse:  der  eigene  Bote.  Nach 
franz.  expres  «besondre]-  Bote».  Bei  Krämer 
1678  ein  Exp'esser. 

Expropriation,  f.  (PI.  -en) :  Enteignung. 
Aus  gleichbed.  franz.  expropriation  f.,  von 
expropiier  v.,  wovon  expropriieren,  zu- 
sammenges.  aus  lat.  ex  «aus»  und  proprius 
«eigen».     Beide  bei  Campe  1813. 

exquisit,  adj.:  ausgesucht,  vorzüglich. 
Aus  lat.  exquisUus,  Part.  Prät.  von  exqmrere 
«ausforschen,  untersuchen».  Bei  Wächtler  1714. 

extemporieren,  v.:  nach  Zeit  (lat.  ex 

tempore)  und  Gelegenheit  aus  dem  Stegreife 
tun  oder  machen.     Neue  Bildung. 

extern,  exern,  v.:  kleinHch  quälen, 
necken.  Md.  und  nd.  Wort.  Bei  Kindleben 
1781  angeführt.  Vermutlich  ausgegangen  von 
ecken  (vgl.  die  Zusammensetzung  Jiohnecken 
und  das  eughcdge  «schärfen,  erbittern,  reizen»), 
weitergebildet  zunächst  eclcsen,  wie  necksen 
aus  necken,  dann  ecksern  (thür.  auch  ecksein), 
eckstern.  Andre  knüpfen  an  nd.  ekster  «Elster», 
dann  «schwatzhafte,  zanksüchtige  Person»  an. 

extra,  adv.:  nebenbei,  besonders;  außer- 
ordentlich. Das  lat.  extra  «außerhalb,  außer». 
Auch  adj.,  z.  B.  etwas  Extraes,  und  in  ZUS. 
z.  B.  extrafleißig,  Extrapost  «außerge- 
wöhnliche und  schnelle  Post»  (bei  Aler  1727). 
Es  erscheint  zuerst  in  der  Verbindung  extra- 
ordinari,  z.  B.  Albertinus  Lustg.  201*,  auch 
bei  Henisch  1616  angeführt,  dann  als  Subst. 
in  der  Bed.  «besondre  Kosten»  (Moscherosch 
Phil.  1,  432,  Schupp  1,  456),  ferner  als  Adv. 
in  extra  gehen  «auf  Nebenwege  geraten» 
(Fleming  162),  bei  Sperander  1728  extra 
1  brauchen  «was  man  nicht  an  ordentlichen 
!  Ausgaben  vertut». 

Extrakt,  m.  (-es,  PI.  -e):  das  Ausge- 
i  zogene;  Kraftauszug.  Aus  nlat.  extractum, 
,  dem  substantivierten  Neutr.  von  extractus, 
I  Part.  Perf.  Pass.  von  lat.  extrahere  «heraus- 
!  ziehen».    Von  Gorabert  8,  25  aus  dem  J.  1585 


485 


extravagant 


Fach 


486 


bei  Cureus  Chronik  Vorr.  nachgewiesen;  vgl. 
noch  ZfdW.  1,  356. 

extraTagänt,  adj.  u.  adv.:  ausschweifend, 
phantastisch,  seltsam.  Aus  mlat.  extravagans 
(Gen.  extravagantis).  IS'ach  Kluge  1599  bei 
Heß  Judengeissel  k6. 

Extrem,  n.  (-es,  PI.  -e):  Übertreibung. 
Aus  lat.  extremum  «das  Äußerste»,  dem  sub- 
stantivisch gesetzten  Neutr.  des  Superlativs 
extremus  «der  Äußerste»,  extrem,  adj.  u. 
adv.  Aus  lat.  extremus.  Im  17.  Jh.  ABL. 
Extremität,  f.  (PI.  -en):  Endpunkt;  Ent- 
scheidungspimkt,  letzte  Zuflucht;  äußerstes 
Glied,  nämlich  Hand  und  Fuß.  Aus  lat. 
extremitäs  f.  (Gen.  extremitätis)  «das  Äußerste, 
Ende».  1694  bei  Nehring  in  der  1.  und  2.  Bed., 
1626  Extremitet  «äußerste  Not»  (Londorp 
acta  publica  2,  1317*). 

exzellent,  adj.  u.  adv.:  sich  auszeichnend, 
hen-lich.  Aus  franz.  excellent,  von  lat.  excellens 
(Gen.  excellentis),  Part.  Präs.  von  excellere 
«hervon'agen,  sich  auszeichnen».  Um  1600 
üblich  (H.  V.  Braunschw.  227).     ABL.  Ex- 


zellenz, f.  (PI.  -en):  HeiTlichkeit,  Ehren- 
titel von  Ministern  usw.  Aus  lat.  excellentia, 
franz.  excellence  f.  Bei  Rot  1571,  als  Titel 
1617  im  Teutschen  Michel  49  angeführt. 

exzentrisch,  adj.:  eig.  vom  Älittelpunkte 
(lat.  centruni)  abweichend,  dann  irre  kreisend, 
alle  Regel  überspringend.  Nach  franz.  excen- 
trique  «ausschweifend,  überspannt».  1714  im 
Math.  Lex.  eccentrisch,  als  astronomisches 
Wort  in  der  eigentlichen  Bed.,  dann  im 
18.  Jh.  auch  übertragen. 

exzerpieren,  v.:  schriftlich  ausziehen. 
Aus  lat.  excerpere  «pflückend  auslesen,  aus- 
wählen», um  1700  (Günther  778).  Exzerpt, 
n.  (-es,  PI.  -e) :  Auszug.  Das  Part.  Perf.  Pass. 
lat.  excei~ptiim  n.  von  excerpere.  1791  bei 
Roth  der  Plui-.  Excerpte. 

Exzeß,  na.  (-es,  PI.  -e):  Hei'ausgehen  aus 
den  Grenzen  einer  Sache;  Unfug.  Aus  lat. 
excessus  m.  «Herausgehen,  Abschweifung», 
von  excedere  «abschweifen».  Frühnhd.  als 
rechtliches  Wort  (Luther  5,  102^  Jen.),  auch 
bei  Rot  1571  verzeichnet. 


f,  der  sechste  Buchstabe  des  Alphabets. 
Die  Redensart  «aus  dem  if  (effeff),  tüchtig», 
rührt  von  dem  Zeichen  fif  für  ital,  fortissimo 
«sehr  stark»,  in  der  Musik  her. 

Fabel,  f.  (PI.  -n):  erdichtete  Erzählung, 
insbes.  auf  Grund  eines  allgemeinen  mora- 
lischen Satzes.  Mhd.  fabele  f.  «(unwahre) 
Erzählung,  Märchen,  Unterhaltung»,  aus  lat. 
fabula  f.  «Rede,  Erzählung,  Sage,  Märchen», 
von  lat.  färi  «kundtun,  sagen».  ABL.  fabel- 
haft, adj.  u.  adv.:  der  Fabel  angehörig;  er- 
dichtet; unglaublich.  Bei  Rädlein  1711  in 
der  1.,  2.  Bed.  Dafür  im  16.  Jh.  fabulisch, 
fabulosisch  (Gomberi  8,  25).  fabeln,  v.: 
Fabeln  machen;  überhaupt  erdichten;  phanta- 
sieren (Goethe  Faust  2962);  mhd.  fabeln.  Da- 
neben fabulieren,  v.,  frühnhd.  (1516  bei 
Altenstaig),  aus  lat.  fäbuläri  «sich  unter- 
halten». Fabelei,  f,  mhd.  fabelte,  favelie. 
ZUS.  Fabeldichter,  m.,  1495  in  der  Kölner 
Gemma  71  ^  Fabelhans,  m.:  Erfinder  un- 
wahrer Geschichten,  Aufschneider,  Schwätzer. 
1617  im  teutschen  Michel  29. 

Fabrik,  f.  (PI.  -en)-.  Werkstätte,  Werk- 
anstalt, in  der  Arbeiter  in  gi-ößerer  Anzahl 
einander  in  die  Hände  arbeiten.    Aus  franz. 


fahrique  f.,  von  lat.  fabrica  f.  «Kunst,  Kunst- 
übung, Ausübung  der  Baukunst,  Werkstätte», 
gebüdet  von  lat.  faber  m.  «arbeitender  Künst- 
ler». 1721  bei  Jablonski  Fabric,  schon  1714 
bei  Wächtler  in  franz.  Form  Fabriqiie,  im 
15.  Jh.  fabricke  f.  «Gewerkskasse».  ABL. 
fabrizieren,  v.,  aus  lat.  fabricäre  «verfer- 
tigen, bilden»,  bei  Wächtler  1714.  Fabri- 
kant, m.  (-en,  PI.  -en),  aus  dem  Part.  Präs. 
lat.  fabricans  (Gen.  fabricantis),  bei  Ludwig 
1716  Fabricant.  Fabrikat,  n.  (-es,  PI.  -e), 
aus  dem  Neutr.  des  Part.  Perf.  Pass.  lat. 
fabricätum.     Neue  Bildung. 

fabulieren,  s.  Fabel. 

Facette,  f.  (PI.  -n):  geschlifiene  Rauten- 
oder Seitenfläche.  Aus  gleichbed.  franz.  facette 
f.,  abgeleitet  von  face  f.  «Antlitz,  vordere 
Seite»,  das  dem  lat.  fades  f.  «Angesicht»  ent- 
stammt.    1791   bei  Roth. 

Fach,  n.  (-es,  PI.  Fächer):  durch  Balken 
u.  dergl.  gebildete  Abteilung  der  Wand;  um- 
schlossene Abteilung  wovon,  eig.  wie  bildl.; 
Fanghürde,  Fanggeflecht  für  Fische  und  Vögel. 
Mhd.  vach  n.  «Abteilung  einer  Räumlichkeit; 
Behälter;  Mauer;  Mauerteil;  Heerteil;  ArtBe- 
kleidungs-,  Rüstungsstück ;  Falte  des  Schleiers, 

31* 


487 


-facii 


fade 


488 


Hemdes;  Fanggeflecht  im  Wasser;  Schwelle 
im  Wasser  zum  Stauen»,  ahd.  fah  n.  «Mauer»; 
dazu  asächs.  fak  in  jukfak  n.  «Umzäunung 
eines  Joches  Landes»,  ndl.  vak,  afries.  fek, 
ags.  fmc  n.  «Eaum,  Zwischenraum,  Zwischen- 
zeit», anord.-got.  fehlend,  dän.  fag  n.  aus  dem 
Deutschen.  Es  stimmt  zu  gi-,  irci-m  f.  «Schlinge, 
Fischreuse,  Schlagbauer,  Fangkäfig»  und  gr. 
TTtiTvüvai,  XoX.pangere  «festmachen,  befestigen»; 
weiter  gehört  fügen  (s.  d.)  hierher.  Die  Grund- 
bed.  der  Wui-zel  war  wohl  «in  die  Erde  ein- 
rammen», vgl.  Meringer  Idg.  Forsch.  16,  176, 
Die  übertragene  Bed.  «begrenztes  Wissen- 
schaftsgebiet» kommt  erst  um  die  Mitte  des 
18.  Jh.  auf  und  wird  noch  1755  von  Dom- 
blüth  86  bekämpft. 

-fach,  in  Verbindung  mit  Zahlwöi-tern : 
in  soviel  Abteilungen  genommen,  als  das 
Zahlwort  anzeigt,  z.  B.  ein-,  zwei-,  mannig-, 
vielfach.  Mhd.  -vacli  in  zinvach,  manecvach 
(in  spätem  md.  Quellen)  ist  erstarrter  Akk. 
Flur,  des  Subst.  vach,  s.  Fach  (eine  geniti- 
vische Verbindung  ist  mhd.  einer  vacher 
« dreimal j  dreifach).  Verwandt  ist  gr.  -iial 
in  ätiat  «einmal».     Vgl.  -fall. 

Fachbaum,  m.  Baum,  der  bei  einer 
Mühle  oder  einem  Wehr  das  Wasser  vor  dem 
Geriime  in  der  vorgeschriebenen  Höhe  hält. 
Mhd.  vächboitm  m.,  zu  vähen  «fangen». 

fächeln,  v.:  gelind  an-,  zuwehen.  1537 
bei  Schaidenreißer  Odyssea  22%  bei  P.  Fleming 
363  fächeln  (144  das  Fecheln),  bei  Stieler 
1691  als  fecheln  verzeichnet.  Abgeleitet  von 
älterahd.  Fechel,  «Fächer»  (s.  d.),  kaum  direkt 
von  fachen  gebildet. 

■"■fachen,  v.:  erregend  anwehen, 
bei   Hagedorn   Werke  2,  101    dann 
poetischen  Sprache  häufig  geworden, 
(mit  a   für   urspr.   o)    das   fiühnhd 
«blasen»  (Fastnachtssp.  1454),  das  wohl  auf 
mlat.  focare   «in   Feuer   setzen,    entzünden» 
zurückgeht,  s.  Fächer.    Vgl.  auch  anfachen, 
entfachen. 

"fachen,  v.:  kurze  Wolle  mit  einem  Bogen 
schlagen,  daß  die  Flocken  fliegen;  dazu  ndl. 
vacht  f. «  Wollenfell,  Wollenflocke ».  Vielleicht 
zu  Fach  (s.  d.),  bei  den  Hutmachem  Ab- 
teilung von  Haaren,  die  zu  Filzstücken  be- 
arbeitet werden,  oder  eher  zu  stellen  zu  gr. 
TTÖKoc  m.  « Schaf woDe,  Flocke»,  ir^Keiv  «Wolle 
rupfen,  kämmen»,  \?ii.  pectere  «kämmen»,  lit. 
pesti  «kämmen,  raufen»,  avozu  auch  ahd.-nihd. 
fahs  m.  n.  «Haupthaar»  gehöi't. 


zum  Windmachen  durch  Hin-  und  Herbe- 
wegen. Zurtickgehend  auf  ein  frühnhd.  focher 
(1482  im  voc.  theut.  z3*),  focker  (ebenda 
i  1  ^  und  1470  in  Diefenbachs  mlat.-hd.-böhm. 
Wb.  128, 382),  noch  1562  bei  Mathesius  Sarepta 
20S^  Focher,  1663  bei  Schotteli^o/c/cej-« Blase- 
balg», dann  auch  «Wedel»,  das  entlehnt  scheint 
aus  einem  lat.  focärius  (f Ollis)  «zum  Herde 
gehöriger  (Blasebalg),  Blasebalg  zum  Feuer- 
machen», oder  auch  wie  Focke  f.  «Fächer» 
(1678  bei  Krämer)  von  fochen  «blasen»  (s. 
fachen)  abgeleitet  ist,  s.  Focke.  Im  17.  Jh. 
erscheint  das  Wort  umgebildet  zu  Fechel 
(Logau  2,  141),  das  auch  von  Stieler  1691 
neben  Focker,  Fucker  angesetzt  wird;  end- 
lich erscheint  1715  bei  Amaranthes  und  1734 
bei  Freyer  276  Fecher.  Adelung  1793  und 
Heynatz  1796  entscheiden  sich  für  Fächer, 
das  schon  Rädlein  1711  und  Frisch  1741  neben 
Fächer,  Fechel  anführten.  Die  Form  Fechtel 
bezeichnet  Heynatz  1796  als  märkisch  (Fäch- 
teichen bei  Brockes  2,  1,  217,  1858  bei  Scham- 
bach fechtle  f.).  Aus  Hessen  und  Nassau 
wird  Focht  angegeben.  ABL.  fächern,  v., 
dafür  ältenihd.  fochern  (noch  1734  bei  Stein- 
bach), fecheln,  fächeln  (s.  d.),  das  sich  mit 
besonderer  Bed.  abgezweigt  hat,  1678  bei 
ICrämer  focken. 

Fackel,  f.  (PI.  -n):  flammend  brennender 
Stab  als  Licht.  Mhd.  vackel,  ahd.  facchala, 
faccala  f.  Mit  asächs.  fakla,  ndl.  fakkel,  ags. 
fcecele  und  ßcecele  entlehnt  aus  dem  gleich- 
bed.  lat.  facula  (vulgärlat.  facla)  f.,  dem 
DimLn.  von  gleichbed.  lat.  fax  (Gen.  facis)  f. 

fackeln,  v.:  hin  und  her  schwanken,  zu- 
nächst von  der  Flamme  (noch  bei  Adelung 
vom  Lichte);  Umstände  machen,  zaudern,  in 
nicht  f.  (bei  Nieremberger  1753) :  im  Eeden  un- 
zuverlässig sein,  flunkern  (Goethe  1, 204).  Ge- 
wöhnlich wird  das  Wort  von  Fackel  abgeleitet, 
also  «Fackel  gleich  bewegen».  Doch  hat  sich 
wohl  damit  ein  echt  gei'masisches  Wort  in 
der  Bedeutung  «sich  hin  und  her  bewegen», 
vgl.  ahd.  faklen  «schütteln»  (vom  Rohr  beim 
Winde),  fries.  faden  «hin  und  her  bewegen», 
schwed.  fakla  «pfuschen»,  adän.  fagle  «in  Un- 
ordnung bringen»  vermischt.  Mhd.  vackelen 
«wie  eine  Fackel  brennen»  stammt  natürlich 
von  Fackel.  Nhd.  zuerst  in  Fackelei  «Um- 
herschweifen» (Moscherosch  1,  439).  Vgl.  auch 
Faxen  und  fickfacken. 

Fa^on,  s.  .Fasson. 

fade,  adj.:  ohne  Saft  und  Kraft,  Sinn  oder 
Fächer,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Werkzeug  1  Geist,   geschmacklos.     Aus  franz.  fade,   das 


Zuerst 

in   der 

Es  ist 

fochen 


489 


Faden 


Fahne 


490 


neben  fat  «närrisch,  läppisch»,  von  lat.  faüius 
«albern,  unschmackhaft»  kommt.  Um  1700 
entlehnt  (Günther  457). 

Faden,  m.  (-s,  PI.  Fäden)-.  Faser  zum 
Binden,  Nähen,  Weben;  (Plui-.  wie  Sing.) 
Maß  der  beiden  ausgespannten  Arme.  Mit 
Abschwächung  des  m  zu  n  {Fadem  noch  bei 
Lohenstein  Ibrahim  51,  dagegen  vaden  schon 
voc.  opt.  13,  11)  aus  mhd.  vadem,  vademe, 
ahd.  fadum,  fadam  m.  in  der  1.  Bed.;  dazu 
asächs.  Plur.  fatlimös  «beide  Arme»,  ags. 
fcRdm  m.  «die  umspannenden  Arme,  Um- 
armung, Schutz  und  Schirm,  Schoß,  Elle 
(Längenmaß  des  Unteranns)»,  engl,  fathom 
als  «Maß»,  anord.  faämr  m.  «beide  Arme, 
Umarmung,  Schoß»,  auch  «das  Längenmaß 
der  ausgestreckten  Arme»,  schwed.  famn  m. 
«Busen,  Längenmaß»,  dän.  favn  «Umarmung, 
Längenmaß».  Als  Grundbed.  ergibt  sich«üm- 
spannung  der  Arme»,  dann  «dem  entsprechen- 
des Längenmaß»,  die  Bed.  «Faser,  Garn»,  eig. 
insofern  es  zur  Abmessung  dient,  beschränkt 
sich  auf  das  Deutsche,  mnd.  vadem  hat  diese 
Bed.  und  die  von  Längenmaß,  ndl.  vadem 
m.  nur  die  letztere.  Faden  als  Längenmaß  ist 
aus  dem  Ndd.  ins  ältere  Nhd.  eingedrungen. 
Das  Woiü  ist  (mit  got.  fapa,  mhd.  vade  f. 
«Zaun,  Umzäunung»?)  zu  stellen  zu  gr.  ire- 
xavvüvai  «ausbreiten»,  TreTaXoc  «ausgebreitet», 
lat.  patere  «ausgebreitet  sein,  offenstehen», 
pahdus  «ausgebreitet).  Der  Plur.  lautet  schon 
spätmhd.  vädeme,  bei  Luther  aber  Faden,  wie 
auch  im  18.  Jli.  noch  vorkommt  (Hagedorn 
Fab.  5,  Wieland  Gold.  Spieg.  4,  159).  ABL. 
fädeln,  v.,  ursprünglicher  fädmen  (noch  bei 
Frisch  1741  ausfädmen,  im  j.  Goethe  3,  261 
abfädmen  ;<clie  Randfasern  der  Schoten  ab- 
ziehen», in  den  Werken  19,  89  geändert  in 
abfädnen),  mhd.  vedemen:  ahd.  fadamön  da- 
gegen ist  «nähen».  ZUS.  fadenscheinig, 
adj.:  von  durchscheinenden  Fäden,  weil  von 
Wolle  oder  Farbe  entblößt.  Von  einem  bei 
Keisersberg  Brösamlin  2,  54 '^  sich  findenden 
gleichbed.  Adj.  fadenschein. 

Fagott,  n.  {-es,  PI.  -e):  ein  tieftoniges 
Blasinstrument,  Baßpfeife.  Aus  ital.  fagotto, 
franz.  fagot  m.,  eig.  «Reisigbündel»,  unbe- 
kannter Herkunft.     Bei  Henisch  1616. 

Fähe,  auch  Fehe,  f.  (PI.  -n)-.  weidmän- 
nisch) das  Weibchen  des  Hundes,  der  vier- 
füßigen  Raubtiere.  Aus  mhd.  vohe,  ahd. 
foha  f.  «Füchsin»,  im  Voc.  theut.  1482  il* 
fochin,  117^  vohin,  im  Voc.  1419  vöhin.  Vgl. 
Fehe. 


fahen,  v. :  altertümlich  für  fangen  (s.  d.). 
ABL.  fähig,  adj.  u.  adv.:  eig.  «fangend, 
fassend,  in  sich  aufnehmend»,  dann  «einer 
Sache  mächtig,  zu  etwas  geschickt».  Mlid. 
nui-  in  gevcehic  «fähig»,  ahd.  in  ividar fähig 
«widerhallend»:  häufig  in  der  frühnhd.  Rechts- 
sprache, auch  von  Luther  zuweilen  gebraucht, 
dann  von  Dasypodius  1537  imd  Maaler  1561 
verzeichnet.  ABL.  Fähigkeit,  f.,  bei 
Henisch  1616. 

fahl,  adj.:  gelblich;  gelblich  grau.  S.  falb. 
Mhd.  val  (fiekt.  valwer)  «bleich,  gelb,  blond», 
ahd.  falo  (fiekt.  falawer) ;  dazu  and.  falu,  ndl. 
vaal,  ags.  fealu,  engl,  fallow,  anord.  fölr.  Zu 
lit.pah-as  «weißlich  gelb»,  ahg.plavü  «weiß», 
ferner  lat.  pallidus  «bleich»,  pullus  «dimkel», 
gl-.  TToXiöc  «  weißlich,  grau»,  aindi.palitäs  « grau  ». 
Mlat.  falvus,  ital.  falvo,  franz.  fauve  sind  aus 
dem  Deutschen  entlehnt. 

fahnden,  v.:  drauf  aus  sein  zu  fangen, 
zu  verhaften.  Mit  Anlehnung  an  fahen  zu- 
lückgehend  auf  ahd.  fantön  «durchforschen, 
aufsuchen,  ausspüren»,  asächs.  fandon,  ags. 
fandian,  afries.  fandia  «suchen»,  wohl  zu 
finden  gehörend.  Im  Mhd.  nicht  nachzu- 
weisen, daher  wohl  aus  dem  Nd.  fmnd.  van- 
den  «besuchen,  aufsuchen»,  auch  1475  klevisch, 
1599  bei  Kilian  576  vanden  «besuchen,  einen 
Kranken  besuchen»,  jetzt  ndl.  vanden  «eine 
Wöchnerin  besuchen»)  in  die  Kanzleisprache 
eingedrungen.  1788  bei  Fulda  vanden,  fahn- 
den, bei  Campe  1807   als   obd.   angeführt. 

Fähndrich,  s.  Fähnrich. 

Fahne,  f.  (PI.  -n)-.  an  einem  Schaft  be- 
festigtes Zeugstück  alsZeichen  irgendeiner  Art: 
dem  Ähnliches,  die  Strömung  der  Luft  anzeigen- 
des bewegliches  Blech:  schlechtes  Ivleid.  Mit 
Wechsel  des  Geschlechts  aus  mhd.  vane,  vanra., 
nur  md.  auch  f.,  ahd.  fano  m.  «Fahne»,  urspr. 
«Zeugstück»,  was  die  Zusammensetzungen 
ougafano  «Schweißtuch,  Schleier»,  hantfano 
«Handtuch»,  tisch  fano  «Serviette»,  deutlich 
zeigen,  während  Fahne  meist  durch  gundfano, 
eig.  «Kampfzeichen»  (daher  franz.  gonfalon 
m.)  gegeben  wird;  dazu  and.  -fano,  ndl. 
vaan,  afries.  fona,  asächs.  fano  m.  noch  «Tuch», 
ags.  fana  m.  (häufig  güäfana),  engl,  fane, 
vane  «Dachfahne»,  got.  fana  m.  «Zeugstück, 
Schweiß tuch».  Die  Grundbed.  Tuch  liegt  auch 
in  dem  Dim.  Fähnchen  n.  «leichtes  Frauen- 
kleid» vor.  Gewöhnlich  wird  \qX.  pannus  m. 
«Stück  Tuch,  Lappen,  Binde»,  als  verwandt 
angesehen.  Doch  ist  das  vmsicher.  Dagegen 
läßt   sich   abg.  opona  «Vorhang»,  ponjava  f. 


491 


Fahr 


Fährmann 


492 


«Umhang,  Kleid»,  p^ti  «spannen»,  lit.  pinti 
«flechten»  (vgl.  spinnen)  vergleichen.  Das 
ursprüngliche  Mask.  erhält  sich  im  Obd.  im 
17.  Jh.  (Zincgref  1,  164),  daneben  auch  als 
Neutr.  (noch  bei  HaUer  105).  ABL.  Fähn- 
lein, u.  (-5,  PI.  wie  Sg.),  das  Dimin.,  mhd. 
veneltn.  Die  Bed.  «unter  einer  Fahne  ver- 
einigte Schar  Krieger»  zuerst  1475  in  dem 
schweizerischen  venli  (Liliencron  2, 63).  Fähn- 
rich, m.  (-S,  PI.  -e):  Fahnenträger.  Dafür 
mhd,  vanere,  vanre,  venre,  ahd.  faveri  m.,  wo- 
her schweizerisch  Fenner  m.,  später  mit  An- 
lehnuncr  an  die  Bildimcren  auf  -rieh  venrich 
und  mit  eingeschobenem  d  vendrich  (Lilien- 
cron 2,  562),  dazu  ndl.  vaandrig  m,  (1599 
bei  Kilian  514^  vaendrigh).  ZUS.  Fahnen- 
junker, m. :  dem  Fähnrich  beigeordneter 
Fahnenträger.  1664  bei  Duez.  Fahnen- 
SChmied,  m.:  Hufschmied  bei  einer  Reiter- 
schwadron, im  17.  Jh.  Fahnenträger,  m., 
1482  im  Voc.  theut.  h  5^  fantrager,  im  15.  Jh. 
beiDiefenbach  gl.ßll^  vanendreger,  fanetreger. 

Fahr,  f.:  Gefahr,  nur  noch  altertümlich 
und  poetisch  (von  Wieland  Oberon  2,  16  ge- 
braucht und  im  Glossar  ei'klärt,  dann  z.  B. 
von  Schiller  Teil  3,  1 ;  Rückert  2,  237).  Bei 
Luther  fahr.  Mhd.  väre  f.,  vdr  f.  m.  «Hinter- 
list, Gefahr,  Furcht»,  ahd.  fdra  f.  «Auflauern, 
Nachstellung,  Hinterlist»;  dazu  asächs,  fär 
m.  «Hinterlist»,  ndl.  vaar  m.  (veraltet)  «Ge- 
fahr», ags.  fmr  m.  «Furcht,  Gefahr»,  engl. 
fear  «Furcht»,  anord.  fär  n.  «Not,  Unglück», 
dän.  fare  «Gefahr»,  got.,  wohl  nach  ferja  m. 
«Auflauerer,  Aufpasser»  zu  schließen,  '^ßra  f. 
Das  Wort,  von  dem  mhd.  vären,  ahd.  fären 
(s.  befahren),  asächs.  färön  «auflauern,  nach- 
stellen», ags.  fmr  an,  engl,  fear  «fürchten» 
abgeleitet  ist,  geht  zurück  auf  die  Wurzel 
von  fahren  (s.  d.),  indem  aus  der  Bed.  «hin- 
überbewegen, durchdringen»  die  von  «ver- 
suchen, in  Gefahr  bringen»  hervorgegangen 
ist,  vgl.  die  zu  der  gleichen  Wurzel  gehörigen 
lat.  experiri  «versuchen»,  periculum  n.  «Ge- 
fahr», gr.  -rreTpa  f.  «Versuch,  Probe,  Anschlag». 
ABL.  Fährde,  f.:  Gefahr,  Arglist  (Goethe 
1, 121).  Mhd.  vcerde  (in  gevcerde  f.  n.)  «Hinter- 
list», ahd.  färida  in  hifärida  f.  «Aufruhr». 
Fährlichkelt,  f.:  Gefahr.  MM.  vcerlicheit, 
abgeleitet  von  mhd.  vasrlich  «hinterlistig,  ge- 
fährlich», ahd.  färlih,  auch  älternhd.  fährlich, 
voc.  1482  verlieh  «periculosus». 

Fahre,  f.,  nordd.  Form  für  Furche  (s.  d.). 

Fähre,  f.  (PI.  -«):  flaches  Fahrzeug  und 
Ort  zur  Flußüberfahrt.    Mhd.  vere,  ver  f.  n.; 


dazu  ndl.  veer  n.,  anord.  ferja  f.,  schwed. 
fär  ja  f.,  dän.  fcerge,  engl,  ferry.  Zu  mhd. 
vern,  ahd.  ferian,  ferran,  asächs.  ferian,  ags. 
ferian,  anord.  ferja,  schwed.  färja  «schiff'en, 
übersetzen,  überfuhren»,  abgeleitet  von  fahren. 
S.  auch  Ferge. 

fahren,  v.  (Prät.  fuhr,  Konj.  führe,  Part. 
gefahren):  sich  fortbewegen;  sich  mit  Ge- 
schwindigkeit wohin  bewegen;  auf  einem 
Werkzeug  zum  Fortbewegen  fortbewegt  wer- 
den oder  fortbewegen;  sich  befinden,  leben 
(z.  B,  fahr  wohl).  Der  Ausdruck  fahrende 
Habe  (schon  mhd.  varndiu  habe)  «bewegliches 
Eigentum»,  wofür  auch  Fahrhabe  (schweiz.) 
und  Fahrnis  (s.  d.).  Mhd.  varn,  ahd.  und 
got.  faran;  dazu  ndl.  varn,  asächs.-ags.  faran, 
engl,  fare,  afries.- anord -schwed.  fara,  dän. 
fare.  Verwandt  ist  gr.  irepäv  «durchdringen, 
durchgehem>,  rröpoc  m.  «Dui'chgang»,  iropeüeiv 
«fahren,  übersetzen»,  -rropeuecGai  «i'eisen,  gehen», 
lat.  (übertragen)  peritus  «erfahren»,  abg.  prati 
«fahren,  springen»,  aind.  piparti  «führt  hin- 
über», aw.  par-  «hindurch-,  hinübergehen». 
S.  auch  Fahr. 

Fährgeld,  n.  (-es,  PI.  -er)-.  Lohn  des 
Schifi"ers  für  die  Überfahrt.  Bei  Luther  (Jon. 
1,  3  fehrgeld),  dafür  mhd.  verlön,  zusammen- 
ges.  mit  mhd.  vern  «übersetzen»,   s.  Fähre. 

fahrig,  adj.:  nicht  gehalten,  unbeständig. 
Dialektwort,  das  Adelung  1798  noch  nicht 
kennt,  von  Goethe  oft  gebraucht,  abgeleitet 
von  fahren.  (Bei  Maaler  1561  ferig  «hurtig», 
mhd.  veric  «fertig»). 

fahrlässig,  adj.  u.  adv.:  aus  Unachtsam- 
keit unterlassend,  aus  Säumigkeit  unachtsam. 
Ln  voc.  praed.  q  2^  varlessig  «negligens»  (aber 
bei  Eychmann  1483  n7^  verlesig),  dann  bei 
Keisersberg  bilgerschafft  1^2^  farlessig,  später 
als  Rechtswort  oft  gebraucht.  Kaum  ge- 
bildet von  fahren  lassen  «geschehen  lassen, 
nachlassen,  aufgeben»,  sondern  wohl  mit  An- 
lehnung an  fahren  entstellt  aus  einem  mhd. 
verlcegec,  vürlcegec,  abgeleitet  von  verlaß, 
vürläg  m.  «Lässigkeit,  Versäumnis»,  vgl.  die 
Bildungen  hinlässig,  nachlässig  usw.  ABL. 
Fahrlässigkeit,  f.,  im  voc.  praed.  q  2^  var- 
lessigkeit  (dagegen  bei  Eychmann  1483  nl^ 
verlassigkeyt),  bei  Keisersberg  sünd.  d.  munds 
78^  farlessigkeit ,  in  Wedels  Hausbuch  281 
u.  0.  fahrlosigkeit. 

Fährlichkeit,  s.  Fahr. 

Fährmann,  m.  (-s,  PI-  -männer):  Ferge. 
Zusammenges.  mit  mhd.  vern  «übersetzen», 
s.  Fähre.     Bei  Comenius  1640. 


493 


Fahrnis 


Falke 


494 


Fahrnis,  f. :  fahrende  Habe,  bewegliches  1 
Eigentum.    Bereits  im  16.  Jh.  (Luther  Tischr. 
420  a). 

Fahrt,   f.    (PI.  -en):    die   Foitbewegung  ^ 
wohin;  Durchgang,  Weg  für  Fuhrwerk.   Mhd.  I 
vart,   ahd.  fart  f.;    dazu  asächs.  fard  f.,  ndl. 
vaart  m.,   ags.  ftp-d,   ferd  f.,   anord.  ferd  f., 
schwed.  ßrd  m.,  dän.  fcerd.    Abstraktbildung 
mit  f-Suffix  zu  fahren.    S.  auch  Fährte. 

Fährte,  f.  (PI.  -«) :  Wildspur.  Aus  dem 
Gen.  Dat.  Sing,  oder  Plur.  verte  des  mhd. 
vart  f.  in  der  engem  Bed,  «Weg  des  Wildes, 
Wildspur»,  wie  noch  weidmännisch  auch 
Fahrt  gesagt  wird,  ahd.  fart  f.  «Weg,  Spui-». 
Bei  Stieler  1691  Fürte. 

Fahrzeug",  n.  (-es,  PI.  -e)-.  von  Holz  ge- 
machtes hohles  Werk  zum  Fahren  auf  dem 
Wasser:  auch  Fuhrwerk  zu  Lande.  Im  17.  Jh., 
1703  im  Zeitungslex.  und   1711   bei  Kädlein. 

Faksimile,  n.  (s,  PI.  -s):  ^Fachbildung 
einer  Handschrift.  Das  nlat.  facsimüe  {fac, 
Lnp.  von  facere  «machen»,  simile,  Neutr. 
von  similis  «ähnhch»).     Im  18.  Jh.  ^ 

Faktiön,  f.  (PI.  -en):  Partei,  poUtische 
Meinungsgenossenschaft.  Aus  lat.  fadio  f. ' 
1538  bei  Franck  Chron.  d.  Teutschen  194^ 
u.  0.,  bei  Eot  1571.  —  faktisch,  adj.  u. 
adv.:  tatsächlich.  Gebildet  von  lat.  factum  n. 
«Tat»,  eig.  Xeutr.  des  Part.  Perf.  Pass.  f actus 
von  facere  «machen».  In  der  neuern  Sprache, 
bei  Hejnatz  1796.  —  Faktor,  m.  (-s,  Plur. 
Faktoren) :  Vervielfältigungszahl;  eine  im  Pro- 
dukt wirkende  Ki-aft;  Geschäftsführer.  Auslat. 
factor  m.  «Verfertiger»,  im  Mlat.  auch  s.  v.  a. 
«Geschäftsvorsteher»  und  in  dieser  Bed.  ist 
Factor  im  16.  Jh.  geläufig  (Cod.  dipl.  Sües. 
20,  178  von  1510).  Davon  Faktorei,  f. 
(PI.  -en):  Wohnung  und  Geschäft  eines  Fak- 
tors, dann  Handelsniederlassung;  bei  H.Sachs. 

—  Faktotum,  n.  (-s,  PI.  -s):  der  aUes  in 
allem  ist,  namentl.  allseitig  nützlicher  Diener. 
Das   nlat.  factotum   {fac,    Imp.   von  facere, 
tötum  «alles»).      Schon   im    16.  Jh.   (Wedel , 
Hausbuch  246  u.  313,   Fischart  Barf.  3523). 

—  Faktum,  n.  (-s,  PI.  Fakta):   Tatsache. 
Das  lat.  factum,  s.  o.     1703  im  Zeitungslex. 

—  Faktur,  f.  (PI.  -en):  Warenverzeichnis! 
nebst  Preisberechnung;   Rechnung.     In    der 
1.  Bed.  bei  Krämer  1678. 

Fakultät,  f.  (PI.  -en):  körperliche  oder 
geistige  Kraft  zu  tun;  Vermögen  wozu;  Fähig- 
keit, mhd.  fakvltet  f.;  Gesamtheit  der  Profes- ' 
soren  von  einer  der  vier  Hauptwissenschaften 
einer  Universität  (im  15.  Jh.).  Von  lat.  facul- 


tas (Gen.  facultätis)  f.  «Vermögen,  Kraft,  Be- 
fähigung», im  Mlat.  auch  s,  v.  a.  «Zunft» 
usw.  ABL.  fakultativ,  adj.  u.  adv,:  be- 
fähigend, ermächtigend  wozu;  beliebig.  Aus 
franz.  facultatif,  nlat.  facultativus.  Noch  nicht 
bei  Campe  1813. 

falb,  adj.:  blaJßgelb,  weißHchgelb.  Der 
Falbe,  ein  Falber  (Goethe  [?]  4,  355),  «blaß- 
gelbes Pferd»,  s.  auch  ^ Falke.  Eig.  identisch 
mit  fahl  (s.  d.),  und  aus  der  flektierten  Form 
des  mhd.  val  (flekt.  valwer),  ahd.  falo  (flekt. 
falawer)  mit  Übergang  des  w  in  b  hervor- 
gegangen. Fiühnhd.  falb,  z.  B.  um  1480  im 
voc.  incip.  teut.  f  6^,  danach  von  Luther 
3.  Mos.  13,  31.  37  neben  falh  (Off.  Joh.  6,  8) 
gebraucht,  bei  Alberus  Dict.  E  2 '',  nebenein- 
ander fal,  falb.  ABL.  falben,  v.:  falb  wer- 
den, aus  mhd.  valwen,  ahd.  falaxoen. 

Falbel,  f  (PI.  -n):  Faltenbesatz  an  Frauen- 
kleidera.  Bei  Nieremberger  1753  (1715  bei 
Amaranthes  523  noch  Falbala).  Aus  franz. 
falbala  m.,  ital.  falbala  f.,  span.  falbala,  auch 
farfala  f. 

falben,  s.  falb. 

Fälber,  s.  Felber. 

Falge,  s.  -Felge. 

Falkaüne,  f.  (PI.  -n):  Geschütz  zu  4-  bis 
5  pfundigen  Eisenkugeln.  Aus  mlat.  falcöna 
f.,  von  lat.  falco  m.  «Falke»,  welchen  Raub- 
vogelnamen man  wie  Drache,  Schlange  auch 
auf  ein  schweres  Geschütz  anwandte.  Im 
16.  Jh.  Falkelan  (Liliencron  3,  384  v.  J.  1521), 
Falcon  (ebend.  4,  367  v.  J.  1546),  Falchana 
(bei  Fronsperger  1,  59  *j. 

^ Falke,  m.  {-n,  PI.  -n):  blaßgelbes  Pferd, 
blaßgelber  Ochse,  blaßgelbe  Kuh.  Oberdeutsch, 
Von  obd.  falch,  Nebenform  zu  den  gleichbed. 
fahl,  falb  (s,  d,),  die  mit  lit.  pälsas  «fahl» 
übereinstimmt. 

"Falke,  m.  [-n,  PI.  -n):  eine  Art  Raub- 
vögel, Auch  gekürzt  Falk,  dann  zuweilen 
im  Sing,  stark  flektiert  (Dat.  Falk  Herder 
Cid  Nr,  7,  Akk.  Falk  Schiller  13,  329),  Älhd. 
valke,  ahd.  falcho  m.;  dazu  ndl.valk,  engl. falcon 
(aus  dem  Deutschen),  anord.  falki,  schwed,- 
dän.  falk  m.  Wahrscheinlich  echt  deutsch 
und  daraus  entlehnt  das  um  340  vorkom- 
mende lat.  falco  m.  Der  deutsche  Ursprung 
wird  namentlich  durch  die  alten  Eigennamen, 
Falchovarii,  ahd.  Falco,  ags.  Wester falcna 
wahrscheinlich.  Das  Wort  gehört  am  ehe- 
sten zu  falch  (s.  d.)  «fahl»  und  weiter  zu 
lit.  pälsas,  abg,  pelesü  «gi-au».  Vgl.  Baist 
bei  Kluge  EWB.  s.  v..  Kluge  Zschr,  f  franz. 


495 


Falkouett 


falsch 


496 


Spr.  VL.  Lit.  13,  2,  185,  Körting  Lat.-roman, 
WB.3.  ABL.  Falkner,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.), 
mhd.  valkencBre.  Aus  mlat.  falconarius  m. 
«Falken  zur  Jagd  übender  und  abrichtender 
Jäger».  Daneben  auch  mit  engerm  Anschluß 
an  das  lat.  Wort  Falkenier  m. 

Falkon^tt,  n.  {-s,  PI.  -e):  kleine  Fal- 
kaune.  Aus  franz.-engl.  falconet,  ital.  falco- 
netto  m.  mit  verkleinerndem  -etto  von  mlat. 
falcona  f.,  s.  Falkaune.  Im  16.  Jh.  (Lilien- 
cron  3,  474),  daneben  auch  Falkenet  (ebend. 
3,  74). 

Fall,  m.  {-es,  PI.  Fülley  Äfhd.  val  (Gen. 
volles),  ahd.  fal  m.;  dazu  asächs.-afries.  fal 
m.,  ndl.  val  m.,  ags.  feal  m.,  engl.  /aW,  anord.- 
schwed.  fal  n.,  dän.  fald  n.  In  der  gram- 
mat.  Bed.  für  lat.  casus  hat  «Fall»  zuerst 
der  Gießner  Professor  Christophorus  Helvicus 
(Helwig)  in  seinem  1619  erschienenen  Werke 
Sprachkünste.  S.  auch  falls.  Falle,  f.  (PI 
-n):  Fangwerkzeug  mittelst  Zufallen  von  et- 
was. jMhd.  volle,  ahd.  and.  falla  f. ;  dazu  ndl.  val, 
ags.  feall  f.  Von  fallen,  v.  (Prät.  fiel,  Part. 
gefallen):  vermöge  seiner  Schwere  sich  nie- 
derbewegen; mit  Geschwindigkeit,  gewaltsam 
sich  wohin  bewegen;  tot  niederfallen;  Exi- 
stenz, Ehre  usw.  verlieren ;  an  Umfang,  Wert 
verliei'en;  wozu  kommen;  wohin  geraten. 
MM.  vollen,  ahd.  fallan;  dazu  asächs.  follan, 
ndl.  Valien,  afx'ies.  falla,  ags.  feallan,  engl. 
fall,  anord.-schwed.  falla,  dän.  falde.  Ver- 
wandt ist  lit.  p'iolu  «falle»,  Inf.  piilti,  aber 
kaum  lat.  faller e  «betmgen,  täuschen»,  gr. 
ccpdXXeiv  «fällen,  zu  Boden  werfen»,  cqpdWecem 
«sich  täuschen,  fehlen»,  aind.  5p/iaZ-«  wanken». 
Vgl.  Walde  s.  v.  ZUS.  Fallbrücke,  f., 
1626  bei  Opitz  Argenis  2,  58. 

fällen,  V.:  faUen  machen;  zu  Boden-, 
niederwerfen.  Mhd.  vellen,  ahd.  fellan;  dazu 
asächs:  fellian,  ndl.  vellen,  afries.  fella,  ags. 
fella,  engl,  feil,  anord.  fella,  schwed.  fälla, 
dän.  fälde,  Faktitiv  zu  fallen. 

fallieren,  v.-.  öffentlich  zahlungsunfähig 
werden.  Aus  ital.  follire  «betrügen,  fehl- 
schlagen, bankrott  werden»,  das  auf  lat.  fäller  e 
«betrügen,  täuschen»  zurückgeht.  Bei  Rot  1571 
falliren  «betmgen»,  sonst  im  16.  Jh.  auch 
in  der  jetzigen  Bed. 

fällig,  adj.:  zu  Falle  kommend,  z.  B.  in. 
hau-,  fußfällig;  zu  festgesetzter  Zeit  zu  fallen 
(zahlen)  bestimmt.  Mhd.  vellec  «fallend,  bau- 
fällig, gerichtlich  verfallend,  vor  Gericht  im 
Kampfe  überwunden»,  ahd.  fellic  «zu.  Falle 
bringend,  in  Trümmer  fallend». 


Falliment,  n.  {-s,  PI.  -e):  öffentlich  er- 
klärte Zahlungsunfähigkeit.  Aus  ital.  falli- 
mento  m.,  von  fallire,  s.  fallieren.  Bei  Fisch- 
art Garg.  79  Fallement,  bei  Krämer  1678 
Falliment 

Fallreep,  n.  (-s,  PL  -e)  -.  türartige  Öffnung 
in  der  Bordwand  des  Schiffes.  Seemanns- 
ausdruck und  daher  nd.-ndl.  Ursprünglich 
eine  Imperativbüdung  aus  fall  «laß  fallen» 
und  reep  «Tau»,  mit  der  Bedeutungsentwick- 
lung «Tau,  Strickleiter,  Leiter,  Treppe,  Trep- 
penöffnung». Bei  Röding.  Bei  Campe  Fall- 
reif «Falltau». 

falls,  bedingende  Konjunktion,  eig.  Gen. 
Sing,  von  Fall  m.:  im  Falle  daß.  Bei  Stieler 
1691,  nach  Adelung  und  Heynatz  1796  nur 
im  gemeinen  Leben.  Fall  hat  hier  die  Bed. 
«eintretende  Möglichkeit»,  die  vom  Fallen  der 
Würfel  ausgegangen  ist.  Häufig  in  Zusammen- 
setzungen -falls. 

Fallstrick,  m.  (-es,  PI.  -e) :  woräber  fal- 
lender Strick,  Schlmge  zum  Fang  vonWüd; 
Nachstellung.    Bei  Luther,  auch  bildlich. 

Fallsucht,  f.:  die  fallende  Sucht,  Hin- 
fallen unter  Zucken  und  Schäumen.  Mhd. 
vallensuJit  f.,  aus  vollende  suht,  ahd.  fallendiu 
suht.  Im  16.  u.  17.  Jh.  dafür  auch  Follühel, 
zusammengez.  Falbel  n. 

Falltor,  n,  (-S,  PI.  -e):  von  selbst  zu- 
fallendes Zauntor  über  einem  Fahrweg.  Mhd. 
volletor  n.,  abgeschwächt  voltor,  voller. 

falsch,  adj.  u.  adv.:  anders  scheinend,  als 
wirklich  ist;  innerlich  feindselig.  Mhd.  vals, 
meist  volscli,  mit  ndl.  volsch,  ags.-anord.  fols, 
engl,  false,  entlehnt,  trotz  E.  Schröder  AfdA. 
23,  156,  aus  dem  gleichbed.  lat.  falsus,  eig. 
das  Part.  Perf.  Pass.  von  f ollere  «täuschen, 
betrügen».  Davon  substantiviert  mhd.  vals, 
volsch  m.  «Fehl,  Bosheit,  Unrecht,  Betinig», 
jetzt  noch  in  ohne  Falsch,  mhd.  äne  volsch. 
Das  seh  in  volsch  kann  rein  lautlich  entstan- 
den sein  wie  in  feilschen ;  da  aber  auch  mnd. 
volsch  neben  vals,  ndl.  volsch,  dän.  (entlehnt) 
folsk  vorkommt,  so  wird  es  erklärt  aus  dem 
Einfluß  des  schon  im  Ahd.  vorhandenen  Ver- 
bums fälschen,  v.:  falsch  machen,  d.  h. 
verfälschen,  der  Richtigkeit  benehmen.  Mhd. 
velschen  «verfälschen,  füi'  falsch  erklären», 
ahd.  felscen,  falskon,  meist  gifelscen,  gifalscön 
«für  falsch  erklären,  zurückweisen,  wider- 
legen», wahrscheinlich  eine  Umbildung  des 
lat.  gleichbed.  falsificäre  (falsicore,  fals- 
core?).  ABL.'  Fälscher,  m.  (-s,  PI.  wie 
Sg.),   mhd.  valschcere,  velschcere.     Falsch- 


497 


Falsett 


famos 


498 


heit,  f.,  mhd.  valschheit.  fälscMich,  adj, 
u.  adv.,  mhd.  valschlich.  velschlich.  ZUS. 
Falschmünzer,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.).    Bei 

Campe  1808.  Goethe  34,  1,  369  sagt  noch 
falscher  Münzer. 

Falsett,  n.  {-\e]s,  PI.  -e):  Fistelstimme, 
Kopfstimjne.  Aus  ital.  falsetto  m.  «Fistel». 
1791  bei  Roth. 

-falt,  jetzt  altertümlich  (z.  B.  mannigfalt, 
vgl.  auch  Einfalt),  häufiger  das  abgeleitete 
-faltig  (z.  B.  mannigfaltig,  dreifaltig  in  Drei- 
faltigkeit f.),  am  übüchsten  mit  durchge- 
drungenem Umlaut  -fältig  (z.  B.  ein-,  zwei-, 
drei-  usw.,  vielfältig)  wird  mit  bestimmten  und 
allgemeinen  Zahlwörtern  zusammengesetzt 
lind  bed.  «soviel  mal  genommen  (urspr.  ge- 
faltet), als  das  als  erstes  Wort  der  Zusammen- 
setzimg stehende  Zahlwort  anzeigt».  Mhd. 
-valt,  ahd.  -falt;  dazu  asächs.  -fald,  ags.  -feald, 
engl,  -fold,  (nur  in  twofold),  anord.  -faldr, 
got.  -falßs;  mit  den  davon  abgeleiteten  mhd. 
-valtic,  -veltic,  ahd.  -faltic  ebenso  von  falten 
(s.  d.)  entsprossen,  wie  das  in  gleichem  Sinne 
stehende  lat.  -plex,  z.  B.  simplex,  duplex  usw. 
von  lat.  plicäre  «falten».  Im  Griech.  ent- 
spricht -trX.äcioc  aus  -irXäxioc,  biTraXxoc  «zwie- 
fach geschwungen». 

Falte,  f.  (PI.  -n),  mhd.  valte  f.,  daneben 
valt  m.,  ahd.  (bei  Notker)  vald  m.;  dazu  ndl. 
(mit  Ausfall  des  d)  vouw  f.,  ags.  feald  m.,  anord. 
faldr  m.,  dän.  fold.  Von  falten,  ,v.:  mit- 
telst einer  Übereinanderbiegung  zusammen- 
legen, mhd.  valten  (Prät.  vielt,  Part,  gevalten), 
valden,  ahd.  faldan,  faltan;  dazu  ndl.  vouwen, 
ags.  fealdan,  engl,  fold,  anord.  falda,  schwed. 
fälla,  dän.  folde,  got.  falpan,  Prät.  faifalp. 
Verwandt  ist  aind.  putas  m.,  putam  n.  (mit  t 
aus  It)  «Falte,  Tüte,  Tasche»,  gr.  biiraXxoc 
und  biTrXdcioc  «zweifach»,  ohne  f-Ableitung 
alhaxi.pal'd  f.  «Falte,  Reihe,  Joch,  Paar».  Die 
urspr.  starke  Flexion  ist  im  Nhd.  der  schwa- 
chen gewichen,  doch  findet  sich  noch  zu- 
weilen das  Part,  ge falten,  in  der  Redensart  mit 
gefaltenen  Händen  (Claudius  4,  39;  Schiller 
Räuber  1,  1 ;  Goethe  2,  101).  ABL.  fälteln, 
V.:  in  Fältchen  legen.     Spätmhd.  velteln. 

Falter,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Schmetter- 
ling. Mhd.  nur  in  mvalter  m.;  daneben  auch 
pfivalter,  pfivolter  (s.  Pfeifholter)  und  zwi- 
valter  (s.  Zweifalter),  ahd.  fifaltra  f.,  das  ein- 
fache valter  (aus  diesen  Zusammensetzungen 
entnommen)  erst  bei  Adelung  1774,  aber  noch 
jetzt  obd.  Feifalter;  dazu  and.  vivoldara  f., 
ndl.  (umgestaltet)  vijfwouter  ra.,  ags.  ftf- 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


fealde  f.,  anord.  (umgestaltet)  flfrildi  u.  Eine 
reduplizierte  Bildung  (wie  z.  B.  mhd.  wiwint 
«Wii'belwind»  zu  wint),  mit  der  lat.  päpllio 
ra.  (aus  *paptilio),  vespertilio  (aus  -ptilio) 
zu  vergleichen  ist.  Wahrscheinlich  zu  einer 
Wurzel  pel  «flattei'n»,  die  wir  mit  t  erweitert, 
in  flattern,  Fledermaus  haben.  Vgl.  Detter 
ZfdA.  42,  55,  Walde  s.  v. 

faltig,  adj.:  Falten  habend  oder  werfend. 
Bei  Dasypodius  1537.     S.  auch  -falt. 

^Falz,   m.  (-es,   PI.  -e):   regelmäßig  ge- 
brochene   und    geglättete    Umbiegung;    zum 
Anfügen  mit  dem  Hobel  abgestoßene  Kante. 
IVIhd.  valz  (Plur.  valze  und  velze),  valze  m. 
«geschlacrene  längliche  Öffnung:  rinnenartige 
Vertiefung  längs  der  Fläche  oder  dem  Rücken 
des  Schwerts;  Riefe,  z.B.  einer  Wunde;  Fuge, 
zusammengebogene   Öffnung»,    ahd.  falz  nur 
in   anevalz  m.   «Amboß»;   dazu   ags.  anfilte, 
engl,  anvil,  ndl.  (umgebildet)  aanheeld  n.  Hier- 
her gehört  auch  das  starke  Verbum  mhd.  valzen 
(Part,  gevalzen)  «biegen,  krümmen»,  und  mit 
Ablaut  Tah(\..  velze  m.  «Riefe,  sichtbarer  Lang- 
streifen  an  der  Schwertklinge,   Rücken  der 
Klinge».  Die  Bed.  der  Wurzel  wird  «sehlagen, 
hämmern,    durch  Schlagen  zusammenfügen» 
I  sein ;  als  verwandt  wird  angesehen  lat.  pellere 
I  (axis*peldere)  «stoßen».  J.5Iy. falzen, v.:  regel- 
I  mäßig  umschlagen  und  fügen;  Fugen  hobeln. 
I  Dafür   mhd.   umgelautet  velzen  «kinimmend 
j  schlagen,  verbinden,   einfassen»,   ahd.  (ohne 
i  Umlaut)    falzen    «befestigen,    zur    Ki-ümme 
biegen,   sichelförmig  biegen».     ZUS.  Falz- 
bein, n.  (-5,  PI.  -e):  zum  Falzen  dienendes 
Gerät  aus  Knochen.    Bei  Duez  1664  faltbein 
oder  falzbein. 

"Falz,  falzen,  s.  v.  a.  Balz,  balzen  (s.  d.). 
Mhd.  (bei  Hadamar  von  Laber  212)  valz  m. 
«Begattung  wüder  Vögel»,  bei  Aler  1727 
Faltz  der  aurhanen.  Daneben  auch  Pfalz. 
Familie,  f.  (PI.  -n):  Hausgenossenschaft: 
Geschlechtsverwandtschaft.  Aus  dem  gleich- 
bed.  lat.  familia  f.,  urspr.  «Gesinde».  Im 
17.  Jh.,  zugleich  unter  Einfluß  des  franz. 
famille  f.  eingebürgert  (Schupp  152).  ABL. 
familiär,  adj.  u.  adv.:  wie  heimisch;  ver- 
traut. Aus  lat.  familiäris  «zum  Gesinde, 
Hause  gehörig».  1601  bei  Albertinus  geistl. 
Spiegel  153^  familiär,  substantivisch  schon 
in  der  Zimm.  Chron.  1,  313.  Familiarität, 
f.,  1703  im  Zeitungslex. 

famos,  adj.:  berühmt,  berüchtigt  (schon 
im  16.  Jh.,  z.  B.  Nas  Pract.  Bl^);  prächtig, 
herrlieh   (in    der   neuern   Studentensprache). 

32 


499 


Famnlus 


Farce 


500 


Aus  lat.  fäniösus  «berähmt,  berüchtigt»,  von 
lat.  fäma  f.  «Leumund,  Gerücht». 

Famulus,  m.  (PL  Famuli  und  Famu- 
lusse): Diener,  Gehilfe.  Aus  gleichbed.  lat. 
famulus  m.     Bei  Sperander  1728. 

Fanatiker,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  schranken- 
loser Glaubensschwärmer.  Aus  dem  lat.  Adj. 
fänäticus,  abgeleitet  von  fänum  n.  «gottge- 
weihter Ort,  Tempel».  Im  18.  Jh.  —  fana- 
tisch, adj.:  glaubenswütig.  Nach  lat.  fänä- 
tims.  1588  bei  Joh.  Nas  (Wackernagels 
Kirchenlied  548^).  —  fauatisiereu,  v.:  zui- 
Glaubenswut  aufregen.  Aus  dem  gleichbed. 
franz.  fanatiser.  — •  Fanatismus,  m. :  Glau- 
benswut. Mit  lat.  Endung  nach  franz.  fana- 
tisme,  ital.  fanatismo  m.  gebildet.    Im  18.  Jh. 

Fanfare,  f.  (PI.  -n):  Trompetensignal. 
Aus  dem  gleichbed.  franz.  fanfare  f.,  das  mit 
franz.  fanfaron  m.  «Prahler»,  ital.  fanfano, 
Span,  fanfarron  «prahlerisch»  urspr.  lautnach- 
ahmend ist.     Bei  Roth  1791. 

Fang,  m.  (-es,  PI.  Fänge):  Habhaftwer- 
den und  Halten  sowie  das  Gefangene  selbst; 
Einrichtung  zum  Fangen  der  Tiere;  Eaub- 
tierzahn,  Eaubvogelklaue ;  letzter  tötender 
Stich  bei  gejagtem  Wilde  (schon  frühnhd.).Mhd. 
vanc  (Gen.  vanges)  m.  «Fang,  das  Auf-,  Um- 
fangende», ahd.  and./awgf  in  Zusammensetzungen 
wie  anafang  «Anfang»;  dazu  ndl.  vang  m., 
ags.  feng  m.  «Griff»,  engl,  fang  «Fangzahn, 
Klaue»,  anord.  fang  n.,  schwed.  fang  m.,  dän. 
fang.  Von  fangen,  v.  (Prät.  fing,  Part,  ge- 
fangen): festnehmend  oder  -haltend  in  seine 
Gewalt  bringen.  Älternhd.  fahen,  mhd.  vahen, 
van  (Prät.  vienc,  vie,  Part,  gevangen,  gevän); 
dazu  asächs.  fähan  (Prät  feng),  auch  (in  den 
Psalmen)  fangan,  ndl.  vangen,  afries.  fän,  ags. 
fön,  anord.  fä,  auch  fanga,  schwed.  fa,  dän. 
faa,  got.  fähan.  Das  Präs.  fo.ngen  erklärt 
sich  durch  Ausgleichung  mit  dem  Prät.,  noch 
nicht  mhd.,  wohl  aber  öfter  mnd.  und  mndl. 
vangen,  bei  Luther  vereinzelt  neben  gewöhn- 
lichem fahen,  im  17.  Jh.  schwankend  (Schottel 
und  Bödiker  setzen  beide  Formen  an),  bei 
Gottsched  nur  fangen,  doch  verbleibt  fahen 
der  poetischen  Sprache  (Klopstock  Mess.  2, 
6;  Goethe  Eein.  6,  38,  SchiUer  Teil  4,  1; 
Uhland  269).  Das  Prät.  älternhd.  fieng  (noch 
bei  Gottsched,  während  Adelung  sich  für 
fing  erklärt)  hat  Verkürzung  erfahren,  wie 
schon  in  altern  md.  Quellen,  sowie  mnd.  und 
mndl.  vinc  erscheint.  Verwandt  ist  aind. 
pägas  «Strick»,  lat.  pacisci.  «einen  Vertrag 
schließen»,  ferner  wohl  auch,  da  die  Wurzel 


idg.  *pak  und  *pag  lautete,  die  bei  Fach 
(s.  d.)  angeführten  Wörter.  ABL.  Fänger, 
Fanger  (Schiller  Räuber  4,  l),  m.  {-s,  PI. 
wie  Sg.):  fangende  Person,  Hund  zum  Fang 
auf  der  Saujagd,  Waife  zum  tötenden  Stich 
bei  Wild.  Mhd.  dafür  väher,  bei  Luther  in 
der  1.  Bed.  fenger. 

Fant,  m.  {-es,  PI.  -e):  junger,  bes.  flatter- 
hafter oder  eitler  Mensch.  Mhd.  dafür  vanz 
(so  noch  jetzt  obd.  neben  Fant),  im  Dimin. 
venzelin  n.  «junger  Schalk»  (s.  Älfanz,  Firle- 
fanz); dazu  anord.  fantr  m.  «Gaukler».  Die 
Form  Fant  erklärt  sich  aus  dem  Einfluß 
eines  ndd.  Wortes,  mnd.  vent  m.  «Knabe, 
Knecht»  (auch  im  Dim.  venteken),  das  eben- 
so wie  ndl.  vent  m.  «Knabe»  zurückzuführen 
ist  auf  veim-genöt,  eig.  «Mitglied  einer  Ge- 
sellschaft» (s.  Fehme),  was  mit  Verkürzung 
vemnot  und  das  noch  jetzt  im  Ndl.  vor- 
kommende vennoot  m.  ergeben  hat  (Bedeu- 
tungsentwicklung wie  bei  Bursche,  s.  d.). 
Dies  Fent  vermischt  sich  in  der  Bedeutung 
mit  Fanz.  Vgl.  von  Bahder  Btr.  22,  527. 
Henisch  1616  setzt  Fante  (diese  Form  wohl 
unter  Einfluß  des  ital.  fante  m.  «Knabe, 
Knecht»),  Stieler  1691  Fante,  Fente,  Fent 
«Knabe,  leichtsinniger  junger  Mensch»  an,  in 
der  Literatur  findet  sich  öfter  Fäntchen,  das 
von  Kindleben  1781  als  niedersächsisches 
Wort  bezeichnet  wird  (auch  Adelung  kennt 
nur*  das  Dim.,  das  er  von  Fant  ableitet), 
Fant  gebraucht  Wieland  im'  Oberon  4,  47 
und  erklärt  es  im  angefügten  Glossar. 

Farbe,  f.  (PI.  -n):  die  durch  Brechung 
der  Lichtstrahlen  hei-vorgebrachte  Empfindung 
des  Auges.  Mit  6  für  w  aus  mhd.  varwe,  ahd. 
farawa  f.;  dazu  and.  faraivi,  ndl.  verf,  ags, 
fcerhu  f.,  aus  dem  Deutschen  schwed.  färg, 
dän.  farve.  Dunkler  Herkunft.  ABL.  -farl), 
mhd.  -var  (flekt.  -varwer),  ahd.  faro  (flekt. 
farawer),  and.  missivaro  «verschiedenfarbig», 
weiter  gebildet  -färben  (bei  Luther),  farbig 
(älternhd.  auch  farhicht),  färbig  (Goethe 
Faust  3901  tausendfärhig),  bei  Luther  ferbig. 
färben,  v.,  mhd.  verwen,  ahd.  faraiven.  Da- 
von Färber,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.),  mhd.  ver- 
locere  m.,  und  Färbung,  f.  (1482  im  voc. 
theut.  h6^  ferhung). 

Farce,  f.  (PI.  -n):  Füllsel;  Mengstück, 
Possenspiel.  Das  franz.  farce  f.,  aus  lat. 
farsus  «ausgestopft»,  von  farclre  «stopfen». 
In  der  1.  Bed.  1715  bei  Amarauthes,  in  der 
zweiten  1600  bei  Albertinus  Sendschreiben 
3,  69*  Farsse. 


501 


Farinzncker 


faseln 


502 


Farinzncker,  m.  (-s):  Mehl-,  Küchen-, 
Speisezucker.  Zusammenges.  mit  lat.-ital. 
farmai.  «Mehl»,  Farin  1715  bei  Aniaranthes. 

Farm,  f.  (PI.  -en):  Meierhof,  Landgut 
(in  Amerika).  Das  engl,  farm,  das  zurück- 
geht auf  afranz. /erwe  f.  «feste  Rente,  sicherer 
Besitz»,  von  lat.  firmus  «fest».     Im  19.  Jh. 

Farn,  m.  (-es,  PI.  -e),  meist  Farnkraut, 
n.  (falsch  Farrenkrauf) :  die  Pflanze  filix. 
Mhd.  farm  und  farn  m.  n.,  ahd.  faram,  faran 
n.;  dazu  and.  farn,  ndl.  varenkruid,  ags.  fearn 
m.,  engl.  fern.  Verwandt  sind  aind.  parna-  m. 
n.  «Flügel,  Feder»,  dann  «Laub,  Blatt»,  aJso 
eig.  «federförmiges  Blatt»;  dazu  wohl  noch 
niss.  päporoti,  ht.  papärtis  m.,  PI.  paparcai 
«Famkraut».     S.  auch  Rainfarn. 

Farre,  na.  (-«,  PI.  -n):  unverschnittener 
Ochse.  Mhd.  varre,  ahd.  farro  m.  neben  dem 
stark  flektierenden  mhd.  var,  ahd.  far  (Plur. 
fdrri) ;  dazu  ndl.  var,  ags.  fearr,  anord.  farri 
m.  Mit  n*  aus  rs,  vgl.  Färse;  vei-wandt 
ist  gr.  TTÖpic,  TTÖpTic  f.  «junges  Rind,  Kalb, 
junge  Kuh». 

Färse,  f.  (PI.  -n):  das  noch  nicht  träch- 
tige erwachsene  Rind.  Aus  dem  Nd.,  mnd. 
(in  Glossaren  des  15.  Jh.)  verse,  mndl.  verse, 
ndl.  vaars  f.,  im  15.  Jb.  auch  in  einem  hd. 
Glossar  (Diefenbach  Gl.  313^)  kalbes  verse, 
im  17.  Jh.  wird  Fährse  von  Zesen  im  Heli- 
kon 74  als  in  Meißen  sekr  üblich  angeführt. 
Abgeleitet  von  ahd.  far  (s.  Farre), 

farzen,  v. :  einen  lauten  Bauchwind  lassen. 
Spätmhd.t'ar^en  neben  dem  stark  flektierenden 
mhd.  verzen,  ahd.  ferzan;  dazu  ags.  feortan, 
engl,  fart,  anord.  (mit  Umstellung  des  r) 
freta,  schwed.  fjerta,  dän.  fjerte,  und  weiter 
dazu  die  gleichbed.  gr.  irepöeiv,  v\iss.perdeti, 
lit. perdzUjpersti,  aind.  pard  nebst  den  Worten, 
die  auf  idg.  pezd  zurückgehen,  lat.  pedere, 
slow. pezdeti,  lit.  hezdgti,  gr.  ßbeuu,  mhd.  visten. 
Idg.  Grundform  perzd. 

Fasan,  m.  [-s  und  -en,  PI.  -e  und  -en): 
ein  schöner  fremder,  hühnerartiger  Vogel. 
Mhd.  fasän,  fasant  m.,  ahd.  fasän  m.,  ndl. 
fazant  m.  Durch  franz.-span.  faisan,  prov, 
fassan,  ital.  fagiano  m.  überkommen  aus  gr.- 
lat.  phasiänus  m.  d.  i.  «Vogel  vom  Flusse 
Phasis  in  Kolchis».  Mhd.  auch  volksver- 
ständlich gemacht  als  vasehan,  vaselhan;  da- 
zu vase-,  vaselhuon  n.  ABL.  Fasanerie, 
f.:  Fasanengehege,  nach  franz.  faisanderie  f., 
bei  Frisch  1741.  Schon  Henisch  1616  hat 
Fasaner  «der  die  Fasanen  zeucht  und  er- 
nehrt». 


Fasch,  m.  {-es,  PI.  -e):  eine  Elle  breites 
und  zwei  EUen  langes  Stück  Sohlleder.  Mhd. 
(um  1400)  vasch  f.  «Binde».  Aus  franz.  fasce, 
ital.  fascia  f.  «Binde,  Zeugstreifen»,  und  diese 
aus  dem  gleichbed.  lat.  fascia  f. 

Fäs-cheu,  n.  (Goethe  Herm.  u.  Dor.  9,  18, 
bei  Aler  1727  Fäsichen),  Dim.  von  Fasen,  s.  d. 

Faschine,  f.  (PI.  -n):  Reis-  oder  Strauch- 
weUe  bei  Wasser-,  Feldschanzen-,  Batterien- 
bau. Aus  franz.  fascine,  ital.  fascina  f.  «Reis- 
bündel», von  dem  aus  lat.  fascis  m.  «Bund» 
abgeleiteten  ital.  fascio  m.  «Bündel».  Bei 
Krämer  1678. 

Fasching,  m.  (-s,  PI.  -e)  -.  Fastnacht  (s.  d.). 
Bes.  in  Österreich  üblich.  Mit  Abschwächung 
des  zweiten  Wortes  aus  mhd.  vasnaht,  vasch- 
naht  entwickelt,  indem  die  häufige  Ableitungs- 
silbe -ing  eingetreten  ist;  spätmhd.  vassang, 
vaschang  zeigt  noch  das  ursprünghche  a  der 
zweiten  Silbe.  Kaum  entspricht  vaschang  dem 
mnd.  vastgang  (neben  vasting),  anord.  föstu- 
gangr  m.  «Beginn,  eig.  Herannahen  der 
Fastenzeit». 

Fase,  s.  Fasen. 

Fasel,  m.  (-s):  Junges,  Zucht  wovon. 
Auch  in  Faseüiengstm.  «Zuchthengst»,  Fasel- 
ochse m.  «Zuchtocbse»,  Faselschicein  n.  «Zucht- 
schwein», Faselvieh  n.  «Zucht\'ieh».  Mhd, 
vaselm.  «Zuchtstier,  -eher»,  überhaupt  männ- 
liches Tier,  um  zu  befruchten  (auch  in  Zu- 
sammensetzungen, wie  vaselkalp,  vaselstvin, 
vaselvihe),  daneben  ahd.  (bei  Notker)  fasel  m. 
«Junges  wovon,  Nachkommenschaft»;  dazu 
ags.  fcesl  n.  (?),  anord.  fösull  m.  «Nachkommen- 
schaft». Vgl,  auch  friihmhd.  fesil  «fnichtbar». 
Verwandt  mit  mhd.  (mit  Ablaut)  visel  m. 
«penis»,  das  zu  lat.  penis  (aus  *pesnis)  m., 
gr.  TT^oc  n.  (aus  *pesos),  Bmd.  päsas  n.  «penis» 
gehört.  Vgl.  Osthofl' Btr.  20,  94;  Prusik  KZ. 
35,  601.  ABL.  faseln,  v.:  Junge  werfen, 
sich  fortpflanzen  (frühnhd.);  gedeihen  (im 
Sprichwort  unrecht  Chit  faselt  nicht  Luther 
Tischr.  143  ^j. 

Fasele,  s.  Faseole. 

"^faseln,  v.:  tändelnd,  ausgelassen,  leicht- 
sinnig gebaren  (Goethe  3,  193);  unüberlegt, 
verwirrt  reden.  In  der  2.  Bed.  von  Frisch 
1741  als  neues  Wort  bezeichnet,  gebraucht 
z.  B.  von  Hermes  Sophiens  Reise  2,  601.  Ab- 
geleitet von  dem  ältemhd.  fasen  (bei  Stieler 
1691)  «mit  dem  Geist  irr  umherschweifen, 
ohne  Überlegung  rmd  wie  träumend  denken 
und  reden,  Alberaheiten,  Possen  treiben», 
das  auf  ahd.  fasdn  «suchen,  aufsuchen,  auf- 

32* 


503 


faseln 


Faste 


504 


spüren»  zurückgeht  (mhd.  nicht  belegt).  S. 
auch  Fastnacht.  ABL.  Faselei,  f.,  1734 
bei  Weber  255^.  ZUS.  FaselhanS,  m. 
Fasel-Hanß  abend. 

'faseln,  v..-  sich  fortpflanzen,  s.  Fasel. 

Fasen,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.),  Fase,  f. 
(PI.  -n) :  sich  absondernder  Faden  oder  Faden- 
artiges. Mhd.  vase  m.  f.  «Faser,  Franse,  Ein- 
fassung, der  Saum  eines  Gewandes»,  ahd. 
faso  m,  und  fasa  f.;  dazu  mnd.  vese,  vesen 
f.  «Faser»,  ags.  foes  n.  «Franse».  Auch  er- 
weitert zu  Fasel  (Alberus  Dict.  Q  3^,  noch 
bei  Ludwig  1716),  entsprechend  ndl.  vezel  f. 
Dazu  das  Dimin.  Fäs-chen  (s.  d.).  Hierher  wohl 
auch  (mit  Ablaut)  mhd.  vese,  ahd.-and.  fesa 
f.  «Fruchtbalg,  Spreu,  unenthülster  Spelt». 
Weitere  Anknüpfungen  bei  Osthoff  Btr.  18, 
249  (unwahrscheinlich),  Pedersen  Idg.  Forsch. 
5,  67  zu  russ.  päsmo  n,  «Gebinde,  Fitze, 
Strähne»,  Prusik  KZ.  35,  601,  Uhlenbeck  Btr. 

26,  290.    ABL.  fasen,  auch  faseln,  v.: 

Fäden  aus-  und  abzupfen,  refl.  sich  fasen: 
Fäden,    die    sich    lostrennen,    gehen   lassen. 

Spätmhd.  vase?i.   ZUS.  fasenuackt,  fasel- 

uackt,  adj.:  nackt  bis  zum  letzen  Fasen 
am  Leibe.     Im  17.  Jh. 

Faseole,  f.  (PI.  -n):  eine  Art  Bohnen. 
Mhd.  phasol,  vasol,  vasoel  f.,  aus  gr.-lat. 
phaseolus,  gr.  qpacrioXoc,  cpacioXoc,  Nebenform 
von  gr.-\a.t.phaselus,  gr.  cpctcriXoc  m.  «Schwert- 
bohne».   Auch  Fasele  und  Fisole  (s.  d.). 

Faser,  f.  (PI.  -n)  ■■  sich  ablösender  Faden ; 
Fadenartiges,  z.B.  an  Pflanzen;  fadenförmiger 
Körperteil.  Spätmhd.  vaser  f.  «Franse».  Ab- 
geleitet von  Fasen,  s.  d.  ABL.  faserig, 
adj.:  sich  ablösende  Fasern  an  sich  habend. 
Bei  Krämer  1678  fasericht,  bei  Rädlein  1711 
fäsericht.  fasern,  v.:  Fasern  ausziehen,  refl. 
sich  f.:  sich  ablösende  Fasern  gehen  lassen. 
Bei  Krämer  1678. 

Fasnacht,  s.  Fastnacht. 

Faß,  n.  (Gen.  Fasses,  PI.  Fässer):  hohler, 
tiefer,  beweglicher  Behälter  zur  Aufnahme 
von  etwas.  Mhd.  vag,  ahd.  fag  n.  «Faß,  Ge- 
fäß, Schrein,  Bienenkorb»  usw.;  dazu  asächs. 
fat,  ndl.  und  danach  engl,  vat^  ags.  fcet, 
anord.-schwed.  fat  (Plur.  föt  «Kleider»),  dän. 
fad  n.;  dazu  das  Koll.  mhd.  (mit  Ablaut) 
gevcege,  ahd.  givägi  n.  (s.  Gefäß),  das  in  seinem 
Vokal  mit  ags.  fößtels  n.  «Gefäß»,  fmted  «ge- 
schmückt», und  got.  ßtjan  «schmücken»,  eig. 
«umhüllen»  übereinstimmt.  Verwandt  ist  lit. 
püodas  m.  «Topf,  Gefäß».  Weitei-e  Vermu- 
tungen bei  Walde  s.  Y.patro.    Die  ursprüng- 


liche Bed.  war  allg.  «Hülle,  UmschHeßung», 
vgl.  fassen.  ZUS.  Faßbinder,  m.:  Büttner, 
spätmhd.  vaghinder. 

Fassade,  f  (PI.  -n):  Stirn-,  d.  i.  Giebel- 
seite. Aus  dem  gleichbed.  fi-anz.  facade  f., 
von  franz.  face  f.  «Gesicht,  Vorderteil  eines 
Gebäudes»,  das  auf  lat.  fades  f.  «Antlitz» 
beruht.     Bei  Wächtler  1714. 

fassen,  v.:  worein  zusammenpacken:  wo- 
rein befestigend  umgeben;  (körperlich  oder 
geistig)  zusammen  in  sich  aufnehmen;  wo- 
mit (abstrakt  mit  einem  Sinne  oder  dem  Ver- 
stände) festnehmen  und  -halten;  in  seine  Ge- 
walt bekommen  oder  bringen.  Refl.  sich  f.: 
sich  zusammennehmen,  sich  zu  festem  Sinne 
sammeln.  Davon  das  Part.  Prät.  gefaßt  als 
Adj.:  gertistet,  mit  festem  Sinne  bereit.  Mhd. 
vaggen,  ahd.  fag^ön  «zusammenpacken,  auf-, 
beladen,  umschließen,  in  sich  aufnehmen, 
kleiden,  bekleiden,  liisten»,  refl.  sich  vaggen 
auch  «gehen»,  eig.  «sich  wohin  fertigmachen»; 
dazu  ndl.  vatten,  fries.  fatia,  ags.  fatian,  engl. 
to  fetch,  (entlehnt)  schwed.  fatta,  dän.  fatte. 
Abgeleitet  von  Faß  (s.  d.),  also  eig.  «mit 
einer  Hülle  versehen  und  in  eine  Hülle,  üm- 
schheßung  aufnehmen,  in  einer  Hülle  zu- 
sammenhalten machen»,  woraus  sich  die  Bed. 
von  «ergreifen»  usw.  entwickelt  hat.  S.  auch 
Fessel,  Fetzen.  ABL.  Fassung,  f.:  Hand- 
lung des  Fassens;  (zum  refl.  sich  f.)  Samm- 
lung, und  Haltung  des  Gemütes.  Mhd.  vag- 
zungef.  «Umkleidung,  Bekleidung,  Schmuck». 
Die  2.  Bed.  erst  bei  Adelung. 

faßlich,  adj.  u.  adv.:  im  Geiste  aufnehm- 
bar, der  Fassungskraft  angemessen.  Bei 
Stieler  1691. 

Fasson,  f.  (PI.  -s):  Gestalt,  Form;  An- 
stand. Aus  franz.  fagon  f.  «Art  und  Weise 
des  Tuns»,  ital.  fazione  f.  «Gestalt»,  das  auf 
lat.  f actio  f.,  das  «Machen»  zurückgeht.  Bei 
H.  Sachs  7,  187  Meidung  seltzamer  art  und 
faction;  1562  bei  Mathesius  Sareptal4*  u.  69^ 
Fazon,  auch  noch  bei  Moscherosch  2,  113. 

fast,  adv.:  stark  annähernd.  Älternhd. 
auch  in  der  Bed.  «sehr,  tüchtig»  (oft  bei 
Luther,  altertümelnd  noch  bei  Schiller  Teil 
2,  2).  Mhd.  vaste,  ahd.  fasto,  fest  «eng  sich 
anschließend,  dicht,  hart  an,  nahe  an»  (wo- 
her der  heutige  Sinn  von  «beinahe»),  «sehr, 
schnell»,  ist  das  Adv.  von  mhd.  veste,  ahd. 
festi,  s.  fest. 

Faste,  f.,  meist  im  Plur.  Fasten:  Ent- 
haltung von  'aller  Speise  oder  doch  von 
Fleischspeisen,  sowie  die  Enthaltungszeit,  bes. 


505 


Fasteltag 


faul 


506 


die  40  Tage  unmittelbar  vor  Ostern.  !Mlid. 
vaste,  ahd,  fasta  f. ;  dazu  asächs.-anord.-schwed. 
fasta  f.,  dän.  faste,  und  mit  abweichender 
Bildung  asächs.  fastunnia,  ndl.  rasten,  ags. 
fcesten  f.,  got.  fastuhni  n.  Von  fasten,  v.: 
sich  der  Speise  enthalten,  mhd.  rasten,  ahd. 
fasten:  dazu  ndl.  rasten,  ags.  fcestan,  engl. 
fast,  anord.-schwed.  fasta.  dän.  faste,  got. 
fastan,  das  auch  noch  die  ursprüngliche  Bed. 
«beobachten,  halten,  bewahren,  festhalten» 
hat.     Abgeleitet  von  fest,  s.  d. 

Fasteltag,  s.  Fasttag. 

fasten,  s.  Faste. 

Fastnacht,  f.:  der  Tag  vor  Aschermitt- 
woch, Beginn  der  großen  Fasten.  Ältemhd. 
auch  sehr  häufig  Fasenacht,  Fassenacht  (Al- 
berus  Fab.  193),  Fasnacht,  Faßnacht  (Schüler 
WaU.  Tod  4,  7,  Teil  1,  3),  so  im  16.  -Jh.  bei 
Luther,  Seb.  Franck,  H.  Sachs,  Fischart,  auch 
vielfach  in  den  Wörterbüchern  (noch  Ade- 
lung führt  Fasenacht  als  Form  des  gemeiaen 
Lebens  an)  und  noch  jetzt  fast  in  ganz  Ober- 
deutschland. Mhd.  steht  vasenaht,  vasennaht, 
vasnaht,  raschnaht  (s.  Fasching)  neben  vast- 
naht  f.,  auch  vastelnaht,  diese  Foith  ist  aber, 
vne  mnd.  rastavend,  rastelavend  m.  «Tag  vor 
der  Fastenzeit»  (s.  Sonnabend)  zeigt,  die 
ursprüngliche  und  hat  nur  verschiedentlich 
(nachdem  mundartlich  das  t  in  rastnacht  viel- 
fach ausgefallen  war)  eine  Ümdeutung  er- 
fahren, namentl.  mit  Anlehnung  an  fasen 
«umherschweifen,  sich  albern  benehmen»,  s. 
faseln.  Eedensart:  kommen  wie  die  alte 
Fastnacht:  hintennach,  zu  spät  kommen, 
weil  wer  zm-  alten  Fastnacht  (so  hieß  der 
erste  Fastensonntag,  der  sechste  Sonntag  vor 
Ostern)  noch  kam,  um  zu  tanzen  und  zu 
springen,  zu  spät  kam,  denn  da  war  laute 
Lustbarkeit  nicht  mehr  erlaubt. 

Fasttag,  m.  {-es,  PL  ~e):  Tag,  an  dem 
gefastet  wird.  Mhd.  rastetuc,  rasttac,  ahd. 
fastatag  m. :  dazu  anord.  föstudagr  m.,  schwed.- 
dän.  fastedag.  Zusammengesetzt  mit  Faste, 
s.  d.  Daneben  Fasteltag  fJer.  36,  6),  schon 
mhd.  auch  rasteltac,  mnd.  lasteldach. 

Faszikel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Bündel, 
Heft.  Aus  lat.  fasciculus  m.  «Bündel»,  dem 
Dim.  von  fascis  m.  «Bund»  (s.  Faschine). 
Bei  Wächtler  1714  Fascicid. 

fatal,  adj.:  verhängnisvoll,  unheilbringend; 
widrig,  unsehg.  Von  XaX.fätälis  «vom  Schicksal 
bestimmt,  verhängnisvoll,  verderblich»,  abge- 
leitet von  fätum  n.  «Götterspnich,  Schicksal, 
Verhängnis^.    Schon  im  17.  .Jh.  in  der  2.  Bed. 


(Schupp  245).  ABL.  Fatalität,  f.  (PI.  -en): 
unvermeidhches  Schicksal,  Mißgeschick.  Aus 
dem  gleichbed.  lat.  fätälitus  f.  1634  in  den 
Mitteil.  d.  Ver.  f.  Gesch.  d.  Deutschen  in 
Böhmen  7,  223. 

Fata  Morgäna,  f.  (PI.  F.  m/yrganen  und 
niorganas):  Luftspiegelung.  Schon  mhd.  fa- 
murgän  als  Eigenname.  Aus  ital.  fata  morgäna 
f.,  dessen  erster  Bestandteil  «Fee»  bedeutet 
(s.  d.),  während  der  zweite  der  arab.  Frauen- 
name Morjäna.  Morgäna  ist. 

fatzen,  v. :  scherzen,  Possen  treiben ;  zum 
besten  haben:  plagen,  foppen.  Seit  dem  Ende 
des  15.  Jh.  Von  Fatz  f.  «beißender  Witz, 
Spötterei»,  bei  Stieler  1691,  Plur.  Fatzen 
«Lotterbuberei»,  bei  Duez  1664,  und  dieses 
gekürzt  aus  lat.  facetia  f.  «Witz,  Scherz», 
PI.  facetiae  «witzige  Reden».  Vgl.  auch  ital. 
fazio  m.  «Possenmacher».  ABL,  Fatzke, 
m.  f-n,  PI.  -n):  läppischer  Mensch.  In  der 
neuern  Berliner  Umgangssprache,  mit  der  bei 
Eigennamen  häufigen  Endung  -ke  gebüdet. 
Im  altem  Xhd.  bestand  Fatzmann,  Fatzhub, 
Fatznarr  m.  «Possenreißer,  Hansnarr». 

Fatzeuetlein,  s.  unter  Schnupftuch. 

fauchen,  v.:  (von  Katzen,  Eulen  usw.) 
blasen,  schnaufen.  Mhd.  dafür  pfüchen,  das 
auch  nhd.  noch  als  pfauchen  vorkommt  und 
in  Osterreich  und  Bayern  noch  so  geschrieben 
wird.     Lautnachahmend. 

faul,  adj.  u.  adv. :  sich  in  Verwesung  auf- 
lösend: Mangel  an  Kraftanwendung  äußernd; 
nichtsnutzig,  ^fhd.  vfd  «verwesend,  träge, 
schwach»,  ahd.  fxd  nur  ia  der  1.  Bed.;  dazu 
ndl.  vuü  «schmutzig»,  ags.  fül,  engl,  foul, 
anord.  füll,  schwed.-dän.  fid,  got.  füls,  urspr. 
s.  V.  a.  «Ven^esungsgeiTich  von  sich  gebend, 
stinkend».  Die  Wurzel  zeigt  sich  ohne  das 
^Suffix  in  anord.  fvi  m.  «Fäulnis»,  füinyi 
«verfault»,  feyja  «verfaulen  lassen»,  füna 
«faulen».  Es  gehört  zu  aind,  püj  «verwesen, 
stinken»,  aw.  pujeiti  <;wird  faul»,  arm.  hu 
«eiteriges  Blut»,  lit.  püvü.  püti  «faulen», 
pül'ai  m.  PI.  «Eiter»,  lat.  pütere  «faul  riechen, 
stinken»,  püs  n.  «Eiter»,  gr.  trüGeiv  «faulen 
machen»,  irOov  n.  «Eiter».  ABL.  Fäule, 
f.,  mhd.  viule,  ahd.  fvli  f.  faulen,  v.:  faul- 
werden, mhd.  vulen,  ahd.  fulen.  faulenzen, 
V.,  mit  dem  Suffix  -enzen  gebildet  (s.  d.), 
urspr.  «nach  Faulsein  riechen»,  dann  «der 
Neigung  zum  Faulsein  sich  hingeben».  Nach 
Heynatz  1796  obd.,  frühnhd.  (auch  bei  Luther), 
schon  spätmhd.  erscheint  videzen  «faulicht 
schmecken»    (vulazen   im   Voc.  Schröer  32), 


507 


räum 


fechten 


508 


dann  auch  faulenzen:  früher  auch  faullenzen 
geschrieben,  indem  das  Wort  als  zusammenges. 
mit  dem  Eigennamen  Lenz  betrachtet  wurde, 
vgl.  der  faul  Lenz  bei  H.  Sachs  Fab.  48. 
Davon  Faulenzer,  m.,  auch  «Hilfsbuch,  -tafel 
zum  mühelosen  Rechnen  usw.».  Bei  Luther, 
sonst  frühnhd.  auch  Faulenz.  Faulheit,  f., 
mhd.  vfdlieit  f.  faulicht,  faulig,  adj.,  mhd. 
dafiir  vüllich,  mit  -lieh  gebildet.  Fäulnis, 
f.,  ahd.  fülnussi,  dann  erst  wieder  im  Nhd. 
aul'kommend  (bei  Frisch  1741  Fäulnüß).  ZUS. 
Faulhaum,  m.:  die  Holzpflanze  rhamnus 
frangula,  nach  dem  fauligen  Geruch  der 
Rinde  bei  ihrem  Absud  zur  Gewinnung  eines 
Heilmittels  benannt;  ahd.  fülboum  m.  Faul- 
bett, n.:  Bett,  worauf  man  sich  der  Un- 
tätigkeit hingibt;  bei  Luther.  Faulpelz, 
m. :  der  Faulheit  hingegebener  Mensch,  urspr. 
der  Pelz,  die  Haut,  die  Faulendes  überzieht. 
Bei  Campe  1807  noch  nicht  verzeichnet,  aber 
in  der  Schweiz  schon  in  alter  Zeit  belegt, 
vgl.  Schweiz.  Id.  4,  1224.  Faultier,  n.: 
ein  außerordentlich  träge  sich  bewegendes 
Säugetier.  1775  bei  Adelung. 
Faum,  s.  Feim. 

Faun,  m.  (-es,  PI.  -e)  -.  bocksfüßiger  Feld- 
und  Waldgott;  Lüstling.  Aus  lat.  Faunus  m. 
Tm  18.  Jh.  in  deutscher  Form,  aber  im  lat. 
Gewände  schon  im  14.  Jh.  bei  Megenberg 
1-57,  25.  ABL.  fauuisch,  adj.  u.  adv.,  bei 
Wieland  Idris  5,  83.  Fauna,  f.  (PI.  Faunen): 
die  Tierwelt  eines  Landes.  Yon  Faunus.  Im 
18.  Jh. 

Faust,  f.  (PI.  Fäuste):  geballte  Hand. 
Mhd.  vüst,  ahd.  füst  f.;  dazu  ndl.  vuist,  ags. 
fyst  f.,  engl,  fist,  nord.  nicht  vorhanden.  Als 
Gnindform  wird  *funhsti-  anzusetzen  und 
Verwandtschaft  mit  dem  gleichbed,  aibg.p^stt  f. 
anzunehmen  sein,  weiter  dazu  Finger  (s.  d.); 
andre  vermuten  unwahrscheinlich  Zusammen- 
hang mit  gr.  TTUT.uri  f.,  lat.  pugnus  m,  «Faust». 
ABL.  Fäustel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.) :  schwerer 
eiserner  Hammer  der  Bergleute.  Bei  Agricola 
und  Mathesius  Sar.  Fäustling,  m.  (-s,  PI. 
-e) :  Handschuh  ohne  Finger,  mhd.  viustelinc, 
ahd.  füstilinc  m.;  Saclq3ufi"er,  Pistole, bei  Stein- 
bach 1734.  ZUS.  Fausthammer,  m.:  Streit- 
hammer, im  16.  und  17.  Jh.;  Gerichtsdiener, 
früher  am  Oberrhein,  benannt  nach  der 
Wafi'e,  die  er  führte,  noch  bei  Wagner  Kinder- 
mörderin (5.  Akt).  Faustpfand,  n.:  in  die 
Hand  gegebenes  Pfand.  Noch  nicht  bei  Campe. 
Faustrecht,  n. :  bloßes  Recht  des  Stärkern, 
bei  Luther. 


Fauteüil  (-s,  PI.  -s):  Lehnsessel.  Aus 
gleichbed.  franz.  fauteüil  m.,  afranz.  faldestuel, 
das  auf  ein  germ.  *faltstuol  (s.  Feldstuhl) 
zurückgeht.      1727  bei  Sperander. 

Favorit,  m.  {-en,  PI.  -en):  Liebling.  Aus 
dem  franz.  Adj.  favori,  favorite,  das  aus  ital. 
favorito  stammt,  von  lat.  fävor  m.  «Gunst». 
Schon  1601  bei  Albertinus  geistl.  Spiegel  13^. 
Davon  Favorite  oder  Favoritin,  f.,  1791 
bei  Roth. 

Faxe,  f.  (fast  nur  im  PI.  Faxen):  spaß- 
hafter Einfall;  Narrensposse;  närrische  oder 
wunderliche  Gebärde  (Goethe  31,  209  hinter 
jemand  F.  schneiden).  Späte  Bildung  (im 
Bremischen  Wbch.  1767,  bei  Adelung  1775), 
die  wie  die  gleichbedeutenden  Fixfax  m. 
und  westfäl.-hess.  Fiksefakse  f.  zeigen,  auf 
fickfacken  (s.  d.)  zurückgeht. 

Fayence,  (räher  Faience,  f. :  Halbporzellan. 
Das  franz.  fai'ence,  früher  fayence  f.,  genannt 
nach  dem  Fabrikorte  Faenza  (lat.  Faventia) 
in  der  heutigen  Romagna.  Bei  Jacobsson 
techn.  Wb.  (1781)  Fajanze,  fajanzer  Geschirr. 
Fazit,  n.  (-S,  PI.  -s):  Ergebniszahl  einer 
Rechnung,  Das  lat.  facit  «es  macht».  Be- 
reits 1514  in  Böschensteyns  Rechenbuch  A4*. 
Februar,  m.  (-s,  PI.  -e) :  der  zweite  Monat 
im  Jahre.  Aus  lat.  februärius  ra.,  benannt 
nach  dem  jährhchen  Reinigungs-  und  Sühn- 
fest [fehrua,  PI.),  das  in  der  2.  Hälfte  des 
Mon'ats  stattfand.  Der  deutsche  Name  ist 
Hornung,  s.  d. 

Fechdistel  oder  Fehdistel,  f.:  Marien- 
distel, Carduus  marianus.    Mhd.  vechdistel  m., 
j  zusammenges.  mit  vech  «mannigfaltig» (s.jPeÄe), 
der  Name  wegen  der  schönstreifigen  gefleckten 
I  Blätter. 

i  Fechser,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Rebzweig 
'  als  Setzling.  Frühnhd.  (1482  im  voc.  theut. 
b  5^  f echser),  bei  Luther  mit  md.-nd.  Schwinden 
des  ch  Feser.  Wohl  zu  mhd.  vehsenen 
«einernten,  -heimsen,  -nehmen»,  bayi'.-öster. 
fechsen  «ernten». 

I      fechten,  v.  (Prät.  focht,  Part,  gefochten) : 

j  mit  der  Wafle  tätlich  entgegen  sein;    über- 

I  haupt  Kampf bewegungen  machen;  (von  den 

Handwerksburschen)    betteln.      Die   3.  Bed. 

I  (schon  bei  Krämer  1678  angegeben)  stammt 

wohl   noch   aus  der  Zeit,   wo,   namentl.  zu 

\  Nürnberg  und  Breslau,   eigne  Fechterspiele 

1  und  Fechtschulen  für  Handwerker  bestanden, 

zu   denen   diese  hin-  und   herreisten.     Mhd. 

I  vehten,  ahd.  fehtan;  dazu  asächs.  fehtan,  ndl. 

I  rechten,  afries.  fiuchta,  ags.  feohtan,  engl,  fight, 


509 


Feder 


Fehde 


510 


anord.-got.  fehlend.  Verwandtschaft  mit  gr. 
ttOE  «mit  der  Faust»,  -rruYMn  f->  Isit.  pugnus  m. 
«Faust»,  ist  möglich  auch  ohne  die  Annahme, 
daß  das  Verb  urspr.  der  w-Klasse  angehört 
habe  und  vom  Prät.  Plur.  und  Part,  aus  zur 
e-Klasse  übergetreten  sei,  wenn  man  idg. 
*peii}ek  ansetzt.  Beziehung  zu  lat.  pectere, 
gr.  TT^Keiv  «kämmen»,  lit.  pesti  «rupfen»  ist 
unwahrscheinlich.  Vgl.  Osthoff  Parerga  1, 
369  ff.,  Beitr.  27,343,  Lagererantz  KZ.  34^401, 
der  gr.  ■n-6UKd\i,uoc,  Ixe-nevKic  vergleicht.  Das 
Prät.  flektiert  ahd.  faht,  Plur.  fuhtum,  mhd. 
x^aht,  vuhten,  aber  auch  vähten,  im  altem 
Nhd.  facht,  fochtest,  Plur.  fochten  (so  bei 
Clajus),  dagegen  später  focht,  z.  B.  Fischart 
Garg.297,  Zesenibr.  1,527,  bei  Schottet /bcMe. 
Das  Präs.  gibt  zuweilen  den  Vokalwechsel 
auf  und  bildet  fechtest  (schon  bei  Schottel 
neben  flehtest), Im^p.  fechte.  J_Biv.  Fechter, m. 
(-S,  PI.  wie-Sg.),  mhd.  vehtcere,  ahd.  fehtäri  m. 
2njS.  Fechthoden,  m.,  im  17.  Jh.  (Schupp 
268).  Fechtmeister,  m.,  bei Dasypodius  1537. 
Fechtschule,  f.,  1540  bei  Albenis  Dict.  J2a 
fechtschuol  und  1521  bei  Emser  (Neudruck 
Nr.  83)  S.  9  fechtschul.  Die  Redensart  es  stinkt 
in  der  Fechtschule  bed.  «die  Sache  geht  übel, 
es  ist  nichts  dahinter»,  eig.  «es  entspricht 
der  Ankündigung  oder  Erwartung  nicht». 

Feder,  f.  (PI.  -n):  einzehier  Teil  der 
natürlichen  Körperbekleidung  des  Vogels; 
zum  Schreiben  bereiteter  Gänsekiel,  dann 
dessen  Ersatz  von  Stahl;  elastisches  Stück 
Stahl.  Mhd.  vedere,  veder,  ahd.  fedara  f.; 
dazu  asächs.  fethara,  ndl.  veder,  ags.  feder, 
engl,  feaiher,  anord.  fjöär,  schwed.  fjäder  f., 
dän.  fjär  und  weiter  mit  Ablaut  gr.  iTTepöv  n. 
«Flügel»,  zu  TrexecGai  «fliegen»,  aind.  -patra'm 
catäpatras  «100  Federn  habend»,  pdtatram  n. 
«Flügel»,  zur  Wurzel  *pat  «fliegen»,  akymr. 
atar  «volucres»,  abg.  pero  n.  «Feder»,  viel- 
leicht auch  lat.  penna  f.  «Feder»  aus 
*petna  vgl.  Walde  s.  v.  ABL.  federn,  v.: 
elastisch  sein,  bei  Adelung;  älter  ist  fiedern 
in  befiedern  usw.  ZUS.  Federbett,  n., 
mhd.  vederhette,  ahd.  fedarhetti  n.  Feder- 
husch,  m.,  bei  Dasypodius  1537.  Feder- 
fuchser, m.  (bei  Schiller  Kab.  u.  L.  1,  2 
Federn  fuchser):  Schreiber,  eig.  wohl  der  an- 
gestrengt mit  der  Feder  arbeitet,  s.  fuchsen. 
federleicht,  adj.,  im  17.  Jh.  (Harsdörfer 
Gesprächsp.  2,  372).  Federkraft,  f.:  Ela- 
stizität, bei  Adelung.  B^derlesen,  n.: 
niedrige  Schmeichelei,  eig.  das  Ablesen  an- 
sreflogener    Flaumfedern    von    den   Kleidern 


höherstehender  Personen.  Schon  mhd.  reder- 
lesen als  substantivierter  Inf.  Jetzt  nur  noch 
in  den  Wendungen  ohne  Federlesen  «ohne 
Rücksicht»,  nicht  viel  Federlesens  machen 
«nicht  viel  Umstände  machen».  Feder- 
messer, n.:  Messer  mit  kleiner  Klinge,  eig. 
zum    Federaschneiden,    bei    Henisch    1616. 

Federpose,  s.  Pose.    Federspiel,  n.:  zm- 

Beize  abgerichteter  Vogel,  mhd.  veder spil, 
vgl.  Spiel.  Federyieh,  n.:  Geflügel,  1551 
bei  Petrarca  Trostb.  56^  Federvieh,  im  15.  Jh. 
bei  Diefenbach  nov.  gl.  18^  vederre.  Feder- 
weiß,  n.:  Federalaun,  Asbest  (1562  bei  Ma- 
thesius  Sarepta  173^.  Von\  a?*);  am  Rhein 
der  schäumende  milchig-trübe  Most.  Feder- 
wisch, m.,  mhd.  vederwisch  m.,  vgl.  Fleder- 
wisch. 

Fee,  f.  (PI.  -n):  geisterhaftes,  Schicksal 
bestimmendes  weibliches  Wesen.  Aus  dem 
gleichbed.  franz.  fee,  ital.  fata,  span.  fada, 
hada  f.,  zurückgehend  auf  das  im  3.  Jh. 
n.  Chr.  vorkommende  lat.  fäta  «Schicksals- 
göttin, Parze»,  Plui-.  von  fdtum  n.  «Götter- 
ausspnich,  Schicksal».  Schon  mhd.  nach 
einer  afranz.  dialektischen  Form  feie,  auch 
feine  f,  auch  älternhd.  noch  Fei,  Feie,  bei 
Adelung  als  mundartlich  neben  Fee.  Verl. 
feien.  ABL.  feenhaft,  adj.,  l)ei  Campe  1807 
als  neugebildetes  Wort. 

fegen,  v.:  schön,  glänzend,  rein,  sauber 
machen;  schnell  laufen  (im  16.  Jh.).  Mhd. 
vegen,  and.  vegon  «putzen,  plätten»,  mnd.-ndl. 
vegen,  sonst  nicht  vorhanden.  Dazu  das  Fak- 
titiv  anord.  /i^^ja  «glänzend  machen,  reinigen», 
schwed.  feja  «polieren»,  dän.  feie  «kehren», 
ferner  mhd.  vager,  ahd. -asächs.  fagar,  ags. 
fceger,  engl,  fair  «schön,  glänzend,  lieblich», 
got.  fagrs  «passend,  geeignet»,  sowie  viel- 
leicht auch  mhd.  vagen,  ahd.  fagön  «will- 
fahren», ahd. -got.  faginön  «sich  freuen». 
Weitre  Vermutungen  bei  Walde  s.  v.  paciscor. 
ABL.  Feger,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  wer  fegt ; 
Schläger,  Raufer,  tüchtiger  Kerl.  In  der 
1.  Bed.  im  17.  Jh.,  in  der  2.  Bed.  bei  Campe. 
ZUS.  Fegefeuer,  n.:  das  Feuer  der  Rein- 
machung  von  Sünden  nach  dem  Tode,  mhd. 
vegeviur  n. 

Feh,  s.  Fehe. 

Fehde,  f.  (PI.  -n)-.  erklärte,  nach  Genug- 
tuung trachtende  Feindschaft;  Zwietracht. 
Mhd.  vehede,  zusammengezogen  ueJe,  ahd.  ßhida 
in  gafehida  f.  «Haß,  Feindschaft,  Streit»;  dazu 
ndl.  veede  f.  «Fehde»,  ags.  föehd  f.  «Streit, 
Rache».      Dies  ist  abgeleitet  von  dem  Adj. 


511 


rehe 


Feifalter 


512 


mhd.  vech  (in  gevecli),  ahd.  feli  (in  gifeh)  dinges  «es  mangelt»),  wie  mnd.  veilen,  ndl. 
«feindselig»,  ags.  fäh  «verfehmt,  der  Kache  feilen,  engl,  faü,  schwed.  fela,  dän.  feile,  ent- 
und  Verfolgung  ausgesetzt»,  engl. /be  «Feind»,  lehnt  aus  franz.  faillir  «iiTen,  mangeln,  fehl- 
dazu  das  abgeleitete  Verbum  mhd.  vehen  schlagen»,  das  mit  ital.  fallire  auf  lat.  fallere 
«feindselig  sein,  hassen,  verfolgen»,  ahd.  fehen,  «täuschen»  zumckgeht.  Luther  hat  feilen, 
asächs.  a-fehian  «verarteilen».  Weiter  gehört  aber  Dasypodius  1537  fehlen.  ABL.  fehlbar, 
crot.  faili  n.  «Beti-ug»  hierher.  Verwandt  ist  i  adj.,  bei  Stieler  1691.  Fehler,  m.  (-.s,  PI. 
altir.  oech  (aus  *poikos)  «Feind»,  lit.  piktas  \  wie  Sg.),  urspr.  s.  v.  a,  Fehlschuß  im  Gregen- 
«böse»,  peikti  «tadeln»,  paikas  «töricht,  dumm», !  satz  zum  Treffer  (so  fäler  bei  Keisersberg, 
aind.  pigunas  «böse  gesinnt,  veiTäterisch,  ver- 1  Fischart  Garg.  285,  bei  H.  Sachs  Fastnachtssp. 
leumderisch»,  lat.  piget  «es  verdrießt  mich»,  |  24,  174  Fehler),  dann  in  der  jetzigen  Bed. 
s.  Walde  s.  v.  Im  altern  Nhd.  ist  das  Wort  bei  Maaler  1561  fäler,  später  das  ältere  Fehl 
(das  z.B.  in  der  Carolina,  vorkommt)  wenig  |  zurückdrängend.  Davon  fehlerhaft,  adj., 
gebräuchlich  (doch  führen  es  die  Wörter-  1763  bei  Niereraberger  2^.  ZUS.  Fehl- 
bücher meist  an),  und  erst  in  der  Lit.  des  SChluß,  m.,  1739  bei  Liscow  771. 
18.  Jh.  wird  es  wieder  aufgenommen.  ABL.  Felim,  m.:  Heuschober,  s.  Feimen. 
fehdeil,  v.,  in  befehden,  mhd.  veheden  «be-  ^Fehme,  f.:  Buchen- und  Eichelmast.  Aus 
kriegen».  ZUS.  Fehdehandschuh,  m.,  s.  dem  Nd.,  schon  mnd.  veme  f.  Da  das  Wort 
Handschuh.  sonst  nicht  belegt  ist,   läßt  sich  seine  Her- 

Fehe,  Feh,  auch  Fähe  f.  (PI.  -n):  das   kunft  nicht  ermitteln,  gr.  -rroiiuriv  m.  «Hirt» 
sibhische    graue   Eichhörnchen,    sowie    sein   könnte  verwandt  sein.     ABL.  fehmeil,  v.: 
Fell,     dessen     Haar     verschiedene     Farben-   in  die  Buchen-  und  Eichelmast  treiben. 
Schattierung    hat.      Die    neue   Orthographie        ^Fehnie,  Freigericht,  s.  Feme. 
wirft  Fehe  und  Fähe  (s.d.)  zusammen.    Mit;      Fehwanime,  f.:  Bauchfell  des  sibirischen 
Wechsel   des  Geschlechts   aus   mhd.  vech  n. '  Eichhörnchens.    Zusammenges.  aus  Fe/je  (s.  d.) 
«buntes   Pelzwerk»,    eig.    das   substantivisch '  und  Wamme  (s.  d.).     Bei  Adelung, 
gesetzte  Xeutr.  des  Adj.  mhd.  vech,  ahd.-and.        feien,    v.:    Körper    oder   Waffen    durch 


feh,  ags.  fah  «verschieden-,  mehrfarbig,  bunt», 
got.  faihs  in   filufaihs  «mannisffach».     Ver- 


Zauber fest  machen.     Von  Feie,  mhd.  feie, 
s.  Fee,   Erst  seit  Anfang  des  19.  .Jh.  (Rückert 


wandt  ist  gr.  ttoikiXoc  «bunt»,  aind. puru-pegas  j  1,  199).     Vgl.  mhd.  feinen  «mit  Zauberkraft 
«vielgestaltig,  bunt»,  pecaläs  «künstlich  ver- !  begaben». 

ziert»  und  lat.  pingo  mit  seiner  Sippe.    Vgl.        Feier,   f.:    durch  Ruhe   von   Arbeit   be- 
Walde  s.v.  gangene  und  ausgezeichnete  Zeit;  Festlichkeit. 

Fehl,  m.  {-es,  PI.  -e):  Mangel,  Mangel-  Mhd.  vire,  ahd.  ftra,  firra  f.  «kirchliches 
haftigkeit,  Versehen,  Vergehen.  Mit  Wechsel  j  Fest,  Ruhe  von  Arbeit»,  mit  i  für  verlängertes 
des  Geschlechts  (nach  Mangel)  aus  mhd.  j  e  aus  mlat.  feria  (lat.  im  PI.  feriae)  «Ruhe- 
vmle,  vcel  f.  (namentlich  in  äne,  sunder  -yce?),  1  tag»  (s. -Fmm),  «mit  gottesdienstlicher  Hand- 
zurückgehend auf  afranz.  faille,  ital.  falla,  1  lung  begangener  Tag».  ABL.  feierlich, 
altital.  faglia  f.  «Fehler»  (abgeleitet  von  lat.  adj.,  mhd.  virelich.  Davon  Feierlichkeit, 
fallere  «täuschen»).  Luther  hat  die  Form  ,  f.,  bei  Adelung,  feiern,  v.:  l)  intr.:  von 
feil,  die  auch  noch  im  17.  Jh.,  z.  B.  bei  Arbeit  nahen:  arbeitslos  sem;  (mit  Dat.) 
Gryphius,  vorkommt,  dagegen  Alberus  Dict.  Verehrung,  mcksichtsvolle  Höflichkeit  be- 
y  1^  feel,  Dasypodius  und  Maaler  fäl  m. !  zeigen  (noch  im  18.  Jh.).  2)  trans.:  arbeitslos 
Dies  Fehl  erscheint  bereits  frühnhd.  auch  lassen;  durch  Ruhe  von  Arbeit  begehen  und 
in  Zusammensetzungen  mit  Substantiven,  z.B.  auszeichnen;  verherrlichen.  Alternhd.  feiren, 
Fehlbitte  (bei  Luther  feilbitte),  Fehlgriff  1  mhd.  viren,  ahd.  firön,  and.  firion,  aus  mlat. 
(bei  Luther  feügriff),  Fehlschuß  (bei  Luther  ;  feriare  «feierlich  begehen»,  lat.  feriäri  «Ruhe-, 
feilschuß),  Fehltritt  (Mathesius  Luther  74^  Feiertag  haben».  ZiJS.  Feierabend,  m.,  mhd. 
feiltritt),  dann  auch  mit  Verben,  z.  B.  fehl-  virabent  m.  «Vorabend  eines  Festes»,  früh- 
gehen, fehlschlagen  (bei  Krämer  1678).  nhd.  auch  «Beginn  der  Ruhezeit  am  Abend» 
—  fehlen,  v.:  ohne  Erfolg  woraufhin  tätig  i  (Liliencron  3,  408),  dazu  ndl.  vieravond  m. 
sein,  nicht  treffen;  unrecht  für  recht  handeln  j  Feiertag,  m.,  mhd.  viretac,  ahd.  firatag  m., 
oder  tun;  nicht  dasein,  mangeln.  Mhd.  vcelen, ;  ndl.  vierdag. 
selten  veilen  (auch  unpersönl.  e§  vcelet  eines  -,      Feifalter,  Schmetterhng,  s.  Pfeifolter. 


513 


Feifei 


Feim 


514 


Feifei,  f.  (PI.  -n)-.  Speichel-,  Drüsen- 
kfankheit  der  Pferde.  Spätmhd.  vtvel  f., 
bei  Duez  1664  feihel,  aus  ital.  (Plur.)  vivöle, 
mlat.  vivolae  (neben  vivae). 

feig,  feige,  adj.  u.  adv,:  mutlos  aus 
Furcht.  Mhd.  veige  bedeutet  wie  asächs.  ßgi, 
nd.  veege,  ndl.  veeg,  ags.  fcege,  engl,  fey, 
anord.  feigr  «vom  Verhängnis  zum  Tode, 
zum  Unglück  bestimmt,  sterben  sollend  und 
müssend»,  dann  auch  «verhängnisvoll,  unheil- 
bringend, verflucht,  nichtswürdig»  (so  auch 
vereinzelt  ahd.  feigi),  im  16,  Jh.  auch  «frech»; 
spät  und  selten  erscheint  die  Bed.  «furcht- 
sam» (eig.  «der  Todesfuixht  hingegeben»), 
«schüchtern»  (auch  in  nberveigen  «einschüch- 
tern»). Herkunft  unsicher;  vielleicht  besteht 
Verwandtschaft  mit  den  bei  Fehde  angege- 
benen Worten,  so  daß  die  Grundbed.  «den 
Göttern  verhaßt»,  dann  «zum  Tode,  Ver- 
derben bestimmt»  sein  wird.  Anders  Zupitza 
Germ.  Gutt.  189  zu  fech  «bunt»,  eig.  «mit  einer 
Maj-ke  versehen»:  Bezz.Beitr.  27,  176  (zu  lit. 
paikas  «dumm»).  Die  Verbindung  mit  aind. 
pakväs  «reif»  (OsthoflF  Kuhns  Ztschr.  23,  427) 
ist  lautlich  unmöglich.  Vgl.  noch  Walde  s.  v. 
piget.  Auf  die  Gnindbed.  «dem  Tode  ver- 
fallen» führt  die  beim  Bergwesen  übliche 
Bed.  «nicht  fest  zusammenhaltend,  den  Ein- 
sturz drohend»  (vom  Gestein)  zuiäick.  Bei 
Luther  häufig  in  der  jetzigen  Bed.,  die  dem 
Obd.  urspr.  fremd  ist,  dann  aus  dei*  Bibel- 
sprache allgemein  geworden.  ABL.  Feig- 
heit, f.,  mhd.  veicheit  f.  bedeutet  «ünseKg- 
keit,  Unheil».  Feigling,  m.,  erst  gegen 
Ende  des  18.  Jh.  gebildet,  bei  Campe  1807 
als  neues  Wort  verzeichnet. 

Feigbohne,  f.  (PI.  -n)  -.  die  Pflanze  lupinus. 
Mhd.  mchone,  ahd.-and.  fighöna  f.,  d.  i.  Bohne, 
die,  gepulvert  auf  die  Feigwarze  (s.  d.),  mhd. 
mc  m.  n.,  gelegt,  diese  vertreibt. 

Feige,  f.  (PI.  -n):  die  süße  Fracht  des 
Feigenbaums.  IMhd.  vige,  ahd.  figa  f.,  dazu 
asächs.  figa,  ndl.  viig  f.,  durch  das  Romanische 
(franz.  figue  f.,  span.-port.  figo  m.)  aus  lat. 
ficus  f.  Im  Got.  dafür  smakka  m.,  das  zum 
abg.  smokü  f.  gehört.  Vgl.  Schrader  Real- 
lexik. 238.  Redensart  einem  die  F.  tveisen 
«die  Gebärde  machen,  daß  man  die  zwischen 
dem  Zeige-  und  Mittelfinger  vorgestreckte 
Spitze  des  Daumens  sehen  läßt»,  zur  Abwehr 
böser  Zauberei  und  zu  Spott  und  Verachtung 
(schon  mhd.  die  vigen  Meten,  zeigen),  nach 
dem  ital.  far  le  fiche;  ital.  fica  f.  bedeutet 
«das  weibliche  GHed»  und  bildete  sich  neben 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


fico  m.  «Feige»,  ^vie  gr.  cökov  n.  beide  Bedd. 
vereinigt.  ZUS.  Feigenbaum,  m.,  mhd. 
vtgenhouni,  auch  in  eigentlicher  Zusammen- 
setzung mcboum  m.  Feigenblatt,  n.,  mhd. 
vigenhlat  n.  Weidmännisch  ist  Feigenblatt, 
auch  Feighlatt,  das  Geburtsgüed  des  Wildes 
oder  Jagdtieres;  zusammenges.  mit  Fei^e 
«weibliches  Glied»,  s.  oben.  Feigwarze,  f.: 
geschwüriger  Blutknoten  am  After,  mhd. 
vicwarze,  zusammenges.  mit  dem  gleichbed. 
mhd.  vic  m.  n.,  aus  der  lat.  Benennung  fiais 
m.,  urspr.  «Feige»,  weil  der  Knoten  feigen- 
ähnlich schien. 

feil,  adj.  u.  adv.:  käuflich,  verkäuflich. 
!Mhd.  veüe,  veil,  ahd.  feili,  in  altera  Quellen 
fali  (oder  fäli),  feli,  mit  altem  Ablaut,  vgl. 
Meringer  Idg.  Forsch.  16, 151;  dazu  ndl.  veile, 
aber  anord.  fair,  schwed.-dän.  fal.  Verwandt 
ist  gr.  TTUj\eiv  «Waren  gegen  Waren  umsetzen, 
verkaufen»,  7ruj\ri  f.  «Verkauf»,  aind.  panas 
(aus  *palnas)  m.  «der  versprochene  Lohn, 
Einsatz,  Wette»,  abg. plenü  «Beute»,  lit.peinas 
m.  «Verdienst».  ABL.  Feilheit,  f.:  leichte 
Käuflichkeit  wozu,  1794  bei  Friedr.  L.  Stolberg 
(9,  186).  feilschen,  v.:  um  etwas  kleinlich 
in  betrefi'  des  Preises  handeln.  Wohl  mit 
seh  für  s  nach  l  aus  feilsen,  das  noch  älter- 
I  nhd.  vorkommt,  mhd.  veilsen,  veüschen. 

Feile,    f.    (PI.  -n):    eisernes,    stälilernes 
i  Werkzeug   mit   schräg  gezahnter  Oberfläche 
zur  Bearbeitung  metaUner  usw.  Körper  dui'ch 
,  Hin-  und  Herreiben.     Alternhd.  auch  Feiel, 
Feihel  (bayr.  Feichel),  mhd.  vihele,  zusammen- 
gez.  vUe,  ahd.  fihala,  fila  f.,  dazu  and.  fila,  ndl. 
vijl,  ags.  feol  f.,  engl,  file,  anord.  aber  mit  an- 
derm  Spiranten  J5e/  f.,  schwed.  aus  dem  Deut- 
schen fil  f.,  dän.  fil.  Herkunft  rmsicher.  Wegen 
;  des  anord.  pel  wird  man  von  urgerm.  *ßii9hla 
\  ausgehen  müssen.    Vgl.  zur  Etymologie  Mik- 
kola  Idg.  Forsch.  6,  312,   Zupitza  Gutt.  64, 
;  Meringer  Idg.  Forsch.  16, 161.    ABL.  feilen, 
j  V.,  mhd.  mhelen,  vtheln,  vüen,   ahd.  filialön, 
\fUdn.     Feilicht,   n.:    Abfälle  beim  Feilen, 
\  bei  Henisch  1616  für  älteres  Feilich.     ZUS. 
Feilenhauer,   m.:   Feilenmacher,   weil  die 
Zähne   der  Feüe   eingehauen   werden.      Bei 
,  Stieler  1691. 

Feilheit,  feilschen,  s.  feil. 

Feim,  m.  {-s,  PI. -e):  obenauf  sich  setzender 
Schaum,  Unreinigkeit.  Mhd.  veim,  ahd.  feim 
m.;  dazu  ags.  fäm  n.,  engl.  foam.  Nebenforai 
Faum,  1605  bei  Hulsius,  Faumlöffel  im  15.  Jh. 
bei  Tucher  Baumeisterb.  289,  2.  Verwandt 
sind,   (mit  idg.  AVechsel  von  m  und  n)  üt. 

33 


515 


Feimen 


Felch 


516 


pienas  m.  «Milch»  (eig.  wohl  «Milchschaum»), 
abg.  pena  f.,  aind.  phinas  m.  «Schaum»  und 
mit  s  im  Anlaut  lat.  spüma  f.  «Schaum, 
Gischt»  (dazu  pümex  «Bimsstein»),  apreuß, 
spoayno  «Schaum»,  lit.spame  «Schaumstreifen». 
ABL.  feimen,  v.:  den  Schaum  abnehmen, 
mhd.  veimen,  ahd.  feimön  in  üzfeimon.  Neben- 
formen faumen  (1691  bei  Stieler)  und  feumen 
(1616  bei  Henisch).  Vgl.  ab  feimen.  Aus  dem 
älternhd.  faumen,  feumen,  hat  sich  dann  ein 
Subst.  Faum  (s.  o.)  entwickelt. 
Feimen,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.),  Feim,  m. 

(-S,  PI.  -e) :  aufgeschichteter  Haufe  von  Garben 
oder  Heu.  Zunächst  aus  dem  Nd.,  mnd.  vime 
m.  f.,  mit  der  Nebenform  vine,  dazu  ahd. 
fina  in  wituftna,  ags.wudufin  f.  «Holzhaufe»; 
femer  das  mnd.  gleichbed.  dime  m.  (jetzt 
landschaftlich  Diemeti),  das  auf  Wechsel  des 
Spiranten  im  Anlaut  (s.  Feile)  hinweist.  Un- 
klar ist  das  Verhältnis  zu  ndl.  vim  f.  «Haufe», 
mnd.  vimme  m.  f.  aus  asächs.  fimha  in  aran- 
fimha  f.  «Getreidehaufe».  S.  auch  Feme. 
Unbekannter  Herkunft.  Im  Hd.  findet  sich 
Feimen  bei  Comenius  1640,  dagegen  bei 
Schottel  1663  Firne,  Adelung  hat  Fehm, 
Fehmen  und  weist  Feim,  Feimen  den  ge- 
meinen Mundarten  zu. 

fein,  adj.  u.  adv.:  dünn,  zart;  zart  in 
Wahrnehmung  oder  Empfindung;  ausgezeich- 
net an  Reinheit  und  Vorzüglichkeit  bis  ins 
kleinste.  Mhd.  (seit  dem  Ende  des  12.  Jh. 
aufkommend)  vin  «dünn,  zart,  kunstreich, 
schön»;  mit  ndl.  vijn,  engl,  fine,  anord.  fnm, 
schwed.  fin,  dän.  fiin  entlehnt  aus  franz.  fin, 
ital.-span.  fino,  urspr.  «vollkommen,  echt, 
lauter»,  zurückgehend  auf  eia  mlat.  finus, 
das  für  lat.  finitus,  Part.  Perf.  Pass.  von 
flnlre  «endigen»  eingetreten  ist  und  die  Bed. 
«vollendet,  vollkommen»  angenommen  hat. 
ABL.  feinern,  v.,  in  verfeinern,  gebildet 
vom  Komp.  feiner.  Feinheit,  f.,  1482  im 
Voc.  theut.  h  6»  feynlieit.  ZUS.  feinfühlig, 
adj.,  1808  bei  Campe. 

Feind,  m.  {-es,  PI.  -e)-.  Gegner  aus  Haß. 
Dann  auch  adjektivisch  felnd  in  prädika- 
tivem Gebrauch.  Mhd.  vint,  zusammengez. 
aus  vient,  vtant,  ahd.  fiant  m.;  dazu  asächs. 
fiund,  ndl.  vijand,  ags.  feond,  engl,  fiend, 
afries.  ffand,  anord.  fjändi,  schwed.-dän.  fiende, 
got.  fijands,  eig.  das  als  Subst.  erhaltene 
Part.  Präs.  von  ahd.  fien,  ags.  ßon,  got.  fijan 
«hassen»,  vgl.  Freund,  Heiland,  Weigand. 
Dies  gehört  mit  got.  faian  «tadeln»  zu  aind. 
pij-  «schmähen,  hassen».   ABL.  feinden,  v.: 


in  an-,  he-,  verfeinden,  mhi.vienden.  Feindin, 
f.,  mh.ä.vtndin,viendin,  ahd.  fiantin.  Feindio, 
Interj.:  Feinde  da!  Mhd.  würde  vientä  ent- 
sprechen, vgl.  Feurjo,  Mordio.  feindlich, 
adj.  u.  adv.,  mhd.  vmtlich,  vientlich,  ahd. 
fiantlih,  ags.  feondllc.  Feindschaft,  f., 
mhd.  vmtschaft,  vientschaft,  ahd.  fiantscaft  f., 
asächs.  fiundscepi,  ags.  feondscipte  m.  feind- 
selig, adj.  u.  adv.  Auf  ein  mhd.  nicht  er- 
haltenes vintsal  n.  zui'ückgehend,  erst  frühnhd. 
(bei  Brack  1495,  auch  bei  Luther). 

Feinsliehchen,  n.:  zartes,  schönes  Lieb- 
chen. Im  16.  Jh.  Feinslieb,  Zusammenschie- 
bung mit  dem  Nom.  Sg.  feins,  der  in  andern 
Kasus  unverändert  bleibt.  Das  Dim.  F. 
wurde  in  der  2.  Hälfte  des  18.  Jahrh.  ge- 
läufig. 

feist,  adj.:  fett,  dick.  Im  altern  Nhd. 
auch  feißt,  mhd.  vei^et,  vei^t,  ahd.  fei^it, 
and.  feitit,  ein  ohne  gi-  gebildetes  Part. 
Prät.  von  dem  seltenen  mhd.  vei^^en,  ahd. 
fei^^en,  anord.  feita  «fett  machen,  mästen», 
das  abgeleitet  ist  von  dem  mhd.  Adj.  vei^e, 
vei^  «gemästet,  beleibt,  fett»  (noch  jetzt  in 
obd.  Gegenden  feiß),  ahd.  fei§,  and.  feit, 
anord.  feitr.  Ebenso  wie  ahd.  feitit  ist  ge- 
bildet ags.  fceted,  fcett,  daraus  engl,  gekürzt 
fat,  ebenso  ndl.  vet,  schwed.  (entlehnt)  fet, 
dän.  fed,  das  aus  dem  Nd.  ins  Hd.  aufge- 
nommene fett  (s.  d.).  Verwandt  ist  viel- 
leicht  gr.  iribüeiv   «aufquellen».      Vgl.  noch 

Walde  s.v.  opimus.  ABL.  Feistigkeit,  f., 

I  spätmhd.  vei^techeit  f. 

i      feisten,  v. :  einen  leisen  Bauchwind  gehen 

j  lassen.     S.  Fist,  fisten. 

'  feixen,  v.-.  giinsend  das  Gesicht  ver- 
ziehen, urspr.  wie  ein  Blödsinniger.  Von 
Feix,  Nebenform  von  Fex  (s.  d.),  urspr. 
«Blödsianiger».     Erst  im  19.  Jh. 

Felbel,  m.  (-s),  auch  f.:  Halbsamt  von 
Seide  und  Garn.  Von  dem  gleichbed.  ital.- 
span  .-port.  felpa  f.,  das  nicht  aufgeklärt  ist. 
Bei  Jacobsson  technolog.  Wb.  1784  Velpen, 
Velpel,  Felbel. 

Feiher,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg,),  bei  Voß 
(Id.  12,  25)  Fälber,  f.:  hochstämmige  Weide, 
Salix  alba.  Spätmhd.  velwer,  spätahd.  velare, 
feiwar  «Weide,  sambucus,  paliurus,  vibix, 
vincus»,  abgeleitet  von  mhd.  velewe,  velwe, 
ahd.  felawa,  fekoa  f.  «Weide»,  und  dies  zu 
osset.  färw,  farwe  «Erle». 

Felch,  Felchen,  m.  (-s,  PI.  Felche, 
Felchen),  auch  Felche,  f.:  eine  im  Bodensee 
vorkommende  Salmart,    Mhd.  velche  m.    Da- 


517 


Feld 


Felleisen 


518 


neben  auch  Belch,  Belchen,  mhd.  balche. 
Dunkler  Herkunft.  Vielleiclit  mit  l  aus  r 
wie  in  dem  alem.  Küche  aus  Kirche  aus 
Ferch  zu  Forelle  (s.  d.). 

Feld,  n.  {-es,  PI.  Felder):  Erdlläche; 
Fläche  zum  Fruchtbau;  Schlachtfeld;  Fläche 
in  etwas.  'Mhd.  velt  (Gen.  veldes),  ahd.  feld 
n.;  dazu  asächs.  feld,  ndl.  veld  n.,  afries.-ags. 
feld  m.,  engl,  field:  ferner  gehört  hierher  mit 
Ablaut  asächs.  folda,  ags.  folde,  anord.  fold  f. 
«Erde,  Erdboden,  Land».  Verwandt  ist  aind. 
prthivt  f.  «Erde»,  das  Fem.  zu  aind.  prthüs 
»breit»,  gr.  irXaTÜc,  Ut.  platüs  «breit»,  kelt. 
Letavia,  ir.  Letha,  kymi*.  Litau  «Armorica», 
eig.  «breites  Land».  Auch  ahg.poljen.  «Feld» 
ist  vielleicht  wurzelverwandt.  ZUS.  Feld- 
bett, n.:  in  Feldlagern  übliches,  sägebock- 
artiges  Bettgestell,  bei  Henisch  1616  Feldbeth. 
Feldflasche,  f.,  im  16.  Jh.  (Fischart  Garg. 
317).  feMflÜchtig,  adj.:  fahnenflüchtig, 
im  15.  Jh.,  während  Feldflucht,  f.  früh  im 
16.  Jh.  vorkommt.  Feldgeschrei,  n.:  er- 
mutigendes Geschrei  beim  ersten  Angiiff  ia 
der  Schlacht  (Jos.  6,  10.  16,  20);  Losungs- 
wort der  Soldaten  als  Erkennungszeichen 
untereinander.  Feldgeschütz,  u.,  im  15.  Jh. 
bei  Ehingen  27  und  1546  in  Scheiiüns  Briefen 
91  als  Kollektiv.  Feldherr,  m.,  bei  Dasj- 
podiusl537.  Feldhuhn,  n.:  Rebhuhn,  mhd. 
velthiwn,  ahd.  feldhuon  n.  Feldkümmel, 
m.:  wüder  Kümmel,  mhd.  veltkümel  m.,  auch 
s.  V.  a.  Quendel,  füi'  das  mhd.  veltkonele, 
veltquenel,  ahd,  feldkonala,  feldquenela  f.  (s. 
Quendel)  eingetreten.  Feldmarschall,  m. 
Im  16.  Jh.  dafür  Feldmarschalk  (Liüeneron 
4,  612,  vom  J.  1554,  Schertlins  Briefe  134  u.  164 

von  1546),  s.  Marschall.  Feldmesser,  m. 
Verdeutschung  des  lat.-gr.  geometer.  1616 
bei  Henisch  neben  Landmesser,  was  heute 
als  amtlicher  Ausdmck  durchgedrungen  ist. 
Feldprediger,  m.,  1617  bei  Wallhausen  coi-p. 
mil.  98.  Feldscher,  m.:  Wundarzt  beim 
Heer.  Gekürat  aus  dem  schon  im  16.  Jh. 
vorkommenden  Feldscherer  (H.  Sachs  Fab. 
161,  83).  Feldstuhl,  m.:  Stuhl  zum  Zu- 
sammenklappen. Entstellt  aus  Faltstuhl,  mhd. 
vaitstuol  m.,  worauf  das  franz.  fauteuü  m.  zu- 
rückgeht, and.  faldistöl  m.  Feldwebel,  m.: 
erster  Unteroffizier.  Ln  16.  Jh.  dafür  Feld- 
weibel  (1535  bei  Micyllus  Tacitus  295  ^j,  1583 
Feldwäbel  (Mone  Anz.  8,  169),  s.  Weibel. 
Feldweg,  m.,  bei  Henisch  1616.  Feld- 
weges bei  Luther,  mit  vorstehender  Zahl, 
z.  B.    1.  Mos.  38,  19,    2.  Kön.  5,  19,    gehört 


i  nicht  hierher,  sondern  ist  durch  Anschieben 
i  des    abhängigen   Gen.    Weges    an   Feld   ent- 
standen, das  hier,  wie  mhd.  veld  im  Anno- 
lied 796,   ein  Bodenflächenmaß  bedeutet,  (in 

[  der  griech.  Bibel  crdbiov).     Feldzeichen, 

!n.:  Fahne.    Bei  Luther,    Feldzeug,  n.:  Ge- 

'  schütz,    1663  bei  Schottel  486;    bei  Krämer 

1678  als  Mask.    Daher  Feldzeugmeister, 

m.:   Artilleriegeneral,  im  16.  Jh.  bei  Frons- 
perger 2, 36*^,  noch  jetzt  in  Österreich.    Feld- 

[  zng,  m.,  1545  in  Herbersteins  Selbstbiographie 

I  Fontes  rer.  austr.  I,  1,  366. 

^Felge,  f.  (PI.  -n):  eins  der  knimmen 
Holzstücke  des  Radki-eises:    Ring  des  Metz- 

I  gers    zum    Ausspannen    des    Dannes    beim 

i  Wurststopfen.  Mhd,  velge,  ahd.  felaga,  felga  f., 

i  auch  and.  felga,  ndl.  velg,  ags.  feig  f.,  engl. 
felly,  dän.  (entlehnt)  fälge  in  der  1.  Bed.,  1482 
feig  (voc.  theut.  h  5*)  in  der  2.  Bed.  Vielleicht 
mit  Ablaut  zum  folgenden,  indem  mau  von 
der  Bedeutung  «Krummholz»  ausgeht,  vgl. 
Wiedemann  Bezz.Btr.  28,  20. 

-Felge,  f.  (PI.  -n),  Folge:  das  zweite 
oder  dritte  Pflügen;  Aullockern  des  Bodens 
mit  der  Hacke ;  Bi-achland,  das  zum  zweiten- 

'  mal  gepflügt  ist.  Das  ahd.  felga  f.  «Egge», 
dessen  e  durch  Umlaut  entstanden  ist;  dazu 

i  mnd.  valge  f,  «Eggen  des  Brachfeldes,  Brach- 
feld», ags.  fealh  f.  «Egge»,  mengl.  falge  f. 
«Brachfeld».  ABL.  feigen,  folgen  v.,  zum 
zweiten-  oder  drittenmal  pflügen,  den  Boden 

^  auflockern,  mhd,  velgen  (Prät.  valcte),  valgen 

,  «umackern»;  dazu  engl,  fallow  «nach  der 
Brache  zum  erstenmal  pflügen». 

Fell,  n.  {-es,  PI.  -e):  Tierhaut,  im  ver- 
ächtlichen Sinne  auch  Menschenhaut.  Mhd. 
vel  (Gen,  velles),  ahd.  fei  n,  «Haut,  auch 
vom  Menschen»;  dazu  asächs.  fei,  ndl.  vel, 
ags. -engl,  feil,    anord.  fjall   (in   Zusammen- 

'  Setzungen),  got.  fill  in  ßrutsfill  n.  «Aussatz». 
Übereinstimmend  mitlat.pellisf.  «abgezogene 

I  Tierhaut»,  und  weiter  zu  gr.  -rreXua  n.  «Sohle 
am  Fuß»  (vgl.  ags,  fylmen  n,  («Häutchen  auf 

I  dem  Auge,  Vorhaut»,  engl.  film).   Vgl.  Walde 

'  s.  V.  pellis,  J.  Schmidt  Kritik  der  Sonanten- 
theorie  102. 

Felleisen,  n.  i-s,  PI.  wie  Sg.):  lederner 

\  Reisesack.      Angelehnt   an   Fell   und  Eisen, 

j  ältemhd.  aber  meist  Felles,  Fellis,  Felleis 
(so  noch  bei  Stieler  1691,  neben  Felleisert, 
schon  bei  Comenius  1640),  mhd.  veUs,  ver- 
einzelt auch  schon  velisen.      Mit  ndl.  valies 

j  aus  dem  gleichbed.  franz.  valise,  ital.  valigia  f., 

'  deren  Herkunft  noch  dunkel  ist. 

33* 


519 


Felonie 


fergen 


520 


Felonie,  f.  (PI.  -«)■   ^^^^^>  ^'^^  gegen 

Rittersitte  verstößt;  Bruch  der  Lehnstreue 
von  Seiten  des  Lehnsmannes,  Treubruch  am 
Heri-n.  Aus  franz.  felonie  f.  «Verletzung 
der  Yasallenpflicht»,  ital.-altspan.  fellonia  f. 
«Ruchlosigkeit»,  von  ital.  fellone  m.,  altspan. 
fellon  «großer  Bösewicht»,  abgeleitet  von 
ital.  fello,  afranz.  fei  «grausam,  gottlos,  treu- 
los», eig.  wohl  «Schinder»,  von  ahd.  fllen 
«schinden,  geisein».     Bei  Nehring  1710. 

Fels,  m.  (Gen.  u.  PI.  Felsen),  Felsen, 
(-S,  PI.  wie  Sg.):  große  Steinmasse.  Mhd. 
vels,  ahd.-asächs.  felis  m.  (umgelautet  aus 
falls)  mit  starker  Flexion,  daneben  mhd.  velse, 
ahd.  feliso  m.  (auch  felisa  f.)  mit  schwacher 
Flexion.  Ob  anord.  fjall  n.  «Berg»  (mit 
Ablaut  aus  *filza-?),  schwed.  fjäll  n.,  dän. 
fjeld  «Gebirg,  hoher  Fels»,  hierher  gehört, 
ist  zweifelhaft.  Herkunft  unbekannt.  Viel- 
leicht zu  aind.  päsänäs  m.  «Stein,  Probier- 
stein» aus  *pälsams,  gr.  -rr^Wa  «Stein» 
(Hesych),  falls  aus  *Tre\ca.  Vgl.  J.  Schmidt 
Kuhns  Ztschr.  32,  387.  Bei  Luther  steht  Fels 
mit  starker  Flexion  neben  dem  schwach 
flektierenden  Felse.  Felsen  (im  PI.  nur  Felsen) ; 
jetzt  sind  von  F.  starke  Kasusformen  außer 
dem  Dat.,  Akk.  Sg.  Fels  nicht  mehr  üblich, 
während  Felsen  einen  Gen.  Felsens  bildet, 
doch  auch  noch  öfter  Felsen.  ABL.  felsig, 
felsicht,  adj.,  mhd.  velseht. 

Felüke,  f.  (PI.  -n):  kleines  Ruderschiif 
ohne  Verdeck,  Aus  fi-anz.  felouque,  ital. 
feluca,  Span,  faluca  f.,  das  auf  arab.  folk 
«SchifiF»,  zurückgeht.  Bei  Krämer  1678  Fe- 
lucque  f.,  bei  AI  er  1727  Falucke. 

Feme,  f.  (PI.  -n)  -.  auf  roter,  d.  h.  west- 
fälischer oder  sächsischer  Erde  gehegtes 
heimliches  Freigericht.  Mhd.  veime,  in  md. 
Quellen  auch  veme  f.  «Strafe,  Strafgericht», 
aber  auch  mnd.  veme,  veime  f.  Vielleicht 
zu  lat.  poena,  gr.  iroivri  f.  (mit  p  aus  kw), 
aw,  kaend  «Strafe»  zu  stellen  (dazu  auch 
gr.  Tiveiv  «rächen»),  oder  auch  zu  mhd.  vehen 
«feindselig  behandeln»,  asächs.  a-ßhit  «straf- 
fällig», s.  Fehde.  Andre  sehen  mit  Rück- 
sicht auf  mndl.  veime,  veme  f.,  nndl.  veem  f.  n. 
«Vereinigung,  Zunft»  (s.  auch  Fant)  als  urspr. 
Bed.  die  von  Vereinigung  an  (woraus  die 
Bed.  «Vereinigung  um  Übeltaten  zu  rächen» 
hervorgegangen  wäre)  und  vergleichen  Feim 
«Haufe»,  s.  d.  Das  Wort  ist  im  altern  Nhd. 
fast  verschollen  (Stieler  1691  hat  nur  Feym- 
stat  «locus  suplicii»,  Frisch  1741  vei'zeichnet 
es   als   Fehm)   und   wird   später   durch    die 


Ritterstücke  wieder  bekannt.  ABL.  femeu, 
V.,  in  verfemen:  einen  als  außer  allem  Ge- 
richtsschutze  stehenden  Missetäter  erklären, 
mhd.  vervemen,  verveimen. 

Femel,  s.  Fimmel. 

Fench,  m.  (-s,  PI.  -e):  Art  wilder  Hirse, 
mhd.  pfenech,  fenech,  ahd.  phenih,  fenih  m. 
mit  and.  penik  n.,  aus  mlat.  panicium  n.,  von 
lat.  pänicum  n.  «italienische  Hirse». 

Fenchel,  m.  (-s):  eine  Dillart,  anethum 
foeniculum.  Mhd.  venechel,  ahd.  fenahJial  mit 
ags.  finol  m.,  engl,  fennel  aus  der  lat.  Be- 
nennung feniculum,  foeniculum  n.,  die  auch 
ins  Rom.  übergegangen  ist  (franz.  fenouil, 
ital.  finocchio  m.). 

Fenn,  auch  Fehn,  n.  (-es,  PI,  -e)-.  Sumpf- 
land mit  Graswuchs;  Moorkolonie.  Mhd.  in 
rheinischen  Quellen  venne  n.,  aus  mnd.-afries. 
fenne  n.  «Moorland,  -weide»,  ndl.  veen  n., 
ags.-engl,  fen,  anord.  fen  n.  «Sumpf,  Morast», 
zu  got,  fani  n,  «Kot»,  vgl.  die  entlehnten 
ital.  fango,  franz.  fange  m.  «Schlamm».  Auch 
ahd.  kommt  fenni,  fenna  f.,  and.  feni  «Sumpf» 
vor.  Diese  gehören  weiter  zu  ^i^venSi.pannean 
«Moorbruch»,  gaU.  awa- «Sumpf».  Vgl.  Liden 
Bezz.Btr.  21,  93. 

Fenster,  n.  (-s,  PI,  wie  Sg.):  das  Tages- 
licht einlassende  Öffnung,  bes.  mit  Glas- 
scheiben, von  Zeesen  mit  «Tageleuchter» 
verdeutscht,  Mhd.  venster,  ahd.  fenstar  n., 
nd\.' venster  n.,  mit  Wechsel  des  Geschlechts 
(durch  Einfluß  der  altern  Benennung  ahd. 
augatora,  got.  augadauro  n.)  eig.  «Augentor» 
(s.  dazu  Meringer  Idg.  Forsch.  16,  125)  aus 
lat.  fenestra  f.,  das  auf  gr.  cpaiveiv  «sichtbar 
machen»  zurückgeht  oder  mit  diesem  urver- 
wandt ist.  ABL.  fenstern,  v.:  vor  dem 
Fenster  der  Geliebten  stehen.  Fmhnhd. 
(H.  Sachs  Fastnachtssp.  9,  109),  jetzt  meist 
(bayr.)  fensterin.     S.  ausfenstern. 

Ferdinand,  aus  span.  Fernando  und  dies 
aus  span.  Hernando,  d.  i,  ahd.  Herinand 
(zu  got.  nanßjan  in  anananpjan  «wagen,  sich 
erkühnen»), 

Ferge,  m.  (-w,  PI.  -n):  Fährmann.  Mhd, 
verje,  verige,  verge,  auch  vere,  ver,  ahd.  ferio, 
ferigo,  ferro,  fero,  zu  ahd.  ferian,  ferran, 
mhd.  vern,  asächs.-ags.  ferian,  got.  farjan 
«schiffen,  überführen»  zu  fahren,  s.  d.  In 
der  Bibel  (Hes.  27,  27)  und  wieder  bei  neu- 
ern Dichtem;  landschaftlich  z.  B.  am  Mittel- 
rhein immer  üblich  geblieben. 

fergen,  v, :  mit  Anstrengung  fortschaffen, 
fördern;     abfertigen.       Schweizerisch,    auch 


521 


Ferien 


Fes 


522 


schwäbisch.  Schon  im  15.  Jh.  vergen,  dann 
1541  bei  Frisius  252'',  342''  ferggen,  fercken, 
zusammengez.  aus  vertigen.  ABL.  Ferger, 
m.  (Gen.  -s,  PI.  wie  Sg.) :  Fertiger,  Abfertiger, 
Mittelsperson.  Schweizerisch.  Im  16.  Jh.  belegt. 

Ferien,  PL:  arbeitsfreie  Tage.  Aus  lat. 
feriae,  s.  Feier.  Schon  in  der  frühnhd. 
Rechtssprache  (Reichsordnungen  100^  vom 
J.  1521)  als  Tage  an  denen  nicht  Gericht 
gehalten  wird,  im  17.  Jh.  auch  in  allgemeiner 
Bedeutung. 

Ferkel,  n.  (-s,  Pl.wieSg.):  junges  Schwein. 
Mhd.  värkel,  värhel,  ahd.  farhili  neben  mhd. 
värkelin,  värhelin,  varhelin,  ahd.  farhilm, 
diminutive  Ableitungen  von  mhd.  varch,  ahd. 
farah,  farh  n.  «junges  Schwein»;  dazu  ags. 
fearh  m.,  engl,  farrow.  Übereinstimmend 
mit  Idii.porcus  m.,  gr.-rröpKoc  «junges  Schwein», 
altir.  orc  (aus  *porc),  ]ii.  parsas(pivii.parselis) 
m.,  abg.  jp-asgn.  «Schwein».  -^Z7/S.  Ferkel- 
Stecher,  *m. :  Winkeladvokat.  Am  Mittel- 
rhein, Im  17.  Jh.  Ferkenstecher  «unzünftiger 
Metzger». 

Ferken,  n.:  Ferkel.  Bei  norddeutschen 
Schriftstellern  (1678  bei  Krämer).  Aus  mnd. 
verken  «Ferkel»,  dazu  näl.varkenn.  «Schwein», 
wie  Ferkel  diminutive  Ableitung  von  farh 
(asächs.  *farlün). 

Ferman,  m.  (-5,  PI.  -s):  schriftHcher 
Befehl  des  türkischen  Kaisers.  Spät  im  18.  Jh. 
Ferman,  Firman,  aus  pars,  fermän  «Befehl, 
königlicher  Erlaß». 

Fermate,  f.  (PI.  -n):  Halt,  Ruhepunkt, 
Ruhezeichen.     Aus  gleichbed.  ital.  fermata  f. 

Ferment,  n.  (-5,  PI.  -e):  Gärungsstoff, 
-mittel.  In  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jh., 
aus  lat,  fermentum  n,  «Gärung,  Sauerteig», 
des  zu  d.  Bärme  gehört.  ABL.  fermen- 
tieren, V.:  gären.  Bei  Nehring  1710  «ver- 
dauen». 

fern,  ferne,  adj.  u.  adv.:  durch  bedeu- 
tenden Raum  oder  bedeutende  Zeit  wovon 
getrennt.  Mhd.  verre  (noch  ältemhd.  bei 
Oberdeutschen  ferr),  ahd.  ferro  sind  zunächst 
Adv.,  dann  Adj.;  dazu  asächs.  fer,  adv.  u. 
adj.,  ags.  feor,  engl,  far,  anord.  fjarri,  adv., 
got.  fairra,  adv.  u.  präpos.  Das  nhd.  fem 
geht  wohl  zurück  auf  das  ahd.  Adv.  ferrana, 
asächs.  ferrane,  ags.  feorran  «fernher»,  wofür 
mhd.  meist  verren,  in  md.  Quellen  aber  auch 
verne,  wie  auch  mnd.  veme.  Die  ursprüngl. 
Bed.  wäre  dann  erhalten  in  von  ferne,  mhd. 
von  ve)~ren,  dafür  bei  Luther  auch  von  fernen 
und   von   ferns.      Verwandt  sind   lat.  porro 


«in  die  Ferne,  in  der  Feme»,  gr.  iröpptu 
«vorwärts»,  rcdpav  «jenseits»,  a.iad.pards  «ent- 
fernt», mit  dem  Adv.  parä  «weg,  ab,  fort, 
hin».  Der  Komp.  femer  drückt  die  Fort- 
dauer oder  Fortsetzung  von  etwas  aus.  ABL. 
Ferne,  f.,  dafür  mhd.  virre,  ahd.  ferri  f. 
fernen,  v.:  fem  machen,  in  Raum  oder  Zeit 
wovon  trennen;  fem  sein;  von  fern  vorteil- 
haft auffällig  sein  (bei  Goethe,  vielleicht 
nach  dem  wetterauischen  gleichbed. /erwsew). 
Mhd.  verren,  selten  vemen,  ahd.  ferren. 
ZUS.  Fernglas,  n.,  1643  bei  Harsdörffer 
Gesprächsp.  3,  378  (erfunden  1608  von  Johann 
Lippersheym  in  Middelburg).  Fernrohr,  n., 
1676  bei  Er.  Francisci  Lusthaus  der  Ober- 
u.  Niederwelt  389.  Fernsicht,  f.,  bei  Campe 
1808.    Fernsprecher,  m.,  seit  1876. . 

fernig  (Hohelied  7,  9.  13),  adj.:  vorjährig. 
Abgeleitet  von  dem  mhd.  Adv.  verne,  vem, 
auch  verne7it,  vert  «im  vorigen  Jahre»,  das 
zu  firn  (s.  d.)  gehört. 

Ferse,  f.  (PI.  -n) :  hinterer,  hervoiTagender 
Teil  des  Fußes.  Bei  Luther  fersen,  auch 
ferschen,  mhd.  versene,  versen,  auch  schon 
verse,  ahd.  fersana,  fersna  f. ;  dazu  and.  fersna, 
ndl.  verzen,  ags.  fyrsn,  got.  fairzna  f.  Über- 
einstimmend mit  'Amdi. pärsnisvß..i.,  aw. päsna 
n.  «Ferse»,  gr.  TTxepva  f.  «Ferse,  Schinken», 
lat.  perna  f.  «Hinterkeule».  ZUS.  Fersen- 
geld in  Fersengeld  gehen  «davonlaufen»,  schon 
mhd.  versengelt  geben.  Fersengeld  scheint 
urspr.  ein  Rechtsausdruck  zu  sein,  der  die 
Strafe  dessen,  der  dem  Feinde  die  Ferse 
zeigte,  d.  b.  im  Kampfe  floh,  bezeichnete; 
mnd.  versnepennink  (Sachsenspiegel  3,  73,  3) 
ist  die  Buße,  die  der  Wende  an  die  ver- 
lassene Ehefrau  zu  zahlen  hatte.  Anders 
Borchardt -Wustmann  139. 

fertig,  adj.  u.  adv.:  zur  Fahrt  bereit; 
zu  Ende  gebracht;  zu  einer  Tätigkeit  geschickt 
(gewandt).  Mhd.  vertic,  vertec  «gangbar, 
fahrbar,  in  Ordnung  befindUch,  gut,  geschickt», 
ahd.  fartig,  fertig,  ndl.  vaardig,  abgeleitet 
von  ahd.  fart  f.  «Fahrt»,  also  urspr.  s.  v.  a, 
«sich  auf  die  Fahrt  begebend,  zur  Fahrt  ge- 
rüstet», vgl.  bereit.  ABL.  fertigen,  v.: 
fertigstellen.  Mhd.  vertigen,  vertegen  «zur 
Fahrt  bereit  machen,  zustande  bringen,  fort- 
schaffen, entsenden».  S.  fergen.  Fertigkeit, 
f.  (nach  der  3.  Bed.  von  fertig),  1541  bei  Frisius 
404''. 

Fes,  m.  n.  (Gen.  u.  PI.  wie  Nom.  oder 
Fesses,  Fesse):  rote,  wollene  Mütze.  Nach 
dem  Namen  der  Stadt  Fez  in  Marokko,  wo 


523 


fesch 


fett 


524 


diese  Mützen  hergestellt  werden.  Neuere 
Entlehnung. 

fesch,  adj.:  elegant  und  flott.  Aus  der 
Wiener  Umgangssprache  etwa  seit  den  sieb- 
ziger Jahren  vorgednmgen.  Gekürzt  aus 
dem  seit  den  zwanziger  Jahren  des  19.  Jh. 
verbreiteten  engl,  fashionahle  «fein,  modisch», 
abgeleitet  von  engl.fashion  «Lebensart,  Mode», 
das  gleichen  Ursprungs  wie  Fasson  ist.  Vgl. 
Ladendorf. 

Fesen,  m.  (-s),  auch  Fese,  f.:  Getreide- 
hülse; Spelt,  Dinkel.  Mhd.  vese,  ahd.  fesa  f. 
Noch  obd.  Das  Wort  gehört  zu  aind.  pinästi 
«zerreibt»,  ahg.  pUeno  n.  «Mehl»,  lat.  pinsere 
«stampfen»,  gr.  ttticcuu  «stampfe,  schrote». 

Feser,  s.  Fechser. 

^Fessel,  f.  (PI.  -n):  von  der  Kote  bis 
zur  Krone  des  Hufes  reichender  Teil  des 
Fußes  beim  Pferde.  Mhd.  veggel  m.  (Erec 
7361  handschr.  fissel),  1588  bei  Seuter  Roß- 
arzn.  fissel  und  füszl,  dazu  die  koll,  Bildung 
mhd.  vi^^eloch,  viszlach  n.  «Hinterbug  des 
Pferdefußes»,  noch  Schweiz,  fisloch.  Im  Ab- 
laut zu  Fuß  stehend. 

^Fessel,  f.  (PI.  -n):  hemmendes  Band. 
Mhd.  ve^^el,  ahd.  fe^^il  m.  «Band,  woran 
etwas  getragen  oder  gehalten  wird»,  namentl. 
das  Schwert.  Dazu  ags.  fetel  m.  «Schwert- 
gehenk»,  anord.  fetill  m.  «Binde,  Schwert- 
gehenk»,  abgeleitet  von  fassen  (s.  d.).  Das 
nhd.  Fessel  trat  aber  auch  für  ein  älteres 
Fesser  f.  (z.  B.  noch  bei  Alberus  Dict.  i  4^) 
ein,  das  mhd.  ve^^er,  ahd.  feg^ara  f.  lautet; 
dazu  asächs.  feter  m.  (im  PI.  feter ös),  ndl. 
veter  m.  «Schnürriemen»,  ags.  fetor  f.,  engl. 
fetters  PI.,  anord.  fjöturr  m.  «Fessel,  Bande». 
Dies  stimmt  in  der  Wurzel  überein  mit  gr. 
Tilbr\  f.  «Fessel,  Schlinge»,  lat.  pedica  f. 
«Schlinge»,  compes  f.  «Fußfessel».  Fessel  in 
der  jetzigen  Bed.  findet  sich  in  Glossaren 
aus  dem  spätem  15.  Jh.,  fehlt  aber  anfangs 
dem  Obd.  Bei  Luther  noch  Mask.,  wie  auch 
später  häufig  (selbst  noch  Adelung  1796  be- 
kannt), namentl.  im  PI,  die  Fessel  (Günther 
299.  850).  ABL.  fesseln,  V.  Dafür  mhd. 
veggern,  ahd.  feggaron,  ags.  feterian,  anord. 
fjötra:  vesseln  erst  im  15.  Jh.  (1420  im  Voc. 
Schröer). 

Fest,  n.  (-es,  PI.  -e):  mit  Verherrlichung 
begangene  Zeit.  Mhd.  (seit  dem  13.  Jh.) 
fest  n.,  aus  dem  gleichbed.  lat.  festum  n., 
auf  das  auch  ndl.  feest  n.,  ital.  fesfa,  franz. 
fete  f.  zuiückgeht.  Das  alte  deutsche  Wort 
ist  Dult,  s.  d.     ABL.  festlich,  adj.  u.  adv.. 


bei  Henisch  1616.  Davon  Festlichkeit,  f., 
erst  bei  Adelung  1796.  ZUS.  Festtag,  m., 
bei  Luther. 

fest,  poetisch  auch  noch  feste,  adj.  u.  adv. : 
unbeweglich;  unveränderlich;  durch  Zauber 
unverwundbar.  Älternhd.  oft  vest  geschrieben. 
Mhd.  veste,  ahd.  festi,  fasti-,  dazu  asächs.  fast, 
and.  festi,  ndl.  vast,  ags.  fcBst,  engl,  fast,  anord. 
fastr,  schwed.-dän.  fast,  und  weiter  zu  arm. 
hast  «fest».  Vgl.  noch  Walde  s.  v.  postis. 
Dazu  fasten,  s.  d.  Das  Adv.  lautet  ahd.  fasto, 
mhd.  vaste,  unser  fast  (s.  d.),  das  aber  in 
eine  andre  Bed.  übergegangen  ist.  AlBL. 
Feste,  f.:  Zustand  des  Festseins,  dann  bes. 
gegen  feindlichen  Angi'iff  sichernder  Ort;  das 
Himmelsgewölbe.  Mhd.  veste,  ahd.  festi  f. 
«Festigkeit,  befestigtes  Schutzwerk»,  daneben 
in  der  2.  Bed.  auch  mhd.  vesten,  ahd.  festina  f. 
festen,  v.:  befestigen,  mhd.  vesten,  ahd.  festen, 
daneben  auch  mhd.  vestenen,  ahd.  festinon. 
Davon  Festung,  f.,  mhd.  vestunge,  häufiger 
vestenunge  f.,  auch  «Bekräftigung,  Festigkeit, 

Grundfeste»,  festigen,  v.  Fiühnhd.  Festig- 
keit, f.,  mhd.  vestecheit  f. 

Festivität,  f.  (PI.  -en) :  Festlichkeit.  Aus 
lat.  festlvitas  (Gen.  festivitätis)  «Vergnügen, 
Festlichkeit»,  abgeleitet  von  dem  Adj.  festivus 
«vergnügHch»,  von  festus  «festlich,  feierlich», 
dessen  Neutr.  festum  (s.  Fest)  ist.  Im  17.  Jh. 
festlich,  Festlichkeit,  Festtag,  s.Fest. 
Fete,  f.  (PI.  -n):  Fest.  Aus  franz.  fite  f. 
(s.  Fest).  ABL.  fetieren,  v.:  jemand  be- 
sonders gut  bewirten;  jem.  ehren  mit  einem 
Fest.     Beide  bei  Campe  1813. 

Fetisch,  m.  (-es,  PI.  -e)-.  als  Götze  ver- 
ehrter Gegenstand  der  irdischen  Natur.   Aus 
I  franz.  feticlie  m.,   welches  Wort  namentlich 
I  durch  die  1760  erschienene  Schrift  von  Des 
\  Brosses  Du  culte  des  dieux  fetiches  in  üm- 
i  lauf  kam ;    es   geht   zurück  auf  port.  feitigo 
«Zauber,  Zaubermittel»,  eig.  «künstlich»,  aus 
einem  lat.  factidus  «nachgemacht».     Danach 
I  erscheint  fräher  Fetisso  oder  Fetissus  (1,606 
;  bei  Hulsius  Schiffahrten  7,  23). 
I      fett,   adj.:   voU   öliger  Masse;    gemästet, 
dick.   Aus  dem  nd.  fett,  das  seit  dem  14.  Jh. 
auch  in  md.  Mundarten   erscheint,    namentl. 
im  Obersächsischen,  z.  B.  im  Leipziger  voc. 
:  opt.  X  1  ^  [vet  «pinguis»),  auch  im  Frank.  (1469 
I  im  mrhein.  voc.  ex  quo  feyt,  fet),  dann  von 
i  Luther  gebraucht  und   durch   ihn  allgemein 
geworden.      Eig,  identisch  mit  feist   (s.  d.). 
Davon  das  substantivierte  Fett,  n.  (-es,  PI.  -e). 
j  Die  Redensarten  sein  Fett  kriegen  «tüchtig 


525 


Fetthenne 


Fener 


52ö 


gescholten  oder  gestraft  werden»,  jemand 
sein  Fett  gehe^i  gehen  vielleicht  eig.  auf  die 
ausgeteilten  Schläge,  wie  auch  schmieren, 
abschmieren  '-<  prügeln  ;>,  doch  scheint  zugleich 
eine  Nachbildung  des  franz.  donner  ä  quel- 
qii'un  son  fait  «jem.  sein  Teil  geben,  ihn 
abführen»  vorzuhegen.  ABL.  Fette,  f., 
bei  Luther,  fetten,  v.:  fett  machen,  nmd. 
vetten,  dann  bei  Stieler  1691.  fettig,  adj., 
bei  Luther.  Davon  Fettigkeit,  schon  im 
Md.  des  14.  Jh.  vettikeit. 

Fetthenne,  f.:  Bezeichnung  des  Haus- 
lauchs und  andrer  Pflanzen,  bes.  von  sedum 
telephium.  Schon  im  16.  Jh.  Unklarer  Her- 
kunft. Tgl.  Schweiz,  feißti  henne,  Schweiz. 
Id.  2,  1312. 

Fettmännchen,  n.:  ehemalige  kölnische 
^/^  Stüber  (2^'o  Pfennig  deutscher  Eeichs- 
währung)  geltende  Kupfermünze.  Volks- 
tümlich umgebildet  aus  der  im  17.  Jh.  vor- 
kommenden Benennung  Fettmönch,  die  von 
einem  auf  die  Münze  geprägten  Brustbild 
eines  wohlgenährten  Kurfürsten  herrührt. 

Fetzen,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  wovon 
abgerissenes  Stück.  Ältemhd.  Fetze  (noch 
Lessing  Nath.  2,  5),  mhd.  vetze  m.  Es  ge- 
hört zu  mhd.  va^  n.  (s.  Faß),  in  der  nach 
frühmhd.  va^^en  «kleiden,  bekleiden»  anzu- 
nehmenden Bed.  «Kleid»,  anord.  föt,  Plur. 
«Kleider».  ABL.  fetzen,  v.:  in  Fetzen 
reißen.     Im  16.  Jh. 

fencht,  adj.  u.  adv.:  ein  wenig  naß,  Mhd. 
viuhte,  ahd.  fuhti,  füht;  dazu  and.  fuht,  ndl. 
vocht,  ags.  fuht.  Vielleicht  zu  anord.  fjüka,  st. 
V.  «von  dem  Winde  dahin  getrieben  werden, 
fliegen,  stürmen,  stöbern»,  fjük  n.  «Schnee- 
gestöber», fuki  m.  «Gestank»,  dän.  fog  «Ge- 
stöber», daher  engl,  fog  ••; dicker  Nebel»  oder 
mit  Liden  Bezz.Btr.  21,  93  zu  aind.  pawka- 
m.  n.  «Schlamm,  Schmutz,  Sumpf»  und  weiter 
zu  got.  fani  «Schlamm»,  s.  Fenn,  also  aus 
*funhtuz  herzuleiten.  Noch  anders  Osthoff 
Btr.  18,  247.  ABL.  Fenchte,  f.,  mhd.  viuhte, 
ahd.  fuhti  f.  fenchten,  v.,  mhd.  viuhten, 
ahd.  fühten,  and.  fühtian.  Fenchtigkeit,  f., 
mhd.  viuhtecheit,  vom  Adj.  viuhtec  gebildet. 

fendäl,  adj.:  ein  Lehen  oder  das  Lehns- 
wesen betreffend;  vornehm.  Aus  dem  gleich- 
bed.  mlat.  feudalis,  von  dem  im  9.  Jh.  vor- 
kommenden feudum,  feodum  n.  «Lehngut, 
Lehen»,  das  mit  eingeschobenem  d  (durch 
Anlehnung  an  allodium?)  aus  einem  altem 
mlat.  feum  hervorging,  daher  ital.  fio,  prov. 
feu,   afranz.  fieu,   nfranz.  fief  m.;    zugrunde 


hegt  das  got.  faihu  n.  «Vermögen,  Habe», 
ahd.  fihu,  fehu  n.  «Vieh».  Im  17.  Jh.  ent- 
lehnt. ZrS.  Fendälrecht,  n.:  Lehnsrecht. 
Feuer,  n.  (-.§,  PI.  wie  Sg.):  das  leuch- 
tende und  wärmende  Element.  Ältemhd. 
Feur,  mhd.  viur,  viuwer,  ahd.  fiur,  älter 
fair  n.:  dazu  asächs.-afries.  fiur,  ndl.  vimr, 
ags.  fyr  n.,  engl,  fire,  anord.  (poet.)  fii.rr  m., 
fyri  n.,  got.  dafür  fön,  Gen.  funins.  Über- 
einstimmend mit  gl'.  TTup  n.,  umbr.  pir,  arm. 
hur  «Feuer».  ABL.  fenrig,  adj.,  mhd. 
viurec.  feuern,  v.,  mhd.  viuren,  ahd.  viiiren 
«feuiig  sein».  Feuerung,  f.,  spätmhd. 
viurunge  «Feuer»,  mnd.  vuringe  f.  auch 
« Feuer  material».  ZUS.  l)  mit  Feuer-. 
Feuereifer,  m.,  bei  Luther  (Hebr.  10,  27) 
fewereiue):  Feuerfalter,  m.:  Schmetter- 
ling mit  feueiToten  Flügeln,  bei  Nemnich. 
Feuerkugel,  f.:  Feuergeschoß.  Im  16.  Jh. 
Feuerniauer,  f.:  Schornstein,  1517  bei 
Trochus  P  2,  auch  bei  Luther.  Feuerprobe, 
f.,  in  der  Wendung  die  Feuerprobe  bestellen, 
nach  biblischem  Bude  (z.  B.  Sprüche  Sal. 
17,  3)  von  der  Läuterung  des  Goldes  her- 
;  genommen.  Feuerrohr,  n.,  bei  Comenius 
1640.  Feuerschiff,  n.:  Brander  (so  im 
I  DWB.);  ein  Schiff  mit  Feuer,  um  den  Schiffen 
:  den  Eingang  in  den  Hafen  anzuzeigen  (in 
I  neuerer  Zeit).  Feuerspritze,  f.,  1586  bei 
Ruland  dictionaiiolum  489  Feurspritzen  (die 
erste  in  Deutschland  wurde  1518  zu  Augs- 
burg gebaut).  Feuerstatt,  Feuerstätte,  f., 
mhd.  viurstat  «Herd,  Brandstätte».  Feuer- 
stein, m. :  eine  Quarzaii;,  die  zum  Feuer- 
anschlagen diente.  Schon  mhd.  viurstein  m. 
[Feuertaufe,  f.:  nach  Matth.  3,  11,  jetzt 
(noch  nicht  bei  Adelung)  auf  das  erste  Über- 
stehen der  Gefahr  im  Feuer,  im  Kriege  be- 
zogen. Feuerwehr,  f.,  im  19.  Jh.  gebüdet. 
Feuerwerk,  n.,  spätmhd.  viunverc  «Brenn- 
materiab,  auch  bei  Luther;  im  altem  Geschütz- 
wesen bezeichnet  feuwerwerck  «die  Feuer- 
kugeln, Bomben,  Pechkränze  usw.»,  z.  B.  bei 
Fronsperger  1,  109^  fg.,  2,  138*fg.,  danach 
■  das  Kunstfeuerwerk  zur  Lustbarkeit,  schon 
jbei  H.  Sachs  2,  391,  Fronsperger  1,  111». 
Feuerwerker,    m.:    höherer    Unteroffizier 

I  der  Artillerie.    Im  18.  Jh.    Feuerzauber, 

im.:  Kunstfeuer.  Im  18.  Jh.,  aber  erst 
durch  R.'  Wagner  wieder  bekannt  geworden. 
Feuerzeug,  n.,  mhd.  viurziuc  m.  n.  2)  mit 
Feuers-.  Feuersbrunst,  f.,  bei  Comeniusl  640, 
daneben  im  17.  Jh.  Feuerbrunst.  Feuersuot, 
f.,  mhd.  viurnot  f. 


527 


feuerjo 


fickfacken 


528 


fenerjo  (ScMler  Käub.  2,  3),  feurio:  I  Fibel,  f.  (PI.  -n):  Abcbuch.  Mnd.fihel, 
nachdrücklicher  Feuernif,  im  15.  -Jh.  viurä,  i  auch  in  md.  Glossaren  des  15.  Jh.,  z.  B.  1469 
fiurio  (Gesamtabenteuer  2,  308.  688).  Im  I  p/wM  im  voc.  ex  quo,  seit  Luther  allgemeiner 
Mhd.  wird  zum  Nachdruck  ä  an  Substantive,  gebraucht;  da  daneben  in  gleicher  Bed.  auch 
Imperative  und  Partikeln  angehängt,  z.  B.  hihel  vorkommt,  ist  Entstehung  aus  diesem 
wäfenä  auch  wäfenö  «Waffen  herbei!»,  MIß  Worte  anzunehmen.  Die  ältesten  Fibeln  ent- 
«hilf!»  neina  «nein!».  Gleicher  Bildung  sind  hielten  Lesestücke  aus  der  Bibel, 
die  Hilferufe  diebjo,  feindjo,  mordjo,  nach-  Fiber,  f.  (PI.  -n):  Faser,  Muskelfaser. 
harjo  sowie  der  dem  Fährmann  geltende  Aus  lat.  fihra  f.  «Faser».  1766  bei  Lessing 
Ruf  holla  «hol  über!».  6,  516. 

Feuersbrunst,    Feuertaufe  usw.,  s.      Fichte,  f.:  (PI.  -n):  Nadelholzbaum  mit 

^^ßuer.  vierkantigen  x'ings  um  die  Zweige  herumge- 

Feuilletön  (spr.  föjetq),  n.  (-S,  PI.  -s):  stellten  Nadeln  und  hängenden  Zapfen,  in 
ünterhaltungsteil  einer  Zeitung.  Das  franz.  Norddeutschland  Bottanne  genannt.  Mit  Kür- 
feuilleton,  eig.  «Blättchen»,  von  feuille  m.  |  zung  des  Vokals  (im  altern  Obd.  noch  FiecÄfe) 
«Blatt»,  das  von  lat.  folium  n.  stammt.  Bei :  aus  mhd.  viehte,  ahd.  fiohta  und  fiuhta  f.  (da- 
Campe  1813.  nach   bayi\  Feuchten),   and.  fiuhtia  f.,   sonst 

Fex,  m.  (-e5f,  PI. -e):  Blödsinniger  (Goethe  im  Germ,  nicht  vorhanden.  Es  gehört  mit 
Faust  6199  Hexew/ea;);  näiTischer  Kerl;  Spaß-  ableitendem  Dental  zu  dem  gleichbed.  gr. 
vogel;  wer  durch  Sonderbarkeiten  Aufsehen  |  ireÜKri,  ]it.  pusis  t,  iprenQ.  peuse.  ABL.Üch- 
erregen  wül  (Bergfex).  In  Bayern  und  i  teu,  adj.,  mhd.  viehtin,  auch  in  Zusammen- 
Östen-eich  ist  Fex  (dazu  das  Fem.  Feckin) '  Setzungen  wie  Fichtenbaum,  Fichtennadel  usw. 
zunächst  s.  v.  a.  «Kretin».  In  der  Literatur  '  Ficke,  f.  (PL  -n):  Tasche  an  einem  Klei- 
des 17.  Jh.  erscheint  Feix  m.  als  «Stuben-  dungsstücke.  Niederdeutsches  Wort  (schon 
hocker,  einfältiger  Mensch»,  dann  « angehender  i  im  16.  Jh.  belegt),  auch  im  östlichen  Mittel- 
Student»  (s.  Fuchs  und  feixen).  In  Wien  deutschland  verbreitet  (Weise  Erzn.  103,  Gün- 
bedeutet  das  Fem.  Fex  «die  Hexe»  (Loritza  ther  166,  Weiße  Op.  3,  6),  von  Schottel  1663 
A2^).  Ein  schon  im  15.  Jh.  übliches  (Sachsen- 1  (jPifc/ce)  und  Stieler  1691  angeführt.  Jetzt 
heim  Mörin  263),  auch  im  16.  vorkommendes  auch  obd.  (schweiz.  figge).  Aus  dem  Nd. 
narrifex  scheint  nicht  hierher  zu  gehören,  i  auch  schwed.  ficka  f.,  dän.  fikke.  Wohl  urspr. 
sondern  Nachbildung  lateinischer  Formen  wie  1  s.  v.  q-.  ins  Kleid  ein-  oder  angehefteter  Beutel, 
artifex  zu  sein.  vgl.  mlat.  ficacium  «Tragbeutel»,  von  prov.- 

f[    s.  f.  j  altspan.-port.  ficar,  ital.  ficcare, .  franz.  ficher 

fl,  interj.  des  Ab weisens,  Absehens,  Ekels. !  «an-,  einheften»,  woraus  auch  mhd.  vicken 
Mhd.  vi,   das   aus   dem   franz.-ital.  fi   «pfui»   «heften». 

aufgenommen  ist.  fickeu,  v.:  kurze,  rasche  Bewegungen  hin- 

Fiaker,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Lohnkutscher;   und  hermachen;  Rutenstreiche  geben.    Älter- 

Mietkutsche.    Nach  dem  franz.  am  Ende  des   nhd.  ficken  «jucken,  kratzen,  scharren,  reiben» 

17.  Jh.  üblichen  ^acre.     Von   dem   heiligen   (schon  1558  auch  obszön),  1475  clevischv?/cÄ;ew 

«mit  Ruten  schlagen»  (Teuthonista),  im  14.  Jh. 
niederrheinisch  vicken  «reiben»,  ahd.  mich 
vikchit  «mich   juckt».     Vielleicht   verwandt 


Fiacre  (latinisiert  Fiacrius),  dessen  Bild  das 
Zeichen  des  in  der  Straße  St.  Antoine  zu 
Paris  gelegenen  Hauses  war,  in  dem  man 
solche  Metkutschen  haben  konnte,  und  das   mit  anor d.  fika  «eilen»,  schwed. /iÄ;a  «streben 


der  Franzose  Sauvage,  dem  1650  das  Privi- 
legium zur  Einrichtung  öffentlicher  Kutschen 
verliehen  wurde,  bewohnt  haben  wird.  1728 
bei  Sperander  nur  der  Plur.  Fiacres,  im 
Sinne  von  «Mietkutschen  auf  den  Straßen 
von  Paris». 


nach  etwas»,  daher  engl,  fidge  «unruhig  sein», 
acfs.  ficol,  engl,  fickle  «unbeständig»  und  weiter 
wohl  zu  lat.  piget  «es  verdrießt  mich,  erregt 
Widerwillen»,  vgl.  Schweiz,  figge'"'  «verdrießen». 
fickfacken,  v.:  ohne  Absicht  hin-  und 
wiederlaufen;  geschäftig  sein;  Bösesanzetteln; 


Fiasko,  n.  (-S,  PI.  -s),  in  der  Redensart  |  Ränke  schmieden;  Blendwerk  machen;  unzu- 
F.  machen  «Mißerfolg  haben».  Nach  dem  |  verlässig  handeln  oder  reden;  mit  Ruten 
ital.  far  fiasco,  eig.  «eine  Flasche  machen». !  schlagen.  Gebildet  von  fix:ken,  s.  d.,  das  sich 
Über  den  Ursprung  vgl.  Hildebrand  Vom  '  in  fickfacken  ablautend  wiederholt,  vgl.  Kling- 
deutschen  Sprachuntenricht  156.  1  klang,  Schnickschnack,  Wirrwarr.     Aus  dem 


529 


Eickmühle 


fiUen 


530 


Nd.,  wo  es  schon  im  16.  Jh.  erscheint,  eben- ' 
so  im  Ndl.,  jetzt  ndl.  fikfakkm  «Possen,  Albern- 
heiten  treiben».      ABL.   Fickfacker,   m,: 
unbeständiger  Mensch,  Windbeutel  (Bürger  , 
225);  Känkemacher.    Mnd.  schon  un  16.  Jh.  | 
Davon  Fickfackerei,  f.,   bei  Stieler  1691. 
Vgl.  Fixfax. 

Fickniühle,  f.  (PI.  -n)-.  im  Mühlenspiel 
eine  solche  Stellung  der  Steine,  daß  man 
durch  Öffnung  der  einen  Mühle  immer  die 
andere  schließen  kann.  Aus  ficken  «hin-  und 
herfahren»  und  Mühle  zusammenges.  Schon 
bei  Keisersberg  Seelenparad.  101^  fickniül. 
Dafür  auch  Zwickmühle. 

Fideikommiß,  n.  (sses,  PI.  -sse):  dm-ch 
Vermächtnis  anvertrautes  Gut  zur  Heraus- 
gabe an  einen  Dritten,  der  nicht  selbst  Erbe 
sein  kann;  unveräußerliches  Stammgut.  Aus 
lat.  fideicommissum  in  der  1.  Bed.,  eig.  «auf 
Treu  (fides)  und  Ehrlichkeit  Anvertrautes 
(commissumy.  In  der  frühnhd.  Rechtssprache. 

fldel,  adj.:  lustig.  Aus  der  Studenten- 
sprache. Zugrunde  Hegt  lat.  fidelis  «getreu». 
Die  jetzige  Bed.  ist  um  1750  in  der  Studenten- 
sprache üblich  (auch  bei  Goethe  ürfaust  S.  23), 
vgl.  Kluge  Studentensprache  34,  während  z.  B.' 
1710  bei  Nehring  angeführt  wird  fidel  «treu, 
aufrichtig,  hold,  ohne  Falsch». 

Fidibus,  m.  (PI.  -sse) :  Papierstreifen  zum 
Anzünden  des  Tabaks,  Schon  um  die  Mitte 
des  17.  Jh.  aufgekommen,  scheint  es  urspr. 
Studentenausdruck,  dessen  Entstehen  aber 
nicht  sicher  ermittelt  ist;  vgl.  Kluge  Stu- 
dentensprache 39.  Nach  M.  Haupt  Dat.  Plui-. 
von  lat.  fides  «Saite»,  entstanden  durch  üm- 
deutung  von  Horaz  Od.  1,  36,  1  et  iure  et 
fidibiis  juvat  placare  deos  «mit  Weihrauch 
und  Saitenspiel  die  Götter  besänftigen». 

FidÜZ,  n.:  Vertrauen  (in  der  Redensart: 
ich  habe  kein  F.  dazu).  Norddeutsch,  lu- 
xemb.,  hess.,  elsäss.,  Schweiz,  aus  lat.  fidücia  f. 
«Vertrauen». 

Fieber,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  hitzige  Krank- 
heit. Mhd.  vieher,  ahd.  fi£bar  n.  Mit  Ge- 
schlechtswechsel und  aus  lat.  e  hervorge- 
gangenem ie  (wie  span.  fiebre,  franz.  fievre  f.) 
aus  dem  gleichbed.  lat.  febris  f.,  woraus  auch 
ags.  fefor  n.,  engl,  fever,  schwed.-dän.  feber 
m.,  wie  auch  das  ält^rahd.  Feber  n.  Das 
urspr.  deutsche  Wort  für  Fieber  ist  Bitten 
(s.  d.).  ABL.  fieberhaft,  adj.  u.  adv.,  bei 
Eädlein  1711.  fieberisch,  adj.  u.  adv.,  bei 
Ludwig  1716.    fiebern,  v.,  spätmhd.  viehern. 

Fiedel,  f.  (PI.  -n):  Geige,  namentlich  in 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


verächtlichem  Sinn.  Früher  auch  Fidel  ge- 
schrieben, bei  Luther  Fiddel.  Mhd.  videle, 
ahd.  fidula  f.;  dazu  ndl.  vedel,  veel,  ags.  fid£le, 
engl,  fiddle,  anord.  fidla  f ,  dän.  fiddel.  Wahr- 
scheinlich entlehnt  und  mit  ital,  viola,  franz. 
violei.  (s.  HoZi»«)  eines  Ursprungs ;  als  Grund- 
wort gut  mlat.  vitula  f.  «streichbares  Saiten- 
instrument», das  zu  lat.  vituläri  «sich  lustig 
gebärden»  gehört.  ABL.  fiedeln,  v.:  die 
Fiedel  spielen,  mhd.  videlen.  Davon  Fiedler, 
früher  auch  Fiedeler  (bei  Goethe  Faust 
4339  Fideler)  m.,  mhd.  videlaere  m.  ZTJS. 
Fiedelbogen,  m.,  mhd.  videlboge  m. 

fiedern,  v.:  Fedem  ansetzen,  Federn 
woran  befestigen.  Bei  Luther  fiddern,  mhd. 
videren,  ahd.  (bei  Xotker)  fideren,  ags.  ge- 
fiderian  «befiedem,  beflügeln».  Abgeleitet 
von  Feder  (s.  d.). 

Fiek,  m.  (-S,  PI.  -e):  Eingeweidewurm; 
Wurm  am  Finger.  Aus  dem  Ndd.,  schon 
mnd.  vik  m.  In  Zesens  Hehkon  4.  Aufl.  I  x 
als  fieg  angeführt. 

Fiekchen,  ndd.  Abkürzung  von  Sophie. 

fiepen,  v.:  schreien  der  Rehe;  einen  dünnen 
schwachen  Ton  von  sich  geben.  Lautnach- 
ahmend. 

Figur,  f.  (PI.  -en):  Gestalt:  Linienum- 
riß: Xotengruppe  mit  bestimmter  Anordnung: 
Wortbild;  mhd.  figure,  figür  f,  aus  lat.  firgüra 
f.  «Gestalt».  ABL.  figurieren,  v.:  im 
Bude  darstellen;  vorbilden;  mhd.  figurieren. 
figürlich,  adj.  u.  adv.:  durch  Übertragung 
auf  dem  Grund  einer  Ähnlichkeit  angewandt. 
1469  im  Voc.  ex  quo  figuerlich. 

Filiäl,  n.  (-5,  Pl.-e):  Tochterkirche,  Nebeu- 
kirche.  Aus  neulat.  filiale,  dem  Neutr.  des 
mlat.  Adj.  filicUis  «kindlich»,  im  Verhältnis 
der  Tochter  (filia)  und  des  Sohnes  (ßlius) 
zu  Mutter  und  Vater  stehend.  Schon  im 
16.  Jh.  (1562  bei  Mathesius  Sarepta  195^. 
von  Gombert  8,  30  aus  einem  Schreiben 
Luthers  von  1539  nachgewiesen).  Filiale, 
f.  (PI.  -n):  Zweiggeschäft,  Nebenstelle.  Im 
19.  Jh. 

Filigran,  n.  {-[e]s):  feine  Arbeit  aus  Gold- 
und  Süberfäden.  Aus  gleichbed.  ital.  filigräna 
f.,  zusammengesetzt  aus  lat.  fllum  n.  «Faden» 
und  gränum  n.  «Korn».  Bei  Campe  1813 
filigrain. 

fillen,  V.:  die  Haut  (das  FeU)  abziehen, 
schinden;  wund  geißeln.  Nur  noch  ndd.,  wo 
schon  mnd.-mnl,  vülen,  ehedem  auch  hd.  ge- 
läufig, mhd.  Villen,  ahd.  fillen,  abgeleitet  von 
ahd.-mhd.  vel  «Fell»  (s.  d.). 

34 


531 


rum 


Finanzen 


532 


Film,  m.  (-[e]s,  PI.  -e  u.  -s):  dünnes 
Blättchen  aus  Zelluloid,  Ersatz  für  Glasplatten 
beim  Photographieren,  junge  Entleknung  aus 
engl,  film,  s.  Fell. 

Filou,    m.   (-S,  PI.   s):    Spitzbube.     Im 

17,  Jh.  aufgenommen  aus  gleichbed.  franz. 
filou  m.,  das  vermutlich  aus  engl,  fellow 
«Bui'sche»  entlehnt  ist. 

filtrieren,  v.:  durchseihen.  Aus  franz. 
filtrer,  ital.  f eltrare.  Im  Anfang  des  17.  Jh. 
entlehnt  (Moscherosch  Phil.  1,  486).  ürspr. 
«durch  Filz  laufen  lassen,  um  alle  Unreinig- 
keit  abzusondern»;  das  Stammwort  ist  mlat. 
feltrum,  filtrum  n.,  ital.  feltro,  franz.  feutre  m. 
«dichtes  Gewebe  von  Haaren»,  die  aus  dem 
Germanischen,  ags.  feit,  ahd.  filz  m.  «Filz» 
(s.  d.),  entlehnt  sind.  ABL.  Filter,  m.  (s, 
PI.  wie  Sg.):  ein  Mittel  zum  Filtrieren,  der 
Seiher.  Junges  Wort.  Bei  Campe  181.3 
noch  filtrum. 

Fiktion,  f.  (PI.  -en):  Erdichtung,  An- 
nahme. Aus  gleichbed.  franz.  fiction  f.  Bei 
Sperander  1727. 

Fil4t  (spr.  File),  n.  (-s,  PI.  -s):  feines 
Netzwerk;  Lendenbraten;  Handschuhe  aus 
feinem  Stoff.  Aus  franz.  filet  m.  mit  den- 
selben Bedeutungen,  eig.  «dünner  Faden», 
einem  Dim.  von  lat.  filum  n.  «Faden».     Im 

18.  Jh. 

Filz,  m.  (-65,  PI.  -e):  dichtes  Gewebe  von 
Haaren  oder  WoUe  oder  dem  Ähnliches; 
im  Geben  zäher  Mensch,  Geizhals  (in  dieser 
Bed.  auch  mit  schwacher  Flexion,  Schüler 
Räuber  1,  2);  grober  harter  Verweis.  Mhd. 
vilz,  ahd.  filz  m.;  dazu  ndl.  vüt  n.,  ags.-engl, 
feit,  schwed.-dän.  filt  n.  Auch  ins  Roma- 
nische übergegangen  (s.  filtrieren).  Von  A. 
Erdmann  üpsala  skrifter  1,  3  (1891)  zu  ahd. 
anevalz,  ags.  anfilt  «.Amhoß»,  lat. pello  «stoßend 
in  Bewegung  setzen»  mit  der  Grundbedeu- 
tung «Gestampftes»  gestellt.  Das  Wort  ist 
aber  kaum  von  ahg.plüstl  f.  «Filz»,  lat. püleus 
«Füzmütze»,  gv.  iriXoc  m.  «Filz»  zu  trennen. 
Vgl.  aber  Walde  s.  v.  Spätmhd.  vilz  ist 
auch  «bäurischer,  grober  Mensch»  (wegen 
der  Kleidung  des  Bauern  in  Filz?  daher 
mhd.  vilzgehür),  woraus  wegen  des  sprich- 
wörtlichen Geizes  der  Bauern  die  2.  Bed. 
hervorgegangen  ist;  die  3.  Bed.  erklärt  sich 
vom  Verb,  filzen  (s.  u.)  aus  und  erscheint 
auch  schon  im  16.  Jh.  ABL.  filzen,  v.: 
zu  Filz  machen,  mhd.  vilzen  «einen  groben, 
derben  Verweis  geben»;  eig.  wohl  «walken 
wie  einen  Filz,  schlagen»  (frühnhd.,  vgl.  auch 


ausfilzen),  filzig,  adj.,  früher  filzicht,  mhd, 
vilzeht,  frühnhd.  auch  schon  s.  v.  a.  «geizig» 
(Hans  Sachs  19,  1.34).  ZUS.  FilzlauS,  f., 
spätmhd.  vilzlüs  f. 

^Fimmel,  m,  (s,  PI.  wie  Sg.):  starker 
eiserner  Keil  der  Bergleute ;  großer  Hammer. 
Bei  Agricola  Bergwerkbuch  (1557)  83  feim- 
mell,  1562  bei  Mathesius  Sar.  196  ^  und  1594 
bei  Frischlin  Nomencl.  Cap.  110  Fimmel. 

■Fimmel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  die  männ- 
hche  Hanfpflanze.  Schweizei-isch  (auch  Fim- 
melef.),  bayr.-hess.-luxemb.i^emeZ,  ehäss.Fceml, 
Feml.  Aus  lat.  ßmella  f.  «Weibchen»,  dem 
Dim.  von  ßminai.  «Weib».  Man  verwechselte 
nämlich  vor  der  Erkennung  des  wahren  Ge- 
schlechtes bei  dem  Hanfe  die  Geschlechter 
und  hielt  die  männlichen  Stengel,  weil  sie 
kleiner  und  zarter  sind,  für  die  Weibchen, 
diese  dagegen,  wie  die  für  sie  in  der  Schweiz 

OD  / 

übUche  Benennung  Mäsch,  Mäschel  außer 
Zweifel  setzt,  ui'spiünglich  für  die  Männchen. 
Schon  1546  bei  Bock  132  ^  Femel,  1561  bei 
Maaler  Fimmel  «kurtzer  hanflf».  Dazu  engl. 
fimhle-hemp.  ABL.  fimmeln,  v,:  die  eher 
reifenden  männlichen  Hanfstengel  besonders 
ausinapfen  (1561  hei  M  aaler  fimlen):  dann  über- 
haupt tastend  aussuchen,  herausklauben  usw. 
Dazu  ndd.  fimeln  (fimmeln),  ndl,  femelen  und 
fijmelen. 

Finale,  n.  (-s,  PI,  -s):  Schlußstück,  bes. 
eine»  Musikstückes,  einer  Oper.  Aus  gleichbed, 
ital.  finale,   final  als  Adj.  1727  bei  Sperander. 

Finanzen,  PI. :  Staatseinkünfte,  Staatsver- 
mögen; Vermögen  an  Geld.  Der  Sg.  Finanz 
nur  noch  in  Zusammensetzungen,  z.  B.  Finanz- 
rat. Ältemhd.  (zu  Ende  des  15,  Jh.,  im  16. 
und  zu  Anfang  des  17.  Jh.)  Finanz  f.  «un- 
redliches Geldgeschäft,  Wucherei,  Wucher- 
kniff, Betrug»  (noch  1727  bei  Sperander 
Finantien  «allerhand  Betrügereien  undUnter- 
schleife»).  Unter  Einfluß  von  ital.  finanza  f. 
«Quittung»,  franz.  finance  f.  «Barschaft»  geht 
es  mit  dem  bei'eits  aus  der  1.  Hälfte  "des 
14.  Jh.  mehrfach  nachgewiesenen  kölnischen 
PI.  finantie  zurück  auf  mlat  finantia  f.  «öflfent- 
liche  Leistvmg,  besonders  an  Geld»,  urspr, 
«Schlußleistung»,  gebildet  von  dem  Part, 
Präs.  des  von  lat.  ßnis  m.  «Ende,  Endzweck» 
abgeleiteten  romanischen  Verbums  finare  «be- 
endigen, aufhören»,  im  Ital.  s.  v.  a.  «quit- 
tieren (eine  Sache  abschließen)»,  im  Afranz. 
s.  V.  a.  «bezahlen».  Unser  heutiger  PI.  Fi- 
nanzen hat  niehr  die  Bed.  des  franz.  PI, 
^waMces,  ital. /?Mar22re  «Staatseinkünfte».    So  bei 


533 


FindeUians 


Fink 


534 


Sperander  1728  Financen,  1703  im  Zeitungs- 
lex.  Finances. 

Findelhaus,  n.:  Haus  für  Findlinge. 
Findelkind,  n.:  Findling,  ürspr.,  zuerst 
im  15.  Jh.  erscheinend  Fündelhaus,  Fündel- 
kind,  zusammengesetzt  mit  dem  von  Fund 
abgeleiteten  südd.  Dim,  Fündel,  Fündele  (1556 
bei  Frisius  Bl.  1071^),  neben  dem  auch  im 
15.  Jh.  Fütidel  f.  «Findelhaus».  Schon  im 
15.  Jh.  erscheint  auch  (mit  Anlehnung  an 
finden)  Findelhaus,  Findelkind  (auch  1537 
bei  Dasypodius),  doch  kommt  daneben  die 
Schreibung  mit  ü  bis  nach  Mitte  des  18.  Jh. 
vor.    Vgl.  Findling. 

finden,  v.  (Prät.  fand,  Part,  gefunden): 
erstrebend  oder  unabsichtlich  gewahr  wer- 
den, auf  etwas  als  ein  Erstrebtes  oder  un- 
absichtlich kommen.  !Mhd.  vinden,  ahd.  fin- 
dan;  dazu  asächs.  findan,  fithan,  ndl.  vinden, 
ags.  findan,  engl,  find,  afries.  finda,  anord. 
finna,  schwed.  finna,  dän.  finde,  got,  findan 
«erkennen,  erfahren».  Wahrscheinlich  zu  ahd. 
fanden,  ags.  fundian  «eilen»,  ahd.  fendo,  mhd. 
vende  m.  «Fußgänger»,  so  daß  die  ursprüng- 
liche Bed.  die  «des  Gehens  nach,  einer  Seite» 
wäre.  Verl.  zur  Bedeutuncrsent'wdckluncr  lat. 
invenire  «finden»,  eig.  «hineinkommen».  Ver- 
wandt ist  noch  die  altir.  "Wurzel  et  {siu.%  peni) 
in  con-etat  «assequuntur»  nnd  weiter  lat. 
pons  m.  «Brücke,  Steig»,  gr.  -iraTeu)  «trete». 
Anders  Sütterlin  Btr.  18,  261.  ,S.  auch 
fahnden.  Das  Prät.  flektiert  mhd.  vant,  PI. 
vunden,  und  dieser  Wechsel  hat  sich  bis  ins 
17.  Jh.  erhalten,  von  da  an  wird  fand  und 
fiind  (noch  bei  Haller  142)  gebraucht,  bis 
die  letztere  Form  ganz  verschwindet.  Das 
Part  mhd.  viinden  ohne  ge-  lautet  auch  älter- 
nhd.  noch  sehr  häufig  so,  daneben  gefunden 
(bei  Luther  seltner  als  funden),  von  den 
Grammatikern  seit  Clajus  angesetzt;  die  poe- 
tische Sprache  bewahrt  funden,  nicht  allein 
im  17.  Jh.,  sondern  auch  später,  z.  B.  Gün- 
ther 844,  Lessing  2,  304,  LTiland  306,  Rückert 
2,  69.    ABL.  Finder,  m.  (-s),  mhd.  vindcere. 

findig,  adj.:  gewandt  im  Finden  oder 
Erfinden.  Aus  mhd.  vündec  «erfinderisch», 
abgeleitet  von  vunt  m.  in  der  Bed.  «Er- 
findung», neben  dem  schon  im  16.  Jh.  (an 
finden  angelehnt)  findig  steht:  doch  erhält 
sich  daneben  fündig  bis  ins  18.  -Jh.  (noch 
bei  Steinbach  1734).  ABL.  Findigkeit,  f., 
namentlich  der  Reichspost.  Schlagwort  seit 
den  70  er  Jahren  des  19.  Jh. 

Findling,   m.  (-s,    PI.  -e)-.   ausgesetztes 


und  gefundenes  Kind;  von  Gletschern  ver- 
schleppter erratischer  Block.  Aus  mhd. 
vundelinc  (entsprechend  ndl.  vondeling,  engl. 
foundling)  abgeleitet  von  vunt  m.  (s,  Findel- 
haus): gleichbedeutend  auch  vuntkint  und 
vunden  kint.  Schon  im  15.  Jh.  erscheint 
auch  (an  finden  angelehnt)  findling  und  diese 
Schreibung  wurde  allmählich  herrschend,  doch 
Fündling  noch  im  18.  Jh.,  z.  B.  bei  Justus 
Moser  patriot.  Phant.  2,  14.  308,  Wieland, 
A.  W.  Schlegel  poet.  Werke  2,  123. 

Finesse,  f.  (PI.  -«) :  Verschmitztheit,  feine 
List,  Pfifi".  Das  franz.  finesse  f.,  urspr.  «Fein- 
heit», von  fin  «fein  (s.  d.),  listig».  Bereits 
im  17.  Jh.  geläufig. 

FiDger,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  eins  der 
fünf  Handglieder  zum  Greifen.  !Mhd.  vinger, 
ahd.  fingar  m.:  dazu  asächs. /?w^ar,  ndl.  vinger, 
afries.-ags.-eugl.  finger, anord.  fingr,got.figgrsn\. 
Herkunft  unsicher;  vielleicht  zn  Faust  (s.  d.) 
oder  fünf  (s.  d.)  gehörig.  ABL.  fingerig, 
adj.,  in  zivei-,  drei-,  langfingerig.  Finger- 
lein, n.,  Dim.,  ehedem  auch  «Ring»,  mhd. 
vingerUn,  ahd.  fingarlin,  daneben  fingeri, 
fingerin  n.  fingern,  v.:  die  Finger  bewegen, 
mhd.  vingern.  ZUS.  fingerfertig,  adj. 
Jung  (noch  nicht  bei  Campe  1808).  Finger- 
hut, m.,  ahd.  vingerhuot  m.  (Gl.  3,  399),  über- 
tragen «die  Waldpflanze  mit  roten  fingerhut- 
artigen Blüten»,  digitalis  purpurea,  1542  bei 
Fuchs  Kreuterb.  893  (1546  bei  Bock  335  *> 
Fingerkraut).  Fingerreif,  m.,  bei  Luther. 
Fingerring,  m.,  bei  Dasypodius  1537. 
Fingerzeig,  m.:  Hindeutung  mit  dem  Finger; 
überhaupt  Hindeutung,  mhd.  vinger zeic  m., 
häufiger  der  substantivierte  Lif.  vingerzeigen 
n.,  auch  vingerzeige  f. 

fingieren,  v.:  erdichten,  lügnerisch  vor- 
geben. Aus  dem  gleichbed.  lat.  fingere.  Um 
1600  entlehnt  (Albertinus  weiblLustg.  154*). 

Fink,  Finke,  m.  (-n,  PI.  -?i):  der  Sing- 
vogel; loser  Mensch  (so  frühnhd.  und  noch  1808 
bei  Campe,  daher  noch  heute  Mistf,  Schmierf, 
Schmutz  f.  In  mrhein.  Mundarten  Finke  f.,  z.  B. 
bei  dem  Pf  älzer  Maler  Müller  in  Voß  Musen- 
almanach 1776  S.  205.  Mhd.  vinke,  ahd. 
fincho,  finko  m. ;  dazu  ndl.  vink,  ags.  finc, 
engl,  finch.  schwed.  fink,  dän.  finke  m.  Ln 
Skandinavischen  erscheinen  auch  Formen  mit 
sp  im  Anlaut,  wie  schwed,  spink  «Sperling», 
norw.  spucke  «kleiner  Vogel»,  die  zu  gr.  cttit- 
foc  m.  bei  Hesych,  ciri^a  f.  «Fink»  gehören. 
Das  Wort  ist  klangnachahmend,  und  daher 
erklärt  sich  auch  die  abweichende  Lautstufe 

34* 


535 


Finkeljochem 


Firlefanz 


536 


in  der  romanischen  Benennung  (ital.  pincione, 
franz.  pinson).  Im  Sg.  geht  das  Wort  öfter 
zur  starken  Flexion  über.  In  der  Studenten- 
sprache «Student  der  keiner  Verbindung  an- 
gehört», seit  den  20  er  Jahren  des  19.  Jh.  in 
Halle  und  Jena  aufgekommen,  vgl.  Götze, 
ZfdW.  8,  100. 

Finkeljochem,  m.:  Branntwein.  Bei 
Günther  925.  Aus  der  Gaunersprache,  wo 
es  1687  belegt  ist,  s,  Jochem.  Zu  rotwelsch 
finkein,  funkeln  «kochen»,  FunJcert  «Feuer». 

^ Finne,  f.  (PI.  -n):  fleischige  Floßfeder 
großer  Seefische.  Aus  dem  ndd.  finne  f.; 
dazu  ndl.  vin  f.,  ags.  finn  m.,  engl,  fin,  schwed. 
fena,  wohl  verwandt  mit  dem  gleichbed.  lat. 
pinna  f.  (s.  Pitme),  air.  ind  «Ende,  Spitze». 
Weitere  Anknüpfungen  bei  Walde  s.  v.  Bei 
Trochus  1517  J  2^  ein  vinne  von  dem  fische. 

^Finne,  f.  (PI.  -n):  Bläschen  mit  Würm- 
chen im  Fleische,  besonders  der  zahmen 
Schweine;  kleiae  spitzige  Blatter  im  Gesicht. 
Mhd.  pfinne,  vinne  f.,  auch  «fauler,  ranziger 
Geruch»;  dazu  mnd.  vinne,  ndl.  vin  f.  «Blatter». 
Dunkler  Herkunft,  vielleic}it  dem  vorigen 
gleich.  Nach  dem  Ndd.-Ndl.  ist  die  Form 
mit  f  ursprünglich,  mhd.  pfinne  erklärt  sich 
wohl  durch  Einfluß  von  pfinne  «kleiner 
spitziger  Nagel»  (s.  den  folgenden  Art.  imd 
Pinne).  Auch  das  ältere  Nhd,  kennt  Pfinne 
(noch  bei  Frisch  1741).  ABL.  finnig,  fln- 
nicht,  adj.:  voll  Finnen,  mhd.  j?/?nwec,  vinnec, 
auch  vinneht;  dazu  mnd.  vinnich,  ndl.  vinnig. 

^  Finne,  f.  (PI.  -n):  kleiner  spitziger  Nagel 
oder  Pflock.  Mhd.  pfinne  f.;  dazu  mnd.  pin, 
pinne,  ndl.  pin  f.  Mit  tJbergang  des  Begriffes 
aus  lat.  pinna  f.  (s.  Pinne). 

Finnflscll,  m.:  eine  Art  Walfisch,  dän. 
finnefisk,  schwed.  finnfisk  m.  Der  Name  wegen 
der  3 — 4  Fuß  hohen  Fettfinne  (s.  ^ Finne) 
auf  dem  hintern  Teil  des  Rückens. 

flnnicht,  finnig,  s.  "^Finne. 

finster,  adj.  u.  adv.:  des  Lichtes  erman- 
gelnd. Mhd.  vinster,  ahd.  finstar,  ein  nur 
hochd.  und  noch  asächs.  (asächs.  finistar,  n., 
finistrl  f.  «Finsternis»)  auftauchendes  Wort, 
scheint  eins  mit  ahd.  dinstar,  mhd.  dinster, 
indem  wie  auch  sonst  (s.  Feile)  f  an  Stelle 
eines  ursprünglichen  ß  (daraus  hd.  d)  ge- 
treten ist,  das  noch  asächs.  thinini  «dunkel» 
zeigt;  finster  entspricht  dann  genau  lat.  tene- 
hrae  f.  «Finsternis»,  aind.  tamisrä  f.  «dunkle 
Nacht»,  s.  Dämmer  und  auch  düster.  ABL. 
Finstere,  f.  (Schiller  Räuber  2,  3) :  Finster- 
nis, mhd.  vinster,  ahd.  finstari,  finstri  neben 


dinstri  (Hoffmanns  Wüliram  32,  17  thimstre) 
f.;  dazu  asächs.  finistri  f.  Finsterling,  m.: 
Gegner  geistiger  Aufklärung.  1788  von  Wie- 
land (29,  23)  gebraucht  und  bei  Campe  1808 
verzeichnet.  Vgl.  Gombei-t  ZfdW.  2,  66  und 
Ladendorf,  finstern,  v.:  finster  machen, 
in  verfinstern,  mhd.  vinsiern,  ahd.  finstarren. 
früher  auch  «finster  werden»,  mhd.  vinstem, 
ahd.  finstar en.  Finsternis,  f.  (früher  auch 
n.,  so  bei  Luther  1.  Mos.  1,  4.  Math.  4,  16). 
Mhd.  vinsternisse  f.  n.,  ahd.  finstarnessi,  fin- 
starnissi  n. 

Finte,  f.  (PI.  -n) :  Tmgstoß  beim  Fechten : 
Verstellung,  Kjiiff.  Zunächst  in  der  1.  Bed. 
übernommen  aus  ital.  finta  f.  «List»,  franz. 
feinte  f.  «Verstellung,  Trugstoß»,  das  urspr. 
das  Fem.  des  Part.  Prät.  von  lat.-ital.  fingere 
«erdichten,  fälschlich  voi'geben,  täuschen», 
franz.  feindre  ist.  1644  bei  Duez  182  in  der 
1.  Bed.  «ictus  simulatus»,  1648  bei  Kemnitz 
schwed.  Krieg  1,  344^  und  bei  Schottel  1663 
in  der  2.  Bed.  (ßnte  machen  «caUide  aut 
insidiose  agere»). 

finzelig,  adj.:  überfein.  Li  der  Schweiz, 
aber  auch  in  Norddeutschi.  Herkunft  un- 
bekannt, vgl.  Schweiz.  Id.  1,  877. 

fippern,  v,:  ängstlich  und  rasch  umher- 
tasten. So  bei  Hermes  Sophiens  Reise  1,  427. 
Schon  im  16.  Jh.  hochd.  u.  ndd.  in  der  Bed. 
«sich  in  raschem  Zittern  bewegen»,  auch 
s.  V.  "a.  «rasch  zitterndes  Licht  von  sich  geben, 
glitzern».  Wohl  aus  lat.  vibräre  in  der  Bed. 
«sich  zitternd  bewegen,  zittern,  schimmern, 
funkeln»,  s.  auch  vibrieren. 

Fips,  m.  (-es,  PI.  -e):  Schneller  mit  dem 
Mittelfinger  an  die  Nase,  Nasenstüber.  Wohl 
die  substantivierte  Interj.  fipsl  (Hermes  So- 
phiens Reise  1,  683),  die  lautnachahmenden 
Ursprungs  ist. 

Firlefanz,  m.  (-es,  PI.  -e):  gebärden- 
volles, überhaupt  unnötiges  albernes  Tun 
und  Wesen;  ein  sich  lächerlich  Gebärdender 
(Goethe  Faust  11670).  Mhd.  firlifanz,  firla- 
fanz  (bei  Wolkenstein),  in  urspmnglicherer 
Form  firlafei,  fierleifei,  firlei  «ein  lustiger 
rascher  Springetanz  der  Dorfbewohner»,  be- 
ruht auf  franz.  virelai  «Ringeltanz»;  die  Form 
Firlefanz  erklärt  sich  durch  Anlehnung  an 
md.  Firl  «Kreisel»,  auch  «hurtiger  behender 
Mensch»,  und  obd.-md.  Fanz «Bossen,  Possen- 
macher», vgl.  auch  Älfanz  und  Weise  ZfdW.  3, 
122,  Die  übertragene  Bed.  «geckenhaftes,  al- 
bernes Zeug»  fiindet  sich  schon  im  16.  Jh.  (1582 
bei  Fischart   Garg.  181    Firlefans).     ABL. 


537 


firm 


Fisimatenten 


538 


flrlefanzen,  v.:  sich  albern  benehmen,  bei 
Luther  firlefentzm.    Davon  Firlefanzerei, 

f.,  bei  Stieler  1691  Firlfantzerey. 

firm,  adj.:  fest.  Aus  lat.  firmus  «fest, 
zuverlässig»,  1727  bei  Sperander.  —  Firma,  f. 
(PI.  Firmen):  Handlungsname,  Name,  unter 
dem  ein  kaufmännisches  Geschäft  geführt 
wird,  Eig.  s.  v.  a.  (sichere)  Handluiigsunter- 
schrift,  denn  diese  Bed.  hat  der  ital.  Kunst- 
ausdruck firma,  mlat.  firma  f.,  das  als  Subst. 
gesetzte  Fem.  des  lat.  Adj.  firmus  (s.  o.). 
Im   18.  Jh.   entlehnt. 

Firmament,   u.  {-s,   PI.  -e):  Himmels- 
feste.    Mhd.  firmament  n.,   aus  dem  gleich- } 
bed.  lat.  firmänientum  n.,  gebüdet  von  firmäre  | 
«fest  machen».  i 

firmen,  häufiger  firmeln,  v.:  die  Taufe  ' 
durch   Gebet,   Handauflegung   und   Salbung 
bestätigen.     Mhd.  firmen,    ahd.  firmön   «be- 1 
festigen,  bestätigen»,  aus  lat.  firmäre  (s.  Fir- 
mament), kommt  schon  in  diesem  Sinn  vor, 
daneben  spätmhd.  das  abgeleitete  firmeln  (aus  ' 
firmelu7ige  f. zn  entnehmen).  AB L.YirmXing,  \ 
Firmelung,  f.,  mhd.  firmunge  f.  j 

fim,  adj.:  alt,  hauptsächlich  vorjährig. 
Mhd.  virne  «alt»,  auch  «geübt,  schlau»,  ahd. 
firni  «alt»;  dazu  asächs.  fern  «vergangen  (vom 
Jahr),  ags.  fyrn  «alt»,  got.  fairneis  «alt,  in 
der  Zeit  feragerückt,  vergangen».  Über  die 
Verwandtschaft,  s.  /ei'n,  vgl.  auch  anord.  forn 
«alt»,  ahd.  for7i,  asächs.  forn,  furn,ags.  fyrn 
adv.  «ehmals».  Für  die  Bed.  «vorjährig», 
die  sich  aus  Luther  und  dem  spätem  Mhd. 
belegen  läßt,  ist  auch  das  Adv.  mhd.  verne, 
vernent,  vernt,  vert  «im  vorigen  Jahre»  her- 
anzuziehen; vgl.  dazu  auch  gr.  irepuci,  aind. 
parut  «im  vorigen  Jahre»,  air.  onn-urid 
«vom  vorigen  Jahre»,  ]it.  pernai  «im  vorigen 
Jahre». 

Firn,  m.  {-es,  PI.  -e),  auch  Fime,  f. 
(PI.  -n)  oder  Fimer,  Ferner,  m.  .-.s,  PI. 
wie  Sg.):  firner,  d.  h.  vom  vorigen  Winter 
oder  auch  noch  länger  her,  überhaupt  alter 
auf  Berghöhen  liegen  gebliebener  Schnee;  Berg 
mit  solchem  Schnee  und  Eis  bedeckt  im  Hoch- 
gebirg.  Alle  die  Wörter  sind  auf  das  Adj. 
fim  (s.  d.)  zurückzuführen.  Firn  als  Subst. 
findet  sich  in  der  Schweiz  1548  bei  Stumpf 
2,  248*^  und  ist  von  SchiUer  im  Teil  (l,  1 
usw.)  gebraucht.  Firner,  Ferne)'  (mit  Aus- 
lassung des  Subst.  Schnee)  gehört  dem  bayr.- 
öst.  Gebiet  an. 

Firnewein,  m.:  der  fime,  d.  h.  der  «vor- 
jährige»  alte   Wein.      Bei   Dasypodius    1537 


Firnwein,  auch  schon  mhd.,  aber  getrennt, 
virner  win. 

Firnis,  m.  (-sses,  PI.  -sse):  glänzender 
Überzug;  Anstrich;  lackartige  Flüssigkeit. 
Mhd.  virnis,  vernis  (danach  älternhd.  auch 
Firneis),  aus  franz.  vernis,  ital.  vernice,  die 
unbekannter  Herkunft  sind.  ABL.  firnis- 
sen, V.,  mhd.  virnisen. 

First,  m,  (-es,  PI.  -e)  und  f.  (PI.  -en), 
auch  Firste,  f.  (Goethe  19,  224):  die  oberste 
LängenHnie  des  Daches,  Dachgiebel ;  Gebäude, 
z.  B.  Haas,  Scheune;  (Berg-)  Gipfel.  Mhd. 
vir  st  m.,  seltener  f.,  ahd.  first  m.,  in  md. 
Quellen  (seit  dem  15.  Jh.  belegt)  auch  vorst 
(mit  Ablaut),  -svie  mnd.  vorst,  ndl.  vorst  f., 
ags.  fyrst,  first  m.  Verwandt  sind  aind. 
prsthäm  «Rücken,  Gipfel,  Berggipfel»,  aw. 
parsta  m.  «Rücken,  Rückgrat»  und  wahr- 
scheinl.  auch  lit.pifstas.  ahg.priistü  m.«Fingen>. 
Die  Form  Firste  bei  Adelung  und  Heynatz 
1796  (hier  neben  Forst,  Forste,  noch  jetzt 
hess.-thür.  forst). 

Fis,  n.:  die  Tonstufe,  die  Y^  Ton  höher 
ist  als  f.  Redensai't:  ins  Fis  kommen  <i<fis 
statt  f  greifen,  m  schlechte  Verhältnisse 
kommen». 

Fisch,  m.  {-es,  PI.  -e):  Wassertier  mit 
rotem,  kaltem  Blute.  Mhd.  visch,  ahd.  fisc 
m.;  dazu  ndl.  visch,  asächs.-ags.-afries.  fisc, 
engl,  fish,  anord.  fiskr,  schwed.-dän.  fish,  got. 
fisks.  Verwandt  mit  lat.  piscis  m.,  air.  (mit 
geschwundenem  p  im  Anlaut)  iasc.  ABL. 
fischen,  v.,  mhd.  vischen,  ahd.  fiscon;  dazu 
asächs.  fiscon,  ndl.  visschen,  ags.  fiscian,  engl. 
fish,  afries.  fiskia,  anord.-schwed.  fiska,  dän. 
fiske,  got.  fiskön  und  lat.  piscäri.  Davon 
Fischer,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.),  mhd.  vischcere. 
ahd.  fiscäri  m.  und  Fischerei,  f.,  mhd. 
vischerie  f.  ZUS.  Fischaar,  m. :  auf  Fische 
stoßender  Adler,  bei  Luther  Fisclmr,  Fissch- 
ar.  Fischhein,  n.:  Walfischknochen.  Erst 
frühnhd.  (Hulsius  Schiffarten  4,  5  Tisch- 
bein, 1628  bei  Münster  Cosmogr.  S.  1725 
Fischhein),  wohl  aus  dem  !N^dd.  Li  andrer 
Bed.  1574  bei  Fischart  Onomast.  380*  Fisch- 
bein «ossa  sepie».  Fischotter,  m.  und  f. 
(s.  Otter),  bei  Henisch. 

fiseln  oder  Asseln,  v.:  fein  regnen.  Ndd. 
Vielleicht  eine  Ableitung  von  mhd.  viseln, 
Fl.  «Fransen».  Vgl.  die  Redensart  «es  regnet 
Bindfaden». 

Fisimatenten,  PI.:  Flausen,  Ausflüchte. 
In  nordd.  und  südd.  Umgangssprache.  Er- 
scheint zuerst  im  16.  Jh.  im  Hochd.  und  im 


539 


Fiskal 


fix 


540 


Mnd.  als  visipatent,  visepetent,  fisipotent  «Al- 
bernheit, Alfanzerei»  und  ist  Entstellung  des 
mhd.  visament  «Gesicht,  Aussehen»,  dann 
«Einteilung  und  kunstgerechte  Beschreibung 
eines  Wappens»  und  danach  Liedersaal  1, 
579,  75  fisimenf  «unverständliche  leere  Zie- 
raten», von  mhd,  visieren  «bilden,  die  Wappen- 
figuren ordnen  und  beschi'eiben»  und  dieses 
nach  franz.  viser,  von  lat.  viser e  «genau  be- 
sichtigen». 

Fiskal,  m.  (-S,  PI.  -e):  Vertreter  des 
Fiskus:  öffentlicher  Ankläger.  Aus  mlat. 
fiscalis,  von  lat.  fiscus  (s.  u.).  In  der  Eechts- 
sprache  des  15.  Jh.  (Janssen  Frankf.  Reichs- 
korr.  2,  321).  ABL.  flskälisch,  adj.:  den 
Fiskus  oder  den  Fiskal  betreffend,  Reichs- 
Ordnungen  57*  (v.  J.  1507).  Dafür  ahd.  fis- 
cilih  (Steinniej'er-Sievers  Gl.  2,  739,  35).  — 
Fiskus,  m.:  der  öffentliche  Schatz,  Staats- 
schatz, Staatskasse;  Strafkasse.  Das  lat.  fiscus 
m.  «geflochtener  Korb»,  dann  «Geldkorb, 
Kasse»,  endlich  «öffentliche  Kasse,  Kasse  der 
Staatsgelder».     Im  16.  Jh.  geläufig. 

Fisole,  s.  Faseole. 

fispeln,  flspern,  v.:  zischeln,  flüstern, 
Frühnhd.,  bei  Schottel  1663  als  fispen,  fispereti 
verzeichnet.  Wohl  lautnachahmend,  vgl.  fii- 
spern,  flüstern,  wispeln. 

Fist,  m,  {-es,  PI.  -e):  leiser  Bauchwind. 
Mhd.  vist,  vist  (daher  dialektisch  Feist)  m.; 
dazu  mnd.  vist,  ndl.  veest  m.,  abgeleitet  von 
einem  starken  Verbum,  das  in  anord.  fisa, 
schwed.  fisa,  dän.  fise  «farzen»  (auch  in  einem 
hd.  Glossar  des  15.  Jh.  feysen)  erhalten  ist. 
ABL.  fisten,  V.,  mhd.  visten;  dazu  mnd. 
visten,  visten,  ndl.  vijsten  und  veesten.  Trotz 
des  abweichenden  Vokalismus  verwandt  mit 
lat.  peclo  aus  pezdo,  slow,  pezdeti,  lit.  hezdeti 
«farzen».    Vgl.  auch  Bofist. 

Fistel,  f.  (PI.  -n):  eiterndes  Geschwür 
mit  Röhre;  erzwungene  hohe  Stimme,  wie 
durch  eine  Rohi-pfeife.  Mhd.  vistel  f.  «eitern- 
des Geschwür»,  ahd.  fistul  f.  «Röhre»,  auch 
mnd.  vistel  f.  «Geschwür».  Aus  lat.  fistula  f. 
«Röhre,  Rohrpfeife,  eiterndes  Geschwür». 
Die  2.  Bed.  erst  im  18.  Jh.,  aber  schon  im 
17.  Jh.  fistulieren  «die  Singstimme  höher  als 
natürhch  zwingen». 

fitscheln,  v. :  hin-  und  herfahi-end  reiben, 
schneiden  u.  dgl.  Frühnhd.  Wahrscheinlich 
aus  einem  mhd.  fick{e)zen,  abgeleitet  von 
ficken  (s.  d.),  zu  erklären. 

Fitschepfeil,  s.  Flitzbogen. 

Fittich,  m.  (-S,  PI.  -e):  befiederter  Flügel; 


Zipfel  des  Gewandes  (4.  Mos.  15,  38;  5.  Mos. 
22,  12,  vgl.  eine7i  beim  F.  nehmest,  s.  auch 
Schlafittich);  leichtes  geringes  Obergewand 
(Goethe  22,  53);  liederlicher  Mensch  (md,- 
elsäss.).  Früher  auch  Fittig  geschrieben,  schon 
bei  Luther  (vgl.  Essig).  Mhd.  vittich,  vit- 
tech,  früher  vetteche,  vettache  (noch  jetzt 
alem.  Fettich)  m.  f.,  ahd.  fettah,  bei  Isidor 
fethdhah  m.,  eine  kollektive  Bildung  von 
einem  Worte,  das  sich  von  Feder  (s.  d.) 
durch  die  Stammbildung  unterscheidet;  zu 
letzterm  gehört  unmittelbar  mhd.  vedrach, 
ahd.  fedarah,   asächs.  f etiler ac  m.   «Flügel». 

Fitze,  f.  (PI.  -n):  Binde  zum  Zusammen- 
binden einer  Anzahl  Garnfäden  beim  Auf- 
haspeln; ein  solches  Gebinde  Garn.  Mhd. 
vitze  f.  imd  viz  m.,  ahd.  fizza,  eig.  «die 
Fadenenden  des  alten  Aufzuges  zum  An- 
knüpfen des  neuen»  (lat.  licium),  «Anzahl 
Fäden,  die  beim  Haspeln  durch  einen  quer 
darum  gebundenen  Zwischenfaden  von  den 
übrigen  geschieden  sind»;  dazu  asächs.  fittea, 
ags.  fitt  f.  (in  übertragenem  Süm)  «Abschnitt 
eines  Gedichtes»,  engl,  fit  «Abschnitt,  Krank- 
heitsanfall», anord.  fit  f.  «die  Haut  zwischen 
den  Klauen  von  Vögeln  und  Ochsen,  der 
Rand  an  Gestricktem»,  dän.  fed  «Gebinde 
Garn».  Auch  obersächs.  Fitz  m.  «Wirrwarr 
von  Fäden»  gehört  hierher  (daher  bei  Lessing 
herausfitzen  «aus  dem  Win'wan-  lösen»). 
Die  Lautform  führt  auf  idg.  *pedjä,  das 
gleich  gr.  -nila  f.  «Fuß,  äußerstes  Ende,  am 
Kleide  Saum,  Vorstoß»  ist.  ABL.  fitzeu, 
V.:  mit  der  Fitze  oder  zu  Fitzen  binden; 
fadenweise  abteilen  oder  ablösen  (bei  Lessing) ; 
in  Falten  legen,  runzeln  (Lichtwer  Fabeln 
1,  12),  rümpfen.  Mhd.  vitzen  in  vervitzen, 
«zusammenbinden»,  spätmhd.  vitzen  «weben», 
ahd.  fizzeön  «umgeben»;  dazu  anord.  fitja 
«weben,  stricken,  rümpfen».  Dazu  Fitz- 
nase,  f.:  eine  die  Nase  rümpfende  Person 
(Weiße  Lustsp.  3,  380). 

fitzen,  V.:  hin-  und  herfahrend  reiben; 
mit  Ruten  streichen.  Frühnhd.  Wohl  auf 
ein  mhd.  fick(e)zeti,  abgeleitet  von  ficken 
(s.  d.),  zurückgehend,  vgl.  auch  fitschein. 
Oder  zum  vorausgehenden,  das  im  Alem. 
auch  die  Bed.  «Rute,  Gerte»  hat. 

^flx,  adj.  u.  adv.:  sicher,  gewandt  in  der 
Tat,  rasch  entschlossen;  rasch,  hurtig,  be- 
reit zu  etwas,  in  der  Redensart  f.  und  fertig. 
Wohl  aus  dem  'folg.  fix  entwickelt.  Henisch 
1616  verzeichnet  fix  als  «richtig,  bewehi-t», 
ebenso   Schottel  1663,   während  Stiel  er  1691 


541 


fix 


Flader 


542 


auch  die  Bed.  «gewandt,  rasch»  kennt.  Als 
Adv.  findet  sich  vix  «rasch»  bereits  im  15.  Jh. 
(Hätzlerin  2,  69,  38),  sehr  häufig  im  17.  Jh. 
(vix  tantzen  Moscherosch  Phil.  2,  633),  auch 
als  Adj.  In  Norddeutschland  ist  Fix  auch 
Name  eines  Hof-Schäferhundes. 

^flx,  adj.  u.  adv.:  fest,  bleibend,  unbe- 
weghch.  Zuerst  in  der  Sprache  der  Al- 
chimie (schon  bei  Paracelsus),  auch  1562  bei 
Mathesius  Sar.  49''  und  bei  Rot  1571  ver- 
zeichnet. Aus  dem  lat.  Adj.  fiocus  «fest, 
bleibend»,  eig.  Part.  Perf.  Pass.  von  figere 
«einheften,  befestigen».  ABL.  fixen,  v.:  an 
der  Börse  Papiere  in  die  Höhe  treiben.  Junger 
Ausdruck.  ZTJS.  Fixstern,  m.:  feststehen- 
der Stern,  Sonnenstem.    Bei  Comenius  1640. 

Fixfax,  m.  {-es,  PI.  -e)  -.  Gaukelei,  Blend- 
werk. In  der  nordd.  Umgangssprache.  Zu 
fickfacJcen  (s.  d.),  vgl.  Faxe. 

fixieren,  v.:  festsetzen,  bestimmen;  staiT 
(und  forschend)  ansehen.  Aus  mlat.  fixare 
zu  fiocus  (s.  -fix).  In  der  1.  Bed.  schon  im 
16.  Jh.  vorhanden  (Rot  1572  hat  Fixirung). 
In  der  2.  Bed.  bei  Campe  1818. 

Fjord,  m.  {-\e]s,  PI.  -e):  Meerbusen. 
Junge  Entlehnung  aus  gleichbed.  dän.-norw. 
fjörd.     Desselben  Stammes  wie  Furt. 

Flabbe,  f.,  auch  Flappe,  f.  (PI.  -n): 

herabhängende  Unterlippe,  offenstehender 
Mund.  In  der  nordd.  Umgangssprache,  schon 
mnd,  vlabhe  f.;  dazu  ndl.  fiah,  fi£b  f.,  isl. 
fivpi  «untere  PferdeUppe»;  vgl.  engl,  fiabhy 
«schlotterig,  schlaff».  Ablautfonnen  mit  i  u. 
ei  bei  Falk-Toi^»  unter  flcebe.  Bei  Schottel 
1663  als  f.abhe,  fiappe. 

flach,  adj.  u.  adv.:  nach  der  Ausdehnung 
in  Länge  und  Breite  ohne  merkliche  Er- 
habenheit wie  Vertiefung;  seicht;  (büdhch) 
nicht  geistestief.  Der  Komp.  lautet  fiacher 
(bei  Goethe  30,  51  u.  35,  7  flücher),  Sup. 
flachst.  Mhd.  vlach,  ahd.  flah;  dazu  ndl.  vlak, 
schwed.  (entlehnt)  flack  und  mit  Ablaut  ags. 
fl^c  n.,  engl  fluke  «Flunder»,  eig.  «Flach- 
fisch». Urverwandt  ist  lat. plaga  f.  «Gegend», 
gr.  TT^XaYoc  n.  «Meer»,  eig.  «die  Fläche», 
abg.  ploskü  «breit»  und  weiter  mit  Wurzel- 
variation, gr.  -irXdH  f.  «Fläche,  Ebene,  Blach- 
feld,  Platte,  Tafel»,  TiXaKoüc  m.  «fiacher 
Kuchen»,  lat.  placenta  f.  «flacher  Kuchen» 
usw.  S.  auch  blach,  das  in  der  Verbindung 
Blachfeld  aus  flach  dissimiliert  ist.  ABL. 
Fläche, f.,  mhd.vleche  f.  Damit  zusammenges. 
Flächeninhalt,  m.,  von  Zesen  in  der  Über- 
setzung von  Dögens  Baukunst  crebildet. 


Flachs,  m.  (-es,  PI.  -e) :  die  blau  blühende 
Pflanze  hnum  usitatissimum,  deren  zube- 
reiteter Bast  gesponnen  wird.  Bei  Justus 
Moser  (patr.  Phant.  2,  39.  85;  Osnabrück. 
Gesch.  1,  103)  nach  dem  Ndd.  das  Flachs. 
Mhd.  vlahs,  ahd.  flahs  m.;  dazu  ndd.-ndl. 
(mit  Schwinden  des  h)  vlas  n.,  afries.  flax 
n.,  ags.  fleax  n.,  engl.  flax.  Gewöhnlich  mit 
ableitendem  -s,  zu  gr.  irXeKeiv  «schlingen, 
flechten»,  lat.  plicäre  «zusammenwickeln, 
falten»  gestellt,  die  Grundbedeutung  wäre 
dann  «Bündel».  Doch  befriedigt  das  nicht. 
Ein  andrer  Name  für  den  Flachs  ist  mhd. 
har,  ahd.  haru,  s.  Haar.  ABL.  flächsen, 
auch  flächsern,  adj.:  von  Flachs,  spätmhd. 
vlahsin,  vlehstn,  bei  Luther  flechsen.  ZUS. 
Flachsader,  s.  Flechse. 

flacken,  v.:  faul,  ohne  aufzustehen  da- 
liegen. Bei  Wieland  aus  dem  Obd.  Zu 
Flack  m.  «träger  Mensch»,  dessen  Herkunft 
unsicher  ist. 

flackern,  v. :  flammend  sich  hin-  und  her- 
bewegen. ]Mhd.  (spät  und  zuerst  in  rhem. 
Quellen)  vlackem,  ahd.  dagegen  flagarön, 
(=  anord.  flögra),  neben  häufigerm  flogäron 
«flattern,  flackeni»,  das  ebenso  wie  ein  gleich- 
bedeutendes fl^gezen  m.  zu  got.fliugari  «fliegen» 
gehört.  Dem  mhd.  vlackern  steht  am  näch- 
sten ndl.  flakkeren  «flackern»,  ags.flacor  «flat- 
ternd», anord.  flökra  «flattern»;  weiter  dann 
(mit  Ablaut)  ndl.  flikkeren,  ags.  flicorian, 
engl,  flicker  «flattern,  schimmern,  glitzern». 
flackern  ist  wohl  aus  lat.  flagräre  «flackern» 
entlehnt,  hat  sich  aber  mit  einheimischen 
Worten  vermischt.  Ohne  das  ableitende  r 
erscheint  1482  im  Voc.  theut.  i  1*  flockeni 
«flackern»,  1599  bei  Küian  vlacken  (neben 
vlaggheren),  anord.  flakka  «iüackerny>,  schwed. 
flacka,  dän.  flakke,  auch  Schweiz. -elsäss.  flacken 
«lodern». 

Fladen,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  dünner 
flacher  Kuchen.  Mit  angetretenem  n  (älter- 
nhd,  auch  noch  Flade)  und  Übergang  zur 
starken  Flexion  aus  mhd.  vlade  m.,  ahd. 
flado  m.  und  flada  f.,  ndl.  vlade,  via  f.  Das 
Wort  stimmt  der  Lautverschiebung  gemäß 
mit  dem  Adj.  aind.  prthüs,  gi*.  -n-XaTÜc,  lit. 
platüs  «platt,  breit»  und  gr.  ttöXtoc  m.,  lat. 
puls  f.  «dicker  Brei». 

Flader,  f.  (PI.  -n):  hin-  und  herlaufende 
Holz-,  Steinader.  Spätmhd.  vlader  m.  «Maser, 
geädertes  Holz»  (vom  Ahorn,  von  der  Eibe, 
Esche),  dazu  auch  das  Adj.  vladerin,  vlederin, 
z.  B.   vlederin   holz   fbei  Luther  Hes.  27,  5 


543 


Fladuse 


Flasche 


544 


fladernholtz),  ferner  mnd.  vlader  m.  «geädertes 
Holz,  Ahorn».  Zu  mhd.  vledern  «flattern» 
(s.  Fledermaus)  und  liadern  «flattern,  flak- 
kern»; die  hin-  und  hergehende  Ader  wurde 
der  flackernden  Flamme  verghchen  (äderiges 
Holz  heißt  auch  flammig).  ABL.  fladerig, 
adj.  Bei  Maaler  1561  fladerechtig. 
Eladuse,  s.  Flöte. 

Flagge,  f.  (PI.  -n) :  große  Schiff"sfahne. 
Aus  dem  ndd.  flagge  f.,  ndl.  vlag  f.,  engl. 
flug,  dän.  fla^i  (entlehnt)  n.,  schwed.  flagg  m, 
und  flagga  f.  Im  Hoehd.  zuerst  von  Come- 
nius  1640  als  Flagge  aufgefülu't,  sonst  im 
17.  Jh.  meist  Flache  (aber  Schottel  1663 
Flagge).  Wohl  abgeleitet  von  einem  Stamm, 
der  in  engl,  fl^g  v.  «schlaff  hangen»  vorliegt. 
ABL.  flaggen,  v.,  das  ndd.  flaggen,  dän. 
flage,  schwed.  flagga,  erst  bei  Campe. 

Flakön,  m.  (-s,  PI.  -s):  Riechfläschchen. 
Das  franz.  flacon  aus  flascon,  mlat.  flasco 
m.  (Gen.  flusconis),  s.  Flasche.  Im  18.  Jh. 
entlehnt. 

Flamberg,  m.  {-s,  PL  -e) :  breites  Schlacht- 
schwert (Th.  Körner  Leyer  u.  Schw.  7811.). 
Frähnhd.  (Aimon  B  4^),  urspr.  Flamher ge  f. 
(Gargantua  179),  aus  franz.  flamherge  f.  Dies 
ist  unter  volkstümlicher  Anlehnung  an  flambe 
«Flamme»  entstanden  aus  Flöberge,  dem 
Eigennamen  eines  Schwertes.  Weitere  Ab- 
leitung unklar. 

Flame,  f.  (PI.  -w),  s.  Flome. 

flämisch,  adj.  u.  adv.:  verdrießlich,  mür- 
risch, ürspr.  s.  V.  a.  flandrisch,  die  jetzige 
Bed.  läßt  sich  seit  dem  17.  Jh.  nachweisen. 
Der  französische  Einfluß,  der  sich  seit  dem 
12.  Jh.  in  Sitte,  Tracht  und  Sprache  Deutsch- 
lands geltend  machte,  wurde  hauptsächlich 
durch  das  halb  romanische,  halb  germanische 
Flandern  vermittelt,  weshalb  dann  ein  fein- 
gebildeter Mensch  auch  als  Vloeminc  be- 
zeichnet wurde.  Die  Nachahmung  der  vlä- 
mischen  Sitte  und  Sprache  (vlcemen,  eig. 
«vlämisch  sprechen»)  drang  selbst  in  die  nie- 
deren Stände,  bei  denen  sich  die  Zierlich- 
keit übel  ausnahm  und  ins  Lächerliche  fiel, 
daher  dann  das  Adj.  vloemisch  «fein  gebildet» 
in  die  Bed.  «auf  rohe  Art  prunkend,  an- 
maßend», überspielt,  woi'aus  wohl  die  weitere 
Bed.  «nach  Herrenart  verdrießlich,  mürrisch» 
hervoi'gegangen  ist. 

Flamme,  f.  (PI.  -n):  zur  Höhe  schlagen- 
des Feuer.  Mhd.  vlamme  f.,  auch  m,,  wie 
andd.  flamma,  ndl.  vlam  f.  entlehnt  aus  dem 
gleichbed.   lat.   flamma   f.      Dadurch    wurde 


der  eig.  deutsche  Ausdnick  ahd.-mhd.  louc 
m.  (s.  leuchten)  verdrängt.  ABL.  flammen, 
V.,  mhd.  vlammen,  auch  ndl.  vlammen.  Da- 
von mit  frequentativer  Endung  (vgl.  flimmefrn) 
flammeru  (Bürger  Des  Pfarrers  Tochter 
von  Taubenhain  Str.  2),  auch  mit  Umlaut 
flämmern  (Goethe  Faust  3651),  schon  im 
Mrhein.  des  14.  .Jh.  flAinimeren.  flammig, 
adj.,  mhd.  vlammic. 

Flammeri,  m.  (-s,  PI.  -s):  kalter  Pud- 
ding. Neue  Entlehnung  aus  engl,  flummery 
«  Hafermehlbrei ». 

Flanell,  m.  (-s,  PI.  -e):  ein  leichtes 
Wollenzeug.  Zimächst  aus  engl,  flannel,  das 
auf  dem  gleichbed.  franz.  flanelle  f.,  ital. 
fianella  f.  beruht,  einer  dimin.  Ableitung 
von  airanz.flaine  «Wollzeug».  1715  bei  Ama- 
ranthes  547  Flannell. 

Flanke,  f.  (PI.  -n):  Seite,  Seitenlinie  wo- 
von; Weiche,  Bauchseite  bei  Tieren.  Mit 
Geschlechtswechsel  aus  franz.  flanc,  ital. 
fianco  m.,  das  vielleicht  auf  ahd.  hlanca 
[f  für  h  eingetreten),  mhd.  lanke  f.,  (noch 
1678  bei  Krämer  Lanckenf.  «Weiche,  Lende») 
zurückgeht.  Zuerst  als  Seitenwerk  einer 
Festung  (bei  J.  v.  Wallhausen)  belegt,  von 
Krämer  1678  als  Manche  angeführt;  Speran- 
der  1728  hat  Flanquen  auch  als  «Seitenflügel 
eines  Regiments»  und  später  erscheint  es  in 
der  allgemeinen  Bed.  des  franz.  flanc.  ABL. 
flankieren,  v.:  mit  Seitenwerken  versehen; 
einem  Heere  die  Seite  abgewinnen;  sich 
umherbewegen,  eig.  an  der  Seite  wovon. 
Aus  franz.  flanquer.  Schon  1599  ndl.  bei 
Kilian,  dann  1617  bei  Wallhausen  Corp.  mil. 
221  flanquiren,  bei  beiden  als  militärischer 
Ausdruck  verzeichnet. 

Flaps,  m.  (-es,  PI.  -e):  einfältiger  Mensch 
(Kleist  zerbroch.  Krug  444).  Aus  dem  Ndd. ; 
Kindleben  1781  verzeichnet  Flabbs  «grober 
Mensch»,  Danneil  Flahhs  «Lafie».  Wahr- 
scheinlich mit  ableitendem  -s  (vgl.  Taps, 
Schnaps,  Klecks)  zu  Flabhe,  Flappe  «Maul» 
(s.  d.)  gebildet. 

Flasche,  f.  (PI.  -n)-.  bauchiges  Gefäß  mit 
engem  Halse  für  Flüssigkeit.  Mhd.  vlasche, 
alem.  u.  rheinfränk.  vlesche,  ahd.  flasca  f.; 
dazu  ndl.  vlesch,  ags.  flasce,  engl,  flask,  anord.- 
schwed.  flaska,  dän.  flaske  f.  Aus  mlat. 
flasca,  ital.  flasca,  afranz.  flasche,  dem  Fem. 
zu  mlat.  flasco,  ital.  flasco.  Vgl.  Roethe 
AfdA.23,  157.  .ABL.  Flaschner,  m. :  Hand- 
werker, der  blecherne  Flaschen  macht;  (in 
Süddeutschland)  Klempner.    Spätmhd.    ZUS. 


545 


Flaser 


Flanse 


546 


Flaschenfatter,  n.:  tragbares  Flaschenbe- 
hältnis  zu  Keisen.  Ln  17.  Jh.  (Fleming  582). 
Flaschenzug,  m.:  Hebewerkzeug  aus  zwei 
Flaschen   oder   Kolben.     Bei  Dentzler  1709. 

Flaser,  f.  (Goethe  XW.  Schi-,  9,  60):  wie 
Flader  (s.  d.).  Um  1480  flasir  am  schuch 
^ Schuhriemen»  Voc.  incip.  teut.  g  2^.  Das 
lautliche  Verhältnis  zu  Flader  ist  dunkel. 
ABL.  flasern,  v.:  in  geflasertes  Holz,  bei 
Lohenstein  Armin.  2,  317. 

Flatschen,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  breites 
Stück  wovon,  Haufen,  Fetzen.  Bei  Lessing 
12,  518.  522.  523.  In  ndd.  und  md.  Mund- 
arten, auch  als  Flatsche,  f.  Mild,  vlatsche, 
vletsche  f.  «Schwert  mit  breiter  Klüige»,  wohl 
zu  ahd.  flaz  «flach».    Vgl.  auch  fletschen. 

Flatterie,  f.  (PI.  -n):  Schmeichelei.  Bei 
Schiller  Kab.  u.  L.  1,  5.  Das  gleichbed.  franz. 
flatterie  f.,  von  fiaiter  (s.  flattieren). 

flattern,  v.:  mit  schnellem  Aufundnieder- 
schlagen  sich  durch  die  Luft  oder  in  ihi- 
bewegen;  sich  unbeständig  schnell  hin-  und 
herbewegen.  Älternhd.  fladern,  bei  Luther 
(Jer.  51,  27,  Weish.  2,  3)  fladdern,  1482  im 
Voc.  theut.  il^  flader n  «hell  auflodera»  (so 
noch  Schweiz.),  spätmhd.  (Fastnachtssp.  1277) 
flatern;  daneben  erscheint  mhd.  in  gleicher 
Bed.  vledern  (s.  Fledermaus)  und  vlodern 
(s.  fl/ydern),  im  16.  Jh.  auch  flitteren,  vgl. 
engl,  flitter  «flattern»,  flutter  «flattern,  flackerm) 
(aber  ags.  flx)trian  ist  zu  fleotan  «fließen»  zu 
stellen).  Der  Stamm  gehört  mit  Falter  (s.  d.) 
zusammen,  s.  auch  Flader.  Stieler  1691  und 
Steinbach  1734  führen  noch  fladern,  Schottel 
1663  und  Ludwig  1716  fladdern  an,  daneben 
findet  sich  bei  Maaler  1561  floderen,  flotteren, 
flutteren,  auch  bei  Schottel  1663  flotteren, 
flutter en  und  noch  bei  Ludwig  1716  flottern, 
flattern.  ABL.  Flatterer,  m.  {-s,  PI.  wie 
Sg.),  im  16.  Jb.  flatterhaft,  adj.,  im 
17.  Jh.  flatterig,  adj.,  im  16.  Jh.  fladericht. 
ZUS.  Flattergeist,  m.,  bei  Luther  Flad- 
d  ergeist. 

flattieren,  v. :  schön  tun,  schmeicheln. 
Aus  dem  gleichbed.  franz.  flatter,  das  auf 
ein  mlat.  *fl^titare,  eig.  «anblasen»  zurück- 
geführt wird,  abgeleitet  von  lat.  flatus  m. 
«Hauch»,  Schon  1556  bei  Frisius  44».  127^ 
ABL.  Flattierer,  m.:  Schmeichler.  1556 
bei  Frisius  a.  a.  0. 

flau,  adj.  u.  adv.:  matt,  schlatf,  schwach 
(auch  von  Waren  hinsichtlich  ihres  Absatzes). 
Aus  dem  gleichbed.  ndd.  flau  (1767  im  Bre- 
mischen Wörterb.  als  «lau,  schal,  kraftlos», 
Weigaud,  Deutsches  Wörterbuch,    5.  Aufl. 


auch  als  Kaufmannsausdruck  angefühi-t),  ndl. 
flauw  (1599  bei  Kilian)  «ohnmächtig,  schwach, 
blaß,  bleich,  gleichgültig»,  das  auf  afranz. 
(picardisch  und  hennegauisch)  flau,  floi,  nfranz, 
flau  zurückgeht;  dies  leitet  man  von  dem 
deutschen  lau  (s.  d.),  ahd.  läo,  fiüher  hläo 
(mit  Übergang  des  h  in  f,  s.  Flanke)  ab. 
Im  Hd.  zuerst  im  18.  Jh.  bei  Winckelmann 
(t  1768)  5,  193  in  der  Bed,  «matt»  von  einer 
Farbe,    1775   von   Adelung  ins  Wörterbuch 

laufgenommen;  Heynatz  1796  führt  es  aber 
noch  als  ndsächs.  Ausdruck  an.  ABL.  flauen, 

|V.:  flau  sein,  werden,  Flauheit,  f.,  ndl, 
1599  bei  Kilian  flauwheyd. 

Flaum,  m.  (-5):  die  weichen  Bauchfedern, 
der  erste  zarte  Federwuchs  der  Vögel ;  erster 
Bartwuchs;  weiche  Wolle  an  Obst.  Auch 
Flaume,  (PI.  -n)-.  weiche  Bauchfeder  der 
Vögel.  ^Ihd.  pflüme,  in  md.  Quellen  plünie 
f.  «Flaumfeder»,  wie  ndl.  pluim,  ags.  plimi 
in  plümfedere  f.  entlehnt  aus  dem  gleichbed. 
lat.  plmna  f.  Im  16.  Jh.  findet  sich  neben 
Flaum,  Pflaum  auch  (diux-h  den  Einfluß  von 
Feder''!)  Flaum  (neben  andern  Formen  bei 
Dasypodius,  Maaler);  doch  erhält  sich  Pflaum 

I  bis  ins  18.  -Ih,  (Frisch  1741  verzeichnet  es 
noch)  und  wird  z,  B,  von  Weiße,  Wieland 
Ob.  10,  22,  Hölty  17,  82,  J.  M.  Miller,  Göckingk 
(2,  51),  H.  L.  Wagner,  Schiller  (Raub.  1,  2) 
und  Goethe  6,  43,   (vgl.  die  Anmerkung)  ge- 

\  braucht,  auch  jetzt  noch  obd,  ABL.  flaumig, 
adj,,  im  18.  Jh.,  bei  Keisersberg  Büg.  10^ 
pflumig,  noch  bei  Schiller  13,  56  pflaumicht. 
ZUS.  Flaumfeder,  f.,  mhd.  pflümveder  f., 
ags.  plUmfectere,  noch  bei  Kant  8,  191  und 
Herder  zur  Rel.  5,  385  Pflaumfeder,  flaum- 
weich, adj.:  weich  wie  Flaum. 

Flaus,  Flausch,  m.  {-es,  PI.  -e):  Büschel 
Wolle;  dickwolliger  Rock.     Aus  mnd.  vl^s, 

I  vlüscli  «Schaffell,  zottiges  Fell»,  1475  clevisch 
fluesch  (Teuthonista).  Zu  Vlies  (s.  d.).  Frisch 
1741  und  Adelung  kennen  Flausch  nur  m 
der  1.  Bed.,  Kindleben  1781  führt  aus  der 
Studentensprache  Flausch  als  «eine  Art  be- 

I  quemer  Überrock»  (auch  bei  Heine  1,  26)  an, 

I  daneben  ist  auch  die  Form  Flaus  gebräuch- 

1  lieh.    ZUS.  FlausrOCk,  m.,  bei  Voß  2,  188. 

I  Flause,  f.  (meist  im  PI.  -n):  unrichtiges, 
irreführendes  Vorgeben,  Vorspiegelung,  ins- 
besondere schwankartige.  Die  ältre  Form 
ist  das  im  17.  Jh.  mehrfach  belegte,  auch 
jetzt  noch  mundartliche  Fausen  «Torheiten, 
Albernheiten,  Schnurren»  (bei  Krämer  1678 
und  Rädlein  1711  seine  Fausen  haben  «mond- 


547 


Flaute 


Fledermaus 


548 


süchtig  sein»);  dies  berührt  sich  wieder  mit 
dem  nordd.  Fusen,  Kunkelfusen  «Ausflüchte, 
Spiegelfechtereien,  Schikanen»,  bei  Stieler  443. 
Die  Grundbedeutung  von  Pause  (Flause) 
dürfte  «Büschel  Haare  oder  Wolle,  Flocke, 
Zotte»  gewesen  sein  (vgl.  Zote  und  Schweiz,  j 
fausel  m.  «Büschel  von  Haaren  oder  Fasen»), 
daraus  hat  sich  die  Bed.  «Nan-heit,  Albern- 1 
heit,  Vorspiegelung»  entwickelt.  Flause  neben 
Fluse  1781  bei  Dähnert  und  bei  Adelung.  Im 
Schweiz.-Elsäss.  ist  Maus  auch  «Ohrfeige». 

Flaute,  jS'ebenform  von  Flöte  (s.  d.).  . 

Fläz  (mit  a),  m.  (-es,  PL  -e) :  dummgrober 
Mensch.  In  der  Umgangssprache.  Zuerst  1611 
bei  Helvig  124:  Flöetz  als  pommersches  Dialekt- 
wort aufgeführt,  dann  bei  Schottel  1663  Flotz, 
bei  Stieler  1691  Flätz,  Flötz  «unverschämter 
Mensch».     Vielleicht  zu  mhd.  vletzen  «breit 
da  liegen  oder  lagern»,  abgeleitet  von  vletze 
n.  «Fußboden»  (s.  Fletz  und  Flöz),  also  eig.  \ 
«der  sich  in  flegelhafter  Weise  breit  macht»,  j 
bei  Mathesius  Luther  (1576)  136^  sich  fletz- 1 
sehen,  noch  obersächs.-ndd.  sich  hinfläzen  «sich  \ 
breit  hinsetzen  oder  legen». 

Flechse,  f.  (PI.  -n)-.  spannende  Muskel- 
und  Gelenkfaser  im  Fleische.  Erst  im  17.  Jh. 
(bei  Henisch  1616  Flechs),  fmher  dafür  Flachs- 
ader. Also  von  Flachs  wegen  der  Feinheit 
des  Fadens  und  des  Bindenden. 

Flechte,  f.  (PI.  -n):  biegbares  ineinan- 
der Geschlungenes;  geflechtartig  sich  aus- 
dehnendes Laubmoos;  geflechtartig  um  sich 
greifender  Hautausschlag.  Mhd.  vlehte  f.  in 
der  1.  Bed.;  dazu  got.  (mit  Ablaut)  fl^hta  f. 
«geflochtenes  Haar,  Zopf».  Von  flechten, 
V.  (Prät.  flocht,  Part,  geflochten):  ineinander 
schlingend  verbinden  oder  hervorbringen.  Mhd. 
vlehten,  ahd.  and.  flehtan;  dazu  andl.  vlehten, 
anord.  fletta.  Übereinstimmend  mit  dem 
gleichbed.  lat.  plectere,  abg.  plesti  und  ohne 
das  ableitende  t  lat. plicäre  «zusammenbiegen, 
falten»,  gr.  hX^kciv  «schlingen,  flechten»,  aind. 
pragnas  m.  «Geflecht,  Korb»,  vgl.  auch  Flachs. 
Das  Prät.  lautet  mhd.  vlaht,  PI.  vlähten,  md. 
aber  vluhten,  mnd.  vlehten,  darauf  geht  der 
nhd.  Sg,  fl/>cht  zurück,  dessen  sich  schon 
Luther  bedient  (flachte),  während  im  Obd. 
anfangs  flacht  bleibt.  Vereinzelt  Übergang 
zur  schwachen  Flexion. 

^ Fleck,  m.  (-es,  PI.  -e):  Stück  eines 
Ganzen;  Stück  Zeug,  Lappen;  Raumpunkt 
(selten  als  n.  z.  B.  Schiller  Turandot  2,  4, 
Goethe  18,  29).  Mhd.  vlec,  auch  vlecke  m. 
«Zeugstück,   Lappen,   Fetzen,   Stück   Land, 


Platz,  Raumpunkt»,  spätmhd.  auch  «Stück 
vom  Magen  oder  Eingeweide»  (s.  Kuttelfleck), 
ahd.  flec  (Gen.  flecches)  m.  «Stück  Zeug, 
Lappen».  Das  Wort  gilt  als  identisch  mit 
dem  folgenden,  doch  sind  vielleicht  ver- 
schiedene Worte  zusammengeflossen.  Dazu 
mit  Ablaut  anord.  flik  f.  «Lappen».  ABL. 
flecken,  v.:  durch  einen  aufgesetzten  Fleck 
(Lappen)  ausbessern;  vom  Flecke  kommen, 
von  statten  gehen.  Mhd.  vlecken  «vom  Flecke 
schafi"en,  fördern».     S.  auch  flicken. 

-Fleck,  m.  (-es,  PI.  -e),  meist  Flecken, 

m.  (-S,  PI.  wie  Sg,):  andersfarbige  Stelle; 
andersfarbige  Stelle  als  Fehler.  Mhd.  vlec 
und  mit  schwacher  Flexion  vlecke,  ahd. 
fleccho,  flecko  m.;  dazu  ndl.  vlek  f.,  engl. 
fleck,  anord.  flekkr,  schwed.  fläck  m.  S.  das 
vorige  Wort.  Luther  hat  Fleck  und  Flecke, 
woraus  später  mit  angetretenem  n  und  Über- 
gang zur  starken  Flexion  Flecken  (Flecke 
noch  Herder  Cid  Nr.  11);  daneben  erhält  sich 
die  küi'zere  Form  Fleck,  namentlich  in  Zu- 
sammensetzungen wie  Schand-,  Schmutzfleck. 
ABL.  flecken,  v.:  Flecken  geben,  durch 
andersfarbige  Stellen  zeichnen.  fleckig, 
fleckicht,  adj.:  Flecken  habend.  Mhd.  vleckic 
und  vleckeht  (bei  Boner  Edelstein  96,  34 
Hds.  B  flekig)  «andersfarbige  Stellen  habend, 
beschmutzt»  (bei  Luther  mit  geschwundenem 
ch  flecket). 

Flecken,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Dorf  städ- 
tischen Ansehens.  Mhd.  vlecke  m.,  eins  mit 
dem  vorigen  Flecken,  mit  angetretenem  n. 
Die  jetzige  Bed.  kommt  im  15.  Jh.  und 
bei  Luther  vor  (marktfleck  schon  am  An- 
fang des  14.  Jh.  bei  Ködiz  87,  24);  sie  ist 
ebenso  wie  bei  Ort  (s.  d.)  entstanden.  Auch 
ndl.  vlek  n. 

Fledermaus,  f.  (PL  -mause):  fliegende 
Maus.  Bei  Luther  F.  und  Fleädermaus, 
mhd.  vledet'müs,  ahd.  fledarmüs  f.,  daneben 
fledaremustro;  dazu  ndl.  vledermuis  f.",  engl. 
flittermouse,  im  Ags.  dagegen  hreade- '  oder 
hreremüs  f.  Zu  ahd.  fledirön,  mhd.  vlederen-, 
bayr.  fledern  «flattern  (s.  d.),  mit  den  Flügeln 
schlagen»  und  Maus  trotz  Koegelldg.  Forsch. 
4,  319,  Auch  auf  den  Schmetterhng  über- 
tragen, mhd.  vledermüs  «NachtschmetterHng, 
Motte»,  1469  im  Voc.  ex  quo  fleddermusche, 
aber  von  der  Maus  fleddermuße,  bei  Alberus 
dict.  X  X  3^  fledermausz,  odder  zweyf alter, 
fleugt  inns  Hecht,  noch  in  der  hess.  Provinz 
Starkenburg,  wo  dann  für  die  eigenthche 
Fledermaus   die  Benennung  Speckmaus   gilt 


549 


Flederwisch 


Fleiß 


550 


(s.  d.).  Dazu  elsäss.  Fledermäusel,  tirol.  flättr- 
maus  «Schmetterling». 

Flederwisch,  m.  {-es,  PI.  -e):  Gänse- 
flügel zum  Abwischen.  Mhd.  vederwisch  m., 
bei  Keisersberg  federwüsch,  bei  Luther  fedder- 
ivüsch;  dazu  ndl.  vederwisch  f.  Das  l  ist 
eingeschoben  (wie  in  Mause,  Geflügel)  mit 
Anlehnung  au  fledern,  gleichsam  «Wisch  zum 
Abfächeln»,  zuerst  im  15.  Jh.  (Fastnachtssp. 
73,  9).  Bei  Goethe  Faust  3706  verächtlich 
für  Degen. 

Flegel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.) :  Stab  mitKlöpfel 
zum  Ausschlagen;  (bildlichj  derber,  grober 
Mensch  (vgl.  Bengel).  In  der  eig.  Bed.  mhd. 
vlegel  (Nebenform phlegel  noch  1615  beiMesser- 
schmid  lust.  Narrheit  175,  ndd.plegel),  ahd.flegil 
m. ;  dazu  ndl.  vlegel,  ags.  fligel  m.,  engl,  flau, 
wahrscheinlich  entlehnt  aus  lat.  flagellum  n. 
«Peitsche»,  um  400  n.  Chr.  auch  «Dresch- 
stab», wotier  auch  franz.  ^eaM,  afranz.  ^aeZ  m. 
«Dreschflegel».  Das  ältre  deutsche  "Wort 
dafür  ist  Zh'ischel  (s.  d.).  Die  Bed.  «Grobian» 
(1551  bei  Scheidt  Grob.  3129)  urspr.  wohl 
vom  Bauern,  der  den  Dreschflegel  handhabt, 
bei  H.  Sachs  14,  61,  ist  Flegel  Bauera- 
name.  ABL.  Flegelei,  f ,  1678  bei  Krämer. 
flegelhaft,  adj.,  1691  bei  Stieler.  ZUS. 
Flegeljahr,  n.,  gewöhnlich  im  PI.:  die 
Jahre  jugendlicher  Ungesittetheit,  1804  durch 
J.  Pauls  gleichnamiges  Werk  eingebürgert, 
ZfdW.9,  280  aus  dem  J.1788  belegt.  ■  flegeln, 
V.:  dreschen,  mhd.  vlegelen,  im  16.  Jh.  in 
Übertrag.  Bed.  «schlagen»,  1716  bei  Ludwig 
«jem.  Flegel  heißen»;  intr.  «Flegeleien  be- 
gehen», bei  Voß  4,  44:  refl.  «sich  bäurisch 
benehmen». 

flehen,  v.:  angelegentlich,  inbrünstig,  de- 
mütig bitten.  Mhd.  vlehen,  vlegen,  ahd.  flehön, 
flehan  «schmeicheln,  freundlich  zureden», 
dazu  and.  flehon  «liebkosen,  schmeicheln», 
got.  gaplaihan  <' freundlich  zureden,  liebkosen, 
trösten»,  gaßlaihts  f.  «freundliches  Zureden, 
Trost»,  anord.  flär,  ags.  fläh  «falsch,  hinter- 
listig». Unbekannter  Herkunft,  kaum  mit 
Osthoff  Btr.  13,  399  zu  gr.  XaiKdc  «Hure», 
lät.  lena  f.  «Kupplerin»,  vgl.  Walde  s.  v.  Die 
Person,  zu  der  man  fleht,  steht  mhd.  im 
bloßen  Dat.  oder  Akk.,  dies  hat  sich  bei 
Dichtem  bis  in  neuere  Zeit  erhalten,  der 
Dativ  z.  B.  bei  Klopstock  Mess.  4,  182,  Wie- 
land 28,  7,  der  Akk.  bei  Schiller  Karlos  1,  2. 
ABL.  flehentlich,  adj.,  mhd.  vlehelich,  auch 
flehentlich,  bei  Luther  flehlich,  1616  beiHenisct 
fleh-,  fl.ehenlich,  1691   bei  Stieler  flehendlich. 


j  Aus  dem  Part.  Präs.  gebildet  (wie  hoffentlich, 

,  wissentlich). 

\  flei(h)en,  v. :  in  Ordnung  bringen,  putzen, 
dialektisch  im  Nordd.,  besonders  in  der  Zu- 
sammensetzung sich  auffleie7i.  Aus  nd.  flien, 
as.  {gi)flllian  «den  Sinn  auf  etwas  richten», 
ndl.  vlijen,  fries.  flie  «ordnen». 

Fleisch,  n.  (-es):  die  weiche  Masse  des 
tierischen  Körpers,  dann  die  saftige  Masse 
der  Pflanzen.  Mhd.  vleisch,  ahd.  fleisk  n., 
dazu  asächs.  flesc,  ndl.  vleesch,  afries.  fläsc, 
ags.  flcesc  n.,  engl,  flesh.  Die  urspr.  Bedeutung 
scheint  «fettes  Fleisch»  zu  sein,  da  anord. 
flesk  n.  «Schinken,  Speck»,  schwed.  fläsk,  dän. 
fleskn.  «Speck»  bezeichnet.  Weiter  sind  wohl 
verwandt  anord.  flikki  n.,  ags.  flicce  n.,  engl. 

,flitch  «Speckseite».      Denselben  Stamm  ent- 

I  halten  möglicherweise  lit.  pältis  «Speckseite», 
abg.  plütü  m.  «Fleisch».  ABL.  fleischen, 
V.:  Fleisch  ablösen;  Fleisch  abschaben;  mit 
Fleisch  versehen;  fleischliche  Gestalt  an- 
nehmen; mhd.  vleischen,  ahd.  fleiscön  in  zu- 

I  ^mcöw  «zei-fleischen».     Fleischer,  m.:  der 

'  handwerksmäßig  Vieh  schlachtet  und  das 
Fleisch  zum  Verkauf  aushaut.  In  Norddeutsch- 
land (süddeutsch  Metzger).  1470  fleischet'  in 
Diefenbachs  mlat.-hd.-böhm.  Wbch,  61,  da- 
sregfen  bezeichnet  mhd.  im  14.  Jh.  vleischer 
«den  Henker»,  während  man  den  Schlächter 
vleischhouwer,  fleischouwe^-  oder  vleischhacker, 
auch  fleischel  m.  nannte.  Dazu  Flcischcr- 
gang,  m.:  vergebliche]-  Gang  (weil  der 
Fleischer  nach  Kälbern  oft  vergebens  über 
Land  geht),  171 1  beiPädlein.  fleischern,  adj.: 
aus  Fleisch  bestehend,  bei  Luther  (Hesek. 
11,  19.  36,  26),  mhd.  dagegen  vleischin,  ahd. 
fleisMn.     fleischig,   adj.,   auch   fleischicht, 

^  spätmhd.  vleischic  «fett»,  fleischlich,  adj. : 
körperlich;  sinnlich;  mhd.  vleischlich,  ahd. 
fleisclich,  dazu  and.  fleskUk,  afries.  fldsklic, 
ags.  flcesclü.  .Z'ZJS. Fleischbank, f:  Schlacht- 
bank, Schlachthaus,  mhd.  vleischhanc.  Fleisch- 
brühe, f ,  1482  im  Voc.  theut.  h  7*^  flaischpru, 
bei  Steinhöwel  221  flaischhrü.  Fleischfarbe, 
f.,  1616  bei  Henisch.  fleischfjirben,  adj., 
1711  bei  Kädlein  fleisch farh.  Fleischtopf, 
m.,  bei  Luther  (2.  Mos.  16,  3). 

'       Fleiß,  m.  (-es) :  worauf  verwandte  eifrige 

:  sorgfältige  Tätigkeit.  Mhd.  vli§,  ahd.  vlig  m. 
«Eifer,  Sorgfalt»;  dazu  asächs.  y^f^m.  «Kampf, 
Kampfeifer»,  ndl.  vlijt  f  «Fleiß»,  ags.  flit  n. 
«Ärgernis,  Streit».    Vielleicht  mit  lat.  lis,  litis 

'f.,  alat.  s^fe  «Streit,  Zank»  zu  verbinden  mit 
s-losem  Anlaut  und  anderm  Auslaut  (aus  -tnT). 

35* 


551 


flektieren 


fliehen 


552 


Dazu  fleißeu,  V.  (Rom.  15,  20),  jetzt  befleißen 
(s.  d.),  rnhd.  vligen,  ahd.  fli^an  «Sorgfalt 
woran  wenden»,  and.  and flitan« sich  bemühen, 
streben»,  ags.  ^?faw  «kämpfen,  streiten»,  engl. 
fiite  «zanken,  streiten».  ABL.  fleißig,  adj., 
mhd.  vltgec,  ahd.  flipc,  mndl.  vlitech.  Davon 
älternhd.  fleißigen,  V.  refl.,  bei  Luther,  mhd. 
vlizigen,  heute  sich  befleißigen. 

flektieren,  v.-.  biegen,  insbes.  ein  Wort. 
Erst  spät  im  18.  JTh.  Aus  gleichbed.  lat. 
fledere. 

flennen,  v.:  mit  verzogenem  Munde  weinen 
(Schiller  Raub.  1,  2).  Eig.  den  Mund  ver- 
ziehen, zum  Hohnlachen  (Lohenstein  Ibra- 
him 2)  oder  zum  Weinen,  ahd.  flammen  «den 
Mund  verziehen»,  neben  mhd.  vlans  m.  «Maul». 
Unbekannter  Herkunft.  1540  bei  Alberus 
dict.  Ji  3'^  ich  flenn  «strecke  die  Zunge  heraus», 
1559  bei  S.  Franck  verbütschiert  Buch  145*^ 
flannen  «weinen»,  in  gleicher  Bed.  1691  bei 
Stieler  flennen  neben  dem  Subst.  Flanner  m. 
S.  Flunsch. 

Flet,  n.  {-es,  PI.  -e),  auch  Flete  f.  (PL  -n) : 
schiffbarer  Kanal  der  Stadt.  Aus  mnd.  vlet  n. 
«Fluß,  Rinnsal»,  von  mnd.  vielen  «fließen». 
Bei  Adelung  flethe  f.     S.  Fließ. 

fletschen,  v.:  ins  Breite  dehnen;  flach,  breit 
schlagen;  die  Zähne  zeigen.  Mhd.  vletschen 
«die  Zähne  zeigen»,  vletzen  «ausbreiten»,  zu 
ahd.  flaz  «flach,  platt».  S.  Flöz,  Fläz.  ZUS. 
FletSChzahn,  m. :  hervorstehender,  von  der 
Lippe  nicht  bedeckter  Zahn. 

Fletz,  n.,  selten  m.  (-es,  PI.  -e):  Fuß- 
boden, Hausflur.  Altemhd.  und  noch  in 
Bayern.     S.  Flöz. 

Flexion,  f.  (PI.  -en):  Biegung,  insbes. 
Veränderung  eines  Wortes  zur  Bezeichnung 
grammatischer  Verhältnisse.  Erst  spät  im 
18.  Jh.,  aus  lat.  flexio  f.  «Biegung»  (nur  in 
1.  Bed.),  von  lat.  flectere  «biegen».  S.  flektieren. 

Flihüstier,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  See- 
räuber. In  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jh. 
auf  den  Antillen  so  benannt  nach  den  leichten 
Schiffen,  den  Flibusten,  deren  sich  diese  Frei- 
beuter bedienten.  Flihuste,  f.,  aus  engl. 
fiy-boat  «fliegendes  Eilboot»,  franz.  flibot  m., 
hoU.  vlieboot. 

Flicken,  m.  (-«,  Pl.  wie  Sg.),  daneben 
Flicke,  m.  {-n,  PI.  -n):  Stück  Zeug  zum 
Ausbessern.  Aus  nd.flikke.  1775  bei  Adelung. 
Von  flicken,  v. :  eine  schadhafte  Stelle  aus- 
bessern, mhd.  vlicken  «einen  Fleck  (Lappen) 
aufsetzen»,  s.  -^ Fleck.  Dazu  Flicker,  m., 
bei  Luther  Tischr.  200^;  Flickerei,  f.,  1664 


bei  Duez.  Flickwerk,  n.,  im  15.  Jh.  in 
den  Fastnachtsp.  793,  10.  Flickwort,  n., 
1641  bei  Schottel  360. 

Flieder,  m.  (-s) :  der  Holunder,  sambueus 
nigra.  Aus  dem  Ndd.  1616  bei  Henisch 
Fiederbaum  und  Fliederbeer,  1574  bei  Fischart 
Onomast.  192  Flidder,  Flier,  Vlierbaum,  mnd. 
vleder,  1420  bei  Diefenbach  Gl.  509 '^  vlieder, 
1599  ebenfalls  als  nd.  bei  Kilian  626^  vledder, 
ndl.  vlier.  Dunklen  Urspinmgs.  A.ucb  auf 
die  Syringe  übertragen,  1741  bei  Frisch 
spanischer  Flieder. 

Fliege,  f.  (PI.  -w):  das  geflügelte  Insekt 
lat.  musca.  Mhd.  vliege,  ahd.  flioga,  fliega, 
and.  fliega,  ndl.  vlieg,  ags.  fleoge  f.,  engl,  fly, 
aber  auch  ahd.  als  Nebenform  fliuga,  mhd. 
fliuga,  fleuge,  älternhd.  fleug,  1537  bei  Dasy- 
podius  T  1^  flieg,  mit  kurzem  Vokal  anord. 
fluga,  schwed.  fluga  f.,  dän.  flue.  Von  fliegen, 
V.  (Prät.  flog,  Part,  geflogen) :  sich  schwingend 
und  schwebend  durch  die  Luft  bewegen  und 
von  derselben  getragen  werden.  Mhd.  vliegen, 
ahd.  fliugan,  fliogan;  dazu  ndl.  vliegen,  afries. 
flioga,  ags.  fleogan,  engl,  fly,  anord.  fljüga, 
schwed.  flyga,  dän.  flyve.  Obwohl  infolge 
ilirer  Begriffsverwandtschaft  bis  in  neuere 
Zeit  oft  miteinander  vermengt  (Luther  5,  294^, 
Spr.  Sal.  23,  5,  Schiller  8,  167),  sind  fliegen 
und  fliehen  etymologisch  nicht  verwandt,  wie 
der  urspr.  Anlaut  im  got.  pliuhan  «fliehen» 
und  im  got.  Faktitiv  usflaugjan  «emporfliegen 
machen»  zeigt.  Etymologisch  ist  das  Wort 
nicht  sicher  aufgeklärt.  Einige  stellen  es 
zu  lat.  plüma  f.  «Flaumfeder,  Flaum»,  lit. 
plünksna  f.  «Feder»,  vgl.  Walde  s.  v.  Andre 
denken  an  Ableitung  von  einer  Wz.  plu 
«fließen»  (s.  d.).     Das  Präs.  flektiert  in  der 

2.  und  3.  Sing,  älternhd.  bis  in  die  2.  Hälfte 
des  18.  Jh.  und  noch  dichterisch  im  19.  Jh. 
fleugst,  fleugt  (Wieland  Idr.  114,  Schiller  Teil 

3,  1),  der  Imp.  fleug  (Lessing  1,  101,  ühland 
173),  entsprechend  dem  mhd.  vliugest,  vliuget, 
vliuc;  das  Prät.  mhd.  vlouc,  PI.  vlugen,  md. 
vlöc,  vlög,  danach  die  nhd.  Formen  fl/)g,  PI. 
flogen  gebildet.  ZUS.  Fliegengott,  m.: 
Bezeichnung  des  Teufels  nach  der  Übersetzung 
von  Beelzebub  in  der  Septuaginta. 

fliehen,  v.  (Prät.  floh,  Part,  geflohen) :_ 
sich  schnell  wovor  fortbewegen,  davonmachen 
(mit  sein,  doch  trans.  mit  haben).  Mhd. 
vliehen,  ahd.  fliohan;  dazu  asächs.  fliohan, 
ndl.  vlien,  ge^fv^öhnlich  vlieden,  afries.  flia, 
ags.  fleon,  engl,  flee,  anord.  fiyja,  schwed.  fly, 
dän.  fly,  got.  mit  urspr.  p  im  Anlaut  pliuhan 


553 


Fliese 


FUnte 


554 


(s.  fliegen),  fliehen  ist  von  Osthoff  Btr.  13, 
412  zu  lit.  lekiü,  lekti  «fliegen»,  lett.  lecu,  lekt 
«springen,  hüpfen»,  lat.  locusta  «Heuschrecke» 
gestellt,  bei  denen  ein  Dental  im  Anlaut  ver- 
loren gegangen  sein  kann.  Der  abweichende 
VokaUsmus  (auch  in  got.j5Za/jsjaw«erschrecken») 
beruht  entweder  auf  germanischer  Neuerung 
oder  ist  im  Idg.  entstanden.  Die  beiden 
Worte  verhielten  sich  wie  gr.  qpeßonai  zu 
cpeuYuu.  Die  2.  und  3.  Sing,  des  Präs.  lautet 
ältemhd.  und  dichterisch  bis  in  die  Neu- 
zeit fleuchst,  fleucht  (Klopstock,  Voß),  der 
Imp.  fleuch  (Schiller  Käub.  3,  1)  entsprechend 
dem  mhd.  vliuhest,  vliuhet,  vliuch;  das  Prät. 
mhd.  vloch,  PI.  vluhen,  noch  ältemhd.  im 
16.  Jh.  floch  und  flouch,  ältermd.  vlö  und 
danach  die  nhd.  Formen  floh  (daneben  flöhe, 
bei  Luther  und  noch  bei  Schiller  Karlos  1965), 
PL  flohen. 

Fliese,  f.  (PI.  -n)-.  dünne  viereckige  Stein-, 
Tonplatte  zur  Bekleidung  von  Fußböden  und 
Wänden.  1681  bei  Scriver  Seelenschatz  1,  700, 
aus  dem  gleichbed.  nd.  flise,  ndl.  vlijs,  anord. 
flis  f.,  schwed.-dän.  flis  «Spütter,  Stück». 
Vielleicht  verwandt  mit  ir.  sliss  «Schnitzel» 
aus  *s(p)lissi. 

Fließ,  m.  n.  {-es,  PI.  -e):  kleiner  Fluß. 
Mhd,  vlie§  m.  n.,  mnd.  vlet  (s.  Fleet),  ndl. 
vliet  m.  Von  fließen,  V.  (Prät.  floß,  Konj. 
flösse,  Part,  geflossen):  1)  mit  sein:  bei  eigner 
Beweglichkeit  in  den  Teilen  zusammenhangend 
sich  fortbewegen;  von  solchem  sich  Fortbe- 
wegenden mitbewegt  werden.  2)  mit  haben: 
solches  sich  Fortbewegende  von  sich  ausgehen 
lassen  {sein  Auge  hat  von  Tränen  geflossen). 
Mhd.  vliegen,  ahd.  flio^an ;  dazu  asächs.  fliotan, 
mnd.  vielen,  ndl.  vlieten,  afries.  fliata,  ags. 
fleotan,  engl,  fleet,  anord.  fljöta,  schwed.  flyta, 
dän.  flyde.  Das  Wort  gehört  zu  Ht.  plüstu 
Prät.  pludau  «ich  gerate  ins  Schwimmen», 
lett.  plüdlt  «ergießen,  strömen»,  air.  im-luadi 
«exagitat»  und  weiter  zu  gr.  ttX^uu  «schiffe, 
fahre»,  lat.  pluit  «regnet»  usw.  Das  Präs. 
flektiert  in  der  2.  und  3.  Sing,  ältemhd.  und 
noch  altertümlich  fleußest,  fleußt  (Hagedom 
Od.  47,  Wieland,  Bürger),  der  Imp.  fleuß, 
entsprechend  dem  mhd.  vliuhest,  vliuhet,  vliuß; 
das  Prät.  mhd.  vlog,  PI.  vlu^^en,  nach  dem 
Sing,  der  nhd.  PI.  flössen. 

Fließpapier,  n.:  fließendes,  empfangene 
Tinte  sich  ausbreiten  lassendes  Papier.  1541 
bei  Frisius  s.  v.  hibulus  Flüßpapyr,  1561  bei 
Maaler  Fließpapyr. 

Fliete,   f.  (PI.  -n):    scharfes   Eisen   zum 


Aderlassen.  Spätmhd.  vliete,  flieten,  im  12.  Jh. 
fliedeme,  ahd.  fliedema,  fliodema  f.,  dazu  ags. 
flytme  f.  aus  gleichbed.  gr.-mlat.  fleotomum  n., 
gr.-lat.  Phlebotomus  m.,  von  gr,  (pXevjj,  Gen. 
(pXeßöc  f.  «Blutader»,  xeinveiv  «schneiden». 

flimnieil,  V.:  zitternden  Schein,  Lichtblitze 
von  sich  geben.  Erst  im  18.  Jh.  im  Ablaut 
zu  flammen  entstanden  (Zachariä,  Bürger  237 : 
es  flimmt  und  flammt).  Dazu  das  gleichbed. 
flimmeru,v.,  1696  bei  Reuter  Schelmufsky65 
{es  flimmerte  undflammerte):  femer  Flimmer, 
m.:  beweglicher  Glanz,  zitternd  glänzendes 
Metallteilchen,  1734  bei  Steinbach  in  Gold- 
flimmer, 1741  bei  Frisch  «eine  glänzende 
Berg-Art,  die  taub  und  ohne  Halt  ist». 

Flinder,  m.  {-s,  PL  wie  Sg.):  dünnes 
flimmerndes  Metallplättchen.  Zuerst  nach- 
weisbar in  einem  Bericht  von  1473  (Neue 
Mitteilungen  des  thüring.-sächs,  Vereins  2, 84): 
mit  t  bei  Goethe  W.  Meister  2,  4  Flinter. 
Wie  flandern  neben  flattern  (Schmeller  - 1,  792), 
so  Flinde)^  neben  Flitter  (s.  d.),  flinde^ni 
(«flattem,  in  kleinen  Stückchen  umherfliegen», 
H.  Sachs  9,  448,  mhd,  vervlindern  «verflat- 
tern, verlöschen»)  neben  flittern,  s,  d. 

flink,  adj.:  munter  und  mit  Leichtigkeit 
geschwind.  Aus  dem  Nd.  1691  bei  Stieler, 
ndl.  flink;  aber  1716  bei  Ludwig  in  der  urspr. 
Bed.  «glänzend».  Von  flinken,  v.:  flimmern, 
glänzen,  1663  bei  Schottel  (dazu  mhd.  kupfer- 
vlinke  m.  «flimmerndes  Kupferschüppchen», 
bayr.  fla7ik,  flunken  m.  «Funke»).  Daraus 
erweitert  flinkem,  v.:  Lichtblitze  von  sich 
geben  (und  so  ins  Auge  fallen),  1640  bei 
Zesen  Helicon  R3^,  1796  von  Heynatz  als 
niedersächs.  bezeichnet,  bei  Schiller  WaUenst. 
Lag.  3;  vgl.  flunkern.  Dazu  Flinker,  m. 
{-s,  PL  wie  Sg.):  flimmernder  Schmuck,  bei 
Wieland  18,  140,  Dim.  Flinkerchen  n. 

Flins,  m.  {-es,  PL  -e):  Name  mehrerer 
Steinarten.  Mhd,  vlins  m.,  ahd.  flins  m. 
«Feuerstein,  Kiesel,  Fels»,  s.  Flinte. 

Flinse,  f.  (PL  -n):  Läppchen  als  Abfall 
beim  Zuschneiden.  Aus  dem  gleichbed.  nd. 
Flinse  m.,  auch  «Schnitzel». 

Flinte,  f.  (PL  -n):  Schießgewehr  mit 
langem  Rohre,  1663  bei  Schottel.  Von 
engl,  flint,  ags.  flint,  mnd.  vlint,  mhd.  vlins, 
ahd.  flins  m.  «Feuerstein,  Kiesel»,  die  zu  gr. 
ttXivGoc  m.,  air.  slind  «Ziegel»,  aind.  pitidas 
m.  «runde  Masse,  Klumpen»  gehören,  vgl. 
Liden  Stud.  18.  Der  Name  kam  auf,  nach- 
dem das  Schießgewehr,  das  man  sonst  mittels 
eines  mit  einer  Lunte  versehenen  Rades  los- 


555 


flirren 


Floh 


556 


gebrannt  hatte,  mit  einem  Steinsclilosse  ver-  j 
sehen   worden   war,    in   das   ein   Feuerstein  1 
(Homstein)  eingefügt  war,  eine  französische  . 
Ei-findung  um  1630,  franz.  fiisil  ä  silex,  engl. 
flint-lock,  flint-musket 

flirren,  v.:  in  Zitterlicht,  lichtblitzend 
auf-  und  abschweben.  1663  bei  Schottel  in 
der  Bed.  «hin-  und  herflattem».  Zu  diesem  j 
Stamm  Flirt,  m.(-5):  Courmacherei,  Liebelei; 
Lehnwort  aus  engl,  flirt.  Um  1890  aufge- 
kommen.   Vgl.  Ladendorf. 

flispern,  v.:  flüstern,  von  Adelung  er- 
wähnt, bei  Tieck  romant.  Dicht.  2,  474.  Vgl. 
fispern. 

flistern,  s.  flüstern. 

Flitter,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.),  auch  f. 
(PI.  -n):  leichtes  (fliegendes)  dünnes,  Zitter- 
licht werfendes  Gold-,  Silber-,  Messingblech- 
Stückchen;  gehaltloser  Schimmer  fürs  Auge. 
Vgl.  Minder.  Die  urspr.  Bed.  ist  «unruhig 
glänzendes  Metallblättchen»  (flammule,  flittern 
1517  bei  Trochus  L4%  die  flittern  als  heubt- 
schmuck  bei  Luther  Jes.  3,  20),  dann  vom 
Ende  des  16.  bis  ins  18.  Jh.  «kleine  blinkende 
Blechmünze»,  im  17.  Jh.  auch  Benennung 
des  Zittei-grases  [Flittern,  Flittergras  1663 
bei  Schottel  1318),  endlich  abstrakt  im  18.  Jh. 
(Klopstock  12,  186);  dän.-schwed.  flitter  v. 
aus  dem  Deutschen.  Von  flittern,  v.:  sich 
unstät  hin-  und  herbewegen  (im  15.  Jh. 
fiyttern  «flattern»,  von  Schwänen,  Altd.  Wälder 
1,  133,  vom  Zittern  des  Espenlaubs  1595 
bei  Rollenhagen  Froschm.  2, 4,  2,  dazu  mengl. 
fliteren  «flattern»),  daher  unruhig  glänzen 
(im  18.  Jh.).  In  der  altem  Sprache  flittren 
«flüstern»  (Diefenbach  mlat.-hochd.-böhm.Wb. 
266  vom  J.  1470),  im  14.  Jh.  md.  flettern 
«leise  lachen,  kichern»  (Mone  altd.  Schausp. 
154,344),  wovon  md. gevlittern.  «unterdrücktes 
Gelächter»  (Jeroschin  7884);  ahd.  mit  weitrer 
Ableitung  flitarazzan  «liebkosen,  schmeicheln», 
wonach  flittern  vielleicht  urspr.  auch  s.  v.  a. 
«mit  einem  dem  Zittern  ähnlichen  Bewegen 
der  Flügel  schöntun»,  nochbeiH.Sachs(l,320^) 
^2f#ern«liebkosen,schmeicheln».  ZZ7/S.  Flitter- 
gold, n.  {-es):  in  dünne  Blättchen  geschla- 
genes Messing,  Rauschgold.  Bei  Stieler  1691. 
Flitterpappel,  f.  (PI.  -n):  Zitterespe.  1775 
bei  Adelung.  Flitterstaat,  m.  {-es):  mit 
Flittern  besetzter,  eitler  Putz.  Bei  Lessing 
6,  238.  Flitterwoche,  f.  (PI.  -n):  die  erste 
Woche  Vermählter  nach  ihrer  Hochzeit,  die 
«Kosewoche».  Zu  flittern  «liebkosen»  (s.  0.). 
Bei  H.  Sachs  (l,  388"^).  Ähnliche  Benennungen 


sind  Kußtvoche,  Zärtelwoche ,  bayr.  Kuder- 
woche,\onkudern«'\ncherny>,  Schweiz.  Trütler- 
ivoche,  von  trüteln.  «liebkosen». 

Flittich,  m.  {-s,  PI.  -e):  Flügel,  Fittich 
(sächs.  Weichbildrecht  165,  40);  Rockzipfel. 
In  Mittel-  und  Oberdeutschland  aus  Fittich 
unter  Einfluß  von  fliegen,  Flügel. 

Flitzbogen,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Bogen 
zu  leichten  Pfeilen.  Ältemhd.  flischbogen 
(Zimm.  Chron.  2,  474,  10,  flitschhogen  1556 
bei  H.  Stade  187),  auch  pflitsch-,  pflitzbogen, 
nd.  flitzbagen  bei  Chj'träus  1582,  ndl.  flitsboog, 
zusammengesetzt  mit  älternhd.  mnd.  flitsch, 
flitsche,  flitz,  ältemltd.  auch  pflitsche  f.,  ndl. 
flits  m.  «Pfeü»  (auch  tautologisch  flitzenpfeil 
H.  Sachs  bei  Liliencron  4,  168,  flitzpfeil 
Fronsperger  Kriegsb.  1,  138^,  Fitschepfeil 
Rückert  Ged.  3,  267),  das  auf  franz.  fleche, 
afranz.  flesche  f.  «Pfeil»  zurückgeht,  dessen 
Herkunft  nicht  bekannt  ist. 

flitzen,  V.:  sich  pfeilschnell  bewegen. 
Erst  in  der  neuem  Sprache.  Von  älternhd. 
flitz  f.  «Pfeib  (s.  Flitzbogen).  Schweiz,  flitschen 
«schwin-en  wie  ein  Pfeil,  wie  ein  Peitschen- 
schlag» (schon  bei  Frisius  und  Maaler),  hess. 
flitschen  (schon  1556  bei  H.  Stade  172),  flitzen 
«mit  Pfeilen  schießen». 

Flocke,  f.  (PI.  -n) :  Büschel  leichten  Stoffes, 
z.  B.  der  Wolle,  des  Haares,  Schnees  usw. 
Noch  bei  Steinbach  1734  und  bei  Frisch  1741 
Mast.,  mhd.  vlocke,  ahd.  floccho  m.:  dazu 
ndl.  vlok  f.,  engl,  flock,  (entlehnt)  dän.  flx)kke, 
schwed.  flocka.  Vielleicht  aus  gleichbed.  lat. 
^occMSm.,  möglicherweise  aber  echt  germanisch 
und  dann  wohl  zu  fliegen.  ABL.  flocken,  v. : 
in  Flocken  niederfallen,  sich  absondern  usw., 
1616  bei  Henisch.  flockicht,  flockig,  adj. 
u.  adv.:  flockenförmig.  Bei  Henisch  1616 
flockig,  bei  Steinbach  1734  flockicht. 

flodern,  v.  (1517  bei  Keisersberg  Brösa7nlin 
2,  91  ^  noch  bei  Schiller  1,  230),  s.  flattern. 

Floh,  m.  {-es,  PI.  Flöhe):  das  springende 
Insekt  lat.  pulex.  Bei  Luther  1.  Sam.  24,  15 
und  noch  1722  bei  Freyer  251  Floch,  mhd. 
vlöch  m.  und  mit  geschwundenem  Auslaut 
vlo  f.  (noch  nhd.  bei  Dusch  sowie  Schweiz. 
Floh  f.),  ahd.  flöh  m.:  dazu  mnd.  vlo  f.,  ndl. 
vloo  f.,  ags.  fleak,  flea  f.  (?),  engl,  flea,  anord'. 
flö  f.  Das  Wort  wird  gewöhnlich  abgeleitet 
von  ahd.  fliohan,  got.  ßliuhan  «fliehen»,  die 
urspr.  Bed.  also  «der  Flüchtige,  schnell  Fort- 
springende». Eher  wird  man  aber  lat.  püIex 
m.  vergleichen,  das  allein  steht  und  auf  ein 
*poulek  zurückgeht,  während  das  germ.  Wort 


00/ 


Flom 


Floß 


558 


auf  *plouk  weist.  ABL.  flohen,  flohen,  v.:  ■ 
Flöhe  suchen  und  fangen.  Bei  Henisch  1616 
flöheyi,  bei  Ki-ämer  1678  flohen.  ZUS.  Flöh- 
krant,  n.  (-es):  Polei,  mentha  pulegium, 
und  andre  Pflanzen,  weil  sie  zur  Vertilgxing 
der  Flöhe  dienten  oder  die  Samen  wie  Flöhe 
aussehen  oder  die  Blätter  wie  mit  Flohstichen 
besprengt  erscheinen.  1495  bei  Brack  53^ 
flohenkraut,lblQ  heiVimeisknus  X8^  fiöchkrant. 

Flom,  m.  {-[e]s,  PI.  -en),  auch  Flaum 
und  Flomen  f-s):  Bauch-  und  Xierenfett 
des  Schweines.  In  Norddeutschland.  Da- 
neben md.  fleme,  mhd.  flcetne  f.  «innere  Fett- 
haut», Schweiz,  flamme  f.  «Seite  Schwein- 
schmalz, wie  man  sie  vom  Tier  abzieht». 
Dunkler  Herkunft. 

•^Flor,  m.  {-es):  Blüte,  Blütenzustand, 
Blumenfülle.  Im  16.  Jh.  in  aller  flore  sein 
Zimm.  Chr.  4,  256,  29,  in  bester  Flom  stehn 
1588  bei  J.  Nas  Glocke  z.  Erfurt  46,  1616 
bei  H.  Ülr.  Kralft  71  in  flors  Zeiten,  bei 
Krämer  1678  im  F.  gehen,  aus  lat.  in  flwe, 
Ablativ  von  flos  m.  t Blume,  Blüte».  All- 
gemeiner erst  im  18.  Jh.  Aber  schon  mhd. 
flore,  flörie,  ftöri  f.  aus  dem  Französ.  ent- 
lehnt (Wolfi-am  Parz.  796,  5).  Auch  im  Plur. 
in  Floribus:  «im  Blütenzustand,  im  größten 
Wohlleben»  f Fischart  Garg.  149,  Moscherosch 
Phil.  2,  235),  ursprünglich  studentisch,  wie 
man  denn  1690  in  der  Studentensprache, 
wenn  bei  Biergelagen  das  Bierglas  nach  dem 
Trinkkomment  so  geschickt  ausgetrunken 
wurde,  daß  es  «von  unten  bis  oben  voller  Schaum 
und  kleiner  Blümlein  geblieben»,  einen  solchen 
Trunk  in  Foribus  nannte  (TN'urm-Logia  62); 
dann  allgemein  1728  bei  Sperander. 

^Flor,  m.  {-es,  PI.  Flore,  Fore):  ein 
dünnes  durchsichtiges  Gewebe,  besonders 
schwarz  zum  Zeichen  der  Trauer  (schon  bei 
P.  Fleming  309).  1650  bei  Moscherosch  Phil. 
1,  44  Für,  nach  dem  gleichbed.  ndl.  floers  n., 
das,  wie  es  scheint,  auf  den  franz.  Plur.  fleurs 
f.  «Blumen»,  bildlich  «die  feinste,  dünnste  Sorte» 
(aus  lat.  flos  m..  Gen.  flöris  m.)  zurückgeht, 
vgl.  auch  ^Florett.  ABL.  floren,  adj.  (bayr. 
flören):  aus  Flor  bestehend,  erst  im  18.  Jh. 
ZUS.  Florband,  n.  {-es,  PI.  -händer):  flor- 
ähnliches gestreiftes  Band,  1716  bei  Ludwig. 

Flora,  f.  (PI.  Foren):  die  Blumenwelt 
eines  Landes.  Aus  lat.  Flora  f.  «Name  der 
Blumengöttin».      1813  bei  Campe.  : 

Florbeseu,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Mädchen  . 
vornehmer  Eltern.  Zu  student.  For  m.  *vor-  \ 
nehme  Damen».    Aus  der  Studentensprache  ' 


1825  nachgewiesen,  gleichzeitig  bei  Haufi" 
Memoiren  des  Satan  51. 

^Florett,  m.  (-S,  PI.  -e):  das  obere  grobe 
Gespinst  des  Seiden wurms;  Abfall  von  guter 
Seide.  1678  bei  Krämer  Floret,  wohl  aus 
gleichbed.  ndl.  floret  f.  (bei  Henisch  in  der 
Form  Floröte),  das  aus  dem  gleichbed.  franz. 
fleiiret  m.  (1466  mlat.  floretum  n.)  aufge- 
nommen wurde,  von  franz.  fl.eiir  f.  «Blume» 
in  der  Bed.  «Abfall  und  Ausschuß  des  Ge- 
spinstes der  Seidenraupe».  ZUS.  Florett- 
band, n.  {-es,  PI.  -Milder) :  Band  von  Florett- 
seide, bei  Ludwig  1716  Forethand.  Florett- 
seide,  f.:  Flock-,  Kauhseide,  1678  bei  Krämer 
Floretseide. 

-Florett,  n.  (-5,  PI.  -e  u.  -S):  Stoßdegen 
zu  Fechtübungen.  1678  bei  Krämer  Floret, 
1742  bei  Trichter  Eeitlex.  804  Foret.  Aus 
gleichbed.  fi-anz.  fleuret,  ital.  fioretto,  span. 
florete  m.,  so  benannt  wegen  des  blümchen- 
ähnlichen Knöpfchens  an  der  Spitze,  zu  lat. 
flos  m.  (Gen.  flöris)  «Blume». 

Floribus,  s.  ^For. 

florieren,  v.:  blühen,  in  Aufnahme,  ge- 
feiertem Ansehen  sein.  1639  bei  Micrälius 
1,  92,  ndl.  floreren  bei  Küian  1599.  Aus  lat. 
flörere  «blühen»,  von  lat.  flos  m.  «Blüte»; 
daneben  mlat.  florare  «mit  Blumen  zieren», 
woraus  mhd.  florieren  «blühen  machen,  zieren», 
noch  bei  H.  Sachs  9,  160. 

Florin,  m.  {-s,  PI.  -e  u.  -.s):  Gulden. 
Aus  mlat.  florenus,  florimcs  m.  (woher  itaL 
fiorino,  franz.-span.  floriii  m.),  die  zuerst  in 
Florenz  mit  dem  Wappen  der  Stadt,  der 
Lüie  (ital.  fiordaliso  m.,  dessen  fior  aus  lat. 
flos  m.  «Blume»)  geprägte  Goldmünze,  mhd. 
am  Anfang  des  14.  -Jh.  phenninge  guldxn,  die 
da  hei^ent  florin  Ottokar  34665.  Von  F.  da? 
Kürzungszeichen  fl. 

Floskel,  f.  (PL  -n):  Redeblume,  zierliche 
Redensart.  Aus  der  Studentensprache  (1781 
bei  Kindleben)  allgemeiner  geworden.  Von 
lat.  floscuhis  m.  «Blümchen»,  dann  «Rede- 
zierUchkeit»,  dem  Diminutiv  des  lat.  flos  m. 
«Blume». 

^Floß,  n.  {-es,  PI.  Föße  mit  langem  o), 
auch  m.  (Schiller  11,  297):  zusammengefügte 
Baumstämme  zum  Weiterführen  auf  fließen- 
dem Wasser;  (dichterisch)  Schifi".  Mhd.  vlo^ 
m.  und  n.  «Fluß,  Strömung,  Wasserfahrzeug», 
ahd.  flo^  m.  «Fließendes,  Boot,  Barke»,  fl6§- 
scef  «Floßschifi».  Daneben  Fotz  m,  1537 
bei  Dasypodius,  noch  1678  bei  Krämer.  Zu 
fließen  (s.  d.). 


559 


Floß 


Flotflle 


560 


-Floß,  n.  (Gen.  Flosses,  PI.  Flösser,  mit 
kurzem  o):  kleines  fließendes  Wasser ;  (wetter- 
auiscli)  Straßeni-inne,  Gosse.  In  der  1.  Bed. 
1540  bei  Alberus,  md.  1326  vlo^  Baur  hess. 
Urk.  1,  289.     Zu  fließen  (s.  d.). 

Flosse,  f.  (PI.  -n):  grätenvolle  federartige 
Schwimrahaut  des  Fisches:  schwimmender 
Kork  am  Saume  des  Zugnetzes;  burschikos 
auch  «Hand».  In  der  1.  Bed,  mhd.  vlo§^e, 
ahd.floß^at,  von  fließen  «schwimmen».  ZUS. 
Floßfeder,  f.  (PI.  -n)  -.  Fischflosse.  Spätmhd. 
im  15.  Jh.  vlogvedei'e,  and.  bloß  vethera  f. 

Flöße,  f.  (PI.  -n) :  Floß,  zusammengefügte 
Baumstämme  als  Wasserfahrzeug;  Anstalt 
zum  Fortschafi"en  von  Holz  auf  fließenden 
Gewässern  und  das  Recht  dazu.  Bei  Luther 
Flösse  «Floß»,  um  1480  Floße  «Floß»  Yoc. 
ine.  teut.  g2^,  aber  1482  Flose  «Gewässer 
zum  Fortschafi'en  der  Flößen»,  mlat.  traduc- 
torium  Voc.  theut.  i  1%  nd.  flöte  f.  Von 
flößen,  V.:  fließen  machen,  (Holz)  auf  dem 
Wasser  befördern,  mittelst  Floßes  fortschafi'en. 
Mhd.  vloß^en,  ahd.  flö^an,  nd.  flöten,  Fak-titiv 
zu  fließen  (s.  d.).  Daneben  ältemhd.  flötzen 
(Hiob  14,  19),  wie  Flotz  neben  Floß.  ABL. 
Flößer,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Floßknecht, 
spätmhd.  vlce^er,  daneben  älternhd.  und  noch 
Schwab.  Flötzer. 

Floßfeder,  s.  Flosse. 

Floßgalle,  s.  Galle. 

Flöte,  f.  (PI.  -n):  Querpfeife  mit  Klappen; 
in  Norddeutschland  Trinkglas  mit  langem 
imten  zugespitzten  Kelche.  In  der  1.  Bed. 
1616  bei  Henisch  Föte,  ältemhd.  Feute  (wie 
noch  nd.),  mhd.  vloite,  flaute  f.;  dazu  1475 
clevisch  fleute,  nmdl.  flute,  ndl.  fluit  f.  Aus 
dem  gleichbed,  afranz.  flaute,  später  flute  f., 
ital.  flauto  m.  (daher  bei  Günther  588  und 
Platen  Gas.  119  Faute  f.),  zu  afranz.  flaiiter 
«die  Flöte  blasen»  (daher  das  gleichbed.  mhd. 
vloitieren),  das  von  lat.  flatus  m.  «Blasen» 
stammt.  Das  mimdartliche  Födüse,  Fladuse 
«Schmeichelei»,  nd.  Feidüs,  bei  Campe  1813 
Föte  duse,  bei  Amaranthes  1715  fleute 
dßuce  f.  ist  das  franz.  flute  douce  «lieblich 
klingende  Flöte».  ABL.  flöten,  v.:  die 
Flöte  blasen,  Flötenton  hören  lassen. 
1616  bei  Henisch  flöten,  älternhd.  fleuten., 
mhd.  floaten-,  dazu  mnd.-mndl.  floiten,  nd. 
fleuten,  ndl.  flutten.  Flötist,  m.  (-e«,  PI. -ew): 
Flötenbläser.  Mit  fremder  Endung  erst  im 
19.  Jh.,  dafür  früher  i^öfer  (bei  Henisch  1616, 
Föuter  bei  Maaler  1561),  mhd.  floytere  (Var. 
zu  Pai-z.  19,  11),  sonst  floitiercere,  floitierre  n. 


flöten  in  f.  gehen:  verloren  gehen;  sich 
aus  dem  Staube  machen.  Erst  im  18.  Jh., 
zunächst  nd.  fleuten  gähn  (1743  bei  Richey  9), 
dagegen  in  der  Wetterau  plete  gehn.  üm- 
deutschung  des  jüdischdeutschen  pleite  gehn 
«flüchtig  sich  fortmachen»,  dessen  j?Zeiie  (spr. 

plätte)  das  jüdische  pletö  «Flucht»  ist,  von 
hebr.  pälät  «er  ist  entwischt». 

flott,  adj.:  schwimmend  (vom  Schiffe); 
(bildHch)  reichlich  aufwendend,  d.  h.  gleich- 
sam obenauf  schwimmend,  lebensfroh,  flink. 
In  der  1.  Bed.  1716  bei  Ludwig  flott  seyn, 
floß  seyn  «nicht  am  Gmnde  festsitzen»,  1695  in 
Stielers  Zeitungslust  «flott  werden»,  aus  nd. 
flot,  ndl.  vlot  «auf  dem  Wasser  treibend, 
schwimmend,  fließend»,  von  fließen  (s.  d.), 
nd.  fleten,  ndl.  vlieten.  Die  2.  Bed.  aus  der 
Studentensprache  in  der  2.  Hälfte  des  18.  Jh. 
allgemein  geworden  (1769  bei  Bode  Yorick 
4,  100).  ABL.  flotten,  V.:  flott  machen: 
schwimmen,  fließen.  Zu  mnd.  vloten  «flößen, 
zu  Wasser  befördern,  flott  machen,  fördern», 
anord.  flota  «flott  machen». 

Flott,  n.  (-es):  Müchrahm  (als  Obenauf- 
fließendes, 1763  bei  Zachariä  Hercynia  Ges.  l): 
auf  stehendem  Gewässer  seh  wimmende  Wasser- 
linsen (Immermann  Münchh.  2,  12).  Aus  dem 
gleichbed.  nd.  flot  m.,  von  fließen  (vgl.  flott). 
Auch  sehwed.  (entlehnt)  flott  n.,  ags.  flet 
und  flyte  f.  «Rahm»,  engl,  to  fleet  «ab- 
rahmen». 

Flotte,  f.  (PI.  -n):  Anzahl  Schiffe  unter 
einem  Befehlshaber.  Erst  seit  dem  17.  Jh. 
verbreitet  (dafür  im  16.  Jh.  Armada,  Schiff s- 
zeiig),  1663  bei  Schottel  Motte,  1618  bei 
Schönsleder  Flott,  1599  bei  Hulsius  Schiff". 
4,  5  Flotta  (als  Fremdwort  1617  im  Teutschen 
Michel  29  verspottet),   aber  schon  um  1560 

;  bei  Ulr.  Schmidel  24,  27  floet,  1507  ein  ganze 
flut  französische^'  schiff  Wilwolt  v.  Schaum- 
burg 121 ;  dazu  mndl.  vlote,  ndfl.  vloot,  sehwed. 

I  flotta,  dän.  flode  f.  Aus  dem  gleichbed.  franz. 
flotte   (das   erst   im  16.  Jh.    statt  des  altem 

I  navire,  estoire  übhch  wird),  ital.  flotta,  span. 
flota  f.,  die  wahrscheinlich  aus  der  Normannen- 
zeit auf  anord. /?ofi  f.  «Wasserfahrzeug,  Floß», 

!  dann   «Flotte»   zurückgehen,   abgeleitet  von 

'  anord.   fljöta   «fließen»,    wie   ags.   flota   und 
fleot  m.  «Schiß"»,  engl,  fleet  «Flotte»  von  ags. 
fleotan  «fließen». 
flotten,  V.,  s.  flott. 
Flottille,  f.  (spr.  Fottillje;  PI.  -n):  kleine 

I  Flotte.     1728  bei  Sperander.    Aus  gleichbed. 

i  span.  flotilla  f. 


561 


Flöz 


Flügel 


562 


Flöz,  n.  (-es,  PI.  -e):  breites  flaches  Erz-, 
Stein-    oder   Kohlenlager   im  Bergbau.     Bei 
G.   Agricola  1546    fletze    n.,    im   Cod.    dipl. ; 
Siles.  20,  158   aus   dem  Anfang  des  16.  Jh.  I 
und  1562  bei  Mathesius  Sar.  307^  fletz:  da- ; 
neben   bereits   im    16.  -Jh.  flötz.     Aus   mhd. 
vletze   «geebneter   Boden,    Tenne,    Hausflur, 
Stubenboden,  Lagerstatt»,  ahd.  flazzi.  flezzi  n. 
«Tenne,  Hausboden»:  dazu  asächs.  fletti,  flet 
«Saal,  Wohnung»,   nd.  flet  «Bodenfläche  für 
die    Betten    im   Hause»,    ags.  flet   «Estrich, 
Saal»,  anord.  flet  n.  «Fußboden  des  Hauses». 
Abgeleitet   von   ahd.  flaz,    and.   flat,   anord. 
flatr  «flach,  platt/..     S.  FUiz. 

Fluch,  m.  (-es,  PL  Flüche):  Anwunsch 
eines  Übels;  Böses  anwünschendes  Schwur- 
Tvort.  ^Ihd.  vluoch,  ahd.  fluoh  m.;  dazu  nd. 
flok,  ndl.  vloek  m.  Von  fluchen,  v.:  Böses 
an  wünschen;  mhd.  vluochen,  ahd.  flicochon  mit 
einem  erhaltenen  starken  Part,  ahd.arfluahhan. 
farfluahhan  «verworfen,  böse»,  asächs.  far- 
flöcan  «verflucht»,  mndl.  vloeken.  ags.  flöcan 
«schlagen».  Wurzelverwandt  mit  dem  nur  im 
Prät.  Plur.  fcnflökun  erhaltenen  got.  flökan 
«beklagen»,  der  Lautverschiebung  gemäß  zu 
la,t. plangere  «schlagen  (an  Brust  und  Arme), 
laut  trauern^,  pläga  f.  «Schlag»,  gr.  TtXirfvüvai 
und  TrXficceiv  «schlagen»,  irXriTri  f.  «Schlag», 
und  mit  Tenuis  im  Auslaut  wie  häufig  abulg. 
plakati  «klagen,  weinen»,  lit.  plakü  «schlage, 
züchtige»  u.  a.  Aus  dem  Germ,  stellt  Holt- 
hausen  Idg.  Forsch.  17,  295  noch  hinzu  mengl. 
fliehen  «reißen,  schlagen»,  engl,  flieh  «stehlen, 
rauben  ». 

^Flucht,  f.:  eiliges  Sichwegbewegen  wo- 
vor. Mhd.  vluht  (Gen.  vlühte),  ahd.  fluht  f.; 
dazu  and.  fluht,  mnd.-mndl.  vlucht,  ndl.  vlugtf., 
engl,  flight,  aus  dem  Deutschen  entlehnt  seh  wed. 
flykt  m.,  dän.  flugt  «Flucht».  Zu  fliehen  (s.  d., 
sowie  ^Flucht).  Davon  flüchten,  v.:  (trans.) 
eilig  wovor  fortbewegen ;  (intr.  und  refl.)  eilig 
wovor  fliehen.  ^Uxd.  flüchten  (nur  als  Litrans. 
Txad  selten,  dafür  als  Trans,  und  Refl.  mhd. 
vlcßhen,  vlcehenen,  ältemhd.  flöhen,  flöhten), 
mndl.  vluchten,  ndl.  vlugten,  schwed.  flykta 
«fliehen»;  aber  ahd.  fluhten  «fliehen  machen, 
in  die  Flucht  treiben»,  flüchtig,  adj.  und 
adv.:  auf  die  Flucht  sich  begebend,  auf  der 
Flucht  seiend,  leicht  oder  schnell  fliehend; 
danach  schnell  wie  ein  Fliehender,  rasch 
vorübergehend,  schnell  verfliegend  (1562  bei 
Mathesius  Sar.  50*);  oberflächlich.  In  der 
1.  Bed.  mhd.  vlühtec,  vlühtic,  ahd.  fluhtig; 
dazu  as.  and.  fluhtig,  ndl.  vhigtig.  Davon 
Weig and,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


Flüchtigkeit,  f.,  I69i  bei  Stieler.  Flücht- 
ling, m.  (-.s,  PI.  -e):  der  Fliehende,  1691  bei 
Stieler. 

'Flucht,  f.:  zusammenfliegende  Schar 
Vögel,  zusammenhängender  Flug;  (übertragen^) 
zusammenhängende  Reihe,  die  Richtung  einer 
geraden  Linie,  z.  B.  in  Bauflucht  f.  Im  18.  -Jh. 
Zu  fliegen  (s.  d.).  Aus  dem  gleichbed.  nd. 
flugt  ( brem.  ^Vb.  1,  411),  mnd.  vlucht  f.  «Flug, 
Flügel,  Geflügel»;  dazu  ndL  vlu^t  f.,  ags. 
flyht  m.,  engl,  flight  «Flug»,  die,  abgesehen 
vom  ags.,  zugleich  die  Bed.  von  ^Flucht  (s.  d.) 
haben,  wie  sich  auch  fliegen  (s.  d.)  und  fliehen 
vermengen.  ZUS.  Fluchtlinie,  f.  Zu  der 
2.  Bedeutung  von  F.     Im  19.  Jh. 

Fluder,  m.  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.,  bayr. 
auch  f.):  breites  viereckiges  Brettergerinne 
zum  Durchlaufen  des  Wassers  im  Berg-  und 
Mühlenbau.  ^Ihd.  vloder,  fluder  n.  m.  f. 
«Mühlengerinne»,  auch  «das  Fließen,  Fluten», 
und  «das  Holzfloß»  (so  noch  bayr.  Fluder  f.), 
ahd.  fluder  «Strom  von  Schweiß»,  fludar 
cFloß:^.  Desselben  Stammes  wie  Flut,  fließen 
und  anord.  flaumr  m.  «Strömung,  Flut».  ABL. 
fluderu,  v.:  Holz  mittels  eines  Wetterbaches 
in  einen  beständigen  Fluß  flößen.     Bayrisch. 

Flug,  m.  (-es,  PI.  Flüge):  Schwung  und 
Schweben  durch  die  Luft ;  zusammenfliegende 
Schar  Vögel  (1711  bei  RädJein).  In  der  1.  Bed. 
mhd.  vluc  (PI.  vlüge),  ahd.  flug  m. ;  dazu  and. 
flugi,  ags.  flyge  m.,  anord.  flugr  m.,  flug  n.  Zu 
fliegen  (s.  d.).  Vgl.  -Flucht.  ZUS.  Flugblatt,  n. 
(-es,  PI.  Natter) :  fliegendes,  schnell  verbreitetes 
Blatt  mit  Nacha-ichten  usw.,  1808  bei  Campe. 
Flugsand,  m.  (-es),  1775  bei  Adelung. 
Flugschrift,  f.  (PI.  -en):  wie  Flugblatt. 
1808  bei  Campe. 

Flügel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Flugglied 
und  ihm  Ahnliches  (z.  B.  die  Seitenteile  oder 
Enden  einer  Truppe,  eines  Heeres  [nach  lat. 
äla]  eines  Gebäudes);  großes  Klavier  in  Flügel- 
gestalt (zu  Anfang  des  18.  Jh.).  In  der  urspr. 
Bed.  mhd.  liügel,  md.  vltigel,  nrhein.  im  14.  Jh. 
vlogel,  mndd.  vloghel,  ndl.  vleugel  m.  Abge- 
leitet von  Flug  (s.  d.).  ZUS.  Flügel horn, 
n.  (-S,  PL  -hörner) :  Signalhorn  der  Infanterie, 
urspr.  Horn  der  Jägermeister,  die  die  Flügel 
der  Treibjagd  kommandierten  (1741  bei  Frisch 
in  urspr.  Bed.,  ein  einfach  altvaterisch  Horn 
1719  Fleming  teutscher  Jäger  106).  Flügel- 
kleid, n.  {-es,  PL  -er) :  Kinderkleid  mit  zwei 
breiten  flügelartig  hangenden  Streifen  auf 
dem  Rücken  (1735  bei  Günther  439,  bei  Ama- 
ranthes  1715  Flügelkappe):  wie  zum  Fliegen 

36 


563 


flügge 


Flut 


564 


leichtes  Gewand  (Scliiller  Jungfr.  5,  14). 
Flügelmann,  m.  (-es,  PI.  -inänner) :  der  am 
Anfang  oder  Ende  einer  Truppenreihe  stehende 
Soldat,  1741  bei  Frisch.  Flügeltür,  f. 
(PI.  -en):  Tür  mit  zwei  auseinandergehenden 
Hälften  oder  Flügeln,  im  18.  Jh.  (1772  bei 
Hölty  Ged.  18  H.). 

flügge,  adj.:  befiedert  zum  Ausflug  aus 
dem  iseste;  (bildlich)  heiratsfähig,  mannbar, 
auch  heiratslustig.  Der  Form  nach  entlehnt 
aus  nd.  flügge  (schon  bei  Luther  Br.  2,  521 
flügg),  dafür  älternhd.  flücke,  flück  (noch  bei 
Maaler  Müller  2,  78,  Rückert  Rostem  Nr.  16), 
mhd.  vlücke,  ahd.  flucchi;  dazu  clevisch  1477 
vhigg,  vlugge,  mndl.  vlugghe,  ndl.  vlug,  engl. 
fiedge.     Abgeleitet  von  Flug  (s.  d.). 

flugs,  ad 7.  (in  der  Bühnensprache  flügs): 
in  Flugesschnelle,  im  Fluge.  Bei  Luther 
Luk.  16,  6,  aber  mhd.  vluges,  der  adverbial 
gebrauchte  Gen.  von  Flug  (s.  d.).  Älternhd. 
auch  fluchs,  flucks,  flux  geschrieben  (z.  B. 
bei  Luther)  und  als  Adj.  verwendet  (bei 
H.  Sachs  14,  173  der  Komp.  flüchser). 

Fluh,  f.  (PI.  Flühe,  ungebräuchlich  Flühen): 
Felswand,  Felsabsturz  (Schiller  Teil  4,  1). 
Schweizerisch.  Mhd.  vluoch,  gekürzt  vluo, 
ahd.  fluoh  f.;  dazu  ags.  flöh  (in  flöh  stänes 
«Steinmasse»).  Verwandt  mit  gr.  iTXdE  f., 
Gen.  TrXaKÖc  «Fläche,   Bergfläche,   Plateau». 

Flunder,  m,  {-s,  PI.  wie  Sg.),  auch  f. 
(PI.  -n):  Art  Scholle,  pleuronectes  flesus. 
Nhd.  Nebenformen  Flunder,  Flonder,  Flinder. 
Spätmhd.  Anfang  des  15.  Jh.  flunder,  flander 
neben  fluider,  flüder;  dazu  engl,  flounder 
(entlehnt  aus  dem  Nord.),  dän.  flynder,  älter 
flundra,  schwed.  flundra  f.,  anord.  flydra  f. 
Zu  einer  "Wiu'zel  plat  «breit,  flach»,  die  noch 
in  Fladen  (s.  d.),  lat.  planta  «Fußsohle»,  gr. 
TrXaTÜc  «breit»  vorliegt,  also  eig.  «Plattfisch». 

flunkern,  v. :  Zitterschein  von  sich  geben, 
schimmern  (Voß  Id.  11,  71,  ndl.  flonkeren); 
sich  einen  Schein  geben,  aufschneiden  (Münch- 
hausen  95).  Ln  18.  Jh.  aus  dem  Nd.,  im 
Ablautsverhältnis  zu  flinkem  (s.  d.)  stehend. 
ABL.  Flunkerei,  f.  (PI.  en) :  Aufschneiderei. 

Flunsch,  m.  {-es,  PI.  -e):  aufgeworfener 
schmollender  Mund.  Li  Mittel-  und  Nord- 
deutschland. Nebst  mhd.  vlans  m.  «Maul», 
bayr.  flenschen  «das  Gesicht  verzen-en»,  zu 
flennen  (s.  d.),  schwäb.  pflenne. 

Flur,  f.  (PI.  -en):  Landfläche  voll  Wachs- 
tum, Saatfeld,  Laudgebiet  eines  Ortes;  (auch) 
m.  (Gen.  -s,  PI.  -e) :  geebneter  fester  Vorplatz 
im  Hause.    Mhd.  vluor  m.  (noch  bayr.  Fluer 


i  m.)« Saatfeld»,  statvluor,  -vluore  f.  «städtische 

'  Feldflur»,  md.  vlür  f.  «Saatfeld,  Bodenfläche, 

.  Landgebiet».  Die  2.  Bed.,  die  von  dem  Be- 
griff «ausgedehnte  geebnete  Bodenfläche»  aus- 
geht, ist  mittel-  und  norddeutsch:  nd.  floor 
f.  «gepflasterter  Fußboden»:  dazu  ndl.  vloer 
f.  «Fußboden,  Diele,  Temie»,  ags.  flör  f. 
«Estrich,    Vorplatz»,    engl,    floor    «Estrich, 

j  Tenne»,  anord.  flörr  m.  «Estrich,  Stallfuß- 
boden». Zu  lat.  planus  «platt,  eben,  flach», 
ir.  lär,  kymr.  llaivr  «Boden,  Estrich»,  apreuß. 
plonis  «Tenne»  u.  a.    Wechsel  von  n  und  r 

,  wie  in  gr.  biltpov,  lat.  dönum  «Gabe».    ZUS. 

j  Flurschütz,  m.  (-e«,  PI.  -en),  mhd.  vluor- 
schütze. 

fluschen  (mit  ü),  v.:  rasch  und  gut  von- 

j  statten  gehen.  Im  19.  Jh.  (Chamisso  6,  139) 
aus  dem  nd.  fluschen,  das  im  Ablaut  zum 
gleichbed.  nd.  fluschen  steht. 

!  Fluß,  m.  (Gen.  Flusses,  PI.  Flüsse) :  Fort- 
bewegung oder  Lauf  dessen,  was  fließt;  Zu- 
stand des  Fließens,  Strömung  (mhd.  vlug, 
ahd.  flug  m.);  stark  fließend  sich  Dahinbe- 
wegendes,  Metallgiiß  (schon  mhd.);  fließendes 
Wasser  von  beträchtlicher  Breite  (erst  nhd., 
z.  B.  1522  bei  Luther,  für  das  ältere  Äclie 
«Wasser»,  s.  -a);  Gliederreißen  (schon  mhd., 
nach  gleichbed.  gr.  ^eO|aa  n.).  Abstraktbü- 
dung  auf  -i  zu  fließen.  ABL.  flüssig, 
adj.,  mhd.  vlüggic,  ahd.  fluggig.  Davon  Flüs- 
sigkeit, f.  (PI.  -en),  mhd.  vlü^^icheit.  ZUS. 
Flußgalle,  s. ""  Galle.  Flußpferd,  n.:  Nü- 
pferd  (s.  d.),  hippopotamus ,  1777  bei  Ade- 
lung. Flußspat,  m.  {-es,  PI.  -e):  aus  Kalk 
und  Fluorwasserstofi"säure  bestehendes  Mine- 
ral, nach  G.  Agiicolas  Zeugnis  (1546)  von 
den  Berg-  und  Hüttenleuten  darum  Fluß 
genannt,  weil  sie  diesen  Spat  (s.  d.)  ge- 
brauchten, um  strengflüssige  Erze  in  Fluß 
zu  bringen. 

flüstern,  v.:  leise,  heimlich  reden.  1482 
im  Voc.  theut.  bb  5  ^  flistern   und   so   noch 

j  bei  Adelung,  Lessing,  Schiller;  dagegen  f.  bei 

i  Wieland,  Goethe,  von  Heynatz  1796  als  be- 

[  sonders  nsächs.  bezeichnet.     Die  urspr.  Bed. 

!  zeigt  sich  im  ahd.  flistiran  «liebkosen,  schön, 
zärtlich  tun»,   1482  im  Voc.  theut.  i  1  *  flin- 

\  stern  «libekosen».  Dazu  noch  ndl.  fluisteren 
aus  dem  Ndd. 

Flut,  f.  (PI.  -en):  zuströmende,  anschwel- 
lende, sich  ausbreitende  Wassermasse ;  Gegen- 
satz der  Ebbe.  Mhd.  vluot  f.  (PI.  vlüete, 
noch  1613  bei  Colerus  Hausbuch  420=*  Flute) 
vmd  m.,  md.  vlüt,  ahd.  fluot  f.;  dazu  asächs. 


565 


Fock 


FoUänt 


566 


fiöd  m.,  ndl.  vloed  m.,  ags.  fiöd  n.  m,,  engl. 
fiood,  anord.  fiöd  n.,  schwed.-dän.  fiod  m.,  got, 
flödus  f.  in  gleicher  Bed.  In  dem  germ.  Wort 
sind  wahrscheinlich  mehrere  idg.  Stämme  zu- 
sammen gefallen.  Mit  Ablaut  zu  gr.  irXrieOc  f, 
«Fülle, Menge»,  TrXricuTi,  7tXr)uuri  f.,  TrXrjuuupic  f., 
«Flut  des  Meeres»,  und  zm-  Vi'z.pleii  «fließen, 
schwimmen»,  s.  fließen,  gi".  ttXuutöc« schiffend». 
ABL.  fluten,  V.,  mhd.  vluoten. 

Fock,  Focke,  f.  (PL  -n):  dreieckiges 
Vordersegel,  Segel  am  Tordermast.  Im  17  Jh. 
aus  dem  gleichbed.  nd.  fokke  f.  entlehnt  (bei 
P.  Fleming  80),  aber  schon  1507  bei  Wilwolt 
von  Schaumburg  121  vockensegl:  dazu  mndl. 
focke  f.,  anord.  focka  f.,  dän.  fok,  schwed. 
fock  m.  Zurückgehend  auf  clev.  (1477)  vocken 
«wehen»,  ältemhd.  fachen  «wehen,  blasen», 
fache  f.  «Fächer  (s.  d.),  Wedel,  Blasbalg*, 
anord.  fak  in  foksandr  m.  «Flugsand»,  die 
wohl  zu  an.  fjUka  (s.  feucht)  gehören.  ZUS. 
Fockmast,  m.  (-es,  PI.  -e):  Yordermast. 
Aus  dem  2s  d.  1716  bei  Ludwig  Fackemast. 

fodern,  s.  fordern. 

.Fohe,  FÖhin,  f.:  Füchsin,  s.  Fuchs. 

Fohlen,  n.  (-s,  PL  -wie  Sg.) :  junges  Pferd. 
Norddeutsch  für  das  hochd.  FüUen  (s.  d.). 
Mnd.  volene,  volne,  vale  n.  u.  m..  mhd.  vole, 
vol,  ahd.  fola  m.;  dazu  ags.  fola  m.,  engl. 
foal,  anord.  fole,  got.  fula  m.  1716  bei  Ludwig 
Fohl,  Falen  n.,  1611  bei  Colerus4,  23  Fahlen. 
Bei  Schiller  Äneide  4,  94  Fohle  f.  «weibliches 
Füllen»,  erinnernd  an  Schweiz. Fahle  f.  «Stute», 
das  auch  1616 Henisch  verzeichnet:  aber  schon 
mhd.  viilhe,  ahd.  fulihha  f.  «weibliches  Füllen». 
ABL.  fohlen,  V.:  ein  Füllen  werfen.  1716 
bei  Ludwig. 

Föhn,  m.  i-.s,  PL  -ej:  der  Süd-,  Eegen- 
wind  in  der  Schweiz,  wo  neben  Fön,  Fö, 
Fü,  auch  Pßn,  Pfa  gesprochen  wii-d  und  in 
der  altern  Literatur  das  Fem.  vorhen-scht, 
z.  B.  1556  bei  Frisius  Fön  f.  (das  Mask.  schon 
im  16.  Jh.  bei  Paracelsus).  Entsprechend 
mhd.  fonne,  ahd.  phönno  m.  «Wirbelwind», 
fönne  f.  (Mone  Anz.  8,  504*^)  «Westwind». 
Nebst  churwälsch.  favougn,  favaign,  fuogn, 
schweiz.-franz,  foe,  foen,  tess.  fagn  hervor- 
gegangen aus  lat.  favönius  m.  «Westwind». 

Fohre,  f.  fPL  -n):  Forelle,  s.  d. 

Föhre,  f.  (PL  -n):  die  Kiefer,  pinus  sil- 
vestris.  Bayrisch  Forchen,  Schweiz.  Forch, 
mhd.i/OrÄe,  ahd. /b>-aÄa,  forha f.;  dazu  ags.furh- 
wudu,  engl,  fir  (aus  dem  Dän.  j,  anord.-schwed. 
fura  f.,  dän.  fyr.  Vei-wandt  mit  lat.  quercus  f. 
«Eiche»  (aus  *perquus),  ahd.  fereheih  f.  «Eiche», 


langob.  fereha  «aesculus»,  nhd.  Vereiche  f. 
(«quercus  robur»,  Nemnich  2,  1106),  Schweiz. 
Ferch  «Eichenholz».  Weiter  gehören  wahr- 
scheinlich dazu  aind.parÄrafts  «Feigenbaum», 
nind.  pargäi  «Steineiche»,  got.  fafrguni  n. 
«Gebirge»,  eig.  «Eichenwald»,  mhd.  Virgunt. 
kelt.  Herq/nia  aus  ^perkünia,  lit.  Perkünus. 
eig.  «Eichengott».  Vgl.  Hirt  Idg.  Forsch.  1, 479, 
Hoops  Waldbäume  118.  ABL.  f Öhren,  adj.: 
aus  Kiefernholz,  kiefem;  mhd.  vorhin,  vorhin. 

FÖhricht,  n.  (-s,  PL  -e):  Föhrenwald; 
mhd.  varliach. 

Folge,  f.  (PL  -n):  das  Hinterdreingehen 
nach  jem.,  Eeihenfolge;  Befolgung;  Erfolg; 
Folgezeit;  Folgerung  (Lessing  6,  438),  Konse- 
quenz TGoethe  Wahlverw.  1,  4).  Mhd.  volge 
f.  «Gefolge,  Heeresfolge,  Leichenbegängnis, 
Verfolgung,  Befolgung,  Gehorsam,  Bei-,  Zu- 
stimmung, besonders  bei  Abfassung  des  Ur- 
teils im  Gericht»,  ahd.  selbfolga  f.  «Partei»; 
dazu  mit  andrer  Stammbildung  anord.  fylgl 
n.,  schwed,  följe.  dän.  fölge.  Von  folgen,  v. : 
begleitend  mitsein;  hinterdrein  kommen,  nach- 
kommen; sich  woraus  ergeben.  Mhd.  volgen, 
ahd.  folgen  und  folgön;  dazu  asächs.  falgön, 
ndl.  valgen,  afries.  fidgia,  falgia,  ags.  folgian, 
fylgean,  engl,  folloiv,  anord.  u.  norw.  fylgja, 
schwed.  föija,  dän.  folge.  Die  gewöhnliche 
Ansicht,  daß  folgen  mit  gehen  zusammenge- 
setzt ist,  wofür  man  ahd.  folagen,  andd.  fal- 
gangan  anführt,  ist  kaum  haltbar,  vgl.  Wiede- 
mann  Bezz.Btr.  28,  22,  aber  auch  von  den 
andern  vorgebrachten  Etymologien  ist  keine 
unmittelbar  einleuchtend.  ABL.  folgern, 
V.:  als  Folge  woraus  ableiten,  bei  Luther 
neben  folgern  (dies  in  den  Fastnachtsp.  des 
15.  Jh.  491,  10  in  der  Bed.  «folgen  s);  davon 
Folgerung,  f.,  1711  bei  Eädlein  (1735  bei 
Stoppe  Parnaß  49  in  der  Bed.  «Folge»),  folg- 
lich, adv.  und  konj.:  wie  daraus  folgt,  in 
Folge  davon,  1691  bei  Stiel  er,  ahd.  falglicho. 
folgsam,  adj.:  willig  folgend,  1716  bei  Lud- 
wig (dafür  älternhd.  folgig,  bei  Luther,  mhd. 
gevolgic,  ahd.  gefalgig) ;  als  Adv.  «folgerichtig» 
1691  bei  Stieler,  «folglich»  1691  bei  Abraham 
a.  S.  Clara  Judas  1,  295.  ZUS.  folgerecht, 
adj.,  als  Verdeutschung  von  konsequent,  1788 
bei  Knigge  Umg.  1,  53.  Ebenso  folgerichtig, 
adj.,  1808  bei  Campe. 

Foliant,  m.  (-en,  PL  -en):  Buch  in  Bogen- 
form  (Folio).  Im  17.  -Jh.  Folie,  f.  (PL  -n): 
Glanzblatt  von  MetaU  zur  Unterlage  unter 
Spiegeln  und  gefaßten  Edelsteinen;  (bildlich) 
hebende,  Glanz  wirkende  Unterlage  (Schiller 

36* 


567 


Folklore 


fördern 


568 


Kab.  4,  7).  In  der  uvspr.  Bed.  1506  in  Dürers 
Briefen  27  Folig,  Folg  f.  vmd  1562  bei  Mathe- 
sius  Sar.  Sl''  Folie,  aus  dem  mlat.  Plur.  folia 
«Metallblättchen»,  ital.  foglia  f.,  woraus  1678 
bei  Krämer  Folia  f.  Folio,  n,:  Blattform 
des  Papierbogens,  Papierbogengröße,  (bild- 
lich) größte  Form.  1678  bei  Krämer  in  Folio, 
aus  lat.  in  folio  «in  Blattgröße».  Ital.  foglio 
m.  «Bogen  Papier». 

Folklore,  f. :  Wissenschaft  von  der  Volks- 
kunde; Volkskunde.  Aus  engl,  folklore,  1846 
von  William  T.  Thoms  vorgeschlagen  und 
bald  aufgenommen. 

Follikel,  m.  u.  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  kleiner 
lederner  Sack ;  Drüsenbläschen ;  (botan.)  Balg- 
frucht.  Aus  lat.  folliculus  m.  «Sack,  Schlauch». 

Folter,  f.  (PI.  -n) :  Marterwerkzeug.  Erst 
nhd,  (1616  bei  Henisch  Folter,  bei  A.  Gry- 
phius  1,  30  Folder,  aber  schon  1468  voUer- 
gerüst  «eculeus»  Diefenbach  nov.  gl.  144*). 
Aus  mlat.  poledrus,  poletrus,  puledrus  m. 
«Fohlen,  Füllen»  (s.  d.),  woraus  auch  span.- 
port.  potro  m.  «junges  Pferd  und  Marter- 
gestell». Jenes  Marterwerkzeug  war  urspr. 
ein  schai-fkantiges  Gestell  mit  vier  Füßen 
nach  der  Gestalt  eines  Pferdchens,  wie  schon 
bei  den  Römern,  die  daher  ihre  Folter  equuleus 
m.  «Pferdchen,  Füllen»  nannten.  Davon 
foltern,  v.:  auf  der  Folter  martern.  1466 
foltren  Diefenbach  nov.  gl.  368%  1470  fultern 
Hätzlerin  2,  25,  160,  dann  1526  bei  Luther 
foltern. 

Fond,  m.  (spr.  fy):  Grund,  Hintergrund, 
und  Fonds,  m.  (spr,  fq):  Grundvermögen; 
Grundgeld,  Geldvorrat.  1714  bei  Wächtler 
Fond  und  Fondo,  1703  im  Zeitungslex.  Fond, 
aus  franz.  fond  und  fonds  m.,  ital.  fondo,  von 
lat.  fundus  m.  «Grund,  Boden». 

Fontäne,  f.  (spr.  fqtäne,  PI.  -n):  Spring- 
brunnen. 1477  clevisch  fonteine,  mhd.  fontäne, 
im  17.  Jh.  Fontäne,  aus  franz.  fonfaine,  von 
mlat.-ital.  fontana  f.,  dies  von  lat.  fo7is  m. 
(Gen.  fontis)  «Quelle». 

Fontanelle,  f.  (PI.  -n),  auch  Fontanell, 
n.  {-es,  PI.  -e) :  künstliches  kleines  Ableitungs- 
geschwür. 1593  bei  Helber  18  fontanell.  Aus 
mlat.  und  ital.  fontanella  f.  «Quellchen,  Brünn- 
lein»,  dem  Dim.  von  fontana  (s.  Fontäne). 

foppen,  V.:  zum  besten  haben,  neckend 
plagen.  Aus  dem  Rotwelschen  (Gaunersprache), 
wo  am  Anfang  des  16.  Jh.  vopen,  voppen 
«beti-ügen,  lügen»  im  liber  Vagatorum  (Kluge 
Rotwelsch  35,  78)  vorkommt.  Schon  1343 
begegnet  im  Augsburger  Achtbuch  fopperin 


«die  nement  sich  uusinne  an  und  versagens» 
(Kluge  2),  um  1450  vopper  (Kluge  13)  in  den 
Basler  Betrügnissen,  1457  bei  Matthias  von 
Kemnat  ivopper,  wapper  (Kluge  26),  1561 
bei  Maaler  voppen  «praevaricari»,  1618  bei 
Schönsleder  foppen  «vexirn»,  aber  noch  1691 
von  Stieler  als  «vocabulum  plebejum  et 
sordidum»,  von  Adelung  1775  als  niedrig  und 
niedersächsisch  bezeichnet.  ABL.  Fopperei, 
f.,  1561  bei  Maaler  vopper ey. 

Force,  f.:  Kraft.  1714  bei  Wächtler  aus 
franz.  force  f.,  gleichzeitig  die  volkstümliche 
Aussprache  Forsche.  S.  forsch.  ABL.  for- 
cieren, V.:  mit  Gewalt  nehmen  oder  durch- 
setzen, überanstrengen.  1673  bei  Weise  Erzn. 
152.    Aus  gleichbed.  franz.  forcer. 

Förde  (mit  langem  ö),  f.  (PI.  -n):  lang- 
gestreckter Meerbusen.  Nd.  aus  dem  Norden 
entlehnt,  anord.  fjördr  m.,  dän.-norw.  fjord, 
schwed.  fjärd,  schott.  firth  «Meeresbucht»  (aus 
dem  Nord.).  Es  gehört  mit  deutsch  Furt 
zu  lat.  portus  m.  «Hafen»  u.  a. 

fordern,  v.:  zu  erkennen  geben,  daß  es 
womit  vorwärts  kommen  solle,  dann  daß  es 
man  haben  woUe  oder  müsse.  Mhd.  vordem, 
ahd.  fordaron,  abgeleitet  vom  ahd.  Adj.  for- 
dar  «vorder»,  Adv.  mhd.  vorder  «vorwärts». 
Daneben  mit  Ausstoßung  des  r,  die  auf  Dissi- 
milation beruht  (wie  im  14.  Jh.  bei  Megen- 
berg  das  Adj.  voder  «vorder»,  bei  Luther 
das  Adv.  fodder  «vox'wärts»  und  wie  Köder 
aus  mhd.  querder),  urspr.  ostmd.  fodern 
(beim  Volke  mit  kurzem,  im  spätem  Nhd. 
mit  langem  o),  schon  im  14.  Jh.  bei  Megen- 
berg  vodern,  bei  Luther  gewöhnlich  foddern, 
selten  fordern,  bei  Henisch,  Duez,  Stieler, 
Ludwig  fordern  und  fodern,  letzteres  nament- 
lich in  der  Dichtersprache  festgehalten  (Les- 
sing 1,  4,  Schiller  12,  366,  Goethe  Tasso  1273, 
Rückei-t  1,  359).  ABL.  Forderung,  f.  (PI. 
-e7i),  mhd.  vorderunge,  ahd.  fordarunga  f. 

fördern,  v.:  vorwärtsbringen;  (bergmän- 
nisch) in  und  aus  dem  Schacht  fortschaffen 
(1562  bei  Mathesius  Sar.  1963-  fodern,  s.  u.). 
Älternhd.  fürdern,  mhd.  vürdern,  ahd.  für diren, 
abgeleitet  vom  Adv.  ahd.  furdir,  mhd.  viir- 
der,  nhd.  für  der,  förder  «vorwärts».  Daneben 
mit  Ausfall  des  r  (wie  schon  spätmhd.  fuder, 
füder  statt  fürder,  vgl.  auch  fordern)  md. 
fodern  bei  Ayrer  2049,  31,  Opitz,  Logau, 
Lessing  Nathan  1,  1,  spätmhd.  1445  füdern 
(Schmeller^  1,  753),  1429  füederen  (Lib.  ord. 
rer.  25^=).  ABL.  Förderer,  m.,  spätmhd. 
furderer,  daneben  fudrer.    förderlich,  adj., 


569 


Forelle 


Forst 


570 


bei  Keisersberg  Pred.  45%  mhd.  vürderlich, 
daneben  vüderlich.  Förderung,  f.,  mbd. 
vürderunge,  vurderunge,  daneben  im  14.  Jh. 
fuderunge. 

Forelle,  f.  (PI.  -n)-.    der  Süßwassei-fisch 
salmo  fario.    Ahd.  forhana,  and.  farhna,  mhd. 
vorhen,  vorhe,  nhd.  Fohre  (Ambraser  Ldb.  182, ! 
noch  bei  Musäus  VM.  1,  33),  bayr.  Förch  f. ; ' 
durch  Weiterbildung   mit   dem  diminutiven 
-le   und  Betonung   der  Mittelsübe   (wie  bei  j 
lebendig,  Schlaraffe)  entstand  aus  vorhe(n)le  \ 
die   Form   Forelle   (1549   bei   Ebner- Peucer  ; 
Voc.  D  4'',  1562  bei  Mathesius  Sarepta  201  ^), 
gekürzt  Forell  (Alberus  Fab.  42,  53,   Forer  i 
Fischb.  113^),  andrerseits  mit  Wahrung  der, 
Stammsilben-Betonung  mhd.  vorfiel,  vörliel  f. 
(1537    bei   Dasypodius    forhel,    noch    oberd. 
Förchel)   und   älternhd.  Forel   (Dasypodius, 
Schotte!).     Ahd.  forhana  wird  meist  zu  gr. 
TrepKvöc   «Schwarzblau,    dunkelfarbig»,    aind. 
prgnis  «gesprenkelt,  bunt»  gestellt,   so  daß 
die  urspr.  Bed.  «die  bunte,  getüpfelte»  wäre, 
vgl.   russ.  pestrjüga    f.    zu  pestryj    «brmt». 
Außerdem  gehören  dazu  ir.  orc  m.  «Lachs», 
ir.  erc  «Forelle»,  gr.  ir^pKri  f.  «Barsch». 

Forke,  f.  (PI.  -n):  große  Gabel.  Mhd. 
furke,  ahd.  furka  f.;  dazu  mnd.  vorke,  nd. 
forkey  ndl.  vork,  afries.  furke,  forke  f.,  ags. 
forca  m.,  engl,  fork,  anord.  forkr  m.  Ent- 
lehnt aus  lat.  fiirca  f.  «Gabel». 

Forkel,  f.  (PI.  -n),  weidmännisch:  Gabel- 
stange zum  Aufstellen  der  Tücher  und  Netze. 
1719  bei  Fleming  teutscher  Jäger  106  Forkel, 
1768  bei  Heppe  Jäger  Fm'kel,  Forchel,  Furchel, 
1482  im  Voc.  theut.  16=».  8^  furckel  do  mit 
nian  die  netze  stellt,  ahd.  furcula  f.  «Haken». 
Aus  lat.  furcula  f.  «gabelförmige  Stütze,  Dim. 
von  furca  f.  «Gabel». 

Form,  f.  (PI.  -en):  Gestalt,  Weise  der 
äußern  Erscheinung:  Muster,  wonach  etwas 
gestaltet  wird.  Mhd.  (erst  um  1250)  und 
noch  bei  Luther  forme  f.  aus  gleichbed.  lat. 
forma  f.  ABL.  formen,  v. :  gestalten,  bilden ; 
mhd.  formen,  förmig,  in  ein-,  gleich-,  kegel- 
förmig, 1469  mrhein.  formig  «gestaltet,  ge- 
bildet» (Voc.  ex  quo),  förmlich,  adj.  u. 
adv.,  mhd.  formelich,  förmelich,  Adv.  forme- 
liehe;  davon  Förmlichkeit,  f.,  1691  bei 
Stieler.  formlos,  adj.  u.  adv.,  mhd.  forme- 
los. —  Femer  hierher  gehörig:  formal,  adj. 
und  adv.:  auf  die  Form  bezüglich,  1678  bei 
Krämer,  aus  dem  gleichbed.  lat.  Adj.  formälis; 
dazu  Formalität,  f.  (PI.  -en):  Formwerk, 
1694   bei   Nehring,    aus    mlat.  formalitas   f. 


Format,  u.  (-es,  PI.  -e):  Höhe  und  Breite 
eines  Buches  usw.,  1594  bei  Frischlin  Nomencl. 
Kap.  78,  1558  bei  Rivius  geometr.  Büxen- 
meisterey  3,  1,  29*,  aus  lat.  formätum,  dem 
substantivisch  gesetzten  Neutr.  des  Partiz. 
Prät.  Pass.  (formätus)  von  formäre.  Formel, 
f.  (PI.  -n):  im  Worte  gefaßte  Vorschrift,  1571 
bei  Rot  formel,  1616  bei  Henisch  noch  Formul, 
aus  lat.  formula  f.  «Gestalt,  Vorschrift,  vor- 
schriftsartige  Fassung»,  dem  Dim.  von  forma. 
formell,  adj.  u.  adv.,  im  18.  Jh.  aus  dem 
franz.  Adj.  formel,  von  lat.  formälis  (s.  formal). 
formieren,  v.:  gestalten,  formen  (s.  d.); 
mhd.  formieren,  vom  gleichbed.  lat.  formäre. 
Formular,  n.  {-s,  PI.  -e):  als  Vorschrift 
geltende  Abfassung  wofür,  1571  bei  Rot;  dazu 
ndl.  1599  bei  Kilian  formulaer  n.  formu- 
lieren, V.:  in  eine  Formel  (s.  d.)  bringen, 
erst  im  19.  Jh.,  wie  es  scheint. 

forsch,  adj.  u.  adv.:  kräftig,  derb.  Erst 
im  19.  Jh.,  besonders  durch  die  Studenten- 
sprache verbreitet,  mit  md.  seh  aus  dem  nd. 
fors,  mnd.  fors,  von  franz.  force  f.  «Kraft». 
S.  Force. 

forschen,  v.:  eifrig  und  genau  wonach 
fragen  oder  suchen.  Mhd.  vorsehen,  ahd. 
forscön.  Verwandt  mit  lat.  poscere  (aus 
*porscere)  «fordern,  verlangen»,  amd.pracch- 
« fragen»,  mit  Verlust  eines  Gutturals  aus 
*forhsk-  und  zu  fragen  gehörig,  s.  d.  sk  war 
eigentlich  Präsenssuffix.  ABL.  Forscher, 
m.  (-S,  PI.  wie  Sg.),  mhd.  vorschcere  m. 
I  Forschung,  f.,  mhd.  vorschunge,  ahd.  for- 
scunga  f. 

Forst,  m.  {-es,  PI.  -e),  in  Norddeutsch- 
I  land  auch  f. :  bewii'tschafteter  Wald.     Mhd. 
I  forst,  vor  st  m.  (selten  vorste  f.),    ahd.  forst 
VI. ;    dazu   afranz.  forest  f.   (woraus  entlehnt 
I  mhd.  forest,  fores,  foreist,  foreis,  foreht  n.), 
nfranz.  foret,  ital.  foresta,  span.-port.  (an  flor 
langelehnt)   floresta   f.,   aus   mlai.' forestis  f. 
!  (zuerst    in    einer   Urkunde    des    fränkischen 
Königs  Childebert  I.  von  556  forestis  nostra 
im  Pariser  Gau,  bei  Pertz  Dipl.  1,  7).  später 
forestus  m.,  foresta,  forasta  f.,  forestum,  fora- 
stum  n.   «der   dem   Herrscher   vorbehaltene, 
dem   Wildbann    unterworfene,    nicht   einge- 
zäunte  Wald».      Dies    wird    abgeleitet    von 
dem  lat.  Adv.  foris,  foras  «außerhalb»,  wo- 
von auch  das  spätlat.  Adj.  forasticus  «äußer- 
lich»; demnach  die  urspr.  Bed.  «was  außer- 
halb liegt,  ausgenommen  ist,  nicht  betreten 
werden  darf"».    Meringer  Idg.  Forsch.  18,  259 
und  Wiedemann   Bezz.Btr.  28,    18    erklären 


571 


Fort 


Frage 


572 


forst  als  echt  german.  Wort  aus  *forhst  und  i 
stellen  es  zu  osk,  pestlüm  «templum».  Das  | 
Wort  kann  auch  zu  ahd.  forha  f.  «Föhre»  ; 
gehören.  ABL.  forsten  in  durchforsten,  | 
V.:  forstmäßig  von  auszuhauenden  Bäumen  i 
befreien.  Förster,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.),  | 
mhd.  vor  Stare,  spätahd.  (12.  Jh.)  forstari,  aus  j 
mlat.  forestarius  m.;  davon  Försterei,  f., 
1413  forsterye,  1406  vorsterie  (Germania  20,  \ 
31.  28,  366).     ZUS.  Forstmeister,  m.: 

höherer,  über  eine  Anzahl  Förster  gesetzter 
Beamter;  mhd.  forstnieister  «Förster».  Forst-  ; 
wart,  m.  (-es,  PI.  -e):  niederer  Angestellter 
zum   Schutze    des  Forstes,   erst   im  19.  Jh., 
früher  Holzwart  (1580  bei  Sebiz  563). 

Fort,  n.  (spr.  för,  Gen.  -s,  PI.  -s) :  kleine 
Festung,  Beifestung.  1616  bei  Henisch  Fort 
(ebenso  1616  bei  Wallhausen  Kriegsmanual  78 
mit  dem  Plui*.  die  Forten),  nach  dem  ndl. 
fort  aus  dem  gleichbed.  franz.  fort  m.  urspr. 
«Stärke»,  abgeleitet  von  dem  lat.  Adj.  fortis 
«stark». 

fort,   adv.:   von    einem  Orte  weg;    ohne 
Aufhören    in   Bewegung,      ürspr.   in   Nord- 
und    ^Mitteldeutschland    heimisch,    mit    der  j 
Grundbed.  «voi'wärts».     Mhd.  und  vorzugs- 
weise  md.   vort   «vorwärts,    voran,    weiter,  \ 
fortan»,  mit  der  Nebenform  fürt,  wie  noch  i 
älternhd.  fürt  und  fürt:    dazu   asächs.  ford,  '■ 
ndl.    voort,    afries.    forth,    ags.    ford,    engl, 
forth.    Abgeleitet  von  vor  (s.  d.).  Vgl.  fürder. 
ZUS.  fortan,  adv.,  forthin,  adv.,  beide  bei  i 
Luther,    fortfahren,  v. :  gerichtlich  weiter  i 
verfahren,  Idit.procedere  (Schiller  9, 19);  weiter  ' 
fahren,  in  übertragner  Bed.  fortsetzen.    Bei- ; 
des  bei  Luther,     fortpflanzen,   v. :   pflan- 
zend weiter  verbreiten.    In  eigentl.  Bed.  bei 
Luther  Tischr.  251**,  in  übertragner  1691  bei 
Stieler.      Davon   Fortpflanzung,   f ,    1619 
bei  Albertmus  Lustg.  124**.     Fortschritt, 
m.  (-es,  PI.  -e):  das  Fortschreiten  (Wieland 
30,  285);  in  übertragner  Bed.  um   1750  auf- 
kommend.     Seit   den   di-eißiger  Jahren   des  j 
19.  Jh.  politisches  Schlagwort.     Vgl.  Laden- 
dorf,    fortsetzen,  v.,  in  übertragner  Bed. 
1616  bei  Henisch. 

Fortepiano,  s.  Pianoforte. 

Fortiflkatiön,  f.  (PI.  -en):  Befestigung; 
Befestigungswerk.  Festungsbauamt.  Aus  franz. 
gleichbed.  fortification  f.,  und  dies  aus  lat. 
fortificatio  f.,  zusamm enges,  aus  forte  «stark» 
und  ficatio  von  facere  «machen».  Bei  Wall- 
hausen corp.  mil.  Schon  bei  Rot  1572  forti- 1 
ficim  «sterken,  kreflftigen».  [ 


Fossfl,  n.  (-[e]s,  PI.  Fossilien):  Berg-, 
Grubengut;  Versteinerung.  Im  18.  Jh.  (1775 
bei  Adelung)  aus  nlat.  fossile  (PI.  fossüia), 
dem  substantivisch  gesetzten  Neutr.  des  lat. 
Adj.  fossilis  «ausgegi-aben»,  von  lat.  fodere 
«graben». 

FÖtzel,  Fetzel,  m.:  elender  Kerl,  Lump. 
In  der  Schweiz  und  im  Elsaß.  Von  Gott- 
helf  und  von  KeUer  gebraucht.  Wohl  Ab- 
leitung von  fotz,  s.  Hundsfott.  Goethe  braucht 
als  Schimpfwort  Matzfotz. 

Foy6r  (spr.  foaje),  m.  u.  n.  (-s,  PI.  -s): 
Herd;  Vor-,  Wandelhalle  (bes.  im  Theater). 
Aus  franz.  foyer  m.  «Versammlungszimmer», 
eig.  «heizbarer  Raum»  aus  lat.  focärius  «zum 
Herd  gehöi'ig»  von  focus  m.  «Herd».  Bei 
Campe  1813. 

Fracht,  f.  (PI.  -en):  Verdienst  (Fahrlohn) 
für  Güterverführung;  Wagen-,  Schiffsladung. 
1616  bei  Henisch  aus  gleichbed.  nd.  fr  acht, 
ndl.  vracht  f.  (1599  bei  Kilian);  dazu  engl. 
fraught,  freight.  Eins  mit  ahd.  freht  f.  «Ver- 
dienst, Lohn»  (auch  freiht  in  pa  unfreihti 
«unverdient»,  eig.  «bei  ün verdientheit»),  and. 
fre[hti]  (?)  «Verdienst»,  das  zu  eigen  (s.  d.) 
zu  stellen  und  dessen  fr  aus  ahd.  far-,  got.  ■ 
fra-  «ver-»  gekürzt  ist  (vgl.  fressen,  Frevel). 
Auch  ins  Romanische  gedrungen,  franz.  frei, 
port.  frete,  span.  flete  m.  «Schiffsmiete». 
Doch  werden  diese  auch  anders  erklärt. 
Davon  frachten,  v.:  wohin  verfahren,  mit 
Ladung  beschweren,  Frachtschiffahrt  ausüben. 
1616  bei  Henisch,  aus  gleichbed.  nd.  frachten, 
ndl.  vrachten  (1599  bei  Kihan);  eins  mit  ahd. 
frehton  in  gafrehtön  «verdienen». 

Frack,  m.  {-es,  PI.  Fräcke,  Fracks):  an 
den  Vorderschößen  ausgeschnittener  Leibrock. 
1774bei  Goethe  Werther  (6.  Sept.).  Um  dieMitte 
des  18.  Jh.  dui-ch  franz.  frac,  fraqae  anglais 
m.  aus  engl,  frock  (leichter  vorn  ausge- 
schnittener Reitrock)  entlehnt,  das  aus  mlat. 
froccus,  floccus  m.  «Kutte,  Rock», "  urspr. 
«flockiger  Stoff»  (siehe  Flocke),  franz.  froc 
«Mönchskutte»  entnommen  ist;  andre  wollen 
das  franz.  froc  nach  mlat.  hroccus  auf  ahd. 
kroch  m.  «Rock»  zurückführen. 

Frage,  f.  (PI.  -n),  mhd.  vräge,  ahd.  fräga; 
dazu  ndl.  vraag  f.  Von  fragen,  v.:  durch 
Worte  zu  einem  dieselben  ergänzenden  Gegen- 
wort oderGegenui'teil  auffordern.  ^Thd.vrägen, 
ahd.  fragen  und  frähen:  dazu  asächs.  frägön, 
mndl.  vraghen,!  ndl.  vragen  mit  schwacher 
Flexion,  zu  gleichbed.  stai-kflektiertem  got. 
fraihnan  (Prät.  froh,  PI.  frehun),  ags.  frignan. 


573 


Fragment 


frankieren 


574 


anord.  fregna  (erkunden,  Vrätfrä,  Vl.frägum), 
auch  asächs.  Prät,  fragn,  3.  PI.  frugnun.  Aus 
der  nd.  Volkssprache  machte  sich  bei  nord- 
deutschen Schriftstellern  im  18.  Jh.  das  starke 
Prät.  frug  geltend  (1732  bei  Liscow  69,  1758 
bei  Ew.  V.  Kleist  neue  Ged.  57,  auch  bei  Goethe 
venez.  Epigr.  di^,  Schiller  Kaiios  2,  8  und 
Picc.  4,  6),  sowie  der  Ind.  Präs.  fragst,  fragt 
(du  fragest,  er  fraget,  wie  die  Nieder- Sachsen 
gern  sprechen  Freyer  1722),  auch  bei  Goethe, 
der  auf  Analogiebildung  nach  tragen,  schlagen 
beruht  (nicht  auf  der  schwach  flektierten 
mhd.  und  besonders  md.  Nebenform  vregen), 
und  den  schon  Freyer  Orthogi-aphie  279  ver- 
wirft, ebenso  Gottsched  Grundlegung  271  und 
Adelung  1775,  die  sich  auch  gegen  frug  er- 
klären. Verwandt  sind  lat,  precäri  «bitten», 
preces  f.  «die  Bitten»,  procus  m.  «Freier», 
]it.  prasiti  «fordern,  bitten»,  jnfsti  «den  Frei- 
werber m"achen»,  abg.  prositi  «bitten»,  aind. 
pragnäs  «Frage»,  aw.  pdrasaiti  «er  fragt», 
apers.  aparsavi  «ich  fragte»,  arm. Aar?  «Frage», 
JÜxrganem  «ich  frage».  ABL.  fraglich,  adj.: 
in  Frage  stehend.  Bei  Campe,  ahd.  fragelicho 
adv.  «in  fragender  Weise».  ZUS.  Frage- 
wort, n.  {-es,  PI.  -ivörter),  1691  bei  Stieler. 
Fragezeichen,  n.,  um  1522  bei  Ickelsamer 
48  fragzeichen,  fragwürdig,  adj.:  zweifel- 
haft, zuerst  bei  A.  W.  Schlegel  Hamlet  4,  1 
als  Übersetzung  des  engl,  questionable. 

Fragment,  n.  {-s,  PI.  -e)-.  Bi-uchstück. 
1571  bei  Rot,  aus  gleichbed.  lat.  fragmentum  n. 
ABL.  fragmentarisch,  adj.:  in  Bruch- 
stücken.    Im  18.  Jh. 

Fragner,  m.  (-s,  PI,  wie  Sg.),  eigenthch 
Pfragner:  berechtigter  Kleinhändler  in  Mehl, 
Gemüse  u,  a.,  in  Bayern  und  Osterreich. 
Mhd.  p  fr  agener,  pfragner,  pfregener,  pfregner, 
vragener,  fragner  «Kleinhändler»,  ahd. pifrage- 
nari  m.  «Marktmeister»,  abgeleitet  von  ahd. 
pfragina  f.  «Schranke»  (im  11.  Jh.),  mhd. 
pfragen  m.  «Markt,  Handel,  Wucher».  Dies 
gehört  wohl  zu  got.  anapraggan  «bedrängen», 
ndl.-ndd.  prangen,  mhd.  p  fr  engen  «driicken, 
pressen».  Dazu  schwed.  prang  «enge  Gasse, 
Schlund»,  das  Johansson  KZ.  36,  346  mit  gr. 
ßpÖYXoc  «Luftröhre,  Schlund»  verbunden  hat. 
Fraisen,  PI.,  auch  Sg.  Frais  u.  Fraisch  f. : 
krampfhafter  An-  und  Zufall;  Fallsucht; 
Schaueranfall  bei  einem  Kinde;  peinliches 
Gericht.  In  Franken,  Bayern  u.  Osterreich. 
1616  bei  Henisch  fraiß,  freiß  «Epilepsie», 
bei  Musäus  Volksm.  1,  96  Fräsch  n.,  1578 
bei  Lonicerus  Freislich  n.    Aus  mhd.  vreise, 


ahd.  freisa  i.  «Gefährdung,  Gefahr,  Schrecken, 
Verderben»;  dazu  asächs.  fresa  f.  «Gefahr, 
Lebensgefahr»,  ndl.  irees,  früher  vreese  f. 
«Angst,  Kummer,  Furcht,  Schrecken»,  zu 
got.  fräisan  «versuchen,  in  Versuchung  führen», 
das  vielleicht  zu  aind.  ^resas  m.  «Antrieb,  Be- 
strebung», pres-  x\dj. «vordringend,  di'ängend» 
gehört. 

Fraktion,  f.  (PI.  -en):  Teil  einer  poü- 
tischen  Partei.  Bei  Campe.  Aus  lat.  fractio  f. 
«Brechung». 

Fraktur,  f.  (PI. -en):  Knochenbrach;  ge- 
brochene Eckschiift,  gewöhnliche  deutsche 
Druckschrift.  1571  bei  Rot,  aus  Xai.fractürai. 
«Bruch»  von  \a.i.  frangere  «brechen».  Redens- 
art F.  mit  jemand  sprechen  « derb,  grob  mit 
ihm  reden»;  über  F.  schreiben  vgl.  Gombert 
ZfdW.  7,  139. 

Franje,  f.,  s.  Franse. 

frank,  adj.:  unabhängig,  frei.  1482  im 
im  Voc.  theut.  i2^  franck,  francko.  Aufge- 
nommen aus  franz.  franc,  ital.-span.  franco, 
von  dem  ums  J.  400  vorkommenden  deutsch- 
lat.  francus  «fränkisch».     S.  Franke. 

Frank,  auch  Franken,  m.  {-en,  PI.  -en): 
französische  Silbermünze  im  Werte  von  80 
Pfennigen.  Bereits  im  17.  Jh.  aus  der  franz. 
Benennung  franc,  von  franz.  J'Vawc  «Franzose»; 
aber  schon  1385  in  deutschen  Reichstagsakten 
kommt  franke  m.  als  Bezeichnung  einer 
21 V2  Weißpfennig  geltenden  Münze  (Germania 
20,  31),  1393  als  Goldmünze  (Städtechron. 
9,  998,  27)  vor. 

Franke,  m.  (-«,  PI.  -n),  Volksname,  der 
bei  lat.  Schriftstellern  seit  der  zweiten  Hälfte 
des  3.  Jh.  n.Chr.  hervortritt;  auch  für  Franzose 
(1616  bei  Henisch,  besonders  seit  der  Revo- 
lution von  1789).  Mhd.  Franke,  ahd.  Francho: 
dazu  ags.  Franca,  anord.  Frakki  m.  Die 
Annahme,  daß  das  Volk  nach  seiner  Lieb- 
lingswaffe, ags.  franca,  anord.  frakka,  dann 
westgot.  im  7.  Jh.  francisca,  benannt  sei,  ist 
kaum  haltbar.  Vielmehr  heißt  die  Waffe 
wohl  nach  dem  Stamm.  Franken,  n.,  deut- 
scher Landesname,  mhd.  Tranken,  Franken, 
ahd.  in  Frankon,  ist  Dat.  PL  des  Volksnamens. 
ABL.  fränkisch,  adj.,  mhd.  vrenkisch,  fren- 
kisch,  ahd.  frenkisg.  ZZ7S.  Frankreich,  n.: 
Landesname,  mhd.  Francriche,  Frankenriche. 

frankieren,  v.:  versendungs-,  postfrei 
machen.  Im  17.  Jh.  (bei  Schupp  256).  Aus 
ital.  francare  «frei  machen»,  von  franko, 
adj.:  versendungs-,  postfrei.  Im  Anfang  des 
17.  Jh.  aus  ital.  franco  «frei»,  s.  frank. 


575 


Franktireur 


Fratz 


576 


Franktireur,  m.  {-s,  PI.  -s):  französi- 
scher Freischärler.  Aus  franz.  franctireur, 
abgeleitet  von  franc  «frei»  u.  -tireur  «Schütze». 
1870  aufgenommen. 

Franse,  f.  (PL  -n)  -  Faden-,  Troddelsaum. 
Bei  Luther  Franße,  um  1480  im  Voc.  incip. 
teut.eS**  fransen  «Stii-nband»,  spätmhd.  franze 
f.  (noch  1739  bei  Amaranthes  J^'ran^^'ew);  da- 
zu ndl.  franje  n.,  nd.  franje  f.  Aus  franz. 
frange,  ital.  frangia,  von  mlat.  fringia,  das 
aus  lat.  fimhria  f.  «Faser,  Franse»,  durch 
Wandlung  in  frinibia  hervorgegangen  ist. 
ABL,  fransen,  v.:  mit  Fransen  besetzen; 
(intrans.  und  refl.)  ausfasera.  In  der  1.  Bed, 
mhd.  franzen,  aus  gleichbed.  franz.  franger. 
fransig,  adj.,  1691  bei  Stieler  franzicht. 

Franz,  Mannesname.  Gekürzt  aus  mlat. 
Franciscus  «der  Franke».  Dazu  das  Dim. 
Fränzchen. 

Franze,  m.  (-%,  PI.  -n)  -.  Franzose  (s.  d.). 
Mhd.  Franze.  ZUS.  Franzl)and,  m.  (-es, 
PI.  -bände) :  französischer  Ledereinband  eines 
Buches.  1775  bei  Adelung.  Franzbrannt- 
wein, m,  (-S,  PI.  -e):  aus  Weinhefe  destil- 
lierter Branntwein,  urspr.  französischer  Brannt- 
wein. 1716  bei  Ludwig.  Franzlbrot,  n. 
{-es,  PI.  -e):  Mundsemmel,  urspr.  eine  fran- 
zösische Semmelpastete,  1715  bei  Amaranthes. 
Franzmann,  m.  [-es,  PI.  -männer):  Franzose, 
1678  bei  Krämer;  dazu  ndl.  Fransnian  vom 
Adj.  frans  «französisch».  Franzobst,  n. 
{-es):  an  Zwergbäumen  nach  französischer 
Art  gezogenes  Obst,  1773  bei  Amaranthes 
(3.  Aufl.).  Franzwein,  n.  {-es,  PI.  -e): 
französischer  Wein,   1691  bei  Stieler. 

Franziska,  Frauenname.  Aus  mlat. 
Francisca,  dem  Fem.  von  Franciscus  «Franke» 
(s.  Franz).  Dazu  das  Dim.  Fränzchen  (Goethe 
1,  43). 

Französe,  m.  {-n,  PI.  -n):  Angehöriger 
Frankreichs.  Mhd.  Franzois,  Franzeis,  auch 
Franzoise,  Franzose,  aus  franz.  Frangois, 
heute  Frangais  «Franzose»,  hervorgegangen 
aus  mlat.  Franciensis  (woher  auch  ital. 
Francese,  span.  Frances),  das  von  lat.  Francia 
«Frankenland»  (woraus  franz.  France  «Frank- 
reich») abgeleitet  ist.  Plur.  die  Franzosen: 
Lustseuche,  Syphilis,  so  benannt  seit  der 
Belagerung  Neapels  durch  die  Franzosen  1493, 
in  deren  Lager  die  Krankheit  epidemisch 
auftrat  und  sich  von  da  rasch  durch  Italien 
1495  nach  Süddeutschland  und  dem  Rheine 
ausbreitete  (1519  bei  Murner  in  Böckings 
Hütten  5,  400).   ABL.  Französin,  f.,  mhd. 


Franzoisinne.  französisch,  adj.,  spätmhd. 
französisch  (die  falsch  Beicht,  Münchner 
Hs.  B1.215''),  1507  bei  Wilwolt  von  Schaum- 
burg 84  fg. /raw^^öisfscÄ,  franzosisch.  Abgeleitet 
von  dem  mhd.  Adj.  franzois,  franzeis.  Im 
Volksmunde  französch  (1671  bei  Leucoleon 
Galamelite  149),  1646  bei  Moscherosch  Phi- 
lander 1,  112  und  1691  bei  Stieler  franzöisch. 

frappant,  adj.:  auffallend.  1774  bei  Goethe 
Werther  (d.  j.  Goethe  3,  298).  Aus  gleich- 
bed. franz.  frappant,  Part.  Präs.  von  frapper 
«schlagen,  klopfen,  Eindruck  machen»,  woraus 
frappieren,  v.:  stutzig  machen,  in  der 
1.  Hälfte  des  18.  Jh. 

Fraß,  m.  {-es,  PI.  -e) :  Fresser  (bei  Luther, 
jetzt  nur  noch  in  Vielfraß^,  das  Fressen, 
die  Fresserei;  Tiernahrung.  Mhd.  vräg  (PI. 
vrä^e  und  vrcege)  in  den  beiden  ersten  Bed., 
ahd.  frag  m.  «Fresser»;  dazu  mndl.  vraet, 
ndl.  vraat  m.  «Vielfraß».  ABL.  fräßig, 
adj.:  vielfressend  (Lessing  1,  90),  häufiger 
gefräßig.  Mhd.  vrcegic,  ahd.  frägig;  dazu 
ndl.  vratig. 

fraternisieren,  v.:  Bruderschaft  schlie- 
ßen. Aus  gleichbed.  franz.  fraterniser,  ab- 
geleitet von  lat.  fraternus  «brüderlich».  Zur 
Zeit  der  französ.  Revolution  als  politisches 
Schlagwoi't  entlehnt.     Vgl.  Lädendorf. 

Fratschler,  Frätschler,  m.  {-s,  PI. 
i  wie  Sg.):  Trödler,  Zwischenhändler,  Mäkler. 
j  Österreichisch-bayrisch.  1482  im  Voc.  theut. 
y  8*  jp/refenerm  «Frätschlerin».  Von  österr.- 
bayr.  frätschelu,  V.:  sich  als  Unterhändler, 
Mäkler,  zum  Aufkaufen  von  Eßwaren  usw. 
brauchen  lassen  (urspr.  wiederholt  fragen, 
ausfrägeln,  dann  unterhandeln). 

fratt,  adj.:  wund  durch  Reiben.  Neben- 
foi'm  frät  1678  bei  Krämer.  Mhd.  vrat.  Da- 
von freuen  (s.  d.).  Älternhd.  auch  in  der 
Bed.  «zerbröckelnd,  halbfaul,  abgerieben, 
durchtrieben».     Noch  obd. 

Fratz,  m.  {-en,  PI.  -en):  abenteuerliche, 
alberne,  kindische  Person,  Narr;  ungezogenes 
Kind.  Zuerst  älternhd.  (bei  Fischart  Garg. 
251).  Von  Fratze,  f.  (PI.  -n):  lächerlich- 
abenteuei-liche  Erzählung,  Geschwätz;  ins 
Lächerliche  verzogenes,  entstelltes  Gesicht, 
Zerrbild  {Fratzengesicht  1741  bei  Fi-isch). 
Zuerst  älternhd.  (1521  bei  Luther  3,  523  W. 
in  der  Bed.  «Posse  (so  noch  Goethe  Faust 
1739),  albernes  lächerliches  Gerede»,  Waldis  1, 
50  fratzen  reißen);  aus  dem  Deutschen  ent- 
lehnt ndl.  fratsen  PI.  «Possen,  Albernheiten. 
Wunderlichkeiten».    Wohl  aus  dem  ital.  PI. 


577 


Frau 


frei 


578 


frasclie  «Possen,  Albernheiten»,  (dessen  Sg. 
f'rasca  f.  «belaubter  Ast,  Bierzeichen»,  dann 
«leichtsinniger  Fratz»),  dem  auch  franz. 
frasque  f.  «Posse»  entstammt. 

Frau,  f.  (PI.  -en):  Herrin;  Verehelichte 
(Hausherrin);  erwachsene  Person  weibHchen 
Geschlechts.  Im  Gen.  und  Dat.  Sg.  noch 
mit  Bewahrung  der  alten  schwachen  Flexion 
Frauen  bei  Dichtern  (Wieland  Oberon  12,  25, 
Goethe  Iph.  1965,  nat.  Tochter  2289,  Faust 
9221)  und  in  dem  formelhaft  erstai-rten  Genitiv 
unserer  liehen  Frauen  (Jungfrau  Maria),  selten 
im  Akk.  (Goethe  Pater  Brey  31).  Alter nhd. 
fratve  (altertümelnd  noch  bei  Eichendorff 
Taugenichts  13  Fraue),  mhd.  vrouwe,  gekürzt 
vrou,  vor  Xamen  als  Ehrentitel  ver,  fer,  ahd. 
frouwa  f.;  dazu  andd.  früa,  mndl.  vrouwe, 
ndl.  vromv,  afries.  frowe,  anord.  (der  Name 
der  Göttin)  Freyja.  Weibliche  Form  von 
ahd.  fro,  ,got.  frauja,  asächs.  fräho,  fröho, 
fröjo,  ags.frea  und  frigea  m.  «HeiT»  (s.  fron), 
anord.  (Name  des  Gottes)  Freyr,  abgeleitet 
vom  Stanime  fra  «vom»,  wie  ablautend  aind. 
pärvas,  pürvjns  «vorderer»,  aw.  pourva-, 
abg.  prüvil  «vorderer,  erster»  stimmen.  Vgl. 
Fürst  ZUS.  Frauenbild,  n.  {-es,  PI.  -er), 
in  eig.  Bed.  und  in  übertragener  für  Frau 
schon  mhd.  vrouivenhüde  n.  Frauenspersou,  j 
f.  (PI.  -en),  1616  bei  Henisch  frauenperson. : 
ndrrhein.  1474  vrauwen  persoen  (Wienstraat ' 
S.  9  Groote),  köln.  im  15.  Jh.  vrauicenper- ' 
schone  (Frommann  3, 57  *).  Frauenzimmer, 
n.  (-S,  PI.  wie  Sg.) :  abgesondertes  Gemach  für 
die  Frauen  und  Dienerinnen  am  Hofe  (spät- 1 
mhd.  im  15.  Jh.  vrouwenzimmer),  dann  (vom 
Anfang  des  16.  bis  gegen  Ende  des  18.  Jh.) 
Gesamtheit  der  darin  wohnenden  Frauen,  weib- 
liches Gefolge  (Liliencron  3,  74  vom  J.  1512), 
Gesamtheit  von  Frauen  (Teuerdank  20,  123),  j 
endlich  (seit  Anfang  des  17.  Jh.,  1622  bei 
Opitz  2,  257  Amst.,  1648  bei  Zesen  Ibr.  478)  ' 
Person  weibhchen  Geschlechts  von  Stande, 
heutzutage  in  Norddeutschland  «Frauens- 
person» mit  verächtlichem  Nebensinne.  — 
Frauen-  in  Tier-,  Pflanzen-  und  Mineral- 
uamen  ist  fast  immer  gekürzt  aus  unserer 
lieben  Frauen  (s.  o.),  z.  B.  Frauendistel, 
f.:  Mariendistel,  spätmhd.  frowendistel  (Diefen- 
bach  Gloss,  393^).  Fraueneis,  Frauen- 
glas, n.:  Marienglas,  ersteres  1612  bei  Thur- 
neisser,  letzteres  1741  bei  Frisch.  Frauen- 
haar, n.:  die  Pflanze  Adiantum  capülus 
Veneris,  spätmhd.  vrouwenhär  (Diefenbach 
Gloss.  97  ^).  Frauenkäfer,  m, :  Marienkäfer, , 

Weigand,   Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


lat.  coccinella.  Frauenschuh,  m.:  die  Pflanze 
Cjpripedium  calceolus,   Marienschuh. 

Fräulein,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg,,  auch  -s): 
unverheiratete  weibhche  Person  von  Stande; 
Ehrenbezeichnung  einer  noch  Unverheirateten 
(Schiller  Picc.  3,  8).  Im  Gedanken  an  das 
natürliche  Geschlecht  auch  Fem.  (Opitz  1,  206 
Amst.,  A.  Gryphius  Lustsp.  450  P.,  Goethe 
19,  257),  abgeschwächt  Fräulen  f.  (Hagedom 
neue  Fab.  128),  oberd.  Fräule  f.  (Goethe  2, 
229),  wetterauisch  (auch  bei  0.  Ludwig) 
Fräle  f.  Alternhd.  fräwelin,  mhd.  vrouwelin, 
vröuivelm,  vröulin  n.  (Dim,  zu  vrouive  f.) 
«Herrin,  Frau  oder  Jungfrau  von  Stande, 
Dame»,  aber  auch  als  schmeichelnde  Anrede 
an  Kinder,  sowie  an  Mädchen  niedern  Stan- 
des, endlich  sogar  in  der  Bed.  «feile  Dirne»; 
im  14.  Jh.  bei  Megenberg  116,  7  u.  9  «Tier- 
weibchen», so  noch  bei  Luther  Frewlin  1.  Mos, 
6,  19,  aber  1.  Mos.  1,  27  und  Mark.  10,  6 
auf  den    Menschen   angewandt   «Weibchen». 

frech,  adj,:  sich  vordrängend  wozu,  allzu 
frei.  Mhd.  vrech  «mutig,  kühn,  keck,  leb- 
haft», ahd,  freh  «tmgezähmt  begierig  wonach, 
habsüchtig»;  dazu  got.  friks  «gierig»  (nur 
in  faihu friks  «geldgierig»),  ndl.  vrek  «frech», 
ags,  free  «begierig,  kühn,  verwegen»,  anord. 
frekr  «habsüchtig,  begierig»:  schwed,  fräck, 
dän,  fräk  (aus  dem  Deutschen).  Auch  ins 
Romanische  gedrungen:  afranz,  frique,  prov. 
fric,  nprov.  fricaud  «munter,  lebhaft».  Ver- 
wandt sind  femer  asächs.  frökan  «wild,  ver- 
wegen, frech»,  ags.  frecen  n.  «Gefahr»,  frecne 
«gefährhch,  schrecklich,  kühn»,  anord,  frökn, 
frokinn  «mutig»  und  außerhalb  des  germ.- 
kymr.  rhewydd  «Geilheit»,  gr.  cTrap-fäeiv 
«schwellen,  strotzen,  voll  sein»,  lett.  spirgt 
«frisch  werden».  ABL.  Freche,  f.:  Ver- 
wegenheit (Goethe  1,  119);  Geilheit,  Brunst 
(bayrisch).  Mhd.  vreche  «Kühnheit,  Keck- 
heit», ahd.  frechi  «Habsucht»,  got.  frikei  f. 
«Gier»  (nur  in  faihufrikei  «Geldgier»).  Frech- 
heit, f.,  mhd.  vrecheit  f.  «Kühnheit». 

Fregatte,  f.  (Pl.-w):  dreimastiges  schnelles 
Kriegsschifi".  1578  bei  Fronsperger  Kriegsb. 
157'' fg.  Fragaite,  Frogafe,  Frugatte,  Fre- 
gatten, 1616  bei  Henisch  Fregat  «navigiuni 
exploratorium».  Aus  franz.  fregate,  ital.  fre- 
gata,  span.-port.  fragata  f,,  urspr.  «kleines 
Ruderschifi'».     Dunkler  Abstammung. 

frei,  adj.:  unabhängig,  selbständig,  durch 
nichts  anderes  beschränkt;  die  Schranke  der 
Sittsamkeit  übertretend.  Mhd.  vri  (flektiert 
auch  vrijer,  vriger),  ahd.  fri  (flektiert  auch 

37 


579 


frei 


freien 


580 


friger);  dazu  andd.  fri,  mndl.  vri,  ndl.  vrij, 
afries.  fri,  ags.  fri  und  freo,  frig,  engl,  free, 
anord.   in  fria   «freimachen»,   frtan   f.  «Be- 
freiung, Schonung»,  frjäls  «frei»,  eig.  «einen 
freien  Hals  habend»,  (da  der  Ring  um  den  Hals 
den  Sklaven  kennzeichnete),  (entlehnt)  schwed.- 
dän.  fri,  got,  freis,  Akk.  Sg.  frijana.     Der 
Lautverschiebung  gemäß  stimmend  mit  aind. 
prijns  «liebend,  geliebt,  lieb,  wert»,  als  Subst. 
«Liebhaber,  Ehemann»,  Fem.  prijä  «Gattin», 
auch  «Tochter»,  denen  wieder  anord,  fri  m. 
«Liebhaber,  Freier»,  asächs.  fri  n.,  ags.  freo 
f.   «Weib»,    got.  frijön    «lieben»    (s.  freien) 
entsprechen.    ABL.  freien,  v.:  freimachen 
oder  geben.     Mhd.  vrien,  vrigen;   dazu  ndl. 
t>rijden,  ags.  freogan,  engl,  free,  afries.  friaia, 
fria,  anord.  fria,  schwed.  fria,  dän.  fri.  Frei- 
heit,  f.  (PI.  -ew):   Freisein;    öffentlich  aus- 
gesprochene   Befi'eiung    wovon    als   Sonder- 
recht, Privileg;   von  benannten  Lasten  und 
Beschränkungen  freie  Ortlichkeit  (Moser  patr. 
Phant.  1,  33);  von  einer  gi-ößem  Herrschaft  ab- 
getrennter gefreiter  Herrschaftsbezirk,  öffent- 
licher Schutzort  geflüchteter  Verbrecher,  Asyl; 
Ungezwungenheit,  Anmut  (Goethe  Wahlverw. 
1,  2).    In  diesen  Bed.  mhd.  vriheit,  ahd.  fri- 
heit  f.  «Freisinn,  Privileg»;  dazu  afries.  fri- 
hed,  ndl.  vrißeid  f.    ZUS.  Freibeuter,  m. : 
plündernder    Soldat,    Seeräuber.      1579    bei 
Fischart  Binenk.  29,    Freibrief,  m.:  Frei- 
heitsbrief; Privileg;  Reisepaß,    1775  bei  Ade- 
lung.   Freidenker,  m„  als  Übersetzung  des 
engl,   free-fhinker    1715    von   Gombert  5,  11 
nachgewiesen  (bei  Guhrauer  Leibniz  2,  487). 
Freifrau,  f.:    Gattin  eines  FreiheiTn,   1678 
bei  Krämer,  mhd.  vrhrouive  f.     Freifräu- 
lein,  n.:  unverheiratete  Tochter  eines  Frei- 
herrn,  1691  bei  Stieler;   für  beide  1678  bei 
Krämer  auch  Freiin,  f.  (PI.  -nen),  Ende  des 
14.  .Jh.  bei  Königshofen  Städtechr.  9,  748,  18 
frrjgin  «Baronin»,   freigebig,  adj.:  gern  und 
bereitwillig   (mhd.  mit  vrier  haut)   gebend. 
1534  bei  S.  Franck  Weltb.  63*'.    Freigeist, 
m.  (-es,  PI.  -er):    Freidenker;  Religionsver- 
ächter.    1663  bei  Schottel  S.  448  (vgl.  Laden- 
doif),  bei  Luther  1,  74**  in  gleicher  Bed.  der 
PI.  die  freien  geiste:   anders  im  14.  Jh.  die 
valschen  frien  geiste  (Vorrede  der  Theologia 
deutsch)  mit  Bezug  auf  die  Sekte  der  Binider 
des  frien  geistes.     Freiherr,  m.  [-en,  PI. 
-en):    Baron,   mhd.  vriherre  m.  «Edelmann, 
der  nicht  in  einem  Dienstverhältnis  steht  wie 
die  Ministerialen».    Freimaurer,  m.:  Mit- 
glied einer  Gesellschaft  zur  sittlichen  Hebung 


der  Menschheit,  unter  symbolischen  Formen, 
die  dem  Maiu-erhandwerk  entlehnt  sind.  Im 
18.  Jh.  als  Übersetzung  des  engl,  free-tnason 
aufgekommen,  1775  bei  Adelung  Freymäurer, 
1780  bei  Lessing  10,  288  Freywanrer.  Frei- 
mut, m.  (-es):  freier  offener  Sinn,  mhd. 
vrimuot  m.;  davon  freimütig,  adj.,  mhd. 
vrwiüetic.  Freischar,  f.  (PI.  -en),  erst  in 
den  40er  Jahren  des  19.  Jh.;  älter  Frei- 
korps, n.,  1775  bei  Adelung.  Freisinn, 
m.:  fi'eie  Gesinnung,  bes.  in  religiöser  und 
politischer  Hinsicht;  davon  freisinnig,  adj., 
von  Campe  1808  als  neue  Wörter  bezeichnet, 
aber  schon  1643  bei  Moscherosch  Insomnie 
cura  20  Freysinnigkeit;  anders  bei  H.  Sachs 
5,  305  freisinnig  «geistig  gesund»  im  Gegen- 
satz zu  unsinnig.  Freistatt,  Freistätte, 
f.:  öffentliche  Schutzstätte  für  flüchtige  Ver- 
brecher. 1678  bei  Krämer  Frey  statt.  Ähn- 
lich bei  Luther  Jos.  21,  27  Freistadt  f.  «Asyl- 
stadtfür Totschläger».  Freistuhl,  m.:  west- 
fälisches Freigericht,  spätmhd.  1420  vristiiol. 
freiwillig,  adj.,  bei  Luther. 

freidig,  adj.  u.  adv.:  mutig,  kühn,  zu- 
versichtlich, wohlgemut,  getrost  und  fest. 
Bei  Luther  1.  Sam.  18,  17,  Weish.  11,  18, 
2.  Makk.  10,  28,  aber  allmählich  nicht  mehr 
verstanden  und  bereits  1604  an  manchen 
Stellen  durch  das  völlig  verschiedene  freudig 
ersetzt.  Noch  mundartlich  in  Bayern,  Tirol, 
Kärnten,  Elsaß  und  Schlesien.  Mhd.  vreidec, 
vreidic  «abtininnig,  flüchtig,  leichtsinnig,  wild, 
trotzig,  übennütig,  keck,  mutig,  wohlgemut, 
munter»,  ahd.  freidig  «abtininnig,  flüchtig», 
asächs.  fredig  «flüchtig,  verbannt»,  abgeleitet 
von  dem  ahd.  Adj.  freidi  «abtriinnig,  flüch- 
tig», mhd.  vreide  «flüchtig,  kühn,  verwegen», 
andd.  frethi  *  abtininnig,  flüchtig».  Dieses  ist 
wohl  das  aind,  pretja-  «nach  dem  Tode,  jen- 
seits» von  pra-  «fort»  und  einer  Ableitung 
von  i  «gehen»,  vgl.  auch  prStis  f.  «Weg- 
gehen, Flucht».  Davon  Freidigkeit,  f.: 
Mut,  Kühnheit,  Zuversicht,  fester  getroster 
Sinn  und  Entschlossenheit.  Bei  Luther  4.  Mos. 
23,  22,  Apostelgesch,  4,  13.  Mhd.  vreidicheit 
f.  «Übennut,  Wohlgemutheit,  Kühnheit». 

^freien,  v.:  freimachen,  s.  frei. 

^freien,  v.:  zu  ehelicher  Verbindung 
werben  für  sich  selbst  oder  für  einen  andern. 
Dem  Oberd.  fremd,  aus  dem  Nd.  und  Md. 
durch  Luthers  Bibelübersetzung  zur  Geltung 
gekommen.  Im  altem  Md.  vrieti  «um  ein 
Frauenzimmer  aus  Liebe  werben»,  urspr. 
«lieben»;  dazu  mnd.  vrieti,  ndl.  vrijen  «Liebes- 


581 


Freifrau 


Frett 


582 


verkehr  haben,  umwerben />,  ags.  freogan, 
anord.  frla  «lieben»,  (entlehnt)  schwed,  fria, 
dän.  fri  «heii-aten»,  got.  frijön.  Der  Lautver- 
schiebung gemäß  stimmend  mit  aind.  pi'Viäti, 
aw.frinäiti  «er  befriedigt..,  ?ih^. prijati  «sorg- 
lich beistehn.  günstig  sein»,  prijazni  f.  «Liebe». 
ABL.  Freier,  m.:  heiratslustiger  Bewerber. 
Md.  im  Yoc.  ex  quo  1469  fryher,  im  13.  Jh. 
friere  m.:  dazu  FreierSlliaun,  m.:  Braut- 
werber für  einen  andern.  1741  bei  Frisch. 
Freite,  f.  (PI.  -n)-.  Liebes-,  Heü-atswerbung. 
Ln  Mitteldeutschland.  Bei  Lessing  Freig.  2,  5 
Freihte,  bei  Weiße  Lustsp.  1,  164  Freyde. 
Op.  3,  205  Freide,  im  16.  u.  17.  Jh.  Freiet, 
im  altem  Md.  vriät,  friöte,  fnete  f.  ZUS. 
Freiwerher,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Braut- 
werber fm-  einen  andern.     1616  bei  Henisch. 

Freifrau,  Freigeist  usw.,  s.  frei 

freilich,  adv.:  ohne  Beschränkung,  Be- 
denken: wohl.  Mhd.  vrtliche,  vnlick  adv. 
«in  freier  "Weise,  frei  heraus,  ohne  Zaudeni, 
Bedenken,  Vorbehalt:>;  (im  Loher  und  Maller 
15.  Jh.)  «sicherlich,  allerdings,  freilich»;  ab- 
geleitet von  dem  mhd.  Adj.  vrtlich,  ahd. 
friWi  <frei». 

Freimut,  Freisiuu  usw.,  s.  frei. 

Freitag,  m.  (-s,  PI.  -e):  der  sechste 
Wochentag.  Mhd.  vritac,  vrietac,  vrigetac, 
ahd.  friadag,  frijetag:  dazu  mndl.  rriäacJi. 
ndl.  vrijäag,  afries.  frigendei,  ags.  frlgdrpg, 
frigedceg,  engl,  friday,  (entlehnt)  anord.  frjä- 
doffr,  schwed. -dän.  fredag.  Es  ist  der  der  Ge- 
mahlin Wotans  und  Vorsteherin  der  Ehen, 
ahd.  Fria,  anord.  Frigg,  geheiligte  Wochen- 
tag, eine  Übersetzung  des  lat.  dies  Yeneris. 
Fria  bedeutet  die  Liebende  ,  der  Lautver- 
schiebung gemäß  entsprechend  aind.  prijä  f, 
«Gattin,  Geliebte»  (s.  frei  und  freien). 

Freite,  Freiwerber,  s.  freien. 

fremd,  unverkürzt  fremde,  adj.:  anders- 
woher gebürtig  oder  kommend,  nicht  ein- 
heimisch, nicht  angehörig,  nicht  eigen,  nicht 
vertraut,  unbekannt,  ungewöhnlich,  seltsam. 
Bei  Luther  frembd,  mhd.  iremede,  iremde, 
daneben  irömede,  vrömde,  ahd.  framadi.  fra- 
midi,  fremidi;  dazu  asÄths-f remidi,  nA\.vreemd, 
ags.  fremede,  got.  framaps,  (entlehnt)  schwed. 
främniad,  dän.  fremmed,  abgeleitet  von  ahd.- 
got.-ags.  und  anord.  fram,  präp.  und  adv. 
«vorwärts,  weiter,  entfernt  von,  von  —  fort». 
ABL.  Fremde,  f.,  mhd.  vremede,  iremde, 
daneben  rrömede  f.  FremdÜDg,  m.  (s, 
PI.  -e),  mhd.  fremdelinc,  bei  Luther  Fremhd- 
ling  und  Fremhdlinger ;  dazu  Fremdlingin, 


f.,  1648  im  Don  Kichote  164.  Fremdheit, 
f.,  5.  6.  1780  bei  Goethe  an  Lavater  84,  dafür 
friiher  Fremdigkeit  (bei  Opitz),  mhd.  vremdec- 
heit,  vrömdikeit  f.  ZLS.  Fremdwort,  n. 
(-es,  PI.  -Wörter),  1819  bei  J.  Paul  Von-,  zur 
3.  Auri.  des  Hesperus. 

frenetisch,  s.  phrenetisch. 

frequent,  adj.:  zahlreich  besucht.  Im 
18.  Jh.  entlehnt  aus  gleichbed.  lat.  frequens, 
Gen.  frequentis.  frequentieren,  V.:  zahl- 
reich, häufig,  fleißig  besuchen,  1571  bei  Eot 
und  schon  md.  im  14.  -Jh.  frequentiren,  aus 
gleichbed.  lat.  frequentäre,  von  dessen  Part. 
Perf.  Pass.  frequentäius  das  Adj.  frequentä- 
tlvus,  Xeutr.  frequentätlfurn  und  aus  letzterem 
FrequentatlT,  n.  (-5,  PI.  -e)-.  Veröfterungs-, 
Wiederholungswort,  abgeleitet  ist.  Fre- 
quenz, f.  (PI.  -en):  zahlreicher  Besuch,  Zu- 
lauf, 1694  bei  Nekring  aus  gleichbed.  lat. 
frequentia  f. 

Fresko,  n.  (-s,  PI.  Fresken)-.  Malerei  auf 
frischen,  d.  i.  nassen  Kalk.  1775  bei  Adelung. 
Das  Adv.  fresco  schon  1727  bei  Spei'ander,  Aus 
ital.  fresco  «frisch».  Daneben  auch  Freske, 
f.,  von  dem  Plur.  Fresken  ausgebildet, 

fressen,  v.  (Präs,  fresse,  frissest,  frißt, 
Prät.  fraß,  Konj.  fräße,  Part,  gefressen,  Imp. 
friß):  völlig  essen,  daher  bes.  unmäßig,  un- 
anständig, unvernünftig  essen,  gewöhnlich  von 
den  Tieren  gebraucht;  verzehren,  verzehrend 
eindiingen.  ^Ihd.  vre^^en  (Präs.  ich  vriß^e, 
Prät.  vra§,  PI.  träfen),  ahd.  fre^^an:  dazir 
ndl.  vreten,  ags.  fretan  (engl,  /re^ «zerfressen»), 
got.  fraitan  «aufzehren»  (Prät.  frei,  3.  PI. 
fretun),  entlehnt  schwed.  frdssa,  dän.  fraadse. 
Das  Wort  ist  zusammengesetzt  aus  der  Par- 
tikel got.  fra-,  ahd.  far-,  nhd.  ver-  und  got. 
itan,  ahd.  e§§an,  ags.  etan  «essen»,  wie  auch 
das  Part.  Prät.  ahd.  fre^^an,  mhd.  vre^^eu 
ohne  ga-,  ge-  zeigt.  Li  gleicher  Bed.  ein 
neugebildetes  mhd.  vere^^en.  Substantivisch 
Fressen,  n.,  derber  Ausdruck  für  Nahrung, 
Mahlzeit  (bei  A.  Gryphius  1,  820).  ABL. 
Fresser,  m.  (-s,  PL  wie  Sg.):  der  viel  Fres- 
sende, mhd.  vre^^er  m.;  davon  Fresserei, 
f.,  mhd.  vre^^erie  f.  ZTJS.  Freßsack,  m.: 
Fresser,  urspr.  Speise-,  Futtersack,  1775  bei 
Adelung. 

Frett,  n.  {-es,  PL  -e),  gewöhnhch  im 
Dim.  Frettchen,  n.  {-s,  PL  wie  Sg.):  Art 
Wiesel  zum  Kaninchenfange.  Bei  Fischart 
Ehez.  L  1»  Frettel  n.,  1561  bei  Maaler  Frett 
n.,  1546  bei  G.  Agricola  frette,  fiirette  f.; 
dazu  clevisch  1477   frei,  randL  foref,  frei  n. 

37* 


583 


fretteu 


Friede 


584 


Entlehnt  aus  franz.  furet,  ital.  furetto  m.,  von 
lat.  für  m.  «Dieb»  abgeleitet. 

fretteu,  v. :  wund  reiben;  (bildlich)  quälen, 
plagen,  hudeln.  Noch  obd.  Mhd.  treten,  vret- 
ten,  vraten,  ahd,  fratön,  von  ahd.-mhd.  fratt 
«wund  aufgerieben»,  bayr.  frat,  Schweiz,  fratt. 
Vielleicht  aus  ital.  frettare  «reiben»,  das  von 
lat.  fridäre  stammt. 

fretzen,  v.-.  fressen  machen,  weiden,  mästen. 
Bei  Luther.  Mhd.  vretzen  und  veretzen  «ab- 
weiden, füttern,  jagen»,  got.  fraatjan  «zum 
Essen  verteilen»,  zusammengesetzt  aus  der 
Pai-tikel  got.  fra-,  ahd.  far-,  mhd.  vei'-  und 
mhd.  etzen,  s.  ätzen  und  auffretzen. 

Freude,  f.  (PI.  -n)-.  durch  angenehmes 
Gefühl  erregte  Gemütsheiterkeit.  Bei  Frisius 
1541  und  Maaler  1561  fröud,  mhd.  vröude, 
vreude,  fröiiwede,  ahd.  frawiäa.  freuwida, 
frowida  f.  Von  freuen,  v.:  froh  machen, 
mhd.  vröuiven,  vreuwen,  vröun,  vreun,  ahd. 
frawjan,  freivjan,  froiiicen,  abgeleitet  von 
froh  (s.  d.).  ABL.  freudig,  adj.:  Freude 
empfindend  oder  eiTegend,  1540  bei  Alberus 
Dict.  Qq.3^  freudig,  1541  bei  Frisius  fröudig, 
vgl.  fr  eidig;  dazu  Freudigkeit,  f.,  bei  Al- 
berus QqS**  freudigkeit,  bei  Frisius  fröudig- 
keit.  ZUS.  Freudenhaus,  n.:  Haus  voller 
Freude  (beiLuther  und  Schiller),  mhd.  urÖMc^ew- 
hüs  n.);  in  üblem  Sinne  Bordell  (im  18.  Jh.). 
Freudenmädchen,  n.:  feile  Dirne,  nach 
franz.  fille  de  joie  in  der  zweiten  Hälfte  des 
18.  Jh.  aufgenommen  (bei  Schiller  7,  307), 
aber  schon  spätmhd.  im  15.  Jh.  freudemveih. 
Vgl.  noch  Gombert  ZfdW.  7,  141. 

Freund,  m.  (-es,  PI.  -e):  durch  Liebe, 
Zuneigimg  Verbundener;  (in  der  Volkssprache) 
Verwandter.  Mhd.  vriunt,  ahd.  friunt,  friont, 
asächs.  friund,  ndl.  vriend,  afries,  friond, 
friund,  ags.  freond,  engl,  friend,  anord.  frmndi, 
schwed.-dän.  frände,  got.  frijönds  m.  «Freund, 
Verwandter»,  ist  das  als  Subst.  erscheinende 
Part.  Präs.  von  got.  frijön  «heben»  (s.  freien). 
Gleiche  urspr.  Partizipien  sind  Feind,  Hei- 
land (s.  d.).  ABL.  Freundin,  f.  (PI.  -nen), 
mhd.  vriundinne,  ahd.  friuntinna  f.  freund- 
lich, adj.  11.  adv.,  mhd.  vriuntlich  und  Adv. 
vriuntliche,  ahd.  friuntlih  und  Adv.  friunt- 
licho;  dazu  ndl.  vriendelijk,  ags.  freondlic, 
engl,  friendly;  davon  Freundlichkeit,  f., 
spätmhd.  vriuntlicheit  f.  Freundschaft,  f. 
(PI.  -en):  Freundesverhältnis;  (in  der  Volks- 
sprache) Verwandtschaft.  In  beiden  Bed. 
mhd.  vriuntschaft,  vriwentschaft,  ahd.  friunt- 
scaf  f. ;  dazu  asächs.  friundskepi,  afries.  friond- 


skip,    ags.  freondscipe  m.;    davon   freund- 
schaftlich, adj.,   1734  bei  Steinbach. 

Frevel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  gewaltsame 
Rechtsverletzung.  Bei  Luther  freuet  (u  ==  v), 
1561  bei  Maaler  Frei  fei,  ältermd.  vrevel,  da- 
neben vorevele,  vorehele,  vorebel,  vorebyl, 
virehel  m.,  mhd.  vrevel,  vrävel,  vraval,  da- 
neben frefne  und  frefin,  meist  f.  (selten  m.), 
ahd.  fravali,  fravili,  frabari  f.  «rückhaltlose 
Kühnheit,  schrankenloser  gefährlicher  Über- 
mut», (in  der  altern  Rechtssprache)  «geringeres 
durch  Geld  sühnbares  Vergehen,  Geldstrafe ». 
Von  frevel,  adj.:  rückhaltlos  kühn,  gefähr- 
lich übermütig,  gewaltsam  das  Recht  ver- 
letzend. Mhd.  vrevel,  vrävel,  vrehel,  vrabel. 
daneben  vreven,  md.  vorevil,  vorehil.  virehil 
(noch  1469  im  Voc.  ex  quo  eyn  freheler), 
ahd.  fravali,  fravili,  frafali  und  Adv.  fraba- 
liclio ;  dazu  (entlehnt)  ndl.  wrevel,  ags.  frcefele. 
Zusammengesetzt  aus  der  Partikel  got.  fra-, 
ahd.  far-  (selten  fra-  in  fräbald  «verwegem>), 
mhd.  ver-,  md.  vor-,  vir-,  nhd.  ver-,  und 
einem  Stamm,  der  noch  vorliegt  in  md.  evel 
«stolz  vermessen»  (Jeroschin  9122  Var.),  ahd. 
avalön,  afalön  «in  eifriger  Arbeit  tätig  sein», 
anord.  afl  n.  «Kraft,  Stärke»,  got.  dbrs  «stark». 
Vgl.  Fracht,  fressen.  ABL.  frevelhaft, 
adj.  u,  adv.,  spätmhd.  vrevelhaft.  freveln, 
V.,  mhd.  crevelen,  daneben  vrevenen,  md. 
vireheln.  freventlich,  adj.  u.  adv.:  frevel- 
haft* mit  eingeschobenem  t  aus  mhd.  vreven- 
lich  neben  vrevellich  (md.  virehilich),  wie 
vreven  neben  vrevel,  1561  bei  Maaler  fr äf ert- 
lich, bei  Luther  freuelich,  freuenlich  und 
(Tischreden  3^)  freuentlich.  Frevler,  m., 
mhd.  vreveler,  mrhein.  im  Voc.  ex  quo  1469 
frebeler. 

Friede,  {-ns,  PI.  -en),  seit  dem  18.  Jh. 
auch  Frieden,  m.:  Vereinigung  in  Liebe 
mit  Entfernung  aller  Entzweiung;  feste  Über- 
einkunft zu  Einigkeit  und  Sicherheit;  Sicher- 
heit vor  und  Freisein  von  Widerwärtigem. 
Bei  Luther  Fried  und  Friede  noch  mit  der 
alten  starken  Biegung  Gen.  Friedes,  Akk. 
Friede,  aber  auch  schwach  Dat.  und  Akk. 
Frieden.  Die  stai-ke  Flexion  noch  bei  Logau 
1,  1,  4,  Flenaing  189,  Zeseu  Ibrahim  1,  146; 
die  schwache  Flexion  zeigt  sich  vereinzelt 
schon  mhd.,  besonders  md.,  zuerst  im  12.  Jh. 
am  Niederrhein;  der  gemischte  Gen.  fridens 
am  fiühesten  im  Anfang  des  16.  Jh.  bei 
Keisersberg  (Predigten  68"^).  Mhd.  vride  (Gen. 
vrides),  ahd.  fridu,  frido  m.  (daneben  frida 
f.) ;  dazu  asächs.  fridu,  ndl.  vrede,  afries.  fretho 


585 


Friedhof 


Frikandeau 


586 


m,,  ags.  frip,  fryp  m.,  d.  (daneben  freodo, 
frioäo,  frido  f.),  anord.  friär,  schwed.  frid, 
fred  m.,  dän.  fred  m.  und  f.,  got.  nur  im 
Eigennamen  Frißareiks  «Friedrich»  und  in 
gafrißon  «versöhnen».  Zugrunde  liegt  der- 
selbe Stamm  fri  «schonen»  wie  in  got.  frijön 
«lieben»  (s.  freien  und  Freund).  ABL. 
friedlich,  adj.  u.  adv.,  mhd.  vridelicli,  Adv. 
vrideltche.  friedsam,  adj.  und  adv.,  mhd. 
vridesam,  ahd.  fridusam,  asächs.  adv.  frida- 
samo.  ZUS.  Friedensfürst,  m.  (-ew,  PI. 
-en),  bei  Schiller  Wall.  Tod  5,  1,  dagegen 
bei  Luther  Jes.  9,  6  Friedfürst.  Friedens- 
richter, m.  (-S,  PI.  wie  Sg.),  1691  bei 
Stieler,  aber  1703  im  Zeitungslex.,  1741  bei 
Frisch  Friedericliter.  Urspränglich  Bezeich- 
nung einer  englischen  Einrichtung,  fried- 
fertig, adj.,  bei  Luther  Matth.  5,  9. 

Friedhof,  m.  (-.§,  PI.  Friedhöfe)-.  Kirch- 
hof, Gottesacker.  Nicht  «Hof  zu  Friede  und 
Euhe»,  sondern  aus  mhd.  vrithof  ahd.  frit- 
hof,  asächs.  fridhof,  mnd.  vrlthof  m.  «der  vor 
einem  oder  um  ein  Gebäude  zu  Schonung 
und  Sicherheit  eingefriedigte  Raum,  Vorhof 
eines  Tempels,  Palastes  oder  einer  Burg,  Vor- 
hof der  Kirche  als  öflPentlicher  Schutzort  ge- 
flüchteter Verbrecher»,  endlich  «Kirchhof, 
Gottesacker»,  älternhd.  und  noch  oberd.  Freit- 
Iwf.  Zu  ah.ä.vriten  «begünstigen, hegen»,  anord. 
frida  «schmücken»,  got.  freidjan  «schonen», 
einer  Ableitung  von  einem  Adjektiv,  das  in 
ags.  frid,  anord.  fridr  «hübsch»  vorliegt,  und 
das  genau  aind.  jyrUäs  «vergnügt,  befriedigt, 
geliebt»  entspricht.  Der  Stamm  ist  derselbe 
wie  in  freien,  Friede. 

Friedrich,  Mannsname,  mhd.  Friderich, 
ahd.  Fridurih,  got.  Frißareiks,  ags.  Freoderic. 
anord.  Fridr ekr  «Friedensfürst».  Mlat.  Fri- 
dericus,  daher  der  zugehörige  Frauenname 
Friederike.  S,  Fritz,  Fritze  und  -rieh, 
Friedrichsdor,  m.  (s,  PI.  -e  u.  -s)-.  ehe- 
malige preußische  Goldmünze  im  Werte  von 
17  M.,  zuerst  1713  unter  Friedrich  Wilhelm  L 
geprägt. 

frieren,  v.  (Prät.  fror,  Konj.  fröre,  Part. 
gefroren):  Kälte  empfinden:  durch  Kälte  er- 
starren; (unpersönlich)  es  friert  «entsteht 
Eis»  (schon  mhd.),  es  friert  mich  «ich  emp- 
finde Kälte»  (mhd.  mich  vriuset);  das  Part. 
gefroren  «durch  Zauberei  fest  gegen  Hieb 
und  Schuß»  (seit  dem  30 jähr.  Kriege  nach- 
gewiesen). Mhd.  vriesen  (Prät.  vrös,  PI. 
vrurn,  Part,  gevrorn),  ahd.  friosan,  freosan 
(Part,  gifroran);  dazu  mnd.  iTesen,  näl.vriezen, 


ags.  freosan,  engl,  freeze,  anord.  frjösa,  schwed. 
frysa,  dän.  fryse.  Das  urspr.  s  hat  sich  im 
bayr.-hess.  friesen,  freusen,  luxemb.  friselen, 
sowie  in  Friese!  und  Frost  (s.  d.)  erhalten. 
Die  2.  und  3.  Präs.  lautet  älternhd.  freurest, 
freuret  (noch  1726  bei  Freyer  freuret).  Der 
Lautverschiebung  gemäß  entspricht  aind. 
priisvä  f.  «gefrornes  Wasser,  Reif»,  lat.ijnima 
f.  «Reif»  (aus  *prusvfna). 

Fries,  m.  (-es,  PI.  -e):  in  der  Säulen- 
ordnung ein  mit  Laubwerk  und  andern  krausen 
Zieraten  versehener  Teil  des  Hauptgesimses, 
der  den  Kopf  des  auf  dem  Hauptbalken  i-uhen- 
den  Balkens  bildet  (dann  herumlaufender  Zier- 
streifen an  Wand  und  Fußboden);  krauses 
:  ungeschorenes  tuchartiges  Wollenzeug,  In 
I  der  1.  Bed.  1616  bei  Henisch  Frisen,  1618 
■  bei  Schönsleder  Fries  m.,  1691  bei  Stieler 
;  Friese  n.,  bei  Winkelmann  und  Schiller  Friese 
f.  (PI.  -n);  dazu  mndl.  1599  bei  Kilian  frise. 
In  der  2.  Bed.  1691  bei  Stiel  er  Fries,  1678 
bei  Krämer  Frieß,  1663  bei  A.  Gryphius 
Peter  Squenz  9  Frilß,  mndl.  vries,  frise  1599 
bei  Kilian.  Beides  aus  gleichbed.  franz.  frise, 
afranz.  frese  f.,  woher  auch  engl,  frieze,  zu 
franz.  frisei'  «kräuseln,  verzieren»,  das  wie 
span.  friso,  freso  m.  in  1.,  frisa  f.  in  2.  Bed., 
frisar  «Tuch  aufkratzen»,  ital.f regio  m.  «Ver- 
brämung, Schmuck,  Gesimsfries»,  finsa  f. 
«rauher  Wollstoff»,  aus  dem  Germanischen 
entlehnt  ist:  ags.  frise  «kraus,  gelockt»,  engl. 
friz,  frizzle  «kräuseln»,  afries.  frisle,  fresle 
«Haupthaar,  Haarlocke».  Dagegen  das  afranz. 
drap  de  Frise,  paile  de  Frise,  mlat.  panmis 
frisius,  ist  ein  kostbai-er  Seidenbrokatstoff 
und  deutet  auf  den  Orient,  vielleicht  Phrygien 
(Schultz  höf.  Leben  2  l,  337). 

Friese,  m.  (-n,  PI.  -n):  Volksname,  mhd. 
Vriese,  ahd.  Frieso,  Friaso,  Friso  m.,  dazu 
nd.  Frese,  mndl.  Vriese,  ndl.  Vries,  afries. 
Freso,  Friso,  ags.  Frysa,  Friesa  m.,  bei  den 
röm.  Schriftstellern  Frisii,  Frisones,  mlat. 
auch  Fresones.     Dunkler  Herkunft. 

Friesel,  n.  u.  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Fieber 
mit  hirsekornähnlichen  Bläschen.  1686  bei 
Liebe  als  Mask.,  1734  bei  Steinbach  als  Neutr. 
Zu  frieren  (s.  d.),  md.  im  14.  Jahrb.  bei 
Ködiz  96,  26  frisen  n.  «Fieberschauer,  kaltes 
Fieber»,  ebenso  1429  im  Lib.  ord.  rer.  17** 
friesen  n. 

Frikandeau  (spr.  Frikandö),  n.  {-s,  PI. 
-s):  gespickte  gebratene  Kalbsschnitte.  Aus 
gleichbed.  franz.  fricandeau  m.  Neue  Ent- 
lehnuncr. 


587 


Frikandelle 


froh 


588 


Frikandelle,  f.  (PI.  -«):  Buttergebackenes 
aus  zerhacktem  Fleisch,  Fleiscliklößcheu.  1715 
bei  Amaranthes,  aber  1721  bei  Jablonsky 
und  1741  bei  Frisch  Frickedellen,  1727  bei 
Sperander  Fritadelle,  Frickedellen,  aus  gleich- 
bed.  ital.  frittadella  f.,  von  fritto  «in  der 
Pfanne  gebacken»,  Part,  von  friggere,  lat. 
fngere  «rösten», 

Frikassee,  n.  (-s,  PI,  -s)-.  Schnittfleisch 
mit  einer  Brühe,  Bereits  im  16,  Jh.  (Zünm, 
Chron. "  2,  164,  4)  entlehnt  aus  dem  gleich- 
bed,  franz,  fricassee  f.  Dazu  frikassl ereil, 
V.  (Zimm,  Chi'on,^  2, 163,  29):  (in  übertragener 
Bedeutung)  übel  zmichten  (erst  im  19.  Jh,), 

frisch,  adj,  u,  adv,:  erstkräftig,  munter, 
rüstig;  noch  ungenutzt;  anregend  kühl,  Mhd, 
wisch,  früh  am  Nieden'hein  virsch,  ahd,  frisc 
in  der  1.  Bed.;  dazu  mnd.  irisch,  nd.  frisk, 
mndl.  versch,  afries,-ags.  ferse,  engl,  fresh; 
anord.  ferskr,  schwed,  färsk,  frisk,  dän,  fersk, 
frisk  sind  entlehnt.  Auch  ins  Romanische 
gedrungen :  ital,-span,-port,  fresco,  franz.  frais. 
Der  Lautverschiebung  gemäß  entspiicht  abg. 
presinü  «fi'isch,  ungesäuert»  (lit.  prieskas 
«ungesäuert»  ist  aus  dem  Slaw.  entlehnt). 
ABL.  Frische,  f.,  mhd.  vrische  f. 

Frischling,  m.  {-s,  PI.  -e)  -.  junges  Wild- 
schwein. Aus  mhd.  vrischific,  später  auch 
vrischlinc  m.  «junges  weidetähiges  Schwein 
oder  Lamm»,  ahd.  friskinc,  friscing  mit  den 
Nebenfoi-men  fruscing,  früiscing,  frinscing, 
frunscing  m.  auch  «Opfertier»;  dazu  andd. 
ferscang,  verscung  m.  «junges  Tier,  Ferkel, 
Lamm».  Die  romanischen  afranz.  fresange. 
fraissengue ,  sizil.  frisinga  «junges  Schwein» 
stammen  nicht  direkt  aus  dem  Deutschen. 
Abgeleitet  von  frisch  (s.  d.),  also  urspr. 
«Frischgeborenes,  Junges».  Daher  weidmän- 
nisch frischen,  v.:  junge  Wildschweine  ge- 
bären, 1746  bei  Döbel  Jäger  practica  1,  24. 

frisieren,  v.:  kunstgerecht  Haare  kräuseln; 
wollene  Zeugstoft'e  in  der  Frisiennühle  auf- 
kratzen. In  der  1.  Bed.  1673  bei  Weise  Erzn. 
frisiren,  in  beiden  Bed.  1691  bei  Stieler 
friesiren,  1616  bei  Henisch  friseren,  nach  ndl. 
friseren  aus  franz,  friser  (s,  Fries).  ABL. 
Frisierer,  m,  (s,  PI.  wie  Sg.) :  Haarkräusler. 
1691  bei  Stieler  Friesirer,  heute  in  der  franz. 
Form  Friseur.  Frisur,  f.  (PI.  -ew):  Haar- 
tracht, 1694  bei  Nehring,  aus  franz.  frisure  f. 

Frist,  f.  (PI.  -en):  bis  wohin  freigegebene 
Zeit,  Aufschubszeit;  abgegrenzte  Zeit  über- 
haupt. Mhd.  vrist,  ahd.  frist  f,;  dazu  mnd. 
verst,   mudl.   verde,  vorste  f.,   afries.  ferst, 


first  n.,  ags.  first  m.,  anord.  frest  n.,  schwed. 
frist  m.,  dän.  frist.  Das  Wort  ist  nach  Brug- 
mann  Idg.  Forsch.  13,  164  zu  vergleichen  mit 
'Aind.purah-sthitas  «bevorstehend»  (j;was  «  vor 
Augen»  =  germ.  fris  und  sthitas  «stehend». 
ABL.  fristen,  v.:  Frist  geben,  unverletzt 
und  noch  für  längere  Zeit  erhalten.  Mhd. 
vristen,  ahd,  fristjan,  fristan  und  fristön, 
mnd.  verstell,  afries.  fersta,  ags.  fy^rstan,  anord. 
fresta,  schwed.  frista,  dän.  friste, 

Fritt,  m.  {-es,  PI.  -e):  kleiner  Hand- 
bohrer, bes.  der  Böttcher.  1775  bei  Adelung, 
aus  nd.  frit  m.,  ndl.  vret  n.,  vom  gleichbed. 
franz.  foret  m.,  mlat.  foretum  n.,  zu  lat. 
f ordre,  franz.  forer  «bohren». 

Fritte,  f.  (PI.  -en):  in  der  Glasmacher- 
kunst Gemeng  aus  Sand  oder  Kieselerde  und 
alkalischem  Salz  (Laugensalz).  1775  bei  Ade- 
lung, aus  gleichbed.  franz.  fritte,  ital.  fritta 
f.,  d,  i,  lat,  fricta,  Fem,  des  Part.  Prät.  frictus 
von  frigere  «rösten»,  urspr,  «geröstete,  ge- 
sottene Masse»,  weil  durch  Schmelzen  jenes 
Gemenges  Glasfluß  entsteht.  ABL.  fritten, 
V.:  zusammenschmelzen. 

Fritz  (Gen.  -ens,  PI.  -e,  -en),  vertrauliches 
Dim.  von  Friedrich,  bei  Luther  auch  Fritzsch, 
mhd.  (und  noch  mundai'tlich)  Fritze. 

Fritze  (Gen.  -ns,  PI.  -n),  diminutive  Kose- 
form für  Friederike. 

frivol,  adj.  u.  adv.:  gehalt-  und  wertlos, 
sehr  leichtfertig.  1686  bei  Liebe,  aus  gleich- 
bed. frivole,  von  lat.  frlvolus  «wertlos,  arm- 
selig, abgeschmackt».  ABL.  Frivolität,  f. 
(Pl.-en):  Leichtfertigkeit;  leichte  Spitze,  durch 
ein  Schiffchen  mit  der  Hand  gefertigt.  Aus 
franz.  frivolite  f.  In  der  1.  Bed.  1768  bei 
Wieland  Idris  15. 

froh,  adj,  u,  adv.:  von  Wohlgefühl  be- 
wegt; aus  Wohlgefühl  lebhaft.  Bei  Luther 
fro,  mhd.  vrö  (Gen.  vrowes,  vrouwes,  vröhes), 
iihd.frao,  fro  (flektiert //;awer,  frdiver,frouwer) 
auch  «schnell»  bedeutend;  dazu  asächs.  fräh 
«froh»,  mndl,  vrö,  afries,  frö,  anord.  frär 
«hiu'tig,  flink».  Die  nordische  Bedeutung 
«flink»  scheint  die  ursprüngliche  zu  sein,  und 
man  kann  daher  die  genn.  Grundfonn  *frawaz 
zu  aind,  prävate  «springt  auf,  hüpft,  eilt», 
praväs  «flatternd,  schwebend,  fliegend»  stellen. 
Vgl.  Osthoff  Parerga  336.  ABL.  fröhlich, 
adj.  u.  adv.,  bei  Luther  frölich,  mhd.  vrop- 
licli  und  Adv.  inwliche,  ahd.  frawaUh,  fröUh 
und  Adv.  frawaUcho,  frölicho:  dazu  Fröh- 
lichkeit, f.,  mhd.  vropUchät  f.  ZUS.  froh- 
locken, v.:  laute  Freude  äußern.    Bei  Luther 


589 


frohn 


Fronde 


590 


und  noch  bis  ins  18.  -Ih.  frolocken,  mhd. 
vrölocken,  1352  bei  Merswin  wiederholt  für- 
löcken:  -locken  ist  vermutlich  entstanden  aus 
mhd.  und  ältemhd.  lecken  «hüpfen,  springen», 
s.  Hecken,  Intensivbildung  zu  mhd.  leichen 
«aufspringen»,  got.  laikan  <' hüpfen,  froh- 
locken», ags.  läcan  «springen»;  die  urspr. 
Bed.  wäre  also  «vor  Freude  spiingen». 

frolin,  Frohue  usw.,  s.  fron.  Frone. 

fromm,  adj.  u.  adv. :  (im  altem  Xhd.  wie 
im  Mhd.)  förderlich,   nützlich,   tüchtig,  vor- 
trefflich, tapfer,  brav,  rechtschaffen ;  (im  altern 
wie  jungem  Nhd.,  besonders  durch  Luthers 
Bibelübersetzung  verbreitet)   tüchtig  in  Be- 
ziehung auf  die  Gottesverehrung,  gottgefällig ; 
(bildlich)  ohne  Arg  und  gut  geartet,  fügsam. 
Bei  Luther  from,  ältemhd.  (zumal  obd.)  auch 
frum,  frumm,   daneben  frunib,  fromb,   mhd. 
vfum,  vrom,  ältermhd.  im  12.  Jh.  f)-um;  dazu 
mnd.  iTOnre  «tüchtig,   brav,   fromm»,    afries. 
frenio,  from  «nützlich»,  ags.  from,  fram,  «tapfer, 
tüchtig».    Zugrunde  liegt  der  gleiche  Stamm 
wie    in   got.-ahd.   fram,  «vorwärts,    weiter» 
(s.  fremd),  got.  f-uma,  ags.  forma  «der  erste», 
lit.  pirmas  «der  ei-ste»,  gr.  Trpöuoc  «der  vor- 
derste, Vorkämpfer»;   ferner  in  vor,  für  der. 
fordern,  Fürst  (s.  d.).    RA.  frommer  Wunsch, , 
der  nicht  in  Erfüllung  geht,  nach  Phil.  Speners  | 
Schrift  pia  desideria  1675.    ABL.  Fromme, 
f.:  Vorteil.  Xutzen,  Gewinn,  nur  noch  in  dem 
Dat.  PI.  zu  (Xutzund)  Frommen  «zum  Nutzen, 
zugute».    Ältemhd.  Frumme  f.,  mhd.  vrume, 
vruni,  vrome  f.  u.  m.,  ahd.  fruma,  froma  f.;  j 
dazu  asächs.  fruma  f.   Daher  mhd.  ze  vinimen, ' 
ze    vromen,    ahd.   zi    fnimum,    ze    fromon. 
frommen,  v.:   Fördei-ung,  Xutzen  bringen, 
zur  Förderung  dienen.   Mhd.  vrumen,  vromen,  . 
vrümen  «vorwärts  kommen,  förderlich  sein, ; 
nützen,  helfen»,  ahd.frumjan,  frumman,  asächs. 
frummjan  «vorwärts  schaffen,  befördern,  voll-  ' 
bringen,  verrichten,  tun».    Nach  Heynatz  1796  ■ 
ist  das  "Wort  «von  einigen  neuern»  wieder  her-  : 
vorgesucht,     frömmeln,  v.:    äußerlich  ein 
gottesfürchtiges  Wesen  annehmen,   1786  bei 
Schiller  4,  105.    Frömmigkeit,  f.:  religiöse  I 
Tüchtigkeit,  ältemhd.  frumkeit  (altertümlich 
noch  bei  Goethe  16,  124  Frummkeit),  frum- 
keit,   frönikeit,    mhd.  vriimecheit,    vrümkeit, 
rrumkeit,  im  12.  Jh.  frumikheit  «Tüchtigkeit, ' 
Bravheit,  Tapferkeit,  Trefflichkeit»,  zu  dem  [ 
von    ivww    abgeleiteten   Adj     mhd.  vnimec. 
vrnmec,  ahd.  f rumig  «nützlich,  tüchtig».         \ 

fron,  adj.:  herrUch  und  heilig.    Nur  noch  ; 
altertümlich  bei  Pfeffel  u.  a.  frohn,  ältemhd. 


fron,  mhd.  vrone.  vron  adj.  «den  Herrn  be- 
treffend, ihm  gehörend,  heüig,  herrschafthch, 
öffentlich»,  ahd.  frono,  fraono  adjektivisch, 
aber  undeklinierbar  gebraucht,  urspr.  Gen. 
PI.  von  ahd.  fro,  got.  frauja  m.  «Herr»  (s. 
Frau),  «der  Herren»  d.  h.  nach  christhcher 
Anschauung  «Gottes  und  der  Heiligen».  ZUS. 
Fronaltar,  m.  (-s) :  Gottes-,  Hochaltar,  mhd. 
vronalter,  -altär  m.  Fronbote,  m.  {-n,  PI. 
-«):  Gerichtsbote,  Büttel,  mhd.  vrönehote, 
älter  böte  vrone,  ahd.  hoto  vröno  «heüiger 
unverletzlicher  Bote,  Gerichtsbote».  Fron- 
dienst, m.  (-es,  PI.  -e):  herrschaftlicher 
Handdienst,  den  der  Unfreie  leisten  muß, 
spätmhd,  vröndienest.  Fronfasteu,  plur. : 
die  Quatemberfasten,  mhd.  vrone-.  vronvaste  f. 
Fronfeste,  f.:  öffentKches  Gefängnis,  mhd. 
vronvesfe  f.  Fronhof,  m.  (-es,  PI.  -höfe): 
Herrenhof,  bes.  insofern  die  zu  Handdiensten 
Verpflichteten  da  erscheinen  müssen,  mhd. 
vrone-.  vrönhof  m.  «Heirenhof.  Kii-chhof», 
ahd.  fronohof  «Fiskus».  Fronleichnam, 
m.  (-s),  1482  im  Voc.  theut.  q  2*  fronleichnam, 
mhd.  vrönlicham  m.  «der  heilige  d.  h.  Christi 
Leib,  Hostie»  (s.  Leichnam).  FronTOgt,  m. 
(-es,  PI.  -vögte):  hen-schaftlicher  Amtmann, 
bes.  zur  Beaufsichtigung  der  zu  Frondiensten 
Verpflichteten.     Bei   Luther  (2.  Mos.  1,  11). 

^Fron  (-en,  PI.  -en),  m.:  Gerichtsbote, 
Büttel,  Scherge.  Volkstümliche  Küi-zung  für 
Fronbote  (s.  d.),  spätmhd.  vron,   vrone  m. 

""Fron(e),  f.  (PI.  -n)-.  dem  Herrn  zu 
leistender  Zwangdienst.  Mhd.  vrone  f.  «Heir- 
lichkeit,  Gewaltheirschaft,  Gefängnis,  Herren-, 
Frondienst  (s.  fron),  gerichtliche  Beschlag- 
nahme». Von  fronen,  frönen,  v.:  unfrei 
Herrendienst  tun  (frönen  auch  bildhch  «einer 
Sache  sklavisch  unterworfen  sein»,  seit  der 
ersten  Hälfte  des  18.  Jh.).  Mhd.  vroenen, 
vrönen  «zum  Herrn  machen,  verherrüchen, 
als  Abgabe  geben,  in  gerichtlichen  Beschlag 
nehmen,  Herren-,  Frondienst  leisten»,  ahd. 
fronen  «in  Beschlag  nehmen».  ABL.  Fronde, 
f.  (PI.  -n)  in  gleicher  Bed.  wie  Frone  f.,  spät- 
mhd. vroende  f.  «frondienstiges  Land,  Fron- 
ai-beit».  das  ein  ahd.  fronida  voraussetzt.  Da- 
von fronden,  v.,  in  gleicher  Bed.  vne  fronen. 

Fronde,  f.:  Oppositionspartei  von  Vor- 
nehmen gegen  die  Regierung.  Aus  franz. 
fronde  f.  «Name  einer  Oppositionspartei  wäh- 
rend der  ^linderjährigkeit  Ludwigs  XIV.,  die 
die  Politik  Mazarins  stark  bekämpfte».  Das 
Wort  bedeutet  eigentlich  «Schleuder»  aus 
lat.  funda  f.  und  wui-de  zum  Spottruf.    ABL. 


591 


Fronfasten 


früh 


592 


Frondeur,  m.,  aus  franz.  frondeur  m.  fron- 
dieren,  v.,  aus  franz.  fronder.  Alle  im 
18.  Jh.,  aber  allmählich  zuräckgetreten.  Neu 
belebt  nach  dem  Kücktritt  Bismarcks.  Vgl. 
Ladendorf. 

Fronfasten,  Fronfeste  usw.,  s  fron. 

Front  (PI. -w),  f.:  Stirn-,  Vorderseite.  1616 
beiWallhausen  Kriegsmanual  119  Fronte,  Front 
f.,  aus  \iü\.  fronte  f.  «Stirn,  Angesicht,  Vorder- 
teil», von  lat.  frons  (Gen.  frontis)  f.  «Stirn». 

Frontispiz,  n.  {-es,  PI.  -e):  Vordergiebel- 
seite. Im  18.  Jh.  aus  franz.  frontispice  m., 
mlat.  frontispicium  n.  «Giebel  eines  Gebäudes», 
von  lat.  frons  f.  «Stirn»  und  spicere  «sehen, 
schauen». 

Frosch,  m.  (-es,  PI.  Frösche):  die  hüp- 
fende Amphibie,  lat.  rana;  (übertragen)  Feuer- 
werkskörper; Geschwulst  an  der  Zunge  einiger 
Tiere;  Schuljunge.  Mhd.  vrosch,  ahd.  frosc 
m.;  dazu  mnd.-mndl.-ndl.  vorssch,  ags.  frox 
m.,  engl.-dial.  frosk  m.,  anord.  froskr  m.,  dän. 
frosk.  Daneben  stehen  Formen  wie  ags. 
frogga,  engl,  frog,  dial.  frock  mit  Guttural, 
und  solche  mit  Dental  anord.  fraiutr,  schwed.- 
dän.  frö,  anord.  fraukr  (aus  *fraudkr).  Es 
ist  kaum  möglich,  alle  diese  Formen  auf 
eine  gemeinsame  Grundform  zurückzuführen. 
Am  ehesten  ist  noch  '*fraup,  *frup  möglich 
und  dies  dürfte  nach  Osthoff  Parerga  344 
zu  den  unter  /ro/i  behandelten  Wg.« springen» 
gehören,  vgl.  aind.  plavas  m.  «Frosch»  zu 
plu-,  pru-  «springen»  und  die  deutschen  Aus- 
drücke hopper,  hoppschel,  grashüpf  er  u.  a. 
ZUS.  Froschblut,  n.:  kaltes  Blut,  bei  dem 
der  Mensch  nicht  in  Aufregung  kommt  (bei 
J.  Gotthelf  Schuldenbauer  364).  Frosch- 
laich, m.  (-s):  Froscheier,  1575  bei  Fischart 
Gai'g.  56  Fröschleych,  im  17.  Jh.  auch  n, 
Froschlöffel,  m.,  ein  Sumpf löffelkraut,  1533 
bei  Rößlin  116<i. 

Frost,  m.  {-es,  PI.  Fröste) :  starren  machende 
Kälte.  Mhd.  vrost,  ahd.  frost  m. ;  dazu  mndl. 
vorst,  afries.-ags.  forst,  engl,  frost,  anord.- 
schwed.-dän.  frost.  Abgeleitet  von  frieren 
(s.  d.).  ABL.  frösteln,  v.:  ein  wenig  Frost 
empfinden,  1541  bei  Frisius  fröstelen.  frostlg, 
adj.  und  adv.:  kalt,  frierend,  mhd.  vrostec, 
vrostic,  ahd.  frostag:  dazu  ndl.  vorstig,  ags. 
fyrstig,  engl,  frosty.  ZUS.  Frostbeule,  f., 
1716  bei  Ludwig. 

frottieren,  v.:  reiben,  scheuern.  1773 
bei  Amaranthes.   Aus  gleichbed.  franz.  frotter. 

Frucht,  f.  (PI.  Früchte):  Bodenerzeugnis, 
insbes.  Getreide;  Erzeugnis  der  Fortpflanzung; 


(bildlich)  Ertrag,  Erfolg.  Mhd.  vruht,  ahd. 
fruht  f. ;  dazu  asächs.  fruht  m.,  ndl.  vrucht  f., 
afries.  frucht  f. ;  später  entlehnt  anord.  fruktr 
m.,  schwed.  frukt,  dän.  frugt  m.  Aus  gleich- 
bed. lat.  fructus  m.  ABL.  fruchtbar,  adj,: 
fi'uchttragend,  fruchtbringend,  nutzbringend, 
mhd.  vruhtbcere,  ndl.  vruchtbaar.  Frücht- 
chen, n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  kleine  Frucht; 
auch  leichtsinniger,  ungeratener  junger  Mensch, 
1750  bei  Lessing  1,  471,  im  gleichen  Sinne 
bei  Luther  8,  67^  früchtlin.  fruchten,  v.: 
fruchtbar  machen  (Goethe  1,  83);  Frucht 
bringen,  Erfolg  haben  (1644  bei  Harsdörflfer 
Gesprächsp.  1,  Vorr.  B  1^),  mhd.  vrühten, 
vruhten  «Frucht  tragen,  als  Frucht  zur  Folge 
haben,  fruchtbar  machen,  den  Fruchtgenuß 
haben».  ZUS.  Fruchtbaum,  m.:  frucht- 
tragender Baum,  Obstbaum,  mhd.  vruhtbouni. 
fruchtlos,  adj.  u.  adv.:  unfruchtbar  (1786 
bei  Herder  zerstr.  Blätter  2,  8);  erfolglos 
(1678  bei  Krämer).  Fruchtschlag,  m.  {-s): 
auf-  oder  abschlagender  Fruchtpreis,  süd- 
westdeutsch (bei  Hebel).  Fruchtspeicher, 
m.  (-.s,  PI.  wie  Sg.):  Getreidelagerungsspeicher, 
1541  bei  Frisius  Frurhtspycher. 

frugal,  adj.  u.  adv.:  sparsam  eingerichtet, 
mäßig,  einfach  -  genüglich.  Im  18.  Jh.  ent- 
lehnt aus  gleichbed.  franz.  frugal,  von  dem 
lat.  Adj.  frügälis,  zu  lat.  frux  (Gen.  frügis) 
f.  «Frucht,  Tauglichkeit». 

früh,  adj.:  der  gewöhnlichen  oder  be- 
stimmten Zeit  vorausgehend.  Bei  Luther 
früe,  mhd.  vrüeje,  vruoje,  vruoive,  ahd.  fruoji. 
Von  früh,  adv.:  mit  Anbruch  des  Tages; 
mit  Anfang  und  selbst  vor  der  bestimmten 
Zeit  seiend.  Auch  frühe  (bei  Goethe,  Schiller, 
Uhland),  älternhd.  früe,  frü  (mit  dem  17.  Jh. 
früh),  mhd.  vrüeje,  vrüe  neben  vruo,  ahd. 
fruo,  friia,  daher  noch  nhd.  früh  (Goethe 
13,  105,  Rückert  2,  395,  Heine  1,  232).  Der 
Lautverschiebung  gemäß  stimmend  mit  gi'. 
TTpuui  adv.  «früh»,  -rrpdbioc  adv.  «frühe»,  irpuuiaf. 
«die  Morgenfrühe»,  aind.  prätdr  adv.  «früh 
morgens»,  zu  gr.  irpö  «vor»,  aind.  ^'a-  «vor-» 
(s.  vor).  ABL.  Frühe,  f.:  erste  Morgen- 
zeit, bei  Luther  früe,  im  15.  Jh.  frue,  ahd. 
fruo7  f.  Frühling,  m.  {-s,  PI.  -e):  erste 
Jahreszeit,  Jahreszeit  des  Grünwerdens  und 
Blühens  der  Pflanzen  (älternhd.  im  16.  Jh. 
früling  bei  Dasypodius,  Frisius  usw.,  bei 
Luther  nur  einmal  neben  Lenz,  spätmhd. 
im  15.  Jh.  vrüelinc);  früh  im  Jahr  geborenes 
Tier  (1.  Mos.  30,  42  früeling);  zu  früh  nach 
der  Hochzeit  geborenes  Kind  (1691  bei  Stieler). 


593 


Frumkeit 


Fug 


594 


ZUS.  Frühgeburt,  f.:  vorzeitige  Geburt. 
Bei  Opitz  (nach  Adelung).  Frühjahr,  n. 
(-es,  PI.  -e):  erste  Jahreszeit  (vom  21.  März 
bis  21.  Juni),  1678  bei  Krämer,  frühreif, 
adj.:  vor  der  gewöhnhchen  Zeit  reif,  1663 
bei  Schottel  (von  Menschen),  von  Früchten 
ndrrhein.  in  der  Kölner  Gemma  von  1495 
vrorijp,  von  1507  vrorijff,  ahd.  fruo  nfi. 
Frühstück,  n.  (-s,  PI.  -e):  Morgenbrot, 
Zwischenmahlzeit  vormittags,  spätmhd.  v-i'iio- 
stücke,  vrüestüc  n.  (Minnesinger  3,  309^,  2. 
310%  3);  davon  frühstücken,  V.,  1470  bei 
Diefenbach  mlat.-hochd.-böhm.  Wb.  138  fru- 
stücken,  frühzeitig,  adj.  u.  adv.:  vor  der 
gewöhnlichen  Zeit,  um  1480  im  Voc.  ine.  teut. 
g5b  ffuezeitig,  in  der  Straßburger  Gemma 
von  1508  fryegzytig  «frühreif». 

Frumkeit,  s.  fromm. 

Fuchs,  m.  (Gen.  Fuchses,  PI.  Füchse): 
das  listige  Raubtier,  lät.  ^nilpes;  (übertragen) 
röthch-braunes  Pferd  (1556  bei  Frey  Garten- 
gesellsch.  Kap.  75,  vgl.  Rappe):  Mensch  mit 
rotem  Haar  (1556  bei  Frey  Kap.  71):  Student 
im  ersten  Halbjahr  (bei  Günther  581,  ver- 
ächtlich 1697  bei  Ettner  unwürd.  Doktor  639, 
von  Abiturienten  1679  bei  Eiemer  polit. 
Maulaffe  51,  aber  schon  im  16.  Jh.  Foß,  Gen. 
Possen,  als  Schimpfwort  für  Studenten  und 
Gelehrte,  z.  B.  1552  bei  H.  Sachs  Fasnachtsp. 
40,  848  fg.,  1571  bei  Rot  Phos,  oöenbar  von 
einer  nd.  Universität  ausgegangen).;  Gold- 
stück (1669  bei  Grimmeishausen  Simpl.  278), 
früher  auch  kleine  nrhein.-westfl.  Kupfer- 
münze im  Werte  von  l'/^  Pfennig  deutscher 
Reichswährung;  listiger,  verschlagener  Mensch 
(bei  Luther  Luk.  13,  32).  In  der  urspr.  Bed. 
mhd.  vuhs,  ahd.  fuhs  m.;  dazu  mnd.-mndl.- 
ndl.  WS,  ags.-engl. /ba; ;  anord. /ba?  n.  «Betrag». 
Daneben  ein  älteres  Fem.  mhd.  vohe  «Fuchs, 
Füchsin»,  ahd.  folm,  anord.  föa,  got,  fauhö. 
Die  bisher  aufgestellten  Erklärungen  der 
Herkunft  befriedigen  wenig.  Vgl.  aber  ühlen- 
beckBtr.22,  538.  Älternhd.  zeigt  sich  schwache 
Flexion  (1550  bei  Alberus  Fab.  48,  178  des 
Fuchssen),  die  noch  oberd.  vorkommt.  ABL. 
füchseln,  v.:  (schlau)  stehlen,  1618  bei 
Schönsleder  füchßlen.  fuchsen,  v.:  fuchs- 
schlau berücken;  hudeln,  peinlich,  empfind- 
lich plagen  oder  argem  (vielleicht  aus  der 
Studentenspi-ache,  doch  vgl.  Weise  ZfdW. 
8,  248  eig.  «einen  wie  einen  Fuchs  behandeln»); 
Geilheit  üben  (1664  bei  Duez) ;  sich  fuchsen, 
v. :  sich  ärgern,  fuchsig,  adj.:  durch  Ab- 
blassen gelbrötlich,    1741  bei  Frisch  füchsig 

We  ig  and,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


«rot».  Füchsin,  f.  (PI.  -nen):  weibhcher 
Fuchs,  spätmhd.  im  15.  Jh.  fiichsinne  (Diefen- 
bach Gloss.  632*^),  md.  im  14.  Jh.  füchsin, 
spätahd.  im  11.  Jh.  fuchsin  f.:  dazu  ags.  fixen, 
engl,  vixen.  ZUS.  Fuchsbau,  m.  {-es,  PI.  -e): 
Lagerhöhle  des  Fuchses,  1775  bei  Adelung. 
Fuchsmajor,  m.:  ältrer  Student,  der  die 
Füchse  im  studentischen  Brauch  unterrichtet. 
Fuchspelz,  m.  {-es,  PI.  -e),  mhd.  vuhshelz 
m.  fuchsrot,  adj. :  feuerrot,  1616  beiHenisch. 
Fuchsschwanz,  m.  {-es,  PI.  -schtvänze): 
Schwanz  des  Fuchses,  1494  bei  S.  Brant 
Narrenschiff  40,  36,  dafür  mhd.  vuhszagel ;  (in 
übertragener  Bedeutung  auch  Name  von 
Pflanzen,  einem  Vogel,  einer  kurzen  Säge); 
davon  fuchsschwänzeu,  v.:  einem  den 
Fuchsschwanz  streichen  oder  mit  dem  Fuchs- 
schwanz streichen,  d.  h.  in  niedriger  Weise 
schöntun,  schmeicheln,  zu  Gefallen  reden, 
seit  dem  16.  .Jh.  (bei  Luther,  H.  Sachs), 
gleichzeitig  Fuchsschwänzer,  m.:  nach 
Gunst  strebender,  heuchlerischer  Schmeichler 
(bei  Luther),  Fuchsschwänzerei,  f.,  (1562 
bei  Mathesius  Sar.  117*).  fuchswild,  auch 
fuchsteufelswild,  adj. :  wild  wie  ein  Fuchs, 
über  die  Maßen  aufgebracht  (bei  H.  Sachs 
Fasnachtsp.  49,  350). 

Fuchtel,  f.  (PI.  -n):  unscharfer  breiter 
Degen;  Schlag  damit  (bei  Lessing  Minna  5, 14). 
Im  16.  Jli.  Fuchtel  (Ringwald  Warnung  des 
tr.  Eckart  H  6^)  und  Forhtel  (Fischart  Garg. 
122.  409,  noch  1734  bei  Steinbach).  Zu  fechten 
(s.  d.).  Davon  fuchteln,  v.:  die  Fuchtel 
hin-  und  herschwingen,  mit  ihr  schlagen, 
(übertragen)  rasch  in  der  Luft  herumfahren. 
Im  16.  Jh.  fuchteln  (schon  in  Übertrag.  Bed. 
bei  H.  Sachs)  und  fochtein  (Fischart  Gai'g.  78, 
bildlich  1541  bei  S,  Frank  Sprichw.  1,  26^. 
2,  55  a  fochtlen). 

Fuder,  n.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  Wagenladung; 
nach  Umfang  oder  Schwere  einer  Wagenlast 
bestimmtes  Maß.  Mhd.  vuoder,  ahd.  fuodar 
n.;  dazu  andd.  föther,  mndl.  voeder,  ndl.  voer, 
ags.  föder  n.  «Wagenlast»,  engl,  fother,  foddey 
(als  bestimmtes  Maß  in  Bei'gwerken).  Wohl 
abgeleitet  von  derselben  Wurzel  wie  Faden 
(s.  d.).  Aus  dem  Deutschen  das  gleichbed. 
franz.  foudre  m. 

Fug,  ra.  {-es):  Zuständigkeit  wozu,  ins- 
besondere mit  dem  Nebengedanken  an  Rechts- 
kräftigkeit derselben  (in  der  RA.  mit  Fug 
und  Recht).  Mhd.  vuoc,  md.  vüc  m.  «Schick- 
lichkeit, Angemessenheit,  passende  oder  er- 
wünschte Gelegenheit,  Geschicklichkeit»;  dazu 

38 


595 


Fuge 


füllen 


596 


mnd.  vöch  m.  f.  Fuge,  f.  (PI.  -n):  Stelle 
eingreifender  Verbindung  zueinander.  Mhd. 
vuoge,  md.  vUge,  vöge  f.  «feste  Vereinigung, 
Verbindungsstelle,  Faßlichkeit,  Scbicklichkeit, 
Geschicklichkeit,  Bewerkstelligung»,  dafür 
ahd.  fuogi  f.  «Verbindung»;  dazu  mnd.  vöge, 
mndl.  voeglie,  ndl.  voeg,  voege  f.  «Faßlichkeit, 
Fuge»,  fugen,  V.:  in  einer  Fuge  anschließend 
verbinden  (1616  bei  Henisch  Part,  gefugt). 
Zu  fügen,  V.:  zu-  und  widereinander  ver- 
binden; als  angemessen,  zweckdienlich  be- 
stimmen; refl.  sich  fügen:  wozu  paßlich  sein; 
sich  schicken;  dem  Zusammenhang  mit  an- 
derm  gemäß  geschehen.  Mhd.  vüegen,  vuogen, 
md.  vügen,  ahd.  fuogan;  dazu  asächs.  fögjan, 
mnd.  vögen,  mndl.  voeghen,  afries.  föga,  ags. 
ßgan,  engl,  fay  «passen,  verbinden».  Abge- 
leitet von  derselben  Wm-zel  wie  das  got.  Adj. 
fagrs  «passend,  geeignete  (s.  fegen).  Die  Grund- 
bedeutung ist  «passend  machen».  ABL. 
füglich,  adj.  und  bes.  adv.:  passend,  an- 
gemessen, geeignet,  spätmhd.  vuoclich,  vüec- 
lich  adj.  Das  Adv.  1467  in  den  Städtechron. 
5,  316,  21;  dazu  FÜglichkeit,  f.,  um  1480 
bei  Melber  b4*  fuglicheit,  1482  füglichkeit. 
fügsam,  adj.  u.  adv.:  sich  gern  und  leicht 
fügend,  unterordnend,  1616  bei  Henisch,  aber 
spätmhd.  vuoc-,  vüecsam  «passend,  schicklich». 
Fügung,  f.,  mhd.  vüegunge.  ZUS.  Füge- 
wort, D.  {-es,  Fl.  -Wörter):  Konjunktion,  bei 
Helvicus  1619  Fügwort, 

Fuge,  f.  (Fl.  -n):  mehrstimmiges  Ton- 
stück, in  dem  eine  Stimme  nach  der  andern 
eintritt  und  dasselbe  Thema,  nur  in  ver- 
schiedener Tonlage,  wiederholt.  1691  bei 
Stieler  Fuge,  1616  bei  Henisch  Fuga.  Aus 
gleichbed.  ital.  fuga  f.,  von  lat.  fuga  f.  «Flucht». 

fühlen,  V.:  prüfend  berühren,  betasten; 
inne  werden,  wovon  innerlich  erregt  werden. 
In  Süddeutschland  nicht  volkstümlich,  des- 
halb in  der  Basler  Bibel  von  1523  durch 
«empfinden»  erklärt.  Mhd.  vüelen,  md.  vfden, 
ahd.  fuoljan,  fualen;  dazu  asächs.  följan  in 
giföljan  «wahrnehmen»,  mnd.  volen,  nd.  fölen, 
ndl.  voelen,  afries.  fela,  ags.  ßlan,  engl,  feel; 
ferner  anord.  falma  «unsicher  tasten».  Ab- 
geleitet von  demselben  Stamme  wie  ahd. 
folma  f.,  asächs.  fohnos  m.,  ags.  folm  f.  «Hand», 
welche  der  Lautverschiebung  gemäß  mit  lat. 
pahna  f.,  palmus  m.,  gr.  iraXdiari  f.  «flache 
Hand»,  ir.  läm  «Hand»  stimmen.  Weiter 
dazu  aind,  pänis  m.  «Hand»,  aw.  pdranä-  f. 
«hohle  Hand».  ABL.  fühlhar,  adj.:  was 
gefühlt  werden    kann,   lebhaft  gefühlt  wird 


(1691  bei  Stieler  fülhar);  (im  18.  Jh.)  zum 
Fühlen  fähig,  gefühlvoll  (Weiße  Lustsp.  2, 83). 
Fühler,  m.  (-s,  Fl.  wie  Sg.):  der  Fühlende 
(1691  bei  Stieler);  Fühlhorn  der  Insekten 
(1773  bei  Müller  Linnes  Natursystem  6,  103), 
danach  bildlich.  Fühlung,  f.,  noch  1691 
von  Stieler  als  selten  Ijezeichnet,  1550  bei 
Jac.  Schöpper  Synonyma  Nr.  12  Fillung  für 
lat.  tactus,  schon  frühmd.  vTdunge  f.  «Gefühl, 
Empfindung»  (ZfdA.  10,  91,  29).  ZUS.  Fühl- 
horn, n.,  1720  bei  Frisch  Insekten  1,  28, 
dafür  bereits  im  14.  Jh.  hörner  (der  Schnecke) 
bei  Megenberg  303,  3. 

Fuhre,  f.  (Fl.  -n):    das  Fahi-en  mit  be 
spanntem    Fuhrwerk;   Wagenladung.     Mhd 
vuore  f.  «Fahrt,  Fahrweg,  Begleitung,  Fahr 
gelegenheit,   Reiseunterhalt,  Futter,  Lebens 
weise,  Art  und  Weise»,  md.  vüre,  ahd.  fuora 
dazu  mnd.  vöre,  ags.  ßr  f.  «Fahrt,  Fuhrwerk» 
Zu  fahren  (s.  d.  und  das  folg.).   ABL.  Fuhr 
weg,   n.    (-S,   PI.  -e):    Fahrweg,    1594   bei 
Frischlin  Nom.  Kap.  125.    Fuhrlohu,  m.  n 
(-S,  PI.  -löhne),  mhd.  vuorlon  m.  n.     Fuhr 
mann,  m.  (-s,  Fl.  Fuhrleute),  mhd.  vu^rman, 
PI.  vuorliute.     Fuhrwerk,  n.  (-s,  PI.  -e), 
md.  1380  fürwerc  n. 

führen,  v.:  fahren  machen,  die  Richtung 
bestimmend  wohin  bewegen  machen;  bei  oder 
an  sich  haben  (schon  mhd.,  auch  Wai'en, 
urspr.  von  umherziehenden  Krämern,  Par- 
zival*  531,  13);  refl.  sich  führen:  sich  be- 
nehmen (im  18.  Jh.).  Mhd.  viieren,  md.  vüren, 
vören,  ahd.  fuorran,  ßrran  neben  fuoren ;  dazu 
asächs.  förjan,  mnd.  vören,  nd.  fören,  ndl. 
voeren,  afries.  fera,  ags.  feran  (reisen),  anord. 
fößra  (bringen),  schwed.  föra,  dän.  före. 
Faktitiv  zu  fahren  (s.  d.).  ABL.  Führer, 
m.  {-s,  PI.  wie  Sg.),  mhd.  vüerer  m.  Füh- 
rung, f.,  mhd.  vüerunge  f. 

Fülle,  f.:  den  Raum  einnehmende  Menge 
von  Dingen,  Vollheit;  Füllsel.  Mhd.  vülle, 
ahd.  füllt  f.;  dazu  in  der  1.  Bed.  ags.  fyllu, 
anord.  fyllr,  fylli  f.,  dän.  fyld,  fylde,  got. 
fullei  f.  (in  ufarfullei).  Abgeleitet  in  1.  Bed. 
von  voll  (s.  d.),  in  2.  Bed.  von  füllen  (s.  d.). 
ZUS.  Füllhorn,  n.  (-s,  PI.  -hörner):  mit 
Blumen  und  Früchten  gefülltes  Symbol  des 
Überflusses,  1723  bei  Günther  215,  eine  Über- 
setzung des  lat.  cornu  copiae. 

füllen,  V.:  vollmachen.  Mhd.  vüllen, 
ahd.  fullan;  dazu  asächs.  fulljan  und  fullön, 
ndl.  vullen,  afpes,  fullia,  folla,  fella,  ags. 
fyllan,  engl,  ßll,  anord.-schwed.  fylla,  dän. 
fylde.     Abgeleitet   von   voll   (s.  d,).     ABL. 


597 


Füllen 


fünf 


598 


Füllsel,  n.  (-S,  PI,  wie  Sg.) :  das,  womit  eine 
Speise  gefüllt  wird,  1650  bei  Moscherosch 
Philander  2,  87  Füllsall,  1540  bei  Alberus 
Dict.  Aa3^  Fülsel,  1420  in  Schröers  Vocab. 
vulsel,  volsal;  dazu  ndl.  vulsel,  vulzel  n. 
FülluUi^,  f.  (PI.  -en):  das  Vollmachen  (bei 
Luther);  Füllsel  (1714  bei  Kirsch);  umrahmte 
füllende  Wandfiäche,  füllendes  Bogen-  oder 
Leistenwerk  (1691  bei  Stieler).  Mhd.  viU- 
lunge  «Völlerei».  ZUS.  Füllwort,  n.  (-es, 
PI.  -ivörter):  ausfüllendes  Wort  im  Satze, 
1760  bei  Lessing  6,  209. 

Füllen,  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.);  Junges  vom 
Pferd  oder  Esel.  Mhd.  vüli,  viele,  vül  und 
vülm,  vüln,  ahä.fidi  und  fulin  n.;  dazu  anord. 
fyl  n.    Mit  Suffix-fn  abgel.  von  Fohlen  (s.  d.). 

fulminant,  adj.:  blitzend,  donnernd; 
tobend,  drohend;  gewaltig.  Aus  franz.  ful- 
nmiant  «blitzend»,  das  dem  lat.  fulminans, 
dem  Part. -Präs.  -von  fulminäre  «den  Blitz 
schleudernd»  entstammt.  Bei  Campe  1813, 
aber  fulminieren  «blitzen,  donnern;  lästern, 
toben»  schon  1710  bei  Nehring. 

Fnmmel,  f.  (PI.  -«):  ein  Holz,  mit  dem 
.der  Schuhmacher  reibend  die  Ränder  der 
Sohlen  poliert;  auch  liederliche  Weibsperson; 
(meißnisch)  hohles  Backwerk  in  Gestalt  eines 
halben  Mondes.  In  der  1.  Bed.  1775  bei 
Adelung  Fummelholz;  in  der  2.  und  3.  Bed. 
bei  Adelung  1796.  Von  fnnimeln,  v.:  woran 
reiben,  durch  Reiben  glätten  oder  reinigen; 
tasten  (Bode  Tristr.  Schandi  2,  16),  flüchtig 
arbeiten,  müßig  umherstreichen  (1755  bei 
Richey),  auch  obszön.  Aus  dem  Niederd.; 
dazu  erigl.fumhle  «tappen,  betasten,  stümpern». 

Fund,  m.  {-es,  PI.  Funde):  das  Fmden; 
das  Gefundene;  (älternhd.  und  noch  beiMusäus 
Volksm.  3,  168,  ausgedachter)  pfiffiger  An- 
schlag, Knifi',  Rank.  In  diesen  Bed.  mhd. 
vunt  m.;  dazu  mndl.  vont,  ndl.  vond,  anord. 
fundr,  fyndr  m.,  schwed.  fynd  u.,  dän.  fund  m. 
Von  finden  mit  Suffix-i,  Grundform  also 
fündiz.  ZUS.  Fundgrube,  f.  (PI.  -n):  berg- 
männisch der  Fundpunkt  sowohl  als  das 
Gnibenfeld,  wo  zuerst  das  gemutete  Mineral 
bloßgelegt  wird.  1476  in  Mones  Zeitschr.  1, 
46,  bildlich  bei  Luther. 

Fundament,  n.  (-es,  PI.  -e):  Grundfeste, 
Grundlage.  Schon  mhd.  fundament,  funda- 
mint  n.,  aber  auch  umgedeutscht  fundamunt, 
fullemunt,  rollemunt  m.  n.,  ahd.  fundament, 
fundement,  funäiment  n.  Aus  gleichbed.  lat. 
fundamenlutu  ii.,  von  fundäre  «den  Grund 
(lat.  fundus  m.J   wozu  legen». 


fundieren,  v.:  gründen,  stiften.  Mhd. 
fundieren,   aus   lat.  fundäre  (s.  Fundament). 

fünf,  Zahlwort,  alleinstehend  auch  noch 
Nom.  u.  Akk.  fünfe,  Dat.  fünfen,  der  Gen. 
fünfer  in  fünferlei  (s.  -lei).  Bei  Luther  funff, 
md.  fünf  fumf,  mhd.  vünf  vunf,  auch  fiunf 
fiumf,  vinf,  mit  ausgestoßenem  Nasal  vif, 
fiuf  (1552  alem.  feuf),  ahd.  fimf  finf,  fünf; 
dazu  got.  fimf,  asächs.-nd.-afries.-ags.  ftf  ndl. 
vijf  engl,  five,  anord.  fimm,  schwed.-dän.  fem. 
Der  Lautverschiebung  gemäß  entsprechend 
gr.  -rrevTe  und  äolisch  rreiuTTe,  lat.  quiuque  (aus 
*penque),  amä.-a.w. pa^dca,  avva.hing,  aih.pesd, 
lit.  penM,  abg.  pqtt,  air.  cöic,  kymr.  pimp. 
Als  Subst.  Fünf,  f.,  die  Fünfzahl  oder  -Ziffer 
(bei  Goethe  6,  265  als  Xeutr.) :  die  Fünfzahl ; 
5  Augen  im  Würfelspiel;  die  Ziffer  5.  Spät- 
mhd.  vünfe  f.,  noch  bei  Schiller  Picc.  2,  1 
Fünfe  f.  ABL.  Fünfer,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.): 
die  Zahl  fünf  (1539  bei  Serranus  Dict.  u6''); 
Mitglied  einer  aus  fünf  Männern  bestehenden 
Behörde  (mhd.  im  14.  Jh.  vünfer);  Münze 
im  Werte  von  fünf  Pfennigen,  Kreuzern, 
Hellern  (1561  bei  Maaler)  usw.  fünfte, 
Ordinalzahl,  mhd.  vünfte,  vunfte,  fümfte,  ahd. 
fimfto,  finfto;  dazu  got.  fimfta,  asächs.  ßfto, 
ndl.  vijf  de,  afries.  flfta,  ags.  fifta,  engl. 
fifth,  anord.  fimmti,  schwed.-dän.  feinte;  ent- 
sprechend lat.  quintus  (aus  *quinctus)^  gr. 
-rrdUTTToc,  altir.  cöiced,  kymr. pimphet,  ht.  penk- 
tas,  abg.  p^tu,  aind.  patd'cathas,  para'camas, 
aw.  puxäa-.  Davon  füuftehall),  4^2,  oilid. 
vünfte-,  vümphte-,  vunfthalp ;  dazu  and.  fifte- 
half;  Fünf  teil,  gekürzt  Fünftel,  n.  (-S, 
PI.  wie  Sg.),  mhd.  vünfteil  n.,  1691  bei  Stieler 
Fünftel;  Fünftelsaft,  m.:  für  Quintessenz 
1779  von  Bürger  gebildet,  fünftens,  Zahl- 
adv, gebildet  wie  drittens  (s.  d.).  fünfzehn, 
Zahlw.,  bei  Luther  funffzehen.  Daneben 
stehen  in  modernen  Dialekten  noch  Formen 
mit  ch,  schwäb.-bayr.  fuhze  mid  fuchzk  «50», 
die  den  Guttural  von  idg.  penk'^'e  bewahrt 
haben,  vgl.  Kauflmaim  Btr.  12,  512.  Mhd. 
vünfzehen,  vünfzen,  ahd.  finfzehen,  finfzen; 
dazu  and.  flftein,  ndl.  vijftijn,  afries.  fifttne, 
fiftene,  ags.  ßfteon,  fiftyne,  engl,  fifteen, 
anord.  fimtän,  schwed.  femtän,  dän.  femten, 
got.  fimftaihun;  davon  das  Ordnungszahlwort 
fünfzehnte,  mhd.  vünfzehende,  ahd.  fimf- 
zendo  neben  älterm  finftazehendo  (d.  i.  fünfte- 
zehnte); dazu  ndl.  vijftiende,  afries.  ßftinda, 
flftendesta,  ags.  fifteoda,  ßfteyda,  engl,  fif 
teenth,  anord.  fimtändi,  schwed.  femtonde, 
dän.  femtende.    fünfzig,  Zahlw.,  bei  Luther 

38* 


599 


fungieren 


fürbaß 


600 


fnnffzig.  mhd.  vünfzec,  vünfzic,  md.  vumfzec, 
ahd.   fimfzuc,    finfzug:    dazu   asächs.  fiftich, 
Viftech,  and.  fiftich,  ndl.  vijftig,  afries.  fiftich, 
fiftech,  ags.  fiftig,  engl.  ;?/ift/,  anord.  fimmtigir, 
schwed.  femtio,   dän.  /em^i,   got.  fimftigjus: 
davon  fünfzigste,   Ordinalzahl,  iuhd.  vi'mf- 
zigiste,  ahd.  finfzugosto.    ZUS.  Fünf  kämm,  i 
in.  (-s):   in  Norddeutschland    ein    aus  Lein- 1 
wand  und  Wolle  gewebtes  Zeug,  bei  dessen  ' 
Anfertigung   zum  Aufzug  3  Kämme  Leinen 
und   zum  Durchschuß   2  Kämme  Wolle  ge- 
nommen   werden,    im    Farbebüchlein    (1685) 
Cl^  Fünffkam,  1790  bei  J.  Gottwerth  Müller 
Siegfr.  V.  Lindenbei'g  1,  166,   nd.  fifkamm. 

fungieren,  v. :  ein  Amt  verwalten,  aus-  j 
richten.  1728  bei  Sperander.  Aus  gleichbed.  j 
lat.  fungi.     S,  Funktion. 

^Funke,  m.  (-n,  PI.  -n):  feui-ig  schimmern-  i 
der  Punkt,     Daneben  Funken  {-s,  PI.  wie 
Sg.),  z.  B.  bei  Schiller  Räuber  3,  2,  bereits  I 
um    1480   im   Voc.  ine.  teut.  f7*   (fancken, 
imlgariter  funcken),   aber  wieder  verdrängt. 
Mhd.  vunke  neben  vanJce  (daher  noch  bayr.- 1 
östr.  Fanken),   ahd.  funcho   m.;   dazu   mnd. 
funke  m.,   ndl.  vonk  f.,   meng,  funke,   engl. 
funk   «Gestank».     Man   sieht   in  funke   eine 
Ableitung  von  got.  fön  (Gen.  funins)n.  «Feuer», 
oder  man  stellt  es  zu  aind.  pajas  n.  «Glanz» 
und  mit  anlaut.  s  lit.  spingfe^z  «glänzen»,  lett. 
spuogalas  m.  «Glanz».    Vgl.  Zupitza  Gutt.  162 
undUhlenbeck  aind.  WB.  ^BL.  funken,  v.: 
Funken  von  sich  geben,  funkenartig  blinken,  [ 
bei  Voß,  Rückert  (1,  448)  usw.,  mhd.  vunken.  j 
Dazu  das  Iterativ  funkeln,  v.:  wie  Funken 
leuchten,  im  Voc.  ex  quo  1469,  daneben  mit 
Umlaut  funkeln  (Hiob  16,  9,  Goethe  6,  95); 
damit    zusammengesetzt    fuukelneu,    adj.: 
glänzend  neu  (1678  bei  Krämer),  gewöhnlich 
funkelnagelneu,     1789    bei    Gott  er    Erb- 
schleicher 72  (s.  nagelneu). 

"Funke  (-n,  PL  -n),  auch  gekürzt  Ftink, 
m.:  unsteter,  leichtfertiger  Mensch  (1646  bei 
Moscherosch  Philander  2,  108);  ehemals  köl- 
nischer Stadtsoldat  (bereits  in  der  ersten 
Hälfte  des  18.  Jh.,  so  genannt  wegen  der 
roten  Uniform).  Aus  der  Gaunersprache,  wo 
Funk  «Flamme»  bedeutet. 

Funktion,  f.  (PI.  -en)-.  Verrichtung,  1663 
bei  Schuppius  727,  aus  gleichbed.  lat.  functio 
f.  (s.  fungiei-en). 

Funse,  Funsel,  f.  (PI  -n)  -.  geringe,  düster 
brennende  Öllampe.  Die  erste  Form  im  öst- 
lichen Mittel-  und  Süddeutschland,  die  zweite 
im    östUchen    Nord-    und    Mitteldeutschland. 


Daneben  Formen  mit  z  Funzel.  Bei  Günther 
1100  Funze.  Mit  Schwund  eines  Guttural 
aus  funksei  und  zu  Funke  zu  stellen,  vgl. 
bei  Kilian  1632  voncksel  «Zündstoff,  Zunder», 
haji:  funkezen,  fünkezen  «funkeln». 

für,  Präp.  mit  Akk.,  und  Adv.:  (älter- 
nhd.  und  noch  oberd.  ebensowohl  nait  Dat.) 
vor,  auch  nach  der  Folge  vom  an,  folgend 
auf  (in  den  Wendungen  Mann  für  Mann, 
Schritt  für  Schritt,  Tag  für  Tag,  als  Adv. 
für  und  für);  aus  (Ursache,  noch  bei  Goethe 
3,  4:  45,  172  1.  H.,  Schiller  Maria  St.  2,  3 
für  Erstaunen):  an  der  SteDe  von;  zum  Vor- 
teil oder  Besten  von;  zum  Schutze  gegen: 
als  ob  .  .  .  wäre  (Scherz  für  Ernst  nehmen): 
nach  zählender  Stelle  betreffend  {fürs  erste, 
fürs  zweite).  Bei  Luther  für,  für,  mhd.  vür, 
md.  vure,  vur,  vore,  ahd.  furi;  dazu  asächs. 
furi  «vor»,  anord.  fyri,  schwed.  för.  Vor 
(s.  d.)  und  für  hatten  urspr.  dieselbe  lokale 
Bedeutung,  nur  daß  ersteres  die  Ruhe  be- 
zeichnete und  somit  den  Dativ  regierte, 
letzteres  dagegen  die  Bewegung  bezeichnete 
und  mit  dem  Akk.  verbunden  wurde.  Aber 
mit  dem  Beginne  des  Nhd.  entstand  Ver- 
wirrung, und  man  fügte  vor  auch  mit  dem 
Akk.,  für  ebensowohl  mit  dem  Dativ,  zumal 
da  beide  im  Md.  und  Nd.  in  der  Form  vor 
sich  vereinigten.  Später  suchten  die  Gram- 
matiker wieder  feste  Regeln  in  betreff  der 
Rektion  aufzustellen,  indem  sie  vor  mit  dem 
Dat.  und  Akk.  beließen,  für  aber  auf  die 
Verbindung  mit  dem  Akk.  und  auf  weiter 
abgeleitete  Bedeutungen  beschränkten. 

Furage,  f.  (spr.  furäsche):  Futter,  beson- 
ders beim  Heere.  1711  bei  Rädlein  Furäsche, 
1678  bei  Krämer  Foraschi,  Forraschi,  1644 
in  der  Teutschen  Sprach  Ehrenkrantz  4  Fou- 
rage,  volksmäßig  an  Futter  angelehnt  1694 
bei  Nehring  Futtrasche  und  schon  1617  im 
teutschen  Michel  33  Fouteraschi.  Entlehnt 
aus  gleichbed.  franz.  fourrage  m.,  das  nebst 
ital.  fodero  m.  «Kleiderfutter,  Futteral»  und 
mlat.  fader are  «Futter  auftreiben,  Futter  in 
Lieferung  einfordern»,  von  einem  Stamme 
abgeleitet  ist,  der  im  Deutschen  Futter  vor- 
liegt (s.  d.).  Davon  fouragiereu  (nach  der 
franz.  Aussprache  auch  furaschiei^en) ,  v.: 
Futter  auftreiben  und  holen.  1678  bei  Krämer 
foraschiren.  Aus  fvanz.  fourrager  «verfüttern, 
auf  Futterholen  ausgehen». 

fürbaß,  adv. :  mehr  vorwärts,  weiter  fort. 
Nur  noch  altertümlich  (Schiller  Jungfr.  v.  Orl. 
Prol.  2).    Mhd.  vürha^,  md.  auch  vorha^,  zu- 


601 


Fürbitte 


Furnier 


602 


sammengesetzt  aus  dem  Adv.  für  «vorwärts, 
darüber  hinaus»  und  dem  Adv.  haß  (s.  d.) 
«besser,  mehr». 

Fürbitte,  f.  (PI.  w):  Bitte  zum  Besten 
eines  andern.  Bei  Luther  furhit^  bei  Alberus 
fürhitt,  furhitt,  md.  im  13.  Jh.  furhete  f. 

Furche,  f.  (PI.  -n,  urspr.  wie  noch  bayr. 
FürcJie):  mit  dem  Pfluge  gezogene  Vertie- 
fung. Bei  Luther  Furche,  mhd.  vurch,  vurich, 
ahd.  furJi,  furuh  f. ;  dazu  ndl.  voor,  ags.  furh  f., 
engl,  furroiü,  anord.  for  f.  (Abzugsgraben). 
Der  Lautverschiebung  gemäß  entspricht  lat. 
porca  f.  «Erdaufwurf  zwischen  zwei  Furchen, 
Ackerbeet»,  abret,  rec  «sulco»,  kymr.  rhych 
«Furche»,  ir.recÄ  «Furche»,  arm.  AerÄ;  «frisch 
geackertes  Brachland».  Mit  antretendem  t 
md.  im  15.  Jh.  forchte,  elsäss.  im  16.  Jh. 
und  noch  jetzt  Furcht,  auch  wetterauisch 
Forcht  f.;  Schweiz,  mit  Schwinden  des  Gut- 
turals FurB  (l541  bei  Frisius  furhen),  ober- 
rhein.  (Weisth.  4,  480)  furre,  mnd.  vore,  vare, 
nd.  Fahre  (Schmidt  v.  Werneuchen  Ged.  54 
u.  122).  Der  Plur.  lautet  mhd.  vurhe,  vurch, 
viirhe,  fürhen,  bei  Luther  Furchen,  Hiob  31, 38 
Furche,  wie  noch  bayrisch.  ABL.  furchen, 
V.:  Furchen  ziehen,  mit  Furchen  diu'chziehen, 
mhd.  vurhen,  bayr.  fürchen,  furchig,  adj.: 
mit  Furchen  versehen,  1691  bei  Stieler  fur- 
chicht,  ahd.  furhig  in  zivivurhig. 

Furcht,  f.  (PI.  ehedem  Furchten):  im- 
angenehmes,  wovor  fernhaltendes  -Gefühl. 
Ältemhd.  seit  dem  15.  Jb.  Furcht  neben 
Forcht,  das  sich  bis  ins  18.  Jh.  erhält,  bei 
Opitz,  Fleming,  Lohenstein,  Hoifmannswaldau 
auch  Furchte,  mhd.  rorhte,  vorht,  ahd.  forahta, 
forhta.  Dazu  asächs.  forahta,  forhta,  mnd. 
vrochte,  mndl.  vruht,  ufries.  fruchte,  mit  an- 
derer Bildung  got.  faürhtei  f.,  ags.  fyrhto  f., 
daher  engl,  fright.  Abgeleitet  von  dem  Adj. 
ahd.  foraht,  asächs.  foraht,  forht,  ags.  forht, 
got. /a??rÄfe« furchtsam»;  wovon  auch  fürch- 
ten, V.:  Furcht  haben,  mhd.  vürhten,  vurhten 
und  vörhten  (daher  älternhd.  bis  ins  18.  Jh. 
förchten),  vorhten,  ahd.  furihtan  und  forahtan, 
forhtan,  dazu  asächs.  forahtian,  forhtian,  mnd. 
und  mndl.  vruchten,  afries.  fruchta,  ags.  forh- 
tian, engl,  fright,  got.  faürhtjan.  Herkunft 
unbekannt.  Vgl.  Zupitza  Gutt.  6,  Johansson 
Idg.  Forsch.  8,  106.  Das  Prät.  lautet  mhd. 
vorhte,  noch  im  18.  Jh.  forchte  (daher  alter- 
tümelnd  bei  Uhland  Ged.  867  forcht),  bei 
Luther  furchte  (noch  bei  Lessing  4,  94.  6,  378, 
Zachariä  Renommist  4,  211).  ABL.  furcht- 
bar, adj.  und  adv.:   Furcht  erregend,  mhd. 


selten  vorhtebcere,  dann  erst  1691  bei  Stieler 
furchtbar,  fürchterlich,  adj.  und  adv., 
1716  bei  Ludwig,  mit  unorganischem  -er 
(wie  leserlich,  weinerlich)  an  Stelle  des  ver- 
alteten fürchtlich  (1616  bei  Henisch,  furcht- 
lich 1691  bei  Stieler,  mhd.  vorhtlich,  ahd. 
forahtlth).  furchtlos,  adj.,  bei  Luther 
7,  11  Jen.  furchtsam,  adj.  und  adv.:  für 
Furcht  empfänglich,  von  Fui'cht  befangen, 
älternhd.  furchtsam  (bei  Luther)  und  forcht- 
sani  (bis  ins  18.  Jh.),  aber  mhd.  vorhtsam, 
vorhtesam  «Furcht  erregend,  Furcht  emp- 
findend». 

fürder,  adv. :  weiter  nach  vorn,  vorwärts, 
weiter.  Bei  Luther  fürder  und  förder,  mhd. 
vürder,  vurder,  mit  Ausfall  des  r  füder.  fuder, 
md.  forter,  förter,  ahd.  furdir,  furdar;  dazu 
asächs.  furäor,  afries.  further,  ags.  furäor, 
engl,  further.     Komparativ  zu  fort  (s.  d.). 

Furie,  f.  (PI.  -n):  ausgelassene  Wut; 
schlangenhaarige  und  mit  Schlangen  bewaff- 
nete Rachegöttin ;  wütende  Person,  Im  16.  Jh. 
(in  der  l.Bed,  1575  bei  Schweinichen  1,  123) 
aus  gleichbed.  lat,  furia,  von  für  er  e  «wüten», 

Furier,  m.  {-s,  PI,  -e) :  Unteroffizier,  der 
die  Aufsicht  über  das  Quartierwesen  seiner 
Kompagnie  hat  und  zum  Quartiermachen  auf 
Märschen  gebraucht  wird,  Älternhd.  im  16. 
und  17.  Jh.  Furier  er  (1533  bei  Weller  Dich- 
tungen des  16.  Jh.  96,  noch  1711  bei  Rädlein) 
«Quai'tiermacher  des  Hofes  oder  des  Heeres», 
im  18,  Jh.  verdrängt  durch  Furier,  1664  bei 
Duez  Furrier,  1616  bei  Henisch  J^on'er,  Forir, 
Furier,  Furir,  1566  bei  Aventin  bayr.  Chron. 
97*  Furier,  bereits  im  14.  Jh.  md.  forir  m. 
(Bruder  Hans  Marienlieder  907).  Die  Schrei- 
bung Fourier  1713  bei  Kirsch  2,  118''.  Ent- 
lehnt aus  gleichbed.  franz.  fourrier,  ital.  fo- 
riere  m.,  von  mlat.  fodrarius  m,  «der  das 
Futter  zu  besorgen  und  im  Krieg  einzutreiben 
hat,  einer  Ableitung  von  mlat.  foderare  (s. 
Fourage  und  Futter). 

fürlieb  in  /;  nehmen :  sich  womit  freund- 
lich genügen  lassen.  Gebildet  wie  mhd.  für 
guot,  verkürzt  verguot.  Erst  im  17.  Jh.  (1659 
bei  Butschky  hochd,  KanzeUei  263  für  Hb), 
auch  vorlieb  (Lessing  12,  402,  s.  für),  im 
täglichen  Leben  sogar  verlieb. 

Furnfer,  n.  (-s,  PI.  -e):  dünne  Holz- 
platte, Holzblatt,  von  furnieren,  v.:  mit 
feinem  Holz  belegen  (bei  Tischlern).  1587 
bei  Mathesius  Sar.  54*  die  stuben  mit  dünnem 
flader  furniren  (1562  formiren,  s.  u.).  Dazu 
bei   Kilian  1599   fornieren,   furnieren.      Aus 


603 


Furore 


fiischeln 


604 


franz.  fournir  «womit  versehen,  versorgen, 
ausstatten»,  afranz.  formir,  fornir,  ital.  for- 
nire,  sard.  frunire,  prov,  fromir,  formir,  die 
vom  ahd.  fnmij an  {s.  frommen)  abgeleitet  sind, 

Furore,  f.:  tobender,  rasender  Beifall. 
Um  die  Mitte  des  19.  Jh.  (1854  bei  H.  Heine 
Lutezia  2,  278)  in  Künstlerkreisen  entlehnt 
aus  ital.  furore  m.  «Raserei,  Ungestüm»,  von 
lat.  furor  m.  «Wut». 

Fürsehung,  f.,  zuweilen  siatt  Vorsehung 
(s.  d.),  bei  Schiller  Teil  4,  1.  Bei  Luther 
fiirseJmng,  spätmhd.  im  15.  Jh.  fürselmng. 

Fürsorge,  f.,  statt  Vorsorge  (s.  d.),  z.  B. 
bei  Wieland  38,  189,  1556  bei  Frisius  für- 
sorg,  mhd.  vürsorge  f. 

Fürspracll,  m.  {-es,  PI.  -e):  rechtskun- 
diger Vertreter  oder  Verteidiger  (Lessing 
Nathan  4,  7);  zu  Gunsten,  zur  Empfehlung 
Sprechender  (Schiller  Turandot  5,  l).  Seit 
dem  13.  Jh.  md.  vorspräclie,  nmd.  vorsprake 
m.     Vgl.  Fürsprech. 

Fürsprache,  f.  (PI.  -n):  gute  Worte  an 
der  Stelle  und  zum  Besten  jemandes.  1716 
bei  Ludwig  Vm  spräche  u.  Fürsprache,  ersteres 
noch  bei  Lessing  11,  514,  Goethe  26,  281.  Ahd. 
forasprähha  f.  ist  «Vorwort,  Vorrede». 

Fürsprech,  m.  (-en,  PI.  -en) :  Fürsprecher, 
Advokat,  Rechtsbeistand.  Heute  fast  nur 
noch  schweizerisch.  Mhd.  vürspyreche,  vor- 
spreche, ahd.  furisprehho  m.,  zusammenges. 
mit  ahd.  sprehho  m.  «Sprecher»,  unter  Ein- 
fluß von  ßirsp>rechen,  ahd.  furisprehhan. 

Fürst,  m.  {-en,  PI. -e/^):  Staatsoberhaupt; 
im  besondern)  der  zunächst  Höhere  über  dem 
Grafen.  Bei  Luther  Fürste  (noch  bei  Weise 
Erzn.  115,  Gryphius  Trauersp.  49,  Hagedorn 
neue  Fab.  85),  mhd.  vürste,  md.  rurste,  vorste, 
ahd.  furisto,  fiirsto  m.;  dazu  mnd.  vorste, 
ndl.  vorst,  afries.  forsta  m.  Eig.  «der  Vor- 
derste, Erste,  Höchste»,  denn  Fürst  ist  der 
substantivisch  gebrauchte,  zum  ahd.  Adv.  fari, 
got.  fmr  «vor»,  gebildete  Supei-lativ  ahd. 
Jurist,  mhd.  (absterbend)  vürst,  fürst,  asächs. 
furist,  ags.  fyrst,  engl,  first,  anord.  fyrstr 
«der  erste,  vorderste».  Vgl.  Fron,  Herr. 
Im  16.  bis  18.  Jh.  auch  der  Gen.  Fürstens 
(bei  Luther  Tischr.  345*,  Ettner  medicin. 
Maulaöe  723);  mitunter  im  Dat.  und  Akk. 
Sg.  Fürst  (Schiller  Jungfrau  v.  Orl.  1,  2, 
Demetrius  2,  l),  bes.  in  formelhafter  Stel- 
lung {von  Fürst  zu  Fürst).  ABL.  f  ürsten, 
V.:  mit  Fürstenrang  bekleiden,  mhd.  vürsten, 
md.  vursten,  vorsten,  vurstenen,  vorstencn. 
Fürstin,  f.  (PI.  -nen),  mhä.vürstinne,  vürstm, 


vürstin  f.  fürstlich,  adj.,  mhd.  vürstlich, 
vürstelich,  fürstenlich,  md.  fürstlich,  forstlich. 
ZUS.  Fürstenhaus,  n.  (-es,  PI.  -häuser), 
bei  Luther.  Fürstentum,  n.  {-s,  PI.  -tümer), 
mhd.  vürsttuom,  vürstentuom  m.  n. 

Furt,  f.  (PI.  -en) :  seichte  Stelle  im  Wasser 
zum  Durchkommen.  Bei  Luther  Mask.  und 
Fem.,  älternhd.  und  noch  obei-d.  Mask.,  mhd. 
vurt  und  ahd.  fürt  m.,  md.  fürt,  fort  m.  und  f.; 
dazu  asächs.  ford  (in  Ortsnamen  wie  Jfm- 
ford),  mnd.  vor  de,  vört  m.,  mndl.  voord, 
afries.  forda  m.,  ags.  ford  m.,  engl.  ford.  Zu 
derselben  Wurzel  wie  fahren  (s.  d.);  der  T^aut- 
verschiebung  gemäß  stimmend  zu  lat.  porta 
f.  «Tor»,  portus  m.  «Hafen»,  aw.  pdsus  ni. 
«Durchgang,  Furt»,  psrdtus  m.  «Durchgang, 
Gang»,  gall.  ritu-  «Furt»  in  Ritu-magus, 
Augusto-ritum,  akymr.  rit  «Furt»,  wozu  auch 
anord.  fjördr  m.  «Bucht»,  schwed.-dän.  fjord, 
schwed.  fjärd  (aus  dem  Nord.  engl.  frth). 

fürtrefflich  (bei  Goethe,  Schiller),  s. 
vortrefflich. 

Fürtuch,  n.  {-es,  PI.  -tücher):  Schürze. 
In  Süddeutschland.  Spätmhd.  im  15.  Jh. 
vortuoch,    14X2   im  Voc.  theut.  i8*  furtuch. 

Furunkel,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.)  und  f. 
(PI.  -n,  bei  Musäus  Kinderklapper  40):  Blut- 
schwär. 1588  bei  'i'abernämontanus  724 
Fürunckel.    Aus  gleichbed.  lat.  furunculus  ra. 

fürwahr,  adv.:  in  Wirklichkeit,  in  der 
Tat.  Mhd.  vür  tvär,  vür  wäre,  md.  vorwär, 
vorwäre. 

Fürwitz,  s.  Vorwitz. 

Fürwort,  n.  {-es,  PI.  -Wörter):  Schein- 
grund, Ausflucht  (1540  bei  Alberus  Dict.  H  2*», 
1541  beiFrisius  \ohtentus],noch  schweizerisch); 
gutes  Wort  an  der  Stelle  und  zum  Besten 
jemandes  (1691  bei  Stieler);  das  Substantiv 
vertretendes  Wort,  Pronomen.  In  der  letzten 
Bed.  1748  von  Gottsched  (Grundlegung  120) 
gebildet,  dafür  1727  bei  Aler  Vorwort,  1641 
bei  Schottel  Vornennwort,  Stieler  1691  Für- 
ivort  für  Präposition.     Siehe  Vorwort 

Furz,  m.  {-es,  PI.  Fürze):  ßauchwind. 
Mhd.  vurz,  spätahd.  furz,  dazu  nd.  fürt,  fort, 
mndl.  vort  m.  Zu  farzen  (s.  d.).  ABL. 
furzen,  v.,  spätmhd.  im  14.  Jh.  furzen,  md. 
forzen. 

fuscheln,  v.:  mit  den  Händen  regsam 
an  etwas  hin-  und  hertasten;  durch  heim- 
liche Handgriffe  betrügen  (so  beim  Karten- 
spiel). In  Nordostdeutschland.  Davon  Fu- 
SChelei,  f.  (PI.  -en):  Anwendung  verdecken- 
der betmgerischer  Handgriffe  (Lessing  10, 61). 


605 


Fusel 


Futter 


606 


fuschern,  v.:  pfuschern  (Claudius  4,  173), 
s.  pfuschen. 

Fusel,  m.  (-S,  PL  wie  8g.):  geringster 
Branntwein  (auch  schlechter  Tabak,  in  der 
Chemie  das  bei  geistiger  Gärung  nebenbei 
sich  bildende  flüchtige  Öl).  In  der  ersten 
Hälfte  des  18.  Jh.  in  Norddeutschland  auf- 
gekommen (1743  bei  Eichey,  auch  Insel 
Felsenburg  3,  458).     Dunkler  Entstehung. 

Füsilier,  m.  (-s,  PI.  -e)  -.  mit  der  Bajonett- 
flinte bewaöiieter  Fußsoldat.  1703  imZeitungs- 
lex.  Aus  gleichbed.  franz.  füsilier  m.,  von 
franz.  fiisil  m.  (ital.  focile,  fucile,  von  lat. 
focus  m.  «Feuerstätte,  Feuer»)  «Feuerstahl, 
Feuergewehr»  (s.  Flinte). 

Fuß,  m.  {-es,  PI.  Füße):  unterster  Teil 
des  Gehgliedes;  (bildlich,  schon  mhd.)  das 
Unterste,  worauf  etwas  ruht;  (PI.  Fuß,  Dat.  | 
bei  Verbindung  mit  einem  imbestimmten 
Zahlwort  Fußen,  mhd.)  Maß  nach  der  Manns- 
fußlänge (^/o  Elle),  im  heutigen  Reichsmaß 
^/g  Meter;  (nach  dem  Maß  übertragen)  Grund- 
lage, Verhältnis,  Art  und  Weise  (erst  im 
17.  Jh.,  bei  Dietr.  v.  d.  Werder  Gottfr.  5,  54 
auff  gutem  Fuß) ;  Versfuß  (schon  ahd.,  wohl 
nach  lat.  pes).  Mhd.  vuo^,  ahd.  fuo^^  (PI. 
fuogi),  md.  vüg,  vö§  m.;  dazu  asächs.  ßt,  fuot, 
mnd.  vöt,  mndl.  voet,  afries.  föt,  ags.  föt, 
engl,  foof,  anord.  fötr,  schwed.  fot,  dän.  fod, 
got.  föttis  m.  Der  Lautverschiebung  gemäß 
entsprechen  lat.  ^es  (Gen.  peclis)  m.'«Fuß», 
gr.  itoüc  (Gen.  TTof>öc)  m.  «Fuß»,  nlhiXov  n. 
«Sohle»,  iT^bov  n.  «Fußboden»,  -rr^Za  f.  (aus 
Tteb/a)  «Fuß,  Unterstes  an  etwas»,  lit.  päclas 
m.  «Fußsohle»,  pedä  «Fußspur,  Fuß  als 
Maß»,  arm.  otn  «Fuß»,  aw.-aind.  päd  m. 
«  Fuß  ».  RA.  stehenden  Fußes  «  augenblickhch, 
sogleich»,  dem  alten  Rechtsleben  entnommen 
(wer  mit  seinem  Urteil  nicht  zufrieden  war, 
mußte  es  gleich  auf  der  Stelle  anfechten, 
Standes  fußes  e  er  hinder  sich  trede  Grimm. 
Rechtsaltert.  866  vom  J.  1430).  ABL.  füßelu, 
V.:  die  Füße  eilig  fortbewegen,  namentlich 
in  kurzen  oder  zierlichen  Schritten  (bei 
Eichendorif  Taugenichts,  im  15.  Jh.  fußiln 
«zu  Fuß  gehen»  Diefenbach  Gl.  420**);  mittels 
der  Füße  einander  zärtlich  oder  um  ein 
Zeichen  zu  geben  berühren  (Goethe  Faust 
6342,  bei  Aler  1727  fußlefi).  fußen,  v.: 
den  Fuß  fest  aufsetzen,  Fuß  fassen  (1540 
bei  Alberus  Dict.  11  3*);  sich  stützen  auf 
etwas  (md.  im  14.  Jh.  füssen,  vom  Aufliegen 
der  Dachsparren  auf  einer  Mauer,  in  über- 
tragner Bed.  bei  Luther  Tischr.  2  *) ;  zu  Fuß 


gehen  (schweizerisch,  1420  mnd.  vueten  Diefen- 
bach Gl.  420'',  vgl.  bayr.  sich  fußen  «im 
Gehen  eilen»).  Füßling,  m.  (-es,  PI.  -e): 
der  untre,  den  Fuß  bedeckende  Teil  des 
Strumpfes  (im  15.  Jh.  fiießling  Diefenbach 
Gl.  420 c).  ZUS.  Fußangel,  f.  (PI.  -n): 
angelartiges  Eisen  mit  3  bis  5  Zoll  langen 
Spitzen,  von  welchen  beim  Hinwerfen  oder 
Legen  immer  eine  in  die  Höhe  steht,  im 
Voc.  ex  quo  1469  fußangel  (eig.  ein  Brett 
mit  durchgeschlagnen  Nägeln),  1414  fußanger 
Diefenbach  Gl.  420".  Fußboden,  m.  '(-s, 
PI.  -höden),  1640  bei  Comenius  Fußbodem. 
Fußbreit,  m.  (-es):  Raum,  den  die  Fuß- 
sohle auf  dem  Boden  einnimmt,  bei  Luther 
5.  Mos.  2,  5,  als  Neutr.  bei  Schiller  Picc.  2,  1. 
fußfällig,  adj.:  einen  Fußfall  tuend,  mit 
einem  Fußfall  verbunden,  1616  bei  Henisch. 
Fußgänger,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  zu  Fuß 
Gehender  (bei  Keisersberg  Postill  3,  77*), 
Fußsoldat  (mhd.  vuoggenger ,  daneben  vuo^- 
gengel  m.).  Fußknecht,  m.  (-es,  PI.  -e): 
Fußsoldat,  spätmhd.  im  15.  Jh.  (1440  bei 
Diefenbach  Gl.  420=^  fußknecht).  Fußpfad, 
m.  (-es,  PI.  -e),  spätmhd.  vuo^phat  m.  n. 
Fußreise,  f.  (PI.  -n),  1802  in  Gotters  lit. 
Nachlaß  Vorr.  S.  62.  Fußstapfe,  m.  (-ns, 
PI.  -n):  Abdrack  des  Fußes  im  Boden,  bei 
Luther  Hiob  18,  27  fusstapffe,  mhd.  ^mo^- 
staphe,  md.  vU^stappe,  ndl.  voetstap  m.  (s. 
Stapfe).  Daraus  hervorgegangen  und  an 
Tappe  (s.  d.)  angelehnt  Fußtapfe,  m.,  bei 
bei  Geliert,  Lessing,  Herder  usw.,  bei  Luther 
einigemal  fustapffe,  spätmhd.  (md.)  vuo^taphe, 
fueßtappe  m.;  auch  Fem.  bei  Schiller  Fiesko 
1,  1,  Kabale  3,  4,  l)ei  Stieler  1691  Fustappe  f., 
ebenso  in  Grimms  Weisth.  1,  217  schweizerisch 
fuszstapffet  Fußvolk,  n.  (-es,  Fl -Völker): 
Heer  zu  Fuß,  mhd.  vuogvolc  n.  Fußweg, 
m.  (-es,   PI.  -e),  spätmhd.  vuoßwec  m. 

futsch,  interj.:  in  größter  Schnelligkeit; 
hin  und  verloren,  zunichte.  Im  18.  Jh.  süd- 
wie  norddeutsch.     Dunkler  Herkunft. 

^Futter,  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Nahrung, 
bes.  Tiernahrung.  Ältemhd.  Futter  (bei 
Luther)  und  Futer,  mhd.  vuoter,  md.  vüter, 
ahd.  fuotar  n.;  dazu  ags.  födor,  engl,  foddei", 
anord.  födr  n.  Aus  derselben  Wurzel  ab- 
geleitet wie  mhd.  vuoten,  vüeten,  md.  vüten, 
ahd.  fuottan,  fötari,  asächs. /&(?mn,  mnd.  voden, 
afries.  föda,  feda,  ags.  fedan,  engl,  feed, 
anord.  foeda,  got.  födjan  «nähren,  ernähren», 
nd.  vöde  f.,  ags.  föda  m.,  engl,  food,  anord. 
föeda    f.    «Nahrung»,    ahd.   vaton    «weiden, 


607 


Futter 


Gackelchen 


608 


nähren»,  fatunga  f.  «Futterung,  Mästung»,  de- 
nen der  Lautverschiebung  gemäß  entsprechen 
gr.  TTax^oinai  «ich  esse,  verzehre»,  abg.  pitati 
«nähren,  aufziehen»,  aw.pitu  und  aind. piti(S  m. 
«Speise».  Auch  ins  Romanische  gedrungen: 
ital.  fodero  m.,  franz.  fourrage  m.  «Futter», 
feurre  m.  «Futterstroh»,  span,  forraje  m. 
«A'iehfutter».  ABL.  füttern,  auch  (nach 
dem  Md.)  futtern,  v.:  Futter  geben,  älternhd. 
fuotern,  futern,  mhd.  vuotern,  vüetern,  md. 
fütern,  ahd.  fuotiren;  dazu  mnd.  voderen, 
anord,  föära,  schwed.  fodra,  dän.  fodre.  Da- 
von Fütterung,  f.,  mhd.  vuoterunge,  vilete- 
runge,  ahd.  fuotrunga  f. 

^Futter,  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Bekleidung, 
Besatz  worunter,  urspr.  «Überzug,  auswendig 
oder  inwendig».  Mhd.  vuoter  n.  « ünterfutter, 
Futteral»,  ahd.  fuote>;  fötar  n.  «scheiden- 
artiger Behälter,  Futteral,  Überzug»;  dazu 
got.  födr  n.  «Schwertscheide»,  ags.  födder  n. 
«Hülle,   Futteral»,      Wohl   urverwandt   mit 


aind.  pätrani  n.  «Behälter,  Gefäß».  Auch 
ins  Romanische  eingedrungen:  ital.  fodero  m. 
«Kleiderfutter,  Scheide»,  span.-port.  forro  m, 
«ünterfutter»,  nfram.  fuerre,  franz.  fourreau  m. 
«Scheide»,  fourrure  f.  «gefütterter  Rock,  Pelz», 
mlat.  fodrum,  fotrum  n.  ABL.  Futteral,  n. 
(-S,  PI.  -e):  Scheide,  Kapsel.  Im  Voc.  von 
1419  futral  (Schmeller-  1,  799),  im  16.  Jh. 
fiieteral,  aus  gleichbed.  mlat.  fotrale,  futrale  n., 
von  mlat.  fotrum  (s.  oben),  füttern,  v.: 
mit  Unterfutter  versehen,  mhd.  vuotern,  md. 
filtern;  dazu  anord. /o(fra,  schwed, /b(^ra,  dän. 
fodre,  mlat.  foderare. 

futtern,  auch  futem,  v.:  fluchen  und 
schelten,  fluchend  lärmen.  Nach  dem  volks- 
üblich franz.  Ausruf  foutre  «Canaille»  ge- 
bildet, von  franz.  foutre  «beschlafen»,  das 
aus  dem  gleichbed.  lat.  futuere  stammt. 

Futurum,  n.  {-s,  PL  Futura):  die  zu- 
künftige Zeitform  aus  gleichbed.  lat,  futurum 
(nämlich  tempus  n.  «Zeit». 


Q 


Oabe,  f.  (PI.  -n):  das  Gegebene;  Bega- 
bung, Talent  (1514  bei  Keisersberg).  In 
urspr,  Bed.  mhd.  gäbe  f.;  dazu  mnd.  gave, 
ndl.  gaaf,  anord.  gäfa,  schwed.  gäfva  f.,  dän. 
gave.  G.  ist  unter  Anlehnung  an  den  Vokal 
des  Präteritums  mhd.  gaben  eingetreten  für 
mhd.  gebe,  ahd.  geba  f.;  dazu  asächs.  geba, 
ags.  gifu,  anord.  gjöf,  got.  giba  f, 

gäbe,  adj,:  als  dargegeben  annehmbar. 
Mhd,^CB&e  «annehmbar,  lieb,  gut,  (von Münzen) 
Annahme  habend,  im  Umlauf  seiend»;  dazu 
m\idi.geve,vßj\di\.gäve,  ndl,  gaaf  «tauglich,  gut», 
afries.  geve,  jeve,  anord.  gäfr  «heilsam»,  dän. 
gjäv.  Verbaladjektiv  zu  geben  (s.  d.),  wie 
genehm  zu  nehmen.     Vgl,  gänge. 

Gabel,  f.  (PI.  -n):  Werkzeug  mit  (urspr. 
zwei)  auseinandergehenden  Zinken  an  einem 
Stiele;  einem  solchen  Werkzeug  Ähnliches. 
Mhd.  gabele,  gabel,  ahd.  gabala  f. ;  dazu  mnd. 
gaffele,  geffele,  nd.  und  ndl.  gaffel  f.,  ags. 
geafias  pl.m,,  (entlehnt  aus  demNdd,)  schwed.- 
dän.  gaffel  m.  Das  Wort  bezeichnet  ur- 
sprünglich das  Gerät  der  Landwirtschaft 
(schon  ahd.  mistgabala)  und  erst  im  Anfang 
des  16.  Jh.  das  Eßgerät.  Verwandt  sind 
noch  ii*.  gabul,  gobul  «gegabelter  Ast,  Gabel», 
gabla  «Schere»,  kymr.  gafl  «Gabel,  Schenkel» 
(aus  dem  Keltischen  entlehnt  lat.  gabalus  m. 


«Kreuz,  Galgen»)  und  vielleicht  aind.  gä- 
bhastis  m.  «Arm»,  lit,  gabanä  f.  «Armvoll», 
vgl.  Brugmann  Idg.  Forsch.  18,  129.  Die 
ui'sprüngliche  Bedeutung  der  Wurzel,  die 
dem  Wort  zugrunde  liegt,  dürfte  «fassen, 
ergreifen»  sein.  Das  Suffix  -l  bildet  häufig 
Werkzeugbezeichnungen,  vgl.  Hobel,  Meißel, 
Beil,  Beutel.  RA.  in  die  G.  ziehen:  im 
Schachspiel  mit  der  Königin  oder  mit  dem 
Läufer  auf  ein  Feld  ziehen,  von  wo  aus  zwei 
feindliche  Figuren  zugleich  angegriffen  wer- 
den (Lessing  Nathan  2,  l).  ABL.  Crab(e)ler, 
m. :  Gabelhirsch  (s.  u.).  Bei  Frisch  1741 
gabelig,  gabelicht,  adj.,  mhd.  gabeleht, 
bei  Fischart  Garg.  263  gabelig.  gabeln,  v,, 
frühnhd.  bei  Brant  Narr.  70  Überschr.   Davon 

Gabelung,  f.,  neue  Bildung.  ZUS.  Gabel- 
frühstück, u,,  Übersetzung  des  franz,  de- 
jeüner  ä  la  fourchette.  Gabelhirsch,  m. 
(-es,  PI,  -e):  Hirsch,  dessen  Geweih  aus  zwei 
gabelförmigen  Stangen  (im  ganzen  4  Zacken) 
besteht,  1719  bei  Fleming  t.  Jäger  1,  91^. 
Gabelweihe,  m.  f.:  Weihe  mit  gabelförmigem 
Schwänze,  falco  milvus,  1793  bei  Nemnich 
als  Fem. 

gach  (Lessing  Nathan  5,  8),  s.  jach. 

Gackelchen,  n,:  (in  der  Kindersprache) 
das  Ei,    1586   bei   Mathesius  Syrach  3,  10» 


609 


Gackeuest 


Gagat 


610 


Kackelein  n.  Von  gackeln,  gebräuchlicher 
gackern,  v.:  vom  Schreien  des  Huhnes, 
der  Gans;  (auf  Menschen,  besonders  Frauen 
angewandt)  schwätzen  (bei  Wieland  18,  27). 
1595  bei  ßollenhagen  kacheln,  1663  bei  Schotte] 
USl**  kakelen,  nd.  kakeln  (auch  bei  Voß  Luise 
1,  289),  ndl.  gagelen.  gaggelen,  engl,  gaggle; 
1711  bei  Rädlein  gackern,  aber  schon  md, 
um  1300  gägern  in  übertragner  Bed.  «be- 
wundernd anschreien,  schwätzen,  schnattern». 
Beide  sind  Iterativa  zu  tonnachahmenden 
gacken  <s.gag  schreien»,  1414  bei  Diefenbach 
Gl.  267''  von  Hühnern,  1517  bei  Trochus 
Q3*  von  der  Gans,  gagen  wie  ein  Gans  1541 
bei  Frisius  392^,  nibd.  gagen,  «schreien  wie 
eine  Gans,  krächzen  wie  ein  Kalie»  (lib.  ord. 
rer.  24'"). 

Gackenest,  n.  {-es,  PI.  -er):  das  letzte, 
schwächlichere  Küchlein  im  Nest,  Nesthäk- 
chen, (bildlich)  das  jüngste  Kind,  Schoß- 
kindchen, Muttersöhnchen.  1566  bei  Mathe- 
sius  Luthers  Leben  153,  8  Gackennestle,  1711 
bei  Rädlein  Gacke-Xestgen:  dazu  ndl.  bei 
Kiüan  1599  kack-in-nest,  kackert,  vläm.  kakke- 
nest  m.,  kakenestje  n.  Vgl.  Frommann  Mund- 
arten 5,  416. 

gacksen,  v. :  vom  Schreien  des  Huhnes, 
seltener  der  Gans;  tief  aus  der  Kehle  unarti- 
kulierte Töne  ausstoßen.  In  der  1.  Bed.  vom 
Huhn  älternhd.,  im  16.  Jh.  und  noch  1734 
bei  Steinbach  gachsen,  1605  bei  .Hulsius 
gäcksen,  1561  bei  Maaler  gaxen,  1541  bei 
Frisius  gagxen,  1517  bei  Keisersberg  Evan- 
gelibuch 67*  gackzen  (sonst  gaxen),  mhd. 
gagzen  und  gahzen  (Mone  Anz.  8,  396),  ahd. 
gaccizon  (in  irgaccizön  «in  abgestoßenem 
Laute  schreien»),  gagizön  «schnattern  wie 
eine  Gans/>  (Steinmeyer-Sievers  Gl.  2,  699,  2). 
Abgeleitet  von  gacken  (s.  gackeln,  auch  gatzen). 

Gaden,  m.,  dialekt.  n.  {-s,  PI.  Gaden,  auch 
Gäden):  für  sich  abgeschloßnes  Gemach, 
Zimmer,  Kammer,  Stall,  Scheune,  Hütte, 
Laden,  Werkstatt,  Stockwerk.  Mhd.  gailem, 
gaden,  ahd.  gadum,  gadam  u.  «aus  einem 
Raum  bestehendes  Haus  (auch  Saal  bau  einer 
Burg,  daher  in  Ortsnamen  wie  Berchtesgaden, 
urspr.  Berchfoldesgadeni),  einzeln  stehende 
geschloßne  Käumlichkeit,  geräumiges  Ge- 
mach, Stockwerk»,  ins  Nd.  eindringend  gadeni 
n.  «Stockwerk»  (Sachsenspiegel  3,66,3).  Ein 
eig.  hochdeutsches  Wort,  das  bis  ins  17.  Jh. 
in  der  Schriftsprache  lebte  und  noch  in 
Süddeutschland  und  in  Teilen  Mitteldeutsch- 
lands geläufig  ist,  auch  vereinzelt  von  Dichtem 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


noch  gebraucht  wird  (Wieland  Oberon  4,  15, 
in  Rückert  brahm.  Erzähl.  257,  Uhland, 
Scheifel).     Dunklen  ürspnings. 

^Gaflfel,  f.  (PI.  -n):  große  Gabel  (s.  d.) 
von  Holz;  (seemännisch)  Segelstange,  die  mit 
gabelai'tigem  Ausschnitte  um  den  Mast  liegt, 
besonders  Besangaffel,  an  der  die  National- 
flagge aufgehißt  ist.  In  der  1.  Bed.  bei  Voß 
(Luise  1,  753),  aus  dem  Nd.  und  mit  Gabel 
identisch,  aber  schon  1691  bei  Stieler  Gafel  f., 
noch  jetzt  luxemburg.  gäfel,  westfäl.  gaffel. 
In  der  2.  Bedeutung  bei  Röding  1794. 

^Gaffel,  f.  (PI.  -n):  Abgabe,  Zins,  Steuer, 
insbesondere  Abzugsgeld;  (am  Niederrheiu) 
Gilde,  Zunft,  eig.  Verein  zu  gleicher  Abgabe. 
In  der  1.  Bed.  1775  bei  Adelung  (in  einigen 
oberd.  Gegenden),  1616  bei  Henisch  Gabelle, 
bei  Kiechel  Reisen  282  Gabell,  clevisch  1477 
gaffel,  ndl.  1599  gabelle  f.;  dazu  ags.  gafol  n., 
engl,  gavel,  und  ins  Romanische  gedrungen 
mlat.  gablum.  gabalum  n.,  ital.  gabella,  prov.- 
span.  gabela  f.  «Abgabe,  Steuer»,  franz.  ga- 
belle f.  «Salzsteuer».  In  der  2.  Bed.  1575 
bei  Fischart  Garg.  296,  1477  clevisch  gaffel 
im  Teuthonista,  im  14.  Jh.  gaffel  in  den  Köln. 
Chron.  1,  277,  8;   2,  56,  30  usw. 

gaffen,  v. :  offenen  Mundes  sehen.  Md. 
(selten  mhd.)  gaffen,  ahd.  nur  in  geffida  f. 
«Betrachtung»:  dazu  mnd.-mndl.-ndl.  gapen, 
(entlehnt  aus  dem  Nord.)  engl,  gajje,  anord.- 
sch wed.  gajfa,  dän.  gäbe, «  den  Mund  aufsperren  ». 
Das  in  neurer  Zeit  auch  bildlich  für  «offen- 
stehen, gähnen»  (bei  J.  Paul,  Thümmel,  Voß 
II.  14,  518)  verwendete  Wort  trat  durch  die 
Sprache  Mitteldeutschlands  an  die  Stelle  des 
gleichbed.  und  fast  gleichklingenden,  aber 
ganz  verschiedenen  mhd.  kaffen,kapf'en,kaphe?i, 
ahd. chaphen,kapfen,  caf'en  eig. «umherschauen, 
Umschau  halten»  (daher  bei  Luther  gaffen 
«anhaltend  und  eifrig,  hoffnungsvoll  blicken»); 
1482  im  Voc.  theut.  i8^  gaffen,  kaffen  «vmb- 
sehen»  zeigt  sich  die  Mischung  der  beiden 
Wörter.  Amd.  Jabh  «schnappen»  ist  nicht  ver- 
wandt, wohl  aber  zioplls  m.  «wer  mit  offnem 
Munde  gafft».  Das  deutsche  Woi't  also  aus 
gja-,  ABL.  Gaffer,  m.,  bei  Luther,  nd. 
gaper,  dagegen  mhd.  kapfcere,  kapfer,  md. 
kaffäre. 

gagAgen,  v.:  als  Gans  schi-eien  (Schiller 
Xenien  Nr.  83).  Schon  im  16.  Jh.  (Thomas 
Platter  24  B.),  von  dem  Schrei  der  Gans 
gagag  (bei  B.  Waldis  1,  50,  41),  spätmhd. 
gdgäg.     Vgl.  mhd.  gagen  unter  gackeln. 

Gagät,  m.  {-es,  PI.  -n):  schwarzes  stein- 

39 


611 


Gage 


(xaleasse 


612 


festes  Erdpech.  Mhd.  gagätes  m.  (Parzival 
791,  15)  ein  Edelstein,  aus  gr.-lat.  gagätes  m, 
«Glanzkohle»,  benannt  von  Fluß  und  Stadt 
Gagas  in   Lykien. 

Grage,  f.  (spr.  gäze,  PI.  -n):  Gehalt,  Be- 
soldung,   Löhnung.      1616    bei   Wallhausen.  | 
Ki'iegsmanual  «Löhnung»,  1653  bei  Lam^em-  j 
berg  3,  180  (als  gazie)  verspottet.    Entlehnt ! 
aus  franz.  gage,  ital.gaggio  m.  Pfand,  Gewähr- 
leistung,  Sold,   diese   aus   mlat.  vadicum  n. 
«Bürgschaft,    Pfand»,    von   got.  ivadi,   ahd. 
7veti.  wetti  n.  «Pfand»  (s.  Wette). 
gäh,  gäliling,  s.  jäh. 
Crällliaffe,  m.  (-W,  PI.  -n):  Maulaffe.   1718 
bei    Kirsch    (Tähiiaffen    feil    haben.      Dafür 
älternhd.  Ginaffe,  noch  1741  bei  Frisch  Gien- 
affe.   Noch  am  Ende  des  18.  Jh.  vs^ar  Galmaffe 
bei  den  Bauern  der  sächs.  Schweiz  der  Name 
des  primitiven  Leuchters  zum  Festhalten  des 
Leuchtspans. 

gähnen,  v.:  den  Mund  aufsperren,  be- 
sonders krampfhaft;  (bildlich)  weit  und  tief 
geöffnet  sein.  1616  bei  Henisch  gähnen,  1664 
bei  Duez  und  1711  bei  Eädlein  gehnen,  1691 
bei  Stieler  gänen,  1722  bei  Frey  er  (auch  bei 
Gottsched  und  Herder  1,  9,  268)  Jahnen,  1741 
bei  Frisch  gienen,  mhd.  ginen,  geinen,  md. 
genen,  ahd.  ginen  und  ginon,  auch  geindn, 
einmal  genen:  dazu  asächs.  ginon,  clevisch 
1477  gheenen,  ags.  töglnan  «klaffen»,  anord. 
gma  «gähnen»,  gin  n.  «aufgesperrter  Mund». 
Eine  w-Erweiterung  von  dem  gleichbed.  ahd. 
gien,  gijen,  giwen,  gewön,  mhd.  giwen,  gewen, 
bayr.  geuen,  der  Lautverschiebung  gemäß  ent- 
sprechend gr.  xaiveiv,  xöckciv,  lat.  Märe,  M- 
scere,  abg.  zijati,  zhu^ti  «gähnen,  klaffen»,  lit. 
ziöti  «den  Mund  aufsperren». 

gähstotzig,  adj.  und  adv.:  senkrecht- 
abschüssig (Schiller  Teil  4,  l).  Schweizerisch, 
1556  bei  Frisius  und  1561  bei  Maaler  gäch- 
stotzig,  zusammenges.  aus  gäch  «jäh»  und 
Schweiz,  stotzig  «wie  senkrecht  ansteigend» 
(bei  Frisius  und  Maaler),  «abschüssig»,  von 
Stotz  m.  «fast  senkrechte  Ansteigung  oder 
Abschüssigkeit  des  Bodens  oder  Felsens» 
(1541   bei  Frisius). 

Oala,  f.:  Hofpracht,  -prunk  (1706  bei 
Elisabeth  Charlotte  v.  Orl.  2,  447,  Galla  1727 
bei  Aler),  Hoffest  (Schiller  Fiesko  2,  14); 
Hofkleid,  Prachtanzug.  Um  1700,  wahr- 
scheinlich durch  das  spanische  Hof  zeremoniell 
am  Wiener  Hofe,  entlehnt  aus  span,  gala  f. 
«Kleiderpracht»  (1555  im  Wbch.  des  Antonius 
Nebrissensis  gala  «elegantia  vel  lauticia  vesti- 


um»),  ital.  gala  f.  «Staatskleid»,  afranz.  gale  f. 
«Ergetzlichkeit,  Freudenfest»,  galer,  auch 
ivaler  «Feste  feiern».  ABL.  Oalakleid,  n. 
{-es,  PI.  -er),  1691  bei  Abraham  a  S.  Clara 
Judas  2,  57. 

Oaläu,  m.  {-s,  PI.  -e):  Liebhaber,  Buhle 
(Goethe  Faust  2946).  Um  1600  (Hoflmann 
Gesellschaftslieder  45  vom  J.  1611)  entlehnt 
aus  span.  galano  m.  «der  Artige  gegen  ein 
Frauenzimmer»  (1555  bei  Antonius  Nebrissensis 
galan  «elegans»),  abgeleitet  von  Gala  (s.  d.). 

Galander,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  die  an- 
genehm singende  Ringlerche  der  pyrenäischen 
Gebirge;  Haubenlerche.  Mhd,  galander  m., 
später  auch  f.,  mndl.  calander,  aus  mlat.  (ital.) 
calandra  f.,  von  gr.  KaXovbpa  f.,  KctXavbpoc  m. 
eine  Lerchenart. 

galant,  adj.  und  adv.:  fein,  artig  und 
gefällig,  besonders  gegen  Frauenzimmer,  der 
neuesten  Mode  entsprechend.  1663  bei  Schup- 
pius  1,  471,  Grimmeishausen  Simpl.  157,  aus 
fx'anz.  galant,  ital. -span.  galante  «artig»,  eig. 
«fein  und  geschmackvoll  aufgeputzt».  Von 
Gala  (s.  d.).  ABL.  Galanterie,  f.  (PI.  -n): 
feine  Höflichkeit;  (im  PI.)  Putz,  Schmuck - 
wai-e.  Im  17.  Jh.  (bei  Weise  pol.  Näscher  100, 
Galanter ey  in  beiden  Bed.  1678  bei  Krämer, 
Galanteri- Wahren  1693  im  ital.-teutsch.  Wb. 
1081  *')  aus  gleichbed.  franz.  galanterie,  ital. 
galanteria  f.  Davon  Galanteriehändler  m. 
1765  bei  Rondeau,  dafür  1716  bei  Ludwig 
Galanteriekrämer.  Galanterieware,  f., 
meist  im  PI.:  Nippsache.   1678  bei  Krämer. 

Galhan,  m.  [-s,  PI.  -e):  das  starkriechende 
Harz  einer  doldentragenden  syrischen  Pflanze. 
Bei  Luther  Galhan  und  Galhen,  mhd.  im 
14.  Jh.  galban  n.,  aus  gleichbed.  gr.-lat.  gal- 
hanum  n.,  gr.  xa^ßavr)  f.,  von  hebr.  chelhnä 
(syv.chalhä  «Milch,  Gvmimi»);  s.  Exodus  30,  34. 

Galeässe,  f.  (PI. -w):  dreimastiges  Riider- 
schiff'  (1703  im  Zeitungslex.  Galeazze),  aus 
gleichbed.  franz.  galeace,  galeasse  f.,  dafür  im 
16.  Jh.  (Fischart  3,  374  Kurz)  Galeatzei.  aus 
ital.  galeazza.  Galeere,  f.  (PI.  -n):  zwei- 
mastiges  Ruderschiff"  mit  niedrigem  Borde. 
1612  bei  Hulsius  Schiff".  9,  22  Galere,  aus 
gleichbed.  ital.  galeara,  galera,  span.  und  port. 
gale)-a,  franz.  galere  f.  Galeöne,  Gallone, 
f.(Pl.-w):  großes  Ruderschiff,  1616  bei  Henisch 
;  Galeon,  Gallion,  im  16.  Jh.  Gallion  m.  (Zinim. 
Chron.  3,  262,  10),  aus  gleichbed.  ital.  galeone, 
span.  galeon,  franz.  galion  m.  Im  Nd.  Gallion  n. 
«Schiffsschnabel»    (schon    1594  bei  Chyträus 

1  Kap.  33).    Galeöte,  Galiöte,  f.  (PI.  -n): 


613 


Galerie 


Galle 


614 


einmastiges    leichtes    Ruderscliiff,    1616    bei 
Henisch    Galeotte,    aus    dem   gleichbed.  ital. 
fjaleotta,  span.  galeota,  iräxxz.galiote  f.  Oaleot, 
Galiot,  m.  (-en,   PI.  -en):    Galeerensklave, 
böser  Schelm.      1616    bei   Henisch    Galiotte, 
mhdi.galidt  m.  «Schifter, Fährmann,  Seeräuber», 
aus  ital.  galeotto,  spau.  galeote,  franz.  galiot  m. 
«Galeerensklave,  Schelm».    Alle  diese  Wörter  ' 
sind  abgeleitet  von  ital.-altspan.  galea,  prov. 
galea,    gale,    galeya,    afranz.  galee,    galie  f. 
«Galeere»,    aus    gleichbed.    mgriech.    ■foX.^a, 
•foXeia,  mlat.  galea  und  galeida  f.,  woher  auch 
mhd.  galie,  gale,  galide,  galeide,  galme,  galin  f. ; 
«Galeei-e»,    bei   Luther  Jes.  33,  21    Galehe,  '■ 
älternhd.   und    noch    mundartlich     Galee   f.  ; 
Wahrscheinlich  von  gr.  KäX.ov  u.  «Holz»,  im 
Lakedämonischen  auch  «Schifl».   Alle  behan- 
delten Wörter  sind  ursprünglich  im  ItaKeni- 
schen  heimisch. 

Galerie,  früher  auch  Gallerie,  f.  (PI.  -7i) : 
Gitter-  oder  Geländergang  (1616  bei  Henisch  ; 
Galerei) ;  im  Festungs-  und  Belagerungswesen  \ 
lange  schmale  verdeckte  Gänge  zu  den  Aaßen- 
werken  (1616  bei  Henisch  und  bei  Wallhausen 
Kriegsmanual);     Säulengang    mit    Wandge-  ' 
mälden  (bei  Fischart  Garg.  446) ;  Gemäldesaal 
(1727  bei  Aler);  der  obere  oder  oberste  Zu- 
schauerraum im  Theater  (bei  Lessing  18,  143 
vom  J.  1768).    Aus  gleichbed.  franz.  galerie, 
ital,  galleria  f.,  von  mlat.  galeria  «bedeckter 
umschlossener  Ort»,  im  9.  Jh.  in  Italien  wohl 
einfach  «Holzbau»  bedeutend  und  wahrschein- 
lich gleicher  Abstammung  wie  Galeere  (s.  d.). 

Galgant,  m.  {-es,  PI.  -e) :  Wiesenpflanze  ' 
mit  gewürzhafter  Knollenwurzel,  urspr.  ost- 1 
indische  aromatische  Wurzel.  ^Ihd.  galgan,  i 
gaXgän,  später  auch  galgant,  ahd.  galgan, 
galangan,  galegan  m.,  aus  mlat.  galanga,  später- . 
gr.  yaXd-ffa  f.,  gebüdet  nach  gleichbed.  arab.- 
pers.  chalandschän. 

Galgen,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Pfahl  oben 
mit  einem  Querholze  zum  Hängen :  drei  oben 
zum  Hängen  mit  Querhölzern  verbundne ' 
Säulen.  Schon  im  14.  Jh.  (Diefenbach  Gl. 
416^)  galgen,  aber  andrerseits  bis  ins  18.  Jh. 
(bei  Frisch)  Galge,  mhd,  galge,  ahd,  galgo  m, 
«Galgen,  Kreuz  Christi,  Gestell  über  dem 
Ziehbrunnen»;  dazu  asächs.  galgo  m.,  mnd. 
galge  m.  f.,  mndl,  galghe  f.,  ndl.  galg  f.,  afries. 
galga  m.,  ags.  galga,  gealga  m.,  engl,  gallow, 
anord.  galgi  m.,  schwed.  galge  m.,  dän.  galge, 
got.  galga.  Wahrscheinlich  verwandt  mit 
lit,  zalga  f.,  arm.  dzatk  «Stange»,  welche  ße-  i 
deutung  auch  in  anord.  gelgja  f.  «vorliegt». 


ZUS.  Galgenfrist,  f. :  kurzer  Aufschub,  der 
nichts  nützt,  eig.  der  dem  Vemrteilten  unterm 
Galgen  gewährte.  1539  bei  Alberus  wider 
Witzeln  B  3*  bildlich.  Galgenhumor,  m. 
{-s):  verzweifelter  Humor,  wie  er  dem  Ver- 
urteilten unterm  Galgen  beikommt.  Erst 
im  19.  Jh,  Galgen  Schwengel,  m,  (s,  PI, 
wie  Sg.):  gehenkter  Bösewicht,  galgenreifer 
Schelm,  mhd.  galgenswengel  m.,  wie  denn  der 
Galgen  bei  den  Gaunern  die  Feldglocke  heißt 
(H.  Sachs  14,  117  ein  Schwengl  in  einer 
Feldtglocken).  Galgenstrick,  m.  (-es,  Pl.-e): 
Henkerstrick:  (bildlich)  für  den  Galgen  reifer 
Schelm.  In  der  1.  Bed.  mhd.  galgenstric  m., 
in  der  2.  bei  H.  Sachs  1,  57.  GalgenTOgel, 
m,  (-S,  PI,  -Vögel):  wie  Galgenschwengel,  1542 
bei  Herold  christenl.  Ee  Hh  4^,  1572  bei 
Fischart  Pract.  11, 

Gal(l)imäthias,m,  u. :  verworrnes  Gerede. 
Im  18.  Jh.  (^Lessing,  Weiße,  Wieland)  aus 
franz.  galiniatias  (1664  bei  Duez  Dictionn. 
frani,-.- allem. -lat.).  Unbekannter  Herkunft. 
Daneben  das  ebenfalls  unerklärte  galimafree  f, 
«Gericht  von  durcheinander  gehackten  Fleisch- 
stücken verschiedener  Art,  verwomie  Erzäh- 
lung» (auch  altengl.  gallimawfrey  «Gericht  aus 
allerlei  klein  gehackten  Speisen,  Mischmasch»), 

Gall,  m.  (-es,  PI.  Gülle):  Gesang,  Stimmen- 
schall, Schrei.  Älternhd.,  noch  1762  bei 
Gottsched  Sprachk.  207,  jetzt  veraltet.  Mhd, 
gal  m.  (Gen,  galles),  anord,  göll,  gjöll  f, 
«durchdiingender  Schall»,  zu  ahd, -ags.  galan, 
anord.  gala  «singen,  Zauberworte  sprechen», 
galinn  «bezaubert»,  norw.-adän.  galen,  dän, 
gal  «verrtickt».  Vgl.  Falk-Torp  s.  v.  gal, 
s.  a.  gellen,  Nachtigall. 

Gallapfel,  m,  (-s,  PI,  -äpfel):  vom  Stich 
der  Gallwespe  usw,  verursachter  Laubapfel 
der  Eiche,  Im  15.  Jh.  galöpfel  (Diefenbach 
Gl,  641^),  abgeleitet  von  lat.  galla  f.  «Gall- 
apfel», Früher  Eichapfel,  1400  aichapfel 
(Pflanzenglossar,  Gieß.  Hds.  134*),  im  13.  Jh. 
md.  der  PI.  eichenepele  (Sumerlaten  57,  15). 
S.  auch   Galle  2. 

^  Galle,  f.  (PI.  -n) :  grüngelbe  bittre  Flüssig- 
keit, die  sich  von  der  Leber  in  eine  Blase 
absondert:  (als  Sitz  des  Zornes  aufgefaßt, 
daher  schon  mhd.)  Zorn,  Erbitterung,  Ge- 
hässigkeit, Ärger,  Neigung  zum  Zorn  usw.; 
(biblisch  5.  Mos.  32,  33,  Hiob  20,  16)  Gift 
und  danach  eine  bitter  schmeckende  betäu- 
bende Giftpflanze  (Hos,  10,  4,  s.  Erdgalle). 
In  eig.  Bed,  mhd,  galie,  ahd,  galla  f.;  dazu 
asächs.  galla,  ndl.  gal  f.,  ags.  gealla  m.,  engl. 

39* 


615 


Galle 


Gamander 


616 


gall,   anord.  gall  n.,   schwed.  galle  m.,    dän. 
galde.     Wohl   aus   *galn-    entstanden.      Der 
Lautverschiebung     gemäß     entsprechen     gi'. 
XoXri  f.  und  xöAoc  m.  «Galle,  Zorn»,  lat.  fei  n., 
abg.  zluai  «Galle»  f.     Eigentlich    wohl    «die 
gelbe».     ABL.  gälleu,  v.:  gallig,  erbittert 
werden    (Schiller  8,   276,   32),    mhd.   gellen 
«bitter  machen,  vergällen»,  dann  «dem  Fisch 
die  Galle  ausnehmen»,    gallis^,  adj.:   Galle 
habend  (1691  bei  Stieler,  gallicht  bei  Ludwig 
1716);   bitter   wie    Galle   (um   1480  im  Voc. 
ine.  teut.  gl%  dafür  mhd.  gellic);  zum  Zorn 
geneigt,  zornig  (Wieland  5,  16,   bei  Maaler 
1561  gallig).    ^ZUS.  Oallsiicht,  f.:   Gallen- 
krankheit,    Gelbsucht     (1719    bei    Kramer, 
spätmhd.  gallensnht  f.);  bildlich)  Neigung  zu 
Zorn,  Grimm,  Erbittrung  (1718  bei  Kirsch). 
"Galle,  f.  (PI.  -n):  geschwulstartige  Stelle, 
In:    Floß-    oder    Flußgalle   f.    «Geschwulst 
über  dem  Knie  an  den  Beinen  des  Pferdes», 
mhd,  vlo^galle;  Harzgalle  f.  «angesammeltes 
Harz  zwischen  den  Jahrwüchsen  im  Nadel- 
holze»; Steingalle  f.  «hühneraugenartige  Stelle 
am   Fuße    des   Pferdes».      Spätmhd.  galle  f. 
«Floßgalle»,  dazu  ndl.  gal  f.,  engl,  gall  «Ge- 
schwulst, Schramme,  Gallapfel»,    Nebst  franz, 
gale  f.  «Krätze»,  ital.  galla,    span.  agalla  f. 
«Geschwulst,   Beule   (am   Pferdefuß),    Gall- 
apfel»,  aus   lat,  galla  f.   «Gallapfel»   (s.  d.). 
Im    Yolksmunde    übertragen    auf    ähnliche 
Fehler  an  Naturdingen:   Galle  f.  «unfnicht- 
barer,  zu  trockner  oder  zu  nasser  Fleck  auf 
Acker  und  Wiese»  (auch  Erd-.  Acker-,  Brand-, 
Sand-,  Wassergalle);  Wassergallei.  «ein  Stück 
Regenbogen»  (bei  Lohenstein,  auch  Wetter-, 
Regengalle);    Windgalle  f.   «auffallend    helle 
Stelle  am  Wolkenhimmel,  Wind  anzeigend», 
Gallerie,  s.  Galerie. 
Gallerte,  f.  (PI.  -n)  und  Gallert,  n. 
{-es,  PI.  e):    zu  einer  durchsichtigen  schlei- 
migen Masse   eingedickter   oder    geronnener 
Saft  von  tierischen  oder  PflanzenstofFen,  Gelee. 
1691  bei  Stieler  Gallerte,  1734  bei  Steinbach 
Gallert,  1741   bei  Frisch  Galert  f.,   1727  bei 
Aler  Gallert  n.  (auch  bei  Voß  Idyll.  13,  137), 
1678  bei  Krämer  Gallarte  f.,  1562  bei  Mathe- 
sius  Sarepta  47^  Galhart  f.,  bei  Luther  Gal- 
rede f.,   mhd.  galreide   f.   (mit   den   spätem 
Nebenformen  galrede.  galrat.  galhart,  galhert) 
und  gekürzt  galrei  f.  (daher  älternhd.  Galrey, 
Gallrey  und  noch  bei  Stieler  Gallerey).  Viel- 
leicht   eine   Ableitung    von   lat.  geläre  «ge- 
frieren,   gefrieren   machen»,    zu   lat.  gelu  n. 
«Eis»,  vgl.  Gelee,  Gelatine. 


Gallone,  f.  (PI.  -n):  ein  Hohlmaß.  1741 
bei  Hübner.     Aus  gleichbed.  engl,  gallon. 

Galniei,  m,  (-es,  PI.  -e):  Kieselzinkspat. 
1616  bei  Henisch  Gnlmey  f.,  1474  galmey  m. 
(Mone  Ztschr.  1,  44),  aber  1546  bei  G.  Agri- 
cola  Calmei,  1482  im  Voc.  theut.  p  8^  kalmei, 
md.  um  1329  cahnei  (Böhmer  Urkbch.  v. 
Frankfurt  a.  M.  505),  mhd.  kalemine  f.,  aus 
gleichbed.  span.-port.  calamina,  franz.  cala- 
iiiine  f.,  umgebildet  aus  gr,-lat.  cadm/a,  c/td- 
niia,  gr,  Kabjaeia,  Kobiuia  (daher  bei  Henisch 
Gadmey,  «vngeschmeltzt  Ertz,  Cobald»), 

Galöne,  f.  (PI.  -n),  auch  Galon,  m.  (-s, 
PI.  -s):  Randschnur,  I3orte,  Tresse.  1678  bei 
Krämer  Galone,  1694  bei  Nehring  Galann, 
1595  Gallone  f,  (bei  Breuning  v.  Buchen- 
buch 82).  Aus  gleichbed.  ital.  galone,  gallone, 
franz.-span.  galon  m.,  abgeleitet  von  ital.-span, 
gala  (s.  Gala).  Davon  galoniereu,  v.:  mit 
Borten  besetzen,  verbrämen.  Im  18.  Jh. 
(Zachariä  Ren.  130)  aus  ital.  gallonare,  franz. 
galonner. 

Galopp,  m.  (-es,  PI.  -e):  Sprunglauf  des 
Reittiers;  rascher,  dem  Sprunglauf  ähnlicher 
Tanz  (auch  Galoppade  f.,  im  J.  1824  auf- 
gekommen, R.  Voß  Tanz  340).  1616  bei 
Wallhausen  Kriegskunst  zu  Pferd  8  Galop, 
77  Galopp,  aus  franz.  galop,  ital.  galoppo  m,, 
aber  schon  mhd.  (neben  galopei^  m.)  walap 
m.  aus  nordfranz.  walop;  dazu  engl,  wallop. 
Galoppade  f.  aus  h:fm.z.galopade,  ital.  galoppata f. 
«Ritt  im  Galopp»..  1727  bei  Hübner.  Dazu 
galoppieren,  v. :  sich  in  raschen  taktmäßigen 
Sprüngen  fortbewegen,  1616  bei  Wallhausen 
Kriegskunst  zu  Pferd  11  galoppieren,  schon 
mhd.  galopieren ,  kalopieren  (daneben  walo- 
pieren,  walapieren),  aus  gleichbed,  franz, 
galoper,  ital.  galoppare,  prov,  galaupar. 

Galosche,  daneben  auch  KaloSChe  (in 
Bayern  und  »Österreich)  f.  (PI.  -n):  Überschuh. 
Aus  gleichbed.  ital,  galoscia,  franz.  galoche, 
span,  galoclm  f.;  1517  bei  Trochus  MB» 
calotzchen,  im  15.  Jh.  der  PI.  cloczen  («fuß- 
solchin,  (jui  induuntur  in  hyeme»  Diefenbach 
Gl,  156^),  wahrscheinlich  schon  1292  in  dem 
Namen  Heinrich  genant  Kaloze  (Baur  Arnsb. 
Urk.  S.  168,  243). 

galst(e)rig,  adj.:  faulschmeckend, ranzig. 
Nd.  1755  bei  Richey,  Zu  ndrrhein.  gol  «ver- 
dorben, ranzig,  sauer  geworden»,  neben  gleich- 
bed, ndl.  goor  (vgl.  garstig). 

galt,  s.  gelt. 

Gamander,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.),  Name 
der    Pflanzen    Teucrium     chamaedrys     und 


617 


Oamasche 


Oans 


618 


Veronica  chamaedrys.  1482  im  Voc.  theut. 
k  1  ^  gamander,  mhd.  gamandre  f.,  nmd.  gam- 
mandere. Aus  ital.  calamandrea  f.  «Vergiß- 
meinnicht», fi-anz.  germandree  f.  (woraus  engl. 
gennander),  span.  camedrio  m.,  von  gr.-lat, 
chamaedrys,  gr.  xcMai^puc.  I 

Gamasche,!,  bayr.-östr.auchKamasche,  | 
(PI.  -n):  Uberstrumpf  mit  Knöpfen.  Bei  i 
Goethe  30,  140  1.  H.  {Camasche  (Weimar  33, ' 
138  Gamasche  ohne  Variante).  1714  bei  | 
Wächtler  gamachen  «Überziehstrümpfe  der  j 
Soldaten»,  aus  franz.  gamache  f.  «Beinbeklei- 1 
düng»,  das  über  prov.  garamacha,  galamarha, ! 
aus  span,  guaclamarci  «Leder  von  Gadames» 
(Stadt  in  Tripolis)  stammt. 

Gambe,  f.  (PI.  -n):  Kniegeige  (mit  den 
Knien  gehaltene  Geige).  Im  18.  Jh.  aus  ital, 
viöla  dl  gamha  (viola  f.  «Altgeige»,  gamha  f. 
'<Bein». 

OanasChe,  f.  (PI.  -n):  Unterkinnbacken 
des  Pferdes.  Aus  franz.  ^awacAe,  ital.  ^a/iasda  f, 
«Kinnbacke»,  das  auf  gr.  -fvctGoc  f.  «Kinn- 
backen» zuräckgeht.  1727  bei  Hübner  Ga- 
naches  oder  Ganasses. 

(xänerbe,  m.  (-n,  PI.  -w):  Miterbe  einer 
Gemeinbesitzung  mit  dem  Rechte  zum  Eintritt 
ia  die  Verlassenschaft  aussterbender  Mitglieder. 
Heute  nur  noch  herkömmlicher  Ehrentitel, 
mhd.  ganerhe,  ahd.  ganerpo  m.,  d.  i.  Ge-an- 
Erhe  (Mit^uierbe).  Davon  Oanerl)SChaft,  f. 
(Goethe  29,  77),  1400  ganerhschaft  '(Maurer 
Gesch.  d.  Markenverf.  482), 

ganfen,  v.:  stehlen.  Jüdisch -deutsch. 
Bereits  zu  Anfang  des  16.  Jh.  im  Liber 
vagatorum  genfen  stehlen,  aus  hebr.  gänabh 
«stehlen».  ABL.  Ganfe,  f.:  Kleinigkeits- 
diebin, oberhessisoli.  Ganfer,  m.  (-s):  Dieb 
(oberhessisch),  im  \%.i\i.  ganfer  «plündernder 
Nachzügler»  (Aventin  Werke  4,  509,  1  Var.). 

Gailg,  m.  (-S,  PI.  Gänge):  das  Gehen, 
die  Fortbewegung;  Waöengang  mit  einem 
Gegner  (1618  bei  Schönsleder,  bildlich  bei 
Luther  Briefe  1,  525),  auch  der  einzelne  Auf- 
tritt oder  Abschnitt  desselben  (B.  Waldis 
Es.  4,  72,  27);  Tracht  Essen  (im  16.  Jh.  bei 
Ayrer  Dramen  3145,  19);  Ort  des  Gehens, 
Weg,  Kanal  usw.  (schon  ahd.) ;  Erzader  (mhd.). 
Mhd.  ganc  (Gen.  ganges),  ahd.  gang,  ganc  m.; 
dazu  asächs.  gang,  mndl.  ganck,  gangh,  ags. 
gang  m.,  engl,  gang,  aiionl.  gangr  in.  «das 
Gehen»,  gang  u.  «Weg»,  schwed.  gang,  diln. 
gang,  got.  gaggs  m.  «Gasse».  Zu  ahd.  gangan, 
got.  gaggan  «gehen»  (s.  d.).  ABL.  gang- 
bar,   adj.,    mhd,  ganchcere   (in   unganchcere 


14,  Jh.),  ZUS.  Gangspill,  n.  und  Gang- 
spüle, f. :  gi-oße  Winde  zum  Lichten  der  Anker, 
auf  großen  Schiffen,  eig,  der  Wellbaum  der 
Winde.     1794  bei  Eöding.     S.  Spill. 

gäuge,  adj.:  unter  den  Leuten  umgehend, 
verbreitet  und  üblich,  heute  meist  in  der 
Formel  gänge  (gäng)  und  gäbe  (mhd.  genge 
und  gcehe  Schwabensp,  254).  Mhd.  genge, 
ahd.  gengi;  dazu  mnd.  genge,  ginge,  selten 
gange,  mndl.  ghinge,  ghenge,  afries.  genzie, 
ghinse,  ganse,  ags.  genge,  anord.  gengr,  schwed. 
gängse,  dän.  gängs.  Verbaladjektiv  zu  ahd, 
gangan  «gehen»,   wie  gäbe  (s,  d,)  zu  geben. 

gängeln,  v. :  beim  Gehen  leiten,  führen, 
eig.  gehen  machen  (auch  tändeln,  schlendern, 
d.  j.  Goethe  1,  372).  Bei  Luther  gengeln. 
Iterativ  zu  mhd.  gengen  «gehen  machen». 
Davon  Gängelband,  n.:  Band,  an  dem  man 
ein  Kind  gehen   lehrt,   1716  bei  Ludwig. 

Gangspill,  s.  Gang. 

Gans,  f.  (PI.  Gänse):  der  Schwimmvogel 
lat.  anser.  Mhd.  gans  (Gen.  gense),  ahd.-ndl. 
gans,  cans  f.;  dazu  mnd.-mndl.-fries.-ags.  gös, 
engl,  goose,  anord.  gas,  schwed.  gas  f.,  ämi.gaas. 
Der  Lautverschiebung  gemäß  stimmend  mit 
lat.  anser  m.  (aus  '^  hanser),  gr.  xr]v  m.  f., 
lit.  £({sis  f.,  aind.  hqsäs  m.,  hq^sf  f.  «Gans»; 
abg.  gqsi  f.  ist  wohl  aus  dem  Germanischen 
entlehnt.  Neben  gans  steht  ein  Stamm  ohne 
auslautendes  s  und  miteinerDentalerweiterung 
in  dem  vom  Plinius  bist.  nat.  10,  22  erwähnten 
ganta  f.,  dem  mnd.  gante  «Gänsei-ich»,  ags. 
ganot  m.  « Wasser vogel»,  engl,  gannet  «Eot- 
gans»,  ahd.  ganazo,  ganzo,  mhd.  ganze,  ganzer 
(nhd.  noch  als  Eigenname)  «Gänseiisch»  ent- 
spricht (s,  u,).  Dieser  Stamm  ist  auch  ins 
Romanische  gedrungen,  prov.  ganta,  ganto, 
afranz.  gante,  jante.  Ein  dritter  Stamm  liegt 
in  ags.  gandra  m.,  engl,  gander  «Gänserich» 
vor.  ABL.  Ganser,  (-5,  PI.  wie  Sg.),  ge- 
bräuchlicher Gänserich  (-s,  PI.  -e),  m.: 
männliche  Gans,  1408  in  Grimms  Weisth.  1, 
573  Ganser,  im  17.  u.  18.  Jh.  auch  Gänser, 
älternlid,  auch  Ganser t,  Gänsert,  Gansart. 
Ganshart,  im  16,  .Jli.  noch  Ganßer,  mhd. 
ganzer  neben  älterm  ganze,  genz,  ganiz  (Mone 
Anz.  3,  50,  8),  ahd.  ganazo,  ganizo,  ganzo  m.; 
dazu  mnd.  gante,  iid.ganter.  gantert  und  gante. 
mndl.  ghent,  ndl.  gent  m.  «Gänsex'ich»,  ags. 
ganot,  ganet  m.,  engl,  gannet  «Rotgans». 
Gänserich,  eine  Erweiterung  von  Ganser 
nach  Enterich,  im  16.  Jh.  Genserich  (Kh-ch- 
hoff  VVendunmut  234^).  Als  deutscher  Name 
der   Pflanze    potentilla   anserina  entstand   im 


619 


Gant 


gar 


620 


16.  Jh.  genserich  (bei  Alberus  Dict.  EE4*) 
aus  grenserich  (1470  bei  Diefenbach  mkt.- 
hochd.-böhm.  Wb.  219,  auch  bei  Louicerus), 
das  Kraut  heißt  auch  Grensing,  mhd.  gren- 
sinc,  grensich,  aber  schon  ahd.  gensinc  neben 
ijrensinc  m.  ZTJS.  Cränseblume,  f.  (Pl.-w): 
Maßliebe.  1561  beiMaalergfe)isW?lwe,  aber  mhd. 
gensebluome  m.  f.  «ligustrum»  (weiße  Glocken- 
blume). Gäiiseei,  n.  {-es,  PI.  -er),  1522 
bei  Luther  Genßey,  mhd.  gansei  n.  Oälise- 
fuß,  m.:  das  Kraut  chenopodium,  Melde, 
gr.  xnvÖTTouc,  im  16.  Jh.  gänsfuß  (Diefenbach 
Gl.  11^;  im  Buchdruck  «Anfiihi-ungszeichen», 
im  PI.  Gänsefüße  1800  bei  J.  Paul  Titan  1,  57, 
Oim.  Gänsefüßchen  1805  bei  Täubel  Wb. 
d.  Buchdi-uckerkunst  1,  100,  dafür  bei  Geßner 
Buchdruckerkunst  (Leipzig  1743)  438  Gänse- 
augen,nib  hei  Adelung  Hasenöhrchen.  Gänse- 
haut, f.:  (bildlich)  Menschenhaut,  die  durch 
Kälte  oder  Schreck  schaudert  (bei  H.  Sachs 
5,  151).  Gänsehirt,  m.  (-en,  PI.  -en\  1470 
in  Diefenbachs  mlat.-hochd.-böhm.  Wb.  gans- 
Jiirt,  1517  heiTrochnsGl^  genßeherte.  Gänse- 
kiel, m.^  Schreibfeder.  S.  Kiel.  Gänse- 
klein,  n.  (-s):  die  edlen  Eingeweide,  Flügel 
und  Füße  der  Gans,  1775  bei  Adelung,  süd- 
ostdeutsch Gänsejung  n. ;  wenn  mit  dem  Blute 
der  Gans  gekocht,  Gänseschwarz  n.  (1741  bei 
Frisch)  oder  Gihisepfeffer  m.  (1691  bei  Stieler). 
Gänsemarsch,  m.  {-es):  Marsch,  wo  einer 
einzeln  hinter  dem  andern  geht,  um  1830  auf- 
gekommen, dafür  1808  bei  Campe  Gänsegang, 
Schweiz.  Katzenscliwanz  (Pestalozzi  Lienhart 
2,  27).  Gänsewein,  m.  {-es):  scherzhaft  für 
Wasser,  schon  im  16.  Jh.  (1572  bei  Fischart 
Pract.  5  gänßwein). 

Gant,  f.  (PI.  -en):  gerichtlicher  Verkauf 
an  den  Meistbietenden,  Zwangsversteigerung. 
Oberdeutsch:  mhd.  (im  14.  Jh.  am  Oberrhein) 
gant  f.,  aus  gleichbed.  ital.  incanto  m.,  von 
lat.  in  quantum  «für  wieviel?  wie  hoch?». 

^Ganter,  ndd.  Form  für  Ganser  (s.  d.). 

"Ganter,  Kanter,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.): 
Kellerlager,  Gestell  für  Bierfässer.  Zurück- 
gehend über  das  Romanische  (ital.  cantiere  m. 
«Werft,  Stapel»,  franz.  chantier  m.  «Stapel- 
block, Stütze»)  auf  lat.  cantherium  n.  «Joch- 
geländer, jochartiges  Gestell».  In  Oberdeutsch- 
land seit  dem  16.  Jh.  belegt  und  noch  heute 
in  Österreich,  Bayern,  Schwaben  und  der 
Schweiz  lebendig. 

ganz,  adj.  u.  adv.:  unverletzt,  ungeteilt, 
unverküi'zt,  vollkommen ;  (dann)  gesamt,  voll- 
ständig.    Mhd.  ganz,  ahd.  ganz,  hnnz,  Adv. 


ganzo;  vorgedrungen  ins  Mnd.,  Mndl.  und 
Afries.  gans,  nfries.  ganfsch,  entlehnt  schwed. 
ganska,  dän.  ganske.  Trotz  verschiedner  Ver- 
suche (vgl.  Brugmann  Idg.  Forsch.  Anz.  5, 18) 
dunklen  Ursprungs.  ABL.  Gänze,  f.  (PI. 
-n):  ganzes,  festes  Gestein,  im  Bergbau  be- 
reits im  16.  Jh.  (1562  bei  Mathesius  Sai-epta 
89^).  Mhd.  genze,  ahd.  ganzi  f.  «Ganzheit, 
Vollständigkeit»,  ganzen,  v.:  ganz  machen. 
Bis  ins  17.  Jh.,  mhd.  genzen,  ahd.  genzan  (in 
gigenzan),  nur  noch  in  ergänzen  (bei  Luther). 
Ganzheit,  f.,  mhd.  ganzheit  und  ganzenlieit  f. 
gänzlich,  adj.  u.  adv.-.  vollständig,  völlig, 
mhd.  ganzlich.,  genzlich,  im  Adv.  ganz-,  genz- 
liche,  genzlichen. 

gar,  adj,:  bereit,  liereitgemacht,  fertig; 
vollständig,  völlig  fertig  gekocht  (mhd.); 
fertig  geerbt  (mhd.);  (als  Adv.)  vollständig, 
vollends.  Im  16.  Jh.  garh  (H.  Sachs  9,  105) 
mit  h  aus  w,  mhd.  gare,  gar  (flekt.  garexoer, 
garwer,  Adv.  auch  garwe),  ahd.  garo  (flekt. 
garawer,  Adv.  garo,  garaivo);  dazu  asächs. 
garu,  garo,  ags.  gearo  (Adv.  gearufue,  geanve), 
engl,  yare,  anord.  görr,  Adv.  görva.  Da 
neben  asächs.  garu,  ags.  gearo  «bereit»  ein 
gleichbed.  asächs.  aru,  ags.  earu,  isl.  örr  er- 
scheint, hat  man  das  g  als  Rest  der  Partikel 
got.  ga,  nhd.  ge  aufgefaßt.  Der  Stamm  ar 
gehört  vielleicht  zu  gr.  dpapicKeiv  «zusammen- 
fügen», lat.  artus  m.  «Gelenk,  Glied»  und 
deren  Sippe.  Auch  aind.  dram  «passend,  zu- 
gegen, zurecht,  genug»,  ja  lat.  arvum  n.  «Saat- 
feld», eig.  «das  Zubereitete»  könnten  ver- 
wandt sein.  ABL.  Gare,  f. :  das  Garsein,  Zu- 
bereitetsein, z.  B.  des  Kupfers  in  der  Schmelze 
(bei  Hübner  1712  Gar),  des  Leders  (1775  bei 
Adelung),  die  Besserung,  die  man  an  den 
Acker  dui'ch  Düngung  und  Bearbeitung  wendet 
(1731  in  Zincks  öcon.  Lex.).  Mhd.  garwe, 
ahd.  garawt  f.  «Zubereitung,  Zurüstung».  S. 
Gäre.  ZUS.  Garaus,  m.:  völliges  Ende 
{einem  den  gar  aus  machen  bei  Fisch  art  Garg. 
355).  Bei  Luther  neben  garauß  m.  auch 
garaus  n.  (noch  bei  (Günther  512  Neutr.), 
urspr.  im  15.  Jh.  garauß  m.  (Tucher  Bau- 
meisterb.  60,  5  fg.,  Städtechr.  2,  11,  8)  «die 
letzte  Tages-  oder  Nachtstunde  und  das  Ge- 
läute am  Schluß  derselben  nach  der  alten 
Nürnberger  Uhr,  welche  die  Stunden  von 
Sonnenaufgang  bis  Sonnenuntergang  zählte, 
sich  also  nach  der  Länge  des  Tages  ver- 
änderte»; noch  heute  wird  in  Nürnberg  Abends 
der  Garaus  geläutet.  Garkoch,  m.  {-es, 
PI.  -koche) :  Koch,  der  gewerbsmäßig  zu  jeder 


621 


Garant 


garen 


622 


Zeit  zubereitete  Speisen  feilhält,  1540  bei 
Alberus  Dict.  p3^  und  im  15.  bis  16.  Jh. 
aus  Xordhausen  garkoch  m.  Garküche,  f. 
(PI.  -n):  öffentliche  gewerbsmäßige  Speise- 
wii'tschaft,  1540  bei  Alberus  garküch,  im 
16.  Jh".  auch  jarkiiche  (jarkuchen  f.  1517  bei 
Trochus  0  5%  1537  bei  Dasypodius,  in  Würz- 
burg bis  ins  18.  Jh.). 

Garant,  m.  f-ew,  PI.  -en):  Gewährsmann, 
Bürge.  Im  18.  Jh.  aus  gleichbed.  franz.  garant, 
span.-portug.  garants,  ital.  guarento  m.,  ent- 
lehnt  aus   ahd.  iverento  m.  «der  Gewährlei- 
stende», afries.  icerand,  warend,  mnd.  warent 
ra.,    engl,  warranter   «Gewähi-smann»,    dem 
substantivisch   gebi'auchten    Pai-t.   Präs.   von 
ahd.  weren,   afries.  ivera,   wara,   nd.  waren  \ 
«Gewähr  leisten»  (s.  gewähren).    Garantie,  \ 
f.  (PI. -/():  Gewährleistung,  Bürgschaft.    1688' 
bei   Liebe,    1691    bei    Stieler   aus   gleichbed. 
franz.  garäntie,  mlat.  warandia  f.,  dem  Ger- 
manischen entlehnt,  afries.  warande,  warende  1 
f.    «Gewähr»,      garantieren,    v.:    Gewähr' 
leisten,  büi-gen,  Avofür  haften,  1691  bei  Stieler 
aus  gleichbed,  franz.  garantir.  \ 

Garans,  s.  gar.  \ 

^  Garbe,  f.  (PI.  -n):  Getreidebund.    Mhd.  1 
garhe,  md.  auch  garwe,  ahd.  garha,  karpa  f.;  '■ 
dazu  and.  garva,  mnd.  mndl.  garve,  ndl.  gar  ff. 
Ins  Eomanische  aufgenommen:   franz.  gerhe, 
älter  garbe,    prov.-span.  garha   f.      Daneben 
im  15.  Jh.  grabe,  grape,  grappe,  nd."  grave  f.  j 
(Diefenbach  Gl.  258°  usw.).    Urverwandt  mit ' 
aind.  grbhriäti  «ergreift»,  gräbhds  m.  «Hand- 
voll»,   aw.   g)-ab-    «ergreifen»,    abg.    grabiti^ 
«raffen»,   lit.  grebiu  «hacken».      Zur  Bedeu- 
tungsentwicklung vgl.  ags.  gripa  m.  «Koni- 
gabe» zu  gripan  «ergreifen». 

■Garbe,  f.:  die  Pflanze  millefolium,  Schaf- 1 
garbe  fs.  d.).    1482  im  Voc.  theut,  k2=^  garh. 
mhd.  garwe,  ahd.  yarwa,  yarawa,  garuwa  f.; 
dazu   mndl.  garwe,  ndl.  gerw,   ags.  gearwe, 
garuwe  f.,   engl,  yarrow.     Herkunft  dunkel. 
'Garde,  f.  (PI.  -n)-.    Schutz-,   Leibwache.  > 
1474  am  NiedeiThein  garde  (die  Ijurgundische 
Tnippe  im  Heere  Karls  d('S  Kühnen,   Wier- 
straat  S.  9  Groote),  dami  zu  Ende  des  15.  Jh. 
in  Süddeutschland  gard  f.  (Liliencron  2,  419), ' 
im  16.  Jb.  durch  Einfluß  der  Heere  Karls  V. 
guardi  f.  (bei  H.  Sachs  Pastn.  44,  isl  quarti, , 
hei    RoUenhagen  Froschm.  2,  3,  7   gwardi). 
Aus  franz.  garde,  ital.-span.  guardia  f.  «Wache, 
Hut/>,  von  ahd.  warfa  f.  «Wache»  (s.  Warte). 

Garderobe,  f.  (PI.  -n):  Kleiderkammer, 
-schrank,  -von-at;   zugleich  Bedieutenzimmer 


(bei  Hübner  1712,  Schiller  Kabale  5,  6j,  da- 
nach Dienerschaft  (eb.  4,  9).  Im  16.  Jh. 
gardenrobhe  m.  «Gemach  für  Silbergeschirr» 
(Zimm.  Chron.-  3,  161,  29).  Aus  franz.  garde- 
robe  f.  «Kleiderkammer»,  zusammenges.  aus 
dem  Imp.  garde  «bewahi'el»  und  robe,  ital. 
roba,  prov.  raiiha  f.  «Kleid,  Geräte»,  mlat. 
rauba  f.  «Kriegsbeute,  Raub»,  von  ahd.  rouba 
m.  «Raub,  Beute,  Rüstung.  Kleid»,  asächs. 
girUbi  n.  «Kleidung». 

Gardiau,  m.  (-s,  PI.  -e):  Vorsteher  eines 
Bai-füßerklosters.  Mhd,  gardiän  m.,  aus  ital. 
guardiano  m.,  eig.  «Hüter»,  von  guardia  f. 
(s.  Garde). 

Gardine,  f.  (^Pl.  -n):  Bett-,  Fenstervor- 
hang, 1598  bei  Hutter  Lexic.  harmonicum 
668  Gardine  faber  1716  bei  Ludwig  noch 
Gordine),  1477  clevisch  im  Teuthonista  und 
1495  in  der  Kölner  Gemma  F  2<^  gardyn,  nach 
mndl.  gordyne  f.  aus  ital.-span.-mlat.  ( um  600) 
cortina  f.  «Vorhang»,  zu  lat,  cartrna  f.  «Run- 
dung, Kreis,  Vorhang».  ZUS.  Gardinen- 
predigt, f.  (PI.  -eii):  Straü-ede  der  (Gattin 
hinter  der  Bettgardine,  1796  bei  J.  Paul 
Siebenkäs  3,  22,  1791  bei  Roth;  vgl.  dem 
Mann  die  Gardinen  oder  ümbhangs  Messen 
lesen    1693   Zincgref  Apophthegmata  4,   141. 

Gardist,  m.  (-en,  PI,  -en):  Soldat  der 
Garde  (s.  d.i.      1791   bei  Roth. 

Gare,  f.,  s.  gar  und  gäi-en. 

gären,  v.  (Prät.  gor,  Konj,  g&re,  Paa-t, 
gegoren,  in  bildhcher  Bed,  schwachflektiert 
Prät.  gärte,  Part,  gegärt):  innerlich  bewegt 
zur  Zersetzung  schäumend  aufbrausen.  1678 
bei  Krämer  gähren,  1718  bei  Kirsch  gehen, 
1722  bei  Frey  er  geren  (aber  noch  bei  Günther 
542  Part,  gejohren),  1482  im  Voc.  theut.  1  8'' 
geren  oder  je)-en,  mhd.  jesen  ( mit  g  statt  j 
nur  in  den  Formen  mit  i,  3.  Pers.  Präs.  gist 
und  girt,  aber  md.  bereits  im  14.  Jh.  bei 
Megenberg  8,  30  die  3  PI.  Präs.  gereut;  ferner 
Prät.  jas,  PI.  jären,  Pai-t.  gejesen,  das  r  drang 
aus  dem  Prät.  ins  Präs.,  in  den  Inf.  jern 
und  ins  Part.,  im  15.  Jh.  gejeren),  ahd.  jesan. 
Durch  Anlehnung  an  gar  (s.  d.)  hat  sich  y 
in  allen  Formen  durchgesetzt.  Die  starken 
älternlid.  Formen  des  Sg.  Präs.  gier,  gierst, 
yiert,  die  noch  im  16.  Jh.  geläufig  sind  und 
teilweis  noch  1691  von  Stieler  (gierst,  giert), 
1716  von  Ludwig  (gieret)  verzeichnet  werden, 
sind  seit  dem  16.  Jh.  diu-ch  die  zum  schwach- 
biegenden  Faktitiv  ahd.jerjan,  gerjan  «gären 
machen»  gehörigen  Formen  gäre,  gärst,  gärt 
verdrängt    worden.      Ahd.  jesan    entspricht 


623 


Gargel 


Garten 


624 


genau  aind.  jäsati,  jäsjati  «wird  heiß,  siedet», 
aw.  jah-  «sieden»,  gr.  Z^eiv  (aus  *z:^ceiv,  vgl. 
lecTÖc)  «sieden»,  kyim:  iäs  «fervor,  ebullitio». 
S.  gäschen,  gischen,  Gäscht,  Gischt.  ABL. 
Oäre,  auch  Gare,  f.:  Gärung,  der  gehörige 
Grad  der  Gärung,  im  Gebiet  des  Backens  und 
Brauens  frühzeitig  mit  Gare  (s.  d.)  vermengt. 
1678  bei  Krämer  Gähre,  Gehre,  1598  bei 
Colerus  2,  H  1«  Gehr,  Gahre  (des  Mostes), 
md.  im  13.  Jh.  gcere  f.  (in  uhergcere). 

Gargel,  f.  (PI.  -»)=  ^^^i  ^^^  Böttchern 
Rinne  in  den  Dauben  zum  Einsetzen  des 
Bodens,  Kimme.  Rheinisch,  schon  im  13.  Jh. 
gargele  f.;  daneben  mhd.  gargole  f.  «Rinne 
mit  Mundstück»,  aus  franz.  gargouille,  span. 
gargola  f.  «Traufröhre,  Wasserspeier  der 
Dachtraufe».     Herkunft  unsicher. 

Garkoch,  Garküche,  s.  gar. 

^Garn,  n.  [-es,  PI.  -e):  gesponnener  Faden: 
Gestrick,  Netz  zum  Fange  (daher  die  RA. 
ins  Garn  gehen  aus  der  Jägersprache).  Mhd. 
garn,  ahd.  garii.  Icarn  n.;  dazu  mnd.  </ar«,  ndl. 
garen,  aga.gearn  n.,  engl.yarn,  anord.  garn  n., 
schwed.-dän.  garu.  Urspr.  «die  aus  getrock- 
neten Därmen  gedrehte  Schnur»,  s.  "Garn. 
ZUS.  Garngabel,  f. :  Gabelstange  zum  Stellen 
der  Jagdnetze,  Forkel.     1741  bei  Frisch. 

^Garn,  n.  (-es,  PI.  -e):  der  zweite  Magen, 
Netzmagen  der  Wiederkäuer.  Schwab,  giirn 
n.  «Ochsengedärm»,  ahd.  mittigarni,  mittila- 
carni,  and.  midgarni  n.,  ags.  micgern  «Fett- 
netz inmitten  der  Därme»  (noch  erhalten  in 
Schwab,  miggär  n.  «Ochsengedärm»),  anord. 
görn  f.  «Darm»,  PI.  garnar  «Eingeweide». 
Urverwandt  mit  lit.  zärna  f.  «Darm»,  aind. 
hirdi.  «Ader»,  hiras  m.  «Band,  Gürtel»,  alban. 
zord  f.  «Gedäi*me»,  lat.  haru-  in  haruspex 
«Eingeweideschauer,  Wahrsager  aus  den  Ein- 
geweiden der  Opfertiere»,  gr.  xop^'1  f-  «Darm, 
Darmsaite»  (davon  lat.  chorda,  franz.  cor  de, 
ital.  corda,  cordella  f.  « Strick,  Schnur,  starker 
Faden»). 

Garnele,  f.  (PI.  -n):  Art  kleiner  See- 
krebse ohne  Seheren.  1716  bei  Ludwig  der 
PI.  Garneelen,  1556  bei  Frisius  Nomencl.  61^ 
und  1561  bei  Maaler  Garnat  oder  Garnol  m., 
1563  bei  Forer  Fischb.  127  fg.  Gernier  m. 
Aus  gleichbed.  nd].  garneel  i.  (1599  bei  Kiliau) 
neben  garnaaf  f. 

garnieren,  v.:  einfassen,  verbrämen;  aus- 
schmücken, auszieren.  1712  bei  Hübner  gar- 
niren  «die  Kleider  mit  güldnen  oder  silbernen 
Tressen  auszieren»,  im  16.  Jh.  vergarniren  bei 
Fischai-t  Garg.  175,  Part,  garnirt  oäevmeuhlirt 


1716  bei  Ludwig.  Nebst  ndl.  garnieren  «zu 
Schutz  befestigen»  (1599  bei  Kihan),  aus  franz. 
garnir,  afranz.  guarnir,  ital.  guarnire  «mit  et- 
was versehen,  ausstatten»,  aus  gleichbed.  germ. 
*ivarnjan  zu  ahd.  warnön,  warnen. 

Garnison,  f.  (PI.  -en):  Besatzung,  Be- 
satzungsmannschaft. Um  1600  (bei  Henisch 
1616  Guarniso)!,  1616  bei  Wallhausen  Corp. 
mil.  175  Garnison)  entlehnt  aus  gleichbed. 
franz.  garnison  f.,  von  garnir  (s.  garnieren). 

Garnitur,  f.  (PI.  -en):  Besatz,  Einfassung; 
Ausstattung,  Auszierung.  1712  bei  Hübner, 
aus  gleichbed.  franz.  garniture,  ital.  guarnitura 
f.,  von  franz.  garnir  (s.  garnieren). 

garstig,  adj.  u.  adv.:  verdorben  schmeckend 
oder  riechend;  schmutzig  (1678  bei  Krämer, 
bei  Lessing  3,  41);  (übertragen)  widerwärtig, 
liäßlich,  abscheulich  (l)ei  Luther).  In  der 
1.  Bed.  1420  md.  garstig  (Schröers  Vocab.  31  ^), 
mnd.  garstich,  garsterich  (vgl.  galsterig)  und 
gasterich,  gastrig,  mndl.  gherstich,  1599  bei 
Kilian  garstigh,  gherstigh.  Weiterbildung  des 
Adj.  mhd. -mnd.  garst  «i'anzig,  verdorben», 
anord.  gerstr  «mürrisch»,  zu  mhd.  (14.  Jh.) 
garst  m.,  ahd.  gersti  f.  «ranziger,  stinkender 
Geschmack  oder  Geruch».  Wohl  zu  \\i.grams 
«ekelhaft,  widerwärtig»,  grasä  f.  «Abscheu, 
Ekel».  Außerdem  kann  lat.  fastidimn  n.  «Ekel» 
(aus  *farstidiim%)  oder  horrere  «schaudern, 
sich. entsetzen»  dazu  gehören.     Vgl.  Walde. 

Garten,  m.  (-s,  PI.  Gärten):  umzäuntes 
Land  zum  Anbau.  1439  in  den  Weisth.  6, 
165  Garten,  aber  noch  bis  ins  18.  Jh.  Garte 
(bei  Weismann  1703),  bei  Luther  meist  Garte 
(Gen.  Garten),  nur  vereinzelt  Garten,  mhd. 
garte,  ahd.  garto,  carto  m. ;  dazu  asächs.  gardo, 
afries.  garda  m.  «Garten»,  got.  garda  m.  «Ge- 
hege, Hürde».  Daneben  die  ältre  starkÜekt. 
Form  mhd.  (selten)  gart,  ahd.  gart,  cart  m. 
«Kreis,  Garten»,  asächs.  gard  m.  «eingefrie- 
digtes Grundstück»,  im  PI.  «Wohnung,  Haus», 
ags.  geard  m.  «Umfriedigung,  Garten,  Woh- 
nung», engl,  yard  «Hofraum»,  anord.  ^ar^r  m. 
«umschließender  Wall,  Zaun,  Mauer,  Hof- 
raum, Gehöft»,  in  Zusammens.  «Garten»,  got. 
gards  m.  «Haus»,  in  Zusammens.  «Garten, 
Kreis»,  urspr.  «Einzäunung  eines  Grundstücks», 
zu  got.  gairdan  «gürten,  umschließen».  Da 
wir  nicht  entscheiden  können,  ob  der  Dental 
auf  idg.  dh  oder  t  zurückgeht,  so  ist  über 
die  Verwandtschaft  nicht  sicher  zu  urteilen. 
Auf  dh  weisen  lit.  zardis  m.  «großer  um- 
zäuuter  Weideplatz»,  aiud.  grhäs  m.,  grhäm  n. 
«Haus»,  aw,  gBrdda-  m.  «Höhle»  (bei  denen 


625 


Gas 


Gasse 


626 


aber  die  Gutturale  nicht  stimmen),  auf  t 
lat.  hortus  m.  «Gehöft,  Gehege,  Grarten», 
cohors  f.  «Gehege,  Hof»,  gr.  xöproc  m.  «Ge- 
hege, Viehhof,  Weideplatz».  Aus  dem  Ger- 
manischen entlehnt  sind  abg.  gradü  ra.  «Garten, 
Stall,  Stadt,  Mauer»,  niss..90roJ« Stadt»,  poln. 
yrod,  böhm.  hrad  «Burg»,  femer  rumän.  gard 
«Zaun»,  ital.  giardino,  prov.  jardin,  gardin, 
franz.  jardin  m.  «Grarten»,  aus  dem  afranz. 
gardin  wiedenim  engl,  garden.  Der  Plui-. 
lautet  mhd.  garten,  noch  bei  Luther  Garten. 
vereinzelt  Gerten,  der  Umlaut  schon  1439 
in  den  Weisth.  6,  167  Gärten,  daneben  vom 
16.  bis  ins  18.  Jh.  der  starkflekt.  Plur.  Gärte 
(Gryphius  1663  S.  199,  Lohenstein  Rosen  106, 
Günther  269,  Kleist  Frühling  43).  ABL. 
Gärtner,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  Gartenkünstler; 
(in  Nordostdeutschland)  Kossat,  Hintersasse 
(1422  im  Voc.  Vrat.).  Im  16.  Jh.  (bei  Luther) 
bis  ins  17.  Jh.  oft  ohne  Umlaut  Gärtner,  mhd. 
gartenoere,  später  auch  gertencere  (Fundgr.  1, 
372^*),  ahd.  gartinäri  neben  älterm  gartari  m. 
(das  erste  von  der  schwachen  Form,  das 
zweite  von  der  starken  oder  vom  Stamme  ge- 
bildet), aus  dem  Germanischen  entlehnt  abg. 
gradinar'i  und  gradari  m.  «Gärtner».  Davon 
Gärtnerei,  f.  (PI.  -en),  17 16  bei  Ludwig, 
dagegen  1678  bei  Krämer  Gärterey;  gärt- 
nerisch, adj.,  1718  bei  Kirsch;  gärtnern,  v.: 
Gailenpflanzung  treiben,  1808  bei  Campe,  für 
das  frühere  gartnen  (1556  bei  Frisius  und 
noch  Schweiz.,  gärtnen  bayr.-alem.),  gärteln 
(1703  bei  Weismann  gärtlen),  nd.  gardene)-en, 
garner  en,  daher  in  Norddeutschland  Gärtnierer 
m.  «Gärtner». 

Gas,  n.  (Gen.  Gases,  PI.  Gase):  luftförmig 
entwickelte  Flüssigkeit.  Ein  von  dem  Alchi- 
misten Johann  Baptista  van  Helmont  aus 
Biüssel  (gest.  1644)  zur  Bezeichnung  der 
durch  Kälte  erzeugten  feinen  (wässerigen) 
Ausdünstung  willkürlich  erfundenes  Wort,  bei 
dem  ihm  das  gr.  Chaos  (s.  d.j  vorschwebte. 
1712  bei  Hübner,  1779  bei  Krünitz,  1796  bei 
Adelung  verzeichnet,  durch  die  Luftballon- 
fahrten seit  1783  aufgekommen  und  beson- 
ders durch  die  Gasbeleuchtung  seit  1><26  ver- 
breitet. Bei  Helmont  als  Neutr.,  am  Mittel- 
i-hein  als  Fem.,  in  Obersachsen  als  Mask. 
gebraucht,  mit  langem  Vokal,  aber  in  Nord- 
deutschland im  Nom.  Sg.  meist  kuiv,  aus- 
gesprochen (daher  im  Plur.  bei  Inimermann 
Münchh.  B.  6,  Kap.  10  Gasse),  während  die 
Bühne  Gas  fordert. 

gäschen,  v.:  aufbrausen,  schäumen.    1691 

Weigaad,  Deutsches  VVorteibuch.    5.  Aod. 


bei  Stieler  das  Subst.  Geschling,  1741  bei  Frisch 
gäschen  (aber  1734  bei  Steinbach  jeschen,  Prät. 
josch,  Part,  gejoschen),  fränkisch  im  14.  Jh. 
gesehen  (Buch  v.  guter  Speise  6,  14),  zu  mhd. 
jesen,  ahd  jesan  «gären»  (s.  d.).  Vgl.  gischen. 
Davon  Gäscht,  m.  (-es):  Gärschaum,  Schaum. 
Bei  Lohenstein  in  Hoffmannswaldaus  usw. 
Ged.  6,  14  Gäscht,  1562  bei  Mathesius  Sar. 
152^  Gescht  (neben  Gesch  212^),  aber  bei 
Lohenstein  Kos.  88  und  Günther  496  .Jäschf, 
1711  bei  Rädlein  .Jescht  oder  Gast,  im  15.  u. 
16.  Jh.  gest  (Diefenbach  Gloss.  548*^),  mhd. 
jest  m.;  dazu  ndl.  bei  Kilian  1599  ghest, 
ghist  m.    Vgl.  Gischt. 

Gasel,  n.  {-[e]s,.  PI.  -e)  und  Gasele  f. 
(PI.  -n):  Name  einer  bei  den  Persera  sehr 
beliebten  Form  lyrischen  Gedichte.  Aus  ai*ab. 
ghazal  «Liebeslied».  Durch  Platen,  Rückert 
u.  a.   eingeführt. 

gassäten  gehen:  müßiggängerisch  auf  der 
Gasse  umherschwärmen,  besonders  des  Nachts, 
Im  16.  Jh.  (1574  bei  Höniger  Narrensch.  99*), 
aus  dem  gleichbed.  studentischen  gassatim 
gehen  (bei  Grimmeishausen  Simpl.  348),  dessen 
gassatim  halblateinisches  Adv.:  daüiv  gassatum 
gehn  (bei  Fischart  Garg.  271.  norb  1703  bei 
Weismann). 

Gasse,  f.  (PI.  -»):  zwischendm-chgehender 
Weg,  enge  Straße  (von  letzterm  Worte,  das 
ui'spr.  die  breite  Land-  und  Heerstraße  be- 
zeichnet, in  neurer  Zeit  m  Norddeutschland 
mehr  und  mehr  verdrängt).  Mhd.  ga^^e  (stark- 
und  schwachbiegend),  ahd.  ga^^a,  gaza  f.;  dazu 
mnd.  gate,  (entlehnt)  engl,  gate  «Tor,  Weg», 
anord.  gata  f.  «Pfad,  schmaler  Gang,  Gasse», 
schwed.  gata,  dän.  gade,  got.  gatwö  f.  «Gasse». 
Vielleicht  gleichen  Stammes  wie  ältermd.  gat, 
gaz,  asächs.-mnd.-ndl.  gat  n.  «Öflnung,  Lücke, 
Loch,  Höhle»,  ags.  geat  n.  «Tür,  Tor», 
anord.  gat  n.  «Höhle»,  dän.  gat  «Loch»  (da- 
her Kattegat  «Katzenloch»)  oder  mit  Falk- 
Torp  aus  Präfix  ga-  und  *teivöH  «Reihe», 
das  zu  nhd.  Zeche  gehöil;  Giomdbedeutung 
wäre  dann  «das  Gereihte».  .2775'.  GaSSen- 
hauer,  m.  (s,  PI.  wieSg,):  gemeines  Gassen- 
lied. Im  16.  Jh.  Gassenhauicer ,  zunächst 
s.  v.  a.  Gassenläufer  (1586  bei  Mathesius 
Syrach  1,  52*),  von  älternhd.  und  bayr.  hauen 
«laufen»,  dann  Tanz  auf  der  Gasse  mit  der 
Tanzweise  (1536),  endlich  1517  bei  Aventin 
1,542,  12  gassenhawer  die  nuin  auf  der  lauten 
schlecht,  1556  bei  Fiisius  ein  gemein  vnd 
Schlacht  gassenlied,  ein  gassenhauwer,  im  17. 
und   18.  Jh.   auch   ohne  tadelnden  Nebensinn 

4U 


627 


Oast 


Oatte 


628 


s.  V.  a.  Volkslied  (s.  d.).    Gassenjunge,  m. 

(-n,  PI.  -n),  1728  bei  Stoppe  Ged.  1,  71. 

Gast,  m.  (-es,  PI.  Gäste):  besuchender, 
beherbergter,  beköstigter  Fremder ;  auf  frem- 
der Bühne  auftretender  Schauspieler  (im 
19.  Jh.);  überhaupt  Mann,  Gesell  (1589  bei 
Rhau  geistl.  Gesangb.  Von'.).  Mhd.  (/asf 
«Fremdling,  landfahrender  Krieger,  Held, 
auch  bewirteter  Fremder»,  ahd.  gast  «Fremd- 
ling»; dazu  asächs.-ndl.  gast,  ags.  gcest,  gast, 
gest,  gist,  giest  «Fremder,  Feind,  Gast»,  (aus 
dem  Nordischen)  engl,  guest,  anord.  gestr, 
schwed.  gast,  dän.  gjest  «Gast»,  got.  gasts 
m.  «Fremder»,  der  Lautverschiebung  gemäß 
stimmend  mit  lat.  hostis  «Femd»  urspriing- 
lich  «Fremder»,  vgl.  hospes  aus  *hosti-pes 
«Gastfreund»,  abg.  gostl  «Gast,  Genosse, 
Freund».  ABL.  Gasterei,  f.  (PI. -e/i):  Gast- 
mahl. Im  16.  Jh.  (H.  Sachs  Fastn.  16,  253, 
Scheidt  Grob.  3164),  bei  Luther  mit  Umlaut 
Gesterey.  gastieren,  v.:  zu  Gaste  haben, 
bewirten  (bei  Goethe,  1691  bei  Stieler,  dafüi- 
bereits  im  16,  Jh.  gasten,  das  im  18.  Jh.  bei 
Bürger  auch  in  der  Bed.  «zu  Gaste  sein» 
erscheint);  von  Schauspielern,  als  Gast  auf- 
treten, Gastrollen  geben  (Anfang  des  19.  Jh.). 
gastlich,  adj.  und  adv.,  mhd.  gast-,  gest-, 
gastlich,  ahd.  durch  ungastlichi  f.  «Ungast- 
lichkeit»  bezeugt,  ags.  gastlic:  im  17.  und 
18.  Jh.  nicht  mehr  gebraucht,  kam  das  Wort 
in  den  letzten  Jahrzehnten  des  18.  Jh.  durch 
Voßens  Homerübersetzung  wieder  in  Umlauf. 
Gastung,  f.  (PI.  -en):  BeAvii'tung,  Gasterei, 
mhd.  gastunge  f.  ZUS.  gastfrei,  adj.  und 
adv.:  freigebig  gegen  Gäste,  bei  Luther. 
Gastfreund,  m.  {-es,  PI.  -e),  1561  bei  Maaler 
als  Übersetzung  des  lat.  hospes,  dafür  1537 
bei  Schaidenreißer  Odyss.  75^  ain  gast  vnd 
freund;  das  Wort  fand  aber  keine  Aufnahme, 
erst  durch  Voßens  Odyssee-Übersetzung  1781 
hat  es  Verbreitung  gewonnen;   davon  Gast- 

freundscliaft,  f.,  1616  bei  Henisch.  Gast- 
geber, m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Gastwirt  (mhd. 
gastgeher  neben  gastgehe  m.);  der  ein  Gast- 
mahl gibt  (1711  bei  Rädlein).  Gasthalter, 
m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Gastwirt  (14B3  bei 
Diefenbach-Wülcker  gasthelder,  um  1480  im 
Vocab.  praedicant.  12^  gasthalter);  der  eine 
Gasterei  gibt  (1718  bei  Kirsch).  GasthauS, 
n,  i-hauses,  PI.  häuser),  ahd.-mhd.-)nnd.  gast- 
hüs;  dazu  ags.  gasthüs  n.,  engl,  guest-house, 
anord.  gestahüs  n.,  aber  ndl.  gasthuis  n.  «Spital». 
Gasthof,  m.:  vornehmeres  Gasthaus,  1420  bei 
Diefenbach-Wülcker;    dazu    ags.  gasthof  m. 


Gastmahl,  n.  (-s,  PI.  -niähler),  1561  bei 
Maaler.  Gastrecht,  n.:  Recht  der  Gast- 
freundschaft. 1616  bei  Henisch.  Gastwirt, 
m.  (-es,  PI.  -e),  1635  bei  Heydenreich  Leipz. 
Cron.  351.  Davon  Gastwirtschaft,  f.:  Wirts- 
haus.   Erst  im  19.  Jh. 

gastrisch,  adj.:  den  Unterleib,  Magen 
betreffend.  Ende  des  18.  Jh.,  von  gr.  YOCTtip 
f.  «Unterleib,  Magen». 

Gastronom,  m.  (-s,  PI.  -en):  Feinschmecker, 
Kenner  der  Koch-  und  Tafelkunst.  Bildung 
der  neusten  Zeit.  Aus  gr.  Yöcrrip  (s.  gast- 
risch) und  -vojnoc  von  v^jueiv  «zuteilen».  Dazu 
Gastronomie,  f.,  aus  gr.  Yacxpovoiaia  f. 
«Vorschrift  zur  Pflege  des  Bauches». 

gäten,  s.  jäten. 

gütlich,  auch  gättlich,  adj.  u.  adv.:  sich 
wohlfügend,  passend,  schicklich,  gleichmäßig, 
nach  Faßlichkeit  und  Bequemlichkeit  groß, 
mittelgroß.  Md.  auch  bei  Goethe  30,  114. 
Früher  auch  oberd.,  mit  den  Nebenformen 
gättlich,  gettlich  (Mumer  Gäuchmatt  5285), 
göttlich,  götleich  (Nürnb.  Pol.-Ordn.  153  aus 
dem  14.  Jh.)  und  gattlich  (Frankf.  Ref.  6, 
4,  5,  auch  bei  Goethe  Wilh.  Meist.  Wanderj. 
2,  5);  nd.  gädlik,  ndl.  bei  Kilian  gadelick, 
1477  clev.  gheäelyk.  Gleicher  Abstanmuing 
wie   Gatte  (s.  d.). 

Gatt,  n.:  Loch,  s.  Gasse. 

Gatte,  m.  {-n,  PI.  -n):  der  ehelich  Ver- 
bundene (1652  bei  Rist  himml.  Lieder  3,  161). 
Der  Bedeutung  nach  eine  Spezialisierung 
(genauer  die  Ehegatten  Garg.  93)  aus  mhd. 
gate  neben  gegate  m.  «der  Gleiche,  Genosse», 
selten  «der  zui*  Zeugung  Verbrmdene»;  dazu 
asächs.  gigado  m.  «Seinesgleichen»,  mnä. gegade, 
ags.  gegada  m.  «Genosse»,  ui'spr.  schAvache 
Form  zum  Adj.  ahd.gegat  «verbunden,  gleich, 
wozu  passend».  ^BL.  gatten,  v.:  zusammen 
verbinden  (trans.  und  refl.  bei  S.  Franck  Para- 
doxa 158  und  moriae  encom.  15^);  sich  paaren 
(Fastnachtsp.  des  15.  Jh.  1160);  Wai-en  sor- 
tieren (1691  bei  Stieler).  Ahd.  gaton  (in 
hegaton  «erj-eicheu,  wofür  sorgen»),  mhd. 
gaten  intr.  «zusammenkommen»,  tr.  «Gleiches 
zu  Gleichem  gesellen,  vereinigen».  Gattin, 
f.  (PI.  -nen):  die  ehelich  Verbundene.  Erst 
im  18.  Jh.  bei  Günther  661.  Gattung,  f. 
(PI.  -en):  das  durch  Verwandtschaft  Zusam- 
meugehöiüge.  Erscheint  y.uerst  im  15.  Jh. 
(Nürnb.  Pol.-Ordn.  222,  Nicl.  v.  Wyle  282), 
bei  Luther  Matth.  13,  47;  die  älteste  Be- 
deutung ist  «zueinander  passendes  Paar» 
(Fastnachtsp.  517,  26),   später   bedeutet  das 


629 


Gatter 


gaukeln 


630 


Wort  auch  s.  v.  a.  Gatte]  im  16.  u.  17.  Jh. 
und  noch  Schweiz,  wird  es  wie  «Art  und 
Weise»  gebraucht. 

Gratter,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  verschi-änkte 
Stäbeverbindung  als  Tor,  Schranke  oder 
Zaun.  In  den  Wörterbüchern  des  17.  und 
im  Anfang  des  18.  Jh.,  sowie  noch  alem. 
und  bei  Goethe  34,  1,  266  Mask.,  mhd.  guter 
m.  n.,  im  15.  Jh.  auch  Fem.  (schwachbie- 
gend), ahd.  gataro  m.  Da  das  Wort  ahd. 
mit  valvae  «Türflügel»  glossiert  wird,  und 
sonst  nicht  in  den  germanischen  Sprachen 
vorkommt,  so  könnte  es  mit  Kluge  eine 
Zusammensetzung  aus  ga-  «ge»  und  tor  sein. 
ABL.  gatteru,  v.:  mit  gatterähnlichem 
Muster  versehen  (mhä.  gatern):  durchs  Gatter 
spähend  belauera,  gieiüg  blicken  (1691  bei 
Stieler). 

Gattung,  s.  Gatte. 

gatzen,- gätzen,  v.;  gackern,  schreien 
wie  ein  Huhn  nach  dem  Eierlegen  (König 
vom  Odenwald  und  Fastnachtsp.  des  15.  Jh. 
259,  22).  Aus  gleichbed.  mhd.  gagzen,  wie 
mhd.  blitzen  aus  hliczen;  im  15.  Jh.  schwäb. 
(Diefenbach  Gl.  161^)  und  noch  1703  bei 
Weismann  141*''  gatzgen.     Vgl.  gacksen. 

Gau,  m.  (-es,  PI.  -e):  abgegrenztes  Land- 
gebiet, Landesabteilung.  Aus  md.  gouwe, 
gou,  mhd.  göuwe,  göu,  ahd.  gawi,  gewi,  gowi  n. ; 
dazu  afries.  gä.  gö,  ags.  an  Namen  -ge,  ebenso 
and.  -gö,  got.  gawi  n.  (Gen.  gaujis).,  Ahd. 
auch  das  Fem.  gaiva,  gowa  und  gawia,  goivia, 
mnd.  gö  f.,  nd.  gohe  f.  Herkunft  unsicher. 
Vgl.  Feist  Btr.  15,  54  f.  (aus  *ga-wih,  wih 
zu  lat.  vicus  m.  «Dorf»),  Schrader  Idg.  Forsch. 
Anz.  9,  172  (aus  *ga-atvia  zu  gr.  oTri  «Dorf»), 
ühlenbeck  Btr.  30,  282.  Der  Plur.  bisweilen 
Gauen  (Schubart  2,  328,  Goethe  2, 33;  34, 1,  3), 
bereits  1663  bei  Schottel  462%  und  zwar  als 
Plur.  des  Fem.  Gau.  Das  Mask.  zuerst  im 
17.  Jh.  (1612  bei  Lehmann  Speyr.  Chron.  4,  9), 
wie  es  scheint  in  Gelehrtenkreisen  nach  dem 
Genus  von  lat.  pagiis  {dei'  Pagus  oder  Gaw 
ebd.).  Das  veraltende  Wort  wurde  im  letzten 
V^iertel  des  18.  Jahrh.  wieder  aufgefrischt, 
während  sich  in  oberd.  Mundarten  das  Neutr. 
Gäu  in  den  Bedd.  «Land  im  Gegensatz  zur 
Stadt,  flaches  Land  im  Gegensatz  zum  Ge- 
bii'ge»  erhalten  hat. 

Gauch,  m.  {-es,  PI.  -e  und  Gäuche): 
einfältiger,  dummer  Mensch,  Narr,  Schelm. 
Mhd.  gouch,  ahd.  gouh  m.  «Kuckuck,  Tor, 
Narr»;  dazu  ags.  geac,  (aus  dem  Nordischen) 
uordengl.  gaick,   anord.  gaukr,    schwed.  gök, 


däu.  gjög,  norweg.  gauk  m.  «Kuckuck».  Ur- 
sprung nicht  ganz  klar.  Wahrscheinlich  zu 
anord. ^e«/ja «spotten,  ausschelten»,  ami.hovati 
«nift»,  abg.  züvati  «rufen». 

Gauchheil,  n.  {-s.  PI.  -e):  die  Pflanze 
anagallis.  1432  göchail  (Petters  Vocabular 
292 a),  als  Fem.  1540  bei  Alberus  Dict.  GC2b 
ghocheyl,  gaucheyl.  Der  Name  daher,  daß 
man  dem  Kraut  Kraft  beilegte,  den  Wahn- 
und  Blödsinn  (vgl.  Gauch)  zu  heilen  (Grimm 
Gesch.  d.  deutsch.  Spr.  204),  auch  sein  Saft 
als  Mittel  diente,  den  Biß  eines  tollen  Hundes 
unschädlich  zu  machen  (Loniceinis  204%  vgl. 
Schiller  z.  mecklenb.  Kräuterb.  2,  30*).  Oft 
vermengt  mit  dem  Namen  der  Schafgarbe 
•  gachheü  «schnellheilendes  Wundkraiit»  (im 
14.  Jahrh.  Mone  Anz.  4,  247). 

Gaudleh,  m.  {-es,  PI.  -e):  listiger,  ver- 
schlagner Dieb;  pfiffiger,  verschlagner  und 
gewandter  Schelm.  Im  17.  Jh.  (1657  bei 
Schuppius  Freund  in  der  Not  92)  aufge- 
nommen aus  gleichbed.  nd.  gaudef,  ndl.  gauw- 
dief  m.,  zusammenges.  mit  nd.  gau,  ndl.  gauw 
«geschwind,  gewandt»,  1691  bei  Stieler  und 
1716  bei  Ludwig  gau  «schnell  auf  etwas». 
Das  Wort  gehört  wohl  zu  jäh  (s.  d.). 

gau(lieren,verb.(refl.)sich  freuen;  (trans. ) 
erfreuen.  1617  im  teutschen  Michel  21,  aus 
lat.  gaudere  «sich  freuen».  —  Gaudiuni,  n. 
{-s):  große  Freude.  Gegen  Ende  des  18.  Jh. 
allgemeiner  geworden  (Schiller  Räuber  1,  2, 
Kabale  5,  5),  aus  gleichbed.  lat.  gaudium  n., 
bayr.-österr.  Gaudi,  f.  nach  Freude. 

gaukeln,  verb.:  Zauberei,  trügerisches 
Blendwerk  treiben;  sich  närrisch,  possenhaft, 
oder  leicht,  schnell  und  spielend  hin-  und 
herbewegen.  Mhd.  goukeln,  gougeln,  ahd. 
gougelan  und  goukelön,  gougolön,  mit  Umlaut 
md.  gaukeln,  bei  Luther  geuckeln  neben 
gauckeln,  im  lö.Jh.getvkeln  (Diefenb.Gl.48*): 
dazu  mnd.  gökelen,  gökelen,  mndl.  gökelen. 
Abgeleitet  von  ahd.  goucal,  coukel,  mhd.  goukel, 
gougel  n.  «Zauberei,  Taschenspielerei,  nämsches 
Treiben»,  nhd.  Gaukel  m.  (Adelung),  selten  f. 
(Steinbach  1,  563),  (aus  dem  Ndd.  entlehnt), 
schwed.  gyckel,  dän.  gjögl.  Dazu  gibt  es  ab- 
lautende Formen  mhd.  giege  und  giegel  m. 
«Narr, Betörter»,  gogel  m.  «ausgelassner  Scherz, 
Possen»,  gogelen  «sich  ausgelassen  gebärden», 
ndl.  guig  f.  «Spottmaul»,  giegelen  «lachen», 
so  daß  das  Woi-t  alt  sein  wird.  Wahrschein- 
lich zu  derselben  Wurzel  wie  Gauch  (s.  d.). 
ABL.  Gaukelei,  f.,  bei  Luther  Gauckeley, 
Geurkeley,  Geugeley,  dazu  mnd.  yochelie,  umdl. 

40* 


631 


Gaul 


Gaze 


632 


gokeUe  f.  Gaukler,  m.  {-s,  PI.  wie  Sing.): 
Taschenspieler,  Jahrraarktskünstler;  mhd. 
goukelcere,  goiigelcere,  ahd.  coucaläri,  gouguläri, 
mit  Umlaut  bei  Luther  geuckler,  geugler; 
dazu  mnd.  gokeler,  mndl.  gokelere,  entlehnt 
anord.  kuklari  m.;  im  15.  Jh.  rhein.  jaiikeler, 
jeukeler  (Diefenb.  Gl.  307  <=)  und  nä.  jokeler 
mit  dem  sachlich  übereinstimmenden  mlat. 
joculärius,  joculäris,  joadätor  in  Berührung 
gebracht.  Davon  Gaukleriu,  f.,  1541  bei 
Prisius  525^  gaucklerin,  im  15.  Jh.  geuklerin 
(Diefenb.  Gl.  BOl^),  und  gauklerisch,  adj., 
1541  bei  Prisius  162^  gaiigglensch,  gaucklerisch 
r,51^.  ZUS.  Gaukelbild,  n.:  trügerisches 
Bild,  mhd.  goukelhilde  n.  gaukelhaft,  adj., 
1775  bei  Adelung.  Gaukelspiel,  n.,  mhd. 
goukel-,  gougelspil  n. 

Gaul,  m.  (-es,  PI.  Gäule,  unüblich  Gaule 
Lichtwer  Pab.  1,  5,  Rückert  1,  22):  geringes 
Pferd,  aber  auch  stattUches  Roß  (Luther 
Jerem.  8,  16,  Goethe  8,  102,  Voß  II.  4,  500). 
Prühmhd.  gül  m.  «Ungetüm»  (vom  Teufel, 
güle  von  einem  Götzen,  urgM  von  einem 
Ebei-),  seit  dem  14.  Jh.  verächtUch  vom 
Pferde  gebraucht  (Liedersaal  3,  619,  14,  im 
PI.  giule),  daneben  schon  mnd.  gfd,  güle  m. 
vom  starken  Streitroß,  1429  im  Lib.  ord.  rer. 
14 '^  gaid  «Beschälhengst».  Dazu  ndl.  guil  f. 
«Stute»,  die  noch  nicht  geworfen  hat,  im 
17.  Jh.  ghuyl  «alter  Hengst»,  1599  bei  KiUan 
guyle  «Pferd»;  in  schwed.  Mundarten  gule, 
knie  m.  «altes  Pferd»,  gula,  kula  f.  «alte 
Stute,  Mähre».  Die  Etymologie  ist  ganz 
unsicher.  Von  Charpentier  KZ.  40,  441  zu 
aind.  ghötas  «Pferd»  aus  *ghöltas  gestellt. 
Vgl.  noch  Wood  Btr.  24,  528. 

Gaumen,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  die  als 
Geschmacksorgan  geltende  obere  Wölbung 
im  Munde.  Die  Nebenform  Gaiim  {-es,  PI. 
-e,  -en),  noch  bei  Goethe,  Schiller,  Bürger  usw., 
ist  auf  die  Dichter-  und  Volkssprache  be- 
schränkt. Mhd.  goume,  goum  neben  guome, 
guoni,  md.  göme,  göm  und  gfime  (letztres 
noch  bei  Luther  Hiob  29,  10),  ahd.  goumo 
neben  giiomo  und  giumo  m.;  dazu  mnd. 
gume,  ags.  göma  (engl,  gums  «Zahnfleisch»), 
anord.  gömi  und  gömr,  schwed.  gom  m.,  dän. 
gumme  «Gaumen».  Verwandt  lit.  gömurJs  m. 
«Gaumen»,  lett.  gämurs  «Luftröhre».  Vom 
gleichen  Stamme  auch  wohl  lat.  faux  f. 
«Schlund,  Kehle»,  gr.  xaOvoc  «auseinander- 
klaffend». Aus  der  schwachen  Deklination 
tritt  schon  das  gekürzte  mhd.  gotim  und 
giiom  in  die  starke  über,  bei  Ickelsamer  12 


findet  sich  der  Gen.  gumens.  ABL.  gäumelu, 
V.:  lüstern  sein  wonach  (1754  bei  Rost  schöne 
Nacht  2).  Vgl.  kämt,  gaimen  oder  gämen 
(d.i.  gäumen,  gaiimen)  «lüstern  sein»,  1808  bei 
Campe  Gaunielei  f.  «Lüsternheit,  Leckerei». 

Gauner,  m.  (-s,  PI.  wie  Sing.):  listiger 
Betrüger.  1753  bei  Lessing  d.  junge  Ge- 
lehrte 1,  6  Gauner,  bei  Frisch  aus  einer 
Biberacher  Pürschordnung  von  1722  Jauner 
(noch  bei  Schüler  1,  209),  rotwelsch  im  15. 
und  16.  Jh.  und  noch  heute  ^o^erm.  «Spieler, 
im  Land  umherstreichender  Falschspieler» 
(Weimar.  Jahrbuch  4,  98,  auch  bei  Fischart 
Großm.  50,  Philander  v.  Sittewald  2,  634), 
von  rotwelsch  jo?iew  «spielen»  (im  15.  Jh.  und 
noch  heute),  1494  bei  Seb.  Brant  Narrensch. 
63,  46  junen,  aus  hebräisch  jänä  (bei  den 
Juden  jo»o  gesprochen)  «Gewalttätigkeit  üben, 
übervorteilen,  betrügen,  überlisten»,  ABL. 
Gaunerei,  f.,  gaunerisch,  adj.,  gaunern, 
verb.,  sämtlich  1803  bei  Jagemann,  1787  bei 
Kramer  Jaunerey,  jaunerisch,  jaunern. 

Gaupe,  f.  (PI.  -n):  Giebel  Vorbau  mit 
Öffnung,  aber  auch  Dachöffnung  mit  vor- 
springender besondrer  Bedachung  und  be- 
weglichem Verschlusse,  Dacherker.  In  Franken, 
Oberhessen,  am  Mittelrhein,  im  15.  Jh.  gupe  f. 
Nach  der  Nebenform  Gauke  f.  zu  schließen, 
wohl  s.  V.  a.  Ausguck,  von  gauken  «aus- 
spähen, gucken»,  15.  Jh.,  Liliencron  1,  432*), 
ohers'ächs. gäken  «gaffen»,  hess. geipen  «gaffen», 
engl.-schott.  goup,  gouk  «spähend  oder  starr 
blicken». 

ganzen,  verb.:  bellen;  bellend  reden; 
scheltend  anfahren.  In  der  Schweiz,  am 
Rhein  und  im  westl.  Mitteldeutschland.  1540 
bei  Alberus  Dict.  Q  H  gautzen,  im  15.  Jh. 
kautzen  (Diefenb.  Gl.  70^).  Zusammenhangend 
mit  ags.  i^eafff.  «Torheit,  Leichtsinn»,  anord. 
geyja  (Prät.  gö)  «bellen,  ausschelten»,  gauäi. 
«das  Bellen»,  dän.  gjö  «bellen,  schelten». 
Weiter  sind  vielleicht  stammverwandt  aind. 
hävati  «naft»,  abg.  znvati  «rufen». 

Gavotte,  f.  (PI.  -n):  eine  Art  Tanz; 
Musikstück.  Über  gleichbed.  franz.  gavotte 
aus  provenz.  gavoto.     1791   bei  Rotb. 

Gaze,  f.  (spi-ich  Gase,  PI.  -»):  Flortuch, 
Schleiertuch.  1649  bei  Spee  Tmtzn.  B.  113 
Silbergaß,  1715  bei  Amaranthes  Gaze  oder 
Gage  (spr.  Gasche),  bei  Wieland  Klelia  1,  85 
Gase  f.  Aus  gleichbed.  franz.  gaze,  span. 
gasa  f.,  benannt  nach  der  Philistäerstadt  Gaza 
in  Palästina,  woher  das  durchsichtige  Gewebe 
bezogen  wurde. 


633 


Gazelle 


Gebarsch 


634 


Gazelle,  f.  (PI.  -n):  Hh-schziege,  eine  Art 
Antilope.  Im  18.  Jh.  (1727  bei  Hübner 
Gazella)  aufgenommen  aus  gleiebbed.  franz. 
(jazelle,  span.  gazela  f.,  das  dem  gleichbed.  arab. 
ghazäl  entstammt. 

ge-j  unbetonte,  untrennbare  Vorsatzpaiükel 
in  Zusammensetzungen,  urspränglich  zur  Be- 
zeichnmig  des  Zusammenseins,  des  Zusammen- 
gehörigen, vor  Subst.  auch  das  Ergebnis  des 
im  zugehörigen  Verb  ausgedriickten  Vor- 
ganges, vor  Adj.  das  Zueigensein  dessen,  was 
das  zugehörige  Subst  oder  Verb  ausdriickt, 
vor  Verben  das  Geraten  in  einen  Zustand 
oder  den  Abschluß  eines  Vorganges,  die 
Dauer  und  Vergangenheit  (bes.  im  Part.  Prät.) 
bezeichnend,  endlich  aber  oft  nur  den  Begi'iff 
des  einfachen  Wortes  verstärkend.  Mit  Vor- 
silbe (je-  und  Suffix  -jo,  das  Umlaut  bewirkte, 
wurden  seit  alter  Zeit  neutrale  Kollektive 
gebildet,  vgl.  viele  der  folgenden  Artikel. 
Mhd.  ge-,  ahd.  gi-,  ga-;  dazu  asächs.gi-,  mnd, 
ge-,  mndl.  ghe-,  afries,  ge-.  gi-,  ie-,  ags.  ge-,  gi-, 
anord.  nur  spurweise  g-,  schwed.-dän.  ge-, 
got.  ga-.  Gewöhnlich  wird  lat.  co-,  con-,  aun- 
«mit,  zusammen»  als  verwandt  angesehen. 
Die  Sinnesübereinstimmung  ist  in  der  Tat 
vollkommen,  aber  die  Lautverschiebung 
stimmt  nicht.  In  manchen  Wörtern  erscheint 
ge-  vor  Vokalen  oder  l,  n,  r  zu  bloßem  g-  ge- 
kürzt (Ganerhe,  gönnen.  Gunst,  Glaube,  gleich, 
Glück,  Gnade,  grob  usw.).  In  nominalen  Zu- 
sammensetzungen lag  urspmnglich  der  Ton 
auf  dem  ga-,  und  es  mußte  dann  das  a  er- 
halten bleiben,  wie  z.  B,  Gastein.  In  einzelnen 
verdunkelten  Zusammensetzungen  scheint  sich 
dies  ga-  erhalten  zu  haben,  vgl.  Gau.  Gatter. 

Geäder,  n.  (-s):  Gesamtheit  der  Adern. 
Mhd.  geceder  n.,  Kollektiv  von  Ader. 

Geäß,  n.  (-es,  PI.  -e):  Nahrung  des  Wildes. 
In  der  1.  Hälfte  des  1-5.  Jh.  gecege  (PI.  ge- 
ce^^er  Schiltberger  Reise  HO),  Kollektiv  zu 
Aas.  Aß  n.  «Viehfutter». 

Geäste,  bayr.  auch  Geäst,  n.  (-es,  PI.  -e): 
Astwerk.     1774  beim  j.  Goethe  3,  23. 

Gebäck,  m,  n.  (-es,  PI.  -e):  Gesamtheit  des 
miteinander  Gebackenen,  z.B.  ein  Gebäck  Brot. 
Im  14.  Jh.  md.  gebac  m.:  A''erstärkung  des 
gleichbed.  Back  m.,  md.  im  14.  Jh.  hack  m. 

Gebäck,  n.  (-es,  PI.  -e):  das  Backen. 
Gebackenes,  Backwerk.  Im  15.  Jh.  gebäck 
( Weisth.  6,  536  aus  der  Moselgegend),  bei 
Fischart  Garg.  158  das  gebäch.  Verbalsubst. 
zu  hacken  (s.  d.). 

Gebälk,    n.    (-es),    unverkürzt    Gebälke 


(Rückert  3,  39):  Balkenwerk.  Im  15.  Jh. 
rheinisch  gehelke  n.,  Kollektiv  zu  Balken  (s.  d.  j. 
Gebäude,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Bandwerk, 
Kollektiv  zu  Band  n.  Mhd. -mnd.  gehende, 
ahd.  gibenH  n.  «Fessel,  Riemen»,  dann  «Band, 
Kopfputz  der  Weiber»,  insbes.  die  Stim-  und 
Wangenbinden.  Noch  wetterauisch  mit  Scliap- 
pel  und  Gebetide  «mit  allem,  mit  der  ge- 
samten  Habe»;  vgl.  Schappel. 

gebaren,    verb.    (Goethe  28,  36.    6,  33 j, 

j  jetzt  meist  refl.:  sich  betragen.  Mhd.  gebären, 
ahd.  gihären.  gehärön;  dazu  mnd.  gebären, 
mndl.  ghebaren,  ags.  gebcEran.  Verstärktes 
gleichbed.  mhd.  hären,  zu  mhd.  bar  f.  «Ali, 
und  Weise,  wie  sich  etwas  zeigt»,  mit  mhd. 
gebär  m.  «Benehmen,  bes.  schickliches  und 
freundliches»  (s.  Gebärde),  von  ahd.  heran 
«tragen».  ABL.  Gebärde,  f.  (PI.  -n):  Ari, 
wie  jemand  sich  äußerlich  zeigt  in  Bewe- 
,gung  und  Handlung.    Bei  Luther  Geberde  f. 

I  und   n.,    1561    bei   Maaler    Gebärd  f.,    mhd. 

I  gehmrde  f.  und  n.,  ahd.  gibärida  f.;  dazu  mnd. 

j  geherde  f.  gebärden,  v.  refl.,  bei  Luther. 
gebärdig,   adj.:    sich   schön   oder  froh  ge- 

'  barend  (Goethe  4,  170),  1582  bei  Fischart 
Garg.  225,  s.  ungebärdig. 

!  gebären,  verb.  (Präs.  gebäre,  gebierst,  ge- 
biert, Prät.  gebar,  Konj.  gebäre,  Part,  ge- 
boren, Imp.  gebier  und  gebäre) :  zur  Welt 
bringen.  Bei  Luther  und  noch  1734  bei 
Frejer  Orth.  geheren,  bei  Maaler,  Fischart, 
Henisch  gehären,  1664  bei  Duez  gebähren  und 
gebehren,  mhd.  gebern,  ahd.  giberan;  dazu 
mnd. -mndl.  geheren,  asächs.  giberan,  ags.  ge- 
beran,  got.  gahairan.  Zusammengesetzt  mit 
mhd.  hern,  ahd.  heran,  afries.  und  anord.  hera, 
ags.  heran,  engl,  bear,  got.  bairan  «tragen», 
durch  die  Zusammensetzung  mit  ge-  driickt 
das  Verbum  den  Abschluß  der  Handlung  des 
Tragens  aus.  Übereinstimmend  mit  lat.  ferre 
«tragen,  bringen»,  gr.  (pepeiv,  kelt.  herim 
«trage»,  abg.  hirati  «nehmen,  sammeln», 
aind.  bhdrati   «trägt».     Von   diesem    Stamm 

!  sind  ferner  abgeleitet  -bar.  Bahre ,  Bärme, 
Bürde,  empor,  enthehren,  gebühren  (s.  d.), 
ABL.  Gebärerin,  f. :  Mutter,  fi-ühmhd.  ge- 
hererinne  f.,  zu  mhd.  geherer  m,  «Erzeuger, 
Vater».  ZUS.  Ge])ärniutter,  f.:  Fruchtsack 
der  Beckenhöhle,  1597  bei  Wirsung  Arzneib. 
501  Gebeermutter,  älter  Bärmutter  (s.  d.). 
G^barsch,  m.,  in  der  (Kinder-)  Redens- 

,  art  Gebarsch  Xehmarsch  «Schenkender  und 

;  das  Geschenkte  gern  Zuiückfordernder»,  1540 
bei  Alberus  Dict.  Tt  3*»  geh  ars  nem  ars,  bei 


635 


Gebäii 


gebildet 


636 


Luther  5,  398  =*  usw.  im  PI.  Gebers  Nemers, 
sogar  7,  262^  ein  rechter  Gehers  Nemers. 
Wohl  eine  grobwitzige  Umbildung  der  mhd. 
Bedeutungsnamen  Gehhart  imd  Nemhart. 

Gebäu,  n.  {-es,  PI.  -e),  üblicher  Ge- 
bäude, n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  kunstgerecht 
Aufgebautes.  Bei  Luther  gehe^v  und  geheivde, 
mhd.  gehiuwe,  md.  gehilwe  und  gehüivede,  ge- 
hüide  (daneben  gehmveze.  gehüze),  ahd.  ge- 
biuive  und  gahüid  n.  (daneben  ahd.  gehiuweda, 
gehüeda  f.) ;  dazu  mnd.  gehüive  und  gehUivete, 
gebUwte.  gahüete  n.    Beide  von  hatten  (s.  d.). 

Gebauer,  n.,  seltner  m.  {-s,  PI.  wie  Sg): 
^^ogelkäfig.  1659  bei  Butschky  Kanzl.  438. 
Verstärktes  Bauer  (s.  d.). 

gebe,  s.  gäbe. 

Gebeier,  von  beiem  (s.  d.). 

Gebein,  n.  {-es,  PI.  -e):  Gesamtheit  von 
Knochen  {Beinen).  Mhd.  und  md.  geheine, 
ahd.  gibeini  rv.,  Kollektiv  von  Bein.  Daneben 
md.  gebeinde,  gebeinte,  im  15.  Jh.  köln.  ge- 
heime, im  14.  Jh.  nrhein.  gebenze,  nmd.  ge- 
beute,  geheinte  n. 

Gebelfer,  n.  (-5):  anhaltendes  Belfern. 
Bei  Stiel  er  1691  Gebelfere,  bei  Schuppius  847 
Gepelve^;  beim  j.  Goethe  3,  524  Gepelfere. 

Gebell,  n.  {-es):  wiederholtes  Bellen.  Im 
14.  Jh.  gebelle  n.  (Monumenta  boiea  39,  278). 

geben,  verb.  (Präs.  gebe,  gibst,  gibt  — 
die  früher  übliche  Schreibung  giebst,  giebt 
ist  beseitigt  — ,  Prät.  gab,  Konj.  gäbe,  Part. 
gegeben,  Imp.  gib):  zu  Annahme,  Empfang 
bieten.  JVIhd.  geben,  ahd.  geban;  dazu  asächs. 
getan,  mnd.  und  ^nndl.  geven,  ags.  gifan, 
engl,  giroe,  afries.  geva,  jeva,  anord.  gefa, 
schwed.  gifva,  dän.  give,  got.  giban.  Das  ge- 
raeingermanische  Wort,  das  die  in  den  übrigen 
Sprachen  auftretende  Wurzel  dö  «geben»  ver- 
tritt, ist  in  den  andern  Sprachen  noch  nicht 
nachgewiesen.  Man  stellt  es  zu  lit.  gabenti 
«herbeischaffen,  l)ringen»,  air.  gabim  «ich 
nehme»,  womit  nichts  gewonnen  ist.  Vgl. 
noch  Walde  s.  v.  habere.  Das  Präs.  bei 
Luther  gibst,  gibt,  Imp.  gib,  daneben  seit 
dem  17.  Jh.  die  Formen  mit  ie  (Schuppius, 
Fleming,  Gottsched).  Das  unpersönliche  es 
gibt  mit  dem  Akk.  der  Sache  (im  16.  Jh. 
es  gibt,  mhd.  e^  gibt  Märe  vom  Feldbauer 
239)  bed.  «es  bringt  hervor,  es  wird  werden, 
dann  es  ist  oder  sind  vorhanden».  ABL. 
Geber,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  der  Gebende. 
Mhd.  geber,  ahd.  gebari,  mnd.  gever  m.  Ur- 
sprünglicher mhd.  gebe,  ahd.  gebo,  asächs. 
geto,  ags.  gifa  m.  «Geber». 


Gebet,  n.  {-es,  PI.  -e):  Bitte,  Rede  an 
ein  höhres  Wesen.  Mhd.  gehet,  ahd.  gibet, 
gäbet  n. ;  dazu  asächs.  gibed,  ags.  gebed,  ge- 
hedd  n.  Das  zugrunde  liegende  ahd.  het,  mhd. 
bet,  bete  n.  (noch  bei  Luther  Bet,  Bett  n.) 
«Bitte,  Gebet»,  ist  mit  ahd.  beta,  mhd.  bete 
f.  «Bitte»  abgeleitet  von  bitten  (s.  d.),  nicht 
von  beten,  das  erst  von  ahd,  bet  sich  bildete. 
Die  Nebenform  Gebete  n.  bei  Luther  und 
noch  Wieland  Amadis  2,  166,  Rückert  1,  122, 
mhd.  gebete  f. 

Gebettel,  n.  (-s):  wiederholtes  Betteln. 
1741   bei  Frisch. 

Gebhart,  Mannsname.  Mhd.  Gebehart, 
ahd.  Gehahart  {geba  «Gabe»,   hart  «stark»). 

Gebiet,  n.  {-es,  PI.  -e):  Bereich  des  Be- 
fehlens.  Mhd.  gebiete,  gebiet  n.  f.,  md.  ge- 
bite,  gebit  n.  «Befehl  Gebot,  Territorium, 
Gerichtsbarkeit,  Botmäßigkeit»;  die  Form 
Gebiete  noch  bei  Fleming  120,  Haller  224, 
Lessing  6,  476,  Schiller  Demetr.  2,  2.  Von 
gebieten,  v.  (Präs.  Prät.  gebot,  Konj.  ge- 
böte, Part,  geboten,  Imp.  gebiete):  wozu  hin 
seinen  Willen  bieten,  zur  Befolgung  nötigend 
seinen  WiDen  kundtun.  Im  Präs.  älternhd. 
du  gebeutst,  er  gebeut,  Imp.  gebeut  (mhd. 
gehiutest,  gebiutet,  Imp.  gebiut),  bei  Luther 
und  noch  altertümlich  bei  Goethe,  Schiller, 
H.  V.  Kleist.  Mhd.  gebieten,  ahd.  gabiotan, 
gihiotan;  dazu  asächs.  gibiodan,  mnd.  geheden, 
nnd.  gebeen,  mndl.  ghebieden,  nndl.  gebieden, 
ags.  gebeodan,  zusammenges.  mit  bieten  (s.  d.), 
ABL.  Gebieter,  m.,  mhd.  gehietcere,  ge- 
Meter  m.;  davon  Gebieterin,  f.,  mhd.  ge- 
bietcerinne,  gebieterinne,  gebieterin  f.  gebie- 
terisch, adj.,  1711  bei  Rädlein,  dafüi-  1678 
bei  Krämer  gebietisch.  Gebietiger,  m.: 
Befehlshaber,  mhd.  gebietegcere,  md.  gebitegere 
m.,  jetzt  nur  noch  altertümlich  gebraucht. 

Gebilde,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  zusammen- 
gesetztes Bild;  feine  Leinewand  mit  einge- 
wobenem BUdwerk  (am  Nieder-,  Mittel-  und 
Oberrhein.  In  der  1.  Bed.  mhd.  gebilde  n. 
«Form  der  äußern  Erscheinung,  Gestalt,  Stern- 
bild», ahd.  gebilide  n.;  dazu  mnd.  gebilde,  ge- 
helde  (auch  Vorbild,  Beispiel)  n.:  im  altern 
Nhd.  ist  das  Wort  entschwunden,  bis  es  1766 
bei  Klopstock  Oden  (1771)  S.  213  in  dem 
auffälligen  PI.  Gehilder,  sowie  S.  241  in  ihr 
Gebild  aus  dem  J.  1767  wieder  auftaucht  und 
bald  in  Aufnahme  kommt. 

gebildet^  adj.,  eig.  Partizipium  vom  v. 
bilden  «mit  Bildern  verzieren;  ein  plastisches 
Kunstwerk  hervorbringen»  (so  noch  in  wohl- 


637 


Gebinde 


Gebrech 


638 


ijehildef).  Auf  das  Geistige  übertragen  erst  i 
bei  Herder.  Subst.  der  Gebildete  seit  der ' 
zweiten  Hälfte  des  18.  Jb. 

Gebinde,  n.  (s,  PI.  wie  Sg.) :  Zusammen- 
gebundenes, als  Garnmaß  20  oder  40  Fäden 
(1715  bei  Amarantbes,   scbon  mnd.  hindt  n.  j 
«60  Fäden»);  Gefäß,  Faß,  bes.  im  Wein-  und  I 
Bierhandel   (1734  bei  Steinbaoh).     Mhd.  ge-  \ 
binden.  «Band»,  gebint  n.  «Verbindung».  Von 
binden  (s.  d.). 

Gebirge,  u.  (s,  PI.  wie  Sg.),  gekürzt 
Gebirg:  Gesamtheit  von  Bergen.  Mhd.  ge- 
birge,  ahd.  gibirgi,  gabirgi  n.,  Kollektivum 
von  Berg  (s.  d.).  Die  Schreibung  Gebiirge 
bei  Wieland,  Herder,  Schiller,  Goethe  usw., 
Gebürg  bei  Fischart,  Grimmeishausen  usw., 
schon  1401  gebiirge  (Frankf.  Reichskorr.  1, 
92),  darauf  beruhend,  daß  in  mhd.  und  früh- 
nhd.  Zeit  bei  Orts-  und  Burgnamen  häufig 
Berg  und  Biirg  wechseln  und  sich  vermengen. 
Davon  gebirgig,  adj.,  1616  bei  Henisch  ge- 
bürgig.  gebirgisch,  adj.:  aus  dem  Gebirge 
stammend,  ihm  eigentümlich,  bei  Geliert  ge- 
bürgisch,  1590  bei  Albinus  Bergchron.  86 
alpgebirgisch,  im  15.  Jh.  gepirges  bei  Schiit- 
berger  105  N.,  neben  pirgesch  87. 

Gebiß,  n.  (Gen.  Gebisses,  PI.  Gebisse): 
Mauleisen  des  Zaumes;  Gesamtheit  der  Zähne 
als  Werkzeug  zum  Beißen  (Ende  des  15.  Jh. 
bei  Harff  Pilgerfahrt  137,  14  gebijss):  (rhein.- 
wetterauisch)  vieles  wiederholtes  Beißen  (schon 
ahd.  f/a&ij  «mordacitas»).  In  der  l.Bed.  mhd. 
gebi^,  ahd.  gabi^,  gibig,  mnd.  gebit  n,  Subst. 
zu  beißen  (s.  d.). 

Gebläse,  u,  (-s,  PI.  wie  Sg.):  die  Blase- 
bälge eines  Ofens  oder  einer  Orgel;  Venti- 
iationsapparat.  In  beiden  Bed,  1562  bei  Ma- 
thesius  Sarepta  100 ^^  geplese  und  208^ gehlese, 
211*^  gebleß.     Subst.  zu  blasen  (s.  d.). 

geblümt,  adj.:  mit  Blumen  geschmückt. 
Mhd.  gebliiemet,  Part,  von  blüemen  und  ge- 
blüemen  «mit  Blumen  schmücken»,  dann  über- 
haupt «schjnücken,  verherrlichen». 

Geblüt,  n.  {-es),  unverkürzt  Geblvte: 
(4esamtheit  des  Blutes  im  Körper  (spätmhd. 
geblüefe  n.) ;  Blutsverwandtschaft  (bei  TiUther) ; 
Volksabstammung,  Volksart  (bei  Luther  Stücke 
in  Esther  6,  8);  (md.  und  Schweiz.)  monat- 
liche Reinigung.     Kollektivum   v(jn   Blut. 

Gebot,  n.  {-es,  PL  -e):  Willenserklärung 
zur  Befolgung,  Befehl;  Anerbietung  bei  Kauf 
und  Versteigerung.  Mhd.  gebot  n.  «Befohlenes 
wie  Angebotenes»  (auch  Einsatz  im  Spiel), 
ahd.  gabot,  gibot  n.;  dazu  asächs.  gibod,  mnd. 


gebod,  gebode,  mndl.  ghebot,  afries.  ebod,  ags. 
gebod  n.  «Gebot,  Befehl»,  neben  gleichbed. 
mhd.-mnd.  bot,  ags.  bod,  anord.  bod  n.  (auch 
Einladung,  Auffordening).  Subst.  zu  bieten 
und  gebieten  (s.  d.).     Vgl.  botmäßig. 

Gebräme,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Rand- 
besatz, Besatz  am  Kleide.  Bei  Luther  Jes. 
3,  20  gebreme,  mhd.  gebrceme  und  gebreme  n., 
von  mhd.  brcemen.  brenien  (s.  Brame). 

Gebrau,  n.  m.  {-es,  PI.  -e):  einmaliges 
Brauen;  das  durch  ein  Brauen  gefertigte  Ge- 
tränk. Nürnbergisch  im  14.  Jh.  gebraw  n. 
(Nünib.  Pol.-Ordn.  212,  7),  md.  im  14.  Jh. 
gebrüive  n.  ra.  Subst.  zu  brauen  (s.  d.  und 
Gebräude). 

Gebrän,  n.  {-es,  PI.  -e):  auf  einmal  Ge- 
brautes. Im  15.  Jh.  bei  Wolkenstein  Nr.  91, 
82  (Schatz)  gepreu,  bei  Rosenblut  gepreü  n. 
Abgeleitet  von  brauen  (s.  d.  und  Gebräude). 

Gebrauch,  m.  {-es,  PI.  Gebräuche),  statt 
des  nui'  noch  altertümlichen  Brauch  (s.  d.), 
Mhd.  gebrüch  m.  «Benutzung»,  dann  «Ge- 
wohnheit, Sitte»;  dazu  mndl.  ghebrüc  «Ge- 
nuß». Subst.  zu  gebrauchen  und  brauchen. 
gebrauchen,  v.:  in  bestimmter  Beziehung 
brauchen,  mhd.  gebrochen,  ahd.  gabruchan 
«benutzen  genießen»;  dazu  mnd.  gebrUken. 
mndl.  ghebrüken,  nndl.  gebruiken,  ags.  stark- 
])iegend  gebrücan  (völlig  genießen).  ge- 
bräuchlich, adj.:  in  Gebrauch  (Gewohn- 
heit) befindlich,  gewöhnUch  gebraucht,  1482 
bei  Melber  Ff  6'*  gebruchlich,  bei  Luther  ge- 
breuchlich  «zum  Gebrauch  dienend»,  mhd.  in 
der  Bed.  «genießend»  gebruchlich,  Adv.  ge- 
brüchliche. 

Gebräude,  n.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Avie  Ge- 
bräu (s.  d.).  Md.  1457  gebruwede,  1438  ge- 
braiüde  n.  (Germ.  28,  366).  Abgeleitet  von 
brauen  (s,  d.j. 

Gebrause,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.j:  em  wie- 
derholtes Brausen.  Md.  im  14,  Jh.  geprüse  n. 
Subst.  zu  brausen  (s.  d.). 

Gebrech,  m.  n.  {-es,  PI.  -e):  hörbares 
Brechen;  Gebrechen  (Klopstock  Mess.  4,  198 
Gebrech  n.).  Mhd.  gebrech  n,  und  gebreche  m., 
ahd.  gapreh,  gipreh  n.  «Gekrache,  lautes  Ge- 
töse». Gebreche,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  von 
Wildschweinen  umgebrochener  Boden,  auch 
der  Rüssel  der  Wildschweine,  weidmännisch 
1763  beiHeppe(Te&räc/t,  mhd.  ^e&recÄen.  «umge- 
brochenes Bauland,  Brachland».  Gcbrecheu, 
n.  {-s,  PI.  wie  Sg.j:  fühlbarer  Mangel.  Md. 
im  13.  Jh.  und  1385  gebrechen  n.  «Mangel, 
Fehler»  (Städtechr.  1,  240,  22j,   der   subst. 


639 


Oebreit 


Geburt 


640 


Inf.  des  Zeitworts  gehrechen  (s.  d.),  vermengt 
mit  mhd.  gehreche  m.  «Abgang,  Mangel,  Be- 
schwerde, Krankheit»,  Mitte  des  15.  Jh.  ge- 
hrechen ni.  Städtechron.  2,  329,  11,  älternhd. 
Gehrech  m.  (Luther  1,  66'^,  Duez  1664),  Ge- 
brechen m.  (Luther  4,  108^,  Schuppius  242). 
gebrecheil,  v.:  fühlbar  raangehi.  Mhd.  ge- 
brechen intr.  «brechen,  mit  Gewalt  dringen», 
gegeii  einem  «von  ihm  aljfallen,  ihm  untreu 
werden»,  gebrechen  an  einem  «von  ihm  weichen, 
ihm  mangeln»,  ebenso  mir  gebricht  ein  dinc 
oder  unpersönl.  eines  dinges  oder  an  einem 
dinge;  dagegen  trans.  mhd.  gebrechen  «brechen, 
wegbrechen,  Abbruch  tun,  verwehren,  unter- 
Averfen»,  ^h^.gihrechan.  gaprechan  undasächs. 
gihrekan  «zerbrechen»,  got.  gabrikan  «zer- 
brechen, niederwerfen»,  gebrechlich,  adj.: 
mangelhaft:  mit  einem  Körperschaden  be- 
haftet, in  beiden  Bed,  mhd.  gebrechlich;  dazu 
Grebrechliehkeit,  f.,  mhd.  gebrechlicheit  f., 
1274  gebrechlickeit  (Germ.  28,  366). 

(jebreit,  n.  {-s.  PI.  wie  Sg.):  sich  aus- 
breitendes Gelände  (Goethe  13,  24;  50,  219 
Gehreite).  Daneben  Gebreite,  f.  (PI.  -n) :  ein 
Feld  von  gewisser  Größe.  Mhd.  gebreite  f. 
«Ackerbreite,  sich  ausbreitendes  Ackerge- 
lände», ahd.  gibreitta  f.  neben  gahraite,  ge- 
hreite n.     Subst.  zu  breiten  (s.  d.). 

Gebresten,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Mangel, 
Gebrechen;  herzbrechender  Kummer,  Brast 
(s.  Braß).  Der  subst.  Inf.  des  älternhd.  Zeit- 
worts gebresteii  (mhd.  gebresten,  ahd.  gihrestan 
«fühlbaren  Mangel  woran  haben»),  schon  im 
14.  Jh.  md.  gehristen  n.  «Mangel»,  vermischt 
mit  älternhd.  Gehresten  m.  «Mangel»  (1537 
bei  Dasypodius),  1573  bei  Ölinger  51  gepräst, 
mhd.  gebreste  m.  und  gebrest  m.  n.  «Bruch 
als  Schaden,  fühlbarer  Mangel»,  md.  im  14.  Jh. 
gebrist,  ahd.  im  11.  Jh.  gibrist  m.,  neben 
einfachem  mhd.  brest  und  breste,  ahd.  hresto 
m.  «Mangel»,  Subst.  zum  mhd.  Verbum 
bresten,  ahd.  brestan  (s.  bersten). 

Gebrüder,  PI:  Brüder  als  zusammen- 
gehörig. Mhd.  gebruoder  und  gebrüeder,  md. 
gebrüdere,  ahd.  gibruoder  PI.;  dazu  asächs. 
gibröäar,  ags.  gebrödor,  gebröära,  gehrödru  PI. 
Vgl.  Geschwister. 

Gebrüll,  n.  (-es),  unverkürzt  Gebrülle: 
wiederholtes  Brüllen.  Mhd.  gebrülle  n.,  Subst. 
zu  brüllen  (s.  d.). 

Gebrumme,  n.  (-s),  gekürzt  Gebrumm: 
wiederholtes  Brummen.  1595  bei  Rollen- 
hagen Froschm.  3,  3,  12,  89  Gehrum,  1663 
bei  Schottel  1004,  17   Gebrumme. 


gebschnitzig,  adj.:  gern  gebend,  frei- 
gebig. Im  westlichen  Mitteldeutschland  (auch 
gebschnützig,  gebschnetzig).  Spätmhd.  (hess.) 
in  einer  1428  vollendeten  Handschr.  der  h. 
Elisabeth  gehesnytzig,  im  14,  Jh.  gehesnitz 
(Elisabeth  7930)  «verschwenderisch  mit  Geben». 

Gebücke,  n.  {-es,  PI.  -e):  zur  Grenze, 
besonders  aber  zur  Schutzwehr  gegen  den 
Feind  angelegte  dicht  verwachsne  hohe  Hecke. 
Am  Mittel-  und  Oberrhein  (Gehucke,  Gebücke, 
Gehicke,  Gebick).  1469  aus  Nassau  g^eftwcÄen. 
«ineinander  gebognes  undverflochtnes  Gebüsch 
als  Waldgrenze»  (Arnoldi  Beitr.  110),  ebenso 
1320  ans  dem  Unterelsaß  (Weist.  1,  670)  und 
im  14.  Jh.  ndrrhein.  gebücke  n.  (v.  d.  Hagens 
Germania  6,  260,  337),  aber  in  der  Bed.  «ver- 
flochtne  Heckenschutzwehr»  1366  gebücke  n. 
(Gudenus  Cod.  dipl.  mogunt.  2,  1159),  Subst. 
zu  mhd.  bücken,  md.  hucken  «biegen,  nieder- 
biegen» (s.  bücken).  Davon  im  15.  Jh.  das 
Adj.  gehuckt,  gebickt  «von  einem  Gebück 
umgeben»  (Weist.  3,  488  und  5,  319,  4). 

Gebühr,  f.  (PI.  -en):  was  sich  gebührt 
(spätmhd.  gehiir  n.);  gebührender  Anteil 
(westfäl.-rhein.  im  14.  Jh.  gebur  n.  Germania 
20,  36,  mrhein.  im  15.  Jh.  gepilrre,  gepurre  n.), 
schuldige  Abgabe  (Gehiir  f.  bei  Luther),  ge- 
bührende Zahlung,  Kosten  (1583  bei  Mone 
Anz.  8,  166,  bes.  im  Plur.,  1691  bei  Stieler). 
Ahd.  gihuri  f.  in  andrer  Bed.  «casus,  sors, 
evehtus»,  aber  got.  gabaur  n.  «Steuer*».  Vgl. 
Meringer  Idg.  Forsch.  18,  205.  Von  ge- 
bühren, V.:  als  angemessen  zukommen. 
Bei  Luther  gehüren,  mhd.  gehürn,  aber  fast 
nur  md.  vorkommend  geburn,  gehorn,  trans. 
«heben»,  intr.  «sich  erheben  für  jem,,  wider- 
fahren, zuteil  werden,  rechtlich  zukommen», 
refl.  «sich  ereignen»,  ahd.  gihurjan,  giburren 
«als  angemessen  zukommen,  sich  ereignen»; 
dazu  asächs.  giburian  «sich  zutragen,,  statt 
haben,  den  Verlauf  haben»,  mnd.  geboren 
«zukommen»,  ags.  gehyrian  «sich  begeben, 
ereignen,  als  angemessen  zukommen»,  anord. 
byrja  «sich  ziemen».  Das  einfache  mhd. 
hürn,  md.  burn,  hörn,  hurren,  ahd,  burjan, 
burren  «erheben,  hervorbewegen,  in  die  Höhe 
halten,  mnd,  hören  «heben»,  ist  gleichen 
Stammes  wie  mhd,  beni,  ahd,  heran,  «zum 
Vorschein  bringen,  tragen»  (s,  gehären). 
gebührlich,  adj.,  mhd.  gebUrlich,  md.  gehor- 
lich,  and,  giburilic  «gebührend,  gelegen, 
recht»;  davoij  Gebührlichkeit,  f,,  spätmhd, 
gebürlichkeit,  md,  im  15,  Jh.  giborlichkeii. 

Geburt,  f,  (PI.  -en):  das  Zurweltbringen ; 


641 


Gebüsch 


gedenken 


642 


das  Zurweltgebrachte,  Mhd.  gehurt,  ahd, 
gihurt,  gaburt  f.,  dazu  asächs.  giburd,  mnd. 
gebort,  geburt,  ags.  gebyrd  f.,  engl,  birth,  anord. 
burdr  m.,  got.  gabaürßs  f.  Wie  das  einfache 
mhd.-ahd.  burt  f.  «Geburt»  zu  ahd.  beran 
(s.  gebären).  Urverwandt  mit  aind.  bhrtis  f. 
«das  Tragen,  Unterhalt,  Pflege».  ABL. 
gebürtig,  adj.:  örtHch  herstammend,  mhd. 
geburtich,  ahd.  giburtig  neben  einfachem  mhd. 
bürtec,  ahd.  burüg  (s.  hurtig).  ZUS.  Ge- 
burtstag, m.  bei  Luther,  mhd.  gebtirttac, 
ahd.  giburtitag,  giburtdag  und  giburtitago  m. 

Gebüsch,  n.  (-es,  PI.  -e):  Gesamtheit 
von  Büschen.  Unverkürzt  Gebüsche  (Wie- 
land 23,  292,  Goethe  2,  89).  Mhd.  gebüsche. 
md.  1375  gepusche  (Schäfer  Sachsenchronik 
1,  385).     Kollektiv  von  Busch  (s.  d.). 

Geck,  m.  (-e7i,  PI.  -en):  alberner  einge- 
bildeter gefallsüchtiger  Mensch.  Md,  im  14, 
und  15.  Jh:  gec,  gecke,  ndrhein,  im  14,  Jh, 
geck  m,,  oberd.  Ende  des  15.  Jh.  gecke,  gäck 
m.  «Narr»,  ebenso  mndl.  gheck,  (entlehnt  aus 
dem  Ndd.)  dän.  gjäk,  schwed,  gäck,  Island. 
gikkr  m.,  mnd.  geck  adj.  «töricht,  närrisch», 
urspr,  wie  es  scheint  «drehbar,  verdreht», 
daher  mnd,  geck  m.  «di-ehbarer  Deckel  eines 
Gefäßes,  die  Stange,  woran  das  Hauptsegel 
befestigt  ist,  verdrehtes  gestörtes  Gehirn  der 
Kälber»,  Starkflektiert  bei  Lessing  6,  502; 
7,  27.  Im  16.  bis  18.  Jh.  nordd.  Jeck  (1505  Rö- 
moldt  Laster  d,  Hofi"art  4,  4,  HombuTg  Clio 
F  4,  Hoffmannswaldau  Ged.  6,  342).  Nicht 
verwandt  mit  mhd.  giege  m.  «Nan*»,  giegen 
«äffen»,  wohl  aber  mit  schwäb.-östr.  gagg  m. 
«einfältiger  Mensch,  Tölpel».  Weitere  Her- 
kunft unbekannt.  Vgl.  aber  Uhlenbeck  Btr.  26, 
290.  ABL.  gecken,  v.:  empfindlich  zum 
besten  haben,  narren,  ndrhein.  im  14.  Jh., 
spätmhd,  im  15,  Jh.  und  mnd.  gecken,  mndl. 
ghecken.  geckenhaft,  adj.,  1796  bei  Adelung 
geckhaft,  bei  Goethe  7,  146  Adv.  geckenhaft. 
Geckerei,  f.,  spätmhd.  im  15.  Jh.  geckerie  f. 
geckisch,    adj.,   1482  im  Voc.  theut,  bb4'^, 

Gedächtnis,  n.  {-nisses,  PI.  -nisse):  das 
Denken  woran;  Fähigkeit  im  Geiste  festzu- 
halten (im  14.  Jh.  bei  Megenberg  4,  31  ge- 
doechtnüss).  Bei  Luther  Gedechtnis  n.  f.,  mhd. 
gedcehtnisse,  -nüsse  n.  f.,  «Andenken,  Erinne- 
rung», ahd.  githehtnissi  «Andacht,  (xelübde». 
Von  gedacht,  ahd.  gidäht,  Part,  von  gedenken 
und  denken  (s.  d.). 

gedackt,  von  Orgelpfeifen:  mit  einem 
Deckel  bedeckt.  1691  bei  Stieler,  aus  mhd. 
gedact,   dem  Part.  Prät.  von   decken  (s.  d.). 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    ö.Aufl. 


Gedämmer,  n.  (-5):  das  Dämmern.  Mhd. 
gedemer  n.  «Dämmerung,  Dunkel»,  zu  ahd. 
deniar  m.  «Dämmerung». 

Gedanke,  m.  {-ns,  PI.  -n):  mit  Urteil 
verbundene  Vorstellung.  Bei  Luther  Luk. 
9,  46  ein  gedancken,  bei  Lessing  3,  21  u,  ö. 
Gedanke  f.,  mhd.  gedanke  m.  und  starkflekt. 
gedanc  m.,  ahd.  gadanc,  gidanc  m. ;  dazu  asächs. 

j  githanco  m.,   ags.  geponc   m.  n.   «Gedanke», 

j  Zu  denken.    ZUS.  Gedankengang,  m,,  bei 

I  Campe  als  neu.     gedankenlos,   adj,,   1755 

[bei  Rabener  4,  110.  Gedankenstrich,  m,, 
1775  bei  Adelung,    gedankenvoll,  adj.,  im 

'17.  Jh.  bei  S.  Dach  865  Österiey, 

Gedärm,  n,  {-es,  PI,  -e):  Gesamtheit  der 
Därme  des  Körpers,    Mhd,  gederme,  md,  auch 

j  gedirme,  ahd,  gidermi  n.,  Kollektiv  zu  Darm. 

'      Gedeck,  n,  (-es,  PI.  -e)-.  das  vollständige 

!  Tischzeug.  1775  bei  Adelung.  Mrhein.  im 
14.  Jh.    gedeck   n.    «worüber    schützend    zu 

!  Deckendes»  (Weist.  4,  622,  25),  ahd.  gideki 

«tectum»,   mnd.  gedecke   n.   «Zimmerdecke». 

Davon  verschieden  spätmhd.  gedecke  f.  «Decke 

woräber».     Beide   Subst.    zu   decken   (s.  d.). 

gedeihen,  v.  (Prät.  gedieh,  Konj.  gediehe, 

j  Part,  gediehen) :  vorwärts,  in  einen  vollkom- 
meneren Zustand  kommen.  Mhd.  gedihen 
(Prät.  gedech,  Plur.  gedigen,  Part,  gedigen), 
auch  gedien,  ahd.  gidihan;  dazu  asächs.  gi- 
thlhan,  mnd.  gedien,  gedigen,  ags.  gepeon,  got. 
gapeihan.    Das  einfache  nhd,  nur  noch  dich- 

i  terisch  vorkommende  deihen,  mhd,  dihen,  ahd. 

I  dihan,  asächs,  thlhan  (nebst  dem  Faktitivum 

I  thengjan  in  a-,  anthengjan  «vollbringen,  vol- 
lenden»), ags.  peon,  got,  ^ei'Aaw  «wachsen,  zu- 

j  nehmen,  vorwärts  kommen»  gehört  zusammen 

I  mit  lit.  tenkü,  Inf,  tekti  «hinreichen,  sich  hin- 
erstrecken», tänkus  «dicht,  dicht  zusammen- 
stehend», air,  co-tecini  «coagulo»,  töcad,  kymr. 
tynged  «Glück»,  aw.  taxma-  «tapfer,  tüchtig», 
Superl.  tancista-.  Es  hätte  also  im  Germa- 
nischen ein  Übertritt  von  der  e-  in  die  i- 
Reihe  stattgefunden.  Vgl.  noch  Zupitza  Gutt. 
140  und  Osthoff  Idg.  F'orsch.  8,  140.     Dazu 

j  Part,  asächs.  githungan,  ags.  gelungen  «voll- 
kommen» (s.  gediegen).  Aus  dem  Germani- 
schen entlehnt  ital.  tecchire,  afranz.  tehir 
«wachsen».  ABL.  gedeihlich,  adj.,  1648 
bei  Weckheriin  2,  189,  44  F.  gedeylich,   1663 

,  bei  Schuppius  725  gedäidich. 

gedenk,   adj.,   dichterisch  für  eingedenk 

;  (s.  d.),  bei  Schiller,  Goethe.  In  den  Wörter- 
büchern fehlend, 

I      gedenken,  v.  (Prät.  gedachte,   Konj.  ge- 

41 


643 


Oedicht 


Oeest 


644 


dächte,  Part,  gedacht) :  denken  (Hagedorn  Od. 
50,  Lessing  11,  113);  lebhaft,  innig  an  jem. 
oder  etw.  denken,  eingedenk  sein,  im  Sinne 
haben  (mit  Gen.,  aber  auch  mit  Dativ  der 
Person  und  Akk.  der  Sache,  Goethe  Tasso 
3,  2).  Mhd.  gedenken  (Prät.  gedähte,  Part. 
gedäht)  intr.  «denken»,  dann  «eingedenk  sein» 
mit  Gen.,  «zudenken,  bestimmen»  mit  Gen. 
und  Dat.,  trans.  «auf  einen  Gedanken  kommen, 
ausdenken,  zu  Ende  denken»  mit  Akk.  oder 
Inf.,  ahd.  gadenchan,  githenken;  dazu  asächs. 
githenkean  «denken,  erdenken»,  ags.  ge^encan, 
gepencean  «denken,  gedenken,  bedenken,  be- 
sorgen, worauf  denken».  Auch  substantivisch 
Oedenken,  n.:  das  Denken  (mhd.  gedenken 
n.);  Erinnerung  (bei  Luther). 

Gedicht,  n.  (-es,  PI.  -e):  geistiges  Er- 
zeugnis in  Versen.  Unverkürzt  Gedichte 
(Geliert  4,  80,  Lessing  3,  15,  Uhland  104), 
mrhein.  1469  gedichte  n.  (Yoc.  ex  quo),  mhd. 
getihte,  getiht  n.  «schriftliche  Aufzeichnung, 
niedergeschriebenes  dichterisches  Erzeugnis, 
Erdichtung,  Betrug  (Fälschung),  Dichtlomst, 
Kunstwerk».     Subst.  zu  dichten  (s.  d.). 

gediegen,  adj.:  durch  Austrocknung, 
durch  Ausscheidung  fremder  Bestandteile 
rein,  zusammengedrängt  und  fest;  (bildlich) 
lauter,  rein,  echt,  gehaltvoll,  vollkommen, 
vortrefflich.  1482  im  Voc.  theut.  K4*  ge- 
diegen, mhd.  gedigen,  ahd.  gidigan,  gadigan 
«vorwäi'ts  gekommen  in  der  Zeit,  ausge- 
wachsen, reif,  fest,  hart,  trocken,  lauter,  rein, 
gehaltvoll,  tüchtig»,  asächs.  githigan,  das  als 
Adj.  gebrauchte  Part.  Prät.  von  gedeihen 
(s.  d.).  Von  Edelmetallen  1546  bei  Agricola 
interpret.   rer.  metall.  474  fg.   und   1557    im 

Bergbuch  80.     ABL.   Gediegenlieit,  f., 

mhd.  gedigenheit  f.  «Tüchtigkeit»,  ahd.  ge- 
digenheit  f.  «Wachstum». 

(xedinge,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  endliche  Über- 
einkunft worüber;  Mietwohnung  (Apostelg. 
28,  30).  Mhd.  gedinge,  ahd.  gidingi  n.  «Ge- 
richt, Übereinkunft,  Vertrag,  Versprechen, 
Bedingung»,  von  ahd.  dingön  «dingen»  (s.  d.). 
Verschieden  von  mhd.  gedinge  m.  f.  n.,  ahd. 
gidingo  m.  und  gidingi  f.  n.  «das  Rechnen 
worauf,  Zuversicht,  feste  Hoffnung»,  von  ahd. 
dingen  «worauf  rechnen,  hoffen»,  das  aus 
gleichem  Stamme  wie  dingön  entsprossen  ist. 

(xedöber,  n.  (-s):  angelegentliche  Be- 
sprechung. Jüdisch-deutsch.  1584  bei  Ma- 
thesius  Hochzeitpred.  20^.  Subst.  zu  döhern 
s.  dihhern.    Wetterauisch  Gediwwer  n. 

Oedrang,  n.  {-es)  -.  das  Sichdrängen.  Mhd. 


gedranc  m.  n.  «Gedränge,  Drangsal»,  mnd. 
gedrang  «Bedrängung».    Verstärktes  Drang. 

gedrang,  früher  gedrange,  adj.:  eng  bei- 
sammen (gedrängt),  enge.  Bei  Wieland  18, 
99.  22,  233,  Schiller  11,  241.  Mhd.  gedrenge 
«gedrängt»,  Adv.  gedrange  «mit  Drängen,  fest, 
innig».    Von  dringen  (s.  d.). 

Gedränge,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  das  Sich- 
drängen, die  sich  drängende  Menge.  Mhd. 
gedrenge,  ahd.gidrengi  n.,  Kollektiv  von  Drang. 

Gedresche,  n.  (-s)  -.  wiederholtes  Dreschen 
oder  Draufschlagen,  spätmhd.  gedresche  u., 
Subst.  zu  dreschen  (s.  d.). 

gedritt,  adj.:  aus  drei  bestehend,  drei- 
fach. Anfang  des  16.  Jh.  gtrytt  bei  Lenz 
Schwabenkrieg  112^  fg.,  abgeleitet  von  dritt 
(s.  d.).  Dafür  mhd.  gedriet,  Part,  von  drien 
«  verdreifachen  ». 

gedrungen,  adj.:  fest  zusammen,  dicht, 
vom  fleischigen  Körper  1511  bei  Keisers- 
berg  Granatapfel  11^  getrungen,  eig.  Part. 
Prät.  von  dringen  (s.  d.).  Davon  Gedrungen- 
heit, f.,  im  19.  Jh. 

Geduld,  f.  (ohne  PI.):  ertragende  Seelen- 
milde. Bei  Krämer  1678  und  Stieler  1691 
Geduld,  älternhd.  bis  ins  19.  Jahrh.  Gedult 
(Günther  21,  Haller  192,  d.  j.  Goethe  2,  462), 
mhd.  gediilt,  gedulde,  gedolt,  ahd.  gidult  f.; 
dazu  asächs.  githidd,  ags.  gepyld  f.  Wie  ein- 
faches mhd.  dult,  ahd.  dult,  thult  und  thulti  f. 
Substantiv  zu  dulden  (s.  d.).  Davon  gedulden, 
V.  refl.,  mhd.  gedulden,  ahd.  githulten.  ge- 
duldig, adj.,  1664  bei  Duez  geduldig,  älternhd. 
gediiltig  (bei  Luther),  mhd.  gedultec  (auch  ge- 
lassen, nachsichtig),  ahd.  gidultic,  ags.  gepyldig. 

gedunsen,  vgl.  aufgedunsen. 

geeignet,  partiz.  Bildung  zu  eigen,  sich 
eignest,  erst  1801  von  Campe  eingeführt  statt 
geeigenschaftet  (16.  Jh.),  qualificiert. 

Geescha,  f.  (PI.  -s):  Teemädchen:  In 
neurer  Zeit  aus  dem  Japanischen  durch  eng- 
lische Vermittlung  entlehnt. 

Geest,  f.  (PI.  -e):  hohes  trocknes  ^Sand- 
land.  Niederdeutsch.  Altfries,  gest,  gast, 
mnd.  1139  gest,  sonst  geest,  gast  f.,  aus  fries. 
gast  «unfruchtbar».  Dazu  ags.  gmsne  «un- 
fruchtbar», ahd.  keisem,  keisini  f.  «Unfrucht- 
barkeit», keisen  «Bedürftigkeit»  (Notker  Ari- 
sto tel,  Abhandl.  73, 128).  Diese  Formen  weisen 
auf  urgerm.  gais.  Daneben  stehen  aber  Ahn- 
liches bedeutende  Formen  mit  m -Vokalismus: 
nd.  güst  plögen  «brach  ackern»,  güst,  göst, 
gost  «unfruchtbar»  (von  der  Kuh),  rnnd.  guste, 
ndl.  gust,  ebenso  Schweiz,  gust,  güst  «unfrucht- 


645 


Gefach 


gefallen 


646 


bar,  keine  Milch  gebend».  Wie  sich  diese 
Formen  zueinander  verhalten,  ist  unklar. 
ZUS.  Geestland,  n.,  1663  bei  Schuppius 
607,  afries.  gest-,  gästlond  n. 

Gefach,  n.  (s,  PI.  -e):  Fach.  Westdeutsch. 
1678  bei  Krämer. 

Gefahr,  f.  (PI.  -en):  überkommendes 
Übel,  drohender  Nachteil.  Spätmhd.  geväre 
f.  «Hinterlist,  Betrug,  böse  Absicht»,  in  der 
heutigen  Bed.  bei  Luther  1,  405^  und  im 
Teuerdank  98,  156,  zusammenges.  mit  Fahr 
(s.  d.).  RA.  G.  laufen  «sich  einer  Gefahr 
aussetzen»,  eig.  «hineinlaufen»,  1716  bei  Lud- 
wig, aber  noch  bei  Steinbach  1734  in  G.  laufen. 
Kaufmännisch  1678  bei  Krämer  auf  euer  G. 
«auf  euer  Risiko  und  Kosten». 

Gefährde,  f.  (PI.  -n)-.  Hinterlist,  böse 
Absicht;  Gefahr  (Goethe  1,  248,  röm.  Eleg. 
12).  Mhd.  gevcerde  f.  n.,  md.  geverde,  geverd 
«Hinterhst,  Betrug,  böse  Nebenabsicht»,  neben 
gleichbed.  mhd.  gevcere  f.  n.,  md.  gevere,  gever 
(vgl.  ohngefähr),  älternhd.  im  16.  u.  17.  Jh. 
Geferde,  Gefürde  f.  «Gefahr»,  seit  dem  18.  Jh. 
nur  noch  altertümlich;  dazu  mnd.  geverde  n. 
«Hinterlist,  Gefahr»,  mndl.  gheveert.  Yev- 
mittelst  -de  (s.  d.)  abgeleitet  von  ahd.  fären, 
mhd.  vären  «nachstellen»  (s.  befahren,  Fahr). 

gefährden,  v.:  in  Gefahr  bringen.  Mhd. 
(md.)  selten  geverden  (Kulm.  Recht  5,  21), 
dann  erst  wieder  bei  Stieler  1691  gefärden, 
seit  Adelung  1777  aufgekommen  für  das  im 
16.  und  17.  Jh.  gebräuchliche  gleichbed.  ge- 
f ehren,  gefahren,  mhd.  gevceren  «hintergehen, 
betrügen»,  neben  ahd.  gifären  «nachstellen, 
streben»,  mhd.  gevären  (auch  gefährden),  noch 
Schweiz,  gefahren  «Gefahr  laufen». 

gefährlich,  adj.:  mit  drohendem  Übel 
verbunden  (1537  bei  Schaidenreisser  Odyss. 
52 '^  gefärlich).  Mhd.  gevcerlich  «hinterlistig, 
verfänglich»,  neben  mhd.  vcerlich,  md.  verlieh 
«hinterlistig,  mit  Gefahr  verbunden»,  älter- 
nhd. f ehrlich,  fährlich,  ahd.  im  Adv.  färliKlw 
«heimlich,  plötzlich»,  ags.  föerlic,  Adv.  fmrlice 
«plötzlich».  Wie  das  mhd.  Adj.  gevcere,  md. 
gevere,  gever  «heimlich  nachstellend,  hinter- 
listig, feindselig,  versessen  worauf»  (so  noch 
wetterauisch  geßr),  ahd.  giväri,  abgeleitet 
von  ahd.  fären,  mhd.  vären  «nachstellen» 
(s.  befahren.  Fahr).  Dazu  Gefährlichkeit, 
f.,  1517  im  Teuerdank  98,  179  geferlichait  f. 
«Gefahr»,  im  15.  Jh.  gevärlichait,  geverlichait  f. 
«Feindseligkeit,  Betrug»,  md.  im  14.  Jh.  ver- 
lichkeit  f.  «Bedrohung  durch  Übel»,  bei  Luther 
2.  Kor.  11,  26  Ferligkeit. 


^Gefährte,  m.  {-n,  PI.  -n):  Fahrt-,  Weg- 
genosse. Mhd.  geverte,  ahd.  gafarto,  giferto, 
giverto  m.,  bei  Luther  Geferte,  noch  im  18.  Jh. 
Geferte,  Gef ehrte,  1678  bei  Krämer  Gefährte, 
schwankend  im  17.  Jh.  Geferde,  Gef  ehr  de, 
Gefährde.  Abgeleitet  von  Fahrt  (s.d.).  Dazu 
mnd.  geverde  m.,  mit  andrer  Bildung  mndl. 
gevaer  und  ags.  gefera  m.  ABL.  Gefährtin, 
f.,  mhd.  gevertin  f. 

-Gefährte,  Gefährt,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.): 
Fuhrwerk  (1616  im  bayr.  Landi-echt);  Fahr- 
zeug (Huber  bei  Schiller  4,  166,  8);  Aufzug. 
Mhd.  geverte,  gevert  u.  «Fahrt,  Weg,  Zug, 
Reise,  Gesinde,  Aufzug,  Erscheinung,  Be- 
nehmen, Lebensweise,  Lebensverhältnisse, 
Schicksal,  Umstände»,  spätahd.  geverti  n. 
«Gang,  Benehmen»,  abgeleitet  von  ahd.  fart 
«Fahrt»  (s.  d.)  als  dessen  Kollektiv.  Dazu 
mnd.  geverde,  gevere  n.  «Gefährt,  Fahrt,  Zug, 
Aufzug,  Ereignis»,  mndl.  geveerde,  geveerte 
und  gevaerde,  gevaert.  Weidmännisch  Ge- 
fährt n.  und  f.  «Fährte»,  1719  bei  Fleming 
t.  Jäger  95%  zusammenges.  mit  Führte  (s.  d.). 

Gefalle,  m.  {-ns),  gewöhnlich  Gefallen, 
m.  (-s):  was  einem  gefällt,  angenehmes,  zu- 
neigendes Gefühl  wovon,  gefälliges  Tun.  Der 
Nom.  Gefalle  (bei  Lessing  1,  591  u.  8,  196, 
Goethe  an  Riemer  2.  April  1829)  ist  noch 
mitteldeutsch;  der  Akk.  Gefallen  m.  ist  seit 
dem  16.  Jh.  belegt  (Amos  5,  22),  offenbar 
hat  das  älternhd.  Gefallen  n.  (bei  Alberus 
1540  und  Maaler  1561)  seinen  Einfluß  geübt. 
Mhd.  geval  (Gen.  gevalles)  m.  «Fall,  Zufall», 
dann  «Wohlgefallen»  nach  gevalle  (einem  ze 
gevalle  leben,  aber  spätmhd.  ze  gevallen  kumen 
«gefällig  werden»  Vintler  8582),  ahd.  gival  m. 
«das  Fallen  der  getöteten  und  verwundeten 
Krieger».    Von  Fall  (s.  d.  und  gefallen). 

Gefälle,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  das  Fallen; 
Baumsturz  d.  i.  vom  Baume  herabgestürztes 
Gehölze;  wovon  zu  Entrichtendes,  Abgabe; 
stark  trinken  können.  Mhd.  gevelle  n.  «das 
Fallen,  Fall  des  Wassers,  Absturz,  Baum-, 
Felssturz,  Geklüfte,  guter  Fall  der  Würfel, 
Glück,  im  14.  Jh.  ge feile  n.  «die  einem  zu- 
fallende Abgabe,  fälliger  Zins»  (Städtechron. 
9,  601,  28),  ahd.  gefelli  n.  «Einsturz»,  mnd. 
gevelle  n.  «Zufall,  glückhches  oder  böses 
Schicksal».    Substantivbildung  zu  Fall  (s.  d.). 

gefallen,  v.  (Präs.  gefalle,  gefällst,  gefällt, 
Prät.  gefiel,  Konj.  gefiele,  Part,  gefallen):  an- 
genehmes, zuneigendes  Gefühl  für  sich  er- 
wecken. Mhd.  gevallen,  ahd.  ga-,  gifallan 
«fallen,  zufallen,  sich  fügen,  angemessen  sein», 

41* 


647 


gefällig 


geflissen 


648 


dann  in  der  heutigen  Bed.  (mhd.  immer  mit 
dem  Zusatz  wol,  ha^,  beste,  ühele),  die  von 
der  Beute-  oder  Erbteilung  durchs  Los  aus- 
gegangen ist,  urspr.  mir  gevellet  eg  wol  oder 
übele  «mir  fällt  ein  gutes  oder  schlechtes  Los 
zu,  ein  willkommenes  oder  unwillkommenes». 
ztfS.  CirefallSUCllt,  f.,  von  Campe  als  Ver- 
deutschung von  Koketterie  gebildet  (s.  Hey- 
natz Antibarb.  2,  16),  ebenso  das  Adj.  ge- 
fallsüchtig für  kokett. 

gefällig,  adj.:  wohlgefallend,  gelegen; 
Gefallen  erweckend, freundlich,  anmutig.  Mhd. 
gevellec,  gevellic,  ahd.  ge fellig  «zufallend,  an- 
gemessen, passend,  schicklich,  günstig,  an- 
genehm»; dazu  mnd.  gevellich  «gefallend,  paß- 
lich», ndl.  gevallig.  Adjektivbildung  zu  ge- 
fallen \mdi  Gefallen.  JLBi^.  Gefälligkeit,  f. : 
gefälliges  Tun  (1691  bei  Stieler);  gefälliges 
Wesen,  Anmut  (Günther  177);  Wohlgefallen 
(Goethe  24,  67).  Mhd.  gevellekeit  f.  «göttliches 
WohlgefaUen,  Huld»,  1482  im  Voc.  theut.  ko^ 
gefelligkeit,  hequenikeit  «Faßlichkeit». 

Gefangenschaft,  f.:  das  Gefangensein, 
mhd.  1383  gevangenschaft  f.  (Mone  Ztschr. 
6,  111).  gefänglich,  adv.  (und  dann  adj.) 
zum  Part,  gefangen,  mhd.  im  Adv.  gevangen- 
liche,  gefengliclien  «nach  Art  eines  Gefangenen», 
als  Adj.  1519  bei  Mm-ner  Gäuchmatt  v.  943. 
Gefängnis,  n.  {-nisses,  PI.  -nisse):  Ent- 
ziehung der  Freiheit;  Ort  der  Gefangenen 
(1476  bei  Kriegk  Bürgertum  2,  353  gefengnis). 
;^Ihd.  gevancnisse,  gevencnisse,  gevancnusse  f. 
n.  «Gefangenschaft,  Gefangennahme»,  neben 
gleichbed,  vancnisse,  vencnisse  f.;  dazu  nmd. 
gevenhiisse  n.,  mndl.  gevancnesse,  nndl.  ge- 
vangenis  f.    Von  fangen  (s.  d.). 

Gefäß,  n.  [-es,  PI.  -e):  Geschirr,  Behälter; 
Wasserfahrzeug  (auf  der  Weichsel,  wie  1464 
foss  n.  «Lastschiff  auf  dem  Rhein»,  bei  Mone 
Ztschr.  9,  29);  am  Degen  die  Stelle,  wo  man 
ihn  faßt  (1616  bei  Henisch);  Riemen,  womit 
man  den  Falken  faßt  und  hält,  das  Geschühe, 
die  Fessel  (1580  bei  Sebiz  Feldbau  570,  mhd. 
gevagßede  n.).  Ursprünglich  Substantivbildung 
zu  fassen  in  verschiedenen  Bed.,  wie  ahd. 
givägi  n.  «Proviantladung»,  noch  bayr.  Ge- 
fäß n.  «die  Ladung  eines  Isarfloßes»  (schon 
im  17.  Jh.),  neben  ahd.  giva^^idi  n.  «Last», 
und  md.  gevege  n.  «Schmuck,  Ausrästung» 
(h.  Elisabet  904)  zu  mhd.  va^gen,  ahd.  fag^on 
«aufladen,  beladen,  ausrasten,  schmücken». 
Die  wie  ein  Kollektiv  zu  Faß  (s.  d.)  er- 
scheinende Bed.  «GeschiiT»  ist  mitteldeutsch, 
im   13.  Jh.  gevege  n.  «Speise-  und  Trinkge- 


schirr  als    Gesamtheit»,    ebenso   im   14.  Jh. 
geßse  n.  «Böttchergefäß»  (Michelsen  Rechts- 

j  denkm.  270),  vom  einzelnen  Geschirr  geveze 

j  n.  1343  bei  Beheim  Evangb.  Marc.  7,  4;  dazu 

'  mnd.  gevete  n.  Die  unverkürzte  Form  Gefäße 
n.  noch  bei  Brockes  3,  195  und  Goethe  2,  106. 
gefaßt,  adj.:  bereit  (1642  bei  Duez,  im 
16.  Jh.  gerüstet);  innerlich  vorbereitet  (P. 
Fleming  341  gefast).  Eig.  Part.  Pass.  zu 
fassen  und  sich  fassen. 

Gefecht,  n.  {-es,  PI.  -e):  Kampf  mit 
Waffen.  Mhd.  gevehte,  im  15.  Jh.  auch  ge- 
wicht, ahd.  ga-,  gifeht,  einmal  gifihf,  ags. 
gefeoht  n.  ünverküi-zt  Gefechte  n.  noch  bei 
Lessing  5,  32.     Zu  fechten  (s.  d.). 

Gefieder,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Gesamt- 
heit von  Federn  am  Vogel,  am  Pfeil  usw.; 
Gesamtheit  von  Vögeln  (Schiller  Teil  3,  3); 

i  Vogel  (Lessing  1,  112).  In  der  1.  Bed,  mhd. 
gevidere,  gevider,  selten  geveder  n.  «Gesamt- 
heit der  Federn  am  Vogel,  am  Pfeil,  auf 
einem  Helm,  im  Federbett»;  in  der  2.  Bed. 
«Federvieh»  1482  gefieder  (Voc.  theut.  k4^). 

I  Kollektiv   zu   Feder  (s.  d,),   wozu  das  Adj. 

'  mhd.  geveder,  ahd.  gafedar  «befiedert». 

gefiedert,  adj.:  mit  Federn  zum  Fluge 
versehen.  Bei  Luther  gefiddert,  mhd.  ge- 
vidert,  ahd.  gefideret,  Part.  Prät.  von  fiedern. 

j  Gefilde,  n.  (-s,  PI.  \ne  Sg.):  Gesamtheit 
oder.  Gebreite  des  Feldes.  Mhd.  gevilde,  ahd. 
gifildi  n.  «freies  Feld,  Flachland».  Kollektiv 
von  Feld  (s.  d.).  Der  Plui-.  Gefilder  bei 
P.    Fleming  17    usw.    und   Wieland  31,    53 

j  schon  ahd.  bei  Notker  kefilder. 

Geflatter,  n.  (-s):  immittelbar  wieder- 
holtes Flattern.  1741  bei  Frisch.  Im  Ab- 
lautsverhältnis Geflitter  und  Geflatter  bei 
Goethe  2,  89,  md.  im  14.  Jh.  gevlitter  n. 
«heimhches  Lachen,  Gekicher». 

Geflecht,  n.  (-es,  PI.  -e) :  Flechtwerk.  1482 
im  Voc.  theut.  k5*'  geflecht.  Unverkürzt  bei 
Goethe  Faust8367  Geflechten.  Zu  flechten  (s.d.). 
geflissen,  Part.:  unausgesetzt  woraufhin 
tätig,  entschlossen;  absichthch.  Mhd.  ge- 
vliggen,    ahd.  gifli^an,  gifli^gan,   Part.  Prät. 

I  von  ahd.  fli^an,  gifli^an,  mhd.  vli§en,  gevU^en 
«Fleiß  anwenden,  sich  befleißen»  (s.  Fleiß 
und  befleißen).  Davon  Geflissenheit,  f., 
im  15.  Jh.  bei  Wyle  311,  17  geflissenhait  imd 
294,  16  gefliessenhait  f.  geflissentlich,  adj. 
eifrig,  bestrebt,  absichtlich,  ui'spr.  Adv.  zu 
geflissen,  1741  bei  Frisch,  ohne  eingeschobenes 
t  im  16.  Jh.  geflissenlichen  (Zimm.  Chron.  ^ 
3,  391,  11). 


649 


Geflügel 


gegen 


650 


Geflügel,  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Gesamt- 
heit von  Flügeltieren;  Vogel  (Opitz  1,  61, 
selten);  G-efieder  (Maler  Müller  1,  37).  In 
der  1.  Bed.  spätmlid.  gefliigel  n.,  von  Flügel 
als  dessen  Kollektiv. 

geflügelt,  Part.:  mit  Flügeln  versehen, 
1537  bei  Dasvpodius  geflüglei. 

Geflüster,  n.  (-s):  anhaltendes  Flüstern 
(Maler  MüUer  1,  31).  1777  bei  Adelung  Ge- 
flister  n.    Ton  flüstern  (s.  d.). 

Gefolge,  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Gesamtheit 
der  begleitenden  Personen,  Hofstaat  (1616 
bei  Henisch  Gefolg) ;  dann  büdlich  Begleitung 
(bei  Geliert).  Ahd.  im  9.  .Jh.  gafolgi  n.  «das 
Folgen»;  dazu  ndl.  1598  ghevolgh  «Gefolge», 
jmord.  fylgi  n.  «Unterstützung,  Beistand», 
fylgd  f.  «Begleitung,  Gefolge».  ABL.  Ge- 
folgschaft, f.,  im  19.  Jh. 

Gefräß,  n.  (-es,  PI.  -e)  -.  Speise  als  derber 
Ausdruck:*  Schlemmerei;  Maul  (1582  bei  Fi- 
schart Garg.  337,  noch  in  der  Volkssprache). 
Mhd.  gevrce^e  n.  «das  Fressen,  Schlemmen, 
Lüsternheit».  Kollektivum  zu  Fraß  (s.  d.). 
gefräßig,  adj. :  viel  fi'essend,  1616  beiHenisch, 
mhd.  vrm^ic. 

Gefreiter,  der  Gefreite  (-n,  PI.  -n):  vom 
Schüdwachestehen  befreiter  Soldat.  1617  bei 
Wallhausen  Corp.  mil.  109  Gefreyter.  Part. 
Prät.  von  freien,  mhd.  vrien  «wovon  frei- 
machen, befreien»  (1596  bei  Fronsperger 
Kriegsb.  1,  18*  so  sei  ein  jeder  wider  das- 
selbig  Fendlin  gehörig  auff  die  Wacht  ziehen 
und  deß  nieinandt  gefreyet  seyn). 

gefreund,  adj.:  als  Freund  d.  h.  durch 
Verwandtschaft  verbunden.  Xur  noch  alter- 
tümlich. Mhd.  gewinnt,  substantivisch  PI. 
gevriunde,  md.  gefrünt,  ein  zu  mhd.  vriunt  m. 
«Freund,  Verwandter»  gebildetes  Adj.,  auch  bei 
Luther  als  Substantiv  der  und  die  Gefreundte, 
bestimmter  die  Gefreundin  (Werke  8, 127  ^  Jen. 
von  1543);  davon  verschieden  das  gleichbed. 
Part,  gefründet  im  14.  Jh.  (Städtechron.  8, 
379,  8),  bei  Luther  8, 41**  gefreundet,  zu  mhd. ' 
vriunden,  gevriunden  «zum  Freunde  d.h.  durch 
Verheiratung  zum  Verwandten  machen». 

gefrieren,  v. :  zusammen-,  fest-,  anhaltend 
frieren.  Mhd.  gewiesen,  ahd.  ga-,  gifriosan. 
Von  frieren  (s.  d.)  und  ge,  das  hier  noch  I 
die  alte  Bedeutung  «zusammen»  hat.  Dazu 
das  Part,  gefroren:  durch  vermeintliche 
Zauberei  unverwundbar,  fest  (Schiller  Wallen- 
steins  Tod  5,  2),  1626  im  Fadingerlied  und 
1648  bei  Kemnitz  schwed.  Krieg  1,  174*  ent- 
sprechend ahd.  gafroran  «in  Eis  verwandelt». 


Gefüge,  n.  (-.s,  PI.  wie  Sg.):  Verbindung 
oder  Zusammensetzung  eines  Körpers,  1734 
bei  Steinbach.  Im  17. -Jh.  in  der  Bed.  «Schick- 
sal».   Zu  p.igen  (s.  d.). 

gefüge,  gefügig,  adj.:  sich  leicht  an- 
j  passend,  wozu  schickend.  Mhd.  gevüege,  md. 
gevüge,  auch  «fügsam,  schicklich,  höflich», 
ahd.  gafogi  «zusammenhangend,  passend,  ge- 
eignet»; davon  abgeleitet  spätmhd.  im  15.  Jh. 
geßgig  «die  Schicklichkeit  beobachtend»,  1734 
bei  Steinbach  in  der  Bed.  «sich  einfügend». 
Gefügigkeit,  f.:  Biegsamkeit,  1808  bei 
Campe,  spätmhd.  ^e?;2<e^ec/«eiY  «Wohlanständig- 
keit» neben  gleichbed.  mhd.  gevuocheit  f. 

Gefühl,  n.  [-S,  PI.  -e):  Sinn  des  prüfen- 
den Berührens;  Seelenbewegung  und  -Stim- 
mung. 1678  bei  Krämer  Gefühl  n.  in  beiden 
Bed.,  1691  bei  Stieler  Gefüle  n.,  aber  schon 
md.  im  14.  Jh.  gevTden  «fühlen»,  gevfdlich 
«fühlend»,  gefülichkeit  f.  «Gefühl»  (Myst.  1, 
26,  27),  gevülunge  f.  «das  Fühlen».  ZUS. 
gefühllos,  adj.,  bei  Gottsched,  gefühl- 
TOll,  adj.,  1769  bei  Herder. 

gegen,  präp.  mit  Akk.:  in  der  Richtung 
auf  .  .  hin  oder  her;  (nhd.)  annähernd,  bei- 
nahe. ^Ihd.  gegen,  zusammengezogen  gein, 
gen  (s.  gen),  früh  am  Xiederrhein  gagen,  ahd. 
gagan,  gegin,  md.  auch  jegen,  kegen,  kein, 
ken-,  dazu  mnd.  jegen,  randl.  jeghen.  L'r- 
sprünglich  mit  dem  Dativ  verbunden,  der 
noch  im  17.  Jh.  und  selbst  1767  bei  Lessing 
7,  135  vorkommt,  daneben  im  Mhd.  und  Mnd. 
bereits  mit  Akk.,  ebenso  ags.  ongean  mit  Dat. 
oder  Akk.,  gean  mit  Dat.  Dazu  das  mhd. 
Adverb  gegen,  gegene,  gagen,  gagene,  ahd. 
gagani,  gagene  «entgegen»,  ags.  gean,  ongean, 
engl,  again  «wieder»;  nur  adverbial  in  Zu- 
sammensetzungen steht  asächs.  gegin,  anord. 
gagn.  Vgl.  entgegen.  Die  Hei*kunft  ist  dunkel. 
Seit  alter  Zeit  versucht  man  es  mit  gehen 
zu  verbinden,  vgl.  G.  E.  Karsten  Btr.  16,  564, 
doch  ist  das  sehr  unsicher.  ABL.  Gegend, 
f.  (PI.  -en):  sich  ausdehnende  Richtung,  aus- 
gebreitete Landfläche,  Landschaft.  Mhd.  ge- 
gende,  gegent,  spätahd.  gegende  f.,  aber  md. 
gegenöte,  geinöte,  getiöte  und  geinde  f.,  mnd. 
jegenöde  und  jegenet  f.,  mndl.  jeghenode.  Da- 
neben mhd.  gegene,  fiüh  gegine,  mnd.  jegene, 
gegene  f.  «Gegend,  Landschaft»,  ältemhd. 
Gegenheit  f.  «Gegend»  (z.  B.  bei  Luther  3, 
96*).  Von  gegen,  wie  ital.  contrada  f.  und 
franz.  contree  f.  «Gegend»  von  dem  lat.  Adv. 
contra  «gegen»,  also  urspr.  «das  entgegen- 
liesrende  Gelände»  und  Xachbilduns  des  Ro- 


651 


gegen 


(xehasi 


652 


manisclien.  gegueil,  v.  in  begegnen,  ent- 
gegnen (s.  d.),  mhd.  gegenen,  gagenen,  alid. 
gaganan  «entgegenkommen, -treten».  Gegner, 
m.  {-s,  PL  wie  Sg.),  1641  bei  Schottel  313 '^ 
Gegener,  1691  bei  Stieler  634  Gegner,  mnd. 
im  14.  Jahrb.  gerichtlich  jegenere  m.;  dazu 
Gegnerin,  f.,  1691  bei  Stieler;  gegnerisch, 
adj.,  1775  bei  Adelung  als  oberdeutsch; 
Gegnerschaft,  f.,  erst  im  19.  Jh.  ZUS. 
mit  gegen:  Gegenbild,  n.,  bei  Luther  6,  231  ^. 
Gegendienst,  m.,  mhd.  gegcndienst  m. 
Gegenfüßler,  m.,  als  Verdeutschung  von 
Antipode  (s.  d.)  1648  bei  Zesen  Dögens  Bau- 
kunst, aber  schon  bei  Fischart  Pract.  Großm. 
1607  A3^  die  Gegenfüßigen  und  1586  in  der 
Daemonomania  31  Gegenfüßling.  Gegen- 
gift, n.,  1638  bei  P.  Fleming  220.  Gegen- 
liehe, f.:  erwidernde  Liebe,  1541  bei  Frisius 
569 ^  Gegenpart,  m.  (-s):  Gegenpartei, 
1437  in  Homeyers  Richtsteig  308.  Gegen- 
satz, m.,  1541  bei  Frisius  614^.  Gegen- 
SChwäher:  Väter  von  Verlobten  oder  Ehe- 
leuten. Schon  1561  bei  Maaler.  Noch  jetzt 
schweizerisch  und  durch  G.  Keller  allgemein 
bekannt  geworden,  gegenseitig,  adj.:  ent- 
gegengesetzt, der  Gegenpartei  angehörig  (bei 
Thomasius  kl.  Schrift.  289) ;  wechselseitig  (1711 
bei  Eädlein).  Gegenstand,  m.:  als  Über- 
setzung des  lat.  objectuni  (s.  Objekt),  eig. 
«das  Entgegenstehende»,  1691  bei  Stieler,  vom 
philosophischen  Gebrauch  der  Chr.  Wolffschen 
Schule  aus  im  18.  Jh.  allmählich  vei'breitet 
(s.  Gegenwurf);  die  ältre  Bed.  ist  «Wider- 
stand» (1581  bei  Fischart  Bienenk.  2^),  «Gegen- 
satz» (1663  bei  Schottel  145),  wie  schon  ahd. 
gaganstentida  f.  «entgegenstehendes  Hinder- 
nis». Davon  gegenständlich,  adj.  statt 
objektiv,  1808  bei  Campe  als  neu.  Gegen- 
stück, n.,  1775  bei  Adelung.  Gegenteil, 
n.:  Gegensatz,  1537  bei  Dasypodius,  aber 
mhd.  im  14.  Jh.  gegentail  m.  «Gegenpart  vor 
Gericht»,  noch  bei  Ludwig  1716  als  Mask. 
und  bei  Lessing  3,  308  als  Neutr.  in  der  Bed. 
Gegenpartei,  gegeniiher,  Präp.  und  Adv., 
1537  bei  Dasypodius  gegenüber,  der  abhängige 
Dativ  stand  in  der  altem  Sprache  dazwischen 
(1540  bei  Alberus  dict.  HhA^  Saxenhausen 
ligt  gegen  Frankfurt  über,  vgl.  Goethe  8,  40 
und  19,  188).  Gegenwart,  f.,  mhd.  gegen- 
ivart  und  gegen  wurt,  ahd.  gagan-,  geginwerti 
und  gaganwurti  f.,  asächs.  gegimvirdi  f.,  ab- 
geleitet von  dem  ahd.  Ad^.  gaganivarti,  gagen-, 
gegimverti,  gegimvart,  mhd.  gegemvart  «ent- 
gegen gewendet,  gegenwärtig»,  mit  Dativ  der 


Person;  dazu  asächs.  geginward,  -iverd  Adj., 
anord.  gagnvart,  -vert  Adv.  «gegenüber». 
Gegenwart  als  grammatischer  Ausdruck  für 
das  Präsens  erst  im  19.  Jh.,  dafür  noch  1808 
bei  Campe  wie  bei  Gottsched  und  im  17.  Jh. 
bei  Gueinz  und  Schottel  die  gegemvärtige 
Zeit,  gegenwärtig,  adj.,  mhd.  gegenwertic, 
-würtic,  ahd.  gagemvartig,  gagen-,  geginwertig 
und  gagenwurtig.  Gegenwehr,  f.,  1447  bei 
Haltaus  615.  Gcgcnwnrf,  m.,  als  philoso- 
phischer Ausdruck  für  lat.  objectum,  Gegen- 
stand (s.  d.),  schon  mhd.  gegenivurf,  -worf  m., 
bis  zur  Mitte  des   18.  Jh.  gebraucht. 

Gegitter,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Gitter- 
werk (Goethe  37,  265),  Spätmhd.  im  15.  Jh. 
gegiter  n.,  von   Gitter  (s.  d.). 

gehaheu,  v.  refl.:  sich  in  irgendeinem 
Zustande  befinden  und  benehmen;  sich  übel 
anstellen.  Mhd.  gehaben,  ahd.  gahaben,  gi- 
haben  «halten,  sich  befinden»,  auch  refl.  «sich 
benehmen,  sich  gebaren»;  dazu  mnd.  gehebben 
«haben»,  ags.  gehabban  «halten»,  got.  gahaban 
«halten,  haben,  festhalten»,  refl.  «sich  ent- 
halten» (s.  haben).  Als  Anwunsch  an  einen 
Abschied  Nehmenden  schon  mhd.  gehabe  dich 
wol  (Iwein  6566). 

Gehalt,  m,  (-es,  PI.  -e):  körperhcher  Ge- 
samtinhalt (1775  bei  Adelung);  innerer  Wert 
(1477  bei  Würdt  wein  diplom.  magunt.  2, 368  fg.); 
Amtseinkommen  an  Geld,  Besoldung  (1741 
bei  'Frisch,  seit  dem  18.  Jh.  auch  Neutr., 
z.  B.  Gleim  bei  Lessing  13,  69  [was  jetzt 
durchgedrungen  ist],  mit  dem  PI.  Gehälter 
neben  Gehalte).  Sonst  spätmhd.  geholt  m. 
«Gewahrsam,  Gefängnis»,  wie  ags.  geheald  m. 
«Bewahrung»,  Schweiz.  Gehalt  m.  n.  «Schrank, 
Fach,  Aufenthaltsraum». 

Gehänge,  n.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Vorrichtung 
zum  Umhängen  des  Degens  (1618  bei  Schöns- 
leder Wehrgeheng) ;  angehängter  Schmuck  (bei 
Schönslederj ;  Bergabhang  (1517  im  Teuer- 
dank 31,  29  geheng);  Eingeweide  (1476  bei 
Diefenbach  nov.  gl.  302*  gehenge);  die  Ohren 
des  Jagdhundes  (1763  bei  Heppe).  Substantiv- 
bildung zu  hängen  und  hangen.  In  der  1.  Bed. 
die  Nebenform  Gehenk  n.,  1727  bei  Aler  Ge- 
henck  des  Degen,  1664  bei  Duez  Wehrgehenck 
n.,  mhd.  gehenke  n.  «Zierat  am  Brustriemen 
des  Pferdes»,  wie  gehange  (Erec  7752),  1482 
im  Voc.  theut.  k5^  gehenck  an  eine)"  in  fei. 

Gehasi,  m.:  naseweiser  Mensch.  Im  17.  Jh. 
gebräuchlich  bis  ins  19.  Jh.,  umgeformt  aus 
dem  Wox't  Hase  in  der  älternhd.  Bed.  «wunder- 
licher Mensch,  Geck,  Schalk»  mit  scherzhafter 


653 


gehässig 


gehen 


654 


Anlehnung  an  den  biblischen  Namen  2.  Köu. 
4  fg.  (Schuppius  1663  1,  530).   Vgl.  Haselant 

gehässig,  adj.:  Haß  hegend;  dem  Hasse 
ausgesetzt,  hassenswert.  iihd.  geheg^ic,  ge- 
Jia^^ic  in  der  1.  Bed.,  abgeleitet  von  mhd. 
gehag  «feindselig,  voll  Haß»  (s.  d.).  In  dei' 
2.  Bed.  1691  bei  Stieler,  wie  hässig  (im  15.  Jh.) 
und  häßlich  (mhd.).  Gehässigkeit,  f.,  1741 
bei  Frisch. 

Oehäuse,  n.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Behälter. 
Im  15.  Jh.  geMise,  geheus  n.,  auch  in  der 
urspr.  Bed.  «Häusermenge,  Haus,  Hütte». 
Kollektiv  zu  Haus  (s.  d.). 

Gehege,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  umschließen- 
der Zaun  u.  dgl.;  das  durch  den  umschließen- 
den Zaun  Geschützte,  abschließende  Einfrie- 
digung (2.  Mos.  19,  12  u.  23).  ÄIhd.  gehege  n. 
«Einfriedigung,  Schutzwehr,  Verhau,  dichtes 
Gebüsch»,  das  Kollektiv  von  Hag  (s.  d.).  In 
der  2.  Bed.  als  Jagdrevier  im  14.  u.  15.  Jh. 
gehege,  geheige,  schon  in  den  langobard.  leges 
Rotharii  324  fg.  de  gahago  oder  galiagio  «Wald 
des  Königs»,  in  den  leges  Baioar.  21,  6  de 
kaheio.  BÄ.  einem  ins  Gehege  gehen,  kommen 
«in  sein  wirkliches  oder  vermeintliches  Recht 
eingreifen»  (1672  Köhler  Kunst  über  alle  K. 
43,  19);  gemeint  ist  der  Hof  zäun  und  Hof- 
raum um  das  Wohnhaus,  wie  1562  bei  Ma- 
thesius  Sar.  13*'  dem  andern  in  sein  Gehege 
fallen  im  eigentl.  Sinne  und  1656  bei  Prätorius 
Storchs  Winterquartier  314  ins  Gehege  fallen 
bildlich. 

geheim,  adj.:  vertraulich;  verborgen  vor 
andern  (1664  bei  Duez).  Spütmhd.  im  15.  Jh. 
geheim  «vertraulich,  vertraut»,  d.  h.  zum  Hause 
gehörig.  Gebildet  zu  heim  (s.  d.),  wie  mhd. 
geheime  f.  «Vertraulichkeit,  Heimlichkeit»  und 
geheimde  f.  «Heimlichkeit,  Geheimnis».  ABL. 
Geheimnis,  n.,  1528  bei  Luther  Postill  43^ 

und  310^;  dazu  Geheimniskrämer,  m., 
bei  Schiller  Parasit  2, 1,  und  geheimnisvoll, 
adj.,  1711  bei  Rädlein.  ZUS.  Geheimrat, 
m.  (-S,  PI.  -rate),  unverkürzt  Geheimerat,  1664 
bei  Duez  Geheimer  rath  (dagegen  1616  bei 
Henisch  Gehaime  rath  «Ratskollegium»),  bei 
Luther  de^' heimliche  Rat,  im  14.  Jh.  innerister 
rat  des  chüniges  (Gesta  Rom.  38),  mhd.  heim- 
lichcere  m.  und  im  14.  und  15.  -Jh.  geheimer 
m.;  dazu  im  18.  Jh.  die  kanzleimäßige  Neben- 
form geheimder  Rath,  Geheimderath,  1663  bei 
Schuppius  10  geheimter  Rath  {IQM  geheimhde)' 
Raht),  in  Anlehnung  an  das  älternhd.  Kanz- 
leiwort Gehaimhd  f.,  mhd.  geheimde  f.  «Ge- 
heimnis». 


Geheiß,  n.  {-es,  PI.  -e) :  mündliche  Kund- 
gebung zur  Befolgung.  Mhd.  geheige  n.,  neben 
mhd.  geheig  m.,  ahd.  gaheig  m.  «Versprechen, 
Befehl,  Gebot»;  dazu  mnd.  gehete,  geheite  und 
mndl.  geheit,  gheheet  n.  «Gebot»,  ags.  gehät  n. 
und  got.  gahait  n.  «Verheißung». 

gehen,  v.  (Prät.  ging,  Konj.  ginge,  Part. 
gegangen,  Perf.  mit  sein,  in  md.  Mundarten 
mit  haben):  sich  mittels  der  Füße  fortbe- 
wegen, überhaupt  sich  fortbewegen;  sich  wo- 
hin begeben.  Wie  ehe  aus  eh  erweitert  ist, 
so  bei  Luther  gehen  aus  gehyi,  mhd,  und  ahd. 
gen,  gän,  neben  ahd.  gangan,  was  einem  an- 
dern Wortstamm  zugehört  (s.  unten).  Das 
Präs.  lautet  mhd.  ich  gän,  gen,  auch  gange 
wie  ältemhd.  und  noch  oberd.  ich  gang,  du 
gast,  gest,  er  gät,  get,  ahd.  ich  gän,  gen  und 
gangu,  Prät.  mhd.  gienc  und  gie,  vei-einzelt 
im  15. — 17.  Jh.  gung,  ahd.  giang,  Part.  Pass. 
mhd.  gegangen,  meist  gangen  wie  häufig  älter- 
nhd. und  noch  beim  j.  Goethe  2,  94  gangen, 
ahd.  gigangan,  Imperativ  ahd.  gang  wie  älter- 
nhd. und  noch  bayr.-alem.  gang,  Plur.  get, 
gänt.  Das  Prät.  hat  im  Md.  und  Mnd.  Ver- 
kürzung des  Vokals  erfahren,  md.  gmc,  später 
ginc,  mnd.  genk,  gink,  bei  Luther  giiig  neben 
gieng,  bei  Steinbach  1734  und  Adelung  1775 
ging  mit  Berufung  auf  die  kurze  (md.)  Aus- 
sprache; der  Konj.  Prät.  bei  Lessiag  auch 
gänge,  wie  noch  oberd.  In  den  übrigen  ger- 
manischen Sprachen  entspricht  asächs.  gangen 
(Präs.  ik  gangu,  Prät.  geng,  Pai-t.  gegangan), 
mnd.  gän,  mndl.  gaen,  afries.  gimga  und  gän, 
ags.  gangan,  gongan  (Präs.  gange,  gonge  und 
gä,  Prät.  geong,  giong,  geng,  aber  auch  schwach- 
biegend gengde,  Imp.  gang,  gong  und  gä,  Part. 
gasigen,  gongen  und  gän),  engl,  go,  anord. 
ganga  (Präs.  geng,  Prät.  gekk,  PI.  gengu,  Part. 
genginn),  schwed.  gä,  dän.  gaa,  got.  gaggan 
(Prät.  schwachflekt.  gaggida),  aber  krimgot. 
geen.  Überbleibsel  eines  dritten  Wortstamms 
ist  das  got.  Prät.  iddja,  ags.  eode  «ging»,  ent- 
sprechend dem  aind.  Impf.  äjäm.  äjät  zu 
jäti,  aw.  jäiti  «geht,  fährt»,  ui-verwandt  mit 
lat.  eo  «ich  gehe»  (Inf.  ire),  gr.  €T|ui  (Inf. 
iivai),  lit.  eimi,  abg.  idq,  air.  ethaim,  aw. 
aeimi,  aind.  emi  «ich  gehe»,  während  der 
germ.  Stamm  gang-  gemäß  der  Lautverschie- 
bung mit  lit.  ze7igiii  «ich  schreite», prazanga  f. 
«Übertretimg»,  aw.  zanga  m.  «Knöchel»,  rapers. 
zang  «Fuß»,  osset.  zängä  «Unterschenkel», 
aind.  jänghä  f.  «unteres  Bein,  Fuß»  stimmt. 
Der  Stamm  gä-,  ge-  ist  dagegen  noch  nicht 
aufgeklärt.    Nach  Kluge  soU  es  aus  ga-  «ge» 


655 


Gehenk 


Gehülfe 


656 


und  der  Wz.  ei-  «gehen»  zusammengesetzt 
sein,  vgl.  dagegen  Streitberg  Idg.  Forsch.  6, 
148.  Am  ehesten  ist  es  mit  aind.  hä  «gehen, 
schreiten»  zu  verbinden,  vgl.  Walde  s.  v.  eo, 
anders  Karsten  Btr.  16,  565. 
Gehenk,  s.  Gehänge. 
geheuer,  adj.:  sich  sicher  fühlend,  be- 
sonders vor  Unheimlichem.  Mhd.  gehiure 
«sanft,  anmutig»,  auch  «ohne  Zauberei  zu- 
gehend, mit  Unheimlichem  nicht  behaftet», 
zusammengesetzt  mit  dem  ahd.  und  asächs. 
Adj.  Muri  in  unhiuri  «grausig,  schrecklich», 
ags.  heore,  hyre  «freundlich,  sanft,  mild,  will- 
fährig», unhyre,  MwMore« grausig,  entsetzlich», 
anord.  hyrr  «froh,  munter»,  üliyrligr  «wUd 
aussehend»;  dazu  mnd.  gehüre,  mndl.  ghehuer 
«heiter,  froh».  Stammverwandt  mit  ahd. 
Miüon,  hion  PI.  «Hausgenossen»,  hiivisM  n. 
«Familie,  Hauswesen,  Haushaltung»,  anord. 
hjön,  hjün  n.  pl.  «Hausleute»,  hyskin.  «Haus- 
genossenschaft», genau  wie  unheimlich  und 
heimlich  «einheimisch,  vertraut»  zu  Heim  ge- 
hören. Ygl.  auch  aind.  gSvas,  giväs  «ver- 
traut, lieb». 

Gehilfe,  s.  Gehülfe. 
Gehirn,  n.  {-es,  PI.  -e)  -.  Hirn,  eig.  Gesamt- 
heit des  Hirnes.  Unverkürzt  Gehirne  bei  Klop- 
stock  Mess.  93,  Wieland  18,  165,  Rückert  1, 10. 
Mhd.  gehirne  n.,  Kollektiv  von  Hirn  (s.  d.). 
Gehöft,  in  Österreich  auch  Gehöfte,  n. 
(-es,    PI.  -e):    Gesamtheit   der  Hofgebäude. 
1410  md.  gehofte,  1400  gehoffte,  IS09  gehüfte  n. 
(Höfer  ürk.  79).     KoUektiv  zu  Hof  (s.  d.). 
Gehölz,   n.  {-es,   PI.  -e):    kleiner  Wald, 
Waldung.    Mhd.  gehülze,  gehölze  n.   Kollektiv 
von  Holz  (s.  d.). 

Gehör,  n.  {-s):  das  Höi-en,  der  Hörsinn. 
Mhd.  selten  gehoere  n.,  häufiger  gehcerde  f.  n., 
bei   Luther  Gehöre  und  Gehör,   bei  Logau, 

Lohenstein   und   vereinzelt   noch  im  18.  Jh. 

Gehöre  n.   Substantivbildung  zu  hören  (s.  d.). 
gehorchen,  v.:   worauf  hörend,  folgsam 

sein.    Md.  im  13.  u.  14.  Jh.  gehorchen,  auch 

«zuhören».    Von  horchen  (s.  d.). 

gehören,  v.:  nach  dem  Verhältnisse  der 

Abhängigkeit    oder    mit   Grund    zukommen. 

Mhd.  gehoeren,   md.  gehören  «hören,  worauf 

hören,  bes.  mit  Nachfolge»,  dann  «zukommen», 

ahd.  gahorran,  gihoran  «hören,  gehorchen»; 

dazu  in  gleicher  Bed.  asächs.  gihörian,  ags. 

geheran,    gehyran,    got.  gahausjan    «hören». 

ABL.    gehörig,    adj.:    zugehörig    (1486    in 

Frankf.  Reichskorr.  2,  482);  erforderlich  (1507 

bei  Wllwolt  V.  Schaumb.  119);   angemessen. 


zweckentsprechend  (Adelung  1796,  d.  j.  Goethe 
3,  696);  gebührend  (1711  bei  Rädlein).  Nur 
in  der  Bed.  «folgsam,  gehorsam»,  mhd.  gehoerec, 
md.  gehörec,  ahd.  gahörig,  asächs.  gihörig. 

Gehörn,  n.  {-s,  PI.  -e)  -.  Geweih,  die  Hörner. 
Mhd.  gehürne  n.,  1534  bei  Franck  Weltb.  49^ 
Gehörn.  Kollektiv  von  Hörn  (s.  d.).  ge- 
hörnt, part.  Adj. :  Hornhaut  habend,  Homer 
habend.  Mhd.  gehurnt,  Pai-t.  Prät.  von  mhd. 
hürnen  «mit  Hörnern  versehen,  auf  dem  Hörne 
blasen»,  got.  haürnjan  «das  Hörn  blasen», 
asächs.  humid  «mit  Hörnern  versehen». 

gehorsam,  adj.:  auf  den  Wülen  des  an- 
dern hörend  und  zugleich  folgend.  Mhd, 
gehorsam,  ahd.  ga-,  gihorsam;  dazu  asächs. 
gihörsam  (in  ungihörsam),  mnd.  gehörsam, 
ags,  gehi/rsum,  neben  ahd,-mhd,-mnd.  hörsam, 
ags.  hyrsum.  Jetzt  oberd.  und  westmd.  mit 
kurzem,  aber  norddeutsch  und  ostmd.  mit 
erhaltenem  ö.  Davon  Gehorsam,  m.  (-s), 
ahd.  gihörsami  f.  neben  horsamt  f.,  mhd.  und 
älternhd.  gehorsame,  gehör sam  f.,  aber  md. 
im  13.  Jh.  gehörsam  m.,  auch  bei  Luther 
meist  Mask.  gehorsamen,  v.:  gehorsam 
sein,  mhd.  und  mnd,  gehorsamen,  ahd.  gihor- 
samon  und  hörsamön,  ags,  {ge)hyrsumian. 

Gehre,  f,  (PI.  -n) :  Zwerchfuge  der  Tischler, 
Niederdeutsch  (1767  im  Brem,  Wb.,  1727  bei 
Hübner    Gehrung,    Gehr- Hobel,    Gehrmaß). 
Eins  mit  Gehren,  m,  {-s,  PI,  wie  Sg,) :  keü- 
förm-iges  Stück,  Zwickel  im  Kleid  oder  im 
Hemd;   der  damit  besetzte  Kleiderteil  unter 
den  Hüften,  Schoß ;  keilförmig  zwischenliegen- 
des Ackerbeet.    In  diesen  Bed.  (die  sich  nach 
I  der    Form    des   Wurfspeereisens    entwickelt 
j  haben)  mhd.  gere  m.,  ui'spr.  «Wurfspieß»,  ahd. 
gero  m.  «Spieß,  Meerzunge,  Seebucht»;  dazu 
afries.  ^äre  f.  «Rockschoß,  Gewand»,  ags.gära 
I  m.  «Landzunge»,  anord.  geiri  m.  «dreieckiges 
Zeugstück»,   abgeleitet  von   dem   starkflekt, 
Ger  (s.  d.),  ahd.  ger  m.  «Wurfspieß,  Wui-fspieß- 
eisen,  Pfeü»,    Aus  dem  Ahd,  entlehnt  franz, 
\giron,    ital.  gherone  m.   «Schoß,   Schleppe». 
Gehrung,  f,:  Fläche  oder  Richtung  schräg 
im  rechten  Winkel  verlaufend,  bei  Tischlern 
und  Zimmerleuten,  1757  in  Eggers  Kriegslex. 

Gehülfe,  m.  {-n,  PI.  -n)-.  dienender  Mit- 
helfer; Helfer,  Mhd,  gehilf e,  gewöhnlich  ge- 
helfe, ahd.  (bei  Notker)  gehelfo  m.,  gebildet 
zu  ahd.  helfa  f.  «Hilfe».  Der  md.  Form  hülfe  f. 
«Hülfe»  aber  entspricht  md.  im  14.  Jh.  ge- 
hulfe  m.,  bei  Luther  Gehülffe.  Davon  Ge- 
hülün,  f.,  bei  "Fischart  Garg.  100  EhgeJiülffin, 
dafür   bei  Luther  Gehülffe  f.,   mhd.  gehelfe. 


657 


Oeier 


Geisel 


658 


gehilfe  f.  Die  Schreibung  Gehilfe  ist  nicht 
mehr  zulässig. 

Geier,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  der  Raub- 
vogel, lat.  vultur;  in  Verwünschung  und  Aus- 
ruf verhüUend  für  Teufel  (1660  bei  A.  Gry- 
phius  Dornrose  51,  5).  In  der  1.  Bed.  bei 
Luther  Geyer  und  Geir,  md.  1470  geier,  mhd. 
und  ahd.  gir  m.,  mnd.  gire  m.  Zusammen- 
hängend mit  ahd.  gwi  «gierig»  (in  hovegiri 
m.  «Hof Schmarotzer»)  und  girheit  f.  «Grierig- 
keit»,  mhd.  gir  (in  schatzgtr),  gier,  frühmd. 
gire  «gierig,  begierig»,  im  15.  Jh.  md.  und 
nd.  geyrich  «gierig»  (Diefenbach  gl,  411''), 
1540  bei  Alber us  dict.Vu  4^  gre?/er/iei^«  Gierig- 
keit» und  1550  in  den  Fab.  29,  20  das  Adv. 
geierlich  «gierig»,  daher  noch  ostmd.  geier 
«nach  Wohlgeschmack  wählerisch-begierig  in 
Speisen»  (schon  1540  bei  Alberus  dict.  Vu4^ 
und  in  den  Fab.  4,  5  geier  «speisegierig, 
gierig»)  und  Geiermauln.  (1612  bei  Taubmann 
Plautus  11 10''  Geyermaul  «Feinschmecker»). 
Die  romanischen  Wörter  ital.  girfalco,  franz. 
gerfaut,  spän.  gerifalte  sind  nicht  die  Quelle 
des  deutschen  Wox'tes,  sondern  aus  dem 
Germ,  entlehnt. 

Greifer,  m.  (-s):  ausfließender  Speichel. 
Mhd.  im  14.  Jh.  geifer  m.,  mit  den  Neben- 
formen gefer,  gever  im  15.  Jh.,  Gäfer  1691 
bei  Stieler,  wetterauisch  Gäwer  m.  Ver- 
mutlich zusammenhängend  mit  Island,  geipr 
«offenen  Mundes,  gähnend»,  älternhd.  im 
16.  Jh.  geifert  «gaffen,  verlangend  blicken» 
(Pauli  Schimpf  123  Ost.)  und  geifferig  «gierig» 
(Franck  Paradoxa  199^),  bayr.  gaifen  «klaffen, 
auseinanderstehen»,  tirol.  Geffe  f.  «Maul», 
oberhess.  geipen  «Maulaffen  feilhalten,  gähnen», 
nd.  gipern  «verlangen»  und  weiter  zu  der 
unter  gähien  behandelten  Wurzel.  Davon 
geifern,  v.:  Speichel  fließen  lassen,  mhd. 
geifern;  geiferig,  adj.,  1561  bei  Maaler,  aber 
bei  Stieler  1691  geifericht,  gäfericht:  Oei- 
ferer,  m.,  bei  Luther,  im  15.  Jh.  gifferer  m.; 
Oeif erlätzchen,  n. :  Lätzchen  für  geifernde 
Kinder,  1775  bei  Adelung,  Geifertüchlein  1741 
bei  Frisch,  Geiffertuch  1664  bei  Duez  (s. 
Schlahhertuch);  Geiferwurz,  f:  Bertram 
(s.  d.),  1561   bei  Cordus. 

Geige,  f.  (PI.  -n)-.  Violine.  Mhd.  im  12.  Jh. 
gige  f.,  mndl.  ghighe,  anord.  glgja  f  Wahr- 
scheinlich ein  einheimisches  Wort,  benannt 
nach  der  gaukelnden  Bewegung  des  Streich- 
bogens, zu  mhd.  gugen  gagen  «von  der  Wiege», 
Siiiord.  geiga  «schräg  gehen  (von  Geschossen)». 
Die  Neuerung  an  der  Geige  war  das  Griff- 

Weigand,  Deutgches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


brett,  das  der  altern  Fiedel  (s.  d.)  fehlte. 
Die  Etymologie  ist  unbekannt.  Vgl.  Meringer 
Idg.  Forsch.  16,  128.  Aus  dem  Germanischen 
entlehnt  afranz.  gigue,  ital.  und  provenz.  giga  f. 
«Geige».  ABL.  geigen,  v.:  auf  der  Geige 
spielen,  mhd.  gigen,  auch  bildlich  einem  die 
wärheit  gigen  «einem  derb  sagen»  von  dem 
Hin-  und  Herfahren  des  Bogens;  dazu  anord. 
gigja.  Geiger,  m.:  Geigenspieler,  mhd. 
gigcere,  giger  m. 

geil,  adj.:  zu  üppig  (von  Pflanzen);  all- 
zuviel von  Geschlechtslust  in  seiner  Natur 
getrieben.  Mhd.  und  ahd.  geil  «von  wilder 
Kraft,  sich  allzuviel  fühlend,  übermütig,  mut- 
willig, üppig,  überaus  freudig»,  die  Bed.  «un- 
keusch» vereinzelt  schon  im  13.  und  14.  Jh. 
(Renner  3108,  Keller  Schwanke  7),  ahd.  im 
Substantiv  keilt  f.  «petulantia  carnis»;  «üppig 
wuchernd»  vom  Weinstock  1527  bei  Luther, 
«fruchtbar»  vom  Acker  und  von  Tieren  1482 
im  Voc.  theut.  k6''.  Dazu  asächs.  gel  «über- 
mütig, üppig,  leichtfertig»,  ndl.  (/ei^  «brünstig», 
ags.  gäl  «überaus  freudig,  voll  Geschlechts- 
lust», got.  in  gailjan  «erfreuen».  Urverwandt 
mit  lit.  gailiis  «jähzornig,  scharf,  Schmerz 
empfindend,  mitleidig»,  abg.  zelü  «heftig», 
vielleicht  auch  aind.  Mlä  «Leichtsinn,  Sorg- 
losigkeit», vgl.  V.  Bradke  KZ.  28,  298.  S.  aber 
auch  E.  Schröder  ZfdA.  42,  64.  ABL.  Geile, 
f.:  Geilheit,  im  PI.  Geilen  schon  mhd.  «die 
Hoden».  Mhd.  geile,  ahd.  geilt  f  «ÜlDcrmut, 
Lustigkeit»,  daneben  spätmhd.  geil  m.  «Über- 
mut» und  mhd.  geil  n.  «Fröhlichkeit,  lustiges 
Wachstum,  Wucher,  Hode»  (s,  Bibergeil), 
mhd.  geilheit  f.  «fröhliche  Tapferkeit,  Aus- 
gelassenheit», geilen,  v.:  ausgelassen,  über- 
mütig sein  (Schiller  1,  221,  Fiesco  1,  9),  mhd. 
geilen,  ahd.  geilen;  trans.  mhd.  geile^i  «fett, 
üppig  machen»,  noch  bayr.-östr.  «düngen». 
Dagegen  gehört  Geiler,  m.:  Bettler,  Land- 
streicher, bayr.  von  frechen  Bettleni  Geiler, 
Bettelgeiler,  mhd.  gilcere,  giler  m.,  zu  mhd. 
gilen  «betteln»,  bei  Luther  und  noch  im 
18.  Jh.  bei  Hamann  und  Blumauer  geilen. 

Geisel,  m.  (-s,  PI.  Geisel  und  Geiseln): 
Leibbürge.  Häufig  im  Nhd.  auch  Fem., 
vereinzelt  bei  Luther,  Rädlein,  Steinbach, 
Heine  Romanz.  93.  Mhd.  gisel  m.  u.  n.,  ahd. 
gisal  m.,  ags.  gisel,  anord.  gisl  m.  «wer  sich 
im  Kriege  gegen  seinen  Feind  gefangen  und 
in  die  volle  Gewalt  seines  Besiegers  hingibt, 
dann  überhaupt,  wer  mit  seinem  Leibe  wo- 
für büi-gt».  Urverwandt  mit  alth-.  giall  m. 
«Geisel»!  Dazu  Geisel SChaft,  f.:  Bürgschaft 

42 


659 


Geiser 


Oeist 


660 


mit   dem  Leibe  (Herder  Cid  Nr.  17),   mhd. 
giselschaft  f. 

Greiser,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  heiße  Quelle, 
Spnadel,  bes.  auf  Island.  In  neurer  Zeit 
aus  dem  isländ.  geysir,  eig.  «Wüterich»  von 
anord.  geisa  «wüten»  (s.  Geist)  entlehnt. 

Geiß,  f.  (PI.  -en):  Ziege.  Oberdeutsch. 
Mhd,  und  ahd.  geig  f.  (der  PI.  ahd.  gei§i, 
mhd.  geige,  schon  im  16.  Jh.  bei  Fischart 
Garg.  414  Geisen);  dazu  mndl.  geit,  ags.  gät 
f.,  engl,  goat,  anord.  geit,  got.  gaits  f.  mit 
dem  Dim.  gaitein,  ahd.  geigen,  ags.  gceten  n. 
«Zicklein»,  übereinstimmend  mit  lat.  Imedus 
m.  «junger  Ziegenbock».  Abg.  koza  f.  «Ziege», 
kozilü  m.  «Bock»  dagegen  ist  urverwandt  mit 
mnd.  höken,  huken,  mndl.  hoekijn,  ags.  hecen  n. 
«Zicklein».  Vgl.  Kitzlein,  Haber geiß.  ZUS. 
Geißbart,  m.:  Pflanze  mit  laugen,  einem 
weißen  Bart  ähnlichen  Blumenzasern  (Spiraea 
aruncus  und  ulmaria),  1546  bei  Bock  107'^, 
bei  Dasypodius  1537.  Geißblatt,  n.:  wohl- 
riechende Pflanze  (CaprifoHum),  deren  deutsche 
Art  (Waldrebe)  die  Ziegen  fressen,  im  15.  Jh. 
bei  Diefenbach  gl.  98  *>  gaißUat.  Geißbock, 
m.:  Ziegenbock,  mhd.  geigboc  m.  Geißfuß, 
m. :  Pflanze  mit  ziegenfußartigem  Blatte  (Aego- 
podium  podagraria),  1588  bei  Tabernämon- 
tanus,  Mhd.  geigvuog  m.  «Ziegenfuß»,  Mitte 
des  15.  Jh.  geißfuß  m,  «vom  gespaltenes 
Brecheisen».  Geiß-,  Geißenmilcli,  f.: 
Ziegenmilch,  mhd.  geipnilch,  aber  Geißen- 
milch ist  zusamm enges,  mit  dem  mhd.  Adj. 
geigin,  ältenihd.  geyssen,  schon  frühmhd. 
geiginin  milch. 

Geißel,  f.  (PI.  -n):  Schlag-,  Züchtigurgs- 
werkzeug  mit  Riemen  zum  Schwingen;  (west- 
md.)  Deichsel.  In  der  1.  Bed.  mhd.  geisel, 
ahd.  gaisala,  geisüa  f.,  im  15.  Jh.  vereinzelt 
geißel  (Diefenbach.  gl.  237*^),  elsäss.  im  14.  Jh. 
geischel,  im  17.  Jh.  bei  Duez  und  Krämer 
Geissei,  im  18.  Jh.  bei  Eädlein  und  Gottsched 
Geißel  zur  Unterscheidung  von  Geisel  (s.  d.). 
Dazu  mnd.  geisel,  mndl.  gesele,  ndl.  geesel  f. 
«Peitsche»,  anord.  geisl  m.  «Stab  beim  Schnee- 
schuhlaufen zum  Beschleunigen  des  Laufes». 
Demnach  ui'spr.  wohl  der  Geißelstock  mit 
Schnur,  seit  dem  15.  Jh.  allmähhch  durch 
die  zum  Teil  aus  Leder  hergestellte  Peitsche 
(s.  d.)  zui'ückgedrängt,  aber  noch  in  Ober- 
deutschland, Hessen,  Luxemburg,  Westthü- 
ringen u.  im  Erzgebirge.  In  der  Bed.  «Deichsel» 
1540  bei  Alberus  dict.  Bb2^  geissei,  noch 
wetterauisch  Gaisiln  f.,  in  Hessen  Geischel, 
Gischel  f.,  mi-hein.  im  15.  Jh.  gysel  (Diefenb. 


gl.  576^).  Da  man  von  der  Bedeutung  «Stab, 
Rute»  ausgehen  muß,  so  ist  Ger  (s.  d.)  ver- 
wandt. Vgl.  auch  noch  E,  Schröder  ZfdA. 
42,  64.  ABL.  geißeln,  v.,  mhd.  geisein. 
Geißler,  m.,  mhd.  geiseler,  elsäß.  im  14.  Jh. 
geischeler  m. 

Geist,  m.  (-es,  PI.  -er):  bewegender  be- 
lebender Hauch;  der  Gotteshauch;  die  in 
einem  Wesen  wirkende  Grundkraft,  daß  es 
denkt;  unkörperliches  überirdisches  Wesen; 
(nhd.)  bildlich  von  Stimmungen  und  Rich- 
timgen  des  Menschengeistes  (1525  bei  Zwingli 
vom  Teuf  r  3*  Geist  der  Einträchtigheit,  bei 
Luther  3,  26^  der  zornige  Geist);  der  geistige 
Inhalt  oder  Sinn  im  Gegensatz  zum  Buch- 
staben (2.  Kor.  3,  6) ;  aus  Köi^pern  entwickelte 
Kraftflüssigkeit,  Quintessenz  (1582  bei  Fischart 
Garg.  294  Geist  m.  als  Alchemistenwort,  vor- 
her bei  Paracelsus  Opera  1,  2^  die  Geist  der 
Kreuter  und  Würzen,  vom  schäumenden  Wein 
1685  bei  Grimmelshausen  Simpl.  2,  53, 18  KUr. 
daß  er  im  Einschencken  rauschet  und  seine 
Geisterlein  über  das  Glas  hinausspringen). 
In  Bed.  1 — 4  mhd.  geist  m.  (PI.  geiste  und 
im  14.  Jh.  auch  geister),  ahd.  geist  m.  (PI. 
geista);  dazu  asächs.  gest,  geist,  mnd.  geist, 
nnd.  geest,  mndl.  gheest,  afries.  gast,  ags.  gast, 
gcest  m.  (engl,  noch  ghost  «Gespenst»  und 
vom  heiligen  Geist,  s.  u.),  dafür  im  Got. 
ahma  m.  (s.  Atem)  und  im  Anord.  andi  m., 
önd  f.  «Geist».  Verwandt  mit  got.  usgaisjan 
«erschrecken,  von  Sinnen  bringen»,  usgeisnan 
«außer  sich  geraten»,  anord.  geisa  «wüten», 
engl,  aghast  «aufgeregt,  zornig»,  aind.  hedati 
«er  ärgert,  kränkt»,  hedas  n.  «Zorn».  Vgl. 
V.  Bradke  KZ,  28,  295,  Insbesondere  der 
böse  Geist,  mhd.  der  boese  geist  «der  Teufel»; 
guter  Geist  «Schutzgeist»,  1540  bei  Alberus 
dict.  BB  2^  guter  Geyst,  guter  Engel  nach 
Ps.  143,  10  (ahd,  bei  Notker  din  guote  geist); 
der  heilige  Geist,  ahd.  zuerst  wiher  dtum, 
dann  heilager  geist,  mhd.  der  heilige  geist, 
verkürzt  heiliggeist,  heili-,  heile-,  heilgeist, 
asächs.  helag  gest,  ags.  hälig  gast,  engl,  the 
holy  ghost,  dafür  anord,  heilagr  andi,  got.  ahma 
weihs.  ABL.  -geistern,  s.  be-,  entgeistern. 
geistig,  adj,,  mhd,  geistic,  mnd,  geistich. 
geistlich,  adj,:  im  Gegensatze  von  weltlich 
und  fleischlich,  in  der  altern  Sprache  auch  für 
geistig,  mhd.  geistlich,  ahd.  geistlich,  bei  Notker 
auch  geislich,  asächs.  gestlik,  afries.  gästlik, 
jestlik,  ags.  gästllc,  engl,  glwstly ;  subst.  Geist- 
licher, m,:  Priester.  Seit  dem  15,  Jh,;  dazu 
Geistlichkeit,  f.,  mhd,  (md,)  geistlichkeit, 


661 


Geiz 


Gelage 


662 


mnd.  geistlicheit  f.  «geistliches  Leben,  Fröm- 
migkeit», dann  «geistlicher  Stand,  Gesamt- 
heit der  Geistlichen».  ZUS.  1)  mit  dem  PI. 
Geister:  geisterbleicll ,  adj.,  bei  Schiller 
Fiesco  5,  12  u.  Wallenst,  Tod  4,  11.  geister- 
haft, adj.,  bei  Goethe  20,  310.  Geister- 
stunde, f.,  bei  Gotter  Ged.  1,  155.  Geister- 
welt,  f.,  bei  Haller  Ged.  172,  Hagedorn  1,  59. 
2)  mit  dem  Gen.  Geistes:  Geistesabwesen- 
heit, f.,  bei  Campe  1808,  daraus  gebildet 
im  19.  Jh.  geistesabwesend.  Geistesgegen- 
wart, f.,  bei  Herder  Ideen  4,  320.  geistes- 
krank, adj.,  bei  Campe  1808.  3)  mit  Geist: 
geistlos,  adj.,  md.  im  14.  Jh.  geistelos.  geist- 
reich, adj.,  bei  Luther  sowohl  «voll  religiösen 
Geistes»  3,  282^,  als  auch  in  weltlichem  Sinne 
3,  72^  geistreicher  Kopff  und  in  Bindseils 
Bibelausg.  7,  417  geistreicher  Poet,  geist- 
voll, adj.,  1741  bei  Bodmer, 

^Geiz,  TU.  {-es,  PI.  -e):  zu  entfernende 
wuchernde  Xebentriebe  an  Pflanzen,  bes. 
zwischen  Blattstielen  am  Weinstock,  am  Tabak. 
1721  bei  Jablonsky.  Ln  Rheingau  auch  Fem. 
Eins  mit  dem  folg.  "Wort,  eig.  «der  den  Saft 
gierig  saugende  und  den  fnxchttragenden 
Zweigen  entziehende  Schoß». 

"Geiz,  m.  (-es):  allzu  große  Begierde,  Geld 
und  Gut  zu  haben  und  zu  behalten.  Älter- 
nhd.  Geit,  mhd.  und  ahd.  git  m.  «Heißhunger, 
ungezügelte  Gier,  Habgier»,  woneben  mhd. 
gite  f.,  Ende  des  13.  Jh.  gize  (j.  Titm-el  3338), 
im  14.  Jh.  geifz,  geiz  m.  «Habsucht»;  dazu 
afides.  gää  «etwas  Erwünschtes»,  ags.  gäd, 
gced  n.  «Mangel,  Armut,  Verlangen,  Begierde», 
got.  gaidiv  n.  «Mangel»,  asächs.  meti-gedea  f. 
«Nahrungsmangel»,  urverwandt  mit  lit.  geidzii 
«ich  begehre»  (Inf.  geisti),  abg.  zida^  «ich  er- 
warte» (Inf.  zidati).  Da  mhd.  t  nicht  zu 
nhd.  z  wird,  so  ist  G.  erst  wieder  eine  Rück- 
bildung von  geizen,  v. :  Geiz  üben,  bei  Luther 
geitzen,  mhd.  von  git  abgeleitet  gitesen,  gitsen 
«gierig,  habgierig  sein»  neben  gleichbed.  ^i^e«, 
ags.  gitsian  «begehren»  nebst  gltsung  f.  «Hab- 
gier». ABL.  geizig,  adj.:  allzusehr  mit  Geld 
und  Gut  zurückhaltend,  im  15.  Jh.  gitzig, 
geytzig,  geiczig,  im  heutigen  Sinne,  mhd.  gitec, 
gitic,  ahd.  gitag  «gierig,  habgierig».  ZUS. 
Geizhals,  m.:  der  Geizige,  bei  Luther,  urspr. 
ältemhd.  gieriger  Hals  oder  Schlund.  Geiz- 
kragen, m.:  Geizhals,  1808  bei  Campe, 
zusammenges.  mit  Kragen  im  Sinne  von 
«Hals». 

Gejaid,  n.  (-es):  Jagd.  Bei  Uhland  410 
aus  ältenihd.  Gejaid,  mhd.  gejeide,  gejegede  n. 


neben  gejaget,  gejeit  und  gejege  n.,  Substantiv 
zu  jagen  (s.  d.). 

Geklüft,  n.  (-es),  wie  es  scheint,  von 
Klopstock  gebüdet. 

Geköse,  n.  (-s) :  wiederholtes  Kosen.  Mhd. 
geköse,  ahd.  kichosi  und  chösi  n.  «Gespräch, 
Geschwätz»,  abgeleitet  von  kosen  (s.  d.). 

Gekreisch,  n.  {-es,  PL  -e):  starkes,  wie- 
derholtes Kreischen.  Md.  im  15.  Jb..  gekrtsche, 
gekriesch,  ndrhein.  im  15.  Jh.  gekrisch,  ün- 
gewöhnhch  Gekreusche  n.  (Lessing  Em.  Gal. 
4,  3),   1691   bei  Stieler. 

Gekritzel,  n.  (-s):  Kritzelei.  1678  bei 
Krämer. 

Gekröse,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  das  kleine 
Gedärme;  vielgefältelte  Krause  (1562  bei  Ma- 
thesius  Sar.  69''  Gekröse,  1590  bei  Fischai-t 
Garg.  3  Gekröß  neben  älternhd.  Kröß  n.). 
In  der  1.  Bed.  mhd.  gekrosse  n.  neben  kroese  n. 
(ahd.  chrose  «Krapfengebäck»);  dazu  mnd. 
gansekroese,  gosekros,  mndl.  kroos,  kroost, 
kroes,  kroest  «Gänse-  und  Entenklein».  Eines 
Stammes  mit  kraus  (s.  d.). 

Gelache,  n.  {-es,  PI.  -e)  und  Gelächter, 

n.  (-S,  PI.  ■svie  Sg.):  starkes,  wiederholtes 
Lachen.  Ndrhein.  im  14.  Jh.  gelach,  spätmhd. 
1412  gelech  (Diocletians  Leben  2172j,  Sub- 
stantiv zu  lachen.  Gelächter,  mhd.  gelehter 
n.,  ist  Kollektiv  zu  mhd.  lahter  n.,  im  15.  u. 
16.  Jh.  lechter,  ahd.  hlahtar,  lahter  n.  «das 
Lachen»  (dazu  ags.  hleahtor,  hlehter  m.,  engl. 
laughter,  anord.  hlätr  m.,  dän.  latter),  einer 
Ableitung  von  lachen  (s.  d.).  In  übertragener 
Bed.  östr.  hölzernes  Gelächter  «die  Stroh- 
oder Holzfiedel»,  schon  im  16.  Jh.  bei  Schade 
Sat.  2,  233,  stählern  Gelächter  in  Mozarts 
Zauberflöte,  wofüi-  später  Glockenspiel. 

Gelage,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.),  verküi-zt 
Gelag:  Zusammensein  zu  lustigem  Trinken 
oder  Speisen.  Im  18.  Jh.  durchgedrungen 
füi-  ältres  Gelach  (1501  im  Leipz.  Yoc.  opt. 
Bb4^,  allgemein  im  16.  und  17.  Jh.,  noch 
bei  Wieland  und  Lichtwer)  neben  Geloch, 
Gloch  und  Gelack,  vereinzelt  bereits  im  16.  Jh. 
Gelag  (Froschmeus.  1,  2,  6),  Glag  (Waldis 
Es.  4,  68,  18),  aber  schon  im  14.  Jh.  ndrhein. 
geloch,  geloyg,  1435  in  einer  Düsseldorfer 
Schützenurkunde  gelaich,  mnd.  gelach  neben 
lach  (auch  md.  1517  bei  Trochus  0  3^  contu- 
bemium,  societas,  ein  laech),  mndl.  gelach 
und  gelage,  nndl.  gelag  n.  Die  ältre  Bed. 
ist  «Zeche,  Zusammengelegtes  zu  Trunk  oder 
Schmaus,  Gesellschaft,  Gilde».  Abgeleitet 
von  legen   (s.  d.),   vom  Zusammenlegen  des 

42* 


663 


gelahrt 


gelb 


664 


Geldes,  älinlich  wie  got.gabaur  m.  «Schmaus» 
und  gabaur  n.  «Steuer»  zu  got.  gabairan  «zu- 
sammentragen ». 

gelahrt,  statt  gelehrt.  Nur  noch  alter- 
tümlich. Md.  im  14.  Jh.  gelärt  (füi-  mhd. 
geleret),  im  15.  und.  16.  Jh.  auch  oberdeutsch. 
S,  lehren.  Gelahrtheit,  f.,  im  17.  Jh.  bei 
Rachel  8,  422. 

Gelände,  n.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  Landschaft. 
Mhd.  gelende,  ahd.  gilenti  n.  «Land,  Gefilde». 
Kollektiv  zu  Land  (s.  d.). 

Oeländer,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Stangen-, 
Latten-,  Eisenstabgerüste'  zum  Einfriedigen 
oder  Daranlehnen.  Mhd.  im  14.  Jh.  gelanter, 
im  15.  Jh.  gelenter,  gelender  n.  Kollektiv  zu 
mhd.  lander  n.  «Stangenzaun,  Zaunstange, 
Latte»  (noch  oberd.  Lander  f.),  wohl  urver- 
wandt mit  lit.  lentä  f.  «Brett».  Der  Neben- 
foi-m  Gelände  n.  (schon  1580  bei  Sebiz  Feld- 
bau 50  Gelänt,  zu  bayr.- alemann.  Lande  f. 
«Latte»,  das  bereits  im  16.  Jh.  bei  Fron- 
sperger bezeugt  ist)  entspricht  1477  clevisch 
gelynt,  mnd.  glint,  nnd.  glind  n.  «Umfriedung 
mit  Brettern  oder  Latten».  Davon  gelän- 
dert,  adj.:  mit  Geländer  versehen  (Schiller 
Spaziergang  39),  1616  bei  Henisch  ein  ge- 
lenderter  Steg. 

gelangen,  v.:  sich  bis  wohin  erstrecken; 
bis  wohin  kommen.  Mhd.  gelangen,  ahd.  gi- 
langon.    Verstärkung  von  langen  (s.  d,). 

Crelärr,  n.  {-es,  PI.  -e):  schlechtes,  der 
Ausbesserung  bedüi-ftiges  Gebäude ;  unfest  ge- 
wordnes  Gerät.  Noch  wetterauisch  Gelirr; 
dazu  östr.  Glär  n.  «Platz,  Gelieger».  Ahd. 
giläri  n.  «Wohnung»  (z.  B.  bei  Otfrid  1,  11,  11 
alt  giläri  «alter  Wohnsitz»),  abgeleitet  von 
dem  in  Ortsnamen  (Goslar,  Fritzlar)  vor- 
kommenden ahd.  lär  «Niederlassung,  Wohn- 
sitz», als  dessen  Kollektiv.  Unbekannter 
Hei'kunft. 

Gelaß,  n.,  auch  m.  (Gen.  Gelasses,  PI. 
Gelasse) :  Raum  zum  Aufbewahren,  Bequem- 
lichkeit im  Hause  (bei  Frisch  1741).  Mhd. 
gelcege  n.  «Niederlassung,  Niederlassungsort», 
auch  «das  aus  dem  Nachlasse  des  verstorbnen 
Eigenmannes  dem  Herrn  Gebührende»  (auch 
lag  m.)  und  «Benehmen,  Gebaren»,  geläg  m. 
n.  «Verleihung,  Benehmen»;  dazu  mnd.  lät, 
mndl.  ghelaet  «Gebärde,  Benehmen».  Sub- 
stantiv zu  lassen  (s.  d.).  gelassen,  Part, 
als  Adj.:  mäßig  bei  Gemütsbewegung,  schon 
mhd.  gelägen,  urspr.  «gottergeben»,  Part.  Pass. 
von  mhd.  gelägen,  ahd,  gilägan  «er-,  unter-, 
niederlassen»,    im   Ahd.   auch   «zugestehen». 


Davon  Gelassenheit,  f.,  mhd.  gelägenheit  f. 
« Gottergebenheit,  Ergebenheit». 

Gelatine  (spr.  zelatine),  f.:  Gallertstoff. 
Aus  gleichbed.  franz.  gelatine  f.,  gelehrte  Ab- 
leitung von  lat.  gelätus  «gefroren»,  Part. 
Pass.  von  geläre  «gefrieren  machen».  1727 
bei  Hübner  Gelatina. 

geläufig,  adj.:  sich  leicht  und  schnell 
bewegend  (Opitz  Ps.  45) ;  wohlerfahren,  wohl- 
bekannt (1734  bei  Steinbach,  geläuftig  bei 
Leibniz).  Eine  Verstärkung  von  läufig  (s.  d.). 
ABL.  Geläufigkeit,  f.,  1745  bei  Weber. 
Geläute,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  das  Läuten 
der  Glocken,  mhd.  geliute  n.,  auch  allgemein 
«Schall,  Getöse»  (ahd.  gilüti  n.,  ags.  gehlyd, 
gehlyde  n.).  Substantiv  zu  lauten,  läuten  (s.  d.). 
gelb,  adj.,  bei  Luther  und  noch  in  md. 
Mundarten  gel,  wie  fahl  neben  falb,  mhd. 
gel  (Gen.  gelwes),  ahd.  geh  (mit  0  aus  w, 
Gen.  gelawes),  mit  b  aus  w  bereits  im  14.  Jh. 
gelb;  dazu  asächs.  gelo,  in  schwacher  Form 
gelowo,  mnd.  gel,  geel,  mndl.  ghelu,  gheluw, 
ndl.  geluw  neben  geel,  ags.  geolo  (Gen.  geolwes), 
engl,  yelloiü;  dazu  ablautend  anord.  gulr, 
schwed.-dän.  gul.  Mit  i  aus  mit  j  gebildeten 
Formen  mhd.  gilweg  neben  gehveg,  gilwen 
«gelb  färben»,  gilweht,  gihoeleht  «gelblich», 
gilwe  f.,  ahd.  giliwi  f.  «gelbe  Farbe»,  noch 
i  nhd.  gilblich,  vergilbt.  Der  Lautverschiebiing 
gemäß  stimmend  mit  lat.  helvus  (entlehnt 
aus*  dem  Keltischen  (?)  gilvus)  «honig-,  hell- 
gelb», gr.  x^öoc  m.  «grüngelbe  Farbe»,  x^<^n 
f.  «erster  grüngelber  Pflanzentrieb»,  x^"JP<ic 
«hellgiün,  gelblich»,  lit.  zälias  «grün»,  abg. 
I  zelenü  «gelb,  grün»,  awest.  zairi-  «sjelb,  ffold- 
[  färben»,  aind.  häri-  «gelb,  blond».  Lit.  geisvas 
i  «gelblich,  fahl»,  geitas  «fahlgelb»  bieten 
!  Schwierigkeiten  im  Guttural.  ABL.  gelben, 
V.:  gelb  werden,  spätmhd.  im  14.  Jh.  gelben 
I  (Megenberg  39,  14).  gelblich,  adj.,  1616 
1  bei  Henisch,  gelblicht  1562  bei  Mathesius 
Sar.  41  %  mhd.  gelbloht  (s.  gilblich).  ZUS. 
Gelbgießer,  m.:  der  Geräte  aus  Messing 
gießende  Handwerker,  1741  bei  Frisch  aus 
älterm  nd.  geelgeter  (1594  bei  Chyträus),  ndl. 
1598  gheelghieter.  Gelbschnabel,  m.:  zu- 
nächst der  noch  nicht  oder  doch  kaum  flügge 
Vogel,  weil  er  zu  beiden  Seiten  des  Schnabels 
gelb  ist,  dann  bUdlich  ein  junger  unerfahmer, 
noch  unselbständiger  junger  Mensch  (1586 
Mathesius  Syi-ach  1,  38^  der  PL  Geelschnebel, 
ebenso  {ranz.  ,bec-jaune.  bejaune  m.,  vgl.  geel 
umb  den  Schnabel  Luther  7,  223^  J.,  ich  weit 
dirs  gelb  vom   snabel  iv  iischen  Sachsenheim 


665 


Geld 


Gelenk 


666 


Mörin  548).  Gell)SUCllt,  f.,  mlid.  gelsuhff. 
GelhwiWZ,  f.:  Pflanze  mit  inwendig  safran- 
gelber Wurzel  zum  Färben  (curcuma  longa) 
oder  gelbem  Safte  (chelidonium  majus).  In 
der  1.  Bed.  1721  bei  Jablonski,  Gilhmirtzel 
1588  bei  Tabemämontanus. 

Geld,  n.  {-es,  PI.  -er):  als  allgemeines 
Zahlung-smittel  anerkannter  Gegenstand.  Bei 
Luther  und  im  17.  Jb.  nocb  Gelt,  mhd.  gelt 
n.  und  m.  (Gen.  geltes  und  geldes,  PI.  gelt 
wie  noch  im  16.  Jh.),  ahd.  gelt  n.,  seinem 
Stammworte  gelten  (s.  d.)  gemäß  zunächst 
«Zahlung,  die  geleistet  wird,  Ersatz,  Ein- 
kommen, Rente,  Schuldforderung»,  dann  «ge- 
prägtes Geld  und  dessen  Ersatz  in  Papier»; 
dazu  asächs.  geld  n.  «Yergeltung,  Zahlung, 
Opfer»,  mndl.  geld  und  afries.  geld,  jeld  n. 
«geprägte  Münze»,  ags.  gild  n.  «Vergeltung, 
Ersatz,  Opfer»,  auord.  gjald  n.  «Erstattung, 
Steuer»,  schwed.-dän.  gjceld  «Bezahlung»,  got. 
gild  n.  «Steuer,  Zins».  ZUS.  Geldbeutel, 
m.,  1663  bei  Schottel  507  a.  Geldbrief,  m.: 
Brief  mit  Geld,  in  dieser  Bed.  noch  nicht 
bei  Campe.  Im  15.  Jh.  Schuldverschreibung. 
geldgierig,  adj.,  bei  Fischai-t  Ehez.  B  6. 
Geldkatze,  f. :  hohler  Gürtel  als  Geldbeutel, 
1741  bei  Frisch  (s.  "Katze).  Geldsack,  m., 
bei  Luther,  ndl.  1598  geldsak  bildlich  «der 
Reiche».  Geldsclineiderei,  f.:  Betrügerei 
mit  Geld,  Prellerei,  1787  bei  Kramer,  im 
eig.  Sinne  Geldschneider  «Münzbeschheider» 
1616  bei  Henisch.  Geldstrafe,  f.,  1541  bei 
Frisius  565^  Gältstraaff. 

Gelee,  n.  (spr.  Me,  -s,  PI.  -S):  Sülze, 
Dicksaft,  eig.  Gefrornes,  kalte  geronnene 
Brühe.  1715  bei  Amaranthes.  Das  franz. 
ffelee  f,  aus  lat.  geläta,  dem  Fem.  des  Part. 
Prät.  von  lat.  geläre  «gefrieren  machen». 

gelegen,  Part,  als  Adj.:  der  räumlichen 
Ausdehnung  nach  befindlich;  nach  Faßlich- 
keit erwünscht,  passend  (bei  Luther).  'MhA. 
gelegen,  ahd.  gilegan  «in  Beziehung  worauf 
Lage  habend,  nah  angi'enzend,  nah  verwandt, 
•benachbart»,  Part,  Prät.  von  liegen  und  ge- 
liegen  (s.  d.).  Dazu  Gelegenheit,  f.,  mhd. 
gelegenheit  f.  «Art  und  Weise  des  Liegens, 
Lage,  Beschaffenheit,  Angrenzung»,  älternhd. 
im  16.  Jh.  «Gegend,  bequeme  Nähe,  bequeme 
Sachlage»,  gelegentlich,  adj.,  mhd.  gelegen- 
lieh  «gelegen,  sich  darbietend»,  im  Adv.  ahd. 
gelegenlicho  «\vie  mein  Nächster»,  mhd.  ge- 
legenlwhe  «angrenzend»,  1734  bei  Steinbach 
gelegentlich  «bei  Gelegenheit,  bei  angemeßner 
Verbindung  von  Umständen». 


gelehm,  adj.:  leicht  sich  fügend  und 
biegend.  Im  westl.  Mitteldeutschland  (wetter- 
auisch  gellm).  Md.  im  14.  Jh.  geleme  als  Adv. 
bildlich  «zutunlich,  sich  schmiegend  traulich». 

gelehrig,  adj.:  leicht  und  gern  sich  lehren 
lassend.  1420  geierig,  aber  schon  im  13.  Jh. 
md.  ungelerich.  Eine  Verstärkung  des  gleich- 
bed.  ahd.  le)-ig,  noch  im  16.  u.  17.  Jh.  lehrig, 
mnd.  lerich. 

Gelehrsamkeit,  f.,  im  17.  Jh.  bei  Leibniz, 
von  gelehrsam  (1578  bei  Fischart  Ehz.  E2^), 
gebraucht  als  Substantiv  zu  gelehrt,  Part, 
als  Adj.,  mhd.  geleret,  gelert,  ahd.  galerit, 
gilert,  Part.  Prät.  von  lehren  (s.  d.),  wovon 
das  mhd.  Verbum  geleren,  ahd.  ga-,  gileran. 

Geleise,  s.  Gleis. 

Geleit,  n.  (-es,  PI.  -e),  unverkürzt  Ge- 
leite (Schiller  11,  35),  mhd.  geleite,  geleit  n. 
«Leitung,  eln'ende  Begleitung,  Begleitung  mit 
Schutz,  insbes.  zu  landeshen-lichem  Schutz», 
mnd.  und  ndl.  geleide  n.  Von  geleiten,  v.: 
mit  jem.  auf  dem  Wege  sein,  bes.  zu  seiner 
Sicherheit,  mhd.  geleiten,  ahd.  gileitan  «mit-, 
wohin  leiten»  (s.  d.),  ags.  gelößdan.  ZUS. 
Geleitsniann,  m.:  Führer,  Begleiter,  mhd. 
geleitesman  und  geleitman,  md.  leitesman,  leit- 
man.  Geleitswoche,  f.:  die  Vorwoche  der 
Messe  (in  Frankfurt  a.  M.),  zu  mhd.  geleite  n. 
«die  Begleitung,  die  der  Herr  des  Landes 
dem  reisenden  Kaufmann  ziim  Schutze  gibt», 
dann  auch  «der  ZoU  für  diese  Begleitung». 

Gelenk,  n.  (-es,  PI.  -e):  Zusammenfügung 
zweier  Körper,  mittelst  welcher  diese  bewegt 
werden  können  (im  16.  Jh.).  Mhd.  gelenke  n. 
«der  biegsam  schmale  Leib  zwischen  Hüfte 
und  Brust,  die  Taille,  Biegung  oder  Falte 
(des  Kleides),  Beugiing,  Verbeugung».  Kol- 
lektiv zu  mhd.  und  noch  bayr.  lanke,  ahd. 
hlancha,  lancha  f.  «Weiche,  Lende»,  d.i.  «die 
Stelle  über  der  Hüfte  wo  der  Körper  sich  biegt» 
(s.  Flanke),  ags.  hlenca  m.,  hlence  f.,  anord. 
hlekkr  m.  «Ring»,  im  Plur.  «Kette»,  schwed. 
to'wÄ;m.,dän.W!«Ä:e  «ineinander  greifendes  Ghed», 
engl,  link  «Kette,  Kettenglied»  (auch  nhd. 
1517  bei  Trochus  Q5^  gelenck  «Kettenring», 
ebenso  bei  Sturz  2,  108).  Dann  aber  auch 
als  Substantiv  zum  Adj.  gelenk  md.  im  14.  Jh. 
gelenke  «Gewandtheit»,  und  als  Verbalsub- 
stantiv zu  lenken,  Lenkung  (bei  Luther  1, 
491^  Jen.)  «die  richtige  Lenkimg  bei  einer 
Wegebiegung»  (in  Sachsen  iind  Thüringen). 
Daneben  mhd.  gelanc  m.  «Gelenk».  Weiter 
gehört  das  Wort  zu  lat.  clingo  bei  Festus 
«umgürte»,  aind.  grtdkhalä  f.  «Kette,  Fessel». 


667 


gelfen 


geloben 


668 


Weitre  Verwandtschaft  unsicher.  Vgl.  Walde 
s.  y.  gelenk,  adj.:  biegsam  und  gewandt. 
Mhd.  gelenke  wie  Gelenk  (s.  d,),  abgeleitet 
von  mhd.  lanke  f.  «Lende».  Davon  das  gleich- 
bed.  Adj.  gelenkig,  1664  bei  Duez.  Da- 
von Gelenkigkeit,  f.  im  18.  Jh. 

gelfen  gelfern,  v.:  zu  laut  und  daher 
widerlich  laut  werden.  In  Franken  gelfen, 
gilfen,  bei  Adelung  1775  gälfern,  nd.  galfern, 
galpern,  1595  im  Froschmeus.  1,  2,  2  gilfern, 
im  16.  und  17.  Jh.  gelfen,  gilfen  (Wunder- 
horn  4,  182),  gilpfen  (Weller  Dicht.  84),  mhd. 
gelfen,  gelpfen  (Prät.  galph)  «laut  werden, 
schi-eien,  bellen,  übermütig  sein,  prahlen», 
refl.  «woiüber  fröhlich  sein»,  nebst  dem  Subst. 
mhd.-ahd.  gelf,  gelph,  asächs.  gelp  m.  «Hohn», 
gelpquidi«.Y{.6)im:edie-i>,  spätmhd,g'i7/'m.  «Schrei»; 
dazu  ahd.  gelhon  «einem  etwas  weis  machen», 
asächs.  galpon  «laut  rufen,  sich  rühmen»,  ags. 
gilpan,  gelpan  «sich  rühmen»,  anord.  gjalfr  n. 
«Brausen,  Brandung»,  mnd.  gelve  «Wasser- 
woge». Wohl  Ableitung  von  gellen.  Man 
vergleicht  noch  aind.  pra-gälbhati  «ist  mutig, 
entschlossen»,  pragalhhäs  «mutig,  entschlossen» 
(mit  g  aus  gh  wegen  des  hh). 

(xelichter,  n.  (-s) :  Gleichheit  des  Wesens ; 
Inbegriff  von  Personen  gleichen  Wesens.  Im 
15.  Jh.  bei  Beheim  Ged.  9,  936  glihter,  1562 
bei  Mathesius  Sai-.  97^  Gelichter,  in  Wörter- 
büchern erst  bei  Steinbach  1734,  mit  ver- 
ächtlichem Nebensinn  seit  dem  17.  Jh.  (Simpl. 
3,  12  Kurz);  Nebenformen  Gelächter  (1648 
bei  Harnisch  aus  Fleckenland  74),  Glifter 
(bei  Abr.  a.  S.  Clara  Judas  1,  298,  noch  bayr.- 
tirol.),  siebenbürg.  Geläfter  «eins  von  einem 
Paar».  Davon  mhd,  im  14.  Jh.  gelichtergit  m. 
«Angehöriger  derselben  Familie»,  im  13.  Jh. 
glihtride  f.  «Geschwisterschaft»  (Berthold  v. 
Regensburg  1,  93,  7),  im  12.  Jh.  gliherte  f. 
«Geschwisterlichkeit»  ('?).  Man  faßt  jetzt  Ge- 
lichter als  Kollektivbildung  zu  ahd.  lehtar, 
lehter  und  gilehter  «Gebärmutter».  Dies  ist 
abgeleitet  von  liegen,  eig.  «Ort  des  Liegens», 
vgl.  and.  lätr  n.  «Liegestätte»  und  entspricht 
gr.  X^Kxpov  n.  «Bett,  Ehebett».  Dabei  bleiben 
die  Formen  mit  f  unaufgeklärt. 

gelieben,  v.:  Heb  sein,  belieben.  Nur 
noch  altertümlich.  Mhd.  gelieben  «angenehm 
sein  oder  werden»,  mnd.  geleven;  trans.  mhd. 
geliehen,  ahd.giliuhan  «lieh,  angenehm  machen», 
ags.  gelufian  «lieben».  Geliebte,  m.  und  f., 
das  Part.  Prät.  von  lieben  (s.  d.)  als  Sub- 
stantiv, in  allgemeiner  Bed.  bei  Luther  (im 
Predigtstil  Geliebte  in  dem  Herrn  1678  bei 


Ki'ämer),  im  engern  Sinne  1541  bei  Frisius 
QZ^  die  Geliebte  «amica». 

geliefern,  v.:  aus  dem  flüssigen  Zustand  in 
einen  festern  übergehen.  1562  bei  Mathesius  Sar. 
80  ^  geliefern,  mhd.  gelibern,  liberen ;  dazu  das 
Part.  Prät.  ahd.  im  11.  Jh.  giliber 6t  a geronnen», 
mhd.  gelibert,  md.  im  14.  Jh.  gelibbrit  und  im 
15.  Jh.  geleffert,  1595  im  Froschmeus.  1,  2,  11 
gelebert  (spätere  Var.  gelievert,  geliewert) ;  dazu 
mnd.  leveren  «gerinnen  machen».  Gleichen 
Stammes  wie  Lab  und  Lebermeer  (s.  d.). 

geliegen,  v.:  niederliegen,  zu  liegen 
kommen,  niedersinken,  -fallen ;  niederkommen, 
ins  Kindbett  kommen  (l.  Sam.  4,  19).  Mhd. 
geligen,  ahd.  giligan  «daniederliegen,  sich 
niederlegen»,   im  Mhd.  auch  vom  Kindbett. 

gelind,  adj.:  unverkürzt  gelinde,  mhd. 
selten  gelinde,  verstärktes  lind  (s.  d.).  Oe- 
lindigkeit,  f.,  bei  Luther. 

gelingen,  v.  (Prät.  gelang,  Konj.  gelänge, 
Part,  gelungen):  gut  vonstatten  gehen,  ge- 
wünschten Erfolg  haben.  Verbunden  mit 
sein,  bei  Luther  (1.  Makk.  2,  47)  mit  haben. 
Mhd.  gelingen,  ahd.  gilingan;  auch  das  ein- 
fache mhd.  und  mnd.  lingen  bed.  «vorwärts 
gehen,  glücken».  Gleichen  Stammes  wie 
ahd.-asächs.  lungar,  mhd.  lunger,  ags.  lungre 
«rasch,  schnell»;  dazu  gr.  dXaqppöc  «schnell», 
aind.  laghüs,  raghüs  «rasch,  schnell,  leicht»  u.  a. 
Weiter  aind.  kmghati,  latdghäjati  «springt 
auf,  verletzt,  beleidigt»,  auch  rqJiate  «rinnt, 
eilt»,  awest.  rdnjaiti  «macht  Glück»,  ir.  lei 
«Sprung».  Auch  gr.  eXeyxeiv  «schmähen,  ver- 
achten» könnte  verwandt  sein.  Gmndbedeu- 
tung  «aufspringen»,  auf  der  andern  Seite 
könnte  auch  lit.  linkti  «sich  biegen»,  lenkti 
«biegen»  herangezogen  werden. 

gell,  adj.:  gellend.  1482  im  Voc.  theut. 
k6*>  gell,  mnd.  ghel.  Zu  gellen,  v.:  hell, 
scharf  durchdringend  schallen.  Jetzt  schwach-, 
ehedem  starkbiegend,  mhd.  gellen  (Präs.  gille, 
Prät.  gal,  Plur.  gullen)  «die  Stimme  laut  hören 
lassen,  klingen»,  ahd.  gellan;  dazu  rnnd.  gellen, 
gillen,  ndl.  gillen,  ags.  gellan,  gillan  «klingen, 
die  Stimme  ertönen  lassen»,  anord.  gjalla, 
gella  «ertönen».  Die  Wurzel  gel  «tönen»  auch 
vielleicht  in  gr.  xeA.ibüjv  f.  «Schwalbe». 

geloben,  v.:  sich  mit  Worten  feierlich 
wozu  verbindlich  machen.  Mhd.  geloben,  ahd. 
gilobon  «beifällig  erheben»,  dann  «Beifall 
gebend  sich  wozu  verbindlich  machen,  ver- 
sprechen, vei^loben».  Zusammenges  mit  loben 
(s.  d.).  Davon  CJelÖbnis,  n.,  im  15.  Jh.  gelobe- 
nisse,  gelobniß,  1616  bei  Henisch  Gelöbnuß. 


669 


Gelos 


Oelze 


670 


Gelos,  n.  (-es):  Exkremente  des  Wildes. 
Weidmännisch,  1582  in  Feyerabends  Weid- 
werkbuch  37 '^  Geloß,  1580  bei  Sebiz  Feldbau 
573  GZoyÖ,  im  15.  Jh.  ^r^o.se  n.  (Schmeller  2  1,  977). 
Kollektivbildung  zu  ^Los  (s.  d.  und  Losung). 

Gelse,  f.  (PI.  -n):  Schnake,  Mücke.  Baj^r.- 
östeiTeichisch.  1687  bei  Hohberg  1,  453 "^ 
Gelsse,  bei  Abr.  a  S.  Clara  Etwas  f.  Alle  2, 
626  Gölsen  f.,  1678  bei  Ki-ämer  Golse,  um 
1480  im  Voc.  ine.  teut.  kl^  golsen  f.  Von 
gelsen  «summen,  schreien»,  noch  bayr.-elsäss., 
einer  xlbleitung  von  gellen. 

■"gelt,  das  zur  Interjektion  gewordene 
Präs.  des  Konj.  von  gelten  (es  gelte):  «nicht 
wahr?»  als  Aufforderung  zur  Bejahung,  wohl 
auch  zur  Mitverwunderung.  Im  14.  Jh.  mhd. 
^eWe  (Königshofen  261,  16,  zu  lat.  num  in 
der  Vulgata  2.  Mos.  2,  14).  Aus  der  Rede 
der.  Wettenden  entnommen,  wie  gleichbed. 
was  gelt's  im  16.  Jh.  und  wie  der  Plur.  geltet 
als  Interj.,  1558  im  Katziporus  L7'',  bei  Fi- 
schart  Garg.  143,noch  schles.  und  oberdeutsch. 

■gelt,  adj.:  keine  Milch  gebend,  nicht 
trächtig,  unfruchtbai'.  Mhd.-ahd.  und  noch 
obd.  galt,  md.  im  14.  Jh.  gelde;  dazu  ags. 
gelde,  nordengl.  geld,  schott.  yeld,  anord.  geldr, 
norweg.  gjeld,  altschwed.  galder,  dann  gaalt, 
jetzt  gall.  Die  einmalige  ahd.  Glosse  gialta, 
«sterilem»  (Steinmeyer- Sie vers  2,  656,  45) 
knüpft  das  Wort  an  alt  (s.  d.)  und  ahd.  gial- 
tinön  neben  alten,  elten  «aufschieben,  ver- 
zögern», gialtinoti  f.  «Hindernis»;  Hildebrand 
im  D.  Wb.  aber  vermutet  Zusammenhang 
mit  anord.  galdr  «Zaubersang,  Zauberei»  und 
als  urspr.  Bed.  «verhext». 

Gelte,  f.  (PI.  -n):  kleineres  eimerartiges 
hölzernes  Schöpf-,  Aufbewahrungsgefäß  zu 
Flüssigkeiten.  Mhd.  gelte,  älter  gellste,  gellite, 
ahd.  gelta  früher  gellita,  gellida  f.,  mnd.  gelte, 
ndd.  auch  gute,  wie  ags.  gellet  n.?  «großes 
Trinkgefäß»  entnommen  aus  mlat.  galleta, 
gallidai.  «Gefäß,  Kübel». 

gelten,  v.  (Präs.  gelte,  giltst,  gilt,  Prät. 
■galt,  Konj.  gälte  und  gölte,  Part,  gegolten): 
Dargeliehenes  oder  dessen  Wert  zurückgeben, 
vergelten  (nur  noch  dichterisch);  einen  ge- 
wissen Preis  haben;  wofür  gehalten  werden; 
abzielend  richten  nach  .  .  .,  abzielend  betreffen 
(mit  Dat.,  früher  auch  mit  Gen.  oder  Akk.). 
Mhd.  gelten  (Präs.  gilte,  Prät.  galt,  Plur. 
gulten,  Konj.  gulte,  gülte,  Part,  gegolten,  da- 
her älternhd.  Prät.  golt,  Konj.  gülte,  gölte), 
md.  auch  gelden,  ahd.geltan  «zm-ückerstatten, 
bezahlen,   opfern,  vergelten»,  im  Mhd.  auch 


«eintragen,  kosten,  wert  sein»;  dazu  asächs. 
geldan,  «zahlen,  vergelten»,  ndl.  gelden  «kosten, 
wert  sein»,  afries.  gelda,  jelda  «vergelten», 
ags.  gieldan,  gildan,  geldan  «bezahlen,  zurück- 
erstatten», eu^.yield  «eintragen,  zugestehen», 
anord.  gjalda,  altschwed.  gjalla,  dän.  gjälde 
«bezahlen»,  got.  in  fra-,  usgildan  «vergelten», 
ürsprtinglich  hängt  das  Wort  mit  dem  heid- 
nischen Opferdienst  zusammen  und  bed.  „  dem 
verleihenden  Gott  in  Dank  oder  Sühnung 
darbringen,  gleichsam  als  Gegenwert  geben", 
daher  ags.  gieldan  «opfern,  weihen»,  gield, 
gild  n.  und  asächs.  geld  n.  «Opfer»  (s.  Geld, 
Gilde,  Gülte).  Aus  dem  Germanischen  ent- 
lehnt abg.  zledc^  «ich  zahle,  büße».  Die  Ver- 
wandtschaft mit  altir.  gell  n.  «Pfand»,  gellaim 
«ich  verspreche»,  gr.  Te\6oc  n.  «schuldige 
Gebühr»  ist  sehr  unsicher.  Vgl.  Osthoff  Idg. 
Forsch.  4,  268.  Sichere  Anknüpfung  fehlt. 
ABL.  Geltung,  f.:  Wert,  1616  bei  Henisch, 
aber  1470  geldungk  «census». 

Gelübde,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  feierliches 
Versprechen.  Mhd.  gelühede,  gelübde  f.  n., 
md.  geliihde  n.  und  gelobede,  gelohde,  gelöhde  n., 
ahd.  güuheda  f.,  von  geloben  (s.  d.). 

Gelüng,  n.  (-S,  PI.  -e):  das  Geschlinge 
1540  bei  Alberus  dict.  Ee2^  Gelimg,  md.  im 
15.  Jh.  gelunge  n.,  Kollektiv  von  Lunge  (s.  d.). 

Gelüst,  Gelüste,  n.  (-es,  PI.  -e),  älter 
auch  Gelüst  m. :  mit  angenehmer  Empfindung 
verbundene  Begierde.  Mhd.  gelust  m.  f.  und 
gelüste  m.,  ahd.  gilust  f.,  Nebenform  von  Lust 
(s.  d.),  als  dessen  Kollektiv  aber  mhd.  ge- 
lüste n.  Als  Verbum  zu  Gelust  gelüsten, 
V.  impers.  mit  Akk.  (seltner  Dat.)  der  Person 
und  Gen.  der  Sache  oder  mit  Präp.  (nach, 
wider)  oder  Inf.  mit  zu.  Mhd.  gelüsten,  ge- 
lüsten, ahd.  gilusten,  ags.  gelystan. 

Geize,  f.  (PI.  -n):  verschnittenes  weib- 
liches Schwein.  Mhd.  galze,  geize  f.  «ver- 
schnittene Sau»,  ahd.  galza,  gelza  f.  «junge 
Sau»;  dazu  mnd.  gelte  und  1477  clevisch 
gylte  f.  «verschnittenes  Mutterschwein»,  ags. 
gilte  f.  und  engl,  gilt  «junge  Sau»,  anord. 
galti,  göltr  m.,  gyltr,  gylta  f.  und  schwed.- 
dän.  galt  «verschnittener  Eber»,  desselben 
Stammes  wie  anord.  gelda  «kastrieren»,  geldr 
«entmannt».  Doch  stimmt  die  Lautverschie- 
bung nicht,  und  man  müßte  für  geize  eine 
Grundform  geldnö-  «voraussetzen».  Dann 
könnte  auch  -gelt  verwandt  sein.  Man  ver- 
gleicht aind.  hudus  m.  «Widder»,  falls  dies 
für  hrdus  steht.  ABL.  geizen,  v. :  ein  Tier 
durch  Verschneiden  unfruchtbar  machen,  md. 


671 


Gemach 


gemem 


672 


um  1400  geizen  (Rothe  Diu-.  Chr.  565).  Gelzer, 
Dl.  (-5,  PI.  wie  Sg.) :  dei-  Schweineschneider.  In 
der  Schweiz  imd  im  Elsaß.  ZUS.  Gelzen- 
leichter,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Schweine- 
schneider, ^och  in  der  Wetterau  und  am 
Yogelsberg.  Md.  um  1400  gelczenlichter  m., 
zu  mhd.  Uhfen  «glätten,  kastrieren»  (noch 
bayr.  leichten),  von  mhd.  lihte  «glatt»,  liehen, 
ahd.  lichon  «glatt  machen,  polieren». 

Gemach,  n.  (-es,  ältemhd.  auch  PI.  Ge- 
much):  Ruhe,  Wohlbehagen,  Bequemlichkeit; 
(PL  Gemächer,  seltner  Gemache)  Bequem- 
lichkeitszimmer. In  der  1.  Bed.  mhd.  gemach 
m.  n.,  ahd.  gimah  n.,  mnd.  gemuck,  gemake  n., 
mndl.  ghemack,  in  der  2.  Bed.  mhd.  gemach  n. 
«Ort  der  Ruhe  und  des  Sichpflegens,  Zimmer, 
Wohnung»,  dann  auch  «Abtritt»  (1316  ein 
haimlicher  gemach),  ebenso  mnd.  Von  ge- 
mach, adj.,  wohl  sich  fügend,  bequem,  mit 
Bequemlichkeit  langsam,  mhd.  gemach,  ahd. 
gamah,  gimah,  Adv.  gimahlw,  ags.  gemcec  (eig. 
«womit  verbunden,  wozu  sich  fügend,  wozu 
gehörig»,  wie  anord.  niakr  «passend»),  zu- 
sammengehörig mit  machen  (s.  d.).  Davon 
gemächlich,  adj.:  zu  Bequemlichkeit  ge- 
neigt, nach  Bequemlichkeit  langsam,  mhd. 
gemechlich,  ahd.  gimahWi,  mndl.  gheniackelick; 
dazu  das  Adv.  ahd.  gamahlihho,  mhd.  gemech- 
Kche,  im  15.  Jh.  auch  gemelich,  bei  Rachel 
Sat.  4,  111  Var.  gemählich  (vgl.  allmählich). 
Gemächlichkeit,  f.,  bei  Fischart  gl.  Schiff 
623   Gmachlichkait. 

^Gemacht,  Gemachte,  n.  {-es,  PI.  -e)-. 
Zeugungsghed.  Im  mrhein.  Voc.  ex  quo  1469 
gemechte  n.,  spätmhd.  gemecht  n.,  weiterge- 
bildet aus  dem  gleichbed.  mhd.  gemäht  f.  und 
PI.  gemehte,  ahd.  gimah t  f.  und  n.  Dazu  and. 
gimaht  «penis»  mndl.  ghemahte.  Zusammen- 
gesetzt mit  ahd.  muht  f.  (s,  Macht),  also  zu- 
nächst «das  Zeugungsvermögen  des  Mannes». 

-Gemachte,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  das 
Gemachte,  bes.  Kunst-  oder  Handwerksarbeit; 
letztwillige  Bestimmung,  Testament  (diese 
Bed.  im  18.  Jh.  veraltet).  Mhd.  gemechte, 
gemecht  n.,  von  machen  (s.  d.). 

Gemahde,  m.  f.  n.  {-n,  PI.  -n):  Reihe 
niedergemähten  Grases.  Im  westl.  Mittel- 
deutschland (1208  bei  Kehrein  Nassau  Nachtr.  17 
gemäd  f.  «was  ein  Mann  an  einem  Tage  mähen 
kann»).     Zsgs.  mit  mhd.  mäde  f.  «Mahd». 

Gemahl,  m.  (s,  PI.  -e) :  der  ehelich  Ver- 
bundene. Älternhd.  im  16.  Jh.  Gemahel, 
mhd.  gemahele  und  gemahel,  ahd.  gimahalo 
m.  «Verlobter,   Bräutigam,   ehelich  Verbun- 


dener», zu  ahd.  gimahalan  und  mahalen  «zu- 
sammensprechen, verloben»,  abgeleitet  von 
ahd.  mahal  n.  «Vertrag,  Ehevei-trag,  eig.  Ver- 
sammlung, Gerichtsversammlung,  Gerichts- 
verhandlung, Gerichtsstätte»  (s.  Mahl  1). 
Gemahl,  n.  (-s,  PI.  -e):  ehelich  verbun- 
dene Person,  vorzugsweise  die  weibliche, 
spätmhd.  im  15.  Jh.  gemachel  n.  (Städtechron. 
4,  123,  1),  gemechel  n.  Fontes  rer.  austr.  2, 
18,  493  von  1405),  dann  bei  Luther  Gemahl  n. 
Gemahlin,  f.  (PI.  -nen):  Gattin,  1468  ge- 
mahelin  (Germania  28,  367),  dafür  mhd.  ge- 
mahele, gemahel  f.,  ahd.  gimahala,  gimäla  f. 
«Verlobte,  Braut,  ehelich  Verbundene»  (eig. 
«die  Zusammengesprochene»);  vgl.  auch  and. 
gimehlida  f.  «Gattin». 

gemahnen,  v.:  nachdrücklich  oder  stark 
erinnern.  Mhd.  und  mnd.  gemanen,  ahd.  und 
asächs.  gimanön,  ags.  gemanian,  zusammenges. 
mit  mahnen  (s.  d.). 

Gemälde,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  gemaltes 
Bild.  Mhd.  gemcßlde,  md.  gemeide,  ahd.  gimä- 
lidi  n.  neben  gimäli  n.,  mhd.  gemcele,  älternhd. 
Genial,  im  17.  Jh.  Gemüht  n.  Von  malen  (s.  d.). 

Gemarkung,  f.  (PI.  -en):  Gemeindegrenze 
und  -gebiet,  im  18.  Jh.  (Maler  Müller  1,  304 
von  1775).  Nebenform  zu  Markung  (s.  d. 
unter  Mark  1). 

Gemäß,  n.  (-es,.Pl.  -e):  tiefes  Maß;  Maßart. 
1543  bei  Mich  eisen  thüring.  Rechtsdenkm.  50 
Gemeß  n.,  Kollektiv  von  Maß  (s.  d.). 

gemäß,  adj.:  nach  Verhältnis  (urspr.  nach 
dem  Maß)  übereinstimmend.  Mhd.  gemcele 
«Maß  haltend,  mäßig»,  dann  mit  Dat.  «ange- 
messen», md.  geme^e,  ahd.  gemäße  «ange- 
messen» von  messen  (s.  d.),  wie  genehm 
(s.  d.)  von  nehmen;  dazu  mndl.  gemaet,  ags. 
gemcete  und  mcete  neben  gemet,  dem  ahd.  gime^, 
me§  (in  ungime^  und  unme^,  asächs.  ungimet) 
entspricht.  ABL.  Gemäßheit,  f.,  im  16.  Jh. 
bei  Kirchhoff  Wendunm.  1,  539  Gemeßheit 
(zu  gemäß  «entsprechend»),  aber  mhd.  gemce^- 
heit  f.  «Mäßigimg». 

Gemäuer,  n.  (-s):  Mauerwerk,  bes.  altes 
(bei  H.  Sachs  Gemewer).  Mhd.  gemiure  n., 
Kollektiv  von  Mauer  (s.  d.). 

gemein,  adj.:  mehr  als  einem,  dann  der 
Menge  zusammen  eigen  oder  zukommend; 
allzu  vertrauHch  (bei  Luther  1,  363**  J.);  zur 
großen  oder  niedern  Menge  gehörig  (mhd.), 
sowie  derselben  gemäß  (in  geringschätzigem 
Sinne  1616  bei  Henisch,  verächtlich  in  mora- 
lischer Beziehimg  1775  bei  Adelung,  jedoch 
schon  mhd.  gemeine  wip  «allen  ohne  Unter- 


673 


gemein 


Gemüse 


674 


schied  gemeinsam»).  In  der  1.  Bed.  mhd. 
gemein,  ahd.  gimeini,  Adv.  gimeino;  dazu 
asächs.  gimene,  afries.  gemene  und  mene,  ags. 
gamcene  (engl.  mea)i  «niedrig,  verächtlicli»), 
got.  gamains  «gemeinsam»,  aber  auch  «pro- 
fan» im  Gegensatz  zu  «heihg»,  aus  ga-  und 
main.  Übereinstimmend  mit  lat.  communis 
(altlat.  comoinis)  «gemeinschaftlich,  allgemein, 
gewöhnlich,  leutselig,  niedrig»,  osk.  mmnikad 
«communi».  Das  Grundwort  moin  gehört 
einer  weitverbreiteten  Wui'zel  an,  vgl.  Me- 
ringer  Idg.  Forsch.  18,  270,  communis  am  besten 
mit  ihm  zu  moenia  PI.  «Mauern»,  d.  h,  «wer 
mit  mir  die  Mauern  teilt»,  vgl.  Geselle.  ABL. 
Gremeine,  Gremeinde,  f.,  mhd.  gemeine, 
ahd.  gimeint,  got.  gamainei  f.  «Anteil,  Ge- 
meinschaft, Mitgenossenschaft»,  im  Mhd.  auch 
«zusammengehörige  Ortsgenossenschaft  und 
deren  gemeinschaftlicher  Gnindbesitz»;  da- 
neben mhd.  gemeinde,  ahd.  gimeinida  f,  andd. 
gimentho  m.  «Gemeinschaft»  (lat.  communio  f.), 
im  Mhd.  die  Ortsgenossenschaft  in  büi'ger- 
lichem  oder  kirchlichem  Sinne  und  deren 
Grundeigentum,  vgl.  got.  gamaiyips  f.  «Ge- 
meinde, Versammlung».  Gemeinheit,  f., 
mhd.  gemeinJieit  i.  «Gemeinde,  Gemeinde- 
besitz», im  15.  Jh.  «Gemeinsamkeit»,  in  der 
Bed.  «sittHche  Niedrigkeit»  erst  am  Anfang 
des  19.  Jh.  gemeiniglich,  adv.,  mhd,  ge- 
meinecltche  neben  gemeinliche,  ahd.  gimeinWio 
(zum  Adj.  mhd.  gemeinlich,  ahd.  ge)neinWi). 
gemeinsam,  adj.,  mhd.  gemeinsa7)i,  ahd.  ^a- 
meinsam.  Gemeinsamkeit,  f.,  1482imVoc. 
theut.  13^,  mnd.  mensaniheit  f.  Gemein- 
schaft, f.,  mhd.  gemeinschaft  f.  (auch  «Ge- 
meinde, fleischliches  Beiwohnen»),  ahd.  gimein- 
scaf  f.  gemeinschaftlich,  adj.,  1691  bei 
Stieler.  ZUS.  Gemeingeist,  m.,  zuerst  bei 
Herder,  dann  bei  Schiller  als  Übersetzung 
des  engl,  public  spirit,  franz.  esprit  public. 
Gemeingut,  n.:  gemeinsamer  Besitz,  bei 
Bürger  II.  1,  124,  geistig  bei  Schiller  lO, 
383,  22.  gemeinhin,  adv.:  gewöhnlich,  bei 
Adelung  1796,  gemeine  hin  1734  bei  Weber, 
dafüi'  im  16.  Jh.  in  der  gemeine  hin  (Luther 
4,  26^  Jen.),  gemeinnützig,  adj.,  bei  S. 
Franck  Chron.  14« '^  gemein  nutzig,  Paradoxa 
Nr.  180  gemeinnützig.  Gemeinplatz,  m.,  1770 
von  Wieland  14,  293  als  Übersetzung  von  lat. 
locus  communis  gebildet,  wofür  sonst  Gemein- 
ort (Lessing  10, 190  von  1778).  Gemeinsinn, 
m.:  der  gemeine  Menschenverstand  (lat.  sen- 
sus  communis,  1691  bei  Stieler);  Gemeingeist 
(bei  Herder  und  bei  Voß  2,  233).  Anders 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


mhd,  im  14.  Jh.  der  gemeine  sin  (Mystiker 
2,  538,  10  f.),  entsprechend  in  der  mittelalter- 
lichen Philosophie  sensus  communis,  bei  Ari- 
stoteles Koivr]  aicörjcic  «der  sechste  allgemeine 
Sinn,  in  dem  sich  die  Wahrnehmungen  der 
fünf  Sinne  zur  Einheit  sammeln».  Gemein- 
wesen, n,,  1663  bei  Schottel  442^  für  lat, 
respuhlica.  Gemeinwohl,  n,,  im  18.  Jh. 
bei  Voß  nach  engl,  common  weal. 

gemessen,  Part.  Pass.  von  messen  (s.  d.) 
als  Adj.:  genau  abgemessen  (Lessing  7,  67), 
kurz  und  knapp  (Goethe  8,  124  gemessene 
Ordre). 

Gemisch,  n.  (-es,  PI.  -e):  Mischung,  1616 
bei  Heuisch,  aber  schon  ahd.  gimisgi  n.  neben 
gimiskida  f.,  mhd.  im  14.  Jh.  gemischt  n. 

Gemme, f  (PI. -«):  Edelstein:  geschnittner 
Stein,  Ringstein.  Mhd.  gimme,  ahd.  gimma  f., 
gegen  1200  ndrhein.  gemme  f ,  aus  gleichbed. 
lat.  gemma  f. 

Gemse,  t  (PI.  -n)-.  wilde  Bergziege.  1537 
bei  Dasypodius  Gems  f.  und  bei  Luther  der 
PI,  Gemsen,  mhd.  genieße,  ahd.  gami^a  f.  und 
das  Dim.  gamictn  n.,  alemannisch  Gamsch 
(bereits  im  14.  Jh.),  Gemsch  f.,  daneben  mhd.- 
ahd.  gam^  m.,  im  Teuerdank  gembs  m.  mit 
schwacher  Flexion,  noch  oberdeutsch  Gems 
m,,  bayv.-tkol.  auch  Neutr.,  wie  Schweiz. 
Gemschi  n.  Ein  Alpenwort,  entlehnt  aus 
gleichbed.  ital.  und  welschtirol.  camozza,  chur- 
welsch  comuotsch,  chamotsch,  ladin.  gamouc, 
neuprov,  camous,  franz.  chamois,  span.  gamuza, 
canmza,  port.  camuga,  camurga  f.  und  lat. 
im  5.  Jh.  n.  Chr.  camox  (vgl.  Much  ZfdA. 
42,  168,  Liden  KZ.  40,  260),  ZUS.  Gems- 
hart,  m.:  Schmuck  am  Hute  aus  Gems- 
haaren. Erst  im  19.  Jh.  in  die  Schriftsprache 
aufgenommen.      GemsbOCk,   m.,    1537    bei 

Dasypodius.     Gcms-,  Gemsenkugel,  f: 

Ballen  im  Magen  der  Gemse,  1697  bei  Ettner 
unw.  Doctor  801   Gemskugel. 

Gemüll,  n.  (-s):  dvu-ch  Zermalmen  Ent- 
standenes, aufgehäufter  Staub,  Kehricht.  Mhd. 
gemülle,  gemiil,  ahd.  gamulli  n.,  von  mhd. 
müllen,  ahd.  muljan,  mullcm  «zerreiben,  zer- 
malmen»; dazu  md.  gemolle,  mnd.  genmlle, 
gemul  n.     S.  Müll. 

Gemüse,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  aus  Garten- 
oder Feldgewächsen  gekochte  Speise,  eig. 
breiartige;  dann  jene  Garten-,  Feldgewächse 
selbst.  In  der  1.  Bed.  bei  Luther  2  Kön, 
4,  38,  in  der  2,  Bed.  bei  Spee  Trutznachtigall 
80  B.  Spätmhd.  geniüese,  mnd.  gemöse  n. 
«Speise,  Brei»,  Kollektiv  von  Mus  (s.  d.). 

43 


675 


gemüßigt 


gmeigt 


676 


£jemüßigt,  s.  -müßigen. 

gemut,  adj.:  in  der  Seele  gestimmt.  In 
wohlgemut  So  mhd.  gemuot,  md.  gemüde, 
aber  ahd.  gimuati  «angenehm,  lieb,  gütig», 
von  Mut  (s.  d.)  gebildet. 

Gremüt,  n.  (-es,  PL  -er):  Gesamtheit  der 
eicfentümlichen  Seelenstimmungen.  Die  un- 
verkürzte  Form  Gemüthe  u.  noch  bei  Lessing 
3,  285,  Goethe  50,  263  und  Faust  176.  Mhd. 
gemüete,  getmiote  n.  in  obiger  Bed.,  aber  auch 
«Herz,  Inneres,  Stimmung,  Verlangen,  Lust, 
Begehren,  Ansinnen»,  ahd.  gimuati  n.  «das 
Angenehme,  Gnade,  Vortreffhchkeit»;  dazu 
mnd.  gemöde,  gemöte,  gemöt,  mndl.  gemoede, 
nnld.  gemoed  n.  «Gemüt».  Kollektivbildung 
zu  Mut  (s.  d.).  Der  Plur,  im  16.  Jh.  Gemüte, 
Gemüt  (noch  bei  Goethe  6,  191  Gemüthe), 
aber  bereits  bei  Fischart  Nachtr.  1382  rmd 
Garg.  453  Gemüter.  ABL.  gemütlich,  adj.: 
das  Gemüt  beti-effend  (1572  bei  Wirsung 
Arzneib.  513),  mhd.  gemuotlich  «der  ange- 
nehmen Seelenstimmung  entsprechend,  ge- 
nehm», md.  im  Adv.  gemütliche  «gern,  frei- 
willig» (zu  ahd.  gimuati  n.  «das  Angenehme, 
Liebe»,  gimuati  Adj.  «angenehm,  lieb»),  noch 
im  16.  Jh.  gemütlich  «lieb,  willkommen»,  dann 
1723  bei  den  Herrnhutern  in  der  Bed.  «ge- 
mütvoll», in  dieser  tiefern  Bed.  von  Goethe 
in  die  Schriftsprache  eingeführt,  im  19.  Jh. 
ironisch  verflacht.  Gemütlichkeit,  f.,  1775 
bei  Adelung,  ZUS.  Gemütsart,  f.,  bei 
Geliert  3,  39.   Gemütsbewegung,  f.,  1654 

bei  Olearius  pers.  Rosenthal  7,  20.  gemüts- 
krank, adj.,  1691  bei  Stieler.  Gemüts- 
krankheit,  f.,  1727  bei  Aler.  Gemüts- 
mhe,  f.,  1691  bei  stieler,  Gemüthesruhe  bei 
Lohenstein  Hyac.  83,  Gemütsruwigkeit  1596 
bei  Hulsius.  Gemütsstimmuug,  f.  Ende 
des  18.  Jh.  aufgekommen. 

gen,  präp.:  gegen.  Üblich  nur  noch  von 
der  Richtung  nach  einem  Orte  oder  einer 
Weltgegend,  und  in  gen  Himmel.  Mhd.  gen, 
gein,  zusammengezogen  aus  gegin  (s.  gegen), 
im  16.  Jh.  auch  gehn,  ghen  geschrieben,  jetzt 
kurz  gesprochen. 

genant  (spr.  zenänt),  s.  genieren. 

genäschig,  adj.:  naschhaft,  in  den  Fast- 
uachtsp.  des  15.  Jh.  857,  22  geneschig,  nebst 
mhd.  genesche,  genasche  n.  «Nascherei»  abge- 
leitet von  naschen  (s.  d.). 

genau,  adj.:  sich  fest  anschließend;  selbst 
im  Kleinsten  übereinstimmend;  sehr  sparsam. 
Md.  und  selten  mhd.  genouwe,  genäive  «sorg- 
fältig»,  im    15.  Jh.   bei  Diefenbach  gl.  412^ 


genauwe.  gnauwe,  gnau  «sparsam»,  als  Adv. 
mhd.  genouioe,  1482  genaue  «kaum».  Wie 
das  einfache  mhd.  Adj.  nou.  nouve,  naive 
«eng,  sorgfältig»,  Adv.  nouwe,  nauwe  «knapp, 
kaum»,  ebenso  mnd.  nouwe,  nau  Adj.  und 
Adv,,  mndl.  nauwe,  nndl.  naauw  «eng,  pünkt- 
lich». Die  Etymologie  ist  schwierig.  Früher 
stellte  man  das  Wort  zu  nahe  (so  Hilde- 
brandt im  DWB.)  mit  Ausfall  eines  Guttu- 
rals. Doch  weisen  die  bedeutungsverwandten 
ags.  hneatv,  an.  hnöggr  «karg,  geizig»  auf  ein 
h  im  Anlaut.  Dazu  weiter  an.  hiöggva 
«schlagen,  stoßen»,  die  nebst  ahd.  hniuivan 
wohl  mit  gr.  Kvüeiv  «kratzen»  verwandt  sind. 
Anderseits  haben  ahd.  ganüan  «stoßen»,  anord. 
gnüa,  schwed.  gno,  dän.  gmi  «kratzen»,  got. 
Imauan  (aus  hi-nauan?)  «zerreiben»,  zu  denen 
genau  auch  gehören  könnte,  kein  h  im  An- 
laut gehabt.  Davon  Genauigkeit,  f.,  1664 
bei  Duez. 

Gendarm  (spr.  zqddrm),  m.  (-en  und  -s, 
PI.  -en):  bewaffneter  Schutzmann  zur  öffent- 
lichen Sicherheit.  Bei  Roth  1791  noch  Gens 
d'armes.  Campe  1813  Gendarme,  aus  franz. 
gendarme  m.,  urspr.  gens  d' armes  «Leute  der 
Waffen,  Waffenmänner»,  in  Frankreich  seit 
Karl  VII.  (15.  Jh.).  Name  der  schwergepan- 
zerten Reiter  in  den  Ordonnanzkompagnien, 
dann  seit  1660  einer  Eskadron  der  königl. 
Haustruppen  und  seit  1791  des  Straßenpolizei- 
korps  beim  französ.  Heere.  Gendarmerie,  f., 
1703  im  Zeitungslex,,  aus  iranz.  gendarmerie  t 

Gene,  f.  (spr.  zene),  s.  genieren. 

Genealogie, f.  (PL  -n):  Geschlechtskunde, 
-folge,  -register.    Md.  im  14.  Jh.  genealogye  f. 
(Hans  Marienlieder  789),  1538  bei  S.  Franck 
,  Chron.  d.  Teutschen  75 '^  Genealogy,  aus  gr.- 
lat.  genealogia,  gr.  YeveaXoYia  f.  «Geschlechts- 
herleitung»,   zusammenges.   aus   gr.  Yeved  f. 
[«Geburt,    Geschlecht»,   und  -\oYia  von  dem 
j  von    Xeftiv     abgeleiteten     -Xoyoc    «kundig». 
genealogisch,  adj..   nach  gr.  YEveaXoTiKÖc. 

genehm,  adj.:  gern  genommen,  annehm- 
I  bar;  wohlgefällig,  angenehm.    Mhd.  gencenie, 
!  md.  geneme,  1429  genem,  ahd.  nur  nämi,  ent- 
1  sprechend  got.  nems  in  andanems  «angenehm»; 
;  dazu  mnd.  geneme,  mndl.  ghename.    Zu  nehmen 
(s.  d.),   wie  gäbe   (s.  d.)   zu   geben.      Davon 
!  genehmigen,  v.,   1775   bei  Adelung,   dafür 
I  im  17.  Jh.  genehm  halten.    Genehmigung, 
f.,  1747   bei  Reichard  Historie  d.  deutschen 
[  Sprachkunst  441,  wofür  im  17.  Jh.  Genehm- 
haltung und  Genehmhdbung. 
1      geneigt,   Part.  Pass.   von   neigen  (s.  d.) 


677 


general 


generös 


678 


als  Adj.:  günstig,  wohlwollend,  mhd.  (md.) 
geneiget.  Davon  Geneigtheit,  f.,  bei  Besser 
Schriften  334  vom  J.  1717. 

general,  adj.:  allgemein  (1548  bei  Waldis 
Esop  4,  4,  72  Capifel  general,  heute  General- 
kapitel); in  Zusammensetzung  namentlich  bei 
kriegerischen  und  geistlichen  Begriflen  imd 
Ämtern  «Ober-,  Haupt-»  (s.  Genei'al).  Aus 
lat.  generalis  «allgemein»,  eig.  «die  Gattung 
(lat.  genus  n.)  betreffend»,  woher  das  franz. 
Adj.  general.  ZUS.  Generalbaß,  m. :  Haupt-, 
Grundbaß,  1626  General-Baß  (Germania  29, 
352),  1638  bei  H.  Albert  Arien  Vorr.  S.  2. 
Generalbeichte,  f.:  umfassende  Haupt- 
beichte, bei  Grimmelshausen  Simpl.  2,  173,  2 
Elh:  General  Beicht.  General  marsch,  m., 
allgemeiner  Heeresaufbruch,  1691  bei  Stieler. 
Generalprobe,  f.:  Hauptprobe,  1595  bei 
Prätorius  Anatomia  Luthei-i  3,  84  Generalproh. 
Generalyersamnilung,  f.   Erst  im  19.  Jh. 

General,  m.  (-5,  PI.  -e  und  Generäle,  im 
17.  u.   18.  Jh.   Generals,   z.  B.  Moscherosch 
Phil.  1,  288  und  noch  bei  Schiller  Pikk.  2,  7): 
Heerführer.     Kirchlich    bereits   im    13.  und 
14.  Jh.  mhd.  greneraZ  m.  «Haupt  eines  Mönchs- 
ordens», aus  mlat.  generalis  (s.  general).    Als 
deutsche  Kriegswürde   im  17.  Jh.  (1616  bei 
Wallhausen  Kriegsmanual  135 ff.),   von  fran- 
zösischen Heerführern  vereinzelt  schon  1510 
bei  "VTeUer  Zeitungen  17,  aus  gleichbed.  franz. 
general  m.,  gekürzt  aus  schon  1349  bezeugtem 
capitaine  general   (bei  Weller   55    übersetzt 
durch  Hauptnian  general).    Der  höchste  Be- 
fehlshaber des  Kriegsheeres  hieß  mhd.  houbet- 
man,  im  16.  Jh.  der  oberst  Hauptmann  (1556 
bei  Frisius  1057^),  1535  oberste)-  Veldliaupt- 
man  (Mone  Anz.  8,  301),  1596  bei  Fronsperger 
Kriegsb.  1,  47 ''ff.  General  Oberst  Hauptmann, 
General  Oberster,  General  Oberst,  im  17.  Jh. 
General   (1648   bei   Kemnitz    schwed.   Krieg 
1,9''  nebst  Generalat n.  «Feldhermamt,  Ober- 
befehl» 1,  294^)  und  Generalissimus,  m.  I 
(1665  bei  Böckler  Kriegsschule  37,  franz.  im 
16.  Jh.  generalissime  m.),    ein  neugebildeter 
Superlativ  des  lat.  generalis.    Dazu  Genera-  , 
lin,  f.,  bei  Grimmelshausen  Simpl.  2,  315,  16 
Kllr.    Generalität,  f.:  Gesamtheit  der  Feld- : 
herren,  1651  in  Möhners  Reise  86  Generalitet, : 
im  Simpl.  153  und  444  Generalität.     ZUS.  ' 
Generaladjutant,   m.:    Adjutant    im    un- 
mittelbaren Dienst  des  Oberfeldherm,    1651  \ 
in  Möhners   Reise  89,   nach   span.  ayudante 
general,  woher  auch  franz.  adjudant  general  '\ 
(s.  Adjutant).    Generalauditeur,  m.:  derj 


I  oberste  i-echtsgel  ehrte  Richter  im  Heerwesen, 
1665  bei  Böckler  Ki-iegsschule  54  General 
Auditor  neben  Generalgeicaltiger  m.  ^Qi&nersX- 
profoß»  58,  General- Auditeur  im  Anfang  des 
17.  Jh.  bei  Besser  Schriften  352  (s.  Auditeur). 
Generalfeldmarschall,m.,i665beiBöckler 
Kriegsschu\e4:lGeneral-Feld-Marschalk<i-Oher- 
befehlshaber  des  Heeres»  (s.  Feldmarschall, 
eig.  der  oberste  Reiterfühi-er).  General- 
fei dzeugmeister,  m.:  der  oberste  Befehls- 
haber über  das  Geschützwesen  (Feldzeug), 
1678  bei  Krämer,  1646  Generalreichsfeldzeug- 
meister  (Germ.  28,  367),  1535  der  oberste 
Zeiigmaister  bei  Mone  Anz.  8,  301.  General- 
leutnant, m.,  1617  bei  Wallhausen  Corp. 
mil.  10  General  Leuttenampt,  1648  bei  Kem- 
nitz schwed.  Krieg  1,  96^  General  Lieutenant 
«Stellvertreter  des  Generals,  des  obersten 
Feldherrn»  (s.  Leutnant).  Generalmajor, 
m.,  jetzt  der  Nächste  im  Range  nach  dem 
Generalleutnant,  im  17.  und  18.  Jh.  General 
Major  oder  General  Wachtmeister  «der  oberste 
Befehlshaber  der  Wachen»  (1665  bei  Böckler 
Kriegsschule  51,  Generalmajeur  1663  bei 
Schuppius  1,  249,  General- Wachtmeister  1632 
bei  Opel  und  Cohn  30j.  Krieg  420,  121),  s. 
Major.  Generaloberst,  m.,  1565  in  Fron- 
spergers Kriegsbuch  General  Oberst,  General 
Oberster  «oberster  Heerführer»,  1632  bei  Opel 
und  Cohn  420,  124  General- Obrister  «der 
Oberstkommandierende  einer  Waffengattung». 
Generalquartiermeister,  m.,  1665  bei 
Böckler  Kriegsschule  52  «der  Oberste  über 
das  Quartier-,  sowie  über  das  Festun gs-  und 
Belageningswesen».  Generalstab,  m.,  die 
Gesamtheit  der  zum  Stabe  eines  Generals 
gehörigen,  insbes.  der  mit  dem  Kriegsplan 
und  der  Ausführung  der  Anordnungen  des 
Oberfeldhen'n  betrauten  höheren  Offiziere, 
1665  bei  Böckler  37. 

generalisieren,  v. :  verallgemeinera.  Aus 
gleichbed.  frz.  generaliser,  abgeleitet  von 
general.    1813  ziemlich  eingebürgert  fCampe). 

Generation,  f.  (PI.  -e7i):  Zeugung  (1712 
bei  Hübner):  Geschlechtsfolge,  Menschenge- 
schlecht, d.  h.  die  Menschen  aus  der  Zeit 
von  30  Jahren  (1728  bei  Sperander).  Aus 
lat.  gener ätio  f.  «Zeugung»,  von  lat.  generäre 
«zeugen,  erzeugen». 

generell,  adj.:  allgemein,  im  allgemeinen. 
Mit  der  Endung  eil  umgebildet  aus  lat.  gene- 
ralis (s.  general).     1813  bei  Campe. 

generös  (spr.  zenerds),  adj.:  großmütig, 
freigebig.    Aus  gleichbed.  frz.  genereux  und 

43* 


679 


genesen 


Genieß 


680 


dies  aus  lat,  generösus  «edel».  1727  bei 
Sperander  genereux  «gi-oßmüthig,  adelich». 
genesen,  v.  (Präs.  genese,  genesest,  genest, 
Prät.  genas,  Konj.  genäse,  Part,  genesen):  ge- 
rettet werden,  heü  davon  kommen,  in  den 
Zustand  des  Gesundseins  übergehen,  von 
einem  Kind  entbunden  werden.  Mhd.  ge- 
nesen (Präs.  genise,  genisest,  geniset,  daher 
noch  im  16.  und  17.  Jh.  geniesest,  geniest, 
Prät.  genas,  Part,  genesen),  ahd,  ginesan  und 
einmal  die  3.  Sg.  Präs.  nisit;  dazu  asächs. 
ginesan,  mnd.  genesen  und  nesen,  ags.  genesan, 
got.  ganisan  «errettet,  erhalten  werden»,  wo- 
zu das  Kausativ  got.  ganasjan,  ahd.  ginerjan 
«gesund  machen,  heilen,  erretten»;  vielleicht 
auch  got.  gansjan  «verm-sachen»  aus  ga-ns-jan 
«hervorkommen  machen».  Gleichen  Stammes 
wie  nähren  (s.  d.)  und  urverwandt  mit  gr. 
v^o|Liai  «ich  kehre  zurück»,  vöctoc  m.  «Heim- 
kehr», aind.  näsafe  «er  gesellt  sich  zu», 
Ndsatjäu  «Götterärzte»,  aw. nä>9/iai^'a«Name 
eines  Geistes».  Aus  dem  Germanischen  ent- 
lehnt abg.  gonisti,  gomznajti  «gerettet,  wer- 
den». ABL.  Genesung,  f.,  1616  bei  Henisch. 
genial,  adj.:  starkgeistig,  schöpferisch, 
geistig  schwungvoll.  Gegen  Ende  des  18.  Jh. 
(1797  bei  Schiller  11,  141),  etwas  früher 
genialisch  (bei  Wieland  10,  243,  Goethe  Briefe 
2,  25).  Zu  Genie  (s.  d.),  der  Form  nach  zu 
dem  lat.  Adj.  geniälis  «seinem  genius  d.  i. 
seinem  eingebornen  Geiste  gütlich  tuend. 
Genialität,  f.,   1797  bei  Schiller  11,  177. 

Genick,  n.  (-es,  PI.  -e):  die  Gegend  der 
Halswirbel.  Die  vollere  Form  Genicke  noch 
bei  Wieland  22,  158,  Rückert  1,  530.  Mhd. 
genic,  genicke  n.,  im  Ablautsverhältnis  zu 
gleichbed.  Nacken  (s.  d.),  um  1480  im  Voc. 
ine.  teut.  iS^  genack  neben  genacken  h8^ 
als  Mask.,  bayr.  Genäck  und  tirol.-österr. 
Gnack  n.  ZUS.  Genickfang,  m.:  Stich 
ins  Genick  mit  einem  spitzen  Messer,  weid- 
männisch 1719  bei  Fleming  Jäger  2,  107^ 
Genück-Fang.  Genickfänger,  m.:  Nick- 
fänger (s.  d.).  Genickstarre,  f.:  Krank- 
heit, die  sich  in  einem  Steifwerden  des  Nackens 
äußert.     Neuere  Bildung. 

Genie (spr. fem),  n.  (-s,  PI.  -s):  Schöpfongs- 
kraft,  feuriger  Schöpfergeist  (bei  Geliert  5, 
79  vom  J.  1751) ;  Person  voll  feurigen  Schöpfer- 
geistes (1739  bei  Liscow  741,  10).  In  der 
Bed.  «natürliche  Anlage  und  Geschicklichkeit 
wozu»  schon  1706  bei  Menantes  Allerneueste 
Art  a6^  und  1715  bei  Elis.  Charlotte  2,  630. 
Auch  als  Mask.  bei  Wieland,  Schiller  Künstler 


255.  Nach  der  Aussprache  mehrmals  bei 
Herder,  bei  Schiller  Wall.  Lager  V.  209 
Schenie  geschrieben.  Aus  dem  gleichbed. 
franz.  genie  m.,  urspr.  «Schutzgeist»,  von  lat. 
genius  m.  «Schutzgeist,  Geist»  (s.  Genius). 
ZUS.  Geniestreich,  m.,  1782  im  Almanach 
der  Bellettrist.  100.  Dagegen  Genietruppen, 
PI.,  Geniewesen,  n.,  in  der  Militärsprache 
seit  dem  18.  Jh.  nach  franz.  genie  m.  «In- 
genieurkunst, Ingenieurkoi'ps»,  von  mlat. 
genium  für  ingenium  n.  «Maschine,  kunst- 
volles Werkzeug»,  im  Lat.  «Erfindungsgeist, 
geistreiche  Erfindung»  (s.  Ingenieur). 

genieren  (spr.  few-),  v.:  Zwang  antun, 
beschweren,  lästig  fallen.  Beim  j.  Goethe 
3,  498  geniren  und  nach  der  Aussprache  3, 
563  scheniren,  ebenso  bei  Hermes  Soph.  2, 
651  schenieren.  Aus  franz.  gener  «martern, 
quälen,  belästigen»,  afranz.  gehine,  nfranz. 
gene  f.  «Folter,  Qual,  Zwang»,  abgeleitet  aus 
kirchenlat.-hebr.  gehenna  f.  «HöUe»,  hebr. 
gehinnöm  «Tal  des  Gewimmers»  auf  der 
Südseite  von  Jerusalem,  dem  Götzen  Mo- 
loch geweiht,  genant  (spr.  zenänt):  be- 
lästigend. Aus  franz.  genant.  Part.  Präs.  von 
gener.  Noch  nicht  bei  Campe  1813.  Gene 
(spr.  zene),  f.:  Zwang,  den  man  sich  auf- 
erlegt. Aus  gleichbed.  franz.  gene  f.  (s.  o.). 
Bei  Campe  1813. 

Genieß,  m.  (-es,  PI.  -e),  mhd.  genieß, 
md.  genl^  m.  «das  Genießen,  Benutzung, 
Nutznießung,  Ertrag,  Nutzen,  Vorteil,  Lohn, 
Genuß  •>•>,  neben  gleichbed.  mhd.  niegm.,  ältemhd. 
Nieß  (s.  Nießbrauch) ;  dazu  mnd.  genet  m.  n., 
mndl.  geniet  n.  Bayrisch.  Von  genießen,  v. 
(Prät.  genoß,  genössest  usw.,  Konj.  genösse, 
Part,  genossen):  zu  guter  An-,  Verwendung 
haben;  angenehm  empfinden;  Speise  oder 
Trank  zu  sich  nehmen.  Mhd.  genießen  (Präs. 
geniu§est,  gemutet,  daher  älternhd.  bis  Ende 
des  18.  Jh.  geneußest,  geneußt  und  Imp. 
geneuß,  Prät.  mhd.  genog,  Konj.  genügte,  Part, 
genügten),  md.  genigen,  ahd.  giniogan;  dazu 
mnd.  geneten,  mndl.  genieten,  aber  got.  ganiu- 
tan  «fangen»  nebst  nuta  m.  «Fänger,  Fischer». 
Zusammengesetzt  mit  mhd.  niesen,  ahd.  niogan, 
älternhd.  nießen  (noch  bei  Wieland  an  Merck 
16.  Jan.  1777  und  schweizerisch),  asächs. 
niotan,  afries.  nieta,  niata,  ags.  neotan,  anord, 
njöta,  got.  niutan,  gleichbed.  mit  genießen, 
urverwandt  mit  lit.  naudä  f.  «Nutzen»,  naüdyti 
«begehren»,  panüsti  «sich  gelüsten  lassen». 
Aus  dem  Deutschen  noch  Nutzen  und  Ge- 
nosse (s.  d.).      Die    Zugehörigkeit    von    lat. 


681 


Genist 


genug 


682 


nutnre  «ernähi-en»  ist  zweifelhaft.  Vgl. ' 
Walde  s.  v.  ABL.  genießbar,  adj.,  1691  ' 
bei  Stieler. 

Genist,  Geniste,  n.  (-es,  PI.  -e):  Abgang 

von  Stroh,  Eeisicr  usw.,  eisr.  «was  der  Vogel 
zum  Xestbau  braucht».  Mhd.  geniste,  genist  n.  j 
«Nest»,  Kollektiv  von  Xest  (s.  d.),  bereits 
im  14.  Jh.  in  der  heutigen  Bed.  Xoch  obd. 
Genitiy,  Genetiv,  m.  {-s,  PI.  -e):  Fall 
auf  die  Frage  wessen?  Zeuge-,  Besitzfall. 
Aus  lat.  genitivus,  nach  den  besten  Hand- 
schiiften  genetivus  «Angeborensein,  Zeugung 
anzeigender»  (zu  ergänzen  casus,  s.  Kasus), 
gebildet  nach  gleichbed.  gr.  -feviKr)  f.  (nämlich 

TTTlLciC    «Fall». 

Genius,  m.  (PI.  Genien):  Schutzgeist, 
Flügelgeist.  Als  Schutzgeist  des  Dichters 
schon  bei  H.  Sachs  1,  437  flf.,  im  18.  Jh.  durch 
Winkelmann,  Lessing,  Wieland  in  der  Lite- 
ratur heimisch  geworden.  Der  PI.  Genien  bei 
Klopstock  Od.  193.    Aus  glbd.  lat.  genius  m. 

Genösse,  m.  (-n,  PI.  -n),  verkürzt  Genoß: 
Gefährte,  Teilhaber,  eig.  der  Mitgenießende. 
ähnlich  wie  gleichbed.  got.  gahlaiha  m.,  eig. 
«Brotgenosse»  (s.  Laib),  und  Kompagnon  (s.  d., 
abgeleitet  von  lat.  pänis  m.  «Brot».  Etwas 
anders  Meringer  Idg.  Forsch.  18,  234  «der  zum 
Vieh  (ahd.  no^,  anord.  naiit,  ags.  nyten)  gehört». 
Mhd.  starkbiegend  geno^.  gnog,  ahd.  ga-.  ginö^ 
m.  neben  schwachflekt.  (selten)  mhd.  genöge, 
gnö^e,  ahd.  ginögo  m.;  dazu  asächs.  u.  mnd. 
genöt,  ndl.  genoot,  ags.  geneat,  anord.  nautr  m. 
ABL.  GenOSSame,  f.  (PI.  -??):  Verein  von 
Teilhabern  (Schiller  Teil  2,  2),  mhd.  genog- 
same^.  « Genossenschaft, Gesamtheit  von(fi-eien 
oder  hörigen)  Standesgenossen,  Gemeinde 
Gleichberechtigter,  Vereinigung,  Ausglei- 
chung», ahd.  ginö^semi  f.  «Verbindung»,  ab- 
geleitet von  dem  ahd.  Adj.  gino^sam  «in 
Gesellschaft  zu  reden  wissend,  gesellig»,  mhd. 
geno^sam « ebenbürtig».  Genossenschaft,  f., 
1648  bei  Zesen  Ibr.  210,  aber  Gnoßschafft 
1654  bei  Logau  3,  1,  20,  mhd.  genö^schaft, 
gnö^schaft,  ahd.  ga-,  ginö^scaf.  ginopcapht  f., 
nndl.  genootschap  n.  Genossin,  f.  (PI.  -neyi): 
Gefährtin,  mhd.  genö^inne,  genoe^inne,  ahd. 
gino^inna  f.,  wo  neben  mhd.  genaue  f.  «Gattin». 

Genov^fa,  Frauenname,  ahd.  Genovefa. 
Ursprünglich  fränkisch.    Dunklen  Ursprungs. 

Genre  (spr.  fe>ar),  n.  (-S,  PI.  -s):  Gattung, 
Art  (1797  bei  Goethe  an  Schiller  3,  148  u. 
239,  1813  bei  Campe  nicht  verzeichnet);  (in 
der  Malei-ei)  das  Gebiet  des  allgemein  Mensch- 
lichen.    Aus  gleichbed.  franz.  genre  m.,  von 


lat.  genus  (Gen.  generis)  n.  «Geschlecht,  Art». 
ZTJS.  Genrebild,  n.:  bildliche  DarsteUung 
aus  dem  gewöhnlichen  Leben,  erst  nach  1800. 

Gentleman  (spr.  cUentlman),  m.  (-S,  PI. 
Gentlemen) :  Mann  von  Büdung  und  Anstand. 
Aus  dem  gleichbed.  englischen  gentleman. 
1791   bei  Eoth. 

genug,  adv.:  so  viel  als  erfordert  wird. 
Mhd.  als  Adv.  gemioc.  gnuoc,  ahd.  ginuog.  gnuog, 
md.  genüc,  genüch,  gnüc,  das  unflekt.  Neutrum 
des  mhd.  Adj.  genuoc  «him-eichend,  manch, 
viel»,  ahd.  ginuogi,  ginnoc,  md.  genüc,  genüch; 
dazu  als  Adj.  und  Adv.  asächs,  ginög,  mnd. 
genöch,  ennöch,  noch,  afries.  enoch,  anoegh, 
noch,  ags.  genüg,  genöh,  engl,  enough,  anord. 
Adj.  gnögr  und  nögr,  Adv.  gnöga,  nögu,  nög, 
got.  Adj.  ganöhs.  Gleichen  Stammes  wie  die 
Prät.  Präs.  got.  ganah,  ahd.  ginah  «es  genügt» 
und  got.  Mnah  «es  darf',  es  muß»,  sowie 
anord.  nä  «erreichen».  Der  Stamm  iiah  ge- 
hört einer  weitverbreiteten  Sippe  an,  die 
«tragen»  bedeutet.  Hierher  gr.  ^ve-fKeiv  «brin- 
gen», ö-fKoc  m.  «Tracht,  Last»,  Ht.  nesti,  abg. 
nesti  «tragen»,  daraus  dann  die  weitere  Be- 
deutvmg  «erlangen»,  in  aind.  agnöti,  aw.  as- 
naoiti  «erreicht,  erlangt»,  ai'men.  hasanem 
«komme  an,  komme  zu  etwas»,  lat.  nancisci 
«erreichen»,  ir.  at-chöni-naic  «accidit»,  cöini- 
nactar  «potuerunt».  Got.  ganah  bedeutet 
also  «er  hat  getragen,  ertragen».  Vgl.  Me- 
ringer Idg.  Forsch.  18,  218.  Mit  Nasal  ge- 
nung,  mimdai-tlich  in  IVlitteldeutschland,  da- 
her bei  Goethe  und  früher  bei  Giyphius 
und  H.  Sachs,  bereits  im  15.  Jh.  genung  und 
im  14.  Jh.  genunk.  ABL.  Genüge,  f.,  mhd. 
genüege,  md.  genüge,  gnüge,  ahd.  ginuogi,  gi- 
nögii.  «Fülle,  Übei-fluß»,  dazu  asächs.  ginögi  f. 
«Befriedigimg»,  mnd.  genoge  f.  Durch  Ver- 
mischung mit  Geniigen  n.  (schon  mhd.  ge- 
nüegen  n.)  entstand  im  17.  Jh.  das  Neutr. 
Genüge  (noch  bei  Wieland  und  Schiller), 
verschieden  von  ahd.  ginuagi  n.  «das  Aus- 
reichende, die  Genüge».  Dafür  got.  ganauha 
m.  «Genüge,  Genügsamkeit»,  genügen,  v.: 
Genüge  leisten, hinreichend  se'm,inh.d.gt'nüegen , 
'^genuogen,  md.  genügen,  ahd.  ginuogan;  dazu 
mnd.  genügen,  nögen,  ndl.  genoegen,  anord. 
\gnoegja,  got.  ganöhjan  «Genüge  leisten,  be- 
friedigen», ganöhnan  «genug  sein  oder  wer- 
.  den»,  geuüglich,  adj.,  mhd.  genüegtlich, 
^  mnd.  genöchlik,  mndl.  ghenoegheb'jk.  genug- 
sam, adj.  mhd.  genuocsam,  gewöhnlich  aber 
geniihtsam,  ahd.  ginuhtsam,  asächs.  in  ginuht- 
samitha  f.  «Fülle»   (von    mhd.  genuht,   ahd. 


683 


Oenus 


Ger 


684 


ginuht,  ags.  genyht,  anord.  gnött  f.  «Genüge, 
Menge,  Überfluß»).  genÜgSam,  adj.  zu 
genügen:  «leicht  zu  befriedigen»,  im  15.  Jh. 
bei  Nicl.  v.  Wyle  315,  18;  dazu  Grenügsam- 
keit,  f.,  1741  bei  Frisch,  in  der  Bed.«Genüge» 
1691  bei  Stieler.  ZUS.  GeilUgtuung,  f., 
1482  imVoctheut.  IS''  genugtuung,  1429  bei 
Diefenbach  nov.  gl.  327^  genngtunung. 

Genus,  n.(P\.  Genera):  Sprach  geschlecht. 
Das  lat.  genus  n.  «Geschlecht»,  insbes.  auch 
(nach  gr.  y^voc  n.)  «das  grammatische». 

Genuß,  m.  (Gen.  Genusses,  PI.  Genüsse): 
das  Genießen,  bes.  mit  Lust  (1716  bei  Ludwig). 
Seit  dem  17.  Jh.  allmählich  eingebürgert  für 
das  ältere  Genieß  (s.  d.).  1664  bei  Duez, 
aber  vereinzelt  vielleicht  schon  im  13.  Jh. 
im  Berliner  Heldenbuch  5,  40**  nach  genn^^e. 
Mnd.  bereits  im  15.  Jh.  genut  m.  häufig  neben 
genet  m.,  mndl.  genot  n.  ZUS.  Genuß- 
mittel, n.,  1663  bei  Schottel  532  Genos- 
niittel  (wie  1678  bei  Krämer  Genoß  m.  «Ge- 
nuß» und  bei  Lohenstein  Armin.  1,  554  u. 
1081  genoßbar  «genießbar»).  Genußsucht, 
f.  und  genußsüchtig,  adj.,  1808  bei  Campe 
als  neu. 

GenÜSSel,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Gewürm. 
Bei  Goethe  3,  251  Schlangen-Genüssel  r\.  Ab- 
geleitet von  mhd.  genisse  n.  «Gewürm»,  Kol- 
lektiv von  ahd.  nesso  m.  «Wurm». 

Geograph,  m.  (-en,  PI.  -en):  Erdbe- 
schreiber.  1595  bei  Welser-Werlichius  Chron. 
4,  81.  Nach  gr,  YeiuYpdqpoc  «erdbeschreibend», 
dann  als  Subst.,  von  gr.  yla,  yr\  f.  «Erde» 
(mit  der  in  der  Zusammensetzung  auftretenden 
Form  f۟)-  aus  t^o-)  und  einer  Ableitung  von 
Tpdqpeiv  «schreiben».  Dazu  Geographie,  f. : 
Erdbeschreibung,  Erdkunde,  1534  bei  S.Franck 
Weltb.  62 '^  Geographey  f.,  aus  gr.-lat.  geö- 
graphia,  gr.  Teu^Tpacpia  f.,  geographisch, 
adj.,  nach  dem  gr.  Adj.  YeoJYPctcpiKÖc.  Geo- 
logie, f.:  Lehre  von  der  Beschaflenheit  der 
Erde.  1727  bei  Hübner.  Geom^ter,  m. 
(-S,  PI.  wie  Sg.):  Landmesser,  1540  bei  Al- 
berus  dict.  Vu  2  %  als  Eigenname  eines  Bau- 
meisters mhd.  Geometras,  aus  gr.-mlat.  geo- 
meter  statt  des  älteren  gr.-lat.  geönietres,  gr, 
T€U)|adTpr|c  m.,  von  gr.  Y^a,  fr\  f.  «Erde»  und 
einer  Ableitung  von  lu^xpov  n.  «Maß»,  luexpeTv 
«messen».  Dazu  Geometrie,  f.:  Feldmeß- 
kunst, mhd.  geometrie,  jeometri  f.,  aus  gr.-lat. 
geötnetria,  gr,  Yei^nexpia  f.;  geometrisch, 
adj.,  1558  bei  Rivius  geometrische  Büxen- 
meisterey,  nach  dem  gr.-lat.  Adj.  geömetricus, 
gr.  Y^u^MefpiKÖc. 


Georg,  Mannsname.  Ahd,  Georgjo,  Gorjo. 
Aus  gr.-lat.  Georgius,  gr.  FeuupYioc,  zu  gr. 
YeiupYÖc  m,  «Landbauer,  Ackermann»,  nebst 
gr,  Y^ujpTeiv  «Land  bauen»  zusammenges.  aus 
gr,  yia,  fr\  f,  «Erde»  und  einer  Bildung  von 
^PYov  n.  «Werk,  Arbeit»,  Dazu  als  Frauen- 
name Georgine,  nach  franz.  Georgine;  die 
gleichnamige,  aus  Mexiko  stammende  Pflanze 
{Dahlia,  bez.  Georgina)  dagegen  ist  zu  An- 
fang des  19.  Jh.  nach  dem  Petersburger 
Professor  Joh.  Gottlieb  Georgi  benannt, 

Gepäck,  n,  [-es,  PI,  -e):  die  zusammen- 
gepackten Sachen,  Kollektiv  von  Pack.  Im 
18,  Jh.  auch  vmverkürzt  Gepäcke  n,  (Lessing 
10,  79),  1540  bei  Alberus  dict,  U4:^  Gepeck, 
ndi-hein.  im  14,  Jh.  und  mnd.  gepack  n.  Vom 
Gepäck  des  Heeres  seit  dem  siebenjährigen 
Kriege  (Jahn  deutsches  Volkstum  375),  für 
das  im  17,  und  18.  Jh.  übliche  Bagage  f.,  aber 
schon  1617  bei  Wallhausen  Corp,  mil,  213 
Gepäck,  in  den  Landsknechtsheeren  Plunder. 

Gepflogenheit,  f.  (PI,  -en):  Art  und 
Weise,  wie  man  seither  zu  tun  gepflogen  hat. 
Brauch,  Im  19.  Jh.  aus  der  österreichischen 
Geschäftssprache  übernommen. 

Geplärr,  n.  (-es,  PI,  -e):  Gelärm,  Ge- 
schwätz, Mhd,  gehlerre,  geplerre,  gehlär  n. 
Substantiv  zn plärren  (s.  d,).  Anders  älternhd. 
Geplärr  n.  «Blendwerk»,  1482  bei  Melber 
B  5^  gepler  (Var.  geplerr),  zu  älternhd.  Plärr, 
Plerr  n,  f,  «Nebel  vor  den  Augen,  falsches 
oder  doppeltes  Sehen», 

Gepolter,  n.  (-s):  wiederholtes  Poltern 
(s,  d,).  Bei  Luther  3,  532^,  im  15,  Jh.  md. 
gehulder  bei  Diefenbach  gl.  601  *'. 

Gepräge,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  aufgepreßtes 
Zeichen  oder  Bild.  Bei  Luther  8,  250  ^  Ge- 
prege,  bei  S.  Pranck  Chron.  193*^  Gebräge, 
im  15,  Jh,  geprege,  gepreche  (Voc,  1482),  ge- 
prech,  mhd,  gehrceche,  gep-cBche,  gepräche,  md, 
gehreche,  gebrech  n.  in  der  heutigen  Bed., 
ahd,  gibrächi  n,  «erhabenes  Bildwerk»,  Sub- 
stantiv zu  prägen  (s,  d.). 

Gepränge,  n.  (-s):  feierliche  Pracht, 
Prunk.  Spätmhd,  im  1 5,  Jh,  gepräng  (Wolken- 
stein Nr,  59,  49  Schatz),  geprenck  n,  Sub- 
stantiv zu  prangen  (s,  d,), 

Ger,  m,  (-es,  PI.  -e):  Wurfspieß.  Nur 
noch  altertümlich.  Mhd.  ger  und  gere,  ahd. 
ger  und  gero  m.  «Spieß,  vorn  mit  breitem 
Eisen,  zu  Wui'f  und  Stoß»,  im  12,  Jh,  durch 
die  Eitterwaife,  den  Speer  (s,  d,)  verdrängt; 
dazu  asächs,  ger,  ags,  gär,  anord,  geirr  m. 
Mit  ui-spiünglichem  s  lat.  gaesuni  n.  und  gr. 


685 


gerad 


Geraufe 


686 


Yaicoc  m.,  ycTcov  u.  «leicliter  gallischer  und 
spanischex-  Wurfspieß»,  ebenso  in  altgerma- 
nischen Eigennamen  wie  Radagaisus  usw. 
Gleichen  Stammes  wie  Geisel  (s.  d.),  urver- 
wandt mit  altir.  gae  «Spieß»  und  vielleicht 
mit  gr.  xaioc  m.  <f Hirtenstab»,  aind.  hesas  n. 
«Verwundung».  Mit  ahd.  ger  zusammenge- 
setzte Personemiamen  sind:  Oerbert,  ahd. 
Gerperht,  Gerp-aht,  der  zweite  Bestandteil 
zu  ahd.  hrehan  «glänzen»;  Gerhard,  ahd. 
Gerhart;  Gerliiid,  Gerlinde,  ahd.  Gerlint;  \ 
Gertrud,  Gertraud,  ahd.  Gertrüt,  der 
zweite  Teil  vielleicht  zu  a.novd.  ßrüdr  f.  «Wal- ; 
kyre»,  spätei"  angelehnt  an  mhd.  trüt  «traut». 

^  gerad,  gerade,  adj.:  gleichpaarig,  ohne  , 
Bruchteil  durch  2  teilbar.    Mhd.  gerat,  gerade, 
ahd.  gerad  (nur  von  Zahlen).    Zu  got.  rapjö  f. 
«Zahl»,  garapjan  «zählen,  rechnen»,  demnach  , 
eig.  «gleichzählend». 

'  -gerad,  gerade,  adj,  (Komp.  gerader,  i 
Superl.  geradest):  in  einer  und  derselben 
Richtung  fortlaufend  oder  -gehend  nach  keiner 
Seite  abweichend;  in  übertragner  Bed.  offen 
und  ehi-lich  (vom  Charakter  1616  bei  Henisch, 
von  Worten  1566  bei  Mathesius  Luther  203,  22 
Neudr.).  Mhd.  gerat,  gerade  «geschwind, 
schnell  bei  der  Hand,  gewandt,  tüchtig»,  dann 
im  Md.  (14.  Jh.)  «schnell  aufgeschossen», 
frisch  und  lang  aufgewachsen  (Ködiz  18,  12), 
der  Länge  nach  ausgestreckt  (ebd.  97,  21), 
der  Länge  nach  ununterbrochen  .  und  zu- 
sammenhängend (ebd.  83,  22),  ahd.  giradi 
«velocissimus»,  ags.  gerade  «rasch».  Zu- 
sammenges.  mit  dem  ahd.  Adj.  hrat,  rat  «ge- 
schwind, schnell»,  mhd.  rat,  mnd.  rat,  rode, 
nndl.  rad,  ags.  hrced,  hrcect  und  rcede,  anord. 
hradr,  im  Adv.  ahd.  hrato,  lirado,  rado,  mit 
dem  Komp.  hrador  und  Superl.  kradost.  Das 
Adv.  gerade  «eben,  just»,  mhä.  gerade  «rasch, 
schnell,  sogleich»,  bei  Mone  Schauspiele  des 
MA.  2,  392  u.  397  grad  «genau,  eben»,  ahd. 
girado  für  das  lat.  ecce.  Substantivisch  in 
der  Geometrie  Gerade,  f. :  gerade  Linie,  wahr- 
scheinlich um  1830  von  Jak.  Steiner  einge- 
führt, wie  schon  bei  Galilei  retta  f.  als  Ab- 
kürzung von  linea  retta.  ABL.  Geradheit, 
f.,  1482  im  Voc.  tbeut.  18^  geradheit  «das 
Wohlgewachsensein,  Wohlgestalt», 

Gerade,  f.  (ohne  PI.) :  die  fahrende  Habe 
der  Frau,  deren  Hauptteil  der  weibliche 
Schmuck  und  Zierat  ist.  Norddeutsch  im 
Gebiet  des  sächsischen  Rechts  bis  ins  18.  Jh. 
(bei  Geliert  und  Rabener).  Im  Sachsen- 
spiegel gerade  f.,  mnd.  rade  f.  und  gerade  f.  u. 


(mit  Anlehnung  an  Gerät).  Die  Verbindung 
mit  anord.  reiäa  f.  «Schmuck»,  reidi  n.  «Schiffs- 
und Roßzierat»  (Hildebrandt  DWB.)  scheitert 
am  Vokalismus.  Das  Wort  muß  zu  Bat 
(s.  d.)  gehören, 

Geräms,  n.  (-es,  PI, -e):  Gitterwerk.  Bei 
Goethe  26,  12,  Geremß  1537  bei  Dasypodius, 
ndrhem.  im  lA.S'h.geremzen.,  Kollektivbildung 
von  mhd. ram,  ahd. rawa  «Gestell»  (s. Rahmen). 

Geränium,  n  .(-s,  PI.  Geranien):  eine  Pflanze, 
Storchschnabel.  Aus  gleichbed.  gr.  fepöviov 
von  Y^pavoc  f.  «Kranich».    1727  bei  Hübner. 

Gerät,  n.  (-es,  PI.  -e):  beweghches  Be- 
sitztum in  Werkzeugen  usw.  Bei  Schiller 
Kab.  2239  und  Goethe  Faust  676  unverkürzt 
Geräte  n.,  Kollektiv  zu  Rat  (s.  d.).  Mhd. 
gercete,  md.  gerete,  gei'ede,  ahd.  giräti  n.  «Be- 
ratung, Beirat,  Überlegung,  Fürsorge,  Hilfe, 
Ausrüstung,  Vorrat,  Fülle,  Reichtum»,  im 
Md.  «Hausrat,  Zeug»;  dazu  asächs.  girädi  n. 
« Hilfe,  Vorteil »,  mnd.  gerede  n. «  G erat ».  ABL. 
Gerätschaft,  f.,  1507  beiWilwoltv.Schaumb. 
152  geretschaft,  mnd.  geratscap  (Diefenbach 
nov.  gl.  387  a). 

geraten,  v.  (Präs.  gerate,  gerätst,  gerät, 
Vräi. geriet,  Kon},  geriete,  Fart.  geraten):  von 
erwünschtem  Fortgang  sein ;  glücklicher,  daim 
zufälligerweise  Wohin  gelangen.  Zusammen- 
gesetzt mit  raten  (s.  d.).  Mhd.  geraten  (Präs. 
geratest,  geratet,  umgelautet  geratest,  ge^'cetet 
und  gercet,  Prät.  geriet),  ahd.  girätan  (Präs. 
girätis,  girätit,  Prät,  giriat)  «anraten,  guten 
Rat  halten  und  geben»,  hieraus  dann  im 
Mhd.  auch  die  heutigen  Bedeutungen  und 
«entbehren,  entraten»;  dazu  asächs.  girädan 
«ratend  bewirken»,  mnd.  geraden  «gelingen, 
zu  etwas  kommen»,  got.  garedan  «worauf 
bedacht  sein».  Mit  dem  Imperativ  ist  zu- 
sammengesetzt: Geratewohl,  n.,  bei  Luther 
Geratrvol  u.,  1561  bei  Maaler  Geradtwol  m., 
dafür  1574  bei  Horscht  Geheimnisse  der 
Natur  4,  Q  2  **  auff  ein  Berahtwol. 

Geräuch,  n.  (-es,  PI.  -e):  Räucherwerk. 
Bei  Luther  Ger  euch.  Spätahd.  im  11.  Jh. 
gerouche  n.  x  Räucherung».  Substantiv  zu 
oberd.  rauchen,  nhd. roiihan  «räuchern,  rauchen 
machen»,  dem  Faktitiv  von  ahd.  riohhan 
«ausdünsten»  (s,  riechen). 

Geraufe,  n.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Streit  mit 
Raufen  an  den  Haaren;  Streit  mit  TätUch- 
keiten,  bes.  im  Durcheinander.  1678  bei 
Krämer  Gerauff',  bei  Luther  Gereuffe,  bereits 
um  die  Mitte  des  14.  Jh.  gereuffe  n.,  Sub- 
stantiv zu  raufen  (s.  d.). 


687 


geraum 


Gericht 


688 


geraum,  adj.:  viel  Raum  enthaltend; 
lange  Zeit  (im  15.  Jh.).  Im  15.  Jh.  geraum, 
mhd.  gerüme,  gerüm,  ahd.  nur  im  Adv.  gi- 
rümo  «bequem,  günstig»;  dazu  mnd.  gerüme, 
ags.  gerüme.  Zusammengesetzt  mit  dem 
gleichbed.  mhd.  Adj.  rüm,  älternhd.  räum, 
ahd.  r^)ni  und  r^m,  asächs.-mnd.-afries.-ags. 
rüm,  ndl.  ruim,  anord,  rümr,  schwed.-dän. 
rum,  got.  rüms  «geräumig»,  das  zum  Subst. 
Bmim  (s.  d.)  gehört.  ABL.  geräumig, 
adj.,  1711  bei  Rädlein,  geräumig  1640  bei 
Comenius,  mhd.  gerümeclich. 

Geräumte,  auch  Geräum  de,  n.  (-.?,  PI. 
wie  Sg.):  zu  Ackerland  abgeholzter  Wald- 
platz; ausgehauner  Richtweg  im  Walde.  In 
der  1.  Bed.  in  der  brandenburg.  -  kulmbach. 
Waldordnung  von  1531  Geräumd;  in  der 
2.  Bed.  1763  bei  Heppe  Jäger  Geräumt.  Ab- 
leitung von  räumen  (s.  d.). 

^Geräusch,  n.  (-es,  PI.  -e):  wiederholtes 
Rauschen  (s.  d.).  Unverkürzt  Geräusche  bei 
Weiße  Opern  3,  60.  Bei  Alberus  dict.  1540 
r3^  Gereusch,  bei  H.  Sachs  Geräusch,  mhd. 
geriusche,  md.  gerüsche  n.;  dazu  mnd.  gerüsch, 
mudl.  gheruysch. 

-Geräusch,  n.  {-es,  PI.  -e):  das  Einge- 
weide geschlachteter  Tiere,  bes.  Hei'z,  Lunge 
und  Leber.  1557  bei  Montanus  Wegkürzer 
27^  Gereusch,  1482  im  Voc.  theut.  p6^  in- 
gerewsch,  mhd.  ingeriusche  n.,  wo  in-  wie  in 
älternhd.  Ingeweide  (s.  Eingeweide);  dazu 
mnd.  rusch.     Dunklen  Ursprungs, 

gerhen,  v.:  durch  Beizen  zu  Leder  und 
dgl.  bereiten.  Im  15.  Jh.  gerhen,  mhd.  gerwen, 
gereiven,  clevisch  1477  gherwen,  mnd.  geren 
«gerben»,  ahd.  garawen  gar  d.  i.  «bereit 
machen,  zubereiten,  rüsten»;  in  diesem  all- 
gemeinern Sinne  auch  mhd.  gerwen,  garwen, 
asächs.  garuwian,  gerivean,  and.  wfg-gi-gerwi 
n.  «Streitausiüstung»,  ags.  gearwian.  Abge- 
leitet von  gar  (s.  d.).  ABL.  Gerber,  m.; 
Leder  bereitender  Handwerker,  mhd.  gerewer, 
gerwer,  1302  gerber,  ahd.  ledergerwere  neben 
ledergaratvo,  mhd.  ledergerwe  m.;  dazu  mnd. 
gerwere,  gerer,  nnd.  garwer  m.  Davon  Ger- 
berei, f.,  1691  bei  Stieler. 

Gerbert,  Mannesname,  s.  Ger. 

Gerd,  Mannesname,  Küi'zung  aus  Ger- 
hart (s.  Ger). 

Gereb,  n.  {-es,  PI.  -e)-.  die  obern  Ein- 
geweide (Lunge,  Leber,  Milz,  Herz)  des  ge- 
schlachteten eßbaren  Tieres,  Westmd.  Gerdb^ 
Ger  ab,  Geraub,  bayr.-östr.  Gereb  mit  den 
Nebenformen    Greh,    Kreh,    1424    gereb   n. 


(Schmeller),  in  der  Zimm.  Chi-on.  ^  3,  412,  41 
krebe  m.;  dazu  mndl.  gheroof,  vläm.  geroof. 
Wohl  zu  Bebe,  ahd.  reba,  ahd.  hirnireba 
«Hirnschale»,  eig.  «was  sich  um  das  Hirn 
schlingt».     G.  also  soviel  wie   Geschlinge. 

gerecht,  adj.:  geradlinig,  gerade;  ohne 
Schmälerung  und  Beugung  des  Rechts.  Mhd. 
gereht  in  beiden  Bed.,  auch  «leibhch  geschickt, 
tauglich,  schuldlos,  richtig,  rechts»,  ahd.  gireht, 
gr cht  «gerade,  geradlinig»;  dazu  got.  garaihts 
«mit  dem  Recht  übereinstimmend,  rechtlich 
gesinnt»;  im  Adv.  got.  garaihtaba  «gerecht, 
mit  Recht»,  ahd.  grehto  «gerade,  also,  denn», 
mhd.  gerehte  «bereit,  rechts».  Zusammen- 
gesetzt mit  dem  Adj.  recht  (s.  d.).  Davon 
Gerechtigkeit,  f.,  mhd.  gerehtikeit,  gerehte- 
keit  f.  «sittliche  Paßlichkeit,  Rechtspflege, 
rechtlich  gegründete  Befugnis,  Gerechtsame, 
Vorrecht,  rechtlich  begründeter  Anspruch 
oder  Abgabe».  Gerechtsame,  f.:  Recht, 
Vorrecht,    1594   bei  Frischlin  Nomencl.  425. 

gereichen,  v.:  wohin  seinen  Ausgang 
nehmen,  zu  etwas  ausschlagen  (bei  Luther), 
namentlich  in  der  RA.  zur  Ehre  g.  Mhd. 
gereichen  «reichen  (s,  d.),  erreichen». 

gereueu,  v. :  reuen  (s,  d.).  Mhd.  geriuwen 
«in  Reue  versetzen,  Reue  empfinden». 

Gerfalke,  Gierfalke,  m.  (-%,  PI.  -n): 

größte  Art  der  Jagdfalken,  im  äußersten 
Norden  heimisch.  Mhd.  gerfalke,  gerfalk, 
girfalco  (Mone  Anz.  8,  396,  188);  dazu  ndl. 
giervalk,  engl,  gerfawcon,  gerkin.  Entlehnt 
aus  anord.  geirfalki  m.  «der  isländische  Jagd- 
falke», eig.  «Speerfalke,  dessen  Sitzstange 
ein  Ger  (s,  d.)  ist».  Aus  dem  Germanischen 
im  12.  Jh.  entlehnt  franz.  gerfaut,  prov.  gir- 
falcs,  ital.  girfalco,  gerfalco  m.,  mlat.  girfalcus, 
gyrofalco  m.,  umgedeutet  auf  gr.-lat.  gyrus  m. 
«Kreis»,  weil  dieser  Falke  im  Kreise  fliegend 
die  erspähte  Beute  verfolgt,  daher  im  15.  Jh. 
bei  Mynsinger  8  girofalck  durch,  zivirhelfalck 
verdeutscht  (von  md.  zwirwelen  «wirbeln»). 

Gerhard,  s,  Ger. 

^Gericht,  n.  {-es,  PI.  -e):  angerichtete 
Speise.  Mhd.  gerillte  n.  Subst.  zu  richten  (s.  d.) 
im  Sinne  von  «anrichten,  zur  Schüssel  ordnen». 

^Gericht,  n.  {-es,  PI.  -e):  Handlung, 
Amt,  Oi-t,  Bezirk,  Entscheid  des  Richtens 
d.  i.  Rechtsprechens.  Mhd.  gerihte,  geriht, 
ahd.  girihti  n.;  dazu  mnd.  gerichte  n.  (auch 
Richtung,  Lage),  ags.  geriht  n.  «gerade  Rich- 
tung, Recht».  '  Substantiv  zu  richten  (s.  d.). 
ABL.   gerichtlich,    adj.,    1482   in  Nürnb. 

Pol.-Ordu.  48  Baader.  Gerichtsbarkeit,  f.. 


689 


geriehen 


gern 


690 


1691  bei  Stieler  Gerichtbarkeit  (gerichfbar 
1591  bei  Haltaus  Gloss.  germ,),  ZUS.  Ge- 
richtsamt,  n.,  bei  Luther  Gerichtampt. 
Gericlltsdiener,  m.,  1519  in  Tirol.  Weist. 
1,  132,  1.  Gerichtshalter,  m.:  Geriehts- 
vei-walter.  1691  bei  Stieler.  Gerichtshof, 
m.:  Gerichtsversammluüg,  bes.  ein  höhres 
Gericht,  1738  bei  Hayme  jui-ist.  Lex.,  eig.  der 
Ort  der  Gerichtssitzung  ("Weist.  6,  586,  2). 
Gerichtsrat,  m.:  Ratsmitglied  eines  Ge- 
richtshofes (Goethe  10,  327),  in  der  Bed.  ge- 
richtliche Beratung  1566  bei  Fronsperger 
Kriegsb.  1,7^,  Schöffenkolleg  1658  in  den  "Weist. 

1,  607.  Gerichtsschreiber,  m.,  1457  in 
Xümb.  Pol.-Ordn.  178  gerichtschreiber.  Ge- 
richtsstätte,  f.,  im  15.  Jh.  gerichtstat  bei 
Diefenbach  gl.  311^,  cleyisch  1477  gerichtstede. 
Gerichtsvollzieher,  m.,  neugebildet  in  der 
deutschen  Zivilprozeßordnung  von  1877. 

gerieben,  Part.  Pass.  von  reiben  (s.  d.) 
als  Adj.:  schlau,  durchtrieben,  verschmitzt, 
1482  im  Voc.  theut.  m  1  ^. 

gerieren,  v.  refl.:  sich  auffükren,  be- 
nehmen, wofür  ausgeben  (Goethe  2,  200  u. 
5, 1, 139).  Aus  lat.  garere  «führen,  verrichten», 
refl.  «sich  betragen»,  woher  franz.  gerer. 

Gerill,  s.  Gerüll. 

gering,  adj.:  unschwer,  unwichtig;  niedrig 
an  "Wert.     Unverkürzt   geringe  bei  Rückert 

2,  538.  iihd.  geringe  «leicht,  nicht  schwer 
an  Gewicht,  beweglich,  behende,  schnell», 
md,  im  14.  Jh.  in  der  heutigen  Bed.,  ahd. 
nur  in  ungiringi  «gewichtig»  imd  im  Adv. 
giringo  «leicht»;  dazu  mnd.  geringe  und  mndl. 
gheringh  cschnell,  hastig».  Zusammengesetzt 
mit  dem  gleichbed.  mhd.  Adj.  ringe  «leicht, 
behend,  unbedeutend»,  ahd.  rinki,  /jn^fi «leicht, 
an  Gewicht  und  Wert  klein».  Vielleicht  zu 
gr.^i)jqpa  «leicht,  schnell»  (aus*n«.9/t'^-).  ABL. 
geringfügig,  adj.,  1616  bei  Henisch,  dafür 
im  16,  Jh.  gering  füg;  Geringfügigkeit,  f., 
1691  bei  Stieler.  geringhaltig,  adj.,  in 
der  württemb.  Zollordnung  von  1618  Einl. 
geringschätzig,  adj.,  1507  bei  Wüwolt  V. 
Schaumb.  138  geringschätzig,  1468  im  Cod. 
dipl.  Sax.  II,  12,  S.  251,  7  geringeschetzig. 
Geringschätzung,  f.,  1482  im  A'oc.  theut. 
ni  1  ^  geringschetzung. 

Gerinne,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  künstlich 
angelegter  Wasserlauf.  Spätmhd.  im  15.  Jh. 
ge)-inne  n.     Substantiv  zu  rinnen  (s.  d.), 

gerinnen,  V.  (Prät.  gerann,  Fart.  geronnen) : 
zusammenrinnen,  dicklich  oder  fest  werden, 
sich  zersetzen.     Mhd.  gerinnen  (Prät.  geran, 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


Part.  gerunne7i),  ahd.  ga-,  girinnen;  dazu  and. 
girinnan,  got  garinnan  «zusammenlaufen  (von 
Menschen)».  Zusammenges.  mit  rinnen  (s.  d.) 
I  und  ge  in  der  alten  Bedeutung  «zusammen». 
'Gerinnsel,  n.  (-s):  Zusammengeronnenes, 
1546  bei  Bock  Kräuterb,  286  ^  G'ertnse?  n.  «Lab». 
'  Gerippe,  n.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Knochen- 
gerüst des  Köi-pers.  1669  bei  Grimmeishausen 
Simpl.  305.     Kollektiv  von  Eippe  (s.  d.). 

gerippt,  Part,  als  Adj.:  mit  Rippen  ver- 
sehen, gestriemt,  1616  bei  Henisch. 

Germäne,  m.  (-n,  PI.  -n):  urdeutschem 
Stamm  Angehöriger.  Im  15.  Jh.  (1469  in 
Städtechron.  4,  347,  22  German  m.)  als  ge- 
lehrte Übertragung  aus  lat.  Germänus  m., 
dem  Xamen  der  deutschen  Völker  bei  Kelten 
und  Römern.  Eine  Deutung  des  Xamens 
hat  sich  trotz  aller  Mühe  nicht  geben  lassen 
und  ist  auch,  wie  bei  den  meisten  Volks- 
namen, aussichtslos.  Wir  haben  es  wahr- 
scheinlich mit  dem  auch  sonst  vorkommen- 
den Namen  eines  kleinen  Stammes  zu  tun, 
der  dann  auf  das  größere  Volk  übertragen 
worden  ist.  Literatur  über  die  Deutungs- 
frage bei  Bremer  Grd.  d.  germ.  Phil.  -  3, 
738ff.  Germanien,  das  Land  der  Germanen, 
Deutschland,  im  Anfang  des  15.  .Jh.  ('ZfdPh. 
5,  288)  aus  lat.  Germania,  germanisch, 
adj.,  1775  bei  Adelung,  germanisieren, 
V.,  bei  Herder  1,  407.  Germanist,  m.  {-en, 
PI.  -en):  Kenner  oder  Forscher  der  alten 
deutschen  Sprachen,  der  deutschen  Alter- 
tümer, des  deutschen  Rechts  (schon  im  18.  Jh.), 
der  deutschen  Geschichte.  In  der  ersten  Hälfte 
des  19.  Jh.,  ebenso  das  davon  abgeleitete  Adj. 
germanistisch. 

Germer,  m.  (s):  die  weiße  Nieswurz, 
veratrum  album.  Mhd.  gervier  (Voc.  opt. 
43,  77),  ahd.  germarrun  (noch  Schweiz.  Gei-- 
meren  f.,  vgl.  Schweiz.  Id.  2,  418). 

gern,  unverkürzt  .^erwe,  adv.:  dem  "Wunsche 
gemäß,  mit  Freude;  leicht  möglich.  Mhd. 
gerne  in  beiden  Bed.,  ahd.  gemo  «mit  Ver- 
langen, mit  Freude,  aus  freien  Stücken», 
dazu  asächs.  gerno,  mnr}!.  ghe^-ne,  VindX.gaame, 
geeme,  afries.  jerne,  gerne,  ags.  georne,  anord. 
gjarna,  schwed.  gärna,  dän.  gjeme.  Das  zu- 
gehörige Adj.  ahd.  gern,  gerni  «begierig», 
asächs.  ger7i,  ags.  georn,  anord.  gjarn,  got, 
in  faihugairns  «habgierig»,  mhd.  in  Zusammen- 
setzung yiiu-,  miete-,  wipgerne  «auf  Neues, 
nach  Lohn,  nach  "W^eibem  begierig»,  ist  im 
Beginn  des  16.  Jahrb.  erloschen.  Gleichen 
Stammes   wie   das   mhd.  imd  ahd.  Adj.  ger 

44 


691 


Gerner 


geruhen 


692 


«begehrend,  verlangend»,  mhd.  geren,  gern, 
ahd,  ^eröw,  geren  «begehren»,  und  Gier  (s.  d.). 
Urverwandt  mit  gr.  xaxp^w  «sich  freuen», 
xapd  f.  «Freude»,  osk.  her  est,  umbr.  heriest 
«er  wird  begehren  oder  wollen»,  aind.  Mrjati 
«er  hat  gern,  begehrt»,  aw.  zara-va.  «Streben, 
Ziel».  Statt  des  Komp.  und  Supei'l.  mhd. 
gerner,  gernest,  ahd.  gernor,  gernöst)  wii'd  in 
der  Schi-iftsprache  seit  dem  Anfang  des  18.  Jh. 
(Frisch  1741)  lieber,  liehst  gebraucht,  aber 
aus  der  Volkssprache  noch  bei  Schiller  Räuber 
4,  3  am  gernsten.  ZUS.  Gernegroß,  m.: 
wer  gern  über  andre  hinaus  will,  1575  bei 
Fischart  Garg.  56   Gerngroß. 

Gerner,  s.  Kamer,  Kerner. 

gerochen,  s.  rächen. 

Geröll,  GerÖUe,  n.  (-s,  PI.  -e)-.  fort- 
rollende Steine  in  Flußbetten  und  an  Berg- 
hängen, 1734  bei  Steinbach  Gerolle  n.  S. 
Gerüll. 

Gerste,  f.  (Fl  -n  unüblich):  die  Getreide- 
art hordeum.  Mhd.  gerste,  ahd.  gersta  f. 
mit  schwacher  Flexion;  dazu  asächs.  gersta 
f.,  mnd.-nd,  gerste  f.,  mndl.  gherste,  ndl. 
gerst,  garst  f.  Urverwandt  mit  lat.  hordeum 
(aus  horzd-)  n.,  gr.  KpT  n.,  Kpiör]  f.,  armen. 
gari,  iran.-pehlew.  jurtäk,  zurtäk,  balutschi 
zurt.  Vgl.  Hoops  Waldbäume  364.  Urbe- 
deutung des  Wortes  ist  unklar.  Die  Gerste 
gehört  jedenfalls  zu  den  ältesten  Kultur- 
pflanzen, die  schon  die  Indogermanen  an- 
bauten. Dafür  im  Ags.  here  m.,  engl,  harley, 
anord.  barr  m.  «Gerste»,  got.  barizeins  «aus 
Gerste  bereitet»,  urverwandt  mit  lat.  far  n. 
«Spelt,  Dinkel»,  lat.  farlna  f.  «Mehl»,  abg. 
bürü  m.  «Hirse»,  brasino  n.  «Speise»,  kymr.- 
korn.-bret.  bara  m.,  air.  bairgen,  nir.-gäl. 
bairghean  «Brot,  Kuchen».  ZUS.  Gersten- 
brot,  n.,  mhd.  gerstenbröt  und  girstin  bröt, 
ahd.  PI.  girstinu  bröt,  also  zusammenges.  mit 
dem  Adj.  mhd.-ahd.  girsttn,  im  14.  Jh.  gerstein 
«von  Gerste  bereitet»,  and.  gerstin.  Gersten- 
korn, n.,  mhd.  gerstenkorn,  ahd.  gerstun  körn 
in  eig.  Bed.,  im  13.  Jh.  auch  als  kleinstes 
Gewicht  rmd  Längenmaß  (Basler  Bischofs- 
recht §  8,  10  gerstenchorn);  dann  wegen  ähn- 
licher Gestalt  «Geschwulst  am  Augenlide», 
1540  bei  Alberus  dict.  T2'^.  Vgl.  Hoops  a.a.O. 
374.  Gerstensaft,  m. :  Bier,  1748  bei  Brockes 
ird.  Vergnügen  9,  145,  in  der  Bed.  «Gersten- 
schleim» 1540  bei  Alberus  dict.  ttl^. 

Gerte,  f.  (PI.  -n)  -.  dünner  biegsamer  Holz- 
schößling. Mhd.  gerte,  ahd.  garti,  gardea, 
gerta  f.  «Rute,    Zweig,  Stab»;   dazu  asächs. 


gerda,  and.  gerdia,  mnd.  garde,  gerde,  mndl. 
gaerde,  gheerde,  ndl.  garde,  afries,  ierde,  ags. 
gerd,  geard,  gyrd  f.,  engl.  yard.  Entweder 
zu  mhd.-ahd.  gart  m.  «Stachel,  spitzer  Treib- 
stecken», got.  gazds  m.  «Stachel»  (wie  Sort 
zu  got.  huzd  n.  «Hort,  Schatz»),  anord.  gaddr 
m.  «Stachel,  Spitze»,  urverwandt  mit  lat.  Äa.sfa 
f.  «Stange,  Spieß»,  vgl.  Sievers  Zum  ags. 
Vocalismus  25.  Oder  auch  zu  abg.  zridi  f., 
russ.  zerdl  f.  «dünne  Stange».  Vgl.  noch 
Walde  s.  v.  hasta. 

Gertrud,  s,  Ger. 

^Geruch,  m,  {-es,  PI.  Gerüche):  durch 
die  Nase  empfundene  Ausdünstung,  Duft; 
der  Riechsinn.  Mhd.  geruch  m.  in  beiden 
Bed.,  im  15.  und  16.  Jh.  auch  geroch,  mndl. 
gheroke.  Zusammenges.  mit  mhd.  ruch  m. 
«Dunst,  Duft»  (s.  Ruch),  von  riechen  (s.  d.j. 

"Geruch,  m,  {-es,  ohne  PI.):  Leumund, 
Ruf.  Gleichzeitig  mit  dem  Eindringen  des 
nd.  Wortes  Gerücht  (s.  d.)  neben  obd.  Ge- 
rüft  n.  erscheint  in  der  hochd.  Schriftsprache 
des  15.  und  16.  Jh.  (zuerst  1475  in  den  Monu- 
meuta  Habsburgica  1,  1,  453)  das  Neutr.  ge- 
rueche  (1487),  geruche,  gerüech  (1518),  ge- 
ruch (H.  Sachs  Fastnachtsp.  32,  371),  geruch 
(Schmeller)  neben  obd.  gerüfe,  gerüf,  md. 
(14.  Jh.)  gerüfe  n.  «umhergehendes  Gerede, 
Leumund,  Ruf»;  dieses  Neutr.  Geruch  tritt 
durch  Vei'mischung  mit  der  bildlichen  Ver- 
wendung von  ^Geruch  (2.  Mos.  5,  21)  im  17. 
und  18.  Jh.  in  das  mask.  Geschlecht  über; 
Luther  1,  362^  und  Logau  3,  92  verbanden 
sogar  Gerücht  (s.  d.)  mit  riechen. 

Gerücht,  n.  {-es,  PI.  -e):  umlaufendes 
Gerede  wovon,  Leumund;  rühmendes  Ge- 
rede, Ruhm  (Schiller  5  ^,  76,  spätmhd.  gerucht 
Boner  Edelstein  96,  52  Var.).  Mnd.  geruchte, 
gerochte  n.  «das  Rufen,  Lärm,  Hilfsgeschrei», 
dann  «Gerede,  Leumund,  guter  Ruf»,  ent- 
sprechend dem  mhd.  geruofte,  gerüefte,  ahd. 
gehruafti  n.  «das  Rufen,  Geschrei,  Hilfs-, 
Ivlageruf»,  md.  im  14.  Jh.  gerUfte  n.  «rühmen- 
des Gerede,  hoher  Ruf».  Das  nd.  Wort 
drang  zunächst  ins  Md.  (1493  geruchte  n. 
«Lärm»  bei  Liliencron  2,  325^,  1495  gerücht 
Weist.  1,  648)  und  von  dort  in  die  hochd. 
Schriftsprache  (bei  Luther  Gerüchte,  Gerücht 
n.  in  den  heutigen  Bed.,  noch  bei  Wieland 
Oberon  12,  39  und  Lessing  2, 182  Gerüchte  n.). 

geruhen,  v. :  huldvoll  genehmigen,  gnädig 
belieben.  Von  hohen  Personen  und  mehr  im 
Hofstil  (1431  in  den  Städtechi'on.  5,  375,  13 
vom  Kaiser,  1334  ebenda  1,  419, 14  vom  Bui-g. 


693 


geruhig 


Geschäft 


694 


grafen,  mhd.  im  Iwein  4773  von  Gott,  bei 
Luther  geruiven,  1616  bei  Henisch  geruhen). 
Mhd.  geruochen,  md.  gerüchen,  älternhd.  ge- 
ruochen,  gerüchen,  geruohen  «seinen  Sinn 
worauf  richten,  Rücksicht  nehmen,  bedacht, 
besorgt  sein»,  dann  «sich  angelegen  sein  lassen, 
gerne  wollen,  belieben,  gewähren»,  mnd.  ge- 
röken,  gerüken.  Dieselben  Bedeutungen  hat 
das  einfache  obd.  ruechen,  mhd.  ruochen,  md. 
rüchen,  röchen,  ahd.  ruochan  «sorgen,  be- 
achten, besorgt  sein»;  dazu  asächs.  rökian, 
ags.  recan,  engl,  reck,  anord.  röekja.  Abge- 
leitet von  mhd.  ruoche,  ahd.  ruohha  f.  «Über- 
legung, Berücksichtigung,  Sorgfalt,  Sorge», 
ahd.  ruoh,  mhd.  ruoch  m.  «Sorge»,  verwandt 
mit  ahd.  rahha  f.  «Rede,  Rechenschaft»  (s. 
rechnen).  Völlig  verschieden  von  älternhd. 
geruhen,  mhd.  geruoiven,  geruon  «ruhen», 
mnd.  geroiiiven. 

geruhig;  adj.:  völlig  ruhig;  gelassen, 
ruhig-behaglich.  Mhd.  geruowec,  gerüeivec, 
md.  germvec,  bei  Luther  gerügig,  bei  Fisch- 
art Garg.  398  geruhig,  im  16.  Jh.  auch  geruig. 
Zusammengesetzt  mit  ruhig  (s.  d.).  geruch- 
Sani,  adj.:  Ruhe  habend;  Ruhe  gewährend. 
1429  geruhsam,  md.  im  15.  Jh.  gerügesam, 
bei  Melanchthon  geruhsam.  Zusammenges. 
mit  ruhsam  (s.  d.). 

GrerÜll,  n.  (-S,  PI.  -e):  Zusammen-  und 
Durcheinandergerolltes,  bes.  lockiges  Gestein 
(1562  bei  Mathesius  Sarepta  100 '"'  GeThülle, 
bei  Goethe  6,  157  Gerül);  alter  unbrauchbarer 
Hausrat  (1715  bei  Amaranthes  Gerülle  n.). 
Substantiv  von  rollen,  nd.  rullen.    S.  Geröll. 

Gerumpel,  n.  (-s) :  wiederholtes  Rumpeln. 
Mhd,  gerumpel  n.  Substantiv  von  rumpeln 
(s.  d.),  ebenso  mit  Umlaut  Gerumpel,  n. 
(-s):  rumpelndes,  mit  dumpfem  Geräusche 
wackelndes  und  zusammenbrechendes,  also 
altes  schlechtes  Gerät,  1537  bei  Dasypodius 
Gerumpel,  mhd.  gerumpel  n.  (Suso  Briefe  35). 

ABL.  Gertimpler,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.): 

Trödler.  Im  Elsaß.  Vennischung  vait Krempler 
(s.  d.).  ZUS.  Gerümpelmarkt,  m.:  Trödel- 
markt, 1577  bei  Fischart  Elöhh.  1371  Grümpel- 
markt,  angelehnt  an  das  ältre  Grempelmarkt 
(Ausgabe  v.  1573  v.  1358.)  (s.  Krempel). 

Gerüst,  n.  (-es,  PL  -e) :  leicht  aus  Balken 
oder  Stangen  und  Brettern  aufgerichtetes 
Bauwerk  oder  Gestell.  Unverkürzt  Gerüste, 
II.  bei  Schiller  6,  384.  Mhd.  ycriiste,  ahd, 
gahrusti,  girusti  n.  «Zu-,  Ausrüstung,  Waffen- 
rüstung, Gerät,  Werkzeug,  Gestell,  erbaute  Vor- 
richtung wozu,  Schmuck»,    Von  rüsten  (s.  d.). 


Gesäme,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Sämerei. 
1616  bei  Henisch,  ohne  Umlaut  Gesanie  bei 
Luther  2, 1 1 1  ^  Eisl.  Kollektiv  von  Same.  Da- 
für 1562  bei  Mathesius  Sar,  169^  Gesemicht  n. 

gesamt,  adj.:  ohne  Unterschied  in  eins 
begriffen.  Mhd.  gesament,  gesamnet,  md.  ge- 
samt, ahd.  gisamanot  «gesammelt,  vereinigt, 
verbunden»,  Part.  Pass.  von  mhd.  samenen, 
samnen,  samen,  ahd.  samanon  «sammeln» 
(s.  d.).  Davon  Gesamtheit,  f.,  1797  bei 
Heynatz  Antib. 

Gesandte,  m.  (-w,  PI.-»):  mit  einer  Sen- 
dung in  Staatsangelegenheiten  föimlich  und 
feierlich  betrauter  Staatsbeamter,  dann  als 
ständiger  Vertreter  seines  Staates  bei  einer 
auswärtigen  Regierung.  Im  Anfang  des 
16.  Jh.  (bei  Luther),  dafür  im  15.  Jh.  un- 
gekürzt gesanter  pote  ( Voc.  1482  m  1  ^)  s.  Bote. 
ZUS.  Gesandtschaft,  f.,  1656  bei  Olearius 
pers.  Reis.  1,  4,  ndl.  1598  ghesandschap. 

Gesang,  m.  (-es,  PI.  Gesänge)-,  das  Singen; 
das  gesungene  Gedicht.  In  beiden  Bed.  mhd. 
gesanc  m.  und  n.  (auch  älternhd.  und  noch 
bayr.  Neutr.),  aber  ahd.  gisanch  n.  «stimmen- 
des Zusammensingen».  Zusammenges.  mit 
Sang  (s.  d.).  In  der  Bed.  «Abschnitt  oder 
Teil  eines  Epos»  1626  bei  Dietrich  v.  d. 
Werder  Gottfr.  v.  Bulljon  als  Übertragung 
des  ital.  canto,  das  schon  bei  Dante  vorliegt. 
ZUS.  Gesangbuch,  n.,  um  1480  im  Voc. 
ine.  teut.  12''  gesangkhuch. 

Gesänge,  n.  (-s)  -.  vieler,  wiederholter  Ge- 
sang. Bei  Luther  Luk.  15,  25  das  Gesenge, 
mhd.  gesenge  n.    Kollektiv  von  Sang  (s.  d.). 

Gesäß,  n.  (-es,  PI.-  e):  Stuhlsitz  (1.  Kön. 
10,  19);  Sitzteil  des  Körpers,  der  Hintere. 
In  der  letzten  Bed.  mhd.  gescB^e,  ges(ß§,  md. 
gese^e,  aber  meist  wie  ahd.  gisä^i  n.  «Sitz, 
Niederlassung,  Wohnsitz,  Wohnung»,  im  Mhd. 
auch  «Lager,  Belagerung»;  dazu  mnd.  gesäte 
n.  «Besitztum»,  gesete  n.  «Sitz,  Stuhl»,  mndl. 
ghesate  n.  «Wohnstätte».     Zu   sitzen  (s.  d.). 

Gesäufte,  n.  (-s):  Sauferei.  Bei  Goethe 
Faust  4864  und  schon  im  16.  Jh.  bei  Schwei- 
nichen  1,  200.  Nebenform  zu  Gesäufe  n., 
im  16.  Jh.  (z.  B.  Schweinichen  1,  101),  jetzt 
Gesaufe  n. 

Geschäft,  n.  {-es,  PI.  -e):  Geschaffnes, 
Werk  (Ps.  92,  5,  veraltet);  was  zu  schaffen 
ist,  Beschäftigung,  Verrichtung,  obliegende 
Tätigkeit,  Angelegenheit;  Anordnung  (Apostel- 
gesch.  7,  53,  veraltet).  In  diesen  Bed.  mhd. 
yeschefte,  gescheft  n.  und  gesche/fede  f.  n., 
auch  «Geschöpf,  Beschaffenheit,  Gestalt»,  so- 

44* 


695 


geschehen 


Geschichte 


696 


wie  «letztwillige  Verfügung,  Testament,  ge- 
richtlicher Vertrag»,  geschaft  f.  n.  «Zeugungs- 
glied»  (noch  md.  und  Schweiz.  Geschäft  n.), 
aber  ahd.gascaftf.  u.  gescaffeda,  gescephededa  f. 
«Schöpfung,  Geschöpf»  (gascaft  auch  «Schick- 
salsbestimmung»), wozu  and.  giskaft  f.  «Her- 
vorbringung», ags.  gesceaft  f.  n.,  got.  gaskafts  f. 
Substantivbildungen  zu  schaffen  (s.  d.).  Die  un- 
verkürzte Form  Geschäfte  n.  noch  bei  Wie- 
land Idiis  260,  Goethe  Faust  10451  und  Tasso 
672  usw.  ABL.  geschäftig,  adj.:  eifrig 
tätig,  md.  im  14.  Jh.  gescheftig  neben  mhd. 
gesche/fic;  davon  Geschäftigkeit,  f.,  1541 
bei  Frisius  236 ''.  geschäftlich,  adj.,  ebd. 
576^,  aber  ahd.  gascaftlih  «vom  Verhängnis 
herbeigeführt,  verhängnisvoll».  ZUS.  Ge- 
schäftsfreund, m.,  1808  bei  Campe.  Ge- 
schäftsführer, m.,  ebd.  Geschäftsmann, 
m.  (PI.  Geschäftsleute),  bei  Goethe,  aber  1478 
in  den  Monumenta  Habsburgica  1,  2,  617 
gescheftman  «Testamentsvollstrecker».  Ge- 
schäftsträger, m.,  1775  bei  Adelung  Ge- 
schäftträger, gebildet  nach  franz.  charge 
d'affaires. 

geschehen,  v.  imp.  (Px-äs.  es  geschieht, 
Konj.  geschehe,  Prät.  geschah,  Konj.  geschähe. 
Part,  geschehen):  wirklich  werden,  insbes. 
durch  höhre  Schickung;  zuteü  werden.  Mhd. 
geschehen,  m.d. gesehen,  geschm,  ahd. gascehan: 
mnd.  gesehen,  clevisch  1477  geschyen,  mndl. 
geschien,  ndl.  mit  eingeschobnem  d  geschieden, 
ags.  gesceon.  Daneben  das  einfache  Verb  ahd. 
scehan  «durch  höhre  Schickung  sich  ereignen», 
mhd.  schehen,  afries.  skia,  ags.  sceon,  (entlehnt) 
isländ.  ske,  dän,-schwed.  ske.  Die  Grund- 
bedeutung ist  «springen,  sich  plötzHch  wen- 
den», und  das  Wort  ist  daher  verwandt  mit 
ähg.skokä  m.  «Sprung»,  ahg.skakati  «springen», 
lit.  sokti  «springen,  tanzen»,  aix*.  scen  (aus 
*skakno)  «Schreck»,  derscaigim  (aus  *de-pro- 
skakö)  «trenne  mich».  Aus  dem  Germ,  ge- 
hören noch  hinzu  als  Intensivum  schicken 
(vgl.  zucken  zu  ziehen),  ags.  sceacqn  «eilen», 
anord.  skaga  «hervorragen».  Das  Präs.  lautet 
ahd.  giskihit,  bei  Notker  gesciehet,  geschiehet 
und  vereinzelt  keschiet,  mhd.  geschiht,  ge- 
schieht und  geschiet,  im  14.  Jh.  geschieht,  md. 
auch  geschiht,  geschet,  älternhd.  bei  Luther 
und  noch  bei  Lessing  4,  138,  Goethe  Jery 
7,  28  und  Rückert  1,  200  geschieht.  Das  Prät. 
starkflektiert  ahd.  giscah,  vereinzelt  gescahe, 
PI.  gescähen,  mhd.  geschach  und  ebenso  ältei'- 
nhd.  bis  ins  17.  Jh.,  woneben  im  15.  Jh.  ge- 
schähe,  geschache   (noch   bei   Lessing  10,  5 


geschähe);  das  Part.  Prät.  ahd.  gescehan,  ge- 
scehen,  mhd.  geschehen,  älternhd.  geschechen. 
Im  Niederländ.,  Altfries.,  Ags.  und  im  Nor- 
dischen jedoch  ist  bei  diesem  Worte  nur  die 
schwache  Flexion  üblich,  die  auch  im  Mnd. 
(Prät.  geschude,  geschede  neben  geschach)  und 
im  Md.  auftritt  (Prät.  gescMde,  Part,  geschit, 
geschiet  und  geschieht).  Mhd.  auch  ich  ge- 
schihe  «gelange».  ABL.  Geschehnis,  n.; 
Ereignis,  im  19.  Jh.  neu  auftretend,  aber 
schon  im  15.  Jh.  geschanuß  «Schickung» 
(Diefenbach  gl.  186^);  dazu  nndl.  geschiedenis 
n.  «Geschichte»  (s.  d.). 

Gescheid,  n.  {-es,  PI.  -e):  Trockenmaß 
von  ^/g^  Malter  oder  ^/g  Metze.  Am  Mittel- 
rhein, in  Oberhessen,  Schwaben.  1494  in 
Weist.  6,  44  geschaide  n.,  wohl  eins  mit  ahd. 
geskeite  n.  «Teilung,  Scheidelinie,  -punkt», 
mhd.  gescheide  n.  «Grenze»  neben  ahd.  gascait, 
gisceid  m.  «Unterscheidung,  Ab-,  Einteilung» 
und  sceit  m.  «Scheidung,  Trennung».  Von 
scheiden  (s.  d.). 

Gescheide,  u.  {-es,  PI.  -e):  Gedärm  des 
Wildes.  Weidmännisch,  1721  bei  Jablonsky, 
1727  bei  Hübner.  Von  scheiden  (s.  d.),  eig. 
«das  aus  dem  erlegten  Wild  Auszuscheidende 
oder  Auszuwerfende». 

Geschein,  n.  {-s,  PI.  -e):  am  Weinstock, 
erscheinende  Traubenknospe.  Rheinisch  (1838 
bei  Weber  öc.  Lex.)  wie  gleichbed.  Schein  m. 
In  der  Bed.  «Geschlechtsteil»  1585  in  Ai'i- 
stoteles  Probl.  111^. 

gescheit,  adj.:  gesunden  Menschenver- 
stand habend,  sowie  diesem  entsprechend, 
geistig  scharf,  schnell  und  gewandt.  Bei 
Luther  gescheid  und  geschiede,  1488  gescheit 
(Städtechron.  3,  142,  7),  mhd.  geschide.  Von 
scheiden  (s.  d.),  also  urspr.  «geistig  sondernd, 
geistig  durchdringend».  Aus  falscher  Ab- 
leitung seit  dem  17.  Jh.  gescheut,  1663  bei 
Schuppius  1,  550,  noch  bei  Lessing  1,  319 
und  Schiller  Räuber  5,  1.  Davon  Gescheit- 
heit, f.,   1716  bei  Ludwig. 

Gesclienk,  n.  (-es,  PI.  -e):  freiwillige 
Gabe.  Unverkürzt  Geschenke  n.  bei  Geliert 
3,  83,  Rückert  1,  147.  Md.  im  14.  Jh.  ge- 
schenke  n.  in  heutiger  Bed.,  im  12.  Jh.  aber 
neben  gcschinke  n.  «Eingeschenktes».  Sub- 
stantiv von  schenken  (s.  d.), 

Geschichte,  f.  (PI  -n):  was  (von  selbst- 
tätigen Wesen)  geschieht;  Folge  und  Inbe- 
gi'ifi'  geschehner  Dinge;  Erzählung  von  Ge- 
schehnem  (im  15.  Jh.  geschieht  f.  Städtechron. 
5,  175,  30,   abstrakt    1644   bei   Moscherosch 


697 


Geschick 


Geschlecht 


698 


Philander  804),  Mhd.  geschult  und  ahd.  ge- 
seiht f.  «Schickung,  Zufall,  Ereignis,  Vorgang», 
im  Älhd.  auch  «Angelegenheit,  Sache,  Ding, 
Zukommendes,  Eigenschaft,  Weise»,  im  j. 
Titurel  4220,  1  geschichte  f.,  woneben  md.  im 
14.  Jh.  geschichte  n.  «Begebenheit»,  nmd.  ge- 
schieht f.  und  n.,  auch  bei  Luther  Geschieht 
n,  und  f.,  seit  dem  17.  Jh.  gewinnt  das  Fem. 
Geschichte  die  Oberhand  mit  dem  PI.  Ge- 
schichten,  der  sich  zuerst  1507  bei  Wilwolt 
V.  Schaumb.  5  u.  113  nachweisen  läßt,  aber 
noch  bei  Lohenstein  Soph.  7,  Günther  170, 
Brockes  2,  261  der  PI.  Geschichte.  Zusammen- 
gesetzt mit  ahd.  seiht  (nur  in  Zusammensetz.), 
mhd.  scliiht,  md.  Schicht  f.  «Schickung,  Er- 
eignis, Begebenheit,  Sache,  Eigenschaft,  Ord- 
nung, Reihe»  (s.  Schicht),  einer  Ableitung 
von  ahd.  seehan  «geschehen»  (s.  d.).  Davon 
igeschichtlich,  adj.:  historisch,  1691  bei 
Stieler,  aber'  mhd.  das  Adv.  geschichteeUchen 
«zufällig».  ZUS.  Geschichtsbuch,  n.:  Hi- 
storienbuch, mhd.  im  14.  Jh.  geschichte-,  ge- 
schichtbuoch  n.  (Walther  v.  Rheinau  2,  20  fg.). 
Geschichtschreiber,  m.,  1414  bei  Diefen- 
bach  gl.  279^  geschichtschriber. 

Geschick,  n.  (-es,  Pl.-e):  höhre  Schickung, 
Schicksal  (fmhnhd.,  z.  B.  bei  Luther);  rechte 
Art,  wie  sich  eins  zum  andern  ordnet,  dann 
rechte  Art  sich  leicht  worein  zu  finden,  gute 
Angemessenheit  zu  gesellschaftlichen  Verhält- 
nissen;   wiederholtes   Hin-   und  Herschicken 
(1741  bei  Frisch,  aber  schon  1535  bei  Micyllus 
Tacitus  52^  Geschick  n.  «Geschenksendung»),  i 
Mhd.  geschicke  n.  «Anordnung,  Vermächtnis, : 
gute  Beschaffenheit  und  Gestalt  des  Leibes,  i 
Benehmen»,  Tondi.  geschieh  n.,  1429  bei  Diefen- 1 
bach  nov.  gl.  \%Q^  geschickt  «höhre  Schickung».  ' 
Von  schicken.     ABL.  geschicklich,  adj. :  ; 
geziemend,  geeignet,  geschickt,  älternhd.  im  ; 
16.  Jh.  und  noch  bei  Goethe  50,  63;  davon 
Geschicklichkeit,  f.:  Fähigkeit,  bei  Luther 
1,  379^,   am  Ende    des  15.  Jh.    auch   «gute 
Beschaffenheit,  Faßlichkeit». 
•     geschickt,  adj.:   paßlich  beschaffen;   der 
guten  Sitte  gemäß.    Ursprünglich  Part.  Pass. 
von  schicken  (s.  d.).  Mhd.  grescÄücÄe^  «passend*, 
doch  zuerst  «geordnet,  bereit,  gerüstet,  fertig, 
gestaltet». 

Geschiebe,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  durch 
Wasser  fortgeschobne  Gesteintrümmer,  Ge- 
röll. 1601  bei  Uttmann  Bergbericht  29  Ge- 
schieh, 1562  bei  Mathesius  Sar.  140 -"^  Geschiebe, 
1557  bei  Agricola  Bergwerk  Index  29*  Ge- 
schuhe.     Zu  schieben  (s.  d.). 


Geschirr,  n.  (-es,  PI.  -e):  Werkzeug  jeder 
Ai't  zum  Gebrauche;  Gesamtheit  der  Gefäße; 
Bespannung  des  Wagens  und  dieser  selbst 
(spätmhd.  im  14.  u.  15.  Jh.).  Mhd.  geschirre, 
ahd.  giscirri  n.  «Werkzeug,  Gerät,  Gefäß», 
im  Mhd.  auch  «Geschlechtsglied»,  bes.  das 
männliche.  Von  schirren  (s.  d.).  Da  das 
Wort  isoHert  steht,  ist  eine  sichre  Anknü- 
pfung nicht  möghch.  Es  könnte  zu  scharren 
(s.  d.)  gehören.  BA.  gut  Geschirr  machen: 
«ausgelassen  lustig  sein,  gut  empfangen  und 
bewirten»,  nhd.  vom  Ende  des  15.  bis  ans 
18.  Jh.  umgedeutet  aus  gleichbed.  franz.  faire 
honne  chere,  zu  afranz.  chiere,  span.-prov. 
cara  f.  «Gesicht,  Antlitz,  Mene»  (das  auf 
gr.  Kdpa  f.  «Haupt,  Anthtz»  zurückgeführt 
wird),  woher  auch  mndl.  goede  sier,  goed 
chiere  (eiere)  rnaken  und  nhd.  1507  bei  Wil- 
wolt V.  Schaumb.  154  guet  schier  machen, 
noch  kurhess.  icunderliches  Gesehirr  machen 
«seltsam  reden  oder  handeln»,  schles.  das 
macht  ein  böses  Geschirr,  d.  h.  «böses  Blut». 

geschlacht,  adj.:  geartet;  gut  geartet, 
gleichartig,  fein,  edel.  Mhd.  geslaht,  ahd. 
gislaht  «zugehörig»  zu  ahd.  slahfa  f.  «Ge- 
schlecht» (s.  d.). 

geschlank,  adj.:  ebenmäßig  lang  und 
biegsam.  1566  bei  Mathesius  Luther  168,  22 
Neudr.,  noch  bei  Voß  und  Lichtwer.  Xeben- 
foi-m  geschlang  1597  bei  Colerus  Hausb.  10,  4. 
Zusammenges.  mit  schlank  (s.  d.). 

Geschlecht,  n,  (-es,  PI.  -er) :  die  Gesamt- 
heit der  von  einem  Wesen  Herstammenden, 
Familie,  Nachkommenschaft;  Adelsfamilie 
(Lessing  Nathan  2,  7),  Adel  (Goethe  3,  164, 
schon  um  1400  bei  Liliencron  Volksl.  1,  167); 
Gesamtheit  der  Menschen  in  einem  Zeitalter, 
Generation  (14.  Jh.  im  Cod.  Tepl.  Matth.  11, 
16):  Menschenklasse  (Schiller  Picc.  5,  1,  schon 
ahd.);  der  natürliche  Geschlechtsunterschied, 
das  männliche  mid  weibliche  Geschlecht  Tnihd.) ; 
das  grammatische  Geschlecht  der  Wörter  (als 
Übertragung  des  lat.  geyius  n.  1640  bei  Schottel 
im  Erzschrein  250);  Art,  Gattung  überhaupt 
(mhd.).  Unverkürzt  Geschlechte  n.  noch  bei 
Schubart  2,  80,  ühland  144  u.  264.  In  der 
1.  Bed.  mhd.  geslehte,  geslähte,  gesieht,  ahd. 
gislahti  n.  (für  ältres  kunni  n.,  s.  unter  König), 
auch  «natüi'liche  Eigenschaft,  angebome  Be- 
schaffenheit». Kollektiv  von  ahd.  slahta  f. 
und  slaht  n.,  mhd.  slahte  f.  «Art,  Geschlecht, 
Nachkommenschaft,  Verwandtschaft»,  abge- 
leitet von  ahd.  slahan  in  der  Bed.  «arten, 
nachschlagen»   (Notker   Boeth.  122,  132  näh 


699 


Oeschlinge 


Geschoß 


700 


tien  foräeron  slalian).  Der  Phiv.  uilid,  ge- 
slehte,  bei  Tiuther  GescUechte  und  so  noch 
Günther  437,  Klopstock  Mess.  1,  110,  aber 
bereits  im  16.  Jh.  Geschlechter  (Zimm.  Chron.  - 
3,  211,  41,  Fischart  Garg.  31).  ABL.  GrC- 
SChlechter,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  reichs- 
städtischer Patrizier,  1507  bei  Wilwolt  v. 
Schaumb.  107,  von  geslaht  n.  «ratsfähige  Pa- 
trizierfarailie»  (1386  bei  Mone  Zeitschr.  15, 43), 
geschlecht  n.  «Gesamtheit  der  Patrizierlamilien» 
(1517  bei  Trochus  E3*).  geschlechtlich, 
adj.,  1808  bei  Campe.  ZUS.  Oeschlechts- 
register,  n.,  bei  Luther  Geschlechtregister. 
Geschlechtsteil,    m.,    1794    bei    Nemnich 

neben  Gcschlechtsglled.  Geschlechts- 
trieb, m.,  1775  bei  Adelung.    Gcschlechts- 

WOrt,  n.:  grammatisch  der  Artikel,  1640  bei 
Gueintz  und  Schottel  im  Erzschrein  248  fg. 
Geschlechtwort,  1690  bei  Bödiker  Geschlechts- 
wort. 

Geschlinge,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  der 
Schlund  des  geschlachteten  Tieres  mit  Lunge, 
Leber  und  Herz,  welche  daran  hangen.  Md. 
1462  geslingk,  geslynckt  und  1466  gesling  im 
Cod.  dipl.  Sax.  2,  8,  339,  1616  bei  Henisch 
Geschling,  aber  1691  bei  Stieler  Geschlüng, 
1716  bei  Ludwig  Geschlüncke,  bayr.  Ge- 
schlünkel,  Geschlunkel  n.  Das  Woi't  ist  Kol- 
lektivbildung  zu  Schlunk  m.,  einer  Neben- 
form von  Schlund.    , 

geschmack,  adj.:  schmackhaft.  Mhd. 
gesniac,  gesmach,  ahd.  gisniag,  gasmah.  Zu 
schmecken  (s.  d.). 

Geschmack,  m.  {-es,  PI.  Geschmäcke, 
burschikos  Geschmäcker) :  Empfindung  mittels 
Zunge  und  Gaumen;  Geschmackssinn;  das 
Schmecken  als  Eigenschaft  eines  Dinges  (mhd.); 
Wohlgefallen  (1541  bei  Franck  Sprichw.  1, 
112''  einen  Gschmack  abgewinnen);  Gefühl 
für  das  Schöne  (vereinzelt  schon  1651  bei 
Harsdörffer  die  Fortpflanzung  der  Hochlöb- 
lich Fruchtbringenden  Gesellschaft,  mit  einer 
Rede  von  dem  Geschmack  vermehret,  allge- 
meiner seit  Anfang  des  18.  Jh.  der  gute  Ge- 
schmack oder  kurzweg  Geschmack  als  Über- 
tragung des  franz.  bon  goüt,  das  sich  nach 
Span,  buen  gusto  gebildet  hatte).  In  den  bei- 
den ersten  Bed.  mhd.  gesmac,  gesmach,  ahd, 
gesmah  und  gismaho  m.,  auch  «ausströmender 
Geruch»  (s.  schmecken);  dazu  mnd.  gesmak  m. 
«Geruch».  Zusammenges.  roxi  Schmack  (s.  d.). 
ZTJS.  geschmacklos,  adj.:  ohne  Schmecken 
(1716  bei  Ludwig);  ohne  Schönheitssinn  (1775 

bei  Adelung  nebst  Geschmacklosigkeit,  f.). 


geschmackvoll,  ad,].:  guten  Geschmack, 
Schönheitssinn  besitzend,  bei  Herder. 

Geschmeide,  n.(-s,Pl,  wieSg.):  Schmiede- 
werk, bes.  als  Schmuck.  Im  15.  Jh.  gesmeide, 
mhd.  gesmide,  gesmitn .  «Metall,  sowie  daraus  Ge- 
schmiedetes, Metallgeräte,  Metallrüstung,  Me- 
tallschmuck», ahd.  gasmide  n.  «Metall»,  mndl. 
ghesmyde.  Kollektiv  von  ahd.  smida,  mhd. 
smule  f.  «Metall»,  mit  langem  Stammvokal 
wie  ahd.  smidäri,  smeidar  m.  «Metallarbeiter» 
neben  smid  m.  «Schmied»  (s.  d.).  Dazu  ge- 
schmeidig, adj. :  leicht  zu  bearbeitend ;  nach- 
giebig gestaltbar  (1616  bei  Henisch);  leicht 
nachgiebig.  Mhd.  gesmidec  «leicht  zu  schmie- 
dend», dann  «mit  Gefälligkeit  nachgebend», 
um  1480  im  Voc.  ine.  teut.  i3^  geschmeidig 
«nachgiebig  weich»,  mndl.  ghesmydigh  und 
ghesmyd.  Geschmeidigkeit,  f.,  1590  bei 
Paracelsus  Schriften  6,  381. 

Geschmeiß,  n.  {-es):  belästigende  In- 
sekten; dann  bildlich  von  Menschen  und  als 
Schimpfwort  (Luther  4,  319^).  Unverkürzt 
Geschmeiße  n.  bei  Goethe  Xenien  240,  Schiller 
11,  128.  Mhd.  gesmeide  n.  «Auswurf  aus  dem 
After,  Unrat,  Schmetterlings-,  Eidechseneier, 
Brut».    Von  schmeißen  (s.  d,  ^). 

Geschöpf,  n.  {-es,  PI.  -e):  geschaffnes 
Wesen.  Unverkürzt  Geschöpfe  n.  noch  bei 
Wieland  Amadis  168.  Bei  Luther  Geschepffe, 
Ge§chepff,  1482  im  Voc.  theut.  m  2^  geschopff, 
1515  bei  Hüpfuff  Voc.  72 »  geschopff  n.  Sub- 
stantiv zu  mhd.  schepfen,  scheffelt  «schaffen», 
wovon  auch  älternhd.  im  16.  Jh.  Geschöpft, 
Geschöpfde  f.,  mhd.  geschephede,  geschöpfede, 
ahd.  gescepheda  f.  «Schöpfung,  Geschöpf»  (s. 
Geschäft). 

^Geschoß,  n.  (Gen.  Geschosses,  PI.  Ge- 
schosse): Waffe,  die  fortgeschossen  wird; 
Werkzeug,  mit  dem  man  schießt.  Mhd.  ge- 
schog  m.  n.  und  geschog  n.  in  beiden  Bed.,  ahd. 
gisco^  n.  «Wurfspieß,  Pfeil»;  dazu  mnd.  ge- 
schöt,  mndl.  geschöt,  ags.  gescot  n.  «Wurf- 
spieß». AVie  das  gleichbed.  mhd.  scho^]  schog, 
ahd.  sco§  n.  zu  schießen  (s.  d.).  Im  Mhd., 
Mnd.  und  Älternhd.  auch  in  der  Bed.  «Ab- 
gabe, Steuer,  Zins»,  zu  schießen  im  Sinne 
von  «zuschießen,  beisteuern». 

"Geschoß,  n.  (Gen.  Geschosses,  PI.  Ge- 
schosse): Stockwerk  eines  Hauses.  Mhd.  ge- 
schog  n.,  zu  schießen  in  der  Bed.  »schnell 
emporwachsen»,  woher  auch  älternhd.  Ge- 
schoß «Schößling  an  Pflanzen,  Knopf  oder 
Jahrwuchs  an  Rohrgewächsen»,  mndl.  gescot 
n.  «Schößlincr,  Stockwerk». 


701 


geschraubt 


Geschworne 


702 


geschraubt,  Part,  von  schrauben  (s.  d.) 
als  Adj.:  gekünstelt,  eig.  künstlich  hochge- 
dreht. Bei  Luther  Tischred.  413  %  Fischart 
Garg.  342. 

(ireschrei,  n.  [-es,  PI.  -e)-.  wiederholtes 
Schx-eien;  Gerede,  Gerücht  (um  1480  im  Voc. 
ine.  teut.  i3^,  bei  Schiller  Kab.  1,  1).  In 
der  1.  Bed,  mhd,  geschreie,  geschrei,  auch 
geschreige,  ahd.  giscreigi  n. ;  dazu  mnd.  ge- 
schrige  n.  neben  geschricJit  m.  n.,  mndl.  ghe- 
schrey  n.  Kollektiv  zu  ahd.  screi  m.  (Gen. 
screiges),  von  schreien  (s.  d.), 

GrCSChÜtz,  n.  (-es,  PI.  -e):  große,  schwere 
Schußwaife,  Kanone  (1512  bei  Soltau  Volksl. 
2,66);  Gesamtheit  solcher  Schußwaffen.  Mhd. 
geschütze,  geschütz,  fiiih  geschuzze,  md.  ge- 
schütze  n.  «Schießzeug,  Gesamtheit  von  Schieß- 
waffeh,  (im  14.  Jh.)  von  Feuergeschützen», 
mnd.  geschiitte  n.  Kollektivbildung  zu  mhd. 
schug,  schitz  m.  «Schuß»  (s.  d.). 

Geschwader,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Reiter- 
schar; Flottenabteilung;  langgedehnter  Zug 
von  vielen  einzelnen.  In  der  1.  Bed.  1537 
bei  Dasypodius  und  der  PI.  Geschiüäder  1532 
bei  Busteter  ernstl.  Bericht  29,  36,  älternhd. 
auch  vom  Fußvolk;  dazn  mndl.  gheswadder ; 
in  der  2.  Bed.  1775  bei  Adelung;  in  der 
3.  Bed.  bei  Schiller  Kraniche  v.  18  und  schon 
1575  bei  Fischart  Garg.  376  ein  Geschwader 
Merchen  (Tauchervögel).  Wie  mhd.  swader 
«Heerhaufe»,  älternhd.  Schtvader  m.  n.  und 
mnd.  swade,  Schwade  m.,  geswat  n.  «Reiter- 
schar», entlehnt  aus  ital.  squadra,  span.  es- 
quadra  f.  «Viereck  von  Reitern,  Rotte»,  ui'spr. 
«Winkelmaß»,  franz.  escadre,  älter  esquadre  f. 
«Flottenabteilung»,  von  ital.  squadrare  «vier- 
eckig machen»  (s.  Eskadron,  Schwadron). 

Geschwätz,  n.  (-es,  PI.  -e):  wortreiches 
oder  trauliches  Gespräch;  gehaltloses  Spre- 
chen. Mhd.  geswetze  n.  Zu  schivätzen  (s.  d.). 
geschwätzig,  adj.:  gesprächig,  schwatzhaft, 
bei  H.  Sachs  Fab.  348,  8  geschiveczig ,  zu- 
sammeng.  mit  spätmhd.  swetzic  (s.  schwätzig) ; 
davon  Geschwätzigkeit,  f.,  1577  bei  Fischart 
Flöhh.  0  7^  V.  1292  Gschwetzigkait. 

geschweige,  konj.:  abgesehen  von,  um 
wieviel  mehr,  eig.  ich  schweige  still  in  Be- 
treff, lat.  ne  dicam.  1517  im  Teuerdank  109, 
81  geschiveig,  bei  Luther  geschweige,  geschweig 
neben  schweige,  schweig  und  ich  geschweig, 
im  15.  Jh.  im  Buch  der  Beispiele  der  alten 
Weisen  148,  27  ich  geschwyg  als  steigernder 
Zusatz.  Von  dem  intrans.  Zeitwort  älternhd. 
geschtveigen,  mhd.  gesungen,  ahd.  giswigen  und 


gisiüigan  «stillschweigen,  stumm  sein».  Dazu 
transitiv  geschweigeu,  V.  (Prät.  geschweigte, 
Part,  geschweigt):  schweigen  machen,  zum 
Schweigen  bringen,  mhd.  gesweigen,  ahd.  gi- 
siveigan  u.  gesweigen,  gesweigön  (s.  schtveigen). 
geschwind,  adj. :  in  kurzer,  selbst  kürzester 
Zeit  sich  fortbewegend.  Um  1480  im  Voc. 
ine.  teut.  k  4*>  geschwinde,  mhd.  gesivinde 
«kühn,  ungestüm,  schnell»,  im  altern  Nhd. 
auch  «klug,  schlau,  arglistig».  Zusammenges. 
mit  älternhd.  schwind,  mhd.  sivinde,  sivint 
«stark,  gewaltig,  heftig,  gescheit,  listig,  be- 
tiügerisch»,  ahd.  in  Eigennamen  wie  Adal- 
sivind,  Irminswinda;  dazu  asächs.  swüti,  swiä, 
ags.  swlp  «stark,  heftig»,  anord.  smnnr  «klug, 
verständig»,  auch  «starkströmend»,  got.  swinßs 
«stark,  kräftig,  gesund»  und  in  Eigennamen, 
z.  B.  Reccasuinth,  Amalasuintha.  Vielleicht 
verwandt  mit  air.  fetaini,  setaim  «ich  kann». 
Der  Vergleich  mit  lit.  sventas,  abg.  sv^tu, 
aw.  spanta-  «heilig»  (Johansson  Btr.  15,  238) 
hat  eine  Parallele  an  gi\  iepöc  «heilig»,  aind. 
isiräs  «kräftig».   ABL.  Geschwindigkeit, 

f.:  Schnelligkeit,  1516  bei  Pinicianus  N4*^, 
älternhd.  im  16.  Jh.  auch  «Ungestüm,  Klug- 
heit, Schlauheit». 

Geschwister,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Kin- 
der von  einerlei  Eltern.  Mhd.  geswister  PI. 
«Schwestern»,  dann  mit  Einschluß  der  «Bini- 
der»,  ebenso  ahd.  und  asächs.  gisivester  PI. 
«leibliche  Schwester»,  mhd.  geswester,  ags.  ge- 
sweostor,  eine  alte  Plui'albildung  zu  Schwester, 
genau  wie  Gehrüder  (s.  d.).  Jedoch  später 
als  Kollektiv  von  Schivester  aufgefaßt,  daher 
im  Sing,  als  Neutr,  sowohl  von  der  Gesamt- 
heit der  Binider  und  Schwestern  (im  16.  Jh. 
bei  Schweinichen  2,  202,  bei  Lessing  Natham 
1,  2)  als  von  einzelnen  Personen  (Weist,  1, 
654  von  1384,  beim  j.  Goethe  1,  261).  Mit 
andrer  Bildung  mhd.  der  PI.  gesiüisterde,  ge- 
swistride  (noch  Schweiz,  Gesehwisterte ,  Ge- 
schwüsterte^  und  das  Neutr,  gestvistergit,  meist 
im  PI.  gesivistergide.  ABL.  geschwister- 
lich, adj.,  1514  bei  Keisersberg  Eschenginidel 
a3^  geschwiisterlich.  ZUS.  Geschwister- 
kind, n.,  1429  im  Liber  ord.  rer.  5^  ge- 
stvisterchind ,  neben  mhd.  gesivisteride  kint, 
gesivistergidkint ;  ander  Geschwisterkind  «deren 
Großeltern  Geschwister  waren»,  bei  Luther 
Tischred.  315 ^ 

Geschworne,  m.  (-n,  PI.  -n) :  eidlich  wozu 
Vei-pflichteter.  Mhd.  gesworne  m.,  die  schwache 
Form  von  mhd.  gesivorn,  Part.  Prät.  von 
schwören  (s.  d.).    ZUS.  Geschwornenge- 


703 


Geschwulst 


Gesind 


704 


rieht,  n.:  Scliwurgericht,  gleich  nach  An- 
fang  des    19.  Jh.  für  engl,  und  franz.  jury. 

Geschwulst,  f.  (PI.  Geschivülste):  krank- 
haft geschwollne  Köi-perstelle.  Mhd.  geswulst, 
ahd.  gisivulst  f.    Von  schwellen  (s.  d.). 

Geschwür,  n.  {-s,  PI.  -e)  -.  eiternde  Köri^er- 
stelle.  Bei  Luther  3.  Mos.  13,  10  u.  28.  Neben- 
form zu  älterahd.  Geschwär  (noch  bei  Lessing 
7,  282),  mhd.  geswer,  ahd.  giswer  n.  Von 
ftchwären  (s.  d.). 

geseglieil,  v.:  zum  Wohl,  zum  Gedeihen 
werden  lassen;  Abschied  nehmend  segnen  oder 
mit  Anwunsch  von  Wohlergehen  verlassen 
(Tobias  5,  24),  überhaupt  Abschied  nehmend 
verlassen.  Mid.  gesegenen,  gesegen,  in  diesen 
Bed,  rad.  geseinen,  ahd.  giseganon  «segnen, 
einsegnen»,  zusammenges.  mit  segnen  (s,  d.). 

Geseier,n.  (-s):  unnützes  Gerede,  schelten- 
des Geschrei,  Wirrwarr  von  Stimmen.  Aus 
dem  Judendeutsch,  von  hebr.  gezerä  «Be- 
hauptung, (erregte)  Disputation». 

Gesell,  m,  (-en,  PL  -en),  unverkürzt  Ge- 
selle: Mit-  und  Gleichtätiger;  ausgelernter 
Handwerksgehilfe.  Mhd.  geselle,  ahd.  giselljo, 
gisello  m.  urspr.  «Saal-,  Hausgenosse»,  dann 
«Gefährte,  Freund»,  im  Mhd.  auch  «Freundin, 
Geliebte,  Standesgenosse,  Partner»,  im  14.  Jh. 
«Hilfsgeistlicher,  Handwerksgesell»  (neben 
älterm  knecht,  knappe).  Abgeleitet  von  Saal 
(s.  d.).  Davon  gesellen,  V.,  mhd.  gesellen, 
ahd.  gisellan  «zum  Gefährten  machen»,  ge- 
sellig, adj.:  zu  Verbindung  und  Umgang 
gern  geneigt,  mhd.  gesellec  «zugesellt,  ver- 
bunden, nach  guter  Kameraden  Art  freund- 
lich, lebenslustig».  Geselligkeit,  f.,  mhd. 
gesellekeit,  gesellikeit  f.  «das  freundschaftliche 
Verhältnis  der  Genossen  zueinander,  höfisches 
Betragen».  Gesellschaft,  f.,  mhd.  geselle- 
schaft,  geselschaft  f.  «Genossenschaft,  freund- 
schaftliches Verbunden-  oder  Beieinandersein, 
Freundschaft,  Liebe,  Gesamtheit  der  Gäste» 
(Tristan  585),  «Handelsgenossenschaft»  (Ber- 
thold V.  Begensb.  1,  216,  26),  ahd.  gisellascaf, 
giselliscaft  f.  «Genossenschaft»;  dazu  mnd. 
geselschop,  mndl.  gheselschap.  In  der  Bed. 
«das  Menschengeschlecht  in  seiner  sozialen 
Ordnung»  1482  bei  Melber  Bb5^  societas 
humana,  bürgerlich  geselscJiafft ,  im  18.  Jh. 
allgemeiner  geworden  als  Übertragung  des 
franz.  societe  f.  Gesellschafter,  m.:  Mit- 
glied einer  Handelsgesellschaft  (1560  bei 
Diefenbach-Wülcker  616);  guter  Unterhalter 
(1691  bei  Stieler),  gesellschaftlich,  adj., 
1716   bei  Ludwig. 


Gesetz,  n.  (-es,  PI.  -e)-.  zur  Befolgung 
Festgesetztes.  Unverkürzt  Gesetze  n.  bei 
Geliert  1,  46.  Mhd.  gesetze  n.,  mit  den  Neben- 
formen gesatz  n.,  gesalzt  f.  n.,  gesetzede  n.  f., 
ahd.  gisezzida  f.;  dazu  mnd.  gesette  und  ge- 
säte n.  Von  setzen  (s.  d.).  ABL.  gesetz- 
lich, adj.,  Anfang  des  15.  Jh.  gesetzlich  bei 
Diefenbach  gl.  322  c.  ZUS.  Gesetzbuch, 
n.,  bei  Luther,  gesetztpuch  1327  in  Nürnb. 
Pol.-Ordn.  22,  gesatzbüch  in  St.  Galler  Stadtb. 
des  14.  Jh.  Gesetzgeher,  m.,  zu  Anfang 
des  15.  Jh.  gesetzgeber  bei  Diefenb.  gl.  323^. 
gesetzmäßig,  adj.,  1691  bei  Stieler,  gesatz- 
mäsig   1581   bei  Fischart  Bienk.  208^. 

gesetzt,  Part,  von  setzen  (s.  d.)  als  Adj.: 
ruhig,  ernst,  1751  bei  Klopstock  Mess.  4,  614. 
Schon  mhd.  gesetzen  bedeutet  «sich  setzen 
machen,  beruhigen,  stillen».  In  der  Bed. 
«vorausgesetzt,  den  Fall  gesetzt»  mit  folg. 
Nebensatz  1607  bei  Sattler  Phraseologey  216, 
gesetzt  daß  1612  bei  Albertinus  Lustg.  215^. 

Gesicht,  n.  {-es)\  Sehkraft;  (PI.  -e):  Bild 
der  Einbildungskraft;  (PI.  -er):  Vorderseite 
des  menschlichen  Kopfes.  In  den  beiden 
ersten  Bed.  mhd. -ahd.  gesiht  f.,  md.  gesichte, 
gesicht  n.,  auch  «Ansicht,  Anblick»,  im  Mhd. 
auch  «Aussehen,  Gestalt»;  in  der  Bed.  «Ant- 
litz» 1494  bei  Brant  Narr.  92,  60  gsiecht 
und  schon  einmal  ahd.  gesiht  in  der  St.  Galler 
Hdschr.  von  Notkers  Ps.  104,  4,  der  Plur. 
Gesichter  1520  bei  Keisersberg  Narrenschiff. 
Dazu  and.  gisiht  f.  «Ansehen,  Anblick»,  mnd. 
gesichte  n.  «Anblick,  Aussicht»,  mndl.  ghe- 
sicht  n.,  ags.  gesiht,  gesihp  f.  «Sehkraft, 
Traumgesicht,  Anblick».  Von  sehen  (s.  d.). 
ZUS.  Gesichtskreis,  m.,  1648  bei  Zesen 
Dögens  Baukunst.  Gesichtspunkt,  m.: 
der  Standpunkt  des  Beobachters,  im  17.  Jh. 
bei  Leibniz,  1538  bei  Dürer  Underweisung 
K2''  des  gesichts  pwickt,  nach  m\at.  punctum 
Visus.  Gesichtszug,  m.,  1753  bei  Lessing 
3,  386  der  PI.  Gesichtszüge. 

Gesims,  n.  (-es,  PI.  -e):  vorstehender 
Rand  an  Bauwerken  usw.  Md.  im  14.  Jh. 
gesimse  n.,  Kollektiv  von  Sims  (s.  d.). 

Gesind,  m.  (-es,  PI.  -e),  nur  im  gewöhn- 
lichen Leben  ein  zu  Hausdienst  Dienender 
oder  eine  solche  Dienende.  Bei  Goethe  6,  128. 
Mit  starker  Flexion  mhd.  gesint,  ahd.  gasint, 
asächs.  gislct,  ags.  geslp  m.,  schwachbiegend 
mhd.  gesinde,  ahd.  gisindo  m.  «Gefolgsmann, 
Gefährte»,  im  Mhd.  auch  «Hausgenosse»,  eig. 
«Weggenosse»,  anord.  sin7ii,  got.  gasinpja, 
-gasinpa  m.  «Reisegefährte».    Abgeleitet  von 


705 


Gesindel 


Gespenst 


706 


ahd.  sind  m.  «Reise,  Heereszug»,  asächs.  sid, 
ags.  siß  m.  «Reise,  Weg»,  anoi'd.  sin7i  n.,  got. 
sbips  m.  «Gang,  Mal»,  urverwandt  mit  air. 
set,  bret.  hent,  akymr.  hint  «Weg».  Das 
Kollektiv  zu  Gesind  m,  ist  Gesinde,  n.  (-s, 
PI.  wie  Sg.):  Dienerschaft,  bes.  die  niedrige 
des  Hauses.  Mhd.  gesinde  n.  «Dienerschaft, 
Hofdienerschaft,  Gefolge»,  ahd.  gisindi  n. 
«Reisegefolge,  bes.  bewaffnetes»;  dazu  asächs. 
gesiäirx.  «Gefolg-,  Gesellschaft,  Hausgenossen- 
schaft, Volk»,  ags.  ges'ip  n.  «Gefolgschaft». 
ZUS.  Gesindestube,  f.:  Stube  für  die  Haus- 
dienerschaft, bei  Grimmeishausen  Simpl.  57 
Gesind-Stuhe. 

Gesindel,  n.  {-s,  PL  wie  Sg.):  schlechte, 
verachtete  Leute.  Kollektiv  von  Gesinde 
(s.  d.),  mhd.  gesindelin  n.  «Reisegefolge»,  bei 
Luther  Gesindlin  «Hausgenossenschaft»,  dann 
«Leutchen,  Völkchen»,  verächtlich  1550  bei 
Alberus  Fai).  20,  59  loß  Gesindlin,  bei  Kirch- 
hoff Wendunm.  5,  9ß  roh  wild  umst  Gesindle, 
1734  bei  Steinbach   Gesindel. 

gesinnen  ayi  einen,  v.:  ihn  darum  an- 
gehen. Mit  Akk.  oder  einem  Satz.  Im 
Kanzleistil,  höflicher  als  befehlen  und  vor- 
nehmer als  bitten  (vgl.  ansinnen).  Schon 
mhd.  an  einen  etwa^  gesinnen.  Ahd,  gisinnan 
«eine  Richtung  nehmen,  gehen,  reisen»,  dann 
«seine  Gedanken  worauf  richten,  woran  denken, 
wonach  streben»,  mhd.  gesinnen  «worauf 
denken,  begehren,  verlangen».  Zusaminenges. 
mit  sinnen  (s.  d.).  Im  Part.  Prät.  gesonnen 
sein  « entschiednen  Sinnes  und  Willens  sein, 
im  17.  Jh.  bei  P.  Fleming  77.  gesinnt, 
partizip.  Adj.  zu  Sinn  (s.  d.):  den  Sinn,  die 
Entschließung  habend.  Mhd.  gesinnet  «mit 
Weisheit  imd  Kunst  begabt»,  dann  «eine  Ge- 
sinnung habend».  Gesinnung,  f.,  1751  bei 
Ficssing  3,  244.  Davon  gesinnungstÜchtig. 
Schlagwort  seit  den  vierziger  Jahren  des  19.  Jh. 
Vgl.  Ladendorf. 

gesittet,  Part,  als  Adj.:  Sitte  habend, 
besonders  gute;  guter  Sitte  gemäß.  Mhd. 
gesitet  «geartet,  nach  Übhchkeit  gewohnt», 
ahd.  gasitöt  «gehörig  eingerichtet  oder  ge- 
ordnet, angeboren»,  Part.  Prät.  von  ahd.  sitön, 
gasitön  «einrichten»,  got.  sidön  «sich  als  Sitte 
aneignen,  üben»,  dazu  mnd.  gesedet.  Mit 
mhd.  gesitet  mengte  sich  das  ebenfalls  von 
Sitte  abgeleitete  Adj.  mhd.  gesife,  gesit,  ahd. 
gesit  «geartet,  gewohnt».  Gesittung,  f.,  bei 
Campe  unter  Zivilisation  Nachweis  von  1773. 

gesonnen,  s.  gesinnen. 

^Gespan,  m.  (-s,  PI.  -e)-.   Gefährte;  Mit- 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


I  geselle,   Mitknecht.      Mhd.  gespan  m.   «eng- 

I  verbundner  Genosse».  Nicht  zu  dem  in 
Spanferkel  (s.  d.)  vorliegenden  Span  «Mutter- 
brust» gehörig  (wie  mkdi.  spi'ninehruoder,  ahd. 
spunnipruoder  «^Milchbrader»  zu  mhd.  spünne, 
ahd.  spunni  f.  n.  «Mutterbrust»),  sondern  aus 
der  Sprache  des  alten  Fuhr-  und  Fracht- 
wesens weiter  verbreitet,  eig.  «der  die  gleiche 
Spannarbeit  Vemchtende»,  da  zur  Bedienung 
eines   Fi-achtwagens   mindestens   zwei   Mann 

j  nötig   waren   (1540  bei  Alberus  dict.  Hh3* 

'  Gespan  «öuörexvoc,  carpentarii  vocabulo  Ge- 
span se  invicem  salutant»,  als  Bezeichnung 
des  Fuhrmanns  1557  beiWaldis  Esopus4,73,21, 
Mathesius    Luther    1566    S.  438,    6   Neudr., 

;  Fischart  Gai'g.  458  usw.),  dann  überhaupt 
Mitgesell  in  einem  Handwerk  (Eulenspiegel 
Kap.  39).  Anders  got.  gajukö  m.  «Genosse», 
eig.  «der  Mitangespannte». 

"Gespan,  m.  (-s,  PI.  -e) :  imgarischer  Be- 
zirksoberster. Aus  magyar.  ispan,  das  dem 
slav.  ziipan  «Burggraf»  entnommen  ist.  Da- 
von Gespanschaft,  f.:  einem  Gespan  unter- 
gebner Bezirk,   1695  bei  Ziegler  tägl.  Schau- 

I  platz  der  Zeit  S.  1430  ^  Spanschaft  1691  bei 
Stieler. 

Gespänge,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Spangen- 

I  werk,  mhd.  gespenge  n.,  Kollektiv  von  Spange 
(s.  d.). 

Gespann,  u.  (-es,  PI.  -e):  vor  ein  Fuhr- 
werk zusammengespannte  Tiere.  1541  bei 
Franck  Sprichw.  2,  131^  Gespan  neben  um- 
gelautetem  Gespan  2, 10^,  dazu  clevisch  1477 
gespenne  «perde:>.     Von  spannen  (s.  d.). 

Gesparr(e),  Gespärre  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.) : 
Sparren  werk,  Gebälk.  ^Mhd.  gesperre,  ahd. 
gisperri  n.,  Kollektiv  von  Sparre^i  (s.  d.). 

Gespenst,  n.  {-es,  PI.  -er):  Truggebüde, 
bes.  geisterhaftes;  umgehender  abgeschiedner 
Geist.  ]Srhd.  gespenste  n.  «Trugbild»,  bes. 
«teuflisches»,  neben  mhd.  gespanst,  gespetist  f. 
«Lockung,  Verlockung,  Trug,  Phantom,  Gei- 
stererscheinung», ahd.  gispanst  f.  «Lockung». 
Dazu  and.  gispensti  n.,  mnd.  gespenst  n.  «Ver- 
lockung». Abgeleitet  von  ahd.  spanst,  mhd. 
spenst  f.  «Verlockung»,  mhd.  spanen,  zu  ahd. 
spanan  «locken,  reizen»,  and.  spanandelik 
«lockend»,  das  zu  gi\  cirdeiv  «ziehen»  gehört. 
In  der  Bildung  ist  lat.  Abi.  {mea)  sponte  f. 
«freier  Wille,  Antrieb»  verwandt.  ABL. 
gespenstig,  adj.:  unheimhch,  geisterhaft, 
bei  Goethe  Faust  9980,  aber  mhd.  gespenstec 
«verführerisch»,  ahd.  spenstig  «verlockend». 
gespenstisch,  adj.,  bei  Schiller  13,  176. 


707 


Gespiele 


Gestein 


708 


Gespiele,  m.  (-n,  PI.  -n):  Spielgenosse, 
insbes.  in  der  Jugend.  Mid.  gespile,  gespil  m., 
mndl.  ghespele.  Von  Spiel  (s.  d.).  Dazu 
Gespielin,  f.,  1587  bei  Mathesius  Diluvium 
420 **   Gespilin,  für  mhd.  gespile,  gespil  f. 

Gespilde,  n.  (-s)  und  Gespilderecht,  n.: 

das  Vorkaufsrecht  des  Nachbars  an  früher  zu- 
sammengehörigen, später  abgespaltnen  Grund- 
stücken. Thüring.-westfälisch.  Bei  Musäus 
Volksm.  (1826)  4,  54  Gespilde  n.,  ebenso  1491 
in  den  Rastenberger  Statuten  §  46.  Zu  spalten 
(s.  d.),  vgl.  gespült  Gilt  «pars  praedii  divisi» 
bei  Frisch  2,  289 '^  und  das  mhd.  Adj.  u.  Adv. 
zwispilde   «in    zwei  Teile  geteilt,    zvv^iefach». 

Gespinst,  n.  (-es,  PI.  -e):  Gesponnenes. 
Mhdi.gespiinst  n.  und  f.,  neben  spätmhd. gespünn, 
mnd.  gespin  n.,  im  15.  Jh.  auch  gespinß  n. 

Gespons,  m.  n.  {-en,  PI.  -en):  der  Bräuti- 
gam, die  Braut.  Veraltet.  Spätmhd.  gespwitze, 
gespunse,  gesponse  m,  und  f.,  aus  lat.  sponsus 
m.  und  sponsa  f.  «der,  die  Verlobte». 

Gespött,  n.  (-es,  Pl.wieSg.):  vieler,  wieder- 
holter Spott.  Mhd.  gespötte,  gespöt,  md.  ge- 
spote  n.,  Kollektiv  von  Spott  (s.  d.). 

Gespräch,  n.  (-es,  PI.  -e):  Unterredung. 
Unverkürzt  Gespräche  n.  bei  Lessing  1,  212. 
^Ihd.  gesprceche  n.  «Sprach vermögen,  das 
Sprechen,  Besprechung,  Unterredung,  Bera- 
tung», md.  gespreche,  ahd.  gisprächi  n.  «Bered- 
samkeit, Rede»,  dazu  mnd.  gesprake,  gespreke, 
mndl.  ghespraeck  n.  Abgeleitet  aus  Sprache 
(s.  d.).  Davon  gesprächig,  adj.,  mhd.  im 
12.  Jh.  gesprechig  (Sumerl.  8,  40),  aber  meist 
mhd.  gespr(ßche,  md.  gespreche,  ahd.  gisprächi 
«beredt»,  wie  noch  oberd.  und  md. 

Gest,  f.:  Hefe.    Aus  dem  Nd.,  s.  Gäscht 

Gestade,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Lahdrand 
eines  größren  Gewässers.  Im  17.  Jh.  Gestade 
(Fleming  76),  mhd.  gestat  n.,  zusammenges. 
mit  mhd.  stat  m.  n.  «Ufer»  (s.  Staden). 

gestalt,  adj.:  beschalFen,  im  Äußern  vor 
Augen  stehend.  Bei  Lichtwer  Fabeln  1,  9, 
ferner  in  der  Wendung  hei  so  gestalten  Sachen 
(Wieland, .  Schiller  usw.)  und  in  Zusammens. 
wie  wohl-,  ungestalt,  feingestalt  (Goethe 2, 143), 
schöngestalt  (Schiller  eleus.  Fest  .36).  Mhd. 
gestalt  (auch  wolgestalt,  ungestalt),  ahd.  gistalt 
«beschaffen,  eingerichtet»  (auch  ungistalt  «häß- 
lich»), mnd.  gestalt,  eig.  Part,  von  stellen  (s.d.). 
Aus  dem  Adj.  bildete  sich  das  Subst.  Gestalt, 
f.  (PI.  -en):  das  Äußere,  wie  ein  Ding  sich 
vor  Augen  stellt  und  eingerichtet  ist.  Mhd. 
gestalt  f.  «äußres  eigentümliches  Aussehen, 
Beschaffenheit»,  im  14.  Jh.  auch  «der  Träger 


der  Gestalt,  Person»  (Megenberg  470,  18); 
dazu  mnd.  gestalt  n.  f.  «Beschaffenheit,  Ver- 
hältnis». Vgl.  dergestalt.  Von  Gestalt  abge- 
leitet gestalten,  V. :  bilden,  formen,  1537  bei 
Dasypodius,  refl.  1525  bei  Zwingli  Touf  f  2^; 
Gestaltung,  f.,  bei  Dasypodius. 

geständig,  adj.:  zugestehend,  einräumend. 
Bei  Luther  1,  344''  gestendig.  Mhd.  gestendec 
«beständig,  unveränderlich,  beistehend»,  dann 
«zustimmend,  einwilligend»  (Haltaus  690  vom 
J.  1326).  Abgeleitet  von  mnd.  gestant  n., 
altjülisch  gestant  m.  «Geständnis,  Bekenntnis» 
zu  gestehen  (s.  d.).  Dazu  Geständnis,  n., 
1663  bei  Schottel  376**  aus  Carpzov  1638. 

Gestänge,  n.  [s,  PI.  wie  Sg.):  im  Bergbau 
Stanzenwerk  zum  Auspumpen  desWassers  usw. 
(1562  bei  Mathesius  Sar.  145^),  sowie  das 
Schienengleis  für  die  Förderkarren  im  Schacht 
(1408  im  Schladminger  Bergbrief).  Kollektiv 
von  Stange  (s.  d.). 

Gestank,  m.  (-es,  PI.  Gestänke):  übler 
Geruch.  Mhd.  gestanc  m.  (PI.  md.  gestenke), 
zusammenges.  mit  Stank  (s.  d.),  als  dessen 
Kollektiv  mhd.  gesfank  n.  (Megenberg  163,  23), 
im  16.  Jh.   Gestänck,   Gestenck  n. 

gestatten,  v.:  stattgeben,  geschehen  lassen. 
Mhd.  gestaten,  ahd.  gistatön,  zusammenges. 
mit  ahd.  statön  '< einen  Standpunkt,  festen 
Stand  geben»,  dann  «zulassen»,  abgeleitet  von 
ahd.  stata  f.  «Standpunkt,  bequemer  Ort  oder 
Zeitpunkt,  gute  Gelegenheit».     S.  Statt. 

Geste,  f.  (PI.  -n):  ausdrucksvolle  Hand- 
oder Körperbewegung.  Um  1500  bei  Diefen- 
bach  gl.  261  ^'  gesten  machen,  von  einem  Gaukler 
oder  öfifenthchen  Spaßmacher,  ebenso  1495 
in  der  Kölner  Gemma  J8^,  dazu  ndl.  1598 
geste.  Aus  lat.  gestus  m.  «Gebärdenspiel  der 
Redner  und  Schauspieler»,  eig.  die  Art,  wie 
man  den  Leib  trägt,  von  lat.  gerere  «an  sich 
tragen,  vemchten». 

gestehen,  v.:  sich  stellen,  insbes.  zu- 
sammenrinnend fest  oder  dicklich  werden 
(im  14.  Jh.  bei  Megenberg  81,  17  u.  477,  28); 
ein  Bekenntnis  ablegen,  eig.  aussagend  hin- 
stehen. Mhd.  gestän,  gesten,  ahd.  gistantan, 
gistän  «stehen  bleiben,  sich  stellen,  stand- 
halten, beistehen,  zugestehen,  bekennen,  zu 
stehen  kommen,  kosten»;  dazu  asächs.  gistan- 
dan,  gistän  «feststehen,  zukommen,  wider- 
fahren, gereichen»,  ags.  gestandan  «stehen, 
standhalten,  sich  wogegen  erheben». 

Gestein,'  n.  (-s,  PI.  -e):  Steinmasse,  Ge- 
birgsart  (1562  bei  Mathesius  Sar.  63*»  Ge- 
steine n.).     Mhd.  gesteine  n.  «die  Edelsteine. 


709 


Gestell 


Gesuch 


no 


und  Schmuck  davon»,  noch  dichterisch  bei 
Rückert.     Kollektiv  von  Stein  (s.  d.). 

Gestell,  n.  (-S,  PI.  -e):  aufgestellte  Vor- 
richtung. Unverkiirzt  Gestelle  n.  bei  Goethe 
1,  178.  Mhd.  gestelle  n.  «MühlengesteU, 
Rahmenwerk»,  auch  «äußre  Gestalt»,  ahd. 
gistelli  n.  «Zusammenstellung,  Stellung,  Stand- 
ort», Kollektiv  von  ahd.-mhd.  stal  m.  «Stelle, 
Gestell,  Stütze»,  zu  stellen  (s.  d.). 

gestern,  adv.-.  vorhergehenden  Tages. 
Mhd.  gester  und  gestern,  md.  gesteren,  ahd. 
gesteron,  gesteren  und  gestre  (auch  zusammen- 
ges.  egestra,  egestere  «übermorgen»);  dazu 
mnd.  u.  ndl.  gisteren,  clevisch  1477  gisteren, 
ags.  giestran-dceg,  gyrstan-dceg,  engl,  yesterday 
«gestern»,  got.  gistradagis  «morgen»  (anord. 
l  gär  «gestern,  morgen»,  schwed.  igär,  dän. 
igaar  «gestern»  geht  auf  eine  Form  mit 
Länge  zurück),  also  ux^spr.  «den  andern  Tag 
von  heute  -aus».  Dazu  lat.  heri  «gestern», 
hesternus  «gestrig»,  gr.  x9ec,  albg.  dje,  aind. 
hjäs  «gestern».  ABL.  gestrig,  adj.,  mhd. 
gest(e)ric,  ahd.  gesterig,  dazu  ndl.  1 598  ghisterigh. 

Gestikulation, n.  (PI. -ew) :  Gebärdenspiel, 
im  18.  Jh.  aus  lat.  gesticulätio  f.  gesti- 
kulieren, V.:  Gebärden,  Handbewegungen 
machen,  1694  bei  Xehi-ing  gesticuliren,  aus 
gleichbed.  lat.  gesticuläri,  von  lat.  gesticulus 
m.,  dem  Dim.  von  gestus  m.  (s.  Geste). 

Gestirn,  n.  (-es,  PI. -e):  Sternbild,  heller 
Stern.  Mhd.  gestirne,  gestirn,  auch  gestirre, 
ahd.  gistirni  und  gistirri  n.  «die  Gesamtheit 
der  Sterne,  Konstellation  (Zusammenstand) 
von  Sternen»,  im  Mhd.  auch  «großer  Stern». 
Kollektiv  von  Stern  (s.  d.). 

^gestirnt,  partizip.  Adj.  zu  Stern  (s.  d.): 
mit  Sternen  besetzt,  sternvoll.  Mhd.  gestirnet, 
ahd.  gestirnöt. 

^gestirnt,  pai-tizip.  Adj.  zu  Stirne  (s.  d.): 
mit   einer  Stirne    versehen.      Äfhd.  gestirnet. 

Gestöber,  n.  (s,  PI.  wie  Sg.j:  wieder- 
holtes Stöbern  (s.  d.j;  Dm-cheinanderstieben. 
Md.  im  13.  u.  14.  Jh.  gestobere,  gestubere  n. 
«staubauf  wirbelnd  es  Getümmel,  Auflauf»,  im 
1 5.  Jh.  bei  Os  w.  V.  Wolkenstein  >^r.  78, 5  (Schatz), 
gestöber  n.  «aufwirbelnde  Staubmasse». 

Gesträuch,  n.  (-es,  PI.  -e)-.  beieinander- 
stehende Sträuche.  Unverkürzt  Gesträuche 
n.  bei  Bürger  23,  Goethe  Faust  3892.  Md. 
im  14.  Jh.  gestrüche  n.,  im  15.  Jh.  gestrüch, 
1420  bei  Diefenbach  gl.  501*^  gestreuge.  Kol- 
lektiv von  Strauch  (s.  d.). 

gestreng,  adj.:  streng  (s.  d.).  Mhd.  ge- 
strenge «stark,  gewaltig,  tapfer»,  als  Ehren- 


prädikat des  Ritterstandes  schon  um  1300 
(bis  ins  18.  Jh.,  Schiller  Räuber  5,  1,  Teil 
.3,  3),  dann  auch  in  der  Bed.  «keine  Nach- 
sicht übend». 

Gestrick,  n.  (-es,  PI.  -e):  Geschling  oder 
Gewinde  von  Stricken;  Netzgeflecht;  Strick- 
arbeit. In  der  1.  Bed.  1590  bei  Fischart 
Garg,  241,  in  der  2.  Bed.  bei  Brucker  Straßb. 
Verordn.  183  von  1425,  in  der  3.  Bed.  Ger- 
mania 18,  377  (15.  Jh.).   Kollektiv  von  Strick. 

Geströhde,  n.  (-s):  Strohmenge,  Stroh- 
gewirre (Goethe  31,  99  u.  145).  Bei  Luther 
Geströde,  Gestrod,  1487  in  den  Tannrodaer 
Statuten  geströde  n.  Kollektivbildung  zu 
Stroh  (s.  d.),  wie  gleichbed.  mhd.  gestrowe, 
geströe,  ahd.  gistraivi,  gistrowi  n. 

Gestrüpp,  n.  (-es,  PI.  -e):  durcheinander 
gewachsenes,  rauh  hervorstarreudes  niedriges 
Gebüsch.  Im  16.  Jh.  bei  H.  Bullinger  Refor- 
mationsgesch.  3,  87  Gestrüpp,  unverkürzt  bei 
P.  Fleming  118  Gestrüpe,  bei  Goethe  36,  53 
Gestrüppe.  Kollektiv  von  mhd.  strupfe  «  strup- 
piges Gewächs».  Mit  verdünntem  Vokal  bei 
Henisch  1616  und  Adelung  1775  Gestrippe, 
bei  Goethe  34, 1,  22  Gestripp.  Andrerseits  mit 
langem  Stammvokal  (wie  mhd.  strüp  «strup- 
pig») und  umgelautet  Gestreuppig  1616  bei 
Henisch,  gestreiipich  neben  gestrüppich  1508 
in  Weist.  6,  43,  10  ff".     Vgl.  struppig. 

Gestühl,  n.  (-S,  PI.  -e):  Stulilwerk;  Ge- 
stell, worauf  etwas  ruht  (bei  Luther  1.  Kön. 
7,  27  fl'.).  Mhd.  gestüele,  gestuole,  md.  gestüle, 
gestöle  n.  «Stuhlmenge,  Stuhl,  Thron»,  ahd. 
gastuoli  n.,  Kollektiv  von  Stuhl  (s.  d.). 

gestunden,  v.:  xlufschub  gestatten,  Frist 
geben.  1691  bei  Stieler.  Zusammenges.  mit 
gleichbed.  stunden,  von  Stunde  (s.  d.).     ' 

GestÜppe,  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  fliegender 
Staub;  Staubähnliches.  Mhd.  gestüppe,  md. 
gestuppe  n.;  dazu  mnd.  gestubbe  n.  «Staub». 
Kollektiv  von  mhd.  stuppe,  stüppe,  ahd.  stuppi 
n.  «Staub,  Staubähnliches»  wie  Sand,  Asche, 
got.  stubjus  m.  «Staub»,  zu  stieben  (s.  d.). 

Gestüt,  Gestüte,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.): 
Pflegeort  für  Zuchtpferde.  1582  bei  Fischart 
Garg.  280  Gestud,  bei  Fugger  Gestüterey  1 584 
Gestüt  n.,  Kollektiv  von  mhd. -ahd.  stuot  f. 
«Herde  von  Zuchtpferden»  (s.  Stute). 

Gesuch,  n.  (-es,  PI.  -e):  angelegentliche 
Bitte,  insbes.  an  eine  Behörde.  1616  bei 
Henisch.  Dagegen  mhd.  gesuoch  m.,  md.  ge- 
such  m.  «das  angelegentliche  Suchen,  Auf- 
suchen, Spüren  auf  Wild,  Recht  des  Auf- 
j  und    Besuchens    eines   Weideplatzes»,    daim 

45* 


711 


gesnnd 


Getrümmer 


712 


«Erwerb,  Gewinn,  Geldzins»,  welche  letzteren  i 
Bedeutungen  schon  ahd.  gisuoch  m.  hat,  bei 
Luther  Gesuch  n,  «das  Streben  nach  Gewinn».  ■ 
Das  heutige  Neutr.  ist  Substantiv  zu  suchen 
(s.  d.),    das  Mask.  der  altern    Sprache    aber  j 
eine  Zusammensetzung   mit  mhd.-ahd.  suoch 
m.  «das  Suchen,  Erwerb,  Zinsertrag». 

gesund,  adj.  (Komp.  gesunder  und  ge- 
sunder, Superl.  gesundest  und  gesundest) :  un- 
verletzt oder  ungestört  am  Ganzen  der  natür- 
lichen Lebenstätigkeit  und  Lebenskraft;  der  • 
natüi-lichen  Lebenstätigkeit  zuträglich  oder  i 
förderlich.  IMhd.  gesunt  in  beiden  Bed.,  nur  < 
in  der  ersten  «unverletzt,  heil»  ahd.  gisunt 
und  gisunti,  asächs.  gisund,  mnd.  sund,  ndl. 
gezond,  afnes.  sund,  ags.  gesund,  engl,  sound. 
Verwandt  entweder  mit  lat.  sänus  «gesund» 
oder  mit  got.  swmps  «stark,  gesund»  (s.  ge- 
schwind). ABL.  gesunden,  v.,  mhd.  ge- 
sunden, gesunten,  tr.  «gesund  machen,  am 
Leben  erhalten»,  intr.  «gesund  werden,  am 
Leben  bleiben  »,  Ahd.gesujiten  «  gesund  machen  ». 
Gesundheit,  f.,  mhd.  gesuntheit  f.  In  der 
Bed.  «Trinkspruch  auf  die  Gesundheit  Jmds.». 
1646  bei  Philander  4,  206.  ZUS.  mit  dem 
mhd.-ahd.  Subst.  gesunt  m.  «Gesundheit»: 
Gesundbrunnen,  m.:  Heilquelle,  1595  bei 
Welser- Werhchius  Augsb.  Chron,  13,  81  vom 
J.  1551. 

Getäfel,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Bretterbe- 
kleidung. Mhd.  gefevel,  n.,  Kollektiv  von 
Tafel  (s.  d.). 

Getier,  n.  (-s,  PI.  -e):  Tierwelt,  Tiere. 
Mhd.  getier  n,,  Kollektiv  von  Tier  (s.  d.). 

Getöse,  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  wiederholtes 
Tosen  (s.  o.)  1537  bei  DasjqDodius  Getöß, 
ndrhein.  im  14.  Jh.  gedoü,  gedoys  n.,  mhd. 
gedoß^e  n,  «stai'kes  Geräusch,  Wasserfall», 
Kollektiv  von  mhd.-ahd.  dö^  m.  «Geräusch». 

Getränk,  n,  {-es,  PI.  -e)-.  Trank.  Unver- 
kürzt Getränke  n.  bei  Goethe  Tasso  2890, 
Paust  223.  Md.  im  14.  Jh.  getrenke  n.,  auch 
«Trinkgelage».  Dafür  mhd.  getraue  n.,  auch 
bei  Luther  4.  Mos.  6,  3.  Zusammensetzungen 
mit   Trank  (s.  d.). 

Getratsch[e] ,   Getratsch [e] ,  n.  (-s): 

ausplauderndes  Gerede.  Beim  j.  Goethe  2, 
385  und  Ivindleben  1781.  Von  tratschen, 
tratschen  «plaudern,  klatschen»  (s.  d.).  Ver- 
wandt mit  geträsch  n.  «Geräusch»  (15.  Jh. 
in  Städtechron.  5,  106,  15),  schles.  -  Schweiz. 
Trasch  m.  «LäiTn,  Geschwätz»,  Drasch  1531 
bei  Hedio  Josephus  Von-. 

getrauen,  v.  refl.  {ich  getraue  mir  oder 


mich):  sich  seiner  Kraft  und  des  Erfolges 
ihrer  Anwendung  bewußt  sein.  Mhd.  ge- 
trüwen.  getrouiven,  ahd.  gatrüen,  gitrüwen 
«worauf  trauen,  sich  worauf  stützen»,  bes. 
«mit  Hoffnung  des  Erfolges,  glauben,  anver- 
trauen, zutrauen»,  dazu  asächs.  gitrUön,  gi- 
trüoian,  ags.  getreoivan,  got.  gatrauan  «ver- 
trauen».     Zusammenges.  mit  trauen  (s.  d.). 

Getreibe,  n.  {-s):  wiederholtes  Treiben. 
1641  bei  Schottel  499.  Entsprechend  mhd. 
getrip  n.  «Getreibe».     Von  treiben  (s.  d.). 

Getreide,  n.  {-s,  PI.  -e):  Mehl  gebende 
Körnerfrucht.  Mhd.  getregede,  geträgede,  ge- 
treide  n.  «alles,  was  getragen  wird,  Kleidung, 
Gepäck,  Last»,  auch  «Gestell  zum  Tragen, 
Tragbahre,  was  der  Erdboden  als  auf  ihm 
gewachsen  trägt»,  z.  B.  Gras,  Blumen  usw., 
überhaupt  «Nahning,  Lebensmittel»,  spätahd. 
getragide  n.  «Einkünfte,  Besitz».  Von  tragen 
(s.  d.).  In  der  Bed.  «Frucht,  die  der  Baum 
trägt»  1546  bei  Bock  Kräuterb.  2,  66^  das 
getreid,  das  sind  die  runde  zepfiin  am  Bircken- 
haum  .  .  .  das  Erlen  getreid.  Die  Bed. 
«KörnerfiTicht»  zuerst  md.im  14.  Jh.  getreigede, 
getreide  n.  (Freiberg.  Stadtr.  Kap.  42,  12  und 
49,  15)  und  von  da  im  14.  und  15.  Jh.  nach 
Oberdeutschland  vorgedrungen,  auch  als  Mask. 
bayr.-östr.  traid  und  getreid  bereits  im  15.  Jh. 

getreu, adj.:  treu.  Waä.  getriuwe,  getriwe, 
getriu,  ahd.  gitrimvi,  gitrüwi:  dazu  asächs. 
gitrimvi,  ags.  getreowe.  Zusammenges.  mit 
treu  (s.  d.).  Davon  getreulich,  adj.,  mhd. 
getrimvelich,  ahd.  getriuicelih,  im  Adv.  gitriu- 
Ucho,  mhd.  getriuwe-,  getruwe-,  getrüeltche, 
bei  Luther  getrewlich. 

Getriebe,  n.  {-s,  PL  wie  Sg.):   das  Be- 
treiben, Antreiben  wozu;  Triebwerk.    Tu  der 
1.  Bed.  bei   Luther,   vgl.  ahd.  anagatrip  m. 
I  «Antrieb»;  in  der  2.  Bed.  spätmhd.  im  15.  .Jli. 
getribe  n.  «Triebwerk  der  Mühle»,  im  Berg- 
'  bau   1562   bei   Mathesius   Sar.  139^    Getribe 
«stützendes  Holzgeiüst»  und   1557  bei  Agri- 
'  cola  Bergw.  S2^  Getriebe  «Räderwerk».    Zu 
Trieb  und  treiben  (s.  d.),  vgl.  Getreibe. 

getrost,  adj.:  ruhig  und  zuversichtlich 
vertrauend.  Mhd.  getrost,  ahd.  gitröst,  gidrost; 
dazu  mnd.  getrost,  getrosten,  v.  refl.  (mit 
j  Gen.  der  Sache):  verzichten  in  ruhiger  Zn- 
vei'sicht  eines  Ersatzes.  Mhd.  getroesten  tr. 
«zuversichtlich  machen»,  refl.  in  heutiger 
j  Bed.,  ahd.  gitrostan  «trösten». 

Getrünimer,  n.  (-s):  Masse  von  Ti-üm- 
I  mern.  1776  bei  Bürger  206.  Kollektiv  zu 
1  Trümmer  (s.  d.). 


713 


Getto 


gewähren 


714 


Getto,  m.  n.  {-s,  PI.  -s):  Judenviertel. 
Aus  ital.  ghetto  m.  «Judeagasse»,  das  von 
talmudisch  ghet  «Absonderung»  stammt. 

Getümmel,  n.  (-s):  verwon-nes  unge- 
stümes Sich -dui'cheinander- bewegen.  Bei 
Luther  Getümel,  Getümele,  mhd.  getumele, 
getmnmele  n.  Zu  ahd.  tumilon  «sich  drehen», 
s.  tummeln. 

geuden,  s.  vergeuden. 

Gevatter,  m.  (-s,  PI.  -n)-.  geistlicher  ilit- 
vater  als  Taufpate,  iihd.  gevatere,  gevater, 
ahd.  gevatero  m.;  dazu  mnd.  gevadder,  mndl. 
ghevadere,  ags.  gefcedera,  dem  kirchlich-mlat. 
compater  m.  nachgebildet.  Die  schwache 
Flexion  des  Sg.  noch  im  17.  Jh.  Abgeleitet 
von  Vater  (s.  d.  und  vgl.  Gote.  Pate).  Als 
trauHche  Anrede  unter  Freunden  und  Be- 
kannten bereits  im  15.  Jh.  (Dekameron  583,  9 
K.).  Bä.  Gevatter  stehen:  Taufzeuge  sein 
(im  16.  JK  bei  Ayrer  Dramen  2469,  34  K. 
zu  Gfatter  stehn) ;  fbüdlich)  « vei-pfändet  sein», 
burschikos  1744  bei  Melissus  Salinde  167,  zu 
Gevattern  stehn  bei  Günther  167,  eig.  vom 
Bürgen  gemeint  «Bürgschaft  leisten»  (Gott- 

helf  Uli  d.  Pächter  310).  ABL.  Gevatte- 
rin, f.,  im  15.  Jh.  gevatterin,  gevätterin  (De- 
kameron 462,  12  u.  17  K.);  dafüi-  mhd.  ge- 
vatere, ahd.  givatara  f.,  ags.  gefcedere  f. 
Gevatterschaft,  f.,  mhd.  gevater  schaß  f., 
mnd.  gevadder schap.  ZUS.  Gevattersmann, 
m.:  Gevatter,  1691  bei  Stieler  Gevattermann, 
aber  bei  H.  Sachs  Fastnachtsp.  82, 1  ff.  Gfatter- 
mann  «der  Ehemann  der  Gevatterin». 

geviert,  partizip.  Adj.:  als  regelmäßiges 
Geviert  (Quadrat)  erscheinend,  regelmäßig 
viereckig.  Mhd.  gevieret,  geviert,  ahd.  gefierot, 
dem  lat.  quadrätus  nachgebildet.  Zu  mhd. 
vieren,  das  nur  in  der  refl.  Bed.  «sich  zu 
Vieren  scharen,  sich  vervierfachen»  belegt 
ist.  Substantivisch  ins  Geviert,  im  Geviert 
(Viereck,  Quadrat),  bei  Luther  ins,  im  Ge- 
vierde.  ZUS.  Geviertmeile,  f.:  Quadrat- 
meile, von  Campe   1808  neugebildet. 

Gevögel,  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Gesamtheit 
von  Vögeln;  Geflügel.  }<lhd. gevügele, gevügel, 
gevögele,  md.  gevugele,  gevogele,  ahd.  gifugili 
n.,  Kollektiv  von  Vogel  (s.  d.). 

Gewächs,  n.  {-es,  PI.  -e):  Wachstum, 
Art  des  Wachsens,  Wuchs  (Lessing  1,  465); 
Gewachsnes,  Pflanze;  Ertrag  an  und  von 
Pflanzen  (bei  Luther);  bildlich,  Nachkommen- 
schaft (Jes.  48,  19);  Auswnichs  an  einem 
Körper,  bes.  einem  tierischen  (1516  in  Städte- 
chron.  25,  56,  14  gewechs).     Bei  Luther  Ge- 


wechs,  Gewechse,  mhd.gewehsen.  «Gewachsnes, 
Pflanze»  (nur  als  letztes  GHed  in  Zusammen- 
setzungen), im  15.  Jh.  gewachs,  gewechs  n., 
in  der  Bed.  «Wachstum  des  Holzes»  1506 
in  der  Bamberg.  Waldordnung  gewächß  n. 
(östr.  Weist.  6,  417,  32):  dafür  mhd.  das  Fem. 
gewahst,  geioähste  «Wachstum,  Gewachsnes, 
Pflanze,  Wuchs»,  ahd.  giwahst,  giwahsti  f. 
«Wachstum,  Wuchs»,  Abgeleitet  von  wachsen 
(s.  d,),  wie  gewächsig,  adj.:  Wachstum 
fördernd,  fruchtbar,  1604  bei  Colenis  Hausb. 
3,  126  geivechsich,  bei  Opitz  Ps.  65  geivächsig, 
noch  wetterauisch,  daneben  bei  Colerus  3, 
121  getvechsicht in.  derBed.  «schnell  wachsend». 
ZUS.  Gewächshaus,  n.,  1712  bei  Hübner 
Gewächs-Hauß ,  dafür  1691  bei  Stieler  Ge- 
wächsstube. 

gewahr,  adj.,  in  gewahr  werden:  mittels 
der  Sinne  zum  Bewußtsein  von  einem  Dinge 
usw.  kommen.  Mhd.  gewar  werden,  ahd. 
giwar  werdan,  asächs.  giwar  weräan  «ansich- 
tig, bewußt  werden,  bemerken»,  mit  Gen. 
das  Adj.  mhd.  gewar,  ahd.  und  asächs.  giioar 
«beobachtend,  bemerkend,  aufmerksam,  sorg- 
fältig, vorsichtig,  scharfsichtig»,  ndl.  gewaar, 
engl,  aware,  zu  mhd.  war,  ahd.  wara  f.  «das 
sorgende  Sehen  worauf.  Acht,  Aufmerksam- 
keit» (s,  wahren,  wahrnehmen). 

^Gewähr,  f.  (ohne  PI.):  das  Einstehen 
wofür  zur  Sicherheit.  Mhd.  geiver  f.  neben 
wer  f.  (s.  Währtnann).  Zum  Zeitwox-t  mhd. 
wem,  ahd.  iceren  (s.  gewähren). 

^Gewähr,  n.  {-es,  PI.  -e)  und  f.:  einem 
Bergbauer  zum  Lohne  gegebnes  Stück  Feld, 
in  bestimmtem  Maße  14  Lachter  lang  und 
7  breit  (Adelung).  1562  bei  Mathesius  Sar. 
29^  ff.  Gewer,  Geivehr  f.  Entweder  aus  mhd. 
gewer  f.  «Gewährung»  hervorgegangen  oder 
aus  mhd.  gewere,  geioer  f.  «förmliche  Ein- 
kleidung, Einsetzung  in  den  Besitz  eines 
Grundstücks  (mlat.  investitura  f.),  Besitzüber- 
gabe, rechtskräftig  gesicherter  Besitz,  tat- 
sächliche Innehabung  desselben.  Besitzrecht», 
ahd.  geiveri  n.  «Einkleidung  in  den  Besitz», 
von  ahd.  giwerjan  und  icerjan,  ags.  werjan, 
anord.  verja,  got.  wasjan  «kleiden,  bekleiden», 
urverwandt  mit  lat.  vestlre  «kleiden»,  gr. 
^vvucGai  aus  *FecvucOai  «kleiden»,  aiiid.-aw. 
väste  «er  kleidet  sich»,  armen,  z-genum  «ziehe 
an,  kleide  mich   an». 

gewahren,  v.:  gewahr  werden,  bemerken. 
Mhd.  geicarn,  zu  mhd.  icar,  ahd.  ivara  f. 
«Aufmerksamkeit»  (s.  gewahr). 

gewähren,     v.:     für    Geltung    und    zur 


715 


Gewahrsam 


gewarten 


716 


Sicherheit  einstehen  (Thümmel  Eeise  6,  309) ; 
zuteil  werden  lassen,  bewilligend  zukommen 
lassen;  geiüähren  lassen:  unbehindert  tun 
lassen.  In  der  2.  Bed.  bei  Luther  geiceren, 
1561  bei  Maaler  geiüären,  1616  bei  Henisch 
geivehren  und  gewähren.  Mhd.  geivern  «zu- 
gestehen, was  einer  zu  fordern  hat,  leisten, 
bezahlen,  durch  Leistung  wozu  bringen,  woran 
gewöhnen,  wofür  einstehen,  gewährleisten», 
ahd.  giweren,  giweron,  giweran  «-leisten»,  zu- 
sammenges.  mit  gleichbed.  mhd.  wem,  ahd. 
weren  (auch  afries.  wera,  wara  «gewähr- 
leisten») woher  entlehnt  die  unter  Garant 
(s.  d.)  behandelten  romanischen  Wörter.  Die 
weitere  Verwandtschaft  des  deutschen  Wortes 
ist  unklar.  Vgl.  v.  Bahder  DWB,  13,  786. 
ABL.  Gewährung,  f.,    1616   bei  Henisch. 

Gewahrsam,  m.  (-s):  Aufsicht,  Obsorge; 
leichtes  Gefängnis;  (veraltet)  sicherer  Aufent- 
halt, Wohnsitz  (Mathesius  Luther  64,  18 
Neudr.).  Mhd.  gewarsame  f.  «Aufsicht,  Sicher- 
heit, sicherer  Ort,  Gefängnis»  (1499  bei  Halt- 
aus 709).  Das  Fem.  bis  ins  18.  Jh.,  noch 
bei  Adelung  und  Schiller.  Zum  mhd.  (md.) 
Adj.  gewarsam  «vorsichtig,  sorgsam»,  von 
gewahr  (s.  d.). 

Gewährschaft,  f.:  das  Einstehen  wofür 
zur  Sicherheit.  Mhd.  geiverschaft  f.  «rechts- 
kräftig gesicherter  Besitz,  Innehabung  mit 
rechtlicher  Sicherheit».  Zusammenges.  mit 
Geivähr  f.  (s.  d.  1),  ebenso  Gewährsmann, 
m.:  der  wofür  Einstehende,  Bürge,  1663  bei 
Schottel  290  G eiv ehrmann ,  1691  bei  Stieler 
Getüärmann  neben  Wärmann,  mhd.  tverman 
m.,  noch  bei  Lessing  4,  90  Wehrmann. 

Gewalt,  f.  (PI.  -en):  zwingende  Macht; 
gesetzlose  Macht.  Mhd.  geivalt  m.  und  f., 
im  Md.  überwiegend  f.,  ahd.  giwalt  m.  und  f. 
(auch  bei  Lutber  und  Henisch  1616  Mask. 
und  Fem.,  letzteres  in  Luthers  späteren 
Schriften  vorwiegend,  bei  Duez  1664  und 
Stieler  1691  nur  Fem.,  aber  noch  Dornblüth 
1755  verlangt  das  Mask.);  dazu  asächs.  gkcald 
f.,  mnd.  geivaU,  geweläe  f.  n.,  ags.  geweald 
m.  n.  Von  walten  (s.  d.)  ABL.  gewaltig, 
adj.,  mhd.  gewaltec,  gewaltic,  selten  geweltic, 
md.  geiveldic,  ahd.  giwaltig,  giiv eltig,  im  Adv. 
gewaWgo,  mnd.  geweldich,  geivaldich:  davon 
gewaltigen,  v.:  unter  seine  Gewalt  bringen, 
bewältigen  (Goethe  Wahlverw.  1,  13  usw.), 
mhd.  gewaltigen,  geweitigen;  in  der  Bed. 
«bevollmächtigen»  gewaltigen  bei  Adelung. 
gewaltsam,  adj.,  im  15.  Jh.  in  der  Rechts- 
sprache, mhd.  nur  in  den  abgeleiteten  Subst. 


geivaltsam  m.  «Macht,  Vollmacht»  und  gewalt- 
same f.  «obrigkeitliche  Gewalt,  herrschaft- 
liches Gebiet»,  älternhd.  «widerrechtliche 
Gewalt»  (bei  Henisch).     Gewaltseligkeit, 

f.,  bei  Lessing  7, 135.   ZUS.  Gewalthaber, 

m.,  fiühnhd.  Gewaltstreich,  m.,  1808  bei 
Campe.  Gewalttat,  f.,  zuerst  1663  bei 
Schottel  1230,  dann  erst  wieder  1775  bei 
Adelung,     gewalttätig,  adj.,  bei  Zesen. 

•Gewand,  n.  {-es,  PI.  Getcänder)-.  anzu- 
legendes Kleid;  Tuch  zu  lOeidung.  Älhd. 
gewant  n.  «Kleidung,  Kriegskleid,  Rüstung, 
Zeugstoff»,  ahd.  (12.  Jh.)  nur  in  iadegiivant; 
dazu  mnd.-mndl.  gewant  (entlehnt?),  nach 
Wunderlich  DWB.  dasselbe  wie  ahd.  gitvant  f. 
«Grenze»,  d.  h.  Ort,  wo  man  sich  wendet. 
Völlig  verschieden  von  gleichbed.  mhd.  ge- 
wcete,  ahd.  giwäti  n.,  dem  Kollektiv  von  wät 
f.  (s.  Wat).  ZUS.  Gewandhaus,  n.:  Ge- 
bäude zum  Verkaufe  von  Tuch,  Leinwand 
u.  dgl.  auf  Jahrmärkten  und  Messen,  spätmhd. 
und  md.  1365  geivanthüs  n.  Gewand- 
SChneider,  m.:  Tuch-  und  Leinwandhändler 
im  Kleinen,  Schnittwarenhändler,  mhd.  ge- 
wantsnider  m.,  eig.  «Tuchausschneider»,  ge- 
wandsweise,  s.  quantsweise. 

gewandt,  adj.:  sich  leicht  bewegend  und 
helfend.  1678  bei  Krämer  von  Pferden  und 
Schiffen.  Mhd.  gewant  «angewandt,  aus- 
schiageud  wozu,  zuteil  geworden,  beschaffen, 
bewandt,  sich  verhaltend»,  (mit  Dat.  der 
Person)  «jmds.  Verhältnissen  angemessen». 
Part.  Prät.  von  wenden  (s.  d.)  und  gewenden, 
mhd.  gewenden,  ahd.  giwentan  «umwenden, 
umkehren».  Davon  Gewandtheit,  f.,  1779 
bei  Lessing  Nath.  3,  4. 

Gewann,  f.  (PI.  -en):  die  aus  ähnlich 
liegenden  Äckern,  Wiesen  oder  Gärten  be- 
stehende, ein  Ganzes  bildende  Unterabteilung 
der  Flur.  Entstanden  (in  Westdeutschland) 
aus  Gewand  f.,  noch  in  Nürnberg  «Acker- 
beet», d.  h.  «Pflugland  bis  zu  den  Pflug- 
kehren, die  seine  Grenze  bilden»,  mhd.  ge- 
wände  f.  «Acker,  Ackerbeet,  Grenze,  Umkreis», 
aber  ahd.  giwanta  f.,  giwant  m.  «Bewandtnis», 
eig.  «Wendung»;  dazu  asächs.  giwand  n.  «Ende, 
Zweifel,  Bewandtnis».    Vgl.  Gewende. 

gewarten,  v.:  warten  (Schiller,  Bürg- 
schaft 111).  Veraltet.  Mhd.  ^e?t'arfe?i« worauf 
schauen,  (mit  Dat.)  wonach  ausschauen,  (mit 
Gen.)  schauend  achthaben,  sich  wessen  zu 
jmd.  versehen,  sich  bereithalten»,  ahd.  gi- 
tvarten  (mit  Gen.)  «sich  wessen  versehen, 
achthaben   auf,    (mit  Dat.)    sich    bewahren, 


717 


Gewäsch 


gewieft 


718 


sich  hüten».  Davon  gewärtig,  adj.:  etwas 
erwartend  (mit  Gen.,  selten  Akk.j;  zu  Befehl 
stehend,  zum  Dienst  bereit  fmit  Dat.).  ^Ihd. 
geivertic  in  beiden  Bed.  gewärtigen,  v., 
bei  Lessing  Nath.  2,  1. 

Grewäsch,  jetzt  überwiegend  gegenüber 
Gewäsche,  n.  (-s,   PI.  wie  Sg.):   geist-  und 
gehaltloses    Gerede.      Bei   Luther    Geivesck, 
Geivesche  n.    Von  spätmhd.  (15.  Jh.)  waschen,  • 
weschen  «schwätzen»  (s.  ivaschen).  \ 

Gewässer,  n.  (s,  PI.  wie  Sg.) :  Wasser- 
masse, Wasserlauf.  Spätmhd.  getvezzere  n. 
Kollektiv  von   JVasser  (s.  d.). 

Gewehe,  n.(-s,  PI.  wie  Sg.):  fortgesetztes 
Weben ;  Gewobenes.  In  letzter  Bed.  mhd. 
gewebe  n.,  ahd.  gaicep,  giivebe  n.    Von  ivehen. 

Gewehr,  n.  (-s,  PI.  -e):  Kampfwaffe; 
Feuerwaffe;  die  untern  Eckzähne  des  männ- 
lichen Wildschweins,  die  Hauer  (1719  bei 
Fleming  Jäger  2,  107,  dafür  1582  bei  Feyer- 
abend  Weidwerkb.  1,  59  ^  das  Gewäff,  3,  88*' 
das  Geicerf).  Mhd.  geiver  n.,  gewere  f.  «Wehr, 
Verteidigung,  Waffe,  Verteidigungs-,  Befesti- 
gungswerk», ahd.  giiver  n.  «Kampfwaffe, 
(Treib-)  Stachel».     Von  Wehr  (s.  d.).  , 

Geweih,  n.  (-es,  PI.  -e):  die  Homer  desi 
Hirsches.  1562  bei  Spangenberg  Jagteuffel 
Q4*  Geweihe  n.,  mhd.  gewige.  gewihe  (Kolm. 
Meisterl.  190,  57),  auch  hir^gewige,  hirggewic, 
md.  hirsgewie  n.  Urspiünglich  «Kampfwaffe 
des  Hirsches»,  Kollektiv  von  mhd.  wie  m,  n.,  j 
ahd.  wig,  wie  m.,  asächs.  wig  m.,  ags.  wlg  n., 
anord.  vig  n.  «Kampf,  Schlacht,  Krieg»,  zu 
ahd.  ivtgan,  mhd.  ivigen,  ags.  wlgan,  got. 
weihan  «kämpfen,  streiten».    S,  ^Getcicht. 

Gewende,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Stelle  der 
Pflugwende  oder  Pflugkehr,  Ackergrenze; 
Acker  seiner  Länge  nach  bis  zur  Pflugkehr. 
Mhd.  gewende  f.  «Wendung,  Abgang»  und 
gewende  n.  «Ackermaß  einer  Landgebreite, 
bis  der  Pflug  gewendet  werden  muß»,  1482 
im  Voc.  theut.  bb2*'  und  m6*  gewende,  ge- 
wendt  «Maß  der  Weite,  soweit  ein  Roß  läuft» 
(roßlauff,  Stadium).  Ja  Ostpreußen  ehemals 
ein  Flächenmaß  von  ^j^^  Morgen  oder  30 
Quadratfuß  (Baczko  Preußen  2,  134)  und  ein 
Längenmaß  von  60  Ruten  oder  V.j^  Meile 
(Frischbier  preuß.  Wb.).  Von  wenden  (s.  d. 
und  vgl.  Gewann). 

Gewerbe,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Dreli-, 
Bewegungspunkt  wovon;  Betrieb  und  Be- 
schäftigung als  Nahrungszweig  (Erwerb). 
Mhd.  gewerbe  n.  «Wirbel,  Gelenk,  Geschäft, 
Tätigkeit»,    dann    1408    " Truppen werbmig», 


neben  mhd.  gewerp  m.  (auch  geiverf.  gewerft) 
«aufgetragnes  Geschäft,  Tätigkeit  um  des 
Erwerbes  vrillen,  Bewerbung,  Truppenwer- 
bung, Verhandlung  vor  Gericht,  Vertrag», 
1451  gewerbe  PI.  «die  Drehachsen  der  Tore». 
Von  werben  (s.  d.).  ABL.  gewerblich, 
adj.,  bei  Campe   1808  als  neu. 

Gewere,  f.,  s.  Gewähr  2. 

Gewerk,  n.  {-es,  PI.  -e):  Gesamtheit  der 
einerlei  Werkgeschäft  Betreibenden ;  Gesamt- 
heit der  Meister  eines  Gewerbes  oder  Hand- 
werks. L'nverkürzt  Gewerke  n.,  hervorge- 
gangen durch  Anlehnung  an  das  Mask.  Ge- 
ivei'ke  (s.  d.)  aus  md.  gewerke  n.  «vollendete 
Arbeit,  Gewebe,  Bau»,  1616  bei  Henisch 
«Gewerck,  Tagarbeit»,  ahd.  giwirchi  «Bau- 
arbeit», asächs.  giicirki  n.  «Tätigkeit,  Arbeit, 
Werk»,  einer  Ableitung  von  wirken  (s.  d.), 
verschieden  von  ahd.  ^m'erc/(  n.  «Werk»,  asächs. 
giwerk  n.  «Tun,  Handlung,  Werk,  Bauwerk», 
ags.  geiveorc,  gewere  n.  «Werk,  Bauwerk, 
Barg»,  einer  Zusammensetzung  mit  Werk. 
Gewerke,  m.  (-«,  PI.  -n)-.  Bauhandwerker: 
Inhaber  von  Kuxen  eines  Bergwerks.  Ein 
mitteldeutsches  Wort,  schon  im  13.  und  14.  Jh. 
md.  geiverke  m.  «Handwerks-,  Zunftgenosse, 
Teilhaber  an  einem  Bergwerk».  Von  Werk 
(s.  d.).  ABL.  Gewerkschaft,  f.:  die  sämt- 
lichen Ge werken  einer  Bergzeche,  1562  bei 
Mathesius  Öar.  98^  u.  139^  Gewerckschaff't; 
Arbeiterverband,  1868  aufgekommen  als  Gegen- 
bildung gegen  die  von  M.  Hirsch  ins  Leben 
gerufenen  GewerkTcreine. 

^Gewicht,  n.  (-es,  PI.  -e)-.  Geweih  des 
Hirsches.  Weidmännisch.  1587  im  F-aust- 
buch  76,  bei  Gilhusius  Grammatica  1597  S.  64 
u.  83.  Mit  ableitendem  t  von  ahd.  wigan 
(s.  Geweih). 

"Gewicht,  n.  (-es,  PI.  -e)-.  Schwere:  Maß 
der  Schwere;  festbestimmtes  Metallstück  als 
Norm  beim  Abwiegen  oder  als  Anhängsel 
zum  Beschweren.  Unverkürzt  Gewichte  n. 
bei  Haller  38.  Mhd.  gewihte,  geiciht  n.  (auch 
bildlich);  dazu  mndl.  geicichte,  ndl.  gewigt, 
ags.  gewiht  n.,  engl,  weight,  mnd.  wicht  f., 
anord.  vcett  f.,  (entlehnt)  schwed.  vigt,  dän. 
vegt.  Von  wiegen  (s.  d.).  In  der  Bildung  ent- 
spricht lat.  vectis  m.  «Hebel,  Hebebaum». 
ABL.  gewichtig,  adj.,  15f;i  bei  Maaler, 
clevisch  1477  gewichtich. 

gewieft,  adj.:  gewiegt;  gewandt,  schlau. 
In  denWörtei-büchern  nicht  verzeichnet.  Wohl 
von  wiebeln  (s.  d.)  «sich  hin-  und  herbewegen». 
Mundartlich   götting.-waldeck.  geioipt. 


719 


gewlegt 


Gewissen 


720 


gewiegt,  partiz.  Adj. :  worin  wohlerfahren, 
gleichsam  von  Kindesbeinen  an.  1561  bei 
Maaler  gewieget  in  gerichtshendlen  «homo 
fori  alunmus».  Part.  Prät.  von  nihd.  wigen 
«wiegen,  in  der  Wiege  schaukeln». 

gewierig,  adj.:  gewährend,  zustimmend. 
In  der  Kanzleisprache.  1612  bei  Diefenbach- 
Wülker  619 ^^  gewierig.    Von  gewähren  (s.d.). 

Grewild,  n.  {-es):  Gesamtheit  von  Wild; 
ein  "Wild  (Jagdtier).  Spätmhd.  gewilt  n. 
kollektiv,  1541  bei  Frisius  364^  ein  Geivild. 
Kollektivbildung  von  Wild  n.  (s.  d.).  Aber 
mhd.  gewüde  n.  «Wildnis,  Wildheit»,  vom 
Adj.  wild  (s.  d.). 

gewillt,  in  gewillt  sein :  den  Willen,  Ent- 
schluß wozu  haben.  Schon  mhd.  gewilt  sin. 
IVIhd.  gewillet,  gewilt  ist  Part.  Prät.  von  mhd. 
wülen  «willig  machen»,  refl.  (mit  Gen.  der 
Sache)  «sich  wozu  entschließen,  wozu  neigen», 
ahd.  willeon,  willön  «zu  Willen  sein,  will- 
fahren, geneigt  sein»,  abgeleitet  von  Wille. 

Crewimmel,  n.  (-s),  mhd.  gewimmel  n., 
von  wimmeln  (s.  d.). 

Gewinde,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Gewun- 
denes; sich  Windendes.  1616  bei  Henisch 
«Gewind,  Schrauben,  Waltzen».   Von  winden. 

Gewinn,  m.  [-es,  PI.  -e)-.  das  Gewonnene. 
Mhd.  gewin  m.  «Ei-langung,  Erlangtes,  Erwerb, 
Vorteil,  Nutzen»,  ahd.  ga-,  giwin  m.,  zunächst 
«Kampf,  Anstrengung,  Arbeit»,  dann  «Erlan- 
gung durch  Sieg,  Erlangtes,  Erwerb»;  dazu 
asächs.  giinn  n.  «Streit,  Feindschaft»,  mnd. 
gewin  m.  n.  «Erwerb,  Pachtung»,  ags.  ge^vin 
n.  «Kampf,  Anstrengung,  Mühe,  durch  Mühe 
Erlangtes».  Von  gewinnen,  v.  (Prät.  gewann, 
Konj.  gewänne  und  gewönne,  Part,  geivonnen): 
durch  Arbeit  und  Mühe,  dann  überhaupt 
durch  Tätigkeit  oder  durch  Glück  wozu 
gelangen  oder  es  erstreben,  erlangen;  ein 
Mehr  im  A''ergleiche  zu  dem  Aufgewandten 
erlangen;  ringend  gegen  Widerstand  zum 
Obern  werden.  ^Ihd. gewinnen  «siegen,  dui'ch 
Sieg,  Mühe,  Arbeit  wozu  gelangen,  anschaffen, 
verschaffen,  erwerben,  in  die  Gewalt  be- 
kommen, durch  Rechtsverfahren  erlangen, 
gerichtlich  überwinden»,  ahd.  ga-,  giwinnan 
(Prät.  giwan,  PI.  giiounnun,  Konj.  giivunni, 
Part,  giwiinnan)  «durch  Kampf,  Mühsal,  An- 
strengung erlangen»,  dann  «überhaupt  erlangen, 
in  Besitz  nehmen»;  dazu  asächs.  giwinnan 
«durch  Arbeit  erreichen»,  afries.  gewinna 
«erlangen»,  ags.  geivinnan  «kämpfen,  durch 
Kampf  erlangen,  erobern,  erringen»,  got. 
gawinnan    «leiden».     Von   ahd.  winnan    «in 


Leiden  sein,  laut  klagen,  angesti*engt  und 
mühevoll  arbeiten,  kämpfen,  erlangen»,  mhd. 
ivinnen  «sich  abarbeiten,  wüten,  streiten»; 
dazu  asächs.  und  ags.  winnan  «leiden,  er- 
tragen, ringen,  kämpfen,  kämpfend  oder  ar- 
beitend erringen»,  engl,  win,  afries.  winna 
«erlangen,  erreichen»,  anord.  vinna,  schwed. 
vinne,  dän.  vinde  «ausrichten,  vollfükren, 
arbeiten,  bearbeiten,  überwinden,  über- 
treffen», got.  winnan  «Schmerz  empfinden, 
leiden».  Die  Wurzel  iven  kehrt  in  gleicher 
Gestalt,  aber  in  abweichender  Bedeutung  in 
den  verwandten  Sprachen  und  im  Germ, 
wieder.  Meringer  Idg.  Forsch,  16,  181  geht 
von  einer  Grundbedeutung  «ackern»  aus, 
unter  der  sich  die  verschiedenen  Bedeutungen 
von  «sich  mühen»,  trohnen  (s.  d.),  Wonne 
(s.  d.),  gewöhnen  «sehr  wohl  vereinigen  lassen». 
Vielleicht  entspricht  lat,  cönor  aus  *covenor 
dem  germ.  Wort  genau.  ABL.  Gewinner, 
m.,  mhd.  gewinner  m.  Gewinst,  m.  (-es, 
PI.  -e),  bei  Luther  W,  6,  449  und  Weish,  15, 12. 
ZUS.  Gewinnsucht,  f.,  1711  l)ei  Rädlein; 
gewinnsüchtig,  adj.,  Ijei  Luther  2,  373^  J. 
geicinssüchtig,  l)ei  Henisch  1616  gewinsichtig 
«der  nur  allein  auff  gewin  sihet». 

Gewirr,  Gewirre,  n,  (-s,  PI.  -e):  Ver- 
wirrung; Verworrenes.  Bei  Luther  Gewirre 
und  Gewerre,  mhd.  gewerre  m.  und  n.,  spät- 
mhd.^ gewier  n.,  mnd.  gewerre,  geiver  n.  Von 
wirren  (s.  d.). 

Gewissen,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.)-.  das  sitt- 
liche Bewußtsein.  Mhd.  getviß^en  n.  «das 
Wissen,  die  Kenntnis,  Erkenntnis»,  der  als 
Substantiv  gesetzte  Inf.  des  mhd.  Zeitwortes 
geivi^^en,  ags.  geivitan  «wissen».  In  dieses 
Neutr.  aber  ging  völlig  über  das  mhd.  Fem. 
geicig^ene,  meist  gewiggen  (auch  schon  ge- 
wissni,  gewissen)  «Wissen,  Kenntnis,  Mit- 
wissenschaft, Erkenntnis  des  sich  Schickenden, 
inneres  Bewußtsein  und  so  in  der  heutigen 
Bed.»,  ahd.  gewig^em  f.  «sittliches  Bewußt- 
sein», in  Bedeutung  und  Bildung  deni  lat. 
conscientia  f.  entsprechend  und  von  dem 
ahd.  Adj.  giwi^gan,  mhd.  gewi^^en  «bewußt, 
verständig»  abgeleitet,  zu  wissen  (s.  d.)  ge- 
hörig. Gleichbedeutende  andere  Bildungen 
im  Ahd.  sind  die  Fem.  giwl^^a,  giivi^gida, 
giwi^geli  und  das  Neutr.  giwizzi,  dafür  got. 
mipwissei  f.  ABL.  gewissenhaft,  adj., 
1641  bei  Schottel  315.  gewissenlos,  adj., 
ebd.  357  aus  Luthers  Schriften.  ZUS.  Ge- 
WiSSenshiß,  m.,  1691  bei  Stieler,  vgl.  Hiob 
27,   6. 


721 


gewiß 


Gewürm 


722 


gewiß,  adj,:  wirklich,  außer  allem  Zweifel; 
zuverlässig;  bestimmt,  festgesetzt;  keinen 
Zw^eifel  hegend,  sicher;  ii-gendein.  '^Ihd.gewis 
«wirklich,  zuverlässig,  sicher»,  ahd.  giwis  und 
wis  (in  umvis),  im  Adv.  mhd.  gewisse,  ahd. 
giwisso;  dazu  asächs.-afries.  wis,  and.  giivisso, 
ndl.  wis,  gewis,  ags.  gewiss,  anord.-schwed.-dän. 
viss  « sicher -y  und  unviss  «unsicher»,  got.  nui'  in 
unwiss  «ungewiß».  Alte  Partizipialbildung 
zu  wissen  (s.  d.),  urspr.  «gewußt,  sicher  ge- 
wußt», ABL.  Gewißheit,  f.,  mhd.  gewis- 
lieit,  ahd.  giwisheit  f.  gewißlich,  adv.  I)ei 
Luther,  mhd.  gewislich  Adj.,  gewisltche,  ge- 
luisselichen  Adv.,  ahd.  giwislicho  Adv. 

Gewitter,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Wetter 
mit  Blitz  imd  Donner.  Mhd.  gewitere,  gewiter, 
ahd.  giwitiri  n.  «Unwetter»,  noch  bei  Luther 
Gewitter  im  Sinne  von  «Wetter,  Witterung»; 
dazu  ags.  geweder,  geivider  n.  « Unwetter >\ 
Kollektiv  von  Wetter  (s.  d.).  ABL.  ge- 
wittern, V.,  bei  Campe  aus  Schiller. 

GewOge,  n.  (-s) :  das  Hin-  und  Herwogen. 
Ende  des  18.  Jh.  bei  Matthisson  Ged.  122. 
Von  wogen  (s.  d.). 

gewogen,  Adj.:  wohlwollend  zugeneigt. 
1593  bei  J.  V.  Braunschweig  ungerat.  Sohn 
4,  3.  Eigentlich  Part.  Prät.  von  wägen  (s.  d.) 
im  Sinne  von  «zuwägen».  ABL.  Gewogen- 
heit,  f.:   Zuneigung,   1616  bei  Henisch. 

gewohnen,  v.:  gewohnt  werden,  sich 
gewöhnen.  Noch  bei  Luther,  Alberus  und 
Frisius  1541  geiconen,  jetzt  veraltet.  Mhd. 
gewonen,  ahd.  giwonen,  asächs.  giwonön,  ags. 
gewunian  «an  einem  Orte  sich  dauernd  auf- 
halten, bleiben,  verweilen,  verharren»  (s. 
wohnen),  dann  «gewohnt  sein».  Abgeleitet 
vom  älternhd.  Adj.  gewohn,  mhd.  gewon,  auch 
gewone,  gewan,  ahd.  giwon  (in  der  uhd.  Schrift- 
sprache verdrängt  durch  gewohnt,  aber 
noch  in  md.  Mundarten  gewohne;  dazu  asächs. 
giwono,  giwuno,  mnd.  gewone,  gewonen,  gewanen, 
nd\.gewoo7i,  ags.gewun,  anord.uawr  «gewohnt». 
Von  diesem  Adj.  stammen  auch  die  folgenden 
Wöi-ter:  gewöhnen,  v.:  gewohnt  machen, 
bei  Luther  und  Henisch  1616  gewenen  und 
gewehnen,  1541  bei  Frisius  gewennen  und  ge- 
icenen,  1618  bei  Schönsleder  geioönen  und 
gewenen,  1664  hei  Duez  gewöhnen  und  ge- 
wehnen, aber  noch  bei  Stieler  1691  bloß  ge- 
wejien.  Mhd.  gewenen,  ahd.  giwennan;  dazu 
and. ^«rermia/i  «sich  gewöhnen»,  nd\. gewennen, 
ags.  gewenian  und  wenian,  anord.  venja  (Prät. 
vanda).  Gewohnheit,  f.,  mhd.  gewone-, 
gewonheit,  im  Schwabenspiegel  und  1482  im 

Wbijjaiiil,  Deutsches  WuiterbucL.    5.  Aufl. 


Voc.  theut.  m5^  gewanheit,  ahd.  giiuona-, 
giwoneheit  f.:  dazu  and.  giwonohed,  ndl.  ge- 
woonheid  f.  In  gleicher  Bed.  ahd.  giwona, 
mhd.  gewone,  geicon,  gewan  f.,  mnd.  gewonte, 
gewante  f.  gewöhnlich,  adj.,  mhd.  gewone- 
lich, gewon-,  gewönlich  «der  Gewohnheit  gemäß, 
hergebracht»;  dazu  ags.  gewunelic,  aber  mnd. 
gewontlik.  gewohnt,  Nebenform  des  alten  Adj. 
gewohn,  an  dessen  Stelle  es  tritt,  der  Form 
nach  zugleich  Part.  Prät.  von  geivohne^i  (s.  d.), 
bei  Luther  gewonet,  1482  im  Voc.  theut. 
m  5^  gewanet,  vereinzelt  schon  md.  im  14.  Jli. 
gewonet  (Jeroschin  21723),  mnd.  gewant.  Ge- 
wöhnung, f.,  1541  bei  Frisius  Q9^  Gewenung. 

Gewölbe,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  hohlrund 
gemauerte  Decke,  sowie  der  darunter  be- 
schlossene Raum;  Kramladen,  urspr.  mit  ge- 
wölbter Decke  (Leipz.  Urkundenbuch  1,  435 
vom  J.  1484).  In  der  1.  Bed.  bei  Luther 
Geweihe,  Geivelb,  1664  bei  Duez  Geweih,  1678 
bei  Krämer  Gewölh,  wie  bereits  im  Laurin 
(Straßburg  1509)  gewölh  neben  gewelh,  mhd. 
gewelbe,  ahd.  giicelbi  n.  Zu  wölben  (s.  d.). 
Der  Plur.  bisweilen  Gewölber  (Lessing  10,  66, 
HaUer  61,  Zachariä  Phaeton  1,  54). 

Gewölk,  n.  {-es,  PI.  -e):  Mehrheit  von 
Wolken.  Gewölck  1616  bei  Henisch,  imver- 
küi'zt  Gewölke  n.  bei  Goethe  Iph.  1753,  Schiller 
11,  82,  bei  Luther  Gewolcke,  Gewölcke,  Ge- 
wülcke,  auch  Gewolcken  n.  Mhd.  gewülke, 
gewölke  n.,  älter  gewulkene  n.,  Kollektiv  von 
mhd.  wölken,   wulken  n.  «Wolke»  (s.  d.). 

Gewölle,  n.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  Auswurf, 
den  die  Raubvögel  täglich  in  der  Frühe  aus 
dem  Kröpfe  speien,  aus  Unverdaulichem  wie 
Haaren,  Federn  usw.  bestehend.  1558  bei 
Heuslin  Vogelbuch  183^  Gewäll,  1582  bei 
Feyerabend  Weidwerkbuch  2,  53^  Gewöll,  aber 
noch  1741  bei  Frisch  Gewell  n.  Mhd.  geioelle, 
gewel  n.  «Brechmittel  füi"  den  Falken  und 
Gebrochenes  (Gewölle)»,  von  mhd.  wüllen, 
md.  wollen,  loillen,  ahd.  wullon  und  tcillon 
«Ekel  empfinden,  Übeisein  oder  Erbrechen 
haben»,  aber  wohl  mit  Anlelmung  an  mhd. 
wellen,  ahd.  icellan  «wälzen,  rollen»  (ahd. 
grweZn.  «Zusammengerolltes»,  wie  Schlangen- 
geringel, hohle  Wogenkämme,  Pechklumpen). 

Gewühl,  n.  (-s):  anhaltendes  Wühlen; 
wirres  Durcheinander.  Unverkürzt  Gewühlen. 
bei  Schiller  11,372.  Bei  Henisch  1616  Getvuel 
«Gemenge  des  Volcks».     Von  ivühlen  (s.  d.). 

Gewürm,  n.  (-s,  PI.  -e) :  Würmermenge ; 
dann  der  Wurm  (bei  Luther,  Schiller).  Bei 
Luther  Geivürm,   mhd.  gewürnie  n.  «Menge 

46 


723 


Gewürz 


Gicht 


724 


von  Würmern,  von  kriechenden  Tieren  über- 
haupt, von  Schlangen  oder  Drachen»,  Kol- 
lektiv von  Wurm  (s.  d.). 

Gewürz,  n.  (-es,  PI.  -e):  scharfen  ange- 
nehmen Geschmack  mitteilende  Speisezutat 
aus  PflanzenstofFen.  Bei  Luther  Gewürtz,  im 
15.  Jh.  bei  Wyle  279,  3  geivürtz  n.  Kollektiv 
von  Würz  (s.  d.),  aber  in  seiner  weitern  Ent- 
wicklung als  Substantivbildung  zu  würzen 
(s.  d.)  empfunden.  ZüS.  Gewürzkrämer, 
m.,  1616  bei  Henisch.  Gewürznelke,  f., 
1741  bei  Frisch  2,  6^  der  PI.  Gewürz-Nelken 
neben  Würz-Nelken  461'',  1691  bei  Stieler 
Geivürznägelein  (s.  Näglein,  Nelke). 

Gezäh,  Gezähe,  n.  (-s):  das  gesamte 
Werkzeug  des  Bergmanns.  1693  bei  Schönberg 
Berg-Info rm.  2, 44  Gezähe,  1669  in  der  kurköln. 
Bergordn.  7,  25  Gezeu,  in  einem  alten  sächs. 
Bergreien  bei  Döring  2,  60  Gezäiie,  1562  bei 
Mathesius  Sar.  196^  Gezaw  n.  Mhd.  gezouwe, 
gezowe  n.  «Gerät,  Werkzeug»,  im  14.  Jh. 
gezaive,  md.  im  14.  Jh.  gezöu,  thüring.  1447 
gezauge,  dazu  mnd.  getoutoe,  getow  n.  «Ge- 
schirr, Gerät  jeder  Ai't».  Von  mhd.  zomven, 
zöutven  «tun,  machen,  fertigmachen,  bereiten », 
ahd.  zaujan,  zoujan  «machen,  bearbeiten,  ver- 
fertigen»; dazu  mnd.  touwen  «Leder  bereiten, 
weben»,  ags.  tawiari  «bereiten,  zurichten», 
auch  «übel  zurichten»,  engl,  taw  «weißgerben, 
durchpi'ügeln»,  anord.  toeja,  tyja  «helfen, 
nützen»,  got.  taujan  «tun,  bewirken».  Weitre 
Anknüpfung  in  den  verwandten  Sprachen  ist 
unsicher.  Vgl.  Osthoff  Idg.  Forsch.  5,  282, 
Lorentz  ebd.  342. 

Gezänk,  n.  (-es,  PI.  -e)  -.  vieles,  wiederholtes 
Zanken.   Mhd.  gezenke  n.    Von  zanken  (s.  d.). 

Gezeiten,  PL:  der  Wechsel  von  Ebbe 
und  Flut.  Norddeutsch,  mnd.  getide  n.  «Flut- 
zeit», entsprechend  mhd.  gezit  f.  n.  «Zeit, 
festgesetzte  Gebetstunde  (horae  canonicae), 
Zeitlauf,  Begebenheit».  Zgs.  mit  Zeit  (s.  d.). 

Gezelt,  n.  (-es,  PI.  -e):  das  Zelt  (s.  d.). 
Mhd.  gezelt,  ahd.  gizelt  n. 

Gezerre,  n.  (-s):  vieles,  wiederholtes 
Zerren.  Bei  Luther  7,  266''  Jen.  Md.  im 
18.  Jh,  gezerge  n.,  im  14.  Jh.  gezarre  n.  «das 
Reißen,  Zerren».  Kollektiv  von  zar  m.  «Riß» 
und  Substantivbildung  zu  zerren  (s.  d.). 

Gezeug,  n.  (-es):  das  gesamte  Werkzeug 
des  Bergmanns  (vgl.  Gezäh);  Gestein-  und 
Wasserhebemaschine  im  Schacht.  In  der 
1.  Bed.  1617  bei  Löhneyß  Bergwerk  10,  in 
der  2.  Bed.  1557  bei  AgncolaBergwerkb.l22f. 
Mhd.  geziuc  m.  u.  n.  «Gerätschaft,  Werkzeug, 


Maschine  zum  Kriegsgebrauch»,  zusammen- 
ges.  mit  Zeug  (s.  d.). 

Geziefer,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  kleines 
unansehnliches  Getier  (Goethe  17,  19).  Früh- 
nhd.  Gezifer  (Schmeller-  2,  1087).  S.  Un- 
geziefer. 

geziemen,  v.  (Präs.  es  geziemt,  Prät. 
geziemte,  Part,  geziemt,  mit  Dat.  der  Person) : 
nach  gebildeter  Ansicht  passend  sein.  Bei 
Luther  gezimen,  gezymen,  1522  bei  Murner 
Luth.  '^avr  3384  gezimmert,  aber  mhd.  stark- 
fiekt.  gezemen  «angemessen  sein».    S.  ziemen. 

geziert,  Part.  Prät.  von  sich  zieren  als 
Adj.:  allzu  zierlich.  In  der  altern  Bed.  «mit 
Auszeichnung  verschönert»  um  1480  im  Voc. 
ine.  teut.  i  7  ^  gezyrt.  S.  zieren.  Dazu  Ge- 
ziertheit, f.:  überzierliches  Benehmen,  im 
19.  Jh.,  aber  1628  bei  Münster  Cosmogr. 
S.  1122   Gezierdtheit  f.  «Zierat». 

Gezimmer,  n.  (-s):  Gesamtheit  bearbei- 
teten Bauholzes;  aufgeschlagner  Holzbau;  im 
Bergwerk  die  Zimmerung,  Holzstützen,  Trag- 
stempel (1617  bei  Löhneyß  Bergw.  9);  vieles, 
wiederholtes  Zimmern.  Mhd.  gezimber,  ge- 
zimmer und  ahd.  gazimhari,  gizimbiri  n.  «Bau- 
materialien, Bauholz,  Bau,  Gebäude».  Ab- 
geleitet von  Zimmer  (s.  d.),  in  der  obigen 
letzten  Bed.  aber  von  zimmern  (s.  d.). 

gezogen,  Part.  Pass.  von  ziehen  (s.  d.) 
als  Adj.:  mit  schwachgewundnen  Zügen  oder 
Längsfurchen  versehen.  1590  bei  Fischart 
Garg.  286  geschraubte  oder  gezogene  Büchsen. 

Gezücht,  n.  (-es):  aufzuziehendes  oder 
aufgezognes  Gezeugtes.  Nur  in  verächtlichem 
Sinne.  Bei  Luther  8,  268  Weim.  Getzichte  und 
Matth.  3,  7  Otter gezichte,  mhd.  selten  gezühte 
n.,  Kollektiv  von  Zucht  (s.  d.),  mhd.-ahd. 
zuhti.  «Aufzuziehendes,  aufzuziehende  Junge». 

Gezwatzer,  n.  (-s) :  wiederholtes  Zwatzern 
(s.  d.),  bei  Goethe  16,  3. 

Gezwerg,  n.  (-es,  PI.  -e):  Gesamtheit 
von  Zwergen  (Goethe  Gezwerge  n.  als  Kol- 
lektiv 25,  1,  151);  Zwerg.  Mhd.  getwerc  n. 
(md.  m.)  und  ahd.  gitwerc  n.  «Zwerg»,  zu- 
sammenges.  mit  twerc  Ziverg  (s.  d.). 

Gezwitscher,  n.  (-s):  das  Zwitschern 
(s.  d.).  1664  bei  Duez  1,  471*^  Gezwitser 
der  Vögel. 

^Gicht,  f.  (PI.  -en):  im  Hüttenbau,  auf 
den  Hochofen  führender  Gang  zum  Hinauf- 
schaffen der  Kohlen  und  Eisensteine.  1712 
bei  Hübner. '  Nach  Weigand  von  gehen  wegen 
mhd.giht  f.  «Gang,  Reise»  und  in  Zusammensetz. 
kirchgiht  f.  «Kirchgang»,  sunne-,  sunngiht  f 


725 


Gicht 


Gienmuschel 


726 


«Sonnengang,  -wende»  (Johannistag),  neben 
ahd.  gälit  (in  hettegaht  f.  «Bettgehzeit»),  got. 
gäMs  f.  »Gang»  (nur  in  framgähts  f.  « Fort- 
gang »,imiaf^ä/«fe  f.  «Eingang»),  wie  ahd.  gingen 
«nachfolgen»  neben  ahd.  gangan  «gehen». 
Bei  dieser  Erklärung  maßte  mhd.  giht  an- 
gesetzt werden,  was  nicht  möglich  ist. 

"^Gicht,  f.  (PI.  -en):  Aussage,  Bekenntnis, 
Geständnis.  Xoch  bei  Frisch  1741,  aber  be- 
reits 1775  bei  Adelung  als  veraltet.  ÄIhd. 
giht,  ahd.  jiht  f.,  mnd.  gicht  f.,  abgeleitet  von 
ahd.  jehan,  gehan  «sagen,  aussagen»,  mhd. 
jehen,  gehen,  asächs.  gehan  (vgl.  Beichte). 
ABL.  gichtig,  adj.:  eingestehend,  geständig. 
Veraltet,  aber  noch  1741  bei  Frisch.  3klhd. 
gihtic,  ahd.  jihtig,  gihttg,  mnd.  gichtich,jichtich. 
ZUS.  Gichtzettel,  m.:  ärztlicher  Fundzettel, 
Bericht  über  den  Befund  der  Vfunde  usw., 
1741  bei  Frisch,  noch,  in  pommerischen  Akten 
des  19.  JE. 

'^Gicht,  f.  (mundartlich  n.,  Gen.  -es,  PI. 
-er):  Gliedersucht,  ki-ampfhaftes  Gliederreißen. 
Mhd.  giht  n.  (selten  f.)  neben  dem  Kollektiv 
gegihte  n.,  md.  gicht  f.  (einmal  m.),  bei  Luther, 
Albei-us,  Duez,  Stieler  Fem.,  bei  Weckherlin 

1,  494  Neutr.;  dazu  mndl.  und  nndl.  jicht  f., 
ags.  gicßa,  gihpa  m.  «Gliederlähmung».  Spät- 
mhd.  und  älternhd.  auch  im  Sinne  von  «Schlag, 
Schlagfluß»  (1421  bei  Diefenbach  nov.  gl.  280*, 
1664  bei  Duez),  ebenso  mnd.  gicht  f.  (auch 
Diefenb.  gl.  412*),  vgl.  gichthrüchig.  Die 
Herkunft  ist  unaufgeklärt.  Im  oberd.  Volks- 
mund der  PI,  Gichter  «Krämpfe,  Zuckungen, 
bes.  bei  Kindern»,  1756  bei  Albr.  v.  Haller 
Onoraatologia  medica  1,  474,  bei  Schiller  1, 
162,  34.  ABL.  gichtiSCh,  adj.:  gichtartig, 
1775  bei  Adelung,  dafür  1691  bei  Stieler 
gichtig,  mhd.  gihtic  «gichtbrüchig»,  gichterig, 
gichterisch,  adj.:  gichtartig,  von  der  Gicht 
oder  von  Gichtern  befallen,  1725  bei  Bräuner 
Thesaui'us  sanitatis  49  und  bei  Schiller  Räuber 

2,  1  gichtrisch,  bei  Grillparzer  Ahnfrau  3 
gichtrich.  ZUS.  gichtbrüchig,  adj. :  glieder- 
lahm mit  Schmerzen  verbunden.  Bei  Luther 
gichtbrüchig  «vom  Schlage  gelähmt»,  ebenso 
in  der  Bibel  1483  Bl.  497^  (Luk.  5,  18)  gicht- 
hrüchig, md.  im  14.  Jh.  gichtbruchig,  von  md. 
gichtbroch  f.,  bei  Luther  Gichtpruch  f.  «Läh- 
mung mit  Gliederreißen»,  vgl.  rad.  im  14.  Jb. 
äi  gicht  hatte  di  frouwe  gebrochin  ivol  sibin 
jär  (Ködiz  77,  32). 

Gickelgackel ,  m.:  kicherndes  Lachen 
mit  ernstlosem  Benehmen.  Bei  Lessing  1, 
357.     Bildung  mit  Ablaut  von  gickeln  neben 


gicheln  (s.  kichern)  und  gackeln,  1616  bei 
Henisch  gicMen,  gicheln  oder  gachlen  «cachin- 
nari,  d.  h.  schallend   oder  roh  lachen». 

gicksen, kicksen,  V.:  feinre  unartikulierte 
Töne  aus  der  Kehle  ausstoßen.  1537  beiDasy- 
podius  gigtzen,  mhd.  gigzen,  gichzen,  gichsen, 
gekzen,  ahd.  giccazan,  noch  um  1480  im  Voc. 
ine.  teut.  i7^  gikatzen.  Im  Ablaut  zu  diesem 
Wort  steht  gacksen  (s.  d.),  bei  Fischart  Nachtr. 
3645  gichsen  und  gachsen,  wie  schon  mhd. 
bei  Gottfr.  v.  Xeifen  52,  13  u.  22  gigen  gagen 
als  interjektionelles  Lautspiel.  Dazu  die  BA. 
er  loeiß  weder  Gicks  noch  Gacks  (Wieland 
18,  150),  «er  ist  tümmer  als  eine  Ganß»  (Räd- 
lein 1711),  1691  bei  Stieler  weder  Gigs  noch 
Gags,  1589  bei  Paracelsus  Schriften  2,  80 
iveder  gykes  noch  gagkes,  sowie  der  mund- 
arthche  Ausdruck  Gickgack  ra.  «Gans»,  mhd. 
gigä  als  «Schrei  der  Gans».  Gicksgacks, 
m.:  inhaltleeres  Gerede,  alberaes  Geschwätz, 
als  Titel  eines  obd.  Flugblattes  um  1620 
Sieben  lächerliche  Geschnälz  oder  Gikes  gakes 
Ofenloch,  1663  bei  GiyiDhius  Horrib.  68  Kicks- 
kacks  m.,  1510  bei  Keisersberg  Has  im  Pfeffer 
Cc7^  gickerliß geckerliß.  Gickshusten,  m.: 
Keuchhusten. 

^Giebel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  oberste 
Raumspitze  zwischen  den  Dachseiten.  Mhd. 
gibel,  md.  auch  gebel  (noch  1517  bei  Trochus 
PI*  gebbel),  ahd.  gibil  m.  «Stirn-  oder  Vor- 
dei'seite»,  auch  «Erd-  oder  W^eltachse  (Pol)»; 
dazu  and.  gibillai.,  mnd.  und  ndl.gevel,  anord. 
gaß  m.  «Giebel»,  got.  schwachflekt.  gibla  m. 
«oberste  Spitze,  Zinne».  Gleichen  Stammes 
wie  mhd.  gebel,  ahd.  gebal  m.  «Schädel,  Kopf» 
neben  ahd.  gibilla  f.  «Schädel»,  urverwandt 
mit  gr.  KeqpaXr)  f.  und  raakedon.  (bei  Hesychius) 

■faßaxd  f.  «Kopf».    ZUS.  Giebelwand,  f., 

mhd.  gibelwant,  md.  gebelwant. 

^Giebel,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.),  auch  f. 
(PI.  -n):  die  Steinkarausche,  Cyprinus  gibelio. 
In  Xorddeutschland.  1615  bei  Colerus  Hausb, 
5,  295  Gybel,  dafür  1563  bei  Forer  Fischb.  166^ 
Gilblichen  (nach  der  gelben  Farbe).  Neben- 
form Gieben  m.,  ahd.  guva,  aus  lat.  gobio  m.; 
dazu  franz.  gibele  f. 

Gienmuschel,  f.  (PI.  -n):  eine  Art  See- 
lmuscheln, auch  Gaffer  oder  Venusmuschelu 
I  genannt.  1775  bei  Adelung.  Zusammenges. 
'  mit  spätmhd.  gienen  (1429  im  Lib.  ord.  rar. 
1  28*-'),  mhd.  ginen,  ahd.  ginen  «gähnen»  (s.  d.). 
i  Ähnlich  ist  die  gr.-lat.  Benennung  chäma, 
gr.  xnMH  f-  «Gienmuschel»,  urspr.  das  «Gähnen», 
!  zu  gr.  xaiveiv   «gähnen». 

•46* 


727 


Gier 


Gimpe 


728 


Gier,  f.  (ohne  PL) :  starkes,  heftiges,  sinn- 
liches Streben  wonach.  Mhd.  gir  und  ger  f., 
auch  frühmhd.  kir,  ahd.  giri,  kiri  f.;  dazu 
asäehs.  giri  f.  (in  fehogiri  «Gier  nach  Reich- 
tum»), mnd.  gir  m.  Abstraktbildung  aus 
dem  Adj.  ahd.  ger  und  giri,  mhd.  ger  und 
glre  «verlangend,  begehrend,  gierig»,  noch 
ostmd.  geier  (s.  Geier),  mnd.  ger  tmd  gir, 
verwandt  mit  ge^'n  (s.  d.)  und  dem  Zeitwort 
mhd.  gern,  ahd.  geron  «begehren».  Ebenfalls 
aus  diesem  Adj.  gebildet  ist  Gicrde,  f., 
mhd.  girde,  auch  schon  gier  de,  md.  ger  de, 
ahd.  girida  f.  (woneben  selten  giridi  f.)  hef- 
tiges Verlangen,  im  Ahd.  auch  «Habsucht», 
and.  giritha  f.  «Begierde,  Verlangen».  ABL. 
von  Grier:  gieren,  V.,  spätmhd.  girn,  im 
15.  Jh.  gieren,  mnd.  giren.  gierig,  adj.,  mhd. 
giric,  ahd.  girig,  afries.  gyrig,  mnd.  das  Adv. 
girichliken;  davon  Gierigkeit,  f.,  mhd.  und 
mnd.  giricheit,  md.  girekeit,  afries.  giriched  f. 
gießen,  v.  (Prät.  goß,  Plur.  gössen,  Konj. 
gösse,  Part,  gegossen) :  als  Flüssigkeit  laufen ; 
Flüssigkeit  oder  flüssiges  Metall  laufen  machen. 
Mhd.  gießen,  ahd.  gio^an;  dazu  asäehs.  giotan, 
mnd.  geten,  ndl.  gieten,  afries.  giata,  ags.  geotan, 
got.  giutan  «gießen»,  anord.  gjöta  «Junge 
werfen».  Urverwandt  mit  gr.  x^eiv  «gießen», 
xOjaa  n.  «Guß,  Flüssigkeit»,  lat.  fundere  (Perf. 
fudi)  «gießen»,  aind.  hu  «gießen,  opfern»,  aw. 
zaoßra-  n.  «flüssige  Opferspende,  Opferguß», 
Sivm.  jaunem  «weihe,  bringe  dar».  Alternhd. 
und  noch  altertümlich  lautet  der  Sg.  Präs. 
du  geußest,  er  geußet,  geußt,  der  Imp.  geuß, 
mhd.  giu^est,  ginget,  ging.  ABL.  Gießer, 
m.,  1537  bei  Dasypodius.  Gießerei,  f.,  1678 
bei  Krämer.  ZUS.  Gießbach,  m.:  Bach 
durch  Regen-,  Schnee wasser,  1616  bei  Henisch. 
Gießkanne,  f.,  1640  bei  Comenius  Gieß- 
kann  f. 

^  Gift,  f.  (PI.  -en) :  Gabe,  Schenkung.  Bei 
Bürger  50,  ferner  in  Braut-,  Mitgift,  Giftbude 
(in  den  Nordseebädern).  Mhd.  und  ahd.  gift 
f. ;  dazu  mnd.  gifte,  gift  f.,  mndrhein.  gicht  f., 
afries.  jeft  m.  f.  n.  «Gabe»,  ags.  gift  f.  «Mit- 
gift», im  PI.  (f.  und  n.)  «Hochzeit»,  engl,  gift 
«Mitgift»,  anord.  giptt  «Gabe»,  got.  giftsi.  (in 
framgifts,  fragifts  «Verleihung,  Verlobung»). 
Abgeleitet  von  geben  (s.  d.). 

"Gift,  n.  (-es,  PI.  -e):  verderbliches,  töd- 
liches Mittel.  Mhd.  und  ahd.  gift  f.,  daher 
noch  bei  Opitz,  Gryphius,  Lohenstein,  Weise 
und  Günther  106  Fem.,  dagegen  das  Neutr. 
erst  nhd.  (1595  bei  Rollenhagen  Froschm,  1, 
1,  5  [v.  73J,   Opitz  usw.,  schon  mhd.  vergiß 


f.  und  n.  m.  «Gift»);  daneben  auch  Mask., 
bei  Luther,  P.  Fleming  388,  Günther  6  und 
381,  Haller  155,  j.  Goethe  2,  29  und  3,  334, 
Schiller  Kab.  5,  7,  bes.  in  der  Bed.  «Bos- 
heit, tötlicher  Haß,  Zorn»  (bei  Luther  Gifft 
und  Galle).  Es  ist  dasselbe  Wort  wie  ^Gift, 
wie  auch  vergeben  (s.  d.)  schon  mhd.  und 
ahd.  in  der  Bed.  «vergiften»  gebraucht  wird. 
Die  altern  Ausdrücke  für  Gift  waren  ahd. 
eitar  n.  (s.  Eiter)  und  luppi  n.  (s.  Lab).  ABL. 
giftig,  adj.,  mhd.  giftic,  bei  Luther  in  der 

Bed.  «boshaft»,    ZUS.  Giftmischer,  m., 

1741   bei  Frisch. 

Gigant,  m.  (-en,  PL  -en):  ungeheui-er 
Riese.  Mhd.-ahd.  gigant  m. ;  dazu  ags.  gigant 
m.  Aus  gr.-lat.  Gigäs  (Gen.  Gigantis),  gr. 
fiYoc  m.  «himmelanstürmender  Riese»,  woher 
auch  afranz.  und  aengl.  geant,  nfranz.  geant, 
engl,  giant,  ital.  gigante  m.  Davon  gigan- 
tisch, adj.,  bei  Wieland,  Schiller. 

Gigerl,  m.  (-s,  PL  -s):  Stutzer.  In  den 
90  er  Jahren  des  19.  Jh.  von  Wien  aus  ver- 
breitet, von  mhd.  giege,  giegel  m.  «Narr». 
Vgl.  Ladendorf. 

Gilbe,  f.  (ohne  PL):  gelbe  Farbe.  Mhd. 
gilwe,  im  14.  Jh.  gilbe,  ahd.  gelawt,  giliwi  f. 
Von  gelb  (s.  d.).  gilben,  v.:  gelb  färben, 
gelb  werden,  mhd.  gihven,  frühnhd.  gilben. 
gilbig,  gilbicht,  adj.:  gelblich,  spätmhd. 
1420.  gihvecht,  abgeleitet  von  Gilbe,  gilb- 
lich,  adj.:  gelblich,  spätmhd.  1470  gilblicht. 

Gilbert,  Mannsname.  Ahd.  Güabert,  Gil- 
bert, Gilperht. 

Gilde,  f.  (PL  -n):  zu  gleichem  Geschäft 
und  Zweck  verbundene  Körperschaft,  Innung 
der  Kaufleute  und  Handwerker.  Erst  nhd., 
bei  Luther,  Fischart  Bienk.  28^,  aufgenommen 
aus  mnd.  gilde  f.  n.  «Innung,  Gildeschmaus», 
clevisch  1477  ghylde,  mndl.  ghilde  (auch  «ge- 
meinsame Mahlzeit»),  nndl.  gild  n.;  dazu  afries. 
ielde,  iold  anord.  gildi  n.  «Bezahlung,  Ab- 
gabe, Steuer,  Gelage,  Schmaus,  Gilde»  (11.  Jh.), 
schwed.  gille,  dän.  gilde,  (aus  dem  Nord.)  engl. 
guild  «Gilde».  Von  gelten  (s.  d.)  im  altern 
Simie  von  «opfern»,  daher  eig.  «Opfer,  Opfer- 
schmaus, Festversammlung,  geschloßne  Ge- 
sellschaft». Vgl.  Geld.  ZUS.  Gildebrief, 
m.:  Aufnahmezeugnis  in  eine  Gilde,  bei  Ade- 
lung 1775  aus  Niedersachsen. 

Gilte,  s.  Gelte. 

Gimpe,  f.  (PL  -n),  nd.,  dagegen  hd.  Qimpf 
m.  (-es,  PL  -e):  vom  Knopfmacher  gearbeitete 
Kundschnur  zum  Besätze.  1767  im  Brem. 
Wb.  der  PL  Gimpen,  bei  Adelung  1775  Gimf 


729 


Gimpel 


Gitarre 


730 


m.,  entlehnt  aus  engl,  gimp,  guimp  «Art  Seiden- 
spitzen oder  Seidentressen»,  von  fvanz.  guimpe 
f.,  -cihRnz.  giämple  «Schleier,  flatternder  Stoff», 
das  anf  ahd.  wimpal  (s.  Wimpel)  zmnickgeht. 

Gimpel,   m.   {-s,  PI.  wie  Sg.):   der  Blut- 
iink;  (bildlich)  einfältiger  Mensch.    Li  urspr. 
Bed.  spätmhd.  gümpel  m.,   1616  bei  Henisch 
und  1664  bei  Duez  Gimpel,  aber  bei  Logau  j 
1,  221   und  Weise  Erzn.  26  Gimpel.     Nebst  i 
mhd.gumpel  m.  «lustiges  mutwilliges  Springen, 
Possen»  abgeleitet  von  mhd.-älternhd.  gumpen  \ 
«hüpfen,  springen»,  engl,  to  jump  «s]irmgen»,\ 
das  man   mit   gr.  ctGeiußoöca  (Hesych)   «aus-  j 
gelassen»   vergleicht.      Gimpel  bedeutet  also 
eig.  «mutwilliger  Hüpfer,  Springer»,  wie  mhd.  1 
gumpelman  (PI.  gumpelliute)  und  gumpelkneht  j 
m.  «Springer,    Possenreißer,   Narr».     Andre  j 
Namen    des   Vogels    sind    Dompfaff  (s.  d.), 
Schwab.  Goll  m.,  thüring.  Liehig  m. 

GingaHg,  m.  (s,  PI.  -s)  -.  ein  feines  Baum- 1 
wollenzeug,  urspr.  ostindisches,  angeblich  aus 
javanisch  ginggang  «verbleichend».     1775  bei 
Adelung. 

Ginst,  m.  {-es,  PI.  -e)  und  Ginster,  m. 
(-5,  PI.  wie  Sg.):  das  Pfriemenkraut  (s.  d.). 
1485  bei  Diefenbach  gl.  259°  ginst,  1489  bei 
Brack  i5^  ginster,  clevisch  1477  gynster,  1694 
bei  Tabernämontanus  Genst,  Genster  m.,  schon 
ahd.  im  10.  Jh.  geneste.  1678  bei  Krämer 
Ginstern  f.  Aus  gleichbed.  lat.  genista,  genesta 
f.,  woher  ital.  ginestra  f.,  franz.  genet  m. 

Gipfel,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  höchste 
Spitze  des  Baumes,  Berges  u.  dgl.  Spät- 
mhd, im  Anfang  des  15.  Jh.  gipfel  und  güpfel 
m. ,  auch  älternhd.  Güpffel  (S.  Franck  mor. 
encom.  61»,  Calepinus  1579  S.  808  *),  (Hppel 
(1630  bei  Lehmann  Flor.  159).  Nach  Wad- 
stein Btr.  22,  241  entlehnt  aus  afranz.  c.epel 
«Schoß,  Schößling»,  das  von  lat.  cippus  m. 
«Spitzsäule»  stammt.  Doch  kann  es  auch 
von  mhd.  gupf  gupfe  m.  «höchste  Spitze» 
abgeleitet  sein,  das,  von  Kopf,  Koppe,  Kuppe 
(s.  d.)  nicht  zu  trennen,  ebenfalls  romanischen 
Ursprungs  ist.  Davon  gipfeln,  v.,  1808  bei 
Campe.  gipfelig,  adj.,  1691  bei  Stieler 
gipfelicht.  ZUS.  Gipfelpnnkt,  m.,  im  19,  Jh., 
eig.  «der  Kulminationspunkt  der  Gestirne», 
bei  Campe  1801    Gipfelschoung  ra. 

Gips,  m.  {-es,  PI.  -e):  eine  kalkige  Erd- 
art. Mhd.  und  spätahd.  gips  m.,  bayr.-schwäb. 
und  im  Odenwald  Ips  m.  (bei  Hebel),  Vgl. 
über  Ips  Hörn  Btr.  22,  218.  Entlehnt  aus 
gleichbed.  gr.-lat.  gypsum  n,,  gr.  YÜvfoc  f. 
Davon  gipsen,  V. :  mit  Gips  überziehen,  spät- 


mhd. 1463  gipsen,  nach  lat.  gypsäre.  gipsen, 
gipsern,  adj.,  bei  Goethe  20,  248  gypsen, 
bei  J.  Paul  31,  34  gipsern. 

Giraffe,  f.  (PI,  -n):  der  Kamelparder  in 
Afrika.  Ende  des  15.  Jh.  bei  Harff  PUg. 
102,  11  der  PI.  geraffen,  1534  bei  S.  Franck 
Weltb.  216^  der  PI.  Zirafen,  1562  in  Reis- 
buch des  heil  Lands  1,  366  Gieraffa,  1606 
bei  Gesner  Tcones  animalium  quadruped.  125 
Giraffa,  im  Index  Giraff.  Aus  ital.  girafa, 
franz.  girafe  f.,  von  der  arab.  Benennung 
zaräfa  (vulgärarab.  dschräfa). 

Girant,  Girat,  s.  Giro. 

Girlande,  f.,  in  Bayern  und  Österreich 
auch  Guirlande  (PI.  -n):  Blumengewinde, 
-gehänge.  Im  18.  Jh.  (Schiller  3,  476)  aus 
franz.  guirlande^  altfranz.  garlande,  aspan. 
guarlanda,  ital.  ghirlanda  f.  «Geflecht,  Ranke, 
Kranz»,  unsichrer  Herkunft,  nur  vermutungs- 
weise abgeleitet  von  mhd.  uieren  «mit  Gold 
umflechten  oder  einfassen». 

Giro  (spr.  ziro),  n.  {-s,  PI.  -s  und  Giri): 
das  Umschreiben,  übertragen  des  Wechsels 
oder  eines  Bankguthabens  auf  einen  andern. 
1712  bei  Hübner,  aus  gleichbed.  ital.  giro  m., 
von  gr.-lat,  gyriis  m.,  gr.  yöpoc  m.  «Runde, 
Kreis».  Dazu  girieren,  V.,  Ende  des  17.  Jh. 
bei  Nehiing,  nach  ital.  girare.  Von  dem  Ver- 
bum  abgeleitet  als  Part.  Präs.  Girant,  m. 
{'Cn,  PI.  -en):  der  Übertragende,  als  Part. 
Pei*f.  Pass.  Girat,  m.  {-en,  PI.  -en):  der,  auf 
dessen  Namen  die  Übertragung  lautet.  Beide 
1813  bei  Campe. 

girren,  v.:  den  Liebeston  girr  von  sicli 
geben.  Bei  Luther  von  den  Tauben,  bei 
Schupp  2,  10  von  Menschen,  aber  bei  Dasy- 
podius  1537  und  Hulsius  1596  in  der  Bed. 
«seufzen»  (statt  kirren,  s.  d.),  bei  Schubart 
1,  25  stöhnen,  1512  bei  Murner  Schelmenzunft 
25,  5  von  der  Tür.  Mhd.  girren  und  gtirren 
von  lautem  wie  girr,  gurr  tönendem  Tier- 
geschrei, z.  B.  des  Esels  (Freidank  140,  7 
gurren  mit  den  Var.  gurren,  girren),  im  Ab- 
laut  zu   mhd.  garren   «zwitschern,    pfeifen». 

gischen,  v.:  aufbrausen,  schäumen,  üb- 
licher als  gäschen  (s.  d.).  Bei  Goethe  3,  276. 
Md.  1470  gischen,  fiiihmhd.  ergischen  «auf- 
schäumen», zu  mhd.  jesen,  iihä.  jesan  «gären» 
(s.  d.).  Davon  Gischt,  m.  {-es,  PI.  -e): 
brausender  Schaum.  Bei  Adelung  1775,  Goethe 
84,  1,  357  f.,  Schiller  Taucher  35,  statt  des 
altera  Gäscht  (s.  d.),  mhd.  jest  m.  neben 
gis  f.,  mundartlich   Gisch  m. 

Gitarre,  in  Bayern  und  Österreich  auch 


731 


Gitter 


Glast 


732 


Gruitarre,  f.  (PI.  -n):  die  spanische  Zither. 
1714  bei  Wächtler,  Kitarre  1615  bei  Alber- 
tinus  Landstörtzer  453.  Aus  span.  guitarra, 
franz.  guitare,  ital.  cliitarra  f.,  von  gr.  Kiödpa 
f.,  nicht  von  dem  aus  dem  Griechischen  ent- 
lehnten lat.  cithara  f.,  das  zu  ital.  cetera,  cetra, 
prov.  cidra,  citola,  afranz.  citole  f.  wurde, 
woraus  mhd.  zitöle,  zitöl  f. 

Gitter,  n,  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Werk  aus 
verschränkt  verbundnen  Stäben.  Spätmhd. 
im  15.  Jh.  giter,  guter,  mhd.  geter  n,,  Neben- 
form von  Gatter  (s.  d.).  Vgl.  Gegitter.  ABL. 
gittern,  v.,  spätmhd.  in   vergitern. 

Glacehandschuh,  m.:  Glanzhandschuh, 
Handschuh  aus  feinem  Leder.  Aus  gleich- 
bed.  franz.  gants  glaces  pl.  in  der  neuern  Zeit. 
glace  ist  Part,  von  franz.  glacer,  abgeleitet 
von  lat.  glacies  f.  «Eis»,  also  eig.  «übereisen», 
dann  «glänzend  machen»,  glacieren,  v. : 
gefrieren  machen ;  glänzend  machen,  aus  franz. 
glaser  s.  o.  Mit  glasieren  (s.  d.)  zusammen- 
gefallen. 

Glacis  (spr.  Glaßi),  n.  (Gen.  u.  PI.  eben- 
so, spr.  Glaßis) :  sanfte  Abdachung  der  äußern 
Brustwehr,  die  Feldbnistwehr.  1712  bei 
Hübner,  aus  franz.  glacis  m.  «Gleite,  Ab- 
dachung», von  afranz.  glagoier,  glacier  «gleiten», 
zu  lat,  glacies  f.  «Eis,  Eisfläche»,  mlat.  1270 
glatia  f.  «Fläche,  Abdachung». 

Glander,  f.  (PI.  -n):  Gleitbahn  auf  dem 
Eis,  Eisscholle.  Ober-  und  niedersächsisch, 
1775  bei  Adelung,  1767  im  Brem.  Wb.,  zu 
spätmhd.  glindeJi  «gleiten».  Thüring.  Gländer, 
Glenner,  hess.  Gläner  f.  Anders  mhd.  glander 
m.  «Glanz,  Schimmer»,  Abstraktbüdung  zum 
mhd.  Adj.  glander  «glänzend,  schimmernd», 
das  mit  Glanz  (s.  d.)  verwandt  ist.  ABL. 
glandern,  v.-.  auf  dem  Eise  schleifen,  1781 
bei  Kindleben. 

Glanz,  m.  {-es):  in  hohem  Grad  aus- 
strömendes oder  zui'ückgeworfenes  Licht. 
Mbd.  glänz  m.,  nebst  dem  Adj.  mhd.  und 
ahd.  glänz  «glänzend»;  ins  Xdl.  entlehnt  glans 
m.,  bei  Kilian  1598  glants.  Stammverwandt 
mit  den  gleichbed.  mhd.  Substantiven  glanst 
m.,  glins  m.,  glinster  n.  m.,  glinstere  f.,  glander 
m.  (s.  Glander),  sowie  Glast  (s.  d.)  und  den 
Verben  mhd.  und  älternhd.  glinzen  «glänzen, 
schimmern»,  glintzern  (1562  bei  Mathesius 
Sar.  140  ^'j  gelinzern  bei  Harff  158,  18  um 
1500),  mhd.  glanstern,  glinsten,  glensten,  glin- 
stern,  glinsen,  glanstern  «glänzen,  strahlen». 
Zu  dieser  Sippe  gehören  wahrscheinlich  eine 
große  Anzahl  mit  gl  anlautender  Worte,  ohne 


daß  man  über  ihr  gegenseitiges  Verhältnis 
ins  klare  kommen  könnte.  Zu  der  Basis 
gland  zunächst  wohl  abg.  gl^dati  «sehen»,  zu 
einer  nasallosen  Form  glast  (s.  d.),  vielleicht 
auch  Glas  (s.  d.).  Von  einer  Wurzel  mit 
I -Vokalismus  stammen  gleißen  (s.  d.),  glitzern 
(s.  d.),  Gleimchen  (s.  d.),  Glimmer  (s.  d.), 
glimmen  (s.  d.),  von  einer  e-ö -Wurzel  glühen 
(s.  d.).  ABL.  glänzen,  v.:  leucbten,  mhd. 
glenzen  (auch  «glänzend  machen»),  ahd.  glänzen, 
glenzen,  ndL  bei  Kilian  glantsen.  glänzig, 
adj.,  im  15.  Jh.  glantzig  (Diefenb.-Wülcker). 

Glas,  n.  (-es,  PI.  Gläser):  aus  dem  mit 
Pottasche  oder  Soda  geschmolznen  Kiesel  ent- 
standne  harte  durchsichtige  Masse;  Gefäß 
daraus.  In  beiden  Bed.  mhd,  und  ahd.  glas 
n,  (im  Ahd.  auch  «Bernstein»);  dazu  and. 
glas,  gles,  ndl.  glas,  ags.  glces  n.  (woneben 
glcer  n.  «Bernstein,  Baumharz»),  engl,  glass, 
anord.  gier  n.  «Glas»;  ins  Lat.  aufgenommen 
glesum  n.  «Bernstein».  Vielleicht  zu  Glast 
und  Glanz  (s.  d.).  ABL.  glasen,  v.,  mhd. 
in  er-  und  verglasen.  Glaser,  m.,  mhd. 
glascere.  glaser,  1517  bei  Trochus  F4^  gleßer. 
gläserig,  adj.,  1562  bei  Mathesius  Sar.  275^ 
glesericJit.  gläsern,  adj.,  bei  Luther  glesern, 
ebenso  im  15.  Jh.  bei  Diefenbach  gl.  624% 
mhd.  gleserin,  aber  gewöhnlich  mhd.  und  ahd. 
glesin.  glasig,  glasicht,  adj.,  um  1500 
glaßig  (Diefenbach  gl.  624^),  ndrhein.  1495 
glasich  (Kölner  Gemma  K  1  ^).  ZUS.  Glas- 
fenster,  n.,  mhd.  glase-,  glasvenster.  Glas- 
fluß, 1775  bei  Adelung.  Glasglocke,  f., 
1808  bei  Campe.  Glashütte,  f.,  spätnihd. 
Anfang  des  14.  Jh.  glashütte  (Habsb.  ürbar- 
buch  44,  21).  Glasmaler,  m.,  im  16.  Jh.  in 
der  Zimm.  Chron.  -  2,  606,  4.  Glasscheihc, 
f.,  spätmhd.  1495  glasschihe. 

glasieren,  v. :  mit  einer  Glasmasse  über- 
ziehen. 1562  bei  Mathesius  Sar.  144^'  und 
schon  sp'Ätmhd.  glasieren,  mit  fremder  Endung 
statt  glasen.  Dafür  bei  Luther  Sirach  38,  34 
und  1678  bei  Krämer  glasuren,  von  tllasür, 
f.  (bei  Krämer),  das  ebenfalls  von  Glas  mit 
fremder  Endung  gebildet  ist. 

Glast,  m.  {-es):  Glanz.  Nur  noch  obd. 
und  dichterisch  (Goethe  6,  218).  Mhd.  glast 
m.  (woneben  gleichbed.  gleste  f.  und  glester 
m.),  gleichen  Stammes  wie  Glanz  (s.  d.)  und 
anord.  glcßsa  «glänzend  machen»,  glcesiligr 
«glänzend,  leuchtend».  Dazu  glasten,  v.: 
glänzen,  mhd.  glesten,  spätmhd.  glasten,  im 
Ablaut  stehend  zu  glosten  (s.  d.)  und  spät- 
mhd. glusten  (Fastnachtsp.  des  15.  Jh.  1302). 


733 


glatt 


Glaubersalz 


734 


glatt,  adj.  (Komp.  glatter,  glätter,  Sup. 
glättest,  glättest,  in  Osterreich  nur  die  erstem): 
glänzend  eben;  zum  Gleiten  eben.  ^Did.  und 
ahd.  glat  in  beiden  Bed.,  im  Ahd.  auch  «leuch- 
tend» von  der  Sonne  (Otfrid  2,  1,  3);  dazu 
asächs.  gladmöd  «frohmütig»,  ndl.  bei  Kilian 
glad  «glühend,  glänzend»,  glat  «glatt,  fröh- 
lich, angenehm»,  afries.  gled  «glatt;>  ags. 
.^/(ef?  «glänzend»,  dann  «froh,  angenehm»,  engl. 
glad.  «fröhlich»,  anord,  gladr  «glänzend,  froh, 
erfreulich»,  schwed.-dän.  glaä.  Gleichen 
Stammes  wie  Glast  und  Glanz  (s.  d.),  ur- 
verwandt mit  abg.  gladükü  «glatt»,  lat.  glaber 
•< glatt»,  vielleicht  auch  mit  lit.  glödüs  '< glatt 
anliegend»,  apreuß.  glosto  ;; Wetzstein».  Der 
Komp.  ohne  Umlaut  bei  Luther  glater,  der 
Superl.  bei  Goethe  31,  70  glättest,  wie  ahd. 
glatest,  aber  schon  1555  bei  "Wickram  mit 
Umlaut  gleitest.  Das  Adv.  glatt,  ahd. 
gldto  «glänzend»,  mhd.  glat  «eben»,  nhd. 
in  übertragner  Bed.  «ohne  daß  auch  nur 
etwas  bleibt,  ganz  und  gar»,  bei  Frisch 
mit  Beleg  aus  dem  16.  Jh.  ABL.  Glätte, 
f.:  Ebenheit,  mhd.  glete  f.,  aber  ahd.  glati 
«Kälte,  Frost»  (Steinmeyer-Sievers  Gl.  1,  6,  6); 
in  der  Bed.  «glasartige  glänzende  ßleischlacke, 
die  sich  fettig  anfühlt»  bereits  1482  im  Voc. 
theut.  11*  glett  f.,  1557  bei  Agricola  Bergw. 
S  2  *  Glette,  die  rotgelbe  heißt  Goldglätte,  die 
hellgelbe  Silber  glätte  (bei  Duez  1664  Gold-, 
Silber  glette).  glätten,  v.:  glatt  machen,  1482 
im  Voc.  theut.  ll**  gleiten-,  davon  Glätter, 
m.:  Hobel  (glatt  machendes  Werkzeug),  1662 
bei  Stoer  21^0^  ZTJS.  Glatteis,  n.,  1616 
bei  Wallhausen  Coi^j.  mil.  221  Gladeyß,  1598 
bei  Colerus  Hausb.  2,  83  (E  1 »)  Glateis.  Glätt- 
holz,  n.,  1678  bei  Krämer  Glättholtz  «Buchs- 
baumglättholz  des  Schuhmachers». 

Glatze,  f.  (PI.  -n):  haarlose  Stelle  auf 
dem  Kopfe.  Bei  Luther.  Mhd.  glaz,  glatz  m. 
«Kahlkopf»,  auch  «obere  Kopffläche».  Im 
Ablaut  dazu  das  gleichbed.  ältemhd.  Glitze  f. 
(1624  bei  Opitz  Poet.  12,  1664  bei  Duez), 
mhd.  glitze  f.  «Glanz»  (neben  gliz  m.),  dann 
Glatze.  Vgl.  gleißen.  ABL.  glatzig,  adj., 
im  15.  Jh.  glatzig  bei  Diefenbach  gl.  91'",  bei 
Dasypodius  1537  glätzig,  mhd.  glatzeht,  glatzet. 
ZUS.  Glatzkopf,  m.,  1517  bei  Keisersberg 
Emeis  46'». 

glan,  adj.:  geistvoll,  scharfsichtig,  klug. 
Nur  noch  in  Niederdeutschland.  Ahd,  glau 
und  gilau  (flekt.  glawer),  mhd.  nur  in  glou- 
heit  f.,  asächs.  glau  ( Akk.  glauwon) :  dazu  ags. 
gleaw  «einsichtsvoll,  klug»,  anord.  glöggr  ^sorg- 


'  fältig,  genau,  deutlich»,  norw,  glögg  «schai-f- 
:  sinnig»,  got.  Adv.  glaggivö.  glaggmiba  «genau, 
sorgfältig».  Zusammenhang  mit  ahd.  gluoan, 
ags.  glötcan  «glühen»,  anord.  glöa  «leuchten, 
,  glühen»,  dän.-schwed.  glo  ^<scharf  anbhcken, 
I  glotzen»  ist  möglich.  Brugmann  Ber.  der 
I  Sachs.  Ges.  d.W.  1897,  23  vergleicht  lit.  zvilgeti 
i  «glänzen,  blicken,.     Vgl.  Glaubreclit. 

Glaube,  m.  {-ns,  PI.  -«),  seit  dem  18.  Jh. 

,  auch  Glauben,  m.:  Fürwahrhalten  aus  Hin- 

\  geneigtsein;  die  Gott  zugeneigte  Gesinnung; 

i  Libegiiff    der     einer    Religionsgemeinschaft 

'  eignen    wesentlichen    Lehren   von  Gott   und 

dem,  was  mit  ihm  in  Verbindung  steht.    Mhd. 

1  gelouhe,  glaube,  ahd.  giloubo  m.,  woneben  das 

j  Fem. mhd. gel&uhe,gloube,  ahd. gilouha,gloubat: 

dazu  asächs.  gilö'bo  m.,  mnd.  gelove,  gelöf,  ndl. 

!  geloof,   ags.  geleafa  m.     Im   Ältemhd.   und 

Mnd.  auch  kaufmännisch  < Kredit»  (noch  1678 

,  bei  Krämer  auf  Glaub  «auf  Borg»^,  xgl,  Gläu- 

I  biger.    Von  glauben,  v.:  für  wahr  halten, 

!  mhd.  gelouben,  glauben,  auch  gleuben  (daher 

;  bei  Luther  gleuben  und  im  17.  und  18.  Jh. 

bei  Lohenstein,   Freyer,  Haller  17  und  208 

glauben),   ahd.  gilouban,   galauban,   glauben; 

'  dazu  asächs.  gilöbian,   mnd.  geloven,  ndl.  ge- 

i  looven,   ags.  gelyfan,  gelefan,  got.  galaubjan; 

daneben   das  Adj.  galaufs   < schätzbar,   wert- 

'  voll»,    so    daß   glauben   also   wohl   bedeutet 

«für  wei-tvoll  halten».    Anders  Kluge  ZfdW. 

7, 169.  Gleichen  Stammes  wie  erlauben  (s.  d.), 

j  und  wie  Lob  und  Heb  (s.  d.).    gläubig,  adj., 

bei  Luther  gleuhig,  ohne  Umlaut  glaubig  bei 

Henisch  1616  und  als  Adv.  bei  Schiller  Räuber 

2,  1,  mhd.  gelaubec,  gloubic,  im  14.  Jh.  gläubig, 

ahd.  giloubig,  gläubig,  asächs.  gilöhig  (in  un- 

gilöbig):  daher  Gläubiger,  m.:  Kreditgeber, 

der  auf  Treu  und  Glauben  (s.  d.)  Verborgende, 

Glauben  Habende,  um  1480  im  Voc.  ine.  teut. 

h6*'  gleubiger,    1510   im  Cod.  dipl.  Siles.  20, 

,  178  gelaubiger,   1420  bei  Schröer  Vocab.  605 

glouber.      ABL.   von   Glaube:    glaubhaft, 

adj.,  mhd.  geloubehaft,  glaubhaft,    glaublich, 

adj.,  1537  bei  Dasypodins  glaublich,  bei  Luther 

gleublich,   wie   1426  gleivblich  (Germania  28, 

368),  mhd.-ahd.  gelaublich,  Adv.  ahd.  gilaup- 

Uhho,  gloublicho.    ZTS.  glaubwürdig,  adj., 

bei  Luther  8,  150  W.  glaubicirdig,  im  15.  Jh. 

glaubwürdig  (Nürnb.  Pol.-Ordn.  135J;    davon 

Glaubwürdigkeit,  f.,  1541  bei  Frisius  698* 

Glaubwirdigkeit. 

Glaubersalz,  n.:  weißes  abführendes  Salz, 
eine  Verbindung  von  schwefelsaurem  Xatron 
und    Kalk,    von    dem   Arzt   Johann   Rudolf 


735 


Glaubrecht 


gleich 


736 


Glauber  (tl668)  gefunden  und  in  seiner  Schrift 
de  natura  salium  1658  empfohlen. 

Crlauhrecht,  Mannesname.  Ahd.  Glaupe- 
raht,  zusammenges.  mit  glau  (s.  d.)  und  -hert. 

glanch,  adj.:  (bergmänn.)  von  weiß  blauer, 
dem  Schimmel  ähnlicher  Farbe  (1741  bei 
Frisch),  dann  (weil  dergleichen  Gestein  ge- 
haltlos ist)  taub,  ohne  Erzgehalt  (1693  bei 
Schönberg  2,  45),  aber  1562  bei  Mathesius 
Sar.  105*  in  der  Bed.« glänzend,  schimmernd», 
mhd.  glücke,  noch  tirol.  glauch  «hell,  glän- 
zend >\    Verwandt  mit  glüh,  glühen  (s.  d.). 

Olecke,  f.  (PI.  -n) :  die  von  der  Sichel  oder 
Sense  niedergelegte,  noch  nicht  zusammenge- 
bundne  Garbe  auf  dem  Acker.  Westmittel- 
deutsch. Entstanden  aus  Gelege  (henneberg. 
im  18.  Jh.  Geleg  n.,  Weist.  3,  582,  noch 
thüring.-hess.);  dazu  ndl.  1598  ghelegge  «Garbe», 
vläm.  geleg  n.  (PI.  geleggen).  Von  ahd.  gilegan, 
geleckan  «niederlegen»,  mndl.  ghelegghen. 

gleich,  adj.:  in  den  Merkmalen  völUg 
übereinstimmend;  geradlmig.  Noch  l^ei 
H.  Sachs  geleich,  mhd.  gelich,  glich,  ahd. 
ga-,  gilih;  dazu  asächs.  giUc,  mnd.  gelik, 
ndl.  gelijk,  afi-ies.  lik,  ags.  gelte,  engl,  like, 
anord.  likr  und  glikr,  schwed.  lik,  dän.  lig, 
got.  galeiks.  Das  Adv.  gleich,  mhd.  geliche, 
gliche,  glich,  ahd.  galihho,  im  11.  Jh.  glicho, 
asächs.  gilico,  afries.  llc,  einmal  gelle,  ags. 
gelice,  anord.  lika.  Gewöhnlich  erklärt  als 
«von  übereinstimmender  (Leibes-)  Gestalt», 
indem  man  das  Stammwort  -leich  (mit  ge- 
kürztem Vokal  in  Adj.-  und  Adv.-Zusammen- 
setzungen  -lieh,  s.  d.)  mit  mhd.  Itch  f.  «Leib, 
Körper,  Leibesgestalt»  (s.  Leiche)  zusammen- 
bringt. Auf  der  andern  Seite  zieht  man  als 
urverwandt  heran  lit.  Ugiis,  apreuß.  polligun, 
polygu,  lett.  lidz  «gleich».  Beides  zusammen 
geht  nicht,  -gleichen  in  meines-,  deines- 
gleichen usw.  ist  erstarrter  schwach  flekt. 
Genitiv,  gebraucht  für  alle  Kasus  und  Ge- 
schlechter, während  mhd.  min  geliche  (Akk. 
minen  geliehen),  ahd.  min  gilicho  (Nom.  PI. 
mine  gilichon)  regelrecht  flektiert  wurde  oder 
min  usw.  als  Gen.  des  Personalpronomens  un- 
flektieii;  blieb,  daher  noch  bei  Luther  (Hiob 
1,  8.  2,  3.  9,  32)  sein  gleiche,  mein  gleiche. 
ABL.  (vgl.  auch  Gleisner):  Gleiche,  f.: 
Gleichheit,  völlige  Übereinstimmung  (2.  Kor. 
6,  16),  mhd.  geliche  f.  «Gleichheit,  Gleichnis», 
ahd.  gelichi  f.  gleichen,  v.:  gleichsein; 
gleichmachen.  In  der  1.  Bed.  mhd.  ge- 
liehen, im  14.  Jh.  geleichen,  md.  glichen;  in 
der  2.  Bed.  mhd.  geliehen,  ahd.  galihhan  «gleich- 


stellen», got.  galeikön  «vergleichen,  das  Gleiche 
tun,  nachahmen»,  refl.  «sich  gleichstellen». 
Die  urspr.  schwache  Flexion  trat  im  17.  Jh. 
(Moscherosch  Phil.  2,  605)  bei  der  1.  Bed.  in 
die  starke  über  (Prät.  glich,  Part,  geglichen), 
wohl  nach  der  Ähnlichkeit  von  bleichen, 
schleichen,  streichen,  weichen,  blieb  aber  in  der 
Bed.  «gleichmachen»  erhalten  (Prät.  gleichte 
Schiller  Hero  9,  Part,  gegleicht  Thümmel  Reise 
2,  156).  Gleicher,  m.  (-s):  die  gleichweit 
von  den  Polen  entfernte  Mittelhnie  der  Erde, 
Äquator,  1741  bei  Frisch,  aber  bei  Stieler 
1691  in  der  Bed.  «in  gleiche  Teile  Teilen- 
der, Gleichmacher».  Gleichheit,  f.,  bei 
Luther  Gleicheit,  mhd.  gelicheit.  Gleichnis, 
n.:  Ebenbild  (Schiller  Braut  v.  Mess.  v.  910); 
vergleichende  bildliche  Rede,  Parabel,  bei 
Luther  Gleichnis  n.  imd  f.,  mhd.  gelichnisse, 
-niis  f.  n.  «Gleichheit,  Bild,  Vorbild,  bildliche 
Rede»,  ahd.  galihnassi,  -nessi,  gilihnussi,  -nissi 
f.  n.  und  gilihnissa  f.  gleichsam,  adv.:  in 
Vergleich  oder  voller  Ähnlichkeit  zutreffend, 
bei  Luther  gleich  sam  «gleich  als»,  mhd. 
geliche  sam,  aus  zwei  Adv.  zusammenge- 
schoben, denn  das  zweite  Wort  ist  das  mhd. 
Adv.  same,  sam  «eben  wie,  als  ob»,  ahd.  und 
asächs,  sama,  sanio  «ebenso,  ebenwie»,  ags. 
same,  urverwandt  mit  gr.  6|u6c,  aind.  sama, 
aw.  hama-,  häma-  «derselbe,  gleich».  Glei- 
chung, f.,  mhd.  gelichunge  f.  «Vergleichung, 
Ähnlichkeit;  arithmetisch  und  astronomisch 
1716  in  WolflFs  mathemat.  Lex.  ZUS.  gleich- 
artig, adj.,  1775  bei  Adelung,  gleicher- 
maßen, adv.,  eig.  zusammengeschobner  Ge- 
nitiv, 1525  in  Reichsordn.  V2S^  gleicher  massen. 
gleichfalls,  adv.,  bei  Henisch  1616  gleich- 
fals,  1582  bei  Fischart  Garg.  333  gleichs falls, 
1557  bei  Sleidanus  (übers,  v.  Stamler)  gleiches 
falls,  gleichförmig,  adj.,  mhd.  im  14,  Jla. 
glichförmig  (Gottesfreunde  34).  Gleichge- 
wicht, n.,  1727  bei  Hübner,  1728  bei  Brockes 
ird.  Vergn.  3,  207.  gleichgültig,  adj.:  gleich- 
viel geltend  (1678  bei  Krämer);  unerheblich, 
unbedeutend  (1691  l)ei  Stieler);  übertragen 
auf  den  Menschen,  dem  alles  gleichgültig, 
unerheblich  ist  (1775  bei  Adelung,  Schiller 
Räuber  4,  2).  Gleichmaß,  n.,  1678  bei 
Krämer,  gleichmäßig,  adj.,  bei  Luther 
und  1525  in  Reichsordn.  128^.  Gleichmut, 
m.:  gesetzte,  aufi'egungslose  Seelenstimmung, 
1691  bei  Stieler;  gleichmütig,  adj.,  in 
Luthers  Postille  1528  gleichmütig  «gleichge- 
stimmt», das  Adv.  gleichmütiklich  «mit  Gleich- 
mut» 1514  bei  Keisersberg  Klappermaul  80''. 


737 


Gleimchen 


Grletscher 


738 


gleichnamig,  adj.,  1537  bei  Dasypodius 
gleichnamig  als  Übersetzung  des  gr.-lat.  ho- 
monynmm,  ahd.  gelihnamig  «aeqiiivocus». 
gleichseitig,  adj.,  1691  bei  Stieler.  gleich- 
wichtig,  adj.:  von  gleichem  Gewicht,  1616 
bei  Henisch.  gleichwie,  adv.  und  konj., 
bei  Luther  gleich  wie.  gleichwohl,  adv. 
und  konj.  der  Entgegensetzung,  bei  Luther 
gleichwol,  im  15.  Jh,  glicheiool  «in  gleicher 
Weise»  (6riseldis5,  11  Schröder),  1435  gliche- 
wol  «trotzdem»  und  1444  glichwol  «obgleich» 
(Germania  28,  368).  gleichzeitig,  adj,,  1796 
bei  Adelung. 

Oleimchen,  n.  (s,  PI.  wie  Sg.)-.  Glüh- 
würmchen, Johannisfünkchen  (1802  bei  Voß 
Ged.  1,  330).  Norddeutsch.  1540  bei  Alberus 
dict..  Xx  2*  sant  Jolians  gleimchin,  mhd. 
gltme  und  gleime,  gleim  m.,  ahd.  glimo  und 
gleimo  m.  «Glühwürmchen»  (woher  der  Eigen- 
name Gleim);  dazu  asächs.  glinio  m.  «Glanz, 
Schimmer»,  nd.  glem  m.  «Lichtstreifen»  (Groth 
Quickborn  215),  ags.  glcem  m.  «Glanz»,  engl. 
gleam  «Strahl,  Glanz».  Zu  mhd.  glimen 
«leuchten».    Vgl.  glimmen. 

Grleis,  n.  {-es,  PI.  -e):  Weg-,  Radspui'. 
Gekürzt  aus  Geleise,  1678  bei  Krämer  Ge- 
leiß,  Gleiß  n.  Mhd.  vereinzelt  geleis  f.  und 
1311  geleise  n.  (Weist.  1,  761,  18),  gewöhn- 
lich leise,  leis  f.,  ahd.  ivaganleisa  f.,  daher 
noch  mundartlich  und  bei  Goethe  1,  295  1.  H. 
Gleise  f.,  W.  1,  265  Geleise,  wie  1616  bei 
Henisch  Gleisse  f.  und  bei  Stieler  1691  Gleiße  f. 
Gleichen  Stammes  wie  mhd.  leist,  got.  laists 
m.  «Spur»  (s.  Leisten).  Urverwandt  mit  lat. 
Ura  f.  «Furche»,  lit.  Itse  f.  (apreuß.  lyso)  und 
abg.  lecha  f.  «Beet». 

Gleisen,  PI.:  Parallellinien.  Neubildung 
der  jungem  Zeit. 

gleisen,  v.  (Prät.  gleiste,  Part,  gegleist): 
sich  einen  trügerischen  Schein  geben.  Her- 
vorgegangen aus  ältemhd.  gleichsen,  mhd. 
gelichesen,  gelihsen,  glihesen,  ahd.  galihhison 
«einem  gleichtun,  sich  stellen,  sich  verstellen, 
•heucheln»  und  Wihisdn  «vergleichen,  sich  ver- 
stellen», abgeleitet  von  ahd.  -lih  und  gelih 
«gleich»  (s.  d.  und  -lieh),  woneben  das  weiter- 
gebildete gleichbed.  Zeitwort  mhd.  gelichsenen, 
fiühnhd.  geltdisenön  (Spec.  eccl.  144,  7),  ndl. 
1598  ghelijksenen ,  nhd,  1616  bei  Henisch 
gleichßnen  und  gleißnen.  Die  Lautanglei- 
chung des  ch  zu  s  erfolgte  dui'ch  md.-nd. 
Einwirkung  (wie  in  einem  titeUosen  mystisch- 
allegor.  Gedicht  von  1486  Bl.  a7''  ryßnen 
statt  mhd.  richsenen  «hen-schen»,  md.  osse 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


für  mhd.  ohse  «Ochse»),  daher  zunächst  md. 
1343  in  Beheims  Evangehenbuch  Luc.  20,  20 
u.  47  glisen  «heucheln»,  1477  clevisch  glyssen. 
Die  dadurch  nahegelegte  Vermischung  mit 
gleißen  (s.  d.)  schon  bei  Luther.  ABL. 
Gleisner,  m,  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Heuchler, 
bei  Luther  Gleissener,  Gleyßner,  um  1480 
im  Yoc.  ine.  teut.  h  6  ^  gleisner  oder  gelisner, 
im  15.  Jh.  gleichsner,  geleichsner,  mhd.  ge- 
Itchsencere,  glichsener  (Berthold  62,  4)  neben 
gelichescere ,  ahd.  lihhisäri  und  gelichisäre, 
md.  1343  glisenere  und  im  12.  Jh.  glissencere 
m.  (Fundgr.  1,  153,  25),  sowie  mit  Anlehnung 
an  gleißen  früh  im  14.  Jh.  md.  glisenere 
(ZfdA.  9,  258  f.) ;  dazu  mnd.  glisenere,  glissener, 
clevisch  1477  glyssener,  ndl.  1598  ghelijksener 
und  gleysener.  Gleisnerin,  f.,  mhd.  glich- 
senerin.  Gleisnerei,  f.,  bei  Luther  Gleis- 
nerey,  md.  1343  glisenerie  f.  (Beheim  Evan- 
gelienbuch Matth.  23,  28);  dazu  clevisch  1477 
glyssery,  mnd.  aber  glytzerie,  gleyzerie  f. 
gleisnerisch,  adj.,  1616  bei  Henisch. 

Gleiß,  m.  {-es,  PI.  -e),  auch  Gleiße,  f. 
(PI.  -n):  Hunds-,  Glanzpetersilie,  lat.  aethusa 
cynapium.  1561  bei  Cordus  Gleiß,  Glyssen, 
1588  bei  Tabernämontanus  Gleißpeterlin.  Be- 
nannt nach  dem  Glanz  der  untern  Seite  der 
Blätter.  Denn  mhd.-ahd.  gli^  m.  und  mhd. 
gli^e  f.  «Glanz»,  von  gleißen  (s.  d.). 

gleißen,  v.  (Prät.  gliß,  Plur.  glissen,  Konj. 
glisse,  Part,  geglissen,  auch  schwach  gleißte, 
gegleißt):  blendendes  Licht  oder  augenblen- 
denden Schein  von  sich  werfen.  Mhd.  glimen 
(Prät.  glei§,  Plur.  gliggen),  ahd.  gligan;  dazu 
asächs.  glitan,  ags.  glitenian  neben  glisian, 
glisnian  (afries.  glisa),  anord.  glita,  got.  glit- 
munjan  «glänzen».  Eine  Weiterbildung  ist 
glitzern  (s.  d.).  Vgl.  Glatze,  Glanz.  Verwandt 
ist  wohl  gr.  yi}.\h\hv  m.  «Schmuck,  Prunk», 
X^ibri  f.  «Weichlichkeit,  Üppigkeit». 

gleiten,  v.  (Prät.  glitt,  Konj.  glitte,  Part. 
geglitten):  ausrutschen;  sich  glatt  und  leise 
worüber  hinbewegen.  Aber  nhd.  auch  in 
schwache  Biegung  übergegangen,  Prät.  gleitete 
(Lessing  2,  9,  j.  Goethe  3,  290),  Part,  gegleitet 
(Stieler  hochd.  Sprachk.  157,  Schiller  Teil  4,  3). 
Mhd.  starkflekt.  gliten  (Prät.  gleit,  Plur.  gliten), 
mndrhein.  glülen;  dazu  asächs.  glldan,  mnd. 
gliden,  mndl.  glijden,  afries.  glida,  ags.  glulan 
(Prät.  gläd,  Plur.  glidon),  engl,  glide.  Ver- 
wandtschaft mit  glatt  (s.  d.)  ist  möglich,  wenn 
man  von  einer  indogerm.  Basis  *gMejädh  aus- 
geht. 

Gletscher,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Eislager 

47 


739 


(xlil)ber 


Olimpf 


740 


im  Hochgebirge.  1546  bei  G.  Agricola  de 
re  metallica  479  Gletzscher.  Das  Wort  stammt 
natürlicb  von  lat.  glacies  f.  «Eis»  und  ist 
wahrscheinlich  von  Wallis,  Uri,  ünterwalden 
ausgegangen.  Vgl.  Meyer-Lübke  ZfdW.  2,  74. 
Der   deutsche  Name   ist   bayr.-tirol.  Kees  n. 

01il)l)er,  m.  (-s):  schlüpfrige,  glatte  Masse. 
Aus  dem  Niederdeutschen,  wo  schon  mnd. 
gUbberich  «glatt,  schlüpfrig».  In  den  Wörter- 
büchern nicht  verzeichnet,  aber  in  der  nord- 
deutschen ümgangsspi'ache  verbreitet.  Sub- 
stantivbildung zu  dem  unter  geliefern  be- 
handelten Verb  um. 

Olied,  n.  (-es,  PL  -er):  mittels  eines  Ge- 
lenkes verbundner  beweglicher  Körperteil; 
Teil  eines  Ganzen;  Mitglied  einer  sozialen 
Gesamtheit  (md.  im  14,  Jh.);  Generation,  die 
gleichzeitig  lebenden  Personen  einer  Familie 
(bei  Luther);  Reihe  einer  Heeresabteilung 
(1507  bei  Wilwolt  v.  Schaumb.  113  f.).  In 
den  beiden  ersten  Bed.  mhd.  gelit,  glit  n. 
(PI.  gelit  und  gelider),  auch  gelit  m.  (PI.  ge- 
lide),  noch  bei  Luther  Gelied,  Gelid  neben 
Glied,  ahd.  gilit  n.  «Verbindung,  Gelenk»,  mnd. 
gelit  n.,  ndl.  gelid  n.  «Reihe»  (PI.  gelederen). 
Vom  gleichbed.  mhd.  lit  m.  n.  (PI.  lit,  lide, 
lider),  ahd.  lith.  lid  m.  n.  «Glied,  Gelenk, 
Teil,  Stück»,  im  Mhd.  auch  «Zeugungsglied, 
Verwandtschaftsglied,  Mitglied,  Genosse»;  da- 
zu asächs.  lid  m,  (PI.  liäi),  mnd.  lit,  let  n. 
(PI.  lede,  ledere,  lidder),  ndl.  lid  n.  (PI.  leden), 
afries.  lith,  letli  n.,  ags.  li^  m.  n.,  anord,  liär 
m.  (PI.  liäir),  got.  lipus  m.  «Glied»;  wohl 
verwandt  mit  lat.  lituus  m.  «Krummstab 'der 
Auguren,  das  gekrümmte  Signalhorn»;  glei- 
chen Stammes  sind  auch  wohl  ags.  lim  n., 
engl,  limh  «Ghed,  Zweig»,  anord.  linir  m. 
«Glied»,  lim  n.  «Zweig»,  schwed.-dän.  lem 
«Glied»,  lit.  liemuo  m.  «Stamm,  Statur»,  auch 
ahd.  lidan  «gehen,  sich  bewegen»  (s.  leiten) 
bringt  man  mit  Glied  zusammen.  ABL. 
gliederig,  adj.,  1616  bei  Henisch  glidig, 
1691  bei  Stieler  glidericht,  1768  bei  Moer- 
beek  gliederig.  gliedern,  v.,  1691  bei  Stieler. 
glidern.  Grliederung,  f.,  1808  bei  Campe. 
ZUS.  Grliedmaßen,  Plur.:  die  Glieder  des 
Leibes.  Bei  Luther  Glidmaß,  Gelidmas  n. 
Sg.  u.  Plur.,  im  PI.  auch  Gliedmaßen  (2.  Makk. 
7,  11),  md.  im  14.  Jh.  gelideme^e  n.  Sg.  und 
Plur.,  mhd.  lidemä^,  lidemce^e  n.  «Leibes- 
glied», in  dieser  Bed.  entwickelt  aus  mhd. 
gelidemä^e  f.  «Maß  der  Glieder,  Leibeslänge», 
1561  bei  Maaler  Glidmaß  f.,  «Leyhs  lenge, 
die  grosse  des  leyhs,  statura»,  also  wohl  iirspr. 


«Maß,  die  rechte  Art  der  Glieder»,  ähnlich 
1477  das  Adj.  geliedsmessig  von  einer  Wunde 
die  geliedz  dieff  und  gelieds  lanck  ist  (Weist, 

2,  245),  im  15.  Jh.  lidmessig  «mit  geraden 
ebenmäßigen  Leibesgliedern»  (Ehingen  4). 
Zusammenges.  mit  3faß ,  Maße  (s.  d.),  wie 
afries.  lithmäta  PI.  «Gliedmaßen»  mit  afries. 
mäte,  mete  f.  «Maß»;  dazu  der  Plur.  ndl. 
lidmaten,  Island,  lidamöt,  schwed,  ledamot, 
dän.  ledemod  «Gliedmaßen». 

glimm,  adj.:  funkenglühend,  1680  bei 
Lohenstein  Sophonisbe  a  6^.  Wie  das  spät- 
mhd.  Subst.  glim  m.  «Funke»  abgeleitet  von 
glimmen,  v.  (Prät.  glomm,  Konj.  glömme, 
Part,  geglommen,  daneben  seit  dem  18.  Jh. 
schwachbiegend  Vröi. glimmte,  ^d^xi. geglimmt): 
in  einzelnen  zündenden  Funken  glänzen.  Mhd. 
glimmen  «glühen,  glänzen,  blitzen»  (ZfdA.  3,20), 
Prät.  glam,  noch  bei  Lohenstein  Rosen  92 
glani,  bei  Gottsched  glomm ;  dazu  ndl.  glimmen. 
Bei  Luther  glümmen,  glummen,  1540  bei  Al- 
berus  dict.  Hh  1  und  Ccl^  ich  glum,  noch 
wetterauisch  glummen;  dazu  1562  bei  Ma- 
thesius  Sarepta  84^  Füncklein  oder  Glüm- 
merchen,  174^  Glümmerlein  und  Füncklein. 
Gleichen  Stammes  wie  mhd.  glhnen  «leuchten, 
glänzen»  (s.  Gleimchen),  glamme  f.  «Glut», 
sowie  anord.  gljä,  glcea  «leuchten,  funkeln». 
Dazu  noch  schw ed. glimta,  dän.glimte«glä,nzer\», 
engl,  glimpse  «Glanz»  u.  a.  Vielleicht  urver- 
wandt mit  gr.  x^iot'veiv  «wärmen»,  x^iapöc 
«warm».  ABL.  Glimmer,  m.  (-S,  PI.  wie 
Sg.):  Katzengold,  Katzensilber,  1530  bei  G. 
Agiicola  de  i-e  metallica  134.  glimmern, 
V. :  funkenartig,  in  Zitterlicht  glänzen  (Goethe 

3,  222  u.  14,  198),  md.  im  14.  Jh.  glimmeren 
«glänzen,  leuchten»;  dazu  engl,  glimmer,  (ent- 
lehnt) schwed.  glimra,  dän.  glimre.  glim- 
merig, adj.,  1691  bei  Stieler  glimmericht. 

Olimpf,  m.  (-es):  in  Beziehung  worauf 
kundgegebne  schonende  nachsichtige  Zartheit. 
Mhd.  gelimpf,  glimpf  m.  «Angemessenheit, 
angemeßnes  ai'tiges  Benehmen»,  (im  15.  Jh.) 
«ft-eundliche  Nachsicht»,  ahd.  gelimpf  «Über- 
einstimmung». Von  ahd.  gilimpfen,  galimfan 
und  limphan  «angemessen  sein»,  mhd.  gelimpfen 
(auch  tr.  «angemessen  machen»)  und  limpfen; 
dazu  ags.  gelimpan  «sich  zutragen,  sich  er- 
eignen». Dem  germ.  Stamm  *lemp  entspricht 
lautlich  genau  lat.  limhus  m.  «Besatz  am 
Kleide»,  aind.  lämbate  «hängt  herab,  senkt 
sich  usw.»,  und  auch  die  Bedeutungen  lassen 
sich  wohl  vereinen.  Veraltet,  dagegen  noch 
in  Gebrauch  ve)'unglimpfen  und  glimpflich, 


741 


glinstern 


glotzen 


742 


adj.:  rücksichtsvoll,  mlid.  gelimpflich,  ahd. 
güimflih,  Adv.  gilhnflihho ;  dazu  ags.  gelimpUc, 
adv.  gelimplice  «günstig  gelegen». 

glinstern,  glinzen,  s.  Glanz. 

glitsch,  interj.,  bei  Scliiller  Räuber  3,  2. 
Von  glitschen,  v.:  mit  größrer  Geschwin- 
digkeit gleiten.  Im  mrhein.  Voc.  ex  quo  1469 
glitschen  neben  glitsen  «ausgleitend  fallen». 
Abgeleitet  von  gleiten  (s.  d.).  Nach  Campe 
von  Wieland  in  die  Schriftsprache  einge- 
führt. Dazu  glitschig,  adj.,  1691  bei  Stieler. 
glitschicht]  woneben  1768  bei  Moerbeek  glit- 
sch er  ich  t,  glitscherig. 

glitzern,  V.:  kleine  häufige,  zitternde  Licht- 
blitze von  sich  geben.  Mhd.  im  14.  Jh.  glit- 
zern ;  dazu  engl,  glitter,  anord.  glitra  «funkeln», 
sehwed.  glittra,  älterdän.  glidre.  Iterativ  von 
ältemhd.  -  mhd.  glitzen  «glänzen»,  woneben 
mhd.  glitzenen,  ahd.  glizinon,  ags.  glitenian 
«glänzen,  schimmern»;  abgeleitet  von  gleißen 
(s.  d.)  wie  die  Subst.  mhd.-ahd.  gliz  m.,  mhd. 
glitzet,  anord. glitn.  «Glanz».  AjBL.  glitzerig, 
adj.,  1537  bei  Dasypodius,  glitzericht  1540  bei 
Alberus  dict.  KkB^. 

Crlohus,  m.  (Gen.  Globus  u.  Globusses, 
PI.  Globen  u.  Globusse) :  drehbare  künstliche 
Kugel,  entweder  die  Erde  oder  den  Stern- 
himmel abbüdend.  Im  16.  .Jh.  aus  lat.  globus 
m.  «Kugel». 

Glocke,  f.  (PI.  -n):  hohle  khngende  Halb- 
kugel; Schlaguhr,  Uhr  (z.  B.  Glock  dm  «genau 
3  Uhr»,  bei  Yoß  Briefe  1,  96,  eig.  -so  die  Glock 
zehne  schlegt  1540  bei  Hug  Rhetorica  141^). 
In  der  1.  Bed.  mhd.  glocke,  glogge  f.  (auch 
Glockenrock,  Limb.  Chron.  39,  5  von  1350), 
ahd.  glocca,  glogga  f ;  dazu  and.  glogga  «Glocke», 
mnd.  klocke  f.  (auch  «Uhr,  Stunde »j,  mndl. 
klock,  ags.  clugge  (engl,  clock  aus  dem  Ndl.), 
anord.  klokka,  klukka,  sehwed.  klocka  f ,  dän, 
klokke.  Aus  mlat.  (8.  Jh.)  clocca,  cloca  f. 
«Kirchenglocke»  (woher  auch  franz.  cloche, 
prov.  cloca,  clocha  f.,  russ.  kolokolü  m,  «Glocke, 
ScheUe»,  dafür  ital.  campana  f.),  entweder 
■  aus  dem  Keltischen  (air.  cloc  m.,  kymr.  doch  f.) 
oder  onomatopoetisch  oder  nach  Schuchardt 
aus  lat.  ^clocca  aus  Cochlea  f.  «Schnecken- 
turm». ABL.  Glöckchen,  n.,  md.  im  14.  Jh. 
glockicMn.  Glöckner,  m.:  Küster,  Türmer, 
mhd.  glockencere,  gloggenoere,  woneben  im 
15.  Jh.  glockler,  gloggler  m.  ZUS.  Glocken- 
hlume,  f ,  1482  im  Voc.  theut.  nn  6^  weyß 
glockenplum.  Glockengießer,  m.,  mhd. 
glockengießer,  mnd.  klockengeter  m.  Glocken- 
joch,  n. :   (.Querholz,  woran  die  Glocke  zum 


I  Bewegtwerden  im  Glockenstuhle  befestigt  ist, 
:  1482   im  Voc.  theut.  12^  glockenjoch,    ahd. 

glocam  joch.  Glockenspeise,  f:  Glocken- 
!  metall, mhd. glocke-,  glockenspise,  mnd.  klocken-, 
'  klocksptse  f.  Glockenspiel,  n. :  zum  Spielen 
einer  Melodie  harmonisch  gestimmte  Glöck- 
chen, 1691  bei  Stieler  Klockenspiel.  Glocken- 
stuhl,  m.:  Gestell,  Gebälk,  worin  die  Glocke 
i  hängt,  1703  bei  Weismann  161*.  Glocken- 
turm, m.,  mhd.  glockenturn. 

Glorie,  f.  (PI.  -n)-.  Ruhm,  Herrlichkeit; 
Strahlenschein  um  eine  Gestalt,  Heiligenschein. 
Mhd.  glorje,  später  auch  glöri  f.,  aus  lat. 
I  glöria  f.  «Ruhm».  Dem  kirchlichen  Rufe 
gloria  in  cxcelsis  deo  (Luk.  2,  14)  entlehnt 
ist  der  Zecherruf  beim  Anstoßen  gling  glang 
gloria  (Uhland  Volksl.  576,  erste  Hälfte  des 
16.  Jh.).  gloriieren,  v. :  sich  i-ühmen  (Goethe 
8,  32),  mhd.  glorieren  «prangen»,  von  lat. 
glöriäri  «sich  rühmen,  großtun».  ZUS.  glor- 
reich, adj.,  1759  bei  Lessing  2,  105.  glor- 
WÜrdig,  adj.,  1691  bei  Stieler. 

Glosse,  f.  (PI.  -n):  beigefügtes,  erklären- 
des Wort,  erklärende  Bemerkung,  auch  Neben - 
bemei-kung  f Lessing  1,  476),  hämische  Be- 
merkung. Mhd.  glöse  f.  «erklärende  Anmer- 
kung», aus  gi'.-lat.  glössa  f.  «veraltetes  oder 
fremdartiges  und  daher  der  Erklärung  be- 
dürfendes Woi-t»,  gr.  Y^üJcca  f.,  eig.  «Zunge, 
Sprache».  Glossär,  n.  (-s,  PI.  -e  und  Glos- 
sarien): Erklärungswörterbuch,  mhd.  im  12.  Jh. 
glösar  n.,  aus  lat.  glossärium,  glösärium  n. 
«Wörterbuch  zur  Erklärung  veralteter  oder 
fremdartiger  Ausdrücke«,  glossieren,  v.: 
wozu  Glossen  machen,  mhd.  glosen  tmd  gla- 
sieren «auslegen»,  aus  gleichbed.  mlat.  glosare. 

glosten,  V. :  glühen  (Schiller  Räuber  2,  1), 
ghmmen.  Schweizerisch-Schwäbisch.  Mhd. 
glosten  neben  glosen  «glühen,  glänzen»,  wie 
mhd.  glose  f.  «Glut,  Glanz»  neben gloste,  glostf. 
«Glut,  Hitze».  Verwandt  mit  Glast,  Glanz 
(s.  d.).  Auch  in  der  Bed.  «mit  leuchtenden 
Augen  sehen,  scharfhinsehen»(MusäusVolksm. 
1,  13  glosten,  Physiogn.  Reisen  2,  30  glostem, 
um  Magdeburg  glustern,  vgl.  götting.  gluster 
«Mensch  mit  lebhaften,  feurigen  Augen»,  west- 
fäl.  glüren  «einen  mit  den  Augen  scharf  an- 
sehen»). 

glotzen,  V.:  stan*  sehen.  Mhd.  glotzen: 
dazu  engl,  gloat  «hämisch  blicken,  anstarren», 
anord.  glotta  «spöttisch  lächeln»,  vgl.  dän. 
glo  und  sehwed.  glo  «glotzen»  unter  glau. 
Vielleicht  urverwandt  mit  abg.  gl^deti,  gl^dati 
«schauen».     Im   Gedanken   an   Klotz  (s.  d.) 

47* 


743 


Glück 


glummeu 


744 


bei  Wieland  22,  221  mit  k  geschrieben,  gleich- 
sam «mit  weitaufgespen'ten  klotzähnlichen 
Augen»,  schon  im  Renner  Frankf.  1549  Bl.  35 
klotzen.  ZUS.  Glotzauge,  n.,  1741  bei  Frisch. 

Glück,  n,  {-es,  PI.  -e):  Gunst  des  Schick- 
sals, Zukommendes  nach  Wunsch.  Noch  im 
18.  Jh.  häufig  Glücke  (G-ottsched  Cato  77  neben 
üngelücke,  Hagedorn  Od.  72,  Lessing  1,  47, 
Goethe  1,  48  u.  3,  61).  Mhd.  gelücke,  glücke  n. 
(auch  «Zufall,  Lebensberuf»),  1482  im  Voc. 
theut.  1 1  '^  f.  geluck,  gluck ;  dazu  mnd.  gelucke  n. 
und  lucke  n.  «Los,  Schicksal»,  dann  «glückliches 
Schicksal»,  mndl.  geluk;  von  da  vorgedrungen 
ins  Nordische  und  Englische,  anord.  (14.  Jh.) 
lukka  f.,  schwed.  lycka,  dän.  lykke,  engl,  luck 
«Glück».  Herkunft  unsicher.  ABL.  glücken, 
V.,  mhd,  gelücken,  glücken,  1482  glucken. 
glücklich,  adj.,  im  15.  Jh.  bei  Diefenbacii 
gl.  244^  gelucklich,  1482  bei  Melber  X  7  ^  gluck- 
lich «durch  Glück  zuteil  werdend»,  das  Adv. 
glickeliche  um  1400  in  Städtechron.  8,  444,  3, 
woneben  im  15.  Jh.  das  Adj.  gluckig,  glückig, 
bei  Diefenbach  gl.  467^  glickig;  dazu  mnd. 
die  Adj.  geluckich,  luckelich  und  luckich,  so- 
wie das  Adv.  geluckeliken.  glückselig,  adj. : 
voU  Glück,  im  15.  Jh.  bei  Diefenbach  gl.  244*^ 
gluckeselig,  1482  im  Voc.  theut.  ll^  gluck- 
selig, abgeleitet  von  glücksal  n.  «Glückszu- 
stand» (Brant  Narrensch.  23,  5);  dazu  Glück- 
seligkeit, f.,  um  1480  im  Voc.  ine.  teut.  h  7  ^ 
geluckseligkeit.  Z?7*S.  Glücksbude,  f. :  SjDiel- 
bude  zu  Gewinn  oder  Verlust,  1669  bei  Prä- 
torius  Glückstopf,  Titelbild.  Glückshafen, 
m.:  Glückstopf,  1618  bei  Schönsleder  Glück- 
hafen. Glückskind,  n.,  bei  P,  Fleming  541. 
Glückspfennig,  m.,  1669  bei  Prätorius 
Glückstopf  459.  GlÜckspilz,  m.:  Empor- 
kömmhng  durch  schnell  zukommendes  Glück, 
bei  Schiller  Parasit  1,  1.  Glücksrad,  n., 
mhd.  gelückrat  und  gelückes  rat.  Glücks- 
ritter, m.,  1775  bei  Adelung.  Glücksspiel, 
n.:  Hazardspiel,  1526  bei  Luther  Glückspiel, 
in  der  Bed.  «Spiel  des  Schicksals»  1531  bei 
Hedio  Josephus  Vorr.  4  ^  Glücksspiel.  Glücks- 
topf,  m.:  Gefäß,  aus  dem  in  der  Glücksbude 
die  Lose  gezogen  werden,  bei  P.  Fleming  313. 
Glückwunsch,  m.,  1691  bei  Stieler,  dafür 
1571  bei  Rot  Glückwünschung,  1485  gelücks- 
wünschung  (Nürnb.  Pol.-Ordn.  72). 

Glucke,  Klucke,  f.  (PI.  -n):  Bruthenne. 
Bei  Luther  Hiob  9,  9  Glucke,  mit  dem  stimm- 
haften md.  Anlaut  füi-  spätmhd.  kluck  f. 
(Mone  Ztschi'.  3, 408  von  1409),  mnd.  klucke  f.; 
zusammenges.  Gluckhenne,  f.,  bei  Luther, 


Kluckhenne  1538  bei  Hei*r  Acker  werk  Colu- 
melle.  Zu  glucken,  v.,  vom  Rufen  der 
Bruthenne,  mhd.  Mucken,  mehr  md.  gluggen; 
dazu  ndl.  klokken,  ags.  cloccian,  engl,  duck, 
lautmalenden  Ursprungs  wie  gleichbed.  lat. 
glöcire  und  gr.  K\uücceiv.  Davon  als  Ver- 
stärkungswort glucksen,  v.,  1508  in  der 
Straßbui'ger  Gemma  k  1^  clucktzen,  1562 
bei  Mathesius  Sar.  226^  kluchzen,  1537  bei 
Dasypodius  kluxen,  1540  bei  Alberus  dict. 
Hh2^  glucksen,  bei  Musäus  Volksm.  2,  118 
Glucksen  n. 

Glücker:   Tonkügelchen,  s.  Klicker. 

glücklich,  Glücksbude  usw.,  s.  Glück. 

Glufe  und  G^fe,  f.  (PI.  -n):  Stecknadel. 

1  Oberdeutsch.     1482  im  Voc.  theut.  1 2  '^  glufe 

neben  guffe,  1489  bei  Brack  d2^  spinter,  ein 

[  vorspang  oder  ein  gluff.    Dunkler  Herkunft. 

I       giuh,  adj.:    glühend  (Bürger  320),  auch 

glüh.     Bei  Luther  glu,  gluio  (Dan.  10,  6) 

}  «glühend»,    dann   «hell,    poliert»,    1562   bei 

,  Mathesius  Sarepta  104**,  mnd.  glue,  glo  «glän- 

j  zend,   leuchtend».     Vgl.  glau,   glauch.     Von 

I  glühen,  V, :  feurig  glänzen ;  brennend  heiß 

j  sein,  Mhd.  glüejen,  glüewen,  glüen,  md.  gluwen, 

gluen,  ahd.  gluoan,  gliiojen,  gluon;  dazu  and. 

j  glöian  «glühen»,   mnd.  gloien,  glogen,  mndl, 

gloeijen,  ags.  glöwan,  engl,  glow,  anord,  glöa, 

j  schwed.-dän.  glo   «glotzen,   gaffen,   glänzen». 

!  ABL.  Glut,  f.  (PI.  -en),  mhd.  gluot  f,  «Hitze, 

feurige  Kohlen»  (PI.  glüete),  md.  glüt,  ahd. 

gluot,  glöt  f.;  dazu  mnd.  glöt  £,  nndl.  gloed  m., 

afries.  glöd,  gled,  ags,  gled,  anord.  glöd  f.    Die 

Wurzel   glö  gehört  vielleicht  zu  lit.  zlejä  f. 

«Halbdunkel  in  der  Dämmerung»,  doch  kann 

I  auch  Glanz,  glatt,  gelb  u,  a,  verwandt  sein, 

oder  kymr.  glo  «Kohle».    ZUS.  Glühwein, 

m.,  1808  bei  Campe.     Glühwurm,  m.,  bei 

Voß  Luise  1,  809. 

glum,  adj.:  trübe  (von  Flüssigkeit).  Bei 
Luther  Hes.  32,  2  und  Harsdörffer  lust-  u, 
lehrreiche  Gesch.  1,  126  glum,  bei  Francisci 
Lusthaus  409  glumm,  noch  nd.  glum  «trübe, 
dunkel,  müirisch»;  dazu  mnd.  und  md.  glü- 
mende  Part,  «heimtückisch»,  md.  im  14.  Jh, 
heglümen  «trübe  machen,  hinters  Licht  führen», 
ags.glöm  m.(?)  «Düstei'nis,  Dämmerung»,  engl. 
glum  «finster,  müiTisch»,  gloom  «Dunkelheit, 
Trübsinn»,  anord.  gläm-syni  f.  «Sehschwäche, 
welche  dem  Auge  die  Dinge  anders  als  in 
Wirklichkeit  erscheinen  läßt»,  ^Zämrm.«Mond», 
urverwandt  'mit  lit.  zlejä  «Dämmerung». 

glumnien,  v.:  glimmen  (s.  d.).  Dazu  das 
Iterativ  glumsen,  V.:  schwach  fortglimmen, 


745 


glnpen 


Gneist 


746 


1587  im  Buch  d.  Liebe  191*^  neben  glunsen 
185%  mhd.  glünsen,  md.  im  14.  Jb.  glunsen. 

glupen,  V.:  einen  heimlichen  schnellen 
BHck  tun,  bes.  mit  großen  Augen  seitwärts 
lauernd;  von  unten  aufblicken  (Bürger  Mac- 
beth 1,  6).  1775  bei  Adelung  als  niedersäch- 
sisch, mnd.  glupen,  ndl.  1598  glupen,  gloepen 
«heimtückisch  lauem»,  jetzt  gluipen,  afries. 
glüpa  «verstohlen  sehen»,  mengl.  gloppen 
«anstaiTen».  Dunklen  Ursprungs.  Vielleicht 
hängt  abg.  glipati  «sehen»  irgendwie  mit 
dem  Wort  zusammen.  Davon  glupSCh,  adj.: 
heimtückisch.  Ndd.  1775  bei  Adelung  glupisch, 
bei  Hermes  Soph.  Reise  4,  238  gluhpsch. 

Olut,  s.  glühen. 

Glyzerin,  n.  (s):  Ölsüß,  Scheelesches 
Süß.  1776  von  Scheele  entdeckt.  Gebildet 
von  gr.  Y^uKepöc  «süß». 

Onade,  f.  (PI.  -n):  WohlwoUen  (Nieder- 
neigen) gegen  den  Geiingern,  hohe  Gewogen- 
heit. In  der  Anrede  Euer  G-naden  ist  es 
Plural  und  Übersetzung  des  lat.  vestra  de- 
mentia.  Mhd.  genäde,  gnade,  ahd.  ginäda, 
gnäda  f.  «Medei-neigung,  Ruhe»  [die  sonne 
geht  zu  gnaden  Weist.  1,  744),  «rahige  Lage, 
Behagen,  Glückselicrkeit,  Neisnincr  zu  etwas, 
Herablassung  zu  Beistand,  helfende  Geneio^t- 
heit,  Hilfe  und  Erbarmen,  Huld,  Dank»  (eig. 
«Niederlassung,  Fußfall  um  zu  danken»);  dazu 
asächs.  näda  und  ginääa  f.  «Huld,  Bannherzig- 
keit», mnd.  gnade,  genade  f.  «Ruhe, ,  Herab- 
lassung, Gunst,  Vergünstigung,  Privilegium», 
ndl.  genade,  afries.  genäde,  gnäde  und  näthe, 
näde  f.  «Huld,  herablassende  Hilfe»,  anord. 
näd  f.  «Gnade»  im  PI.  nääir  «Ruhe,  Schlaf», 
schwed.  näd  f.  und  dän.  naade  «Gnade».  Die 
Bedeutungen  des  Wortes  lassen  sich  aus  der 
von  «niedemeigen»  ableiten.  Aber  in  den 
verwandten  Sprachen  liegt  schon  die  Be- 
deutung «Hilfe»  vor,  so  in  got.  nißan  «unter- 
stützen», air.  ar-neithim  «ich  stütze,  halte», 
aind.  näthäm  n.  «Hilfe,  Zuflucht»,  näthas  m. 
«SchutzheiT»,  nadhamänas  «Hilfe  suchend, 
bittend».  Daher  wird  man  von  dieser  Be- 
deutung ausgehen  müssen.  ABL.  gnaden, 
V.:  Gnade  erzeigen,  mhd.  genäden,  gnaden, 
ahd.  ginädon,  ginäden,  gnaden;  dazu  asächs. 
ginääon.  gnädig,  adj.,  mhd.  gencedic,  gncedic, 
«wohlwollend,  barmherzig,  liebreich»,  ahd. 
ginädig,  gnädig,  Adv.  gnädigo;  dazu  asächs. 
ginääig  «harmherzig,  liebreich»,  schwed.  nädig 
und  dän.  naadig  «gnädig»,  dagegen  anord. 
nädugr  «ruhig».  ZUS.  Gnadenbild,  n., 
bei  Luther.  Gnadenbrot,  n.,  1741  bei  Frisch, 


Gnadenjalir,n.:  Jahreseinkünfte  eines  Amtes, 
die  die  Witwe  nach  dem  Tode  des  Mannes 
genießt,  1657  bei  Speidel  Speculum  511,  aber 
spätmhd.  im  14.  Jh.  gnädenjär  n.  «kirchliches 
Jubeljahr»  (Städtechron.  5,  45).  Gnaden- 
pfennig, m.:  goldne  Medaille  als  fürstliches 
Gnadengeschenk  (Brustschmuck),  1666  bei 
Besold  Thesaurus  327.  gnadenreich,  adj., 
mhd.  ge7iädenriche.  Gnadenstoß,  m.:  Todes- 
stoß aus  Gnade,  urspr.  dem  geräderten  Ver- 
brecher vom  Henker  gegeben,  1775  bei  Ade- 
lung, anders  mhd.  genädenstog  m.  «Anregung 
der  Gnade».  Guadenwahl,  f.:  Prädestina- 
tion,  1663  bei  Schottel  425. 

Gnatz,  m.:  Übellaunigkeit  der  Kinder. 
Norddeutsch.     Identisch  mit  dem  folgenden. 

Gnätze,  f.:  Schorf,  Hautausschlag.  Bei 
Luther  3.  Mos,  14,  56  Gnetz  f.,  auch  Gnatz 
m.,  1716  bei  Ludwig  der  Gnatz,  die  Gnätze 
oder  der  Gneiß  auf  den  Köpfen  der  Kinder. 
Noch  nd.  und  kurhess.  Gnatz  m.  «Grind, 
Schorf,  Krätze».  Md.  im  15.  Jh.  gnaz  m. 
«Grind»  (Diefenbach  gl.  264^)  und  1296  in 
dem  Beinamen  gnazoge  «Grindauge»  (Ger- 
mania 20,  40),  um  1300  bildlich  «Kargheit 
(Schäbigkeit),  Knauserei»,  urspr.  wohl  «das 
Schaben,  Reiben».  Zu  ahd.  gnitan,  md.  und 
mnd.  gnlden,  ags,  gnldan,  cnidan,  anord.  gniäa, 
dän.  gnide  «reiben».  Weiter  gibt  es  Formen 
mit  anlaut.  h  anord.  hnita  «mit  etwas  stoßen», 
lit.  kmsti  «wühlen».  ABL.  gnatzig,  adj., 
bei  Luther  gnetzig  und  gnetzicht.  gnatzig, 
adj.:  übellaunig. 

Gneis,  m.  (-es,  PI.  -e) :  schieferiger  Granit, 
aus  Feldspat,  Quarz,  Glimmer.  1557  beiAgri- 
cola  Bergwerkb.  S2^  Gneus,  1562  bei  Ma- 
thesius  Sar.  197*  gneysiger  Stein,  1698  bei 
Schönberg  Geneis,  1712  bei  Hübner  Geneiß. 
Vermutlich  urspr.  Nebenform  von  Gneist 
«Funke»  (s.^ Gneist), wie  beiParacelsus  Chirurg, 
Schriften  (I6I8)  317  Geneiß  n.  «Funkenasche». 
Die  Schi-eibung  Gneus  beruht  auf  Anknüpfung 
an  genießen,  weil  dies  Gestein  nach  Berg- 
mannsglauben viel  gutes  Ertz,  unter  toelchem 
es  bricht,  gleichsam  vor  sich  geneust  und  es 
verzehret  und  rauhet  (Hübner  1712). 

^Gneist,  m.  (-es,  PI.  -e):  Funke,  sprühen- 
des Flämmchen.  Mhd.  ganeist,  ganeiste,  ge- 
neiste, gneiste  m.  f.,  ahd.  ganehaista,  gneista  f. 
und  gneista,  gnanisto  m.,  woneben  ahd.  ga- 
neistra,  ganastra,  mhd.  ganeister,  ganster, 
gänster,  geneistei',  gneister  f. ;  dazu  ags.  gnäst 
m.,  anord.  gneisti  m.,  dän.  gnist  «Funke». 
Verwandtschaft    unsicher.      Preuß.    knaistis 


747 


Gneist 


Gold 


748 


«Brand»,  abg.  gnetiti  «anzünden»  können  nicht 
beide  gleichzeitig  verglichen  werden. 

^Gneist,  m,  {-es):  fest  auf  der  Kopfhaut 
schuppig  sitzender  Grind  oder  Hautschmutz. 
Wetterauisch.  1482  gnyst  im  Voc.  theut.  m7^, 
im  15.  Jh.  bei  Diefenbach  gl.  264  ^  geniste, 
genist,  1716  bei  Ludwig  Chfieiß  m.  neben 
Gnatz  (s.  Gnätze),  1741  bei  Frisch  Chieis, 
Gnistm.,  mnd.  g^iist  «Räude,  Hautausschlag», 
tirol.  Gneist  n.  «kleingeschnittnes  oder  ge- 
schabtes Zeug»,  Gneis  «Kopf schuppe».  Wohl 
abgeleitet  von  ahd.  gnitan  (s.  Gnätze). 

Gnenn,  m. :  Vater,  s.  Knän. 

Gniddelstein,  m.:  Nahtklopfer  bei  Leinen- 
zeug, anstatt  der  Plätte.  Norddeutsch,  Mnd. 
gnidelsten  m.  «Glättstein»,  von  nd.  gnideln, 
gniden  «glätten,  plätten»,  mnd.  gniden  «reiben» 
(s.  Gnätze). 

Gnom,  m.  (-en,  PI.  -en):  Erd-,  Berggeist. 
1775  bei  Adelung,  aus  gleichbed.  franz.  gnome, 
ital.  gnonio  m.,  von  mlat.  gnomus  m.  «Erd- 
geistchen» (im  16.  Jh.  bei  Paracelsus),  zu 
gr.  Yviij|üri  f.  «Erkenntnisvermögen,  Geist». 

Gobelin  (spr.  gohel^),  m.  (-s,  PI.  -s  und 
Gdbeline) :  Teppich  mit  eingewirkten  Bildern.. 
Benannt  nach  dem  Ei-finder  Jean  Gobelm  in 
Paris  (15.  Jh.). 

Gockel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Männchen 
des  Hühnei-\'iehs.  In  ältrer  Zeit  auch  Gückel, 
so  1540  bei  Alberus  dict.  Hh2'i  und  1556 
bei  Frisius  940",  1537  bei  Dasypodius  Guckel, 
Gugel,  1589  bei  Bebel  Facetiae  128=^  Gockel 
(1558  Gogkel),  1538  bei  Serranus  Göcker.  In 
Zusammensetz.  1596  bei  Hulsius  Gugelhan. 
bei  Schuppius  773  Gockelhan,  bei  Schiller 
Wall.  Lager  9  Gökelhahn,  mnd.  kukelhän. 
Lautmalende  Bildung,  wie  gleixjhbed.  mndl. 
kocke  m.,  ags.  coc  m.,  engl,  cock,  fi"anz.  coq 
m.,  anord.  kokr  m.  «Hahn»,  lat.  coco  vom 
Hahnenlaut,  wie  im  Alsfelder  Passionsspiel 
40^  gucze  gu  gu  gä. 

Godel,  f.  (PI.  -n):  Patin,  s.  ^Gote. 

Gold,  n.  {-es,  PI.  -e):  das  edelste  MetaU 
lat.  aunim.  Mhd.  golt,  ahd.  gold  n.;  dazu 
asächs.-afries.-ags.-engl.  gold,  ndl.  goud,  anord. 
gull,  goll,  schwed.-dän.  guld,  got.  gnlp  n.  Ur- 
verwandt mit  abg.  zlato,  russ.  zoloto  n.,  lett. 
ze'lts  m.  «Gold»,  aind.Jiiranjam  «Gold»,  aw. 
zaranja-  n.  «Gold»,  aind.  hätakam  «Gold»  aus 
*haltakam.  Daß  das  Wort  zu  *gelh  gehört, 
ist  durchaus  nicht  sicher,  vgl.  Hirt  Ablaut  88. 
Eher  steckt  darin  ein  Volksname,  wie  in  aind. 
hätakam  «ein  Land».   Aus  dem  Germanischen 


entlehnt  finn.  kulda,  kulta  «Gold».  ABL. 
golden,  adj.,  noch  altertümlich  gülden,  gülden, 
mhd.-ahd.-asächs.  guldm;  dazu  ndl.  gouden, 
afries.  gelden,  gülden,  golden,  ags.  gylden,  engl, 
golden,  anord.  gullinn,  schwed.  gyllene,  dän, 
gylden.  golden,  v,  in  vergolden,  mhd. 
ver gülden,  ver gülden,  altertümlich  vergidden 
(Goethe  1,  90),  vergülden  (Schuppius  251). 
goldig,  adj.,  süddeutsch  als  Kosewort,  bei 
Schiller  2,  144;  altertümlich  guldig  bei  Cha- 
naisso  3,  133.  güldisch,  adj.:  goldhaltig 
(im  Bergbau),  1775  bei  Adelung,  göldisch 
1721  bei  Jablonsky.  ZUS.  Goldammer,  f,, 
spätmhd.  im  15.  Jh.  goltamer  f.,  im  Voc.  ex 
quo  1469  goltamnierlin  n.  goldfarben,  adj., 
bei  Luther  goldfarh,  mhd,  goltvar  (s.  -farh). 
Goldfinger,  m.:  Ringfinger,  der  Finger  zu- 
nächst am  kleinen,  mhd.-spätahd.  goltvinger 
(Steinmeyer-Sievers  Gl.  3,  72,  8),  afries.  und 
ags.  goldfinger.  Goldfisch,  m.:  aus  China 
stammender,  1691  nach  England  und  von 
da  in  Eui'opa  verbi'eiteter  goldglänzender 
karpfenartiger  Fisch,  Cyprinus  auratus  (in 
China  bereits  im  5.  Jh.  n.  Chr.  in  Garten- 
teichen und  Porzellanvasen  gehalten);  anders 
1482  im  Voc,  theut.  14^  golt  fisch  «Teichforelle», 
salmo  fario;  (jetzt  auch  in  Übertrag.  Bed.) 
«reiches  Mädchen»,  goldgelb,  adj.,  1537 
bei  Schaidenreißer  Odyssea  96^,  1616  bei  He- 
nisch.  Goldglätte,  s.  Glätte.  Goldgrube, 
f.: 'Goldbergwerk,  1429  goltgrueh  und  1414 
goltgrohe  (Diefenbach  gl.  62*^);  auch  in  Über- 
trag, Bed,  Goldhähnchen,  n. :  der  Sommer- 
Zaunkönig,  Sylvia  regulus,  der  kleinste  Vogel 
Europas,  benannt  nach  der  gelben  Haube,  um 
1500  goldhandel  (Diefenbach  nov.gl.  181^),  1557 
bei  Heußlin  Vogelb.  66^  Goldhendlin,  1664 
bei  Duez  Goldhahnichen.  Goldkäfer,  m., 
1595  bei  Rollenhagen  Froschm.  1,  2,  15  Gold- 
kefer,  1466  goltkeher  (Diefenbach  n,  gl.- 43^). 
Goldkorn,  n.,  1616  bei  Henisch  Goldkörnlein. 
Goldlack,  m,:  die  wohlriechende  Pflanze 
Cheiranthus  cheiri,  1798  bei  Nemnich,,  dafür 
im  16.  Jh.  geel  Yeiel  (Fuchs  1542),  geel  Vio- 
Violaten  (Bock  1546).  Goldmacher,  m.: 
Alchymist,  1646  bei  Moscherosch  Phil.  1,  61. 
Goldmann,  m.:  Kosewort  für  einen  be- 
sonders lieben  Mann,  bei  Geliert  8,  415. 
Goldschmied,  m.,  mhd.  goltsmit,  ahd,  golt- 
sniid,  ags.  goldsmip  m.  Goldsohn,  m.,  1775 
bei  Adelung  als  Kosewort  der  Meißner  (Ober- 
sachsen) wie  ßoldkind  und  Goldtochter.  Gold- 
stück, n.,  1616  bei  Henisch  Goldstuck,  an- 
ders bei  Luther  Golds  Stücke.  Goldwage,  f., 


749 


Golf 


Gose 


750 


spätmhd.  1455  goltwäge  f.  RA.  seine  Worte 
auf  die  Goldwage  legen,  vgl.  Sir.  21,  27. 

Golf,  m.  (-es,  PI.  -e):  Meerbusen.  In 
der  ersten  Hälfte  des  15.  Jh.  golffe  (Altswert 
228,  2),  1534  bei  Franck  Weltb.  209^  der 
Akk.  Sg.  Cholfen,  1562  bei  Mathesius  Sar. 
201^  Golff.  Aus  gleichbed.  franz.  golfe,  ital. 
golfo  va.,  von  gr.-spätlat.  colpus  m.  «Meer- 
busen»,   gl'.  köXttoc  m.  «Busen,  Meerbusen». 

Golllcht  (mit  ö),  n.  {-es,  PI.  -er):  Talg-, 
ünschlittlicbt.  Ein  durch  Mitteldeutschland 
vom  Rhein  bis  Schlesien,  sowie  durch  die 
Oberpfalz  nach  Franken  und  Schwaben  sich 
hinziehendes  mundartlich  es  Wort.  Bei  H.Sachs 
[1,  317^]  Goliecht,  im  15.  Jh.  gollicht  (Folz 
Fastnachtsp.  8,  1219)  und  PI.  golliechter 
(Schmeller  -  1,  893),  guliechte  (Inventar  Elsen 
von  Holzhusen  von  1410  im  Archiv  zu  Frank- 
furt a.  M.),  guUiecht  im  Einnahme-  und  Aus- 
gabeverzeichnis des  Klosters  Marienborn  bei 
Büdingen  von  1493,  aber  bereits  im  13.  -Jh. 
ndrhein.  guleweke  «Lichtwoche,  Woche  der 
Lichtmesse»  (Haupts  Ztschr.  15,  516).  Da- 
für umgedeutet  obersächs.-posen.  Gokellicht. 
schles.  1728  bei  Stoppe  Ged.  1,  188  Goock- 
licht,  zu  mhd.  gogelen  «hin  und  hergaukeln, 
sich  hin  und  herbewegen»,  also  «Licht  zum 
Leuchten  beim   Umhergehen  im  Hause». 

GÖlse,  f.:  Schnake,  s.  Gelse. 

Gondel,  f.  (PI.  -w):  venetianisches  Lust- 
schiffchen. 1664  bei  Duez  Gondel.  Gondole, 
1616  bei  Henisch  Gundel  «ein  Venedisch 
Schifflin»,  1597  bei  Wickram  RoUw.  190, 
2  Kz.  Giindelle  f.,  1594  bei  Frischlein  Nomen cl. 
Kap.  171  das  Dim.  Giindelein  n.  Aus  gleich- 
bed. ital.  gondola  f.,  dem  Dim.  von  gonda  f. 
«Gondel».  Davon  Goiideliei",  Gondoller,  m., 
(-S,  PI.  -e):  Gondelführer.  Aus  gleichbed. 
ital.  gondoliere  m.  1703  im  Zeitungslex. 
Gondolirer. 

gönnen,  v.:  gerne  sehen  oder  gestatten, 
daß  jem.  Gutes  oder  Übles  zukomme,  er  es 
habe.  Bei  Luther  gönnen,  gönnen,  günnen.  noch 
im  17.  Jh.  bei  Fleming,  Logau  usw.  günnen, 
mhd.  günnen,  günnen,  ähd.gi-,  geunnan,  günnen, 
asächs.  giunnan,  ndl.  günnen,  ags.  geunnan, 
von  ahdi.unnan  «gönnen,  vergönnen,  erlauben», 
ags.  unnan,  anord.  unnxi  (auch  lieben),  schwed. 
Unna,  dän.  unde.  Wegen  der  Ableitung  Gunst 
(s.  d.),  wohl  aus  ans  entstanden  und  vielleicht 
gehörig  zu  gotganisan  «genesen,  gerettet  wer- 
den», gr.  viojj.a\  «kehre  zurück»,  aind.  näsate 
«gesellt  sich»,  Grundbetonung  wohl  «heran- 
gehen».     Das   Präsens    zeifft    in   der   altem 


Sprache  Präteritopräsensfonn:  mhd.  gayi,  noch 
bei  Luther  ich,  er  gan  neben  ich  günne,  ags. 
gean  und  an,  anord.  ann;  das  Prät.  lautet 
ahd.  giansfa  und  geonda,  im  einfachen  Verb 
onda,  asächs.  gionsta,  ags.  geüde  und  Ude^ 
mhd.  gunde,  gonde,  bei  Luther  gönnete  und 
gönste,  gunste,  im  17.  Jh.  bei  den  Schlesiern 
gunte,  noch  bei  Zachariä  Ren.  263  vergönnte; 
das  Part.  Pass.  mhd.  gegunnen,  günnen,  später 
gegunnet,  auch  geganst,  bei  Luther  gegönnt, 
schles.  im  17.  Jh.  gegunt,  ags.  geunnen,  anord. 
unnat.  ABL.  Gönner,  m.,  beiLuther  Gönner, 
Gönner,  mhd.  gunner,  gUnner,  md.  gonner; 
dazu  Gönnerschaft,  f.,  1775  bei  Adelung. 

Göpel,  m.  (-S,  PI.  ^vie  Sg.):  aus  einer 
senla-echten  Spindel  bestehendes  Hebezeug 
über  der  Grube  zur  Windung  aus  tiefem 
Schacht;  (später)  in  der  Landwirtschaft  ein 
Triebwerk.  1546  bei  Agricola  de  re  metallica 
483  Keppel,  pyramis,  aedificium  super  puteum 
extructum,  ebenso  1562  bei  Mathesius  Sar. 
22^  u.  196*^  Gepel  «das  Gebäude,  Zechhaus, 
worunter  die  Hebemaschine  steht»  (Bl.  Lll^ 
Göpel),  1594  bei  Frischlin  Xomencl.  112  Ge- 
pell «Roßmüll,   machina  tracta  ab   eqms». 

Göre,  f.  (PI.  -n)  und  Gör,  n.  (PI.  -en): 
Kind,  kleines  Kind,  Mädchen  wie  Knabe. 
Niederdeutsch.  1598  bei  Helvig  144  Göre 
«Pomerani  in  contemptum  pro  infante»,  1652 
bei  Lauremberg  2,  11  Gör  f.  Dazu  engl,  girl 
«Mädchen»,  mittelengl.  girle;  anders  Schweiz. 
giirrli  n.  «hübsches,  schalkhaftes,  lebhaftes 
Mädchen»,  welches  Dim.  von  Gurre  (s.  d.) 
«Stute»  ist.  Göre  ist  von  Möller  Btr.  7,  542 
mit  gl".  Trapöevoc,  lat.  virgo  f.  verbunden,  was 
trotz  aller  Einwände  richtig  sein  kann.  An- 
ders Holtbausen  Arch.  f.  neuere  Spr.  107, 379  f. 

Gösch,  m.  {-es,  PI.  -e)  auf  f.  (PI.  -en): 
viereckige  Flagge  am  Ende  des  Bugspriets. 
Niederdeutsch.  Dazu  ndl.  geus,  entlehnt 
schwed.-dän.  gjös.  Nach  Falk-Torp  identisch 
mit  ndl.  gens  «Bettler». 

Gosche,  Gusche,  f.  (PI.  -w):  Maul  als 
niedriger  Ausdruck.  1556  bei  Frisius  432* 
Gosche  «Schlund,  Maul»,  ebenso  bei  H.  Sachs 
Fastn.  85,  201,  Fischart  Garg.  337  und  1640 
bei  dem  Schlesier  Scherffer  Grob.  139  u.  218, 
sonst  in  Mitteldeutschland  Gusche  f.  (Günther 
125).  Vielleicht  zu  aind.  ghösati  «tönt,  ver- 
kündet, iTift  aus»,  ghosas  m.  «Lärm,  Getön», 
aw.  gaos  «hören»,  apers.  gausa  «Ohr». 

Gose,  f. :  Weißbier,  das  angeblich  in  Goslar 
zuerst  gebraut  sein  und  von  dem  Flusse  Gose, 
an  dem  Goslar  liegt,  den  Namen  tragen  soll. 


751 


Gosse 


Gott 


752 


Vielleicht   aber   nd.  gös   «Gans»,    wie   denn 
viele  Biere   nach  Tieren  benannt  sind,   vgl. 
Broyhan.      Schon    1332    mnd.   gose    (Höfer 
ürk.  257),   1575  bei  Fischart  Garg.  86  Goß- 1 
larisch  Gause  und   148   Goß.  \ 

Gosse,  f.  (PI.  -n) :  Giißstein  der  Küche ;  j 
Straßenrinne.  1517  bei  Trochus  0  3''  ein  \ 
gosszen.    Von  gießen  (s.  d.).  j 

^Gote,  f.  (PI.  -«),  auch  dim.  Göäel:  die: 
aus  der  Taufe  Hebende  und  Gehobne.    Mhd. 
göte,  götte  m.  und  gote,  gotte  f.  «Pate,  Patin 
und   JPatenkind»,   ahd.  gota  f.  «Taufzeugin»,  | 
1664  bei  Duez  46  Göte  f.,  1669  im  Simpl.  403  j 
Göth  f.  «Patin».  Noch  in  Ober-  und  Westinittel- ' 
deutschland   Gott  f.  und  Gott  m.    Vielleicht 
abkürzende  Koseformen  füi*  die  als  geistlicher 
Vater   oder    geistliche  Mutter   des  Täuflings  '. 
(lat.  pater,   mater  in   Deo)   geltenden  Tauf- ' 
zeugen,  wie  die  mit  Gott  (s.  d.)  zusammen- 
gesetzten  vollem  Formen    zeigen:    ags.  god- 
fceder  m.  «Pate»,  godmödor  f.  «Patin»,  god- 
sunu  m.  und  goddöhtor  f.  «Patenkind»,    ent- 
sprechend engl,  godfather,  godmother,  godson, 
goddaughte?',  anord.  guäfadir,  guddöttir,  dän.  i 
gudfade)',  gudmoder,  guddotter,   schwed.  gud- 
fader  «Pate»,   gudnior  «Patin»,   gudson  und 
guddotter    «Patenkind»,    aus    gudfader    und  ^ 
gudmor.     Auch  ndl.  1598  goede  und  goede-,  j 
godmoeder  «Patin»,  godvader  «Pate».     Aber 
unser   Wort    kann   auch    eine   Büdung   sein 
wie  got.  gudja,  and.  godi  «Priester». 

'Gote,  m.  (-n,  PI.  -n):  Volksname.  Got. 
Gut-ßiuda  f.  «Gotenvolk»,  bei  den  Griechen 
FötGoi,  foTToi,  bei  den  Römern  Gotones  oder 
Gothones  (Tacitus  Germ.  44),  Gothi  ( Eutrop), 
bei  S.  Franck  Chron.  (1551)  157^  f.  Gothier, 
Gotthier,  bei  Aventin  Gothen  (4,  963,  23), 
GoUen,  Gouten  usw.  Davon  gotisch,  adj.: 
den  Goten  eigen:  altdeutsch  (in  der  Bau- 
kunst, 1741  bei  Frisch);  im  18.  Jh.  altfrän- 
kisch, altmodisch  (Lessing  11,  136,  Wieland 
6,  170,  Schiller  6,  346,  6,  Wagner  Kinderm. 
11  Neudr.),  nach  franz.  gothique  «altvaterisch». 

Gott,  m.  (-es,  PI.  Götter):  übernatürliches 
höchstes  Wesen.  Mhd. -ahd.  got  m.  (Gen. 
gotes):  dazu  asächs.-ndL-afries.-ags.  god  m., 
anord.  god,  gud  m.  n.,  got.  gup  (Gen.  gudis) 
m.  n.  Eine  alte  partizipiale  Bildung,  urgerm. 
*gudom,  idg.  *ghutoni,  die  man  zu  verschie- 
denen Verben  der  verwandten  Sprachen  stellen 
kann,  entweder  l)  zu  aind.  am  «anrufen», 
hUtä-  und  aw.  -zbäta  «genifen»,  abg.  2rat;(j«ich 
rufe»,  lit.  zaveti  «besprechen,  zaubern»,  oder 
2)    zu   aind.  hu  «opfern»,   hutäs   «geopfert», 


gr.  x^eiv,  x^TÖc  «gießen,  gegossen»,  oder  3) 
zu  lat.  fovere  «wärmen»  oder  lat.  favere 
«günstig  sein».  Ebenso  verschieden  wie  die 
Wurzeln  kann  auch  die  Bedeutung  sein,  ent- 
weder abstrakt  «die  AniTifung,  die  Opferung» 
oder  «das  angerufne,  das  geopferte»  usw. 
Irgendwelche  Sicherheit  ist  nicht  zu  gewinnen. 
Wenn  Götze  (s.d.)  wirklich  zu  Gott  gehört,  so 
wiese  das  auf  eine  ursprüngliche  Bedeutung 
«Büd,  Figui-».  Vgl.  Osthoff  Bezz.  Btr.  24,  177. 
Uhlenbeck  Btr.  30,  285.  Der  Plur.  lautet 
ahd.  gota,  mhd.  gote,  göte  und  neutr.  göter, 
wie  got.  PI.  Neutr.  guda.  Vgl.  Götze,  Güt- 
chen. ABL.  Göttin,  f.  (PI.  -nen),  mhd. 
gotinne,  gotin,  mit  Umlaut  gütinne,  götinne, 
göttin,  ahd.  gutinna,  gutin  f.;  dazu  ndl.  godin, 
ags.  gyden  f.  göttern,  v.  in  vergöttern,  bei 
Luther  göttern  «göttliche  Ki-aft  und  Art  ver- 
leihen», mhd.  vergoten  «götthch  machen,  in 
Gott  verwandeln».  Gottlieit,  f.,  mhd. -ahd. 
goteheit,  gotheiti.  göttlich,  adj.,  mhd.  gote-, 
gotlich,  göte-,  götlich,  md.  godelich,  ahd.  gote-, 
gotlth:  dazu  asächs.  godlic,  anord.  gudligr. 
ZUS.  1)  mit  Gott-:  gottloh,  interj.,  früh- 
mhd.  gote-,  gotlop,  eig.  «(dem)  Gott  sei  Lob». 
gottlos,  adj.,  bei  Luther,  schon  got.  guda- 
laus  «ohne  Gott».  Gottseiheiuns,  m.:  der 
Teufel,  bei  dessen  Anblick  man  diesen  Schutz- 
ruf ausstößt  (Goethe  13,  65  von  1802).  gott- 
selig, adj.,  bei  Luther,  eig.  «in  Gott  selig»; 

dazu  Gottseligkeit,  f.,  ebd.     gottvoll, 

adj.,  im  19.  .Jh.  —  2)  mit  dem  Gen.  Gottes-: 
Gottesacker,  m.:  Totenfriedhof,  1544  bei 
Luther  Ausleg.  d.  Ep.  u.  Ev.  von  Ostern 
FF  6  ^  tvir  Deudschen  von  alters  solche  Be- 
grebnis  nennen  Gottesacker.  Gottesdienst, 
m.,  mhd.  im  14.  Jh.  gotsdienst.  Gottes- 
furcht, f.,  bei  Luther:  gottesfürchtig, 
adj.,  bei  Luther  gottfürchtig,  bei  Steinhöwel 
Esop  72  gotzßrchtig ,  mhd.  im  14.  Jh.  got- 
fm-htic.  Gottesgahe,  f.,  mhd.  gotes-,  gots- 
gabe.     Gotteshaus,  n.,  mhd.  gotes-,  gots- 

\hüs,  ahd.  gotes  hüs;  dazu  asächs.  godes  hüs, 
afries.  godis-,  godeshüs,  woneben  mhd.  gothüs, 
got.  gudhüs  n.  «Tempel».  Gotteskasten, 
m.:   Behälter  zur  Verwahi'ung  des  Kirchen- 

.  geldes,  bei  Luther.    Gotteslästerer,  m., 

I  1495  in  Reichsordn.  26^  gottßlesterer ;  Gottes- 
lästerung, f.,  1517  im  Frankf.  Reichskorr. 
2,  933  gotslesterung.  Gotteslohn,  n.,  bei 
Luther  1,  317*^  J.  Gottespfennig,  m.: 
Handgeld,  dessen  Annahme  zu  Dienstleistung 

I  verbindend  ist,  im  15.  Jh.  gotsphennig,  gocz- 
p fennig   und  gotsheller   (Diefenbach  gl.  SO**, 


753 


Gottfried 


Gracht 


754 


nov.  gl.  35^).    Gottestisch,  m.:  xUtar,  1645  ' 
bei  Zesen  adr.  Rosemund  Xachschr.    Gottes- 
urteil, n.,  1775  bei  Adelung.  —  3)  mit  dem 
PI.  Götter-.   Götterbild,   n.:    (bUdl.)  gött- 
liche Erscheinung,  bei  Goethe  Iph.  2,  2. 

Gottfried,  Mannsname,  ahd.  Gota-,  Goda-, 
Godofrid,  zusammenges.  aus  Gott  und  Friede. 
Gotthard,  ahd.  Gotahart,  zusammenges.  aus 
Gott  und  hart.  Gottliel),  ahd.  Gotleip,  asächs. 
Godolef:  das  später  zu  lieh  umgedeutete  -leih 
bedeutet  «der  Zurückgelaßne,  Sohn,  Abkömm- 
ling», von  leihen  (s.  hleihen). 

gottlob,  gottlos,  gottselig  usw.,  s.  Gott. 

Götze,  m.  (-n,  PL  -n) :  falscher  Gott.  Seit 
Luther  1520  in  der  Bed.  «Bild  eines  Ab- 
gotts» und  «Abgott»,  im  15.  Jh.  bei  Rosen- 
plüt  Fastnachtsp.  3,  1181  «aus  Holz  ge- 
schnitztes Bildwerk»,  ebenso  im  Spruche  von 
einem  Dompropste  zuWüi'zburg  in  der  Münch- 
ner Hdschr.  von  1476  ßl.  125» — 126*^  der 
Plur.  gocze,  göcze  «geschnitzte  Götterbilder» 
und  1594  bei  Prischlin  Xomencl,  Cap.  157 
simulachrum,  effigies,  Bildstock,  Götz,  ndl. 
1598  godse.  In  übertragner  Bed.  «dummer, 
unbeholfner  Mensch,  Dummkopf»  1494  bei 
Brant  Narrensch.  46,  14,  Trochus  1517  G3^ 
stultus  gotze,  H.  Sachs  Fab.  185,  112,  Luther 
8,  319*  J.;  ferner  «Schwächling»  im  15.  Jh.  | 
bei  Diefenbach  gl.  526  ^  semivir  gocze.  Hilde- 
brand (Beiträge  z.  deutsch.  Untemcht  129) 
erklärt  Götze  als  «Hausgeist,  Kobold»,  dann 
«Abbild  eines  Kobolds»  (s.  Ölgötze);  bei  Uh- 
land  Yolksl.  754  ist  götze  «der  Hauskobold, 
traute  Hausgott».  Götze  ist  Dim.  von  Gott 
(s.  d.),  wie  Spatz  von  Spar,  Petz  von  Bär, 
also  gleichwertig  mit  mhd.  götelm,  gütel  (s. 
Giltchen).  Vgl.  v.  Bahder  Btr.  22,  531  und 
auch  Meringer  Idg.  Forsch.  18,  280.  ZTJS. 
Götzendiener,  m.,  Götzendienst,  f.,  beide 
bei  Luther. 

Gouvernante,  f.  (PI.  -n)-.  Erzieherin,  Hof- 
meisterin. 1728  bei  Apinus.  Gouvernantin 
1714  bei  Wächtler.  Aus  gleichbed.  franz. 
.gouvemante  f.,  eig.  Part.  Präs.  zu  gouverner 
«ein  Schiff  steuern«,  dann  «regieren,  leiten», 
von  gleichbed.  lat.  guhernäre,  gr.  Kußepväv. 
Gouverneur,  m.  (-s,  PI.  -e):  Statthalter, 
Befehlshaber.  1669  im  Simpliciss.  51.  Aus 
gleichbed.  franz.  gouvernenr  m.,  von  lat. 
gubernätor  m.  «Steuermann,  Lenker,  Leiter». 

Grab,   n.  (-es,    PI.  Gräber):    Grube   zur 

Totenbestattung.     Mhd.  grap,   ahd.  grab   n. 

(PI.  grehir) ;  dazu  asächs.-mnd.  und  ndl.  graf, 

afries.  gref,   ags.  grcef,   graf  n.,   engl,  grave, 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


anord,  gröf,  schwed.  graf  f.,  dän.  grav.  Von 
graben  (s.  d.).  ZUS.  Grabmal,  n.,  bei 
Luther.  GrabSChrift,  f.,  1562  bei  Mathe- 
sius  Sar.  294%  Grabeschrifft  bei  Luther  8, 
411*  J.  Grabstein,  m.,  um  1480  im  Voc. 
ine.  teut.  k  2  *. 

grabbeln,  V.:  herumtasten,  herumgreifen 
(fiiiher  auch  mit  den  Füßen  herumfahren, 
was  jetzt  krabbeln  (s.  d.).  Vielleicht  mit 
diesem  gleich,  oder  auch  mit  grapsen  (s.  d.) 
vei^wandt.     In  Norddeutschland. 

Graben,  m.  (-s,  PI.  Gräben):  sich  hin- 
ziehend in  die  Länge  gegi'abne  Erdvertiefung. 
Um  1480  in  Voc.  ine.  teut.  kl^  graben,  1540 
bei  Alberus  dict.  A2*  Grab  m.,  mhd.  grabe, 
ahd.  graho  m. ;  dazu  and.  gravo  m.,  mnd,  und 
mndl.  grave  m.,  got.  graba  f.,  anord.  gröf  f. 
«Höhle,  Grab».  Der  umlautende  PI.  Gräben 
schon  im  16.  Jh.  (greben  1529  bei  Liliencron 
3,  597»,  1531  bei  Hedio  Josephus  Antiqu. 
142*)  statt  des  urspr.  schwachen  PI.  Graben 
(noch  bei  Voß  H.  2,  153,  Goethe  30,  134  1.  H. 
=  W.  33,  131,  wo  Gräben).  Von  graben,  v. 
(Präs.  grabe,  gräbst,  gräbt,  Prät.  grub,  Konj. 
grübe,  Part,  gegraben):  mit  einem  scharfen 
oder  spitzen  Werkzeuge  Vertiefungen  machen. 
Mhd.  graben,  ahd.  gräban  (Präs.  grabu,  grebis, 
grehit,  Prät.  gruob,  Part,  grahan  und  ga-, 
gigraban):  dazu  andfränk.  and.  gravan, 
mnd.  und  mndl.  graven,  engl,  grave,  afries. 
greva,  grova,  ags.  grafan,  anord.  grafa,  schwed. 
gräfva,  dän.  grave,  got.  graban.  Urverwandt 
mit  abg.  grehq  «ich  grabe,  rudre»,  grobü  m. 
«Grube,  Grab»,  lett.  grebt  «sckrapen,  aus- 
höhlen». Dagegen  wegen  mangelnder  Laut- 
verschiebung nicht  mit  gr.  Ypctqpeiv  «einritzen, 
schreiben».  Vgl.  Griffel,  Grube,  grübeln, 
Gruft  ZUS.  Grabscheit,  n.  {-es,  PI.  -e): 
Werkzeug  zum  Graben  der  Erde.  Bei  Licht- 
wer  Fab.  4,  18  Grabescheit,  bei  Wieland  Ob. 
9,  23  Grabescheid.  Mhd.  grabeschit,  1429  im 
Lib.  ord.  rer.  9^  grabschit  n.,  zusammenges. 
mit  ahd.  seit  n.  «hölzerner  Stiel».  Grab- 
stichel, m. :  Werkzeug  der  Goldschmiede  und 
Graveure,  1489  bei  Brack  g2^  grabstickel. 

Grachel,  f.  (PI.  -n):  die  lange  spröde 
Ährenspitze.  1755  bei  Adelung.  Schlesisch- 
auch  «Spreu».  Vielleicht  zusammenhängend 
mit  md.  (13.  Jh.)  grach  n.,  dessen  Bed.  «Ähren- 
feld» nur  Vermutung  ist. 

Gracht,  f.  (PI.  -en) :  Kanal.  Niederdeutsch. 
Mnd.  und  mndl.  gracht,  graft  f.,  mndrhein. 
gracht  f.  entsprechend  mhd.  graft  f.  «Graben» 
zu  graben. 

48 


755 


Grad 


Gran 


756 


Grad,  m.  (-es,  PI.  -e):  Stufe;  360ster 
Teil  des  Kreises.  IMlid.  grät  m.  «Stufe» 
eigentlich  und  bildlich  (PI.  gr(Bte,  gräte,  md, 
grete),  im  14.  Jh.  gräcl,  ahd.  gräd  m.  « Schritt, 
Stufe»;  dazu  mnd.  grät  n.  Aus  gleichbed. 
lat.  gradus  m.,  woher  ital.-span.  grado,  franz. 
degre  m.  gradieren,  v.:  zu  einem  höhern 
Grad  an  Güte  bringen,  z,  B.  in  Salinen  das 
Salzwasser  durch  Reisig  abtröpfeln  lassen 
zum  Verdunsten  des  wilden  Wassers,  1712 
bei  Hübner.  Bei  Rot  1571  gradirn  «nach 
Graden  abschätzen»,  z,  B.  Gold  und  Silber, 
auch  die  Wärme  in  4  Graden  bis  zur  Siede- 
hitze. Nach  mlat.  gradare  «aufwärts  gehen», 
davon  Gradierwerk,  m.  Im  18.  Jh.  dafür 
Gradierhaus  oder  Leckiverk.  graduieren, 
V.:  einen  höhern  akademischen  Grad  ver- 
leihen, im  15.  Jh.  bei  Nik.  v.  Wyle  353,  16 
gradmvieren ,  aus  mlat.  graduare  «zu  einem 
höhern  akademischen  Grad  fortmckenlassen», 
von  lat.  gradus  m. 

Graf,  m.  {-en,  PI.  -en):  der  Nächste  in 
der  Würde  nach  dem  Fürsten.  Unverkürzt 
noch  1673  bei  Weise  Erzn.  23  Graffe,  bei 
Rückert  3,  60  Gräfe.  Mhd.  gräve,  gräf  m. 
(PI.  gräven,  auch  grceven)  urspr.  «höhrer 
weltlicher  Befehlshaber  und  Gerichtsvorsitzer», 
dann  als  «erbliche  Würde»,  ahd.  grävo.  grävio, 
gräveo  m.,  md.  und  mndrhein.  grabe  und  mit 
Umlaut  greve,  grebe  m.;  dazu  mnd.  greve, 
afries.  greva  m.,  und  mit  Ablaut  ags.  gerefa, 
gereafa,  groefa  m.  (zusammenges.  scir-gerefa 
«Vorsteher»  einer  scir  «Gaus»,  engl,  sheriff), 
aus  dem  Mnd.  entlehnt  anord.  greift  m.  Der 
Ursprung  ist  nicht  sicher  ermittelt.  Am 
nächsten  liegt  Zusammensetzung  aus  gi-  und 
einem  rSb-,  röb,  dessen  Bedeutung  aber  auch 
nicht  klar  ist.  Anderseits  vergleicht  man  got. 
gagrefts  f.  «Beschluß,  Befehl».  Aber  dann  muß 
man  ags.  girefa  von  (?ra/" trennen.  Heyne  ver- 
tritt im  WB.  die  Ansicht,  daß  G.  ein  Lehnwort 
aus  gr.  YPa'PEÜc  «Schreiber»  sei.  Die  Bed. 
«Vorsteher»  noch  in  hess.  Grebe  m.  «Dorf- 
vorstand» (schon  bei  Kirchhoff  Wendunmut 
1, 178),  siebenbürg.  Grefm.  «Richter»,  aachen. 
Grif  in.  «Zunftvor Steher»,  ferner  in  Deich-, 
Salzgraf  (s.  d.).  ABL.  Gräfin,  f.,  mhd. 
grcBvinne,  grcevin.  gräflich,  adj.,  1642  bei 
Duez  gräffelich,  1582  in  Weist.  1,  645  grave- 
lich.  Grafschaft,  f.,  mhd.  gräve-,  gräf- 
schaft  f. 

gram,  adj. :  wogegen  übelwollend  gestimmt. 
Mhd.-ahd.  gram  «feindselig  aufgeregt,  erzürnt, 
unmutig»;  dazu  asächs.-ndl.-ags.  gram,  anord. 


gramr,  dän.  gram.  Aus  dem  Germanischen 
entlehnt  afranz.  gram,  ital.  gramo  «betrübt». 
Gleichen  Stammes  wie  grimm  (s.  dort  Näheres). 
Aus  dem  Adj.  gebildet  Gram,  m.  (-s):  an- 
haltende tief  im  Innern  nagende  Beträbnis 
worüber,  mhd.  (1412)  gram  m.  «feindselige 
Stimmung»,  mnd.  gram  m.  «Grimm,  Erbitte- 
rung, Zorn».  Von  gram  abgeleitet  grämen, 
V.:  in  Gram  versetzen,  mhd.  gremen,  ahd. 
gremjan,  gremman  (Prät.  gremita,  gramda) 
«zornig,  unmutig  machen,  aufregen»,  im 
Mhd.  auch  intr.  «zornig  sein  worauf»  und 
refl.  «sich  härmen»;  dazu  ags.  gremian,  grem- 
man, anord.  gremja,  schwed.  gräma,  dän. 
grämme,  got.  gramjan  (aufreizen,  erzürnen). 
grämlich,  adj.:  verdrießlich,  1691  bei  Stieler 
(dafüi-  bei  Henisch  1616  und  Duez  1664 
grämig),  mhd.  gramelich,  greme-,  gremlich 
«zornig,  grimmig»,  ags.  gramlw  «grimmig», 
anord.  gramligr  «verdrießlich»;  dazu  Gräm- 
lich keit,  f.,  1691  bei  Stieler. 

Gramm,  n.  {-es,  PI.  -e):  Gewichtsemheit 
von  18^/05  ^^'^"-  1^6^  ^^  Deutschland,  1800 
in  Frankreich  eingeführt.  Aus  franz.  gramme 
m.,  von  gr.-lat.  gramma  n.  «Schriftzeichen, 
■'/.24  Unze»,  gr.  Ypd|U|ua  n.  (s.  Grammatik). 

Grammatik,  f.  (PI.  -en):  Sprachwissen- 
schaft; Sprachlehre.  Um  1522  bei  Ickel- 
samer  37  Grammatic,  mhd.  grämatica  und 
grämatic,  ahd.  grämatich  f.  Aus  gleichbed. 
gr.-lat.  grammatica,  gr,  YPö^MaxiKri  f.,  das 
(mit  Ergänzung  von  t^x^i  f.  «Wissenschaft») 
subst.  Fem.  des  gr.  Adj,  Tpam-iaTiKÖc  «schrift- 
kundig, nach  den  Sprachregeln»,  einer  Ab- 
leitung von  Ypd|U|ua  n.  «das  Eingegrabene,  der 
Buchstabe»,  zu  ypdqpeiv  «einritzen,  schreiben». 
Grammatiker,  m.:  Sprachgelehrter,  schon 
ahd,  gramatichäre  m,,  mhd.  grämaticus  m. 
«Lese-  und  Schreib  kundiger,  Lateingelehrter», 
aus  gr.-lat,  grammaticus  m,  «Sprachgelehrter», 
dem  substant,  Mask.  des  gr.-lat.  Adj,  gram- 
maticus. grammatikalisch,  adj,,  1663  bei 
Schuppius  1,  604  grammaticalisch ,  aus  dem 
von  grammatica  abgeleiteten  lat,  Adj,  gram- 
maticälis.  grammatisch,  adj,,  bei  Luther 
3,  68^  J.,  nach  dem  gr.-lat.  Adj.  grammaticus. 

Gran,  m.  {-es,  PI.  -e):  ^/g^  Quentchen 
Apothekergewicht.  1562  bei  Mathesius  Sar. 
236*  G^-an  oder  körnlein,  weil  man  etwan 
die  kleinen  Geivicht  nach  Poxhörnleinkörnern 
getheylet  und  geeicht  hat,  236*^  ein  Karat 
(Gold)  sol  gradirt  sein  in  vier  Gran,  ein 
Gran  in  drey  Gren.  Aus  lat.  gränum  n. 
«Korn,    Getreidekom»,    dann   im   Mlat.  (wo 


757 


Granat 


an'anulieren 


758 


auch  granus  m.)  «kleinstes  Gewicht».  S. 
Gerstenkorn.  Grän,  m.  (-es,  PI.  -e):  ^'^o 
Karat  bei  Gold-,  ^,.^g  Lot  bei  Silberge-wicht, 
überhaupt  -^  ogg  Mark.  1562  bei  Mathesius 
(s.  0.)  Gren,  aber  schon  1354  bei  "Würdtwein 
Diplom,  magunt.  2,  184,  2  u.  215  der  PI. 
green,  227  der  PI.  grein.  Aus  franz.  grain 
m.,  von  lat.  gränum  (s.  Gran). 

•^Granat,  m.  (-es,  PI.  -en):  ein  roter 
Edelstein,  aber  auch  von  gelber,  grüner 
brauner  und  sam  m  etschwarzer  Färbung.  Mhd. 
granät  m.,  aus  gleichbed.  mlat.  granatus  m. 
(nämHch  lapis  «Stein»),  dem  Mask.  des  lat. 
Adj.  gränättis  «mit  Körnern  oder  Kernen 
versehen»  (s.  Granatapfel),  von  lat.  gränum 
n.  «Korn»;  der  Name  daher,  daß  dieser  Edel- 
stein meist  in  Körnern  gefunden  wii-d. 

"Granat,  m. :  an  der  Xordseeküste  für 
Garneelen  (s.  d.)  oder  Krabben.  1741  bei 
Frisch  unter  Garneelen. 

Granatapfel,  m.:  Frucht  des  Granat- 
baumes in  Asien  usw.  Mhd.  granätapfel  m., 
auch  bloß  granät,  aus  mlat.  granatum  n. 
(nämlich  malum  « Apfel  >),  dem  subst.  Xeutr. 
des  Adj.  granatus  (s.  Granat),  eig.  «viel- 
kemiger  Apfel». 

Granate,  f.  (PI.  -n)-.  mit  Schießpulver 
gefüllte  Kugel.  1616  bei  Wallhausen  Kriegs- 
manual S.  68  Granate,  S,  75  Granade,  aus 
gleichbed.  ital.  granata.  granada  f.  (dort  bereits 
im  ersten  Drittel  des  16.  Jh.),  franz.  grenade 
f.,  woher  bei  Archenholtz  2,  385  u.  421  Gre- 
nade f.,  eig.  «nach  Art  eines  Granatapfels 
mit  Körnern,  d.  h.  Pulverkömem  gefüllte 
Kugel»  (im  altem  Ital.  granata  f.  «Granat- 
äpfel», 1726  bei  Fleming  teutsch.  Soldat  74^ 
«wegen  der  Ähnlichkeit  mit  den  Granat- 
äpfeln also  genennet».     S.  Grenadier. 

Grand,  m.  (-es,  PI.  -e):  grober  Kiessand. 
1775  bei  Adelung.  Dem  Niederd.  entnommen, 
wo  grand  auch  «Weizenkleie».  Gleichen 
Stammes  wie  ags.  grindan  (Prät.  grand,  Part. 
gründen),  engL  grind  «zermalmen,  mahlen», 
m-verwandt  mit  lat.  frendere  «zerknirschen, 
zermalmen,  knirschen»,  lit.  grendu  «reibe», 
vielleicht  auch  gr.  xovbpöc  (aus  xpovbpöc)  m. 
«Graupe,  Korn»,  Tgl.  Mulm.  Davon  grandig, 
adj.:  grobkiesig,  bei  Fiisch  1741,  in  der  Bed. 
stark,  sehr,   1669  im  Simpliciss.  195  u.  276. 

Grande,  m.  (-n,  PI.  -n):  die  Adeligen 
in  Spanien,  die  sich  vor  dem  König  bedecken 
dürfen.  Aus  dem  span.  grande  m.  (s.  u.), 
1694  bei  Nehring.  Davon  Grandezza,  f.: 
Würde  und  Anstand  eines  spanischen  Granden, 


1663  bei  Schuppius  1,  542,  Grandeza  1617 
im  t.  Michel  43.  Aus  gleichbed.  span,  gran- 
deza, ital.  grandezza  f.  grandios,  adj.: 
großartig,  bei  Goethe  30,  87,  88  u.  176,  aus 
ital.  grandioso,  franz.  grandiose,  zu  ital.-span. 
grande,  franz.  grand,  lat.  grandis  «groß». 

Granit,  m.  {-es,  PI.  -e):  aus  Quarz,  Feld- 
spat und  Glimmer  zusammengesetztes  hartes 
Gestein  von  kömigem  Gefüge.  Mhd.  grdnit 
m.,  aus  mlat.  granitura  marmor,  woher  auch 
iidiX.  granito,  franz.  granitm.,  eig.  «viel  Kömer 
führendes  Gestein»,  zu  lat.  gränum  n.  «Korn». 
Davon  graniten,  adj.,  bei  Schiller  11,  297. 

Granne,  f.  (PI.  -n)-.  Eückenborste  des 
Schweines;  Ahrenstachel.  ]^Ihd.  grane,  gran 
f.,  eig,  wohl  «Haarspitze»,  dann  «Barthaar», 
zumal  der  Oberlippe,  «stacheliges  Haar»  bei 
Tieren,  «Gräte»,  ahd.  grana.  grane  f.  <  Schnum- 
bart,  Gräte»  (noch  wetterauisch  Gröne  f. 
und  1540  bei  Albems  dict.  Hh3^  Gran  i. 
«Gräte»,  siebenbürg.  Grünen  «Schnurrbart»), 
1420  md.  grayn  f,  «Ahrenstachel»;  dazu  ags. 
granu,  anord.  grön  f.  fPl.  granar)  «Barthaar 
an  der  Oberlippe».  Urverwandt  mit  altir. 
grend,  kymr.-bret.  grann  «Schnui-rbart,  strup- 
piges Haar»,  alb.  krqndd  f.  «Weinrebe,  Sti'oh- 
halm»,  gegisch  kran9  «Stachel,  Dom».  Aus 
dem  Germanischen  entlehnt  altfranz.  grenon 
«Lippen-  und  Kinnbart»,  span.  grena  «ver- 
worrenes Haupthaar»,  altspan.  grenon  «Bart», 
ital.  granata  «Besen»,  mlat.  (bei  Isidor  19, 
23,  7)  granus  «Zopf». 

Grans,  m.  (-es,  PI.  -e)  und  Gransen, 
m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Schiffsschnabel;  über- 
haupt Schiffsspitze.  Bei  Schiller  TeU  4,  1 
Gransen  m.  (aus  Tschudi  entnommen).  Mhd. 
grans  m.  «Schnabel  des  Vogels  und  des 
Schiffes,  Maul  oder  Rüssel  des  Tieres,  Maul 
des  Menschen,  hervoiTagender  Körperteü», 
ahd.  grans  und  granso  m.  «Schiffsschnabel, 
Vorderteil  des  Schiffes».  Herkunft  unsicher, 
^^ach  Wadstein  Btr.  22,  248  aus  gi-rans,  vgl, 
mhd.  rans  m.,  isl.  rone  «Rüssel».  Zupitza 
Gutt.  176  vergleicht  abg.  grani  f.  «Ecke». 

gransen,  v. :  weinerlich  tun.  Norddeutsch, 
1696  im  Schelmuffsky-  23,  1728  bei  Menantes 
allemeueste  Art  378.  Litensivum  von  mhd. 
granen,  grannen  «weinen,  flennen»,  ahd,  gra- 
nön  «grunzen»,  anovdi.grenja  «heulen,  brüllen», 
wie  grinsen  von  mhd.  grinnen,  gleichen 
Stammes  wie  greinen  (s.  d.). 

granulieren,  v.:  kömig  machen.  1562 
bei  Mathesius  Sar.  231^  (Münzen)  granuliren. 
Aus   franz.   gramder    'Metall   körnen»,    von 

48* 


759 


Oraphit 


Orat 


760 


lat.  gränulum  n.  «Körnchen»,  dem  Dim.  von 
gränum  n.  «Korn». 

Graphit,  m.  {-es,  PI.  -e):  Eeißblei.  Zu 
Anfang  des  19.  Jh.  aus  gleichbed.  fi*anz. 
graphite  m.,  von  gr.  ypäqpeiv  «schreiben». 

grapsen,  v.:  schnell  fassend  greifen.  Bei 
Goethe  1, 209.  Norddeutsch  auch  grapscheil. 
Abgeleitet  von  grappen  (bei  Luther  6,  326^ 
und  Henisch  1616),  1477  clevisch  grabhen 
«zugi'eifend  fassen  oder  packen»,  mhd.  gräpen 
«greifen»;  dazu  engl,  grab  und  grasp  «packen»; 
urverwandt  mit  lit.  grehiu,  grepti  «hacken», 
grabineti  «hin-  und  hergr6ifen»,  abg.  gräbiti 
«greifen»,  aind.  grhhnati  «ergreift»,  iran.  grah- 
« greifen».    Vgl.  greifen. 

Gras,  n.  (-es,  PI.  Gräser):  Halmpflanze. 
Wegen  Verlängerung  des  a  im  Nhd.  bei  Dasy- 
podius  1537  Graaß  und  so  in  der  Bühnen- 
sprache, aber  in  Norddeutschland  auch  mit 
dem  urspiünglichen  kui'zen  a  gesprochen. 
Mhd.  gras  n.  auch  «Grasplatz,  Rasen»,  ahd. 
gras  n.  «Gras  und  Kraut»;  dazu  asächs.  gras, 
mndl.  gras,  gars,  ghers,  afries.  gres,  gers, 
ags.  grcßs,  gcers,  engl,  grass  «Gras»,  anord. 
gras  n.  «Gras,  Ki-aut»,  schwed.-dän.  grces, 
gut.  gras  n.  «Kraut».  Dazu  mit  Ablaut, 
mhd.  gruose  f.  «Saft  und  junger  Trieb  der 
Pflanzen».  Vgl.  auch  ags.  grced,  gcerd  m.(?) 
«Gras».  Dadurch  wird  Verbindung  mit  lat. 
grämen  n.  «Gras»  axis  ghradhsmen  wahrschein- 
lich, vgl.  Walde.  ABL.  grasen,  v.,  mhd. 
grasen,  ahd.  grason.  grasig,  grasicht,  adj., 
mhd.  grasec,  ahd.  graseg,  1540  bei  Alberus 
dict.  ee3^  grasechtig.  ZUS.  Grasaffe,  m., 
bei  Goethe  häufig  als  Scheltwort  für  junge 
Mädchen  oder  Frauen  (z.  B.  Faust  3521, 
"Briefe  3),  vgl.  Grasteufel,  grasgrün,  adj., 
mhd.  gras-,  grasegriiene.  Grashüpfer,  m.: 
Heuschrecke,  1741  bei  Frisch  Grashupfer, 
1616  bei  Henisch  Grashopper;  dazu  nd.-mndl. 
grashopper,  engl,  grasshopper,  ags.  gcershoppa 
m.  Grasmücke,  f.  (PI.  -n):  der  kleine  in 
Hecken  lebende  Singvogel  currüca,  mhd. 
grase-,  grasmucke,  spätahd.  grasmucca  f.,  1557 
bei  Heußlin  Vogelb.  66  **  Graßmusch  oder 
Graßmuck,  leychtgrün  gefärbt.  Graspferd, 
n. :  Heuschrecke,  1663  bei  Schottel  439.  Gras- 
teufel,  m. :  lächerlicher  oder  häßlicher  Feld- 
teufel, 1575  bei  Fischart  Garg.  17. 

Grasen,  n.  (-s):  Schauder.  Bei  Claudius 
8, 170.  Mnd.  grese  «das  Schaudern,  Grausen», 
gresen  «schaudern»,  nnd.  gresen;  dazu  mnd. 
greselik  «Schauder  erregend»,  Adv.  grisliken, 
clevisch  1477  gryslic  «schrecklich»;  verwandt 


mit  ags.  grislw,  grysUc  «schauderhaft»,  engl. 
grisly  «scheußlich».  Diese  Formen  weisen 
auf  eine  e-  oder  z- Wurzel,  daneben  steht 
eine  M-Wurzel  in  asächs.  gruri  m.  «Schauder, 
Grausen»,  d.  Graus  (s.  d.). 

graß,  adj.  (Komp.  grasser,  Superl.  grrassesi) : 
wütend,  schrecklich,  zurückschreckend.  Beim 
j.  Goethe  3,  643,  Voß  2,  214.  Mhd.  gra^ 
«leidenschaftlich  erregt,  wütend»  (mit  dem 
Subst.  gra^,  grä§  m.  «Wut»  und  dem  Zeit- 
wort grämen  «leidenschaftlich  aufgeregt  sich 
gebärden,  aufschreien,  übermütig,  anmaßlich 
tun»),  ahd.  nur  Adv.  gra^^o  «heftig,  stai'k, 
sehr»,  verwandt  mit  got.  gretan  «weinen», 
anord.  grata  «weinen,  laut  jammern».  Dazu 
weiter  aind.  hrädate  «tönt»  und  mit  w-Voka- 
lismus,  ags.  greotan  «weinen».  Davon  abge- 
leitet, aber  sich  mit  nd.  greselik  mengend 
(s.  Grasen),  gräßlich,  adj.:  schrecklich, 
Grauen  erregend,  bei  Luther  greslich,  greßlich, 
md.  im  14.  Jh.  greulich  «hocherzürnt,  schreck- 
bar zornig». 

grassieren,  v.:  im  Schwange  gehen, 
herrschen,  wüten.  1617  im  t.  Michel  21, 
aber  schon  bei  Luther  2,  423  ^  Eisl.  grassiren 
und  mhd.  gradieren  wüten  (neben  grämen, 
s.  graß).  Aus  lat.  grassäri  «herumgehen, 
hai-t  verfahren,  wüten». 

Grat,  m.  (-es,  PI.  -e):  Spitze,  oberster 
sich  hinziehender  scharfer  Rand  wovon.  Mhd. 
grat  m.  (PI.  grmte,  md.  grete)  «Spitze,  spitzer 
Fischknochen,  Ähren-,  Distelstachel,  scharfer 
Rand,  Rückgrat,  Bergiücken,  Mitte  wovon». 
Solmsen  KZ.  37,  580  vglt.  poln.  grot,  tschech. 
hrot  m.  «Pfeilspitze,  Wurfspieß»,  russ.  grot  m. 
«Wurfspieß».  Weiter  ist  auch  wohl  Granne 
(s.  d.)  verwandt.  Aus  dem  alten  Plur.  Gräte 
entwickelte  sich  nhd.  Gräte,  f.  (PI.  -n): 
federharter  spitzer  Fischknochen,  1605  bei 
Hulsius  Grad,  bei  Duez  1664  und  Stieler 
1691  Gräte  f.,  bei  Krämer  1678  Grat  n.,  aber 
noch  1662  bei  Stoer  Gratt  m.,  wie  1616  bei 
Henisch  Grad  m.,  bei  Dasypodius  15^7  und 
Alberus  1540  Grat  m.  Davon  gräten,  v. 
in  entgräten  (1540  bei  Albenis  dict.  ql*), 
ausgräten,  bei  Henisch  1616  und  Duez  1664 
gräten  «Fische  entgräten»,  mhd.  grceten  «Lein- 
wand aufzupfen».  ZUS.  mit  Grat:  Grathobel, 
m. :  Hobel  zum  Stoßen  oder  Ziehen  des  Crrates 
(der  Schärfe)  an  Einschiebeleisten,  1741  bei 
Frisch.  Gratsäge,  f. :  Säge  zum  Einschneiden 
der  Leisten  ip  hartes  Holz,  bei  Frisch.  Grat- 
tier, n.:  auf  Felsenspitzen  lebende  rötliche 
Gemsenai-t,  1775  bei  Adelung,  Schiller  Teil  4,3. 


761 


gratis 


Graus 


762 


gratis,  adv.:  unentgeltlich.  1562  bei 
Mathesius  Sar.  256^,  Fischart  Garg.  248.  Aus 
gleichbed.  lat.  gratis. 

grätschen,  v, :  mit  auseinander  gesperrten 
Beinen  gehen;  beim  Turnen  eine  Übung  mit 
auseinander  gesperrten  Beinen  ausfühi-en.  1678 
bei  Krämer  grätschen,  schles.  1640  bei  Schertfer 
Grob.  42  grätschen.  Abgeleitet  von  greten 
«in  weitem  Schritte  auseinanderspreizen»  (bei 
Luther  Hes.  16,  25),  md.  um  1300  greten 
(Germania  6,  275;  20,  40),  spätmhd.  in  der 
1.  Hälfte  des  15.  Jh.  gräten  «schreiten»  (Teufels 
Netz  7669),  wohl  verwandt  mit  mhd.  griten 
«die  Beine  auseinanderspreizen»,  griteliche 
und  gritelingen  Adv.  «mit  ausgespreizten 
Beinen»,  ahd.  higritu  «ich  schi-eite  dazu,  fange 
an»,  ahd.  gritmäli  «Schritt»,  got.  grids  f. 
«Schritt,  Stufe»,  das  urverwandt  ist  mit  lat. 
gradi  «sckreiten»,  gradus  m.  «Schritt,  Stufe», 
abg.  gredq  «ich  komme»,  altir.  ingrennim 
«ich  verfolge».  ABL.  grätschelii,  v.,  1640 
bei  Comenius,  gretscheln  1574  bei  Horscht 
Geheimnisse  der  Xatur  4,  M  2  ^.  Grrätscher, 
m.,   1775  bei  Adelung. 

gratulieren,  v.:  Glück  wünschen.  Bei 
Rot  1571  und  Kirchhoff  Wendunmut  1,  51. 
Aus  gleichbed.  lat.  grätuläri. 

grau,  adj.  (Komp.  grauer,  Superl.  grauest) : 
mittelfarbig  zwischen  schwarz  und  weiß. 
Älternhd.  und  1482  graw,  bei  Henisch  1616 
grauw,  mhd.  grä  (Gen.  gräwes),  ahd.  gräo 
(flekt.  gräwer);  dazu  and.  appul-gre  «apfel- 
grau, scheckig»,  mnd.  grawe,  gra,  grau,  ndl. 
graauw,  ags.  gröeg,  engl,  grey,  gray,  anord. 
grär,  schwed.  grä,  dän.  graa.  Genau  ent- 
spricht lat.  rävus  (aus  *hrävus)  «gi-au,  grau- 
gelb», während  gr.  xäpoTroc  «strahläugig»,  lit. 
zeriti  «strahlen»,  abg.  ^zre7i  «glänzen,  sehen» 
wurzelverwandt  sind.  Vgl.  Walde.  Substan- 
tivisch (xrau,  n.,  mhd.  grä  n.  ABL.  grauen, 
V.,  mhd.  gräwen,  ahd.  gräwen  «grau  sein 
oder  werden»,  nhd.  nur  noch  von  der  Morgen- 
dämmerung, graulich,  adj. :  ein  wenig  grau, 
1616  bei  Henisch  grawlecht  und  mit  Umlaut 
gräuwlich.  ZUS.  Graubart,  m.,  1678  bei 
Krämer.  Grrauwerk,  n.:  das  graue  Fell  des 
sibirischen  Eichhorns,  mhd.  gräwerc  und  grä 
n.,  ndrhein.  im  13.  Jh.  graewerc  (Wallraf  30). 

Grau,  m.  (-en) :  Schauder  (Göckingk  im 
Götting.  Musenalm.  1777  S.  8),  bei  Henisch 
1616  Grau,  bei  Luther  Gräwen  (Akk.),  mhd.  i 
grüwe  m.  Durch  Übergang  des  n  des  Gen. 
in  den  Nom.  auch  Grauen  m.,  verdrängt 
durch  den  substant.  Infinitiv  Grauen  n.  (1664 


bei  Duez  Gräwen,  schon  mhd.  grüwen  n.). 
Gräuel,  gräulich,  s.  Greuel,  greulich.  Von 
grauen,  v.:  tief  erregende  Furcht  haben 
(Schiller  Hero  3),  zumeist  unpersönlich  {mir 
graut) :  Widerwillen  mit  Schauder  wovor  emp- 
fi:nden.  Mhd.  grüwen,  md.  grüen,  ahd.  ingruea. 
Weiter  sind  wohl  verwandt  anord.  gruna 
«beargwöhnen»,  grunrm..  «Ahnung,  Verdacht». 
Vgl.  noch  Wiedemann  Bezz.  Btr.  27,  288. 
(S.  auch  Graus.)  Davon  abgeleitet  graueln, 
V.,  1669  im  Simplic.  445,  grawein  1534  in 
Dietenbergers  Biblia  Rom.  2,  22,  wo  bei 
Luther  greweln,  mhd.  grimveln,  griulen,  md. 
grüweln,  grülen.  grauerlich,  adj.:  Grauen 
erweckend,  bei  Herder  von  deutscher  Art 
u.  K.  100,  Goethe  33,  95.  ZUS.  mit  G^-auen 
n.:  grauenhaft,  adj.,  bei  Wieland  Ob.  2,  6. 
graueuvoll,  adj.,  bei  Klopstock  Mess.  2,  73. 

Graupe,  f.  (PI.  -w):  gröbster  Teil  ge- 
pochten Erzes;  enthülstes  Getreidekom.  In 
der  1.  Bed.  1557  bei  Agricola  Bergw.  283fF. 
Graupen  und  Gräuplin,  1562  bei  Mathesius 
Sar.  139^  Graupen  und  Greuplein  «graupen- 
förmiges  Zinnerz»;  in  der  2.  Bed.  Graupen 
1542  bei  Luther  in  der  Hausrechnung;  süd- 
ostdeutsch im  15.  Jh.  eysgrüpe  «kleines  Hagel- 
korn» (Weinhold  schles.  ^Vb.  29  ^j,  bei  Henisch 
1616  Graupen  «Hagel,  Schloßen».  Das  Wort, 
das  sich  von  Obersachsen  und  Schlesien  aus 
verbreitete,  stammt  vielleicht  aus  dem  Slavi- 
schen,  abg.  krupa  f.  «Krümchen»,  lausitz-wend. 
krupa  und  serh. kr ujM  «  Getreidegraupe,  Hagel- 
schloße», woher  auch  schwed.  gröpe,  grjupe, 
norw.  gröpe  «Schrot».  Davon  graupeln,  v.: 
in  kleinen  Körnern  hageln,  1711  bei  Rädlein, 
graupeln  1775  bei  Adelung,  bei  Luther  1, 
368^  Eisl.  es  graupet. 

^  Graus,  m.  (-es) :  haarsträubendes  Grauen 
(Lessing  Nath.  5,  d),  mhd.  grüs  m.  neben 
grüse  m.  «Gegenstand  des  Grauens,  Schreck- 
bild»; dazu  das  Adj.  graus:  Grauen  erregend 
(Schiller  Räuber  4,  51,  bei  A.  Gryphius  (1698) 
2,  21,  mhd.  grüs.  ABL.  Grausal,  n.,  bei 
Tieck  und  Voß,  mhd.  grüwesal  n.  grausen, 
V.  impers.  (mir  graust),  mhd.  grüsen,  griusen, 
ahd.  im  gleichbed.  irgrüwisön,  -grüisön,  -gru- 
sön.  Alle  abgeleitet  von  grauen  (s.  d.).  Sub- 
stantivisch Grausen,  n.,  mhd.  grüsen  n., 
davon  die  Adj.  grauseuhaft,  Ende  des 
18.  Jh.;  grauseuYOll,  1736  bei  Haller  Ged. 
156,  imd  mhd.  grüsenlich  «Grausen  erregend». 
Von  Graus  abgeleitet  grausig,  adj.,  spätahd. 
griusig,  und  grauslich,  adj.,  mhd.  griuslich, 
grüslich.     Vgl.  gruseln. 


763 


Graus 


greinen 


764 


-Graus,  Graiiß,  m.  [-es,  PI.  -e):  Sand-, 
Steinkorn  (oberpfälz.) ;  Steiuschutt,  Geröll, 
Tiünuner  (beiBrockes  9,  51,  öfter  bei  Goethe, 
z.  B.  Faust  7802  Ch'aus).  Mhd.  gru^  m. 
«Sand-,  Getreidekorn».  Gleichen  Stammes 
wie  Grieß  (s.  d.)  und  G-rUtze  (s.  d.)  Ver- 
wandt sind  lat.  rüdiis  n.  «zerbröckeltes  Ge- 
stein, Geröll,  Schutt»,  lit.  grüdas,  \Qii.graiids 
m.  «Korn»,  abg.  gruda  f.  «Scholle»,  Mi.grÜdzu, 
grusti  «stampfen». 

grausam,  adj. :  durch  Zufügen  von  Übel 
grauenerregend;  roh  mid  gefühllos  (bei 
Luther).  Älhd.  grüwesam,  grüsam,  im  15.  Jh. 
grausam  «  Schrecken  erregend».  Zusammenges. 
aus  dem  Verbvim  grauen  (s.  d.)  und  -sam. 
Grausamkeit,  f.,   1537  bei  Dasypodius. 

Grauwerk,  s.  grau. 

Graveur,  m.  (-s,  PI.  -e) :  Stempelschneider, 
Kunststecher.  1712  bei  Hübner,  aus  gleich- 
bed.  franz.  graveur  m.,  dafür  mhd.  grahcere, 
grober  m.,  1498  stempfelgraber  (Mone  Ztschr. 
2,  430),  in  der  Zimm.  Chrou.-  1,  512,  7  sigel- 
greher  m.,  ndl.  1598  graverer  m.  gravieren, 
V.:  mit  dem  Grabstichel  stechen  oder  schnei- 
den. Im  18.  Jh.  aus  franz.  graver  «eingraben, 
einprägen»,  das  dem  gleichbed.  nd.-ndl.  graven 
entlehnt  ist,  aus  dem  Französ.  hinwieder,  ndl. 
1598  graver en. 

gravieren,  v.:  beschweren,  zur  Last 
fallen,  be-,  anschuldigen.  Schon  mhd.  gra- 
vieren, aus  lat.  graväre  «beschweren,  be- 
lästigen, drücken»,  vom  lat.  Adj.  gravis 
«schwer,  belastet».  Dazu  auch  Gravität,  f.: 
feierhcher  Anstand,  feierlich-ernstes  Wesen, 
bei  Henisch  1616  und  Eot  1571  Gravitet, 
aus  lat.  gravitas  f.  «Schwere,  würdevoller 
Ernst,  sittliche  Würde».  Davon  gravita- 
tiscll,  adj,:  gewichtig,  1593  bei  Helber  13 
gravitetisch. 

Grazie,  f.:  Anmut;  (PI.  -n)  Huldgöttin. 
In  der  1.  Bed.  1771  bei  Klopstock  Od.  157 
u.  257,  in  der  2.  Bed.  1575  bei  Fischart  Garg. 
136  Gratie.  Aus  gleichbed.  lat.  grätia  f. 
graziös,  adj.:  anmutig,  holdsehg,  bei  Goethe 
gracios  und  graziös,  aus  lat.  grätiösus,  franz. 
gracieux;  dazu  ndl.  1598  gracelick. 

^Grebe,  m.  (-w,  Pl.  -n):  Dorfvorstand, 
Schulze,  s.  Graf. 

"Grebe,  f.,  s.  Griebe. 

Gregor,  Mannsname,  aus  gx-.-lat.  Gregorius, 
gr.  PpTTföpioc,  eig. «Wachsamer»,  von  fpnTopeiv 
«wachen». 

Greif,  m.  {-es  und  -en,  PI.  -e  und  -en): 
fliegender    Löwe     mit     einem    Vogelkopfe; 


größte  Geierart,  der  Kondor  (1775  bei  Ade- 
lung). Mhd.  starkflekt.  grif  und  schwachflekt. 
grife,  ahd,  grif  und  grifo  m,  «der  fabelhafte 
Vogel  Greif»,  überkommen  aus  gleichbed, 
gr.-lat.  gryps  und  gryphus,  gr.  ypü^  (Gen, 
YpuTTÖc)  m.,  woher  auch  ital.  griffo,  grifone, 
span.  grifo,  franz.  grifon,  ndl.  griffoen,  engl. 
griffin,  altir.  gr^f.  Nach  ßeuleaux  ist  das 
griechische  Fabeltier  mit  dem  Adlerschnabel 
eine  Weiterbildung  des  assyr.  k'rub  (hebr. 
kerüb),  einer  Figur  am  Palast  des  assyr. 
Königs  Assur-Nasir-pal  mit  Löwentatzen,  Stier- 
leib, Flügeln  und  Menschenkopf,  die  sym- 
bolisch die  vier  Sternbilder  der  Tag-  und 
Nachtgleichen,  sowie  der  Winter- und  Sommer- 
wenden vereinigt  (Löwe,  Stier,  Wassermann 
und  Adler,  letzterer  an  Stelle  des  nahege- 
legenen Skorpions), 

greifen,  v.  (Prät.  griff,  Konj.  griffe,  Part. 
gegriffen):  zum  Fassen,  Halten  oder  Fühlen 
zulangen;  festhaltend  nehmen.  Mhd.  grifen, 
im  14.  Jh.  (1389)  greifen,  ahd.  grifan  (Prät. 
greif,  Plur.  griffun,  Part,  griffan) ;  dazu  asächs, 
grlpan,  mndl,  grijpen,  afries.  gripa,  ags.  grlpan, 
engl,  gripe,  anord.  gripa,  schwed.  gripa,  dän. 
gribe,  got.  greipan;  im  Ablaut  stehend  mit 
ahd.  greif ön  «greifen,  tasten»,  ags.  gräpian 
«tasten»,  anord.  greipa  «fassen,  packen»,  gripr 
m.  «wertvolles  Eigentum»,  Urverwandt  mit 
lit,.  griebiii  «ich  greife»,  graibiti  «umher- 
greifen», also  eine  i- Wurzel  neben  der  a- Wur- 
zel grab,  s,  grapsen.  Aus  dem  Germanischen 
entlehnt  franz.  griff  er  (afranz.  grif  er)  «packen», 
gripper  «ergreifen»,  heimlich  rasch  entwenden, 
griffe  f.  «Klaue,  Kralle»,  lombard.  grippä 
«wegschnappen»,  ital.  grifo  m.  «Greifer, 
Rüssel»,  S.  Griff.  ABL.  greifbar,  adj., 
bei  Goethe  11,  272. 

greinen,  v. :  den  Mund  verziehend  weinen, 
bes.  auch  von  Kindern.  Im  Nhd.  schwach- 
biegend, aber  mhd.  mit  starker  Flexion  grinen 
(Prät.  grein,  Plur.  grinen)  «den  Mund  ver- 
ziehen lachend  wie  weinend,  knuiTend  (zankend) 
wie  klagend»,  im  14.  Jh.  greinen,  ahd.  grinan 
«aus  Leidenschaft,  Unwillen  einen  Ton  von 
sieh  geben».  Dazu  mhd.  grinnen  «knirschen», 
grennen  «angrinsen»,  ahd.  <7ren?ia«« mucksen», 
engl,  grin  «.greinen»,  groan  «grinsen,  stöhnen», 
ags,  gränian  «kläglich  tun,  murren»,  grennian 
«grinsen».  Vgl.  gransen,  grinsen.  Aus  dem 
Ahd.  entlehnt  prov.  grinar  «grinsen»,  pikard, 
grigner  und  'ital.  digrignare  «die  Zähne  flet- 
schen». ABL.  Greiner,  m.,  spätmhd.  1462 
greiner  m,  «Zänker»  (Beheim  Wiener  12,  20). 


765 


greis 


Grieche 


766 


greis,  adj.:  weiß-,  altersgrau.  Mhd.  gris: 
dazu  asächs.  grls,  mndl.  grijs  «grau».  Das 
Wort  stammt  aus  dem  Sdö..  und  ist  etymo- 
logisch unklar,  Verwandtschaft  mit  gi~au 
(Ablaut  gre-gri)  wäre  möglich.  Substantivisch 
Oreis,  m,  {-es,  PI.  -e).  ■  Die  starke  Biegung 
ist  im  19.  Jh.  durchgedrungen  (wie  mnd. 
gyis,  Dat.  grlse)  statt  der  ui-spr.  schwachen 
(Gen.  u.  Plur.  G-reisen),  die  sich  noch  bei 
Schiller  6,  116;  12,  536,  Goethe  2,  66,  Schubart 
1,  193,  ühland,  Chamisso  und  Immermann 
findet.  ]yrhd.  grise  m.,  auch  1650  bei  Mosche- 
rosch  Phil.  2,  146  im  Nom.  Sg.  noch  die 
schwache  Form  Greyse  m.,  ebenso  in  den 
Ableitungen  greisenhaft,  adj,,  im  19.  Jh., 
und  Greisenheit,  f.:  Zustand,  Alter  des 
Greises,  bei  Goethe  28,  69.  Greisin,  f.,  bei 
Voß  Id.  12,  44. 

grell,  adj.:  für  Ohr  oder  Auge  wehtuend 
stark.  MhH.  grel  «zornig  schreiend,  zornig, 
rauh»,  so  noch  im  16.  Jh.  bei  H.  Sachs 
Fastn.  69,  66  und  Scheidt  Grob.  4691,  1482 
im  Voc.  theut.  m7^  gral  «zornig,  unmutig», 
aber  1581  bei  Fischart  Bienk.  121^  grell  in 
Oren  lauten,  1562  bei  Mathesius  Sar.  ein 
Feur  das  nicht  zu  grell  und  zu  groß,  1778 
bei  Hermes  Soph.  5,  693  grelle  Mäusaugen. 
Von  mhd,  grellen  «durchdringend,  vor  Zorn 
schreien»;  dazu  ags.  gryllan  «reizen,  erzürnen». 
Verwandtschaft  -rmi^imdi.  ghargharas  «rasselnd, 
läi-mend»,  ist  unsicher.    Vgl.  noch   G-roll. 

Grempel,  s.  Krempel. 

Grenadier,  m.  (-s,  PI.  -e):  Fußsoldat 
ausgesuchter  Größe.  1694  bei  Nehring  G-rana- 
dierer,  1726  bei  Fleming  teutsch.  Soldat  146^ 
G^-anadier,  Grenadier  «in  Teutschland  erst 
1683  aufgekommen»,  eig.  «Werfer  von  Hand- 
granaten», deshalb  1678  bei  Krämer  Granaten- 
werffer  als  Übersetzung  des  ital.  granatiere. 
Aus  franz.  grenadier  m.,  von  franz.  grenade  f. 
«Granate»  (s,  d.). 

Grensing,  m.  (-s,  PI,  -e);  die  Pflanze 
potentiUa  anserina.  Mhd.  und  ahd.  grensinc 
m.,  abgeleitet  von  mhd.  grans  m.  «Schnabel» 
(s.  Grans),  entsprechend  dem  franz.  Namen 
hec  d'oie  «Gänseschnabel», 

Grenze,  f.  (PI.  -n):  Endpunkt,  Endlinie. 
Bei  Luther  Grentze,  im  14.  und  15.  Jh. 
grenicz,  grenicze,  im  13.  Jh.  im  Ordensland 
Preußen  aufgekommen  (Kulmisches  Recht 
von  1251  S.  4  grenicze),  noch  bayr.-östr, 
Granitz,  Gränitz  f.,  aus  poln.-russ,  granica 
czech.  kranice  f.  «Grenzstein,  (Frenze»,  von 
foha.grän,  russ.  gram,  czech.  hranai.  «Ecke». 


Das  ältere  deutsche  Wort  füi-  Grenze  war 
^lark  f.  (s,  d.).  ABL.  grenzen,  v.,  1420 
md.g're«ic2m«die  Grenze  bezeichnen»(Schröers 
Vokab.  1659),  bei  Luther  grentzen  «mit  der 
Grenze  woran  rühren»,  bei  Lohenstein  Himmel- 
schlüssel 23,  463  «durch  Grenze  abscheiden», 
Grenzer,  m.:  Grenzbewohner,  Grentzer  bei 
Luther  1,  363'  Eisl.  ZUS.  grenzenlos,  adj., 
bei  HaUer  Ged.  132. 

greten,  s.  grätschen.    Gretchen,  s.  Mar- 
garete. 


Greuel , 


(-.§,    PI.  wie   Sg.):    Grauen, 


Abscheu.  Alternhd.  GremveJ.  Grewel,  Griiwel, 
mhd.  griuwel,  ffr'iul,  griule,  md.  grüivel  m. 
Zu  grauen  (s.  d.)  «schaudern».  ZUS.  Greuel- 
tat, f.,  1775  bei  Adelung.  —  greulich, 
adj.:  schauderhaft,  abscheulich,  im  15.  Jh, 
grewelich,  mhd.  griuicelich,  griulich,  md.  grü- 
welich,  gridich,  ebenfalls  von  grauen  abge- 
leitet. 

Griehe,  f.,  in  Norddeutschland  Grehe,  bayr. 
auch  Griefe  (PI.  -n)-.  ausgeschmelzter  Fett- 
würfel. In  Mitteldeutschland  G^-iefe  f.  (1562 
bei  Mathesius  Sar.  80*),  bei  Luther  Griebe. 
Grihe  f.,  bayr.  nui-  im  PI.  Gr'iehen,  Greuhen, 
Schwab. -Schweiz,  Greube,  Grübe  f,  Mhd. 
griehe  m.,  spätmhd.  auch  greube  m.,  md.  gribe. 
griefe.  grlve  m.,  ahd.  griubo,  griebo  m.  (auch 
Röstpfanne),  in  der  Bibel  1483  Bl.  285''  (Ps. 
101,  4)  grieb  f.;  dazu  mnd.  greve,  grive  m., 
nnd,  greve,  grewe,  grebe  f.,  ags.  greofa,  engl. 
greaves  «Talggrieben»,  entlehnt  dän.  fedte- 
örrei;e,schwed.^re/t;ar PI. «Grieben».  Ursprung 
dunkel.     Zu  grob?     Vgl.  Groppen. 

Griebs,  m.  {-es,  PI.  -e):  Kerngehäuse  des 
Kernobstes;  Kehlkopf.  In  der  1,  Bed,  1482 
im  Voc.  theut.  n  1  ^  grubß  und  m  8  *  grobiß, 
auch  1420  grobiß  (Diefenbach  gl.  52*^),  woher 
nhd.  die  seltnere  Schreibung  Gröbst  im  mrhein. 
Voc.  ex  quo  von  1469  grubß  und  gribß, 
ältemhd.  &r^iibs  bei  Schmeller"-  1,  984  und 
1540  bei  Alberus  dict.  Ff  4^  Griebes.  Her- 
kunft unklar.  In  der  übertragenen  Bed, 
«Kehlkopf»  1596  bei  Hulsius  Gi'öhs,  nach 
dem  Volksglauben,  daß  dem  vor  Gott  er- 
schreckenden Adam  im  Paradiese  beim  Essen 
des  Apfels  (1.  Mos,  3,  6)  der  Gi'iebs  desselben 
in  der  Kehle  stecken  geblieben  sei;  die  Bed. 
Kehlkopf  auch  in  der  RA.  jem.  am  Griebs 
kriegen  «ihn  an  der  Kehle  packen».  In  Magde- 
burg spricht  man  Kripps.    S,  auch  Grotzen. 

Grieche,  m.  {-n,  PI.  -n),  Volksname,  Bei 
Luther  Grieche  und  Krieche,  auch  Greke, 
mhd.  Krieche,  ahd.  Chreh.  Kriah  (PL  Kriachi) 


767 


Griefe 


Grüle 


768 


und  Kriecho  m.;  dazu  mnd.  Gh'eke,  mndl. 
Grieck,  ags.  PI.  Crecas  und  Grecas,  Greacas, 
anord.  Grikkr  und  Girkr  m.,  got.  Ereks  ni. 
Aus  gleichbed.  lat.  Graecus,  gr.  fpaiKÖc  m. 
Vffl.Kossinna Festschrift. . .  K.  Weinholds  27 ff. 
Davon  grieclliscll ,  ad].,  bei  Luther  krie- 
chisch,  krichesch,  griechisch,  griegisch  und 
grekisch,  mhd.  kriechisch,  ahd.  crehhisc,  kriah- 
hisg,  dazu  mnd.  grekesch,  mndl.  griecks,  ags. 
eredsc    und    gregisc,    anord.    grikkskr    und 

Griefe,  s.  Griebe. 

grienen,  v.:  selbzufrieden  oder  schaden- 
froh lachen.  In  Norddeutschland.  Niederd. 
Nebenform  von  greinen  (s.  d.). 

Gries,  s,  Gh-ieß. 

Griesgram,  m.  (-5,  PI.  -e)-.  arge  Gräm- 
lichkeit; in  Grämlichkeit  Versunkener.  Mhd. 
grisgram  m.  «Zähneknii'schen».  Davon  die 
Adj.  griesgrämig,  bei  Goethe  und  Wieland; 
grisgrämisch,  bei  Wieland  und  gries- 
grämlich,  beiBörne;  Griesgrämlichkeit, 
bei  Seume,  Spazierg.  209.  griesgrameu, 
V. :  mit  den  Zähnen  aus  Wut,  Schmerz  usw. 
knirschen,  muiTen  (Kosegarten  Rhaps.  3,  195, 
Nie.  Werther  44),  mhd.  grisgramen,  -grammen, 
grustgramen  und  grisgrimmen ,  ahd.  griscra- 
mon,  gris-,  grus-,  cristcrinimon;  dazu  ahd. 
griscramod,  cristcrinmiod  m.  und  asächs.  grist- 
grimnio  m.  «Zähneknirschen»,  ags.  gristbitian 
«knirschend  beißen,  mit  den  Zähnen  knii'schen» 
(neben  gristbätian),gristbitung  und  gristbätung 
f.  <: Zähneknirschen».  Der  ei'ste  Wortbestand- 
teü  entspricht  dem  mhd.  gristen  «zerreiben, 
zermahlen»  (in  üggristen),  ags.  grist  «Zer- 
reibung»,  gristlung  f.,  «das  Knirschen»,  engl. 
grist  «das  zum  Malen  bestimmte  wie  das 
gemahlene  Getreide»,  wäkrend  im  zweiten 
Teü  des  deutschen  Wortes,  der  mit  dem 
ersten  alliteriert,  die  ahd.  Adj.  gram  und 
grim  «  zornig »  wechseln.  Bei  Luth er  5,  272  ^  J. 
(Fabeln  12  Neudr.)  sprichwörtlich  Gris  schlecht 
[schlägt]  gern  nach  gramen  «ein  Dieb  zeugt 
den  andern»,  schon  in  Steinhöwels  Äsop  88 
Österl. 

Grieß,  m.  [-es,  PI.  -e):  grobkörniger 
Sand;  grobgemahlenes  Getreide  zu  Speisen 
(s.  Grütze).  Mhd.  grie^  m.  n.  «Sandkorn, 
Sand,  Kiessand,  sandiges  Ufer,  Blasenstein, 
mit  Kiessand  bedeckter  Platz,  Kampfplatz», 
md.  gri§  m.,  ahd.  grio§  m.  n.  «Sand,  Kies, 
Strand»;  dazu  asächs.  griot,  greot  m.,  afries. 
gret,  ags.  greot  m.  «Sand,  Strand»,  engl,  grit 
«Sand,  Grütze»,  anord.  grjöt  n.  «Steine».    Zu 


mhd.  grienen  «zerkleinern,  zermalmen».  Statt 
der  seit  dem  15.  Jh.  üblich  gewordenen 
Schreibung  Gries  (Luther,  Schottel  1663, 
Stieler  1691,  Frisch  1741)  ist  erst  neuerdings 
wieder  Grieß  eingeführt.  Über  die  Herkunft 
s.  Graus,  Grauß.  Aus  dem  Germanischen 
entlehnt  prov.  greza  «grobkörniger  Sandstein», 
franz.  gres  m.  «Sandstein»,  afranz.  gresle, 
neufranz.  grele  f.  «Hagel»,  afranz.  gresille, 
neufranz.  gresil  m,  «Graupeln»,  ital.  greto  m. 
«steiniger  Ufersand».  ABL.  grießein,  v.: 
in  Gestalt  kleiner  Stücke  zerfallen  oder  nieder- 
fallen, 1775  bei  Adelung,  aber  1616  bei  Henisch 
tr.  griesen  in  kleine  Stücke  zermalmen». 
grießig,  adj.,  mhd.  grie^ich  «kömig»,  1562 
bei  Mathesius  Sar.  140^  grießlicht.  Grieß- 
mehl,  n.,  1482  im  Voc.  theut.  18*^  gries tnel. 
Grießwart,  Grießwärtel,m.:  (des  Kampf- 
platzes wartender)  Herold  bei  Kampfspiel 
oder  ernstem  Zweikampf,  mhd.  grie^wart  m. 
und  schwachbiegend  griegivarte  m,,  im  15.  Jh. 
auch  griesivartel,  grieswertel  m. 

Griff,  m.  [-es,  PI.  -e):  das  Greifen;  weid- 
männisch, Klaue  der  Raubvögel;  der  Teü 
eines  Werkzeugs,  an  dem  man  es  greift  und 
handhabt  (1691  bei  Stieler).  In  den  beiden 
ersten  Bed.  mhd.  grif  m.,  ahd.  nur  in  Zu- 
sammensetz, grif;  dazu  mnd.  grepe,  gripe  m., 
ndl.  grep,  ags.  gripe  m.,  engl,  gripe,  Island. 
grip,  schwed.  grepp,  dän.  greb.  Abstraktum 
zu  greifen.  Dazu  griffein,  v.:  wiederholt 
rasch  hintereinander  greifen,  spätmhd.  griffein. 

Griffel,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  ritzendes 
Schreibwerkzeug.  Mhd.  griffet,  ahd.  grifil  m. 
neben  vereinzeltem  greffel  und  graf  (ge- 
schi'ieben  zraf  Steinmeyer-Sievers  ahd.  Gl.  1, 
255,  24);  mit  späterer  Anknüpfung  an  Griff 
und  greifefi  (wie  Halter  von  halten),  entlehnt 
aus  gleichbed.  gr.-lat.  graphium  n.  (mlat.  auch 
graphiusm.),  gr.  Ypaqpeiov,  ypaqpiov  n.,  letzteres 
auch  «Pinsel»,  woher  ebenfalls  provenz.  grafis, 
afranz.  ^ra/e  «Griffel»,  nfranz.^re/fem.  «Schreib- 
stube». 

Grille,  f.  (PI.  -n):  zirpendes  Insekt;  (bild- 
lich) wunderlicher  Einfall.  In  der  1.  Bed. 
älternhd.  Grill  m.  (bei  H.  Sachs,  Duez 
1664),  mhd.  grille  m.,  ahd.  grillo  m.,  über- 
kommen aus  gi'.-lat.  gryllus,  gi'.  tP'J^^oc  m. 
«Heuschrecke,  Grashüpfer».  Die  bildliche 
Bedeutung  entwickelte  sich  wie  bei  Schnake, 
Mucke  (s.  d.),  im  15.  Jh.  bei  Eyb  2,  85,  24 
grillen  haberi  in  dem  Kopf  (Fastnachtsp.  5, 
298,  Trochus  1517  Ol'',  Liliencron  3,  474% 
Murner  Narrenbeschw.  85,  5  u.  Schelm.  9, 28), 


769 


Grimasse 


grob 


770 


schon  bei  den  Römern  der  Plur.  gyylli  «bi- 
zarre Zusammensetzungen  von  Tieren»  in 
der  Malerei.  ABL.  grillen,  v.:  zii-pen 
(Krämer  1678),  dann  Launen  haben,  ihnen 
nachhängen  (Rädlein  1711).  In  der  bildlichen 
Bed.  auch  mit  fremder  Endung  grillisieren, 
bei  Fischart  und  Philander,  von  Goethe  30, 
2-1:9  wieder  aufgefrischt,  grilleuhaft,  adj., 
1616  bei  Henisch.  grillig,  adj.,  1616  bei 
Henisch5rri7%«hh-nwietig».  ZUS.  Grilleil- 
fang,  m.,  1747  bei  Hagedom  moral.  Ged.  190. 
Grillenfänger,  m.,  1669  bei  Gi-immels- 
hausen  Simpl.  296.    Grillenfäugerei,  f., 

1673  bei  Weise  Erzn.  111.  grillenfänge- 
risch,  adj.,  1711  bei  Rädlein. 

Grimasse,  f.  (PI.  -n):  Gesichtsverzerrung, 
Zerrgebärde;  Verstelliing.  1714  bei  Wächtler 
der  PI.  Grhnacen.  Aus  gleichbed.  franz. 
(jrimace  f.,  das  nebst  span.  grimazo,  sowie 
span.  grimä  «Grausen,  Schaudern»  und  portug. 
engrimango  «Zerrbildung,  Betrug»  auf  ags. 
grlma  m.  «Maske,  Gespenst»,  anord.  grima  f. 
Maske, Larve»  oder  besser  auf  ah.d.*gnmmiz6n 
«wütend   sein»  zurückgeführt,  wird. 

Grimm,  m.  {-es):  heftige  Gemütsbitter- 
keit wogegen,  mhd.  grim  m.  Gebildet  aus 
dem  Adj.  grimm,  mhd.  grimme  und  grim, 
ahd.  grimmi  und  grim,  Adv.  grimmo  <' zornig, 
wild,  schrecküch»,  im  Ablaut  zu  ahd.  gram 
(s.  gram) ;  dazu  asächs.-afries.-ags.-engl.  grim, 
anord.  grimmr.  Entlehnt  prov.  grim  «b'etiübt», 
itai.grimo  «runzlicht»,  grimmig,  adj.,  mhd. 
grimmic,  grimmec,  ahd.  grimmig,  asächs.  ^n"w- 
mag.  Zu  mhd.  grimmen  (Prät.  gram,  Plur. 
grummen)  «wüten  vor  Schmerz,  Zorn,  Haß, 
brummen,  brüllen»,  asächs.  grimman  «toben», 
ags.  grimman  «wüten,  ungestüm  eilen»,  gri- 
metan  «toben,  bmllen»  (wie  ahd.  grami^^on, 
gremi^on).  Ui'verwandt  mit  lit.  grumenti  «aus 
der  Ferne  dumpf  donnern»,  apreuß.  grumins 
«Donner»,  abg.  grimeti  «donnern»,  gromü  m. 
«Donner»,  gr.  xpöuaboc  m.  «das  Knirschen», 
XpeuiZeiv  «wiehern»,  aw.  granta  «erzürnt», 
npers.  yaram  «Grimm».  Grimmen,  n.,  in 
Bauchgrimmen  (s.  d.)  steht  statt  Krimmen 
(s.  d.),  aber  schon  spätmhd.  grimme  m.  ; Bauch- 
grimmen»; daher  nhd.  Grimmdarm,  m.:  der 
weiteste  dicke  Darm  (lat.  colon)  als  Sitz  des 
Bauchgrimmens,  derKohk.   1775  bei  Adelung. 

Grind,  m,  {-es,  PI.  -e):  Ausschlag;  harte 
Rinde  auf  einer  Wunde,  einem  Geschwüre; 
der  Kopf.  In  den  beiden  ersten  Bed.  mhd. 
und  ahd.  grint  m.,  im  Mhd.  auch  «Kopf- 
grind» und  dann  verächtlich  für  «Kopf». 
Weigand.  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


Ablautend  zu  Grand  (s.  d.).  Davon  grin- 
dicht,  grindig,  adj.,  mhd.  grinteht,  grindeht, 
im  15.  Jh.  grindig. 

grinsen,  v.:  zähnebleckend  das  Gesicht 
verziehen.  Bei  Bürger  200,  Schiller  11,  254 
und  13,  108  in  der  Schi-eibung  grinzen,  bei 
Weiße  kom.  Op.  3,  25  u.  36  (Jagd  1,  7  u.  2,  l) 
in  der  Bed.  «weinerlich  tun»,  me  1691  bei 
Stieler  grinsen  «weinen».  Norddeutsch  hat 
es  niu*  die  Bedeutung  «lachend  das  Gesicht 
verziehen».  Abgeleitet  von  mhd.  grinnen 
«knirschen»,  gleichen  Stammes  wie  greinen 
(s.  d.  und  gransen). 

Grippe,  f.:  herrschendes  Schnupfenfieber, 
Influenza.  Erst  nach  1782,  wo  sich  von 
Rußland  aus  die  Krankheit  über  ganz  Europa 
verbreitete.  Aus  gleichbed.  franz.  grippe  f., 
und  dies  nach  Wasmer  ZfdW.  9,  21  aus 
niss.  chripi'i  m.  «Heiserkeit». 

Grips,  m. :  Verstand,  Fassvmgskraft.  Ndd. 
Vielleicht  zu  greifen,  aber  die  Ableitung  bleibt 
unklar. 

grob,  adj.  (Komp.  gröber,  Superl.  gröbst): 
an  Masse  stark  und  groß;  unfein.  Mhd.  grop, 
grob,  auch  einmal  gerop,  md.  grob,  grab  «dick, 
ungebildet  derb,  nicht  wohl  angemessen», 
ahd.  gerob  «dick,  wohlbeleibt,  tief  d.  i.  rauh 
tönend»,  Adv.  gerobo,  grobo  «tieftonig,  un- 
geschickt», dazu  mnd.-mndrhein.-mndl.  grof. 
Ein  Wort  unbekannter  Herkunft,  das  auch 
ins  Slavische  überging  (russ.  grubyj).  ABL. 
gröbern,  v.:  in  vergröbern  1719  bei  Ej-amer 
1,436^  neben  vergröben,  heHiuther  e^itgröben. 
Groblieit,f.,  mhd.  grop-,  grobheitt  Grobian, 
m.  {-s,  PI.  -e):  grober,  ungebildeter  Mensch, 
1482  im  Voc.  theut.  e  4^  «bauer,  rusticus» 
grobianus,  1494  bei  Brant  Xarr.  72, 1  Grobian, 
eine  komische  deutsch-lat.  Bildung  der  Hu- 
manisten mit  der  lat.  Endung  -änits.  gröb- 
lich, adj.,  mhd.  grobelich  «groQ,  stark,  heftig», 
Adv.  grobeliche,  im  15.  Jh.  gröblich.  ZUS. 
Grobgrün,  n,  (-s,  PL  -e):  seidner  oder 
wollner  Stoff  mit  groben  und  dicken  Fäden, 
Bei  Frisch  mit  Beleg  von  1500,  aber  1575 
bei  Fischart  Garg.  450  und  1678  bei  Krämer 
Grobgriin,  dazu  mnd.  im  16.  Jh.  grofgrön. 
Umgedeutet  aus  gleichbed.  franz.  gros  (p'ain, 
ital.  grosso  grano  m.  (woher  auch  ndl.  grof- 
greyn),  von  mlat.  grossus  «dick»  und  lat. 
gränum  n.  «Korn,  Kern».  Grobschmied, 
m.:  Eisenschmied,  der  nur  grobe  Arbeiten 
fertigt  (nicht  feine  künstliche  wie  Schlösser 
usw.),  1640  bei  Comenius,  aber  schon  im 
15.  Jli.    gropwerk    «grobe    Schmiedearbeit» 

49 


771 


Gröbs 


groß 


772 


(Ortloff  Distinct.  1,  298).  Orol)zeug,  n.: 
geringes  Volk,  Pack,  umgedeutet  aus  Krop- 
zeug  (s.  d.) 

Gröbs,  s.  Griebs. 

Grog,  m.  {-s,  PI.  -s):  heißes  Getränk 
aus  Rum  und  Wasser  mit  Zucker.  Im  19.  Jh. 
aus  gleichhed.  engl,  grog,  angeblich  benannt 
nach  dem  Spitznamen  des  engl.  Admirals 
Yernon  (wegen  seines  Rockes  aus  Kamel- 
haarstoöj  engl,  grogram),  der  zuerst  dies  Ge- 
tränk anstatt  unvermischten  Rums  unter  die 
Matrosen  austeilen  ließ. 

grölen,  in  Bayern  und  ÖsteiTeich  auch 
gröhlen,  v.:  mißtönig  schreien.  Bei  Gott- 
werth  Müller  Siegfr.  v.  Lindenb.  1,71  gröhlen, 
1623  bei  dem  Pfarrer  Braun  zu  Grünberg 
in  Hessen  (Decas  XI,  1)  grollen  und  brüllen. 
Mittel-  und  niederdeutsch.  Vielleicht  ver- 
wandt mit  mhd.  grellen  (s.  grell). 

Groll,  m.  {-es) :  heimlicher  finsterer  Zorn. 
Mhd,  im  14.  Jh.  grolle  m.,  bei  Luther  Groll 
und  Grolle  m.  grollen,  v.,  um  1480  im 
Voc.  ine.  teut.  k  4^  grullen  (Var.  grollen), 
md.  im  14.  Jh.  substantivisch  ividdirgrullin 
n.  «Gegengrollen,  Gegenwehr».  Dazu  mhd. 
grullen  «höhnen,  spotten»,  verwandt  mit  mhd. 
grellen  (s.  grell). 

grölzen,  v.:  rülpsen,  grunzen.  1586  bei 
Mathesius  Syrach  2,  44^  gröltzen,  dazu  bei 
Emmelius  1592  das  Subst.  Gröltz  m.  «Rülps». 
Vielleicht  zu  grellen  (s.  grell). 

grommeln,  s.  grummeln. 

Gropp,  m.  (-es,  PI.  -en)  und  Groppe,  f. 
(PI.  -n):  der  dickköpfige  Fisch  Cottus  gobio, 
Kaulbarsch.  Mhd.  groppe  m.,  ahd.  groppo  m. 
Vielleicht  aus  mlat.  carabus,  corabus  ra.  (im 
Voc.  opt.  Nr.  40,  23  «carebus»  groppe). 

Groppen,  m,  {-s,  PI.  wie  Sg.):  weiter 
eiserner  Kochtopf.  Bei  Luther  7,  304^  J. 
Grope,  Gropen  m.  und  1542  in  seiner  Haus- 
rechnung Groppen,  spätmhd.  im  15.  Jh.  grope, 
groppe,  im  14.  Jh.  grop  m. :  dazu  mnd.  grope, 
gropen,  grapen,  nnd.  grapen  m.,  ^'ieUeicht  auch 
ahdi.griupo  m.  «Röstpfanne»  und  weiter  norw. 
dial.  graup  f.  «Einschnitt,  Kerbe»,  anord. 
greypa  «in  einen  Falz  einfügen». 

^Gros  (spr.  groh)  n.:  Hauptmasse  des 
Heeres.  1648  bei  Kemnitz  schwed.  Krieg  1, 
305^.  Aus  gleichhed.  franz.  gros  m.,  von 
franz.  gros  «dick,  stark,  beträchtlich»,  mlat. 
(6.  Jh.)  grossus  «dick». 

^GrOS  (spr.  Gros)  n.  (ohne  Biegung): 
12  Dutzend  oder  144  Stück.  1702  bei  Mar- 
perger  Kauffmannsmagazin  557  (nach  Kluge) 


und  1712  bei  Hübner  Qroß.  Wie  ndl.  gros 
aus  gleichhed.  franz.  grosse  f.  (16.  Jh.),  ge- 
kürzt aus  franz.  grosse  douzaine  «  Großdutzend  », 
von  franz.  gt^os,  s.  ^Gros. 

Groschen,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  ehemalige 
deutsche  Sübermünze,  an  Wert  12  Pfennige 
preuß.,  10  Pfennig  jetziger  Reichsmünze.  Mhd. 
(14.  Jh.)  gros,  grosse  m.,  im  15.  Jh.  grosch, 
grosche,  dazu  clevisch  1477  crosche.  Aus  mlat. 
(13.  Jh.)  grossus,  eig.  «denarius  grossus»  Dick- 
pfennig von  Silber  oder  Gold,  woher  auch 
franz.  gros,  ital.  grosso  m.  «Groschen»,  von 
mlat.  (6.  Jh.)  grossus  «dick».  Davon  das 
Dim.  GrÖSChel,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Drei- 
pfennigstück, Dreier.  Schlesisch,  fiiiher  auch 
in  Österreich.     1741  bei  Frisch. 

groß,  adj.  (Koimp.  größer,  Superl.  größt): 
beträchtlichen  Raum  einnehmend;  (abstrakt) 
vor  anderm  ausgezeichnet.  Mhd.  und  ahd. 
gro^  (Komp.  mhd.  größter,  ahd,  grö^^er,  Sup. 
mhd.  grcezist,  groest):  dazu  asächs.  und  nnd, 
gröt,  mndl.  groot,  ags.  great,  engl,  great.  Her- 
kunft unklar.  Verwandtschaft  vait  \at.  grandis 
«groß»  ist  wegen  des  Vokalismus  (urgerm. 
graut)  kaum  möglich.  Eher  gehört  anord. 
grautr  m.,  dän.  gröd  «Grütze»  dazu.  Dann 
wäre  die  ursprüngl.  Bedeutung  «grobkörnig». 
ABL.  Größe,  f.,  mhd.  grcege,  ahd.  grö^i  f. 
größern,  v.,  im  16.  Jh.  grössern  (Serranus 
1538,  Schwartzenbach  1580),  nui-  noch  in 
vergrößern:  mhd.  bloß  größten,  md.  grölen 
«groß  machen,  groß  werden».  Großhelt,  f., 
oft  bei  Goethe,  mhd.  grogheit  f.  ZUS.  groß- 
artig, adj.,  nach  Immermann  Epigonen  um 
1830  in  Berlin  aufgekommen,  großherzig, 
adj.,  1629  bei  Opitz  1,  149  groshertzig ;  Groß- 
herzigkeit, f.,  1691  bei  Stieler.  Großherzog, 
m.,  bei  Fischart  Garg.  392  und  Bienk.  133", 
nach  ital.  gran  duca  (zuerst  1569  als  Titel  des 
Mediceers  Cosimo  I.  von  Florenz).  Groß- 
hundert,n.:  duodezimalesHundert,  120  Stück, 
1775  bei  Adelung  ein  großes  Hundert,  Groß- 
hundert nebst  Ch'oßtausend  n.  (1200  Stück), 
im  16.  u.  17.  Jh.  im  Fischhandel  der  Nordsee- 
städte (1651  bei  ColerusHausb.  326^,  1532  bei 
Köbel  Rechnen  S.  120).  Die  Zählung  nach 
Großhunderten  ist  bereits  im  Altnord,  und  bei 
den  Goten  vorhanden,  großjährig,  adj., 
volljährig,  mündig,  bei  Adelung  1796.  groß- 
mächtig,  adj.,  1478  bei  Nicl.  v.  Wyle  354,  1 
im  Titel  von  Kaiser  und  König,  1420  bei 
Diefenb.  gl.  152^  in  der  Bed.  «wohlbeleibt». 
Großmaul,  n.,  1561  bei  Maaler.  Großmut, 
f.,  1691  bei  Stieler:  großmütig,  adj.,  1440 


773 


Grossist 


grün 


774 


bei  Diefenb.  gl.  S-iS^  großmüttig ,  später  im 
15.  Jh.  großmütig,  aber  schon  md.  im  14.  Jh. 
grögemfäikeit  f.  Großmulter,  f.,  spätmhd. 
im  15.  Jh.  großmiiter.  Großpapa,  m.,  bei 
Günther  667.  Großsprecher,  m.,  iml5.  Jh. 
großsprecher  (Diefenb.  gl.  268  ^'j;  großspre- 
cherisch, adj.,  1648  bei  Zesen  Ibr.  353. 
großtuig,  adj.,  bei  Goethe  80,  229,  schon 
1517  bei  Keisersberg  Brösamlin  1,  49^:  groß- 
tun,  V.,  1691  bei  Stieler.  Großvater,  m., 
1401  in  Frankf.  Eeichskorr.  1,  578  großvater. 
Die  adverbial.  Genitiwerbindung  größten- 
teils  1716  bei  Ludwig. 

Grossist,  m.  [-en,  PI.  -en):  Großkauf- 
mann, Großhändler,  der  nur  en  gros  (mndl. 
int  gros,  bei  Krämer  1678  in  Groß)  verkauft. 
1801  bei  Campe  neben  Grossierer  (schon  1616 
bei  Henisch),  ndl.  1598  grassier,  aus  gleich- 
bed.  franz.  grossier.  mlat.  grossarius  m. 

grotesk,  adj.:  phantastisch,  wunderKch, 
grillenhaft.  Bei  Jamnitzer  Xeüic  G-rotessken- 
Buch,  Nürnberg  1610,  aber  schon  1575  bei 
Fischart  Garg.  17  grubengrotteschische  Krug. 
Aus  franz.  grotesque,  nach  ital.  grottesco,  urspr. 
«nach  Art  der  Grottengemälde»  (in  den  die 
Grotten  genannten  Trümmern  von  dem  Pa- 
laste des  Titus  zu  Eom),  also  abgeleitet  von 
ital,  grotta  (s.  Grotte). 

Grotte,  f.  (PI.  -n):  gewölbte  Höhle,  bes. 
künsthche.  Bei  Opitz  2,  248  Amst.  und 
Moscherosch  Phü.  (1650)  1,  58,  Grotta  1617 
im  t.  ilichel  29.  Aus  franz.  grotte,  ital.  grotta  f., 
afranz.  noch  crote  f.  «Höhle»,  wie  prov.  crota 
f.,  hervorgegangen  aus  gi\-lat.  cryjpta,  crupta 
f.,  mlat.  grupta,  gr.  kputttti  f.  «Grotte,  Gruft». 

Grotzen,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Griebs, 
Kerngehäuse.  Mundartlich.  Im  ersten  Viertel 
des  16.  Jh.  gndz,  im  15.  Jh.  gricz  (Diefenb. 
gl.  52*=),  im  14.  Jh.  grütz  (Megenberg  374,7), 
in  der  Bed.  «Kehle»  mittelgrütz  (Xümb.  Pol.- ! 
Ordn.  226).     Vielleicht  zu  Grütze. 

Grnbe,  f.  (PI.  -n)  -.  eingegrabene  Vertie- 
fung, Mhd.  gruohe,  ahd.  gruoha  f.:  dazu 
andfränk.  gruova,  engl,  groove,  anord.  gröf, 
got.  gröha  f.  Von  graben  (s,  d.).  ABL. 
Grübchen,  Grühlein,  n.,  mhd,  grüebelin, 
ahd.  gruohili  n.  GrÜbliug,  m.:  eine  Art 
Apfel  mit  Narben,  Art  eßbarer  erdfarbener 
narben voller  Schwämme,  1741  bei  Frisch. 

grübeln,  v.:    bohrend  graben;   hin  und  j 
her   bewegend   kratzen,   ritzen;    eindringend' 
wonach  forschen  oder  denken.    In  der  1.  Bed. 
mhd.  grübelen,  ahd.  grubilön,  spätmhd.  auch 
«genau   nachforschen».     Dazu    anord.   grufa 


'«krabbeln»,  norw.  gruvla,  gryvla  «graben». 
Ableitung  von  graben.  ABL.  Grübelei,  f., 
1775  bei  Adelung.  Grübler,m.,  1664  beiDuez. 

Grude,  f.  (PI.  -n)-.  heiße  Asche;  eine  Art 
Ofen,  in  dem  man  die  Töpfe  in  die  heiße 
Asche  setzt.  Norddeutsch.  Mnd.  grude  f. 
(von  1417  und  1425).  1595  bei  Piollenhagen 
Froschm.  2,  2,  4   Graud  f. 

Gruft,  f.  (PI.  Grüfte):  Erdhöhle;  Toten- 
gewölbe. Noch  ältemhd.  bisweüen  Kraft 
(Golius  1582),  mhd.  kruft,  gruft,  ahd.  cruft, 
grüß  f.  «imterirdischer  Raum,  Höhle».  Mit 
Anlehnung  an  graben  und  Grube  aus  mlat, 
grupta,  gr.-lat.  crypta  f.  «Gewölbe,  Gruft», 
gl".  KpüTiTri  f.  «unterirdisches  Gewölbe»,  zu 
gr.  KpuTTxeiv   «verbergen». 

grummeln,  v.:  fem  donnera.  1786  bei 
Bode  Jones  4,  264,  grommeln  bei  H.  Heine  2, 
367.  Niederdeutsch  (1741  bei  Frisch  auch 
murmeln).  Zu  mnd.  grummen  «ein  dumpfes 
Getöse  machen,  brummen»,  das  im  Ablaut  zu 
mhd.  grimmen  steht  (s.  näheres  unter  grimm). 

Grummet,  Grumt,  n.  (-s):  Zweite  Mahd 
des  Wiesengrases.  Bei  Luther  Grumet,  1540 
bei  Alberus  dict.  qq  2^  Grummath,  1538  bei 
Serranus  Grommat,  im  15.  Jh.  grüamat,  grü- 
mad,  grömad,  grummat,  1420  in  Elsen  v.  Holcz- 
husen  Inventar  im  Archiv  zu  Frankfui-t  a,  M, 
grümat,  verkürzt  aus  Grün-Mahd  «Gras,  wel- 
ches grün  (unreif)  gemäht  wird,  nicht  reif 
wie  das  Heu».    Vgl.  Mahd  und   Olimet. 

grün,  adj.:  pflanzenfarbig;  saftvoll,  frisch 
(im  Gegensatz  zu  dürr  «getrocknet»);  unreif, 
unzubereitet  (Aventin  4,  446,  31);  unerfahren 
(bei  Luther  1,  328*>  Eisl.).  In  der  1.  und 
2.  Bed.  mhd.  grüene,  rad.  grüne,  ahd.  gruoni: 
dazu  asächs.  gröni,  mnd.  gröne,  mndl.  groen, 
afries,  grene,  ags.  grene,  engl,  green,  anord. 
gröenn,  schwed.-dän.  grön.  Zu  mhd.  grüejen, 
ahd.  gruoan,  grüan  «grün  sein,  wachsen», 
mnd.  groien,  groen,  mndl.  groeyen,  afries. 
gröia,  ags.  gröivan,  engl,  grozv,  anord.  gröa. 
RA.  jem.  nicht  grün  sein  «nicht  günstig  ge- 
sinnt», bei  Luther  61,  223  Erl,  im  Simpli- 
ciss,  235,  grüne  Seite  «die  linke,  die  Herzens- 
seite, bisweilen  auch  die  rechte»,  1582  bei 
Fischart  Garg.  136  und  381.  SubstaQti\äsch 
Grün,  n.,  1561  bei  Maaler,  als  Farbe  im 
Kartenspiel  1575  im  Theatrum  diabolorum 
438''  (von  1561),  vgl,  Laub.  ABL.  Grüne, 
f.,  mhd.  grüene,  ahd.  gruoni  f.  grünen,  v.: 
grün  sein  oder  werden,  mhd.  graonen,  md. 
grünen,  gruonen,  seit  dem  13.  Jh.  beginnt  da- 
für grüenen  (eig.  «grün  machen »j  einzutreten, 

49* 


775 


Grund 


Gründonnerstag 


776 


i^runeln,  v.:  nach  frischem  Grün  riechen, 
bei  Goethe  6,  27  und  Faust  8266.  grün- 
licht,  adj.,  mhd.  im  14.  Jh.  griienlot  Grün- 
ling, m.:  eine  Bimenart  (1691  bei  Stieler 
neben  Grünlinger  m.  «eine  Apfelart  von 
giüner  Farbe»;  der  Grünfink  (1557  bei  Heuß- 
iinVogelb.  67^).  ZUS.  Gründonnerstag, 
m.,  bei  Luther  1538  Griindornstag,  mhd.  um 
1200  der  grüene  donnerstac,  mnd.  1355  der 
grone  donerstag.  Die  Benennung  bildete  sich 
nach  mlat.  dies  viridium  «Tag  der  Grünen» 
d.  h.  der  öffentlichen  Büßer,  die  nach  der 
während  der  Fastenzeit  vollbrachten  Buße 
von  ihren  Vergehungen  und  Kirchenstrafen 
losgesprochen  und  als  Sündenlose  wieder  in 
die  Gemeinschaft  der  Christen  aufgenommen 
wurden,  um  zur  heil.  Abendmahlsfeier  zu- 
gelassen zu  werden.  Jene  Lossprechung  und 
damit  auch  diese  Zulassung  waren  eine  Haupt- 
handlung in  der  fi'ühem  Kirche  am  Donners- 
tage vor  Ostern  als  am  Tage  der  Einsetzung 
des  heil.  Abendmahles,  wde  auch  der  Name 
AnÜaßtag,  mhd.  antlä^fac  «Tag  des  Erlasses 
der  Kirchenstrafen  und  der  Wiederaufnahme 
in  die  Kirchengemeinde»  zeigt.  Daß  aber 
viridis  in  der  mlat.  Kirchen-  und  Kanzel- 
sprache nach  Luk.  23,  31  in  viridi  ligno  auch 
die  Bed.  «sündlos»  hatte,  erhellt  aus  Melber 
1482  Ff  2^  viridis,  ein  grünender,  der  da  on 
snnde  ist,  grün.  Grüukern:  Kerne  von 
«unreifem»  Getreide  zur  Suppenbereitung. 
Erst  in  der  neuern  Zeit.  Grünspan,  m. 
(-S,  PI.  -e):  grüner  Kupferrost,  1558  bei  Eber 
und  Peucer  N  2  *  G^ilnsjmn  oder  spanschgriin, 
1482  im  Yoc.  theut.  n2^  grunspan  oder  span- 
grun,  ebenso  1470  grunspan,  neben  spätmhd. 
spän-,  spensgrüen  «spanisch  Grün»,  mlat.  vi- 
ride  Mspannm  oder  hispanicum,  weil  als  Kunst- 
produkt (Kupferoxyd  verbunden  mit  Essig- 
säure) aus  Spanien  zuerst  zu  uns  gebracht. 
Grünspecht,  m.:  oben  gi'üner  Specht,  picus 
viridis,  mhd.  gräen-,  gruonspeht,  ahd.  gruon- 
spelit  m.  (Steinmej^er-Sievers  3,  21,  39). 

Grund,  m.  {-es,  PI.  Gründe):  Erdboden; 
das  Unterste  wovon.  IVIhd.-ahd.  grünt  m., 
md.  auch  f.;  dazu  asächs.  grund  m.,  mnd. 
grünt  f.  (selten  m.),  mndl.  grond,  afries.  grund, 
grond  m.,  ags.  grund  m.,  engl,  ground,  anord. 
grund  f.  «Feldfläche»,  grnnnr  m.  «Grund, 
Boden»,  got.  in  grundmcaddjus  «Grundmauer». 
Im  Mhd.  auch  «Abgi-und,  schmales,  tief  ein- 
geschnittenes Tal,  Schlucht,  Niederung,  Ebene, 
Grundstück,  Grundeigentum,  (im  14.  Jh.)  Ur- 
sprung, Ursache»,    im  Mnd.   «der  wirkliche 


Sachverhalt,  auf  dem  alles  beruht».  Die 
Herkunft  ist  unsicher.  Vielleicht  im  Ablaut 
zu  Grand  (s.  d.)  stehend.  Vgl.  noch  Meringer 
Wiener  SB.  144,  6,  70,  Uhlenbeck  Btr.  30,  284. 
Davon  Grundel,  f.  (PI.  -n):  die  auf  dem 
Grunde  des  Wassers  sich  aufhaltende  Fisch- 
art gobius,  mhd.  grundel  m.,  spätahd.  grun- 
dila  f.  gründen,  v.,  mhd.  gründen  «auf 
den  Grund  kommen,  Grund  finden,  festen 
Gi'und  für  etwas  legen,  erforschen,  gründ- 
lich erörtern,  kundgeben»,  ahd.  gründen  «er- 
gründen, erörtern»;  dazu  ags.  gryndan  «zum 
Grund  kommen»,  anord.  grunda  «denken». 
Gründer,  m.,  1691  bei  Stieler,  neuerdings 
seit  dem  7.  Jahrzehnt  des  19.  Jh.  «schnellen 
Reichtum  erstrebender,  schwindelhafter  Unter- 
nehmer von  Bauwerken  oder  einem  Geschäft». 
grundieren,  v.:  den  Grund,  worauf  etwas 
hervortritt,  kunstgemäß  zubereiten,  bei  Goethe 
2,  182  neben  gründen  46,  377  fg.  {gründen 
1691  bei  Stieler),  gründlich,  adj.,  mhd. 
gruntlich,  im  Adv.  ahd.  gruntWiho,  md.  1329 
gruntllclien,  1343  grüntUchen  (Germ.  28,  369); 
Gründlichkeit,  f.,  1732  bei  Gottsched. 
Gründling, m.:  die  Grundel, im  15.  Jh.  (/rwwt^e- 
linc,  1425  grundelingh  (Diefenbach  gl.  252''  und 
nov.  gl.  186^).    ZUS.  Grundbesitzer,  m., 

1775  bei  Adelung.  Grundbirue,  f. :  Kartoffel, 
in  der  Lausitz  und  Meißen  zunächst  die  eß- 
bare knollige  Wurzel  der  Pflanze  Helianthus 
tuberosus,  dann  im  18.  Jh.  auf  die  Kartofiel 
übertragen  (volksmäßig  GronwiMr).  gruud- 
1)ÖS,  adj.,  mhd.  grnnthoese.  grundfalsch, 
adj.,  1739  bei  Liscow  423.  Gruudfeste,  f., 
mhd.  gruntveste.  Grundherr,  m.,  mhd. 
grunfherre.  Grundlage,  f.,  1625  bei  Stettier 
Schweitzer-Chron.  292.  Grundlinie,  f.,  1558 
bei  Rivius  Büxenmeisterey  3,  1,  15^  Grund- 
Uni  f.  grundlos,  adj.,  mhd.  gründe-,  grunt- 
16s,  ahd.  grunÜös,  ags.  grundleas;  Grund- 
losigkeit, f.,  md.  im  14.  Jh.  grundelösikeit, 
gruntlösekeit.  Grundriß,  m.,  1648  bei  Zesen 
Dögens  Baukunst.  Grundsatz,  m.,  1641 
bei  Schottel  378.  Grundsprache,  f.,  1644 
bei  Harsdörffer  Gespr.  1,  244.  Grundstein, 
m.,  beiLuther;  äazn ags. grundstänm.  Grund- 
stück, n.,  1641  bei  Schottel  378.  Grund- 
SUppe,  f.,  bei  Luther  W.  8,  292,  mhd.  grunt- 
sopfe.  Gruudwelle,  f.,  mhd.  grantweUe. 
Grundwort,  n.,  1641  bei  Schottel  346. 
Grundzins,  m.:  auf  einem  Grundstück 
lastende  feste^Geldabgabe.  1734  bei  Steinbach. 
Gründonnerstag  usw.,  s.grün.  gruneln, 
s.  grün.     Grüuitz,  s.  Krinitz. 


777 


grunzen 


Gruillotine 


778 


grunzen,  V.,  vom  rauhen  dumpfen  Sckreien 
des  Schweins.  ^Ihd.-ahd. grunzen  «einen  rauhen 
tiefen  Ton  aus  der  Kehle  hören  lassen»,  ahd. 
auch  «im  Unmut  das  Gesicht  verziehen»  (lat. 
caperare),  ferner  ahd.  grunnizof  m.  «das 
Grunzen»;  dazu  engl,  grünt  «grunzen».  In- 
tensivum  zu  mhd.  grinnen,  ags.  grunian 
«knirschen,  grunzen»,  die  wie  ahd.  grün  m. 
und  grunm  f.  «Jammer,  Stöhnen»  im  Ablaut 
stehen  zu  ahd.  granön  «gnmzen»,  mhd.  grauen, 
grannen  «weinen,  flennen»  (vgl.  grausen,  grin- 
sen). Vielleicht  lautmalenden  Ursprungs,  wie 
lat.  grimmre,  gr.  YPÜ^eiv  «grunzen». 

Gruppe,  f.  (PI.  -n):  Zusammenstellung 
mehrerer  Gegenstände  zu  einem  Ganzen.  1712 
bei  Hübner  Groupe,  aufgenommen  aus  franz. 
groupe  m.  «ein  Haufe  Figuren»,  ital.  groppo, 
gruppo  m.,  eig.  «Klumpen,  Pack»,  die  selbst 
wieder  dem  Germanischen  entstammen  (s. 
Kropf).  Davon  gruppieren,  v.,  1766  bei 
Le.ssing  Laokoon  122  (So.  11). 

Grus,  m.  {-es):  Schutt.  Niederdeutsche 
Form  für  Graus,  s.   -Grans. 

gruseln,  v.  impers.  mir  gruselt:  über- 
läuft schreckhaft  die  Haut.  1663  bei  Schöns- 
leder, grüsseln  bei  H.  Sachs  20,  7  grieselen 
1691  bei  Stieler  (auch  Goethe  42,  2, 89  grieseln), 
mhd.  griuseln,  Intensiv  von  mhd.  grüsen 
«grausen»  (s.  d.).  1499  im  Terenz  deutsch 
39*  ich  grusel. 

Oruß,  m.  (-es,  PI.  Grüße):  freuiidlicher 
oder  feindlicher  Anruf  als  Zeichen  der  Ge- 
sinnung. ]\Ihd.  grvo^  m.,  auch  «feindliches 
Entgegenkommen,  Angriff,  Leid»,  md.  grü^, 
grög,  mnd.  gröt  m.  Von  grüßen,  v.,  mhd. 
gi-iie^en  (einmal  gruetzen),  md.  grüben,  ahd. 
gruogan  «an  jem.  kommen,  herausfordern,  an- 
treiben», dann  «amiifen,  anreden,  angi-eifen, 
freundlich  und  mit  Wunsch  anrufen»;  dazu 
asächs.  grötjan  «anreden»,  mnd.  graten,  gruten 
«zum  Kampfe  auffordern,  grüßen»,  mndl. 
groeten,  grueten,  ags.  gretan  «feindlich  an- 
greifen, grüßen»,  engl,  greet  «giiißen».  Viel- 
leicht zu  got.  gretau  «weinen»,  vgl.  graß. 

Grütze,  f.  (ohne  PI.):  grob  gemahlenes, 
ausgehülstes  Getreide;  Brei  daraus;  bildlich 
Verstand.  In  den  beiden  ersten  Bed.  bei 
Luther  Grütze,  Grutz  f.,  mhd.  grillze  n.  m. 
«Grobgemahlenes,  Giützbrei»,  ahd.  gruzi, 
gruzze  n.  «Kleie,  Schrot»;  dazu  mnd. -mndl. 
gorte  f.,  ags.  gryita  f.,  engl,  grit  «Grütze», 
anord.  grautr  m. « Grütze»,  dän.  gröd.  Gleichen 
Stammes  wie  Grieß  (s.  d.)  und  mhd.  grüg  m.  f. 
«Korn»  (von  Sand  oder  Getreide),  urverwandt 


mit  lit.  grüdas  m.  «Getreidekorn»,  abg.  gruda 
f.  «Scholle»,  kymr.  gro  «Grieß»,  lat.  rüdus  n. 
«zerbröckeltes  Gestein».  Aus  dem  Germa- 
nischen entlehnt  ital.  gruzzo,  gruzzolo  m. 
«Haufe  zusammengetragener  Dinge»,  aft-anz. 
'  gruel,  n£ranz.  gruau  m.  «Grütze».  In  der 
bildhchen  Bed.  «Verstand»  (bei  Günther  518 
ein  Kopf,  der  von  Xat/ir  mehr  Spreu  als 
Grütze  führt)  ist  Grütze  umgedeutet  aus 
ältemhd.  Kritz  m.  (noch  hess.  Gritz  m.  «Ver- 
j  stand,  Scharfsinn»),  1685  im  Simpliciss.  2,  500 
\tveder  Witz  oder  Kritz,  bei  Eädlein  1711 
i  iveder  Grütz  (Gritz)  noch  Witz  haben,  öfter 
bei  Seb.  Franck  vil  Kritz  in  der  Nasen  haben 
(Moriae  encom.  91  u.  149,  Guldin  Arch.  5^, 
Sprichw.  1,  90^)  sowohl  «Schlauheit»  als 
«Vorwitz»,  eig.  «Kitzel»,  zu  ältemhd.  kritzeln 
«kitzeln,  jucken»  (16.  und  17.  Jh.). 

Guck,  m.:  Blick,  nur  in  der  Redensart 
nur  auf  einen  Guck  kommen  und  in  Zu- 
sammensetzungen ^'le  Ausguck.  Von  gucken, 
V.:  nach  etwas  ausschauen,  neugierig  sein. 
Bei  Luther,  Schuppius,  Voß,  Goethe  1,  193 
mit  nd.  Schreibung  kucken,  bei  Maaler  1561 
guggen,  mhd.  gucken,  gucken,  im  15.  Jh.  gugen, 
gugken.  Mnd.  kiken,  nd.  kieken  ist  kaum 
vei-wandt,  berührt  sich  aber  eng  mit  unsenn 
Wort.  ABL.  Gucker,  m.,  1565  bei  Para- 
celsus  opus  chii'urg.  30,  mnd.  kiker  m.  ZUS. 
Guckkasten,  m.,  bei  Lessing  6,  106. 

Gückelhahn,  s.  Gockel. 

Guer(r)illa  (sprich  ge-),  f.  (PI.  -s) :  kleiner 
Krieg;  Streifscharen.  Aus  dem  span.^Men'iZZaf. 
«kleiner  Krieg»,  von  guerra  f.  «Krieg»,  fi-anz. 
giierre,  das  dem  Deutschen  (ahd.  iverra  zu 
icirren)  entstammt. 

Gufe,  s.  Glufe. 

Gugelhopf,  m.  {-es,  PL  -e):  Backwerk 
aus  weißem  mit  Hefe  gegorenen  Mehlteig 
in  einer  mit  Butter  u.  dgl.  bestrichenen  kleinen 
runden  Form  gebacken.  Bayr.  Gugelhupf, 
Gogelhopf,  wohl  nach  der  hauben-,  bund- 
ähnlichen Gestalt,  zgs.  aus  mhd.  gugele  f. 
«Kapuze»  (s.  Kogel)  und  einer  Nebenform 
von  bayr.  Hepfen  f.  «Hefe»  (zu  ahd.  hepfan 
«heben»). 

Guido,  Mannsname,  langobardische  und 
dann  italienische  Form  des  ahd.  Namens 
Wito,  Wido,  von  ahd.  tcitn  n.  «Holz»  (vgl. 
Wiedehopf). 

Guillotine,  f.  (PI.  -n):  das  Fallbeil,  die 
1789  vom  franz.  Arzt  Guillotin  (f  1814)  ei-- 
fundene  Köpfmaschine,  1801  bei  Campe  nebst 
dem  Zeitwort  guillotinieren. 


Gulasch 


Crurke 


780 


Gulasch,  in  Östen-eich  auch  Gulyas,  n. 

{-[e]s):  Pfefferfleisch.  Aus  dem  Ungarischen 
in  neurer  Zeit. 

Gulden,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  ehemals 
süddeutsche  imd  östen-eichische  und  noch 
niederländische  Münze  im  Werte  von  ungefähr 
1,70  M,  Älternhd.  Gvldin,  Ghildein,  Gülden, 
mhd.  (im  13.  Jh.)  guldin,  gülden,  eig.  der 
guldin  pfenninc  «der  goldene  Pfennig»  (lat. 
aureus  denariiis),  zuerst  lange  Zeit  eine  Gold- 
münze (s.  golden  und  Florin). 

Gülle,  f.  (PI.  -n) :  Auflösung  des  Stall- 
mistes in  Wasser,  Mistjauche  (Pestalozzi  Lienh. 
u.  Gertr.  3, 171).  Ällad.  gülle  f.  «Lache,  Pfütze». 
Sehr  verbreitet  in  der  Schweiz,  aber  auch 
im  übrigen  Alemannischen.  Vielleicht  zu 
mnd.  gole,  goel  m.  f.  «Sumpf». 

Gülte,  f.  (PI.  -n):  zu  leistende  Zahlung, 
Schuld,  Zins,  jährlicher  Zins.  Mhd.  gülte 
(auch  gute,  gülde),  md.  gulte,  gulde,  gilde  f. 
«Schuld,  Zahlung,  Einkommen,  Kente,  Zins 
(von  geliehenem  Geld),  Wert,  Preis».  Von 
gelten  (s.  d.).  ABL.  gültig,  adj.,  mhd. 
1324  guldig  «im  Preise  stehend,  teuer»,  im 
15.  Jh.  guldeg  «preis würdig»  (Weist.  4,  623,  3), 
ferner  in  mhd.  zinsgültic  «zahlpflichtig»; 
Gültigkeit,  f.,  1459  gültigkeit  (Germ.  28, 
869).  ZUS.  GÜlthrief,  m.:  Schuld-,  Hypo- 
thekenschein, Schweiz.  Mhd.  Id82  gültehriefm. 

Gummi,  m.  (s,  PI.  -s):  Klebsaft  aus 
Pflanzen,  1534  bei  Franck  Weltb.  219^  Gummi, 
schon  im  14.  Jh.  mhd.  gummi  arabicum,  ent- 
lehnt aus  gr.-lat.  gummi,  commi  n.  (neben 
gummis,  cummis.  commis  f.),  gr.  KÖ|Lt|ui  n.,  von 
altägypt.  kenii,  kami  «Gummi  von  Mimosen- 
oder Akazienbäumen».  ZUS.  Gummibaum, 
m.:  ostindischer  Feigenbaum,  Ficus  elastica, 
dessen  Milchsaft  den  Kautschuk  (gummi  elasti- 
cum)  liefert. 

Gundelrebe,  Gundrebe,  f..  die  Pflanze 
Glechoma  hederacea.  Mhd.  gunderebe  f.,  ahd. 
gundereba  f.  mit  acer  glossiert,  was  aber  nicht 
nur  «Ahorn»,  sondern  auch  ein  Kraut  be- 
deutet, vgl.  Björkmann  ZfdW.  3,  288.     Die 

Ableitung  ist  dunkel.  Gundermann,  m.: 
Gundelrebe.  1664  bei  Duez,  umgebildet  aus 
gleichbed.  gunderam,  im  15.  Jh.  bei  Diefenb.- 
Wülcker  neben  gunderan,  gundram,  gundrum, 
aber  spätahd.  gundram. 

Günsel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  die  Pflanze 
Ajuga.  1588  bei  Camei-ai-ius  702  Günsel, 
1500  bei  Bi'unschwyg  Destill.  52  gunsel,  ahd. 
amsele  (Steinmeyer -Sievers  3,  52,  39),  um- 
gebildet aus  gleichbed.  mlat.  consolida  f.,  eig. 


«die  sehr  feste»,  bezeichnend  für  die  bei 
Wunden   und  Bnichen   heilkräftige   Pflanze. 

Gunst,  f.:  Wohlgeneigtheit,  Wohlwollen; 
(PI.  Grünste)  schriftliche  Einwilligung,  in  der 
Kanzleisprache.  Bei  Luther  Gonst.  Mhd. 
gunst  (PI.  günste),  gonst  f.  und  m.  «das  Ge- 
statten, Wohlwollen,  Verleihen,  die  Einwilli- 
gung, Erlaubnis»,  zgs.  aus  ahd.  gi-  «ge-»  und 
ahd.  unst  f.  «Zugeneigtheit,  Gnade,  Wohl- 
wollen», gekürzt  wie  gönnen  (s.  d.)  aus  ahd. 
gi-unnan;  dazu  asächs.  abunst  f.  «Abgunst, 
Neid».  Die  ältere  Form  ist  ahd.  anst  f.; 
dazu  asächs.  anst  (nur  Gen.  PI.  enstio),  ags. 
est,  anord.  äst,  srot.  ansts  f.  «Gunst».  ABL. 
günstig,  adj.,  mhd.  günstic,  dafür  ahd.  un- 
stig.  Günstling,  m.,  1683  im  neuen  Dic- 
tionar.  für  einen  Eeisenden  141^. 

^Günter,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  mit  Wurst- 
füllsel gefüllter  Schweinsmagen.  Hessisch- 
wetterauisch.  1540  bei  Alberus  dict.  Ee  3* 
ghünter,  bb  3  *  gunter.  Nach  Weigand  vom 
Stoffe  des  Füllsels  benannt  und  so  aus  pola- 
bisch  guntra  «Leber».     Unsicher. 

"Günter,  Günther,  Mannsname.  Mhd. 
Günther,  ahd.  Chintheri,  zgs.  aus  ahd.  gwid 
(in  gundfano  m.  «Kriegsfahne»),  asächs.  güdeat 
«Kampf,  Schlacht,  Krieg»,  ags.  güß  f.,  anord. 
güdr  und  gunnr  f.,  und  ahd.  hari,  heri  n. 
«Heer»  (s.  d.). 

Gur,  f.:  feuchte,  schmierige,  aus  dem  Ge- 
stein ausgärende  Masse.  Bergmännisch,  auch 
Guhr  geschrieben  (bei  Goethe  60,  136  1.  H. 
[Nat.  Sehr.  9,  62]  gulirweise),  1562  bei  Mathe- 
sius  Sar.  52^  Ghur.  Von  gären  (s.  d.),  eig. 
Gärung,  wie  1716  bei  Ludwig  das  Gären 
oder  die  G^ir  des  Bieres. 

Gurgel,  f.  (PI.  -n):  Speiseröhre.  Mhd, 
gurgel,  ahd.  gurgula  f.,  nach  lat.  gurgulio  m, 
«Luftröhre»,  wodurch  das  ältere  mit  dem 
lat.  urverwandte  ahd.  querechela,  querca  f. 
«Gurgel»  (anord.  kverk  f.)  verdrängt  wurde. 
Davon  gurgeln,  V.,  mhd.  gurgeln,  gorgeln 
«sich  gurgeln,  einen  gurgelnden  Ton  hervor- 
biingen». 

Gurke,  f.  (PI.  -n)-.  Eankengewächs  und 
Frucht  Cucumis.  Bei  Eber  und  Peucer  1549 
E  1^  der  PI.  Görken,  1558  K  8^  Gurcken, 
1616  bei  Henisch  Gurcken,  Goreken,  Gurchen, 
im  17.  Jh.  Ajurcke  (Olearius  pers.  Reise- 
beschr.  103^),  nd.  1582  bei  Chyträus  und 
noch  ostfries.  Augurke,  östr.  Omorke,  dazu 
ndl.  agurkje'  «kleine  Einmachgurke»,  dän. 
agurk.  Übernommen  aus  poln.  ogurek  m., 
russ. o^/recM  m.,  tschech.o/c?0'Ä;a,  lausitz.-wend. 


781 


Gurre 


Gymnasium 


782 


korka  f.,  die  auf  spätgr.  ä-rfoüpiov  n.  «Wasser- 
melone» zurückgehen.    Vgl.  Kukumer. 

Gurre,  f.  (PI.  -n)-.  schlechte  Stute:  schlech- 
tes Pferd.  Mhd.  und  mnd.  gurre,  gorre  f. 
Noch  oberdeutsch  und  hessisch. 

gurren,  v. :  den  Laut  gurr  von  sich  geben 
(von  Tauben).  Mhd.  gurren  vom  Schreien 
des  Esels.    Vgl.  girren. 

Gurt,  m.  (-es,  PI.  -e),  auch  Ourt[e],  f. 
(PI.  -en):  Leibriemen,  umfassendes  Band. 
Md.  im  14.  Jh.  gurt  m.,  mhd.  nur  in  Zu- 
sammensetzungen wie  übergitrt  m.  «Über- 
gürtel», auch  «Obergurt»  beim  Pferde,  mnd.- 
mndl.  gorde  m.,  bei  Luther  Gh(rt  f.  Von 
gürten,  v.,  mhd.  gürten,  gurten,  garten,  ahd. 
gurten;  dazu  asächs,  gurdjan,  gurdan,  mnd.- 
mndl.  gorden,  ags.  gyrdan,  engl,  gird,  anord. 
gyrda,  dafür  got.  higairdan  «umgürten»,  zu 
got.  gairda  f.,  anord.  gjörä  f.  «Gürtel». 
Gleichen  Stammes  wie  Garten  (s.  d,).  ABL. 
Gürtel,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.),  mhd.  giirtel 
m.  f.,  ahd.  g^irtil  m.  und  gurtüa  f.:  dazu 
(and.  gurdisU)  mnd.  gordel  n.  (selten  m.), 
afries.  gerdel  m.,  ags.  gyrdel  und  gyrdels  m., 
engl,  girdle,  anord.  gyrdill  m.  Davon  gürtein, 
V.,  1691  bei  Stieler  gürtelen,  mnd.  gordelen: 
Gürtler,  m.:  Gürtelmacher,  mhd.  gUrtelcere. 
g  Urtier. 

Gusche,  3.  Gosche. 

Guß,  m.  fGen.  Gusses,  PI.  Güsse):  das 
Gießen:  zum  Gießen  flüssig  gemachtes  Metall; 
Flüssigkeit  gegen  die  Eäude  der  Schafe.  In 
der  1.  Bed.  mhd. -ahd.  gug  m.  (Gen.  guzzes). 
ZUS.  Gußeisen,  n.,  1775  bei  Adelung. 
GuätaT,  Mannsuame,  aus  schwed.  Gustav. 
Gusto,  m.  (-s) :  Geschmack.  Bei  Herder  1, 
305,  Goethe  17,  35  und  Briefe  1,  165.  Aus 
gleichbed.ital.und  SY>a.n. gusto, yon  \a.t.giistusm. 
gut,  adj.r  freundlich  verbunden,  zugeneigt; 
den  Sinnen  angenehm :  die  nötige  Vollkommen- 
heit habend  usw.  Mhd. -ahd.  guot,  md.  gut, 
göt,  auch  «passend,  tauglich,  tüchtig»:  dazu 
asächs.-afries.  göd,  mndl.  goed,  ags.  göd,  engl. 
good,  anord.  gödr,  schwed.-dän.  god,  got.  göps 
«gut,  tüchtig,  schön».  Gleichen  Stammes  wie 
Gatte  (s.  d.)  und  ahd.  gatulinc,  asächs.  gadu- 
ling,  ags.  gcedeling,  got.  gadiliggs  m.  «Ver- , 
wandter»,  sowie  mhd.  gaten  «zusammen- 
kommen, vereinigen»,  mhd.  gater,  ags.  gea- 
dor,  tögcedere  «zusammen»;  urverwandt  mit 
abg.  goditi  «genehm  sein»,  godinü  «genehm», 
godü  m.  «passende  Zeit».  Urspr.  Bed.  wohl 
«  zusammengehörig,  passend  >.  Statt  des  Komp. 
hesser  (s.  d.)   mhd.  auch  giioter,   md.  guter. 


RA.  für  gut  nehmen  «damit  zufrieden  sein», 
mhd.  ßr  guot,  verguot  nemen.    ABL.  Gut, 
n.   (-es,   PI.   Güter):    Besitztum,    überhaupt 
was  uns  dienlich  ist,  Grundbesitz.   Mhd.-ahd. 
guot  n.,  asächs.  göd,  ags.  göd  n.  «Gutes»,  dann 
«Vermögen,  Besitz,  Landbesitz»,   afries.  göd, 
gued  n.  «Vermögen».    Dazu  die  RA.  zu  gute 
halten,  kommen,    tun  usw.  «zum  Vorteil,  in 
guter  Absicht»,  mhd.  ze  guote,  ahd.  zi  guote. 
Güte,  f.,  mhd.  güete,   md.  gute,   ahd.  gxioü 
f.;    dazu   asächs.  gödi   «Güte»,   got.   gödei  f. 
«Tüchtigkeit,  Tugend»:    gütig,  adj.,  mhd. 
gnetic,  md.  gütic:   Gütigkeit,  f,  mhd.  güe- 
tichait,  güetikeit:  gütigen,  v.,  in  begütigen, 
1488  güetigen.     guten,  v.:  gutmachen,  mhd. 
güeten,  ahd.  gu.aten,  nhd.  in  vergüten.    Gut- 
heit,  f.,  mhd.  gnotheit  f  «Güte»,    gütlich, 
adj.,   mhd.  guot-,  güetlich,   ahd.  guotUh,   an- 
geglichen gaolUh    «gütig,    freundhch»,    auch 
«ruhmvoll,  herrlich»:  dazu  asächs.  göd-,  guod- 
lic  «glorreich,  herrlich»,  afries.  gödilik,  ags. 
gödh'c.    ZUS.  Gutachten,  n..   1616  bei  He- 
nisch.    gutartig,  adj.,  bei  Henisch.    Gut- 
dünken,   n.,    bei    Luther,    spätmhd.   guot- 
danken  □.    Guthaben,  n.,   1808  bei  Campe. 
gutheißen,  \.,   1601  bei  Albertinus  Kriegs- 
leut   Weckuhr  46  ^'j     auch    als    Subst.    gut- 
herzig,   adj.,   mhd.   im  14.  -Jh.   guothertzig 
nebst  guothertzikeif  f.    gutmütig,  adj.,  1796 
bei  Adelung.     Guttat,  f.,   inhd.-ahd.  guot- 
tät,  guotät  f,  ags.  göddml  f :  guttätig,  adj., 
mhd.  giiottcetec;  Guttätigkeit,  f,   1616  bei 
Henisch.     gutwillis:,  adj.,   mhd.  guotwillic, 
ahd.  guot  willig,  asächs.  gödu-ülig-,  Gutwillig- 
keit,   f.,    md.    im    14.  Jahi-h.  gütivdlikeit  f 
zrs.  mit  Gut:  Gutsbesitzer,  m.,  1808  bei 
Campe. 

Gütchen,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Kobold. 
Bei  Goethe  Faust  5848.  Wad.  gütel,  güttel  m. 
«Kobold»,  Dim.  von  Gott  (s.  Götze),  wie 
md.  im  14.  Jh.  gotechen  n.  und  mhd.  gote- 
lin  n.  «kleiner  Gott». 

Guttapercha,  f :  Ledergummi  von  Su- 
matra, eingedickter  Milchsaft  des  Baumes 
Isonandra  gutta,  aus  dem  Malaiischen,  wo 
gutta  «Gummi,  Balsam»,  percha  der  Xame 
jenes  Baumes. 

Gymnasium,  n.  i-s,  PI.  Gymyiasien): 
Gelehrtenschule.  Aus  gr.-lat.  gymnasium,  gr, 
•fuuvüciov  n.  «öffentlicher  Platz  zu  Leibes- 
übungen», die  nackt  (gr.  -fuuvöc)  angestellt 
wurden,  dann  auch  «Vei-sammlvmgsort  der 
Philosophen»,  daher  als  Xame  für  Gelehrten- 
schulen  von   den    Humanisten   des    15.   und 


783 


ha! 


Habe 


784 


16,  Jh.  eingeführt.  Gymnasiast,  m.  (-en,  I  der  Leibesübungen,  Turnkunst;  gymua- 
Pl. -e??):  Gelehi-tenschüler,  1667  in  Gepflückte  !  stiscll,  adj.:  die  Körpeiübung  betreffend, 
Finken S. 4.  Dagegen  Gymnastik,  f.:  Kunst  |  1575  bei  Fischart  Garg.  280  gimnastisch. 


H 


ha!  Interj.  der  Verwunderung,  Freude, 
des  Lachens,  Schi-ecks,  Hohns  usw.  Älhd. 
ha]  als  Ausdruck  des  Lachens  wie  des  Zorns; 
nhd.  auch  mit  Gen.  verbunden  (Klopstock 
Od.  2,  189);  franz.  hal    Vgl.  haha. 

^Haar,  m.  (-es,  PI.  -e):  Flachs.  Nur 
noch  baj'r.-österr.  Mhd.  har,  ahd.  haru,  haro 
m.  (Gen.  harwes);  dazu  afries.  her,  anord. 
hörr  m.  (Dat.  hörvi),  dän.  hör.  Die  Her- 
kunft ist  unsicher,  da  unklar,  ob  r  auf  r  oder 
5  zurückgeht.  Vielleicht  zu  ^Haar  oder  zu 
Hede  (s.  d.).  Lat.  cärere  «kratzen,  krämpeln» 
kann  verwandt  sein. 

^Haar,  f.  (PI.  -en):  Höhe,  Berg.  Bei 
Freiligrath  (1877)  2,  263  u.  3,  15,  aus  westfäl. 
här  f.,  älter  har.  Daneben  aus  gleichem 
Stamm  westfäl.  härd  f.  (s.  Hart). 

^Haar,  n.  (-es,  PI.  -e).  Mhd.-ahd.  här  n. 
(PI.  mhd.  här,  auch  umgelautet  hcer  und 
heerer,  ahd.  här  und  härir);  dazu  asächs.  här, 
ndl.  haar,  afries.  her,  ags.  hcer  n.,  engl,  hair, 
anord.  här,  schwed.  här,  dän.  haar  n.  Der 
PI.  Haare  im  15.  Jh.  bei  der  Hätzlerin  80^ 
und  bei  Luther;  obersächs.-thüring.  auch  der 
Sing.  Haare  f.  vom  einzelnen  Haar  (Frau 
Schlampampe  Leben  8).  Die  Herkunft  ist 
unsicher.  Gewöhnlich  gestellt  zu  anord.  haddr 
(aus  *hazda)  m.  «Kopfhaar»,  namentlich  der 
Frauen,  abg.  kosmfi  m.  und  kosa  f.  «Haar», 
cesati  «kämmen»,  lit.  kasä  f.  «Haar»,  lat. 
cärere  «Wolle  krämpeln»,  ir.  cass  «gelocktes 
Haar».  Nach  Detter  ZfdA.  42,  55  ist  diese 
Ableitung  wegen  des  mangelnden  ^-Umlauts 
im  Nordischen  unmöglich,  die  germ.  Ginind- 
form  wäi'e  her,  was  er  zu  gr.  Keipeiv  «scheren» 
stellt.  Anderseits  könnte  lit.  seris  m.  «Borste», 
sertis  « haaren »  verwandt  sein.  ABL.  haaren, 
hären,  v.  refl.:  die  Haare  gehen  lassen,  sie 
verlieren;  oberd.  haaren,  v.  trans.  «raufen»,  um 
1480  im  voc.  ine.  teut.  il^  hären  «die  Haare 
ausraufen»,  haaricht, haarig,adj.,  im  15. Jh. 
hericht  bei  Diefenbach  gl.  435%  haaricht  1616 
bei  Henisch  1009,  55,  harig  1482  im  voc.  theut. 
n7^;  dazu  ags.  hceriht.  hären,  ad].:  von 
Haar  gemacht,  mhd.  härm,  hcerin.  ZUS. 
Haarhaud,  n.,  mhd.  härhant.  Haarheiitel, 


m.,  als  Männertracht  1734  bei  Weber  331^; 
in  der  Bed.  «Rausch»  1775  bei  Adelung  und 
bei  Lichtenberg  in  der  Methyologie.  Haar- 
hoden,  m.,  im  17.  Jh.  bei  Grimm  eishausen 
Simpl.  2,  311,  22  Kz,  haarklein,  adj.,  1658 
bei  Schoch  Stud.  Haarnadel,  f.,  1596  bei 
Hulsius,  zum  Kräuseln  des  Haars  1537  bei 
Dasypodius.  haarscharf,  adj.,  1724  bei 
Pistorius  Thesaur.  par.  7,  69.  Haarstern, 
m.:  Komet,  1689  bei  Lohenstein  Armin.  1,571; 
dafür  bei  Dasypodius  1537  haarechtiger  Stern. 
Haarstrang,  m.:  die  Pflanze  peucedanum, 
mhd.  härstranc.  Haarstrich,  m. :  haarfeiner 
Strich,  noch  bei  Campe  1808  fehlend.  Haar- 
tour,  f.,  1775  bei  Adelung,  «falsche  frisierte 
Seitenhaare».  Haarwachs,  n.  (selten  m.): 
sehniges  Ende  des  tierischen  Muskels,  als 
haarartig  gewachsnes  Knochenband  verstan- 
den, spätmhd.  1427  harwachs,  sonst  im  15.  Jh. 
haarwachs  m.  f.  n.,  oberschwäb.  haurwachs, 
dazu  ndl.  im  16.  Jh.  haerivachs  bei  Kilian; 
aber  Haar-  scheint  hier  urspr.  mhd.  har  m. 
«Flachs»  (s.  ^Haar),  wozu  Flachsader  und 
Flechse  (s.  d.)  stimmen. 

Haarrauch,  m.,  s.  Herauch. 

Hahe,  f.  (ohne  PI.):  Besitz.  Mhd.  hahe, 
ahd.  haba  f.;  dazu  mnd.  und  mndl.  have,  afries. 
have  f.  Die  Verbindung  Hah  und  Gut  (1537 
bei  Dasypodius)  bedeutet:  «bewegliches  und 
unbewegliches  Eigentum»,  als  Neutrum  bei 
Lichtwer  Fab.  2,  20,  Schiller  Kab.  5,  1.  Von 
haben,  v.  (Präs.  habe,  hast,  hat,  Prät.  hatte, 
Konj.  hätte,  Part,  gehabt),  mhd.  haben,  zu- 
sammengez.  hän,  ahd.  haben,  spät  auch  häban 
und  habon;  dazu  asächs.  habbian,  hebbian, 
mnd.-mndl.  hebben,  afries.  habba,  hebba,  ags. 
habban,  engl,  have,  anord.  hava,  schwed.  hafva, 
dän.  have,  got.  haban.  Eig.  Bed.  «halten». 
Die  Verwandschaft  mit  dem  gleichbed.  lat. 
habere  ist  oft  bestritten  worden,  so  wieder 
von  Walde,  sie  besteht  aber  doch  wohl  zu 
Recht.  Man  muß  von  *khabhe  ausgehen. 
Entlehnuncr  des  germanischen  Wortes  aus 
dem  Lat.  scheijit  mir  ganz  unmöglich.  Weiter 
dazu  alb.  kam  «ich  habe».  Jedenfalls  ver- 
schieden  von   dem   unter   hebeii   (s.  d.)    be- 


785 


Haber 


Hache 


786 


sproclinen  Stamme.  Das  Wort  biegt  mhd. 
im  Präs.  habe,  habest,  luibel  usw.,  gewöhnlicli 
aber,  bes.  als  Hilfszeitwort  zsgez.  Imn,  hast, 
hat,  hon,  hat,  haut,  im  Prät.  hnhete,  gewöhn- 
lich zsgez.  häte,  später  (mit  Angleichung  des 
h  tml  t)  hatte,  Konj.  hcete,  hete,  hete,  später 
hette,  im  Part,  gehabet,  zsgez.  gehät  (md.  ge- 
hatt,  alem.  im  15.  und  16.  Jh.  starkfoniiig 
gehaben,  gehän,  noch  Schweiz,  gha);  ahd.  im 
Präs.  habem,  haben,  Prät.  habeta,  vereinzelt 
hapta,  Part,  gihabet;  got.  im  Prät.  habaida, 
Part,  habaips:  ags.  im  Prät.  hcefde,  Part,  hrefed. 
Dazu  die  Imperativischen  Bildungen  Habe- 
dank, m.,  mhd.  habedanc:  Habeuicllts,  m., 
mhd.  haheniht;  Haberecht,  m.,  bei  Lessing 
2,  460,  Weiße  Lustsp.  1,  235.  Haben,  n., 
besonders  in  der  kaufmännischen  Ausdrucks- 
weise Soll  und  Haben,  Übersetzung  des  lat. 
debet  und  credit,  ürspmnglich  hieß  es:  er 
soll  (debefj  und  er  soll  haben  (credit).  1791 
bei  Roth  nur  noch  Haben.  Habschaft,  f.: 
was  man  besitzt.  Im  17.  Jh.  ZUS.  mit 
Habe:  Habgier,  f.:  Gier  nach  Habe,  1796 
bei  Adelung;  habhaft,  adj.,  1473  bei  Halt- 
aus habhaft  <;mit  Besitz  versehen);  Hab- 
seligkeit, f.  (PI.  -en):  alles  Avas  man  hat, 
urspr.  Fülle  der  Habe  (Stieler  1691,  dazu  1716 
bei  Ludwig  das  Adj.  habselig  «reich»);  Hab- 
sucht, f.,  bei  Hagedorn  1,  79  und  Oden  (1747) 
62;  habsüchtig,  adj.,  1768  bei  Moerbeek. 

Haber,  m.  (-.s,  PI.  wie  Sg.),  üblicher  (aber 
urspr.  ndd.  und  md.)  Hafer  (in  Preußen  nur 
so),  m.:  Getreideart  mit  Rispen  und  langen 
spitzen  Körnei'n.  Mhd.  habere,  haber  m. 
schwachflektiert  (daher  im  15.  Jh.  im  Voc. 
ine.  teut.  und  noch  mundartlich  Habern  m., 
bei  Luther  Habern  und  Ha  fern,  mit  stai-ker 
Flexion  im  15.  Jh.  Städtechron.  5,  41,  5  Dat. 
haber,  2,  302,  16  Gen.  haberns),  ahd.  liabaro 
ra.;  dazu  and.  havoro,  nd.  und  ndl.  haver, 
anord.  hafri  m.,  aschwed.  hagre  (dai-aus  ent- 
lehnt finn.  kakra),  schwed.  hafre,  dän.  huvre, 
Schott,  haver,  dafür  ags.  äte  f.,  engl,  oats;  aus 
dem  Germanischen  entlehnt  fi'anz.  Jmveron  m. 
«wilder  Hafer  >..  Nicht  von  anord.  ha  fr,  ags. 
hcefer  m.  «Ziegenbock»  (lat.  ca2)er  m.  «Bock», 
gr.  Koiirpoc  m.  «Eber»),  sondern  zu  ir.  coirce, 
kymr.  ceirch  (Grundforni  *korkio  ans'*kokrio). 
Das  germ.  b  muß  aus  g  "'  entstanden  sein,  was 
trotz  Zupitza  Gutturale  in  einer  Reihe  von 
Fällen  ganz  sicher  ist.  Weiter  könnte  gr. 
Kcixpuc  «geröstete  Gerste»  dazugehören,  Lite- 
ratur KZ.  40, 436.  ZUS.  Haberfeldtreiben, 

n.:  nächtliches  Rügegericht  in  Oberbayern  an 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


Sündern  gegen  die  Volkssitte,  häufig  bei  ge- 
schlechtlichen Vergehen.  Nach  Schmeller- 
1,  1033  aus  der  Gewohnheit  hervorgegangen, 
daß  gefallne  Mädchen  abends  von  den  Burschen 
des  Dorfs  unter  Geißelhieben  in  ein  Haber- 
feld und  von  da  wieder  nach  Haus  getrieben 
wui-den.  Haberrohr,  n. :  Hirtenpfeife,  Rohr- 
pfeife,  bei  Günther  1048  und  Hagedorn  Od.  89, 
Übersetzung  des  gleichbed.  lat.  avena  f. 

Habergeiß,  f.:  Heerschnepfe,  scolopax 
gallinago ,  um.  1480  im  Voc.  Lnc.  teut.  k  6  ^ 
habergeiß,  so  benannt,  weil  sie  zur  Begat- 
tungszeit hoch  in  der  Luft  einen  einem  fernen 
Meckern  ähnlichen  Ton  hören  läßt,  also  zu  dem 
unter  Haber  behandelten  Wort  für  «Bock». 

Habicht,  m.  (-s,  PI.  -e):  der  Raubvogel 
accipiter.  Mit  angetretnem  t  bei  Luther  wie 
bereits  1470  im  mlat.-hochd.-böhm.  Wb.  Ha- 
bicht, in  einer  Handschr.  des  Heinzelein  v. 
Konstanz  474  aus  dem  15.  Jh.  habeht,  aber 
vorwiegend  im  16.  Jh.  und  noch  oberd.  Habich, 
mhd.  habech,  habich,  auch  mit  Umlaut  hebech, 
hebich,  ahd.  habuh  m.;  dazu  and.  hatmc  (in 
Habuchorst),  mnd.  havek,  havik,  afries.  hauk, 
ags.  Imfoc,  heafoc,  engl,  hawk,  anord.  haukr  m., 
schwed.  hök,  dän.  hög.  Herkunft  unsicher. 
Vgl.  Zupitza  Gutt.  102.  Gewöhnlich  vergleicht 
man  russ.  köbuz,  kobec  m,  «Art  Falke». 

habilitieren,  v.:  seine  Geschicklichkeit 
zum  Lehramt  an  einer  Hochschule  bekimden. 
1694  bei  Nehring,  aus  mlat.  habilitare  «ge- 
schickt machen»,  vom  lat.  Adj.  habilis  «füg- 
sam, geschickt». 

Habit,  m.,  auch  n.  (-5,  PI.  -e):  Anzug, 
Tracht;  Kleid.  1571  bei  Rot,  in  der  engern 
Bed.  «(Mönchs-)  Ordenskleid»  schon  mhd.  abit, 
habit  m.,  mndl.  abite,  afries.  habit,  abit,  aus 
franz.  habit  m.  «Kleid,  Ordenskleid»,  von  lat. 
habitus  m.  «das   Sich-haben,  die   Tracht». 

Habseligkeit,  Habsucht,  s.  Habe. 

Habnng,  f.  (PI.  -en):  festes  Anhalten, 
Anhaften;  etwas,  an  das  man  sich  anhalten 
kann.  Bei  Hebel  Schatzk.  (selts.  Gesch.). 
Mhd.  habunge  f.  «das  Sich-halten,  Sich-äußer- 
lich-zeigen»,  ahd.  habunga  f.  'Aufhalten,  Aul- 
enthalt, Wohnung»  (Glosse  zu  Sir.  24,  16). 
Von  laiben  (s.  d.)  in  der  Bed.  «halten». 

Hache,  m.  (-n,  PI.  -n):  junger  Bui-sche, 
verwegner  Kerl  (veraltet);  Habgieriger  (in 
Mittel-  und  Oberdeutschland,  dazu  das  Adj. 
hachig  «überaus  habgierig»).  •  In  der  1.  Bed. 
mhd.  hache  m.,  so  noch  bei  Bürger  und 
Novalis,  sowie  als  schex'zhafter  Schimpfname, 
den  Kinder  Erwachsnen  geben,  Schweiz.  Hach 

50 


787 


Hachse 


Hafen 


788 


ni.,  dazu  Hache  f.  «leichtlebige  Dii-ne»  bei 
Fischart  Garg.  437,  spätmhd.  haclie  m.  «junger 
]3ursche,  Kerl».  Dazu  der  ahd.  Eigenname 
Hahho,  Hahcho.  Vielleicht  zu  hacken  in  der 
Bedeutung  «kämpfen»,  also  eig.  «Kämpfer» 
oder  mit  Hecht  verwandt,  das  auch  in  der 
Bedeutung  «junger  Bursche»  vorkommt. 

Hachse,  Hechse,  f.  (PI.  -n):  Kniebug, 
bes.  des  Hinterbeins,  mit  den  Sehnen.  Mhd. 
hahse,  hehse,  ahd.  hahsa  f.,  namentlich  vom 
Pferde;  dazu  mnd.  hesse,  hasse,  afries.  hoxene  f. 
Urverwandt  mit  lat.  coxa  f.  «Hüfte»,  ir.  coss 
«Fuß»,  aind.  käksas,  aw.  kasa-  m.  «Achsel- 
gnibe». 

Hack,  s.  3Iack. 

Hack(e)l)rett,  n.  (-s,  PI.  -er)  -.  Brett  zum 
Kleinhacken  mancher  Speisen;  dreieckiges  Ton- 
werkzeug, dessen  Drahtsaiten  mit  zwei  vorn 
gekrümmten  Holzschlägeln  geschlagen  wer- 
den, mit  hackendem  scharfen  Anschlage.  In 
der  1.  Bed.  im  15.  Jh.  hackprett,  -hret  (Diefenb. 
gl.  27*),  in  der  2.  Bed.  um  1480  im  Voc.  ine. 
teut.  k6^  und  1477  clevisch  hackhret,  mndl. 
hacke-,  hackherd. 

^ Hacke,  f.  (PI.  -n),  auch  Hacken,  m. 
{-S,  PI.  wie  Sg.):  Ferse;  Absatz  an  Schuh 
oder  Stiefel  (1715  bei  Amaranthes  Hacke 
im  Strumpf).  Ein  md.  und  nd.  Wort,  im 
12.  Jh.  haken  «calces»  (Steinmeyer  -  Sievers 
3,  439,  58),  im  15.  Jh.  hacken  m.  (Serapeum 
5,  84);  dazu  clevisch  1477  hacke,  ndl.  hak  f. 
«Ferse».  Verwandtschaft  mit  hacken  ist  un- 
wahrscheinlich. Zu  a^s.  höh  m,,  heia  m.,  engl. 
heel,  hough,  afries.  heia,  heila  m.,  anord.  hcell 
m.  «Ferse»  kann  das  Wort  aber  auch  nicht 
unmittelbar  gehören,  da  diese  auf  hanh- weisen. 

^Hacke,  f.  (PI.  -n):  Axt  (süddeutsch); 
Werkzeug  zum  Behacken  der  Erde.  Mhd. 
in  beiden  Bed.  Jiacke  f.;  dazu  1477  clevisch 
hack,  engl,  hack  «Spitzhacke».  Von  hacken, 
V.,  mhd.  hacken;  dazu  afi'ies.  hakia  (in  tohakia 
«zerhacken»),  ags.  haccian,  engl.  hack.  Wohl 
gleichen  Stammes  wie  hauen  (s.  d.),  da  auch 
sonst  öfter  ein  k  aus  w  entstanden  ist,  vgl. 
Quecksilber,  doch  kann  auch  eine  Wz.  hak 
zugiTinde  hegen,  die  möghcherweise  mit  hecken 
verwandt  ist,  das  die  Bedeutung  «stechen» 
gehabt  haben  kann. 

Hackelwerk,  n.  (-s,  PI.  -e):  Zaun,  Um- 
zäunung eines  Gehöftes.  Norddeutsch,  gleichen 
Stammes  wie  Hag,  Hecke  (s.  d.);  mnd.  im 
15.  Jh.  hakelwerk,  in  md.  Form  im  14.  Jb. 
hachelwerc  n.  «umzäuntes  Vorwerk». 

Häckerling,    m.    (-s):    zu   Futter   klein 


gehacktes  Stroh.  In  Mittel-  und  Norddeutsch- 
land. 1517  bei  TrochusK4^  heckerling.  In 
gleicher  Bed.  Häcksel,  n.,  auch  m.  (-s), 
1540  bei  Alberus  dict.  Bb  4^  und  tt  1^  Haxel, 
1596  bei  Colerus  9,  8  und  10,  10  Hexel  m., 
dafür  mnd.  1515  hackeltze.  Beide  Wörter 
von  hacken  (s.  d.). 

Hacksch,  m.  {-es,  PI.  -e):  unverschnittner 
Eber.  In  Mitteldeutschland,  im  17.  Jahrb. 
Hackisch,  Hacksch  m. ;  gleichen  Stammes  wie 
Schwab.  Heckel  m.  «Eber»,  herheckel  «Eber», 
1468  bei  Diefenbach  nov.  gl.  879%  mhd.  hagen 
m.  «Stier,  Zuchtstier»,  bei  Dasypodius  1587 
Hag,  noch  Schweiz.  Hagen,  Hegel  und  schwäb. 
Hag,  Haigel  m.  «Zuchtstier».  Vgl.  hecken. 
ABL.  hakschen,  v.:  Zoten  reißen.  In 
Mitteldeutschland  und  studentisch. 

^ Hader,  m.  {-s,  früher  auch  -n,  PI.  -n): 
zei'rißnes  Zeugstück.  Mhd.  hader  m.  (auch 
schwach  hadere),  ahd.  hadara  f.;  Nebenform 
mhd.  hadel  m.,  daher  entlehnt  franz.  haillon  m. 
«Liimpen».  Dazu  and.  hathilin  adj.  «hadern, 
lumpicht».  Vielleicht  urverwandt  mit  gr. 
Kevxpujv  m.,  lat.  cento  m.  «aus  Lumpen  ge- 
machter Rock»,  aind,  kanthä  f.  «zusammen- 
geflicktes Kleid»,  die  nasahert  sind.  Armen. 
kotor  «Hader»  zeigt  keinen  Nasal.  ZUS. 
Haderlumpen,  m.,  bei  Luther,  persönlich 
spätmhd.  haderlump  m.  «Lumpensammler, 
Mann  in  zerlumpter  Kleidung». 

^ Hader,  m.  (-.9,  ohne  PI.):  Streit,  Zwist. 
Spätmhd.  im  14.  Jh.  hader,  bei  Luther  Hadder. 
Gleichen  Stammes  wie  ahd.  hadu-,  ags,  headu- 
«Kampf»  in  Zusammensetzungen  (ahd.  Hadu- 
ivtg  «Hedwig»  (s.  d.),  Haduhrant),  anord. 
Höär  «der  blinde  Gott  des  Kriegsglückes, 
Balders  Bruder»,  und  ifödt«Name  einer  Wal- 
küre»; urverwandt  mit  abg.  kotor a  f.  «Kampf» 
(aus  dem  Germ,  entlehnt?),  vc.cath  m.  «Kampf», 
aind.  gätrus  «Feind»,  und  vielleicht  gr.  kötoc 
m.  «Groll».  Vgl.  Haß.  ABL.  hadern,  v., 
spätmhd.  hadern,  davon  Had(e)rer,  m.,  um 
1480  im  Voc.  ine.  teut.  k6^  haderer,  md.  im 
14.  Jh.  hedderer,  heder  er.  ZUS.  haderhaft, 
adj.,  1650  bei  Haltaus  771,  hadderhaftig  bei 
Luther.  HaderSUCht,  f.,  1678  bei  Krämer, 
das  Adj.  hadersüchtig:  1641  bei  Schottel  369. 

■^ Hafen,  m.  (-s,  PI.  Häfen):  Sicherheits- 
bucht für  Schiffe.  1517  bei  TrochusTS* 
have,  1537  bei  Dasypodius  Haafe,  1561  bei 
Maaler  Meerhaffen  m.,  aufgenommen  aus  nd. 
haven,  have,  mnd.  havene,  have  m.  f.;  dazu 
mndl.  havene,  nndl.  haven  f.,  ags.  hoefen,  hcefene 
f.,   engl,  haven,   anord.  höfn  f.   (PI.  Imfnir), 


789 


Hafen 


Hagel 


790 


schwed.  hamn  m.,  dän.  h.avn;  entsprechend 
dem  mhd.  hahene,  haben  f.  «Schiffslände», 
neben  habe  f.  und  hap  n.  «Hafen,  Meer». 
Gleichen  Stammes  vne  Haff  (s.  d.).  Dazu 
vielleicht   mir.  cüau  «Seehafen»  aus  *kopno. 

^ Hafen,  m.  (-.s,  PI.  Häfen):  tiefes  Ge- 
schiiT,  Topf.  Oberdeutsch.  Mhd.  Jiaven,  ahd. 
hafan  m.,  eig.  «Behälter,  worin  etwas  gefaßt 
oder  behalten  wird»,  vgl.  haben.  Davon 
Hafner,  m.:  Töpfer,  im  mrhein.  voc.  ex  quo 
1469  hefener,  mhdi.havencBre,  ahd. /?a/a«flW  m. 

Hafer,  s.  Haber. 

Haff,  n.  [-es,  PI.  -e):  <^)stseebucht  als 
innres  Meer  {da^  keurisch  hob  «kurische 
Haff»  im  14.  Jh.  bei  Suchenwirt  4,  457,  da^ 
vrische  hab  Livl.  Chron.  3830).  Aus  dem 
^Niederdeutschen,  mnd.  /m/m.  n.  «Meer,  See»; 
dazu  afries.  hef  n.,  ags.  hoef  n.,  anord.  und 
sohwed.  hqf  n.,  dän.  hav  «Meer,  offne  See». 
Vgl.  Hafen.  Daß  die  beiden  Wörter  zu  lat. 
cayio  «fassen»,  und  heben  (s.  d.)  gehören,  ist 
kaum  wahrscheinlich  zu  machen. 

■^Haft,  m.  (-S,  PL  -e,  auch  Haften,  bayr. 
Hafte):  Vorrichtung  zum  Festhalten,  Haken. 
Mhd.  haft  m.  (PI.  hefte),  ahd.  haft  m.  n.  (PL 
hafta)  «Haken,  Band,  Fessel»;  dazu  ags.  hceft 
m.,  anord.  hapt  n.  «Fessel».  Gleichen  Stammes 
wie  heben  (s.  d.). 

^Haft,  f.  (selten  PL  -e):  Festnahme,  Fest-, 
Gefangenhaltung.  Mhd.  haft  f.,  daneben  ahd. 
hafta  f.  «Verbindung»,  andfrk.  hafta  f.  «Ge- 
fangenschaft, Gefängnis».  Zu  dem  in  heben 
(s.  d.)  vorliegenden  Stamm. 

^Haft,  m.  n.  (-S,  PL  -e,  -en):  die  Ein- 
tagsfliege, ephemera.  1748  bei  Haller  Ged. 
204  als  Bezeichnung  am  Niederrhein;  1730 
bei  Frisch  Insekten  8, 14  tvann  es  (Üfer-Äaß) 
die  Holländer  Hafft  heißen,  so  geschieht  es, 
weil  diese  Fliegen  so  dick  fliegen,  daß  sie  an  den 
geteerten  Schiffen  hafften  und  hangen  bleiben. 

-haft,  Suffix  an  Adjektiven:  haltend,  wor- 
an haftend,  habend.  Fiiiher  auch  selbstän 
diges  Adj.  mhd.-ahd.  haft  «gefangen,  gefesselt 
festsitzend,  haftend»,  im  IMhd.  auch  «einge 
nonamen  wovon,  besessen,  wozu  verbunden 
verpflichtet»;  dazu  asächs.  haft  «gefesselt 
festbleibend»,  ags.  hoeft  «gefangen»,  anord 
haptr  m.  «Leibeigner»,  got.  liafts  «behaftet 
gebunden»,  genau  entsprechend  lat.  captus 
«gefangen»,  gall.  captos  «gefangen»,  air.  cacht 
«Dienerin»,  kymr.  caefh  «Gefangner,  Diener» 
(s,  heben).  Davon  -haftig,  Adjektivsuffix, 
mhd.  -haftec,  ahd.  -haftig,  afries.  -haftich, 
-heftich. 


haften,  v.:  woran  befestigt  sein,  fest 
hangen  bleiben;  gewährleisten  (Haltaus  772 
aus  dem  15.  Jh.).  In  der  1.  Bed.  mhd.  haften, 
ahd.  haften,  asächs.  Jmfton,  von  dem  ahd.  Adj. 
haft  (s.  -haft). 

Hag,  m.  (-es,  PL  -e):  umfriedigendes  Ge- 
büsch: dichtes  Gebüsch;  Hain.  i\Ihd. /iac m. n. 
(Gen.  hages)  «Umfriedigung,  Einhegung,  Dom- 
gebüsch, dichtes  Gebüsch,  eingehegter  Ort, 
Park,  Wald»,  ahd.  hag,  hac  m.  «Einhegimg, 
Stadt»  (vgl.  die  Ortsnamen  Kui -hag,  -hagen); 
dazu  ndl.  haag  f.  «Hecke»,  ags.  Jmga  m.  «Um- 
zäunung, Grundstück,  Haus»,  engl,  haw  «Ge- 
hege, Gärtchen»,  anord.  hagi  m.,  schwed.  hage 
«Umzäunung,  Weideplatz»,  adän.  hage  «Hecke». 
Gleichen  Stammes  wie  Hagen,  Hain,  Hecke 
(s.  d.) ;  urverwandt  mit  agall.  caium  «Gehege», 
kymr.  cae  «Einfassung»,  lat.  cohus  «die  Höh- 
lung an  der  Wage  des  Pfluges,  wo  die  Deichsel 
eingefügt  wird».  Vgl.  Walde.  ZUS.  Hag- 
apfel, m.:  Meerkirsche,  1482  im  voc.  theut. 
n3^  hagen  apffel.  Hagehliche,  f.:  Weiß- 
buche, im  15.  Jh.  hagbuoch,  daneben  mhd. 
hagenbuoche,  woraus  Hainbuche  (s.  d.),  beides 
in  urspr.  Bed.  «zu  Umzäunungen  verwendete 
Buche»,  ahd.  haganbuohlia;  davon  hage- 
hüchen,  adj.,  mhd.  hagenhüechm,  zsgez.  han- 
büchen,  noch  md.  hahnehttchen,  bes.  in  der 
Bed.  «derb».  Hagehiitte,  auch  Hain- 
hutte,  Hamblltte,  f.:  Fruchtknopf  der 
Hagerose,  im  15.  Jh.  hagebute,  zsgez.  hnbutte 
(Diefenbach  gl.  125'*^),  1482  im  voc.  theut.  n  6* 
hänpote  (in  hanpotenpatvm)  und  n3^  hagen- 
putz,  mhd.  bloß  butte  f.,  eins  mit  Blitzen 
(s.  d.)  «Kerngehäuse  des  Obstes».  Hage- 
dorn, m. :  der  Weißdom,  mhd.  hagen-,  Jiage- 
dorn  m. :  dazu  ags.  hcegßorn,  engl,  haivfhorn, 
anord.  hagßorn  m.,  norw.- schwed.  hagtorn. 
Hageiche,  f.:  Heckeneiche,  1541  bei  Frisius 
1164''  Hageych.  Hagerose,  f.:  Heckenrose, 
1541  bei  Frisius  623  ^  der  PL  Hagrosen,  1540 
bei  Alberus  dict.  FF  3^  hayn  rosen. 

Hagel,  m.  (-S,  PL  unüblich):  aus  den 
Wolken  niederschlagende  Eisköraer;  kleinge- 
hacktes Blei  und  Eisen  zum  Schießen  (Soltau 
Volksl.  216  von  1516).  In  der  1.  Bed.  mhd. 
hagel,  zsgez.  hole,  hail,  hei,  ahd.  ha^al  m.; 
dazu  asächs.  hagal,  mnd.  und  ndl.  hagel,  ags. 
hagal,  hagol  und  hcegel  m.,  engl,  hail,  anord. 
schwed.-dän.  hagl  n.  Wohl  urverwandt  mit  gr. 
KoixXri^  T^-  «Steinchen,  Kiesel».  Das  einzelne 
Hagelstück  hieß  mhd.  und  älternhd.  hagel- 
stein und  kisel  (noch  oberd.),  ags.  hagolstän, 
engl.  Jiailstone,    anord.  haglsteinn  m.   neben 

50* 


791 


Ha^en 


Hahn 


792 


haglkorn  u,  ABL.  hageln,  v.,  mhd.  hagelen, 
mndl.  hagglen,  daneben  älternhd.  kiseln,  noch 
md.  und  oberd.  kisseln.  ZUS.  hageldicht, 
adj.,  bei  Wieland  Ob.  3, 15.    Hagelgaus,  f.: 

Schneegans,  wüde  Gans,  mhd.  hagelgans,  ahd. 
hagügansL  «Wasserhuhn»,  dann  (durch  Über- 
tragung) «Birk-,  Haselhuhn»  (dafür  ahd. /iasi7- 
gans),  endlich  «die  Schneegans»,  und  zunächst 
benannt,  weil  das  Wasserhuhn  durch  Geschrei 
am  Morgen  und  Auffliegen  aus  dem  Wasser 
(1557  Heußlin  Vogelb.  22^)  oder  durch  Unter- 
tauchen (Schiller  Teil  1,  l)  Gewitter  und 
Regen  ankündigt.  Hagelschauer,  m.,  mhd. 
hagelschür,  ags.  hagolscür  m.  Hagelschlag, 
m.,  spätmhd.  im  15.  Jh.  hagelslach.  Hagel- 
wetter, n.,   1678  bei  Krämer. 

Hagen,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  lebendiger 
Zaun.  Bei  Büi-ger  233,  noch  niederd.;  aber 
schon  mhd.  hagen  m.  «ümfriedigung,  Ver- 
hau, Dornbusch,  umfriedigter,  umhegter  Ort», 
ahd.  hagan  m.  «Dornstrauch  zur  Umhegung»; 
dazu  and.  hagan  m.  «Art  Dornstrauch»,  mnd. 
hagen  m.  «Hecke,  Gebüsch,  Einfriedigmig  zu 
Schutz  und  Verteidigung,  umhegter  Ort», 
schwed.  hägn,  dän.  hegn,  von  ahd.  hac  m. 
«Hag»  (s.  d.).    Vgl.  Hain. 

hagen,  v.:  behagen  (s.d.).  Bei  ndd.  Schrift- 
stellern (Göttinger  Musenalm.  1779  S.  88); 
and.  hagan  (?),  mnd.  und  md.  hagen,  afries. 
hagia. 

hager,  adj.:  dürr,  mager,  schmalleibig. 
Um  1300  md.  hager  (Heinrichs  Tristan  5110, 
Altväter  Darmstädter  Bruchst.  Bl.  1^)^  1618 
bei  Schönsleder  mit  Umlaut  hager;  dazu 
mengl.  hagger,  engl,  haggard  «hager».  Dafür 
oberd.  rahn  (s.  d.).  Nach  Zupitza  104  zu 
aind.  krcäs  «abgemagert,  hager,  schwächlich», 
aw.  kdrdsa-  «mager».  Anders  ZfdW.  7,  267. 
ABL.  Hagerkeit,  f.,   1691   bei  Stieler. 

Hager,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Sandhügel 
in  Strömen,  bes.  an  deren  Mündung.  1697 
bei  Besold  Thesaur.  1,  418  Heeger.  Nach 
J.  Grimms  Vermutung  eine  Nebenform  zu 
Höcker. 

Hagestolz,  m.  {-es,  PI.  -e):  unverheiratet 
Gebliebner.  Schon  mhd.  hagestolz  (Urkunde 
von  1284  bei  Mone  Anz.  3,  16),  umgebildet 
aus  mhd.  hagestalt,  ahd.  haga-,  hagustalt,  haga- 
stolt  m.  «Junggesell  Verbliebner,  Diener,  in 
Lohndienst  Stehender»;  dazu  asächs.  hagu- 
stald,  hagastold  m.  «.Diener,  Mann  überhaupt», 
and.  «proselitis»,  im  16.  und  17.  Jh.  an  Hof  an- 
gelehnt nd.  hove-.  havestolt,  ags.  hteg-,  hagu- 
steald  m.  «unverheix-atet  Gebliebner,  Kriegs- 


dienst Leistender,  Ki-ieger».  Ursprünglich 
Adj.:  ahd.  hagustalt  Itp  «eheloses  Leben», 
hagastalt  man  «Lohnarbeiter»,  ags.  htegsteald 
«kämpfend»,  wonach  die  älteste  Bed.  «als 
Diener  und  zwar  unverheiratet  und  kinder- 
los auf  emem  Hag  (s.  d.),  d.  i.  einem  kleinern 
Grundstück,  einem  Nebengrundstück  seßhaft» ; 
der  zweite  Wortteil  gehört  zu  got.  staldan 
«bes-itzen»  (s.  gestalt).  Nach  altem  deutschen 
Erbrechte  ging  das  Hauptgut  mit  der  daran 
haftenden  väterlichen  Gewalt  auf  den  Erst- 
gebornen über,  während  den  Jüngern  Söhnen 
nur  Nebenländer  und  damit  Abhängigkeit  von 
dem  Erstgebornen  zuteil  wurde. 

haha!  Interj.  der  Verwundeiiong  und 
Freude,  auch  lautes  Lachen,  mhd.  haha,  im 
15.  Jh.  bei  Eyb  Plaut.  80,  12  hiha\ 

Häher,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  ein  häßlich 
schreiender  Waldvogel.  Bei  Luther  Heher, 
1557  bei  Waldis  Es.  1,  29  Häher  m.,  mhd, 
heher  f.,  ahd.  hehara  f.;  dazu  mnd.  heger, 
heiger  m.,  ags.  higera,  higora  m.  «Häher, 
Specht»,  anord.  hegri  m.  «Reiher».  Dazu  mit 
s-Anlaut  norw.  skjäre,  schwed.-dial.  sker,  skür, 
skära.  Vgl.  Falk-Torp.  Vielleicht  verwandt 
mit  gr.  Kicca  f.  «Häher»  (aus  *KiKya),  aind. 
kikidivis  m.  «blauer  Holzhäher»,  also  laut- 
malend, oder  zu  aind.  rikharäs  «spitzig». 
Dann  wäre  der  Häher  nach  seinem  spitzen 
Kopfschmuck  benannt. 

Hahn,  m.  (-es,  auch  -en,  PI.  Hähne,  auch 
Hahnen):  Männchen  des  Hühnergeschlechts; 
Männchen  auch  andrer  Vögel  (Geliert  3,  461); 
Wetterfahne  (1514  bei  Keisersberg  Schiff  d.P. 
37^);  dem  Hahnenkopf  Ähnliches  z.  B.  am 
Fasse  (1510  bei  Keisersberg  Seelenpar.  51* 
Hä7i  m.),  an  der  Wasserleitung  (im  15.  Jb. 
bei  Tucher  Baumeisterb.  168,  4),  am  Flinten- 
schlosse (1575  bei  Fischart  Garg.  286);  bild- 
lich: kühner,  kecker  Kerl  (Murner  luth,  Narr 
2155,  Keisersberg  Brösamlba  2,  71'').  In  der 
1.  Bed.  mhd.  han,  haue,  ahd.  hano  m.;  dazu 
asächs.  hano,  ndl.  haan,  afries.  hona,  a,gs.  und 
got.  haiia,  anord.  hani  m.,  schwed.-dän.  hane. 
Gewöhnlich  wird  als  urspr.  Bed.  «Singer» 
(vgl.  Otfried  4,  13,  36  er  tha§  huan  singe  «ehe 
der  Hahn  kräht»)  angenommen,  vfie  ahg. petlä 
m.  «Hahn»  von  abg.  j^^^ti  «singen»,  lit.  gaidis 
m.  «Hahn»  von  lit.  giedoti  «singen»;  m*ver- 
wandt  mit  lat.  canere  «singen»,  air.  canim 
«ich  singe»,  gr.  rii-Kovöc  «Hahn»  (bei  Hesy- 
chius).  Doch  liegt  viel  eher  ein  altes  selb- 
ständiges Wort  vor,  zu  dem  auch  lat.  cicönia  f. 
«Storch»    gehört.      Die   Biegung    ist    urspr. 


793 


Hai 


Hainbund 


794 


schwach:  mhd.  Gen.  hanen,  PI.  hauen,  sie 
dauert  bis  ins  18.  Jh.  (Göthe  2,  267,  Schu- 
bart 2,  253)  und  ist  noch  oberd. ;  die  starke 
Flexion  tritt  seit  dem  16.  Jh.  auf,  bei  Keisers- 
berg  der  PI.  hen,  Itän,  bei  H.  Sachs  9,  50  u.  59 
der  Gen.  deß  Haans  wad  Hanes.  Vgl,  Henne, 
Huhn.  RA.  der  rote  Hahn  «wie  ein  Hahn 
vom  Dach  auffliegendes  Feuer»  (H.  Sachs  9, 
55).  Hahn  im  Korbe  (Facetiae  facet.  164), 
eig.  «das  beste  Stück  unter  dem  jungen  Hühner- 
volk im  Hühnerkorbe»,  daher  im  16.  Jh.  der 
best  Han  im  Korb  (H.  Sachs  21,  261,  Fischart 
Bienenk.  131  "^j.  ZUS.  l)  mit  dem  schwachen 
Gen,  Hahnen-:  Hahnenbalken,  m.:  Fii-st- 
balken  (worauf  der  Hahn  sitzt  und  kräht), 
mhd.  hanenbalke,  auch  hanboum  m.  Hahnen- 
feder, f.,  bei  H.  Sachs  9, 125.  Hahnenfuß, 
m.:  die  Ranunkel,  mhd.  hanen-,  ha7ievuog,  ahd. 
hanefuo^  m.,  der  Xame  wegen  der  dem  Fuß 
eines  Hahns  ähnlichen  Gestalt  des  Blattes 
der  Pflanze.  Hahnenschrei,  bei  Luther. 
Hahnensporn,  m.,  1664  bei  Duez  Hahnen- 
spohr.  2)  mit  Hahne-,  Hahn-:  Hahnekamm, 
ni.,  im  15.  Jh.  bei  Diefenbach  gl.  158^  hanen-, 
hanekamp;  als  Pflanzenname  mhd.hanenchamp. 
Hahnkräh,  f.  (Herder  von  deutscher  Art  und 
K.  101),  1572  bei  Fischart  Großna.  25  Hanen- 
kräh  m.,  dafür  mhd.  ha7i-,  hanekrät  f.,  ahd. 
hanacrät,  asächs.  hanocräd  f.,  ags.  hancred  m., 
von  Rückert  3,  294  erneuert  Hankrat  m. 
Hahnrei,  m,  (s,  PI.  -e):  Mann  eicer  un- 
treuen Ehefrau,  ein  urspr,  norddeutscher 
Ausdruck,  mnd.  im  15,  Jh.  hanerei,  hanreyge, 
in  den  Facetiae  facetiarum  164  hahnreg,  1534 
bei  Luther  6,  161*  J.  ein  Hanrey  wie  man 
in  Sachsseil  redet:  doch  nach  Beckmann  Gesch. 
d.  Erf,  2,  269  Hanrey  schon  1322  als  Beiname 
eines  Augsburger  Müllers.  Bei  Mathesius  | 
Sarepta  1562  250*  Hanrey  m.  f.  «geschlecht- 
lich Ausschweifender  oder  Ausschweifende»: 
in  der  wahrscheinlich  urspr.  Bed.  Kapaun  1670 
bei  Abele  künstl.  Unordnung  2,  309  Haan- 
rehf  1717  bei  Leibniz  Collectanea  etymolog.  1, 
312  Hahnree.  Das  Wort,  urspr.  schwach 
biegend,  scheint  im  zweiten  Teil  abgeleitet 
von  mhd.  reie,  reige  m.  «Tanz»  (s.  ^Reihen), 
«der  den  Hahnentanz  mitmacht»  (vgl.  Brant 
Narrenschiif  S.  34*  Z.).  Y gl.  Hörner  aufsetzen 
unter  Honi.  hahnebüchen,  s.  Hagebuche. 
Hahnepanipel,  m.:  Schimpfwort  für  einen 
haltlosen,  hin-  imd  herfahrenden  und  zappeln- 
den Menschen,  In  Norddeutschland.  Unbe- 
kannter Herkunft. 

Hai,  m.  (-es,  PI.  -e):  der  gefräßige  See- 


fisch squalus  carcharias.  1658  bei  Mandelslo 
Reisebeschr.  2,  13  Haye  m.,  PI.  Hayen,  1741 
bei  Frisch  Häye  m.,  aufgenommen  aus  ndl. 
haai  f.,  anord.  här  m..  schwed.-dial.  ha  m.,  dän. 
haa.  Man  vergleicht  aind.  catdkus  m.  «ein 
best.  Wassertier»,  das  auch  die  Bedeutung 
«spitzer  Pflock,  Holznagel»  hat,  wie  auch 
anord.  här  «Rudemagel»,  so  daß  die  doppelte 
Bedeutung  schon  vorhistorisch  ist.  ZTJS. 
Haifisch,  m.,  1768  bei  Moerbeek  Hayfisch 
neben  Hay. 

Haiduck,  s.  Heiduck. 

Hain,  m.  [-es,  PI.  -e):  gottgeweihter  Wald 
(bei  Luther);  Hege-,  Lustwald  (bei  Luther 
1,  531b  Eisl.).  Ein  mitteldeutsches  Wort. 
Im  14.  Jh.  hain  m.  «umhegter  Platz,  Ver- 
hau:/ (Jaroschin  25<i.  87*),  1338  hayn  «um- 
hegter Wald»  (Weisth,  1,  498  aus  der  Gegend 
von  Frankfurt  a.  M.),  noch  1664  bei  Duez 
Hain.  Haine  f.  «une  franche  forest,  oü  il 
n'est  point  permis  d'abattre  du  bois,  un  bois, 
un  bois  consacre  des  payens,  lucus»,  schon 
im  8.  Jh.  in  dem  Orts-  und  Bachnamen  Hein- 
bach (Förstemann  2,  630)  neben  Hakanpach, 
Hegenebah,  wie  noch  in  den  md.  Ortsnamen 
auf  -hain;  aus  md.  hagin,  mhd.  hagen  m. 
«Einfriedigung,  umhegter  Ort»  (s.  Hagen), 
wie  auch  md.  hän,  haen  «Dornbusch»  (Diefen- 
bach gl.  192  b),  gciion  Tacitus  Germ,  9.  39  f. 
berichtet  von  gehegten,  einer  Gottheit  ge- 
heiligten Baumständen  und  Wäldern  der 
Germanen. 

Hainbuche,  f.  (PI.  -n):  Weißbuche.  1454 
md.  hainbuche  (Weisth.  5,  251),  1521  hanbuche 
(l,  538),  bei  Luther  Haynbuche,  aus  md.  hagin- 
buche,  mhd.  hagenbuoche,  ahd.  hagan-,  hagin- 
buocha  f.  Der  Name  daher,  daß  die  jungen 
Stämme  sich  leicht  zu  Hecken,  Zierbusch- 
vverk  u.  dgl.  ziehen  lassen.  S,  Hagebuche 
und  Hain. 

Hainbund,  m.:  vom  12.  Sept.  1772  bis 
Ostern  1775  dauernder  Dichter-  und  Freund- 
schaftsbund von  Göttinger  Studierenden,  feier- 
lich gestiftet  am  Abende  des  genannten  Tages 
unter  einer  schönen  Eiche  in  einem  kleinen 
Eichengnmd  auf  der  Rückkehr  nach  Göt- 
tingen, von  einem  auf  das  nahe  Dorf  Weende 
gemachten  Ausfluge.  Jene  Jünglinge  waren 
J.  H.  Voß,  Hölty^  Joh.  Friedr.  Hahn,  Joh. 
Thomas  Ludwig  Wehrs,  Joh.  Martin  Miller 
und  dessen  jüngrer  Vetter  Gottlob  Dietr. 
Miller;  nachträghch  traten  bei  Boie,  Christian 
und  Friedr.  Leopold  Stolberg,  Karl  Fried, 
Gramer,    Leisewitz.      Sie    nannte    ihre  Ver- 


795 


Haiubutte 


halb 


796 


einigung  Bund  auch  Hain  im  Gedanken  an 
den  von  Klopstock  z.  B.  in  seiner  Ode  Win- 
golf  als  Sinnbild  der  Dichtkunst  gebrauchten, 
bes.  aber  in  der  1767  gedichteten  Ode  «der 
Hügel  und  der  Hain»  dem  Hügel  als  Par- 
nassus  entgegengesetzten  Hain  (des  Hügels 
Quell  ertönet  von  Zevs,  Von  Wodan  der  Quell 
des  Haitis),  zugleich  wohl  in  Hinweisung 
auf  jenen  Eichengrund.  Aus  beiden  Be- 
nennungen erfloß  später  die  weitre  Hain- 
bund, die  zuerst  Voß  S.  XXIX  der  Vorrede 
der  1804  von  ihm  besorgten  Ausgabe  von 
Höltys  Gedichten  gebraucht. 

Hainbutte,  s.  Hagebutte. 

Hakatisten,  PI.:  Angehörige  eines  Ver- 
eins zur  Fördeiiing  des  Deutschtums  in  den 
Ostmarken.  Das  Wort  ist  gebildet  aus  den 
Anfangsbuchstaben  der  drei  Gründer  Hanse- 
mann, Kennemann  und  von  Tiedemann.  Ende 
des  19.  Jh.  aufgekommen. 

Häkelei,  f.:  kleiner  Zwist;  Häkelarbeit. 
Von  häkeln,  v.-.  mit  einem  Häkchen  gTeifen 
(1691  bei  Stieler  Mkelen);  mit  der  Häkel- 
nadel arbeiten  (im  19.  Jh.).  Von  mhd.  Jmkel 
n.,  Dim.  von  Haken.  An  häkeln  angelehnt, 
aber  hervorgegangen  aus  heiklig  (s.  heikel) 
häkelig,  häklig:,  adj.:  schwer  zu  behandeln, 
bedenklich,   1775  bei  Adelung. 

Haken,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  halbkreis- 
artige Krümmung  woran;  gekmmmtes  Ende 
zum  Einhängen;  Feuergewehr  mit  einem 
Haken  am  Schaft  zum  Auflegen  auf  eine  gabel- 
förmige Stütze  (spätmhd.  Mitte  des  15.  Jh. 
hakenpiichse,  1529  bei  Soltau  Volksl.  1,  328 
hacken,  mnd.  im  15.  Jh.  hakebusse);  Püug, 
dessen  zweischneidige  Schar  nebst  den  beiden 
Moltbrettern  die  Gestalt  eines  Pfeilwider- 
hakens hat  (mhd.  der  polensche  phluoc,  der 
hake  heilet),  dann  auch  Feldmaß  (mnd.  im 
14.  Jh.).  In  den  beiden  ersten  Bed.  mhd. 
hake,  haken,  ahd.  häko,  hägo,  häggo  m.;  dazu 
and.  hako,  mnd.  hake,  mndl.  hoek,  ndl.  haak, 
ags.  höc  m.,  engl,  hook,  mit  kurzem  Stamm- 
vokal ags.  haca  m.,  schwed.  hake,  dän.  hage 
«Haken»  (verschieden  von  got.  höha  m.,  ahd. 
huohili  n.  «Pflug»,  aber  wohl  wurzelverwandt^ 
Vielleicht  verwandt  mit  leit.keg'is  m.  «Krücke» 
(vgl.  anord.  höekja  f.  «Krücke»,  ags.  hcecce  f. 
«Bischofsstab»)  oder  mit  lit.  saknis  f.  «Wurzel». 
RA.  die  Sache  hat  einen  Haken  «ein  Hindernis», 
1575  bei  Fischart  Garg.  151  es  hat  ein  häcklin. 
ABL.  haken,  v.,  1495  in  der  Kölner  Gemma 
Rl*^  haken,  im  15.  Jh.  hachen  «krümmen, 
beugen»    (Diefenbach   gl.  626^).      hakicht. 


hakig,  adj.,  1420  nd.  hakich  (ebd.),  ndrhein. 
im  15.  Jh.  haechetht  (ebd.). 

hal,  adj.:  bis  zur  Saft-  und  Kraftlosigkeit 
ausgetrocknet  oder  austrocknend  (1544  bei 
Luther  ein  holer  Wind);  dürr  und  mager. 
Westmitteldeutsch.  Dazu  nd.  häl,  hcel,  ndl. 
haal  «trocken,  düiT,  mager»  und  mit  anlaut. 
s-  schal  «trocken,  dürr,  leck»,  schwed.  skäll 
«mager»  und  weiter  gr.  cxXi-ipöc  «trocken, 
düiT,  mager».  Vgl.  Ehrismann  Btr.  20,  63. 
Davon  verschieden  südd.  hahl,  hähl  «glatt, 
schlüpfrig»,  mhd.  hcele,  ahd.  häli,  anord.  hall, 
das  zu  hehlen  gehört.  ZUS.  Haigans,  f.: 
magre,  uugemästete  Gans  (westmd.),  dann 
Schelte  für  ein  sich  dumm  und  albern  be- 
nehmendes Mädchen  (Maler  Müller  1,  128); 
verschieden  von  Haigans,  der  Verkürzung 
von  Hagelgans  (s.  d.). 

halali!  weidmännischer  Ruf  bei  der  Hetz- 
jagd, wann  der  Hirsch  abgehetzt  nicht  weiter 
kann.  Der  Ton  ruht  entweder  auf  der  vor- 
letzten oder  auf  der  letzten  Silbe.  Aus  gleich- 
bed.  franz.  halali,  1746  bei  Döbel  Jäger- Pract. 

2,  98  ha  la  lit  «ha  da  liegt  er». 

•^halb,  halben,  grundangebende  Präp.  mit 
Gen.,  hinter  dem  i'esierten  Worte  stehend.  Mhd. 
halbe,  halp  und  halben  «auf  Seiten,  wegen», 
ahd.  halb  nachgestellte  Präp.  mit  Gen.,  urspr. 
Kasus  von  Halbe  (s.  d.),  mhd.  halbe,  und  zwar 
halben  der  Dat.  PL,  halbe  und  gekürzt  halb, 
halp  der  Akk.  oder  Instr.  Sg.  Aus  einer 
Vermischung  des  Subst.  Halbe  mit  dem  Adj. 
halb  erwuchs  des  letztern  erstarrte  Maskulin- 
form halber  als  Präp.  mit  Gen.,  1499  im 
Terentius  deutsch  9''. 

"halb,  adj.,  einen  Teil  bei  Teilung  in  zwei 
gleiche  Teile  bezeichnend,  ■'/.i.  Mhd.  und 
ahd.  halp,  asächs.,  afiües.  und  ndl.  half,  ags. 
healf,  engl,  half,  anord.  halfr,  schwed.  half, 
dän.  halv,  got.  halbs.  Zur  Etymologie  geht 
Persson  KZ.  33,  289  von  einer  Wm-zel  «spalten» 
aus,  die  mit  s- Anlaut  in  gr.  cköXoh»  m.  «Pfahl», 
lat.  sculpo  «grabe  ein»  vorhegt.  Kluge  ver- 
gleicht aind.  kalpäjati  «bringt  in  Ordnung, 
stellt  richtig,  verteilt».  Wurzelverwandt  ist 
vielleicht  auch  aind.  kala  f.  «kleiner  Teü». 
In  den  Zusammensetzungen  anderthalb  (l^/.,), 
dritthalb  (2^/o)  usw.  schon  mhd.  und  ahd., 
auch  ags.  öper  healf  {l'^j.-,),  anord.  halfr  fjördi 
(3Vo).^    ABL.   Halbheit,  f.   bei   Wieland 

3,  150  von  1767.  halbieren,  v.,  mhd.  hal- 
biei^en  neben,  häufigerm  halben,  halbicht 
(bei  Wieland  an  Merck  1,  249  «unentschieden, 
schwankend»),  halbig  (beiLessing3, 162  «un- 


797 


Halbe 


Hall 


798 


vollkommen»),  adj.,  bei  Serrauus  1538  halbig, 
1564  bei  Glaser  Gesindteufel  Fl*  halhicht. 
ZUS.  Halbbruder,  m.,  1641  bei  Schottel 
365 ;  dazu  afries.  halfbroder,  anord.  Imlfhröäir. 
halbbürtig,  adj.,  1691  bei  Stieler.  Halb- 
gott, m.,  ahd.  und  spätmhd.  halhgot.  Halb- 
insel, f.,  1537  bei  Dasyi^odius  ein  halb  insel, 
1678  bei  Krämer  Halbinsul.  Halbjahr,  n., 
mhd.  halpjär:  halbjährig,  adj.,  mhd.  Äa^j> 
jceric.  Halbkreis,  m.,  mhd.  halb  krei^ 
(Diefenbach  gl.  641 «).  Halbkugel,  f.,  1678 
beiKrämer.  Halbmann,  m,:  Kastrat,  Eunuch 
(Schiller  Tur.  2,  l),  spätahd.  1175  halpnian. 
Halbmesser,  m.:  Radius,  1670  bei  Stm-m 
teutscher  Archimedes  Vorbericht.  Halbpart, 
m.:  Halbteilung,  Hälfte,  1691  bei  Stieler. 
halbrund,  adj.,  1678  bei  Ki-ämer,  dafür 
spätmhd.  im  15.  Jahrh.  halb  sinivel.  Halb- 
SCheid,  f.,  das  Halbgeteilte,  Hälfte,  im  14. 
bis  15.  Jh. -nrhein.  halffscheit  (Weist.  2,  354), 
Skhd. halpgisceid.  halbschlächtig,  adj.:  einen 
Halbschlag,  eine  Unterart  bildend  (Kant  10, 27); 
unentschieden,  schwankend,  halbschürig, 
adj.:  unvollkommen  (Lessing  7,  43  halbschie- 
rig),  urspr.  von  der  Schafwolle,  die  jährHch 
zweimal  geschoren  wh-d,  im  Gegensatz  zur 
einschürigen.  Halbspäliuer,  m.:  Halbbauer, 
wer  nur  ein  halbes  Gespann  (2  Pferde)  zur 
Bewirtschaftung  braucht.  In  !Norddeutsch- 
land.  Halbstiefel,  m.,  1664  bei  Duez. 
halbtot,  adj.,  mhd.  halptöt.     halbwegs, 

adv. :  einigermaßen,  ziemlich,  eig.  Akk.,  mhd. 
halben  wec,  im  15.  Jh.  bei  Rothe  h.  Elisab. 
2042  halbweg;  1734  bei  Weber  halbwege  und 
halbwegs  (verkürzt  aus  halbe  Wege  und  halbes 
Weges),  halbwüchsig,  adj.,  bei  Zachariä 
1,  250  halbwüchsigt.  Halbzirkel,  m.,  mhd. 
halb  cirkil  (Diefenbach  gl.  641  «=). 

Halbe,  f.  (veraltet):  Hälfte;  Seite,  Nur 
noch  in  Xorddeutschland  in  der  RA.  auf  der, 
über  die  Halbe  liegen.  Mhd.  halbe,  ahd.  halba  f. 
«Seite,  Gegend»;  dazu  asächs.  halba,  afries. 
halve,  ags.  ÄeaZ/f.  «Hälfte,  Seite»,  a.nord.  halfa 
«Teil,  Familienzweig»,  got.  halba  f.  «Hälfte, 
Seite».  Es  ist  das  Grundwort  von  ^halb  und 
mit   -halb  verwandt. 

Halde,  f.  (PI.  -7i):  der  Abhang,  Bergab- 
hang. Mhd.  holde,  ahd.  halda  f.,  von  ahd. 
hald,  mhd.  halt.  ags.  heald,  anord.  hallr  «nieder- 
wärts schräglinig,  geneigte.  Dazu  got.  wilja- 
halpei  f.  «Zuneigung,  Gunst»,  aind.  katakas  m. 
«Ring,  Armband,  Tal»,  Wi.at-kalte  f.  «Rücken- 
lehne».   S.  Helling. 

Hälfe,  m.  (PI.  -/i):  Halbbauer,  im  Gegen- 


satz zum  Besitzer  eines  Vollgutes,  am  Nieder- 
rhein, wohl  gekürzt  aus  Halfwinne,  wie  die 
aachen.  Nebenform  Halfer  m.  aus  Halfwinner. 

Hälfte,  f.  (PI.  -n):  einer  von  zwei  gleichen 
Teilen.  Abstraktbildimg  zu  halb  fs.  d.  -). 
Geläufig  bei  Luther  Helffte,  Helfft  f.,  aus 
md.  und  mnd.  helfte  f.  (\b.  Jh.,  z.  B.  schlesisch 
1421);  dazu  mndl.  helft  f.,  afries.  halfte,  helfte 
m.,  anord.  helfd  f.  Mit  andrer  Endung  im 
16.  Jh.  halfftnoth  f.  (Stadtrechte  v.  Arnstadt), 
fi-ühmhd.  im  12.  Jh.  halfnotm.  (Germ.  20,  41), 
ahd.  halftanod  m.  «Hälfte».  Früher  sagte 
man  hd.  Halbe  f.  (s.  d.)  und  Halbteil  n.,  mhd. 
halpteü  m.,  afries.  halfdel,  haldel  n.  «Hälfte». 
Vgl.  Halbscheid. 

"^Halfter,  f.  (PI.  -n)  m.  n.:  ledernes  Kopi- 
zeug des  Pferdes  zum  Halten.  Mhd.  halfter, 
ahd.halftra  f.;  dazu  anä.halefdra,  nnd.halchtei', 
kalter,  ndl.  halster,  ags.  hcelftre  f.,  engl,  halter. 
Gleichen  Stammes  wie  älternhd.  Helb,  mhd.- 
ahd.  halb  m.,  mnd.  helve,  helf  helft  n.  «Hand- 
habe, Stiel»,  ags.  hielf  m.,  engl,  helve  «Axt- 
stiel». Vielleicht  urverwandt  mit  lit.  Mlpa 
«Schlinge»,  kälpa  f.  «Querholz  am  Schütten», 
apreuß.  kalpus  «Rungenstock».  ABL.  half- 
tern, V.:  die  Halfter  anlegen,  Anf.  des  16.  .Jh. 
halffteren  bei  Diefenbach  gl.  272 '^. 

-Halfter,  f.  (PL  -n),  richtiger  Holfter 
oder  Hulfter:  Pistolenbehältnis  am  Sattel. 
Die  Form  Halfter  seit  dem  17.  Jh.,  1575  bei 
Fischart  Garg.  353  Hulfter  f.,  1669  bei  Gi-im- 
melshausen  Simpl.  241  Pistolludffter,  1775  bei 
Adelung  Holftei'  f.  In  ältrer  Bed.  1482  hulffter 
«Köcher»  (Voc.  theut.  p  2*^),  mhd.  hulft,  ahd. 
huluft,  hulft  f.  «Hülle,  Decke»,  auch  «köcher- 
artiges Behältnis»,  ahd.  satilhulft  (Diefenbach 
gl.  281^),  neben  mhd. -ahd.  hülst  f.  «Hülle», 
got.hulistr  n.,  ags.  heolstor  n.  «Hülle,  Decke», 
Island,  hulstr  n.  «Futteral»,  ndl.-engl.  holster 
«Holfter».    Von  hüllen  (s.  d.). 

Haigaus,  s.  hal 

Halkyonische  Tage:  nach  lat,  dies 
halcyonii  «ruhige  Tage  im  Winter,  an  denen 
der  Eisvogel  (gr.-lat.  halcyon)  brütet.  1757 
bei  Wieland.     Vgl.  ZfdW.  10,  34. 

Hall,  m.  {-es,  PI.  -e):  fortschwebender 
Schall,  mhd.  hal  m.  S.  hell.  ABL.  halleu, 
V.,  erst  1440  auftauchend  in  lüthalend  (Diefen- 
bach gl.  542^),  aber  spärlich  bis  ins  18.  Jh.; 
dafür  mhd.  hellen  mit  starker  Flexion  (s.  hell). 
ZUS.  Halljahr,  n.:  das  Jubeljahr  der  Juden, 
zuerst  bei  Luther  Halliar,  der  Name  wegen 
des  Halles  der  Horner,  durch  den  es  ver- 
kündigt wurde  (3.  Mos.  25  und  Jos.  6,  4 — 6). 


■99 


Halle 


Hals 


800 


^ Halle,  f.  (PI.  -n):  offner  Bau  mit  einem 
bloß  auf  Säulen  oder  Pfosten  ruhenden  Dache ; 
von  Säulen  getragner  Vorbau,  Bei  Luther 
häufig,  seit  der  Mitte  des  18.  Jh.  von  Dichtern 
(Klopstock,  Ramler)  wieder  erneuert.  Aus 
gleichbed.  md.  halle  (13.  u.  14.  Jh.,  Germ. 
20,  41),  ahd.  halla  f.  «Tempel»;  dazu  asächs. 
holla,  ags.  heall,  engl,  hall,  anord.  höll  f., 
schwed.  hall,  dän,  hal  «Halle»;  aus  dem  Ger- 
manischen entlehnt  gleichbed.  afranz.  hale, 
nfranz.  halle  f.  Ableitung  von  ahd.  helan 
«verbergen,  verdecken»  (s.  hehlen)  ist  un- 
wahrscheinlich, vielmehr  entspricht  das  Wort 
nebst  ndd.  hille  «Ort  über  den  Viehställen, 
wo  Gesinde  und  Kinder  zu  schlafen  pflegen», 
dem  lat.  cella  f.  «Kammer,  Zelle»  (beide  mit 
U  aus  hl).  Verwandt  sind  noch  gr.  KaXid  f.  j 
«Hütte,  Scheune,  Nest»,  aind.  gälä  f.  «Hütte,  1 
Haus,  Gemach»,  ir.  cuile  «Keller,  Magazin». 

"Halle,  f.:  die  Salzkote,  das  Siedehaus 
der  Salzwei'ke.  Im  hallischen  Talrecht  aus 
dem  14.  Jh.  halle  f.  «Salzwerk»,  mhd.  hal  n., 
wie  noch  schwäb.-bayr.  Hall  n.,  womit  zgs. 
mhd.  1130  halgräve  m.,  ahd.  halhüs  n.  «Salz- 
werk», woraus  schwäb.  Halles  n.  «Siedhaus». 
Nach  den  meisten  neuera  Forschern  dasselbe 
Wort  wie  ^Halle,  es  ist  aber  mit  V.  Hehn 
Das  Salz  daran  festzuhalten,  daß  in  hal  das 
idcf.  Wort  Salz  steckt  und  daß  das  Wort 
also  aus  einer  Sprache  entlehnt  ist,  die  s  in 
h  verwandelte.  Hallore,  m.  (-en,  PI.  -en):  \ 
Salzwerkarbeiter  zu  Halle  a.  S.,  erst  1681 
der  PI.  Halloren  (Dreyhaupt  Saalkreis  1,  510), 
entstanden  aus  der  burschikosen  Wortbildung 
Halloruni  (ebd.  1681),  auch  als  Singular,  wie 
Buckeloruni,  wohl  umgestaltet  aus  einem  1668 
belegten  hahirga  «Salzwirker»,  einer  Bildung 
aus  gr.  äXc  «Salz»  und  einer  Ableitung  von 
epYov  «Werk».   Vgl.  Gebhardt  ZfdW.  10,  205. 

hallelüja,  liallehijali:  gelobt  sei  Gott. 
Das  hebr.  hallelüjäh  «preiset  Jehova»,  von 
hillel  «preisen»,  eig.  «glänzen  machen»  und 
Jäh  (=  jähweh)  «Jahwe,  Jehova».  Im 
deutschen  Kirchenlied  durch  Luther,  der 
haleluia  schreibt,  kiixhenlateinisch  alleluja 
(so  noch  österreichisch). 

hallen,  Halljahr,  s.  Hall. 

Hallig,  f.  (PI.  -en),  auch  Halling:  kleme 
flache,  gegen  die  Flut  nicht  geschützte  Insel. 
Aus  dem  Ndd.  unklarer  Herkunft,  Vielleicht 
von  hallig  für  haldig  «geneigt». 

hallo!  Zui-uf  des  An-  und  Aufregens; 
subst,  Hallo,  n.  (-5,  PI.  -es).  Urspr.  Zuruf 
an  den  Fährmann  zum  Überfahren  (1471  in 


Weist.  1,  530  sess  ein  mentsche  hinsit  Meyns 
und  riff  dri  male:  hallo,  hallo!  ivolt  der 
ferge  ine  dan  nit  holen,  holen  usw.),  dann 
allgemeiner  Ausruf  zum  Herbeirufen  von 
Leuten,  endlich  Hetzruf  an  Hunde  auf  der 
Jagd  (gleichsam  zum  Herbeiholen  des  Wil- 
des), in  den  beiden  letzten  Bed.  auch  engl. 
halloo.  Das  Wort  ist  Imperativbildung  von 
holen  «holen»  (s.  d.),  mit  dem  nachdrück- 
lichen Suffix  -ä,  verdunkelt  -6  (vgl.  holla, 
feuerjo). 

Hallore,  s.  ^Halle. 

Halluzination,  f.  (PI.  -en):  Art  Sinnes- 
täuschung, Trugbild.  Aus  lat.  hallücinätio  f. 
«Träumerei»  im   19.  Jh. 

Halm,  m.  {-es,  PI.  -e,  fast  veraltet  -en): 
hohler  Gras-,  Getreidestengel.  Mhd.-ahd.  halm 
m.  (PI.  mhd.  halme  und  helmer,  ahd.  halma); 
dazu  asächs.-ndl.-schwed.-dän.  halm,  ags.healm, 
engl,  halm  «Halm»,  anord.  halmr  m.  «Stroh». 
Übereinstimmend  mit  gr.  KciXainoc  (daraus  lat. 
colamus,  aind.  kaldmas)  m.  «Rohr,  Schreib- 
rohr, Getreidehalm»,  lat.  culmus  «Halm»,  abg. 
slama  f.,  apreuß.  salme,  lett.  salnis  «Halm». 
Spätmhd.  auch  die  schwache  Form  holme  m., 
woher  der  nhd.  PI.  Holmen  (Schiller  11,  352). 

Hals,  m.  (Gen.  Halses,  V\. Hälse):  zwischen 
Kopf  und  Rumpf  befindlicher  Teil  des  Köi'pers. 
Mhd.-ahd.  hals  m.;  dazu  asächs, -ndl.- afries.- 
anoi'd.- schwed.- dän. -got.  hals,  ags.  heals  m. 
Urverwandt  mit  lat.  Collum  n.,  alat.  collus 
(aus  *cols-)  m.  «Hals»,  ir.  coli  «Haupt».  Vgl. 
Uhlenbeck  Btr.  30,  287,  ABL.  halsen,  v., 
ahd,  halson,  halsen  und  holsan,  helsen,  mhd, 
helsen  und  in  starke  Biegimg  übergehend 
halsen  (Prät.  hiels);  dazu  and.  helsian,  anord. 
halsa,  engl,  halse  «um  den  Hals  fallen». 
ZUS.  Halshand,  n.,  mhd.  halshant.  hals- 
hrechend,  Part,,  1678  bei  Krämer,  Hals- 
eisen,  n.,  mhd,  halsisen  n,  «am  Pranger 
befestigtes  Eisenband,  das  dem  ausgestellten 
Verbrecher  um  den  Hals  gelegt  wurde». 
Halsgericht,  n.:  hohe  Gerichtsbarkeit  und 
Gericht  über  Leben  und  Tod,  md,  1302  bei 
I  Haltaus  785  halsgerichte  m.  halsstarrig, 
adj.,  bei  Luther,  mit  Umlaut  1538  bei  Serra- 
nus  halß  sterrig,  eig.  «die  Halsstarre  habend», 
dafür  mhd. /;a/ssfarc,  noch  im  16.  Jh.  holßstorck 
(Dasypodius,  Luther  W,  6, 15),  1400  bei  Lilien- 
cron  Volksl,  1,  178^  halsstarg;  davon  Hals- 
starrigkeit, f.,  bei  Luther,  im  15,  Jh.  bei 
Diefenbach  gl.  430  ^  halßstarckait,  1482  bei 
Melber  T  6^  halßsterckikeit.  Halstuch,  n,, 
ahd, -mhd.  halstuoch,  afries.  haJsdök  m. 


801 


halt 


Hämling 


802 


halt,  Adv.  der  Bekräftigung:  vielmehr, 
allerdings,  eben,  freilich.  Mhd.  und  ahd.  halt, 
asächs.  hald,  wie  haß  (s.  d.)  ein  um  die  Endung 
verkürzter  Adverbialkomparativ  (zum  ahd. 
Adv.  halto  «sehr»),  der  sich  in  mhd.  haltir, 
halter,  got.  haldis,  anord.  heldr,  dän.  heller, 
«vielmehr»  vollständig  zeigt,  noch  österr. halter 
(auch  bei  Wieland  11,221,  Schiller  Turandot 
4,7).  Davon  verschieden  schles.  haldich ,  hailich, 
henneberg.  heillich,  im  Schelmuffsky  (1697) 
109  fg.  halt  ich  dafür,  als  zwischengeschobener 
Bestärkungssatz.  Das  oberdeutsche  halt  wird 
auf  dieses  halt,  1.  Sg.  vom  Yerbum  halten 
«meinen»  zuiückgehen. 

Halt,  m.  (-[e]s,  PI.  e):  Festigkeit,  Stütze 
(1691  bei  Stieler);  festes  Benehmen  (Goethe 
23,  178);  das  Anhalten  (Opitz  2,  131);  Hinter- 
halt (Voß  Ilias  6,  189,  schon  spätmhd.  im 
1 5,  Jh.).  Von  halten,  v.  (Präs.  halte,  hältst, 
hält,  Pr'dt' hielt,  Konj.  hielte,  Part,  gehalten, 
Imp.  halt,  halte):  in  Fürsorge  und  Aufsicht 
haben ;  festsein  und  -bleiben  woran  usw.  Mhd. 
halten,  urspr.  Verbum.  des  Hirtenlebens:  ahd. 
haltan.  halthan  (Prät.  7Ma?f)  «hüten,  als  Hirte 
das  Vieh»  (Otfrid  1,  12,  1),  «bewahren,  ver- 
wahren», asächs.  AaWaw  (Prät. /;eM)  «hüten,  in 
Pflege  haben,  bewahren,  fest  haben,  preisen, 
feiern»,  ags.  healdan  «bewachen,  leiten,  inne- 
haben, fest-,  aufrechthalten»,  engl,  hold, 
afries.  halda  «beobachten,  leiten,  festhaben» 
usw.,  anord.  halda,  altschwed.  /<aZ/a, "  schwed. 
hcUlä,  got.haldan  [Frät.  haihald)  «hüten,  wei- 
den». Man  kann  t  als  präsensbildend  betrach- 
ten und  als  urverwandt  aind.  kaläjati  «treibt, 
hält»,  gr.  K^ecBai  «antreiben,  i'ufen»,  KeWeiv 
«treiben»,  ßouKÖX.oc  m.  «Rinderhirt»,  altir. 
&«ac/im7Z  «Hirt»  vergleichen.  ABL.  Halter, 
m.:  Hii't  (bayr.).  Haltender,  Werkzeug  etwas 
festzuhalten  (Behälter  1663  bei  Schottel),  mhd. 
haltcere,  halter  m.  «Hirt,  Beobachter,  Be- 
wahrer, Erlöser,  Inhaber»,  ahd.  haltari  m. 
«Erlöser,  Empfänger».  Mit  Umlaut  Hälter, 
m. :  Aufnahme-  und  Bewahningsort,  bei  Frisch 
aus  Alberus  dict.  1540.  -haltl;;^  in  gold-, 
reichhaltig,  spätmhd.  halteg  «festhaltend», 
ahd.  nur  in  Zussetz.  -haltic  «haltend».  Hal- 
tlinj^,  f.,  mhd.  haltunge  f.  «Verwahrung,  Ge- 
wahrsam», dann  «das  Verhalten».  ZUS.  halt- 
bar, adj.,  1691  bei  Stieler  nebst  Haltbarkeit. 
Haltepunkt,  m.,  bei  Goethe  35,  245. 

halter  s.  halt. 

Halunke,  m.  (-w,  V].-n):  nichtswürdiger 
Mensch.  1527  bei  Waldis  verlor.  Sohn  879 
Holunck  «nackter  Bettler»,  1541  Hollunk 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


«Bettler»  (Germania  20,  68  bei  Beschreibung 
eines  Brandes  in  Prag),  1542  bei  Alberus  der 
Barfuser  Münche  Eulenspiegel  No.  94  Hal- 
luck «verwildert  aussehender  Mensch»,  1615 
bei  Wallhausen  Kriegskunst  zu  Fuß  141  Hal- 
lunck  «Nichtswürdiger»,  bei  Fischart  Pract. 
Großm.  (1607)  B  1 »  Holunck,  noch  bei  Schiller 
Räuber  1,  2  Hollunke.  Wohl  entlehnt  aus 
böhm.  holomek  m.  «nackter  Bettler,  Nichts- 
würdiger», von  böhm.  holy  «kahl,  nackt,  bloß, 
arm».  Anders  H.  Schröder  Streckformen  11. 
Vgl.  noch  Kern  ZfdW.  7,  307. 

Hambutte,  f.  (Voß  Luise  1),  s.  Hagebutte. 

^Harnen,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  sackför- 
miges usw.  Fangnetz.  Mhd.  harne,  ham  m., 
auch  urspr.  «Haut,  Hülle,  Kleid»,  ahd.  -hämo 
«Hülle,  Kleid»  in  lihhamo  (s.  Leichnam),  eben- 
so asächs.  -hämo  in  güd-,  fedhar-,  likhamo, 
ndl.  haam  «Fischnetz,  Kummet»,  ags.  -hama, 
-homa,  -ham  m.,  engl,  harne  «Kummet,  Ge- 
schiiTstöcke»,  anord.  hamr  m.  «Hülle,  Haut, 
Balg»,  schwed.-dän.  ham  «abgestreifte  Haut, 
Balg».  Dazu  got.  -hamöii  «kleiden»,  in  af-, 
ana-,  and-,  ga-,  ufarhamön,  anord.  hamast 
«die  Gestalt  eines  andern  Wesens  annehmen». 
Außerhalb  des  Germ,  sind  noch  verwandt  aind. 
f am f' f.  «Hülsenfrucht»,  gämuljämu.  «wollnes 
Hemd».    Vgl.  Hemd. 

"Hamen,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.) :  Angelhaken, 
Angelrute.  Mhd.  harne,  ham  m.  (dazu  das  Dim. 
hamel  n.  «Häkchen,  kleines  spitzes  Werkzeug»), 
ahd.  hämo  m.,  vielleicht  urverwandt  mit  lat. 
hämus  m.  «Haken,  Angelhaken,  Angel».  Vgl. 
aber  Walde  s.v.  Im  16.  Jh.  ifame  m.  «hölzerne 
gebogne  Fessel  zum  Festhalten  von  Kühen  und 
Schweinen»,  noch  westfäl.  Ham  und  westmd. 
Hamen  va.  «Pferdekumt»,  engl. /tarne  «Kumt». 

Hamfel  s.  Hampfel. 

hämisch,  adj.:  versteckt  boshaft  mit  Lust 
zu  schaden.  Mhd.  hemisch,  hämisch,  im  15.  Jb. 
hämisch,  im  16.  Jh.  in  gleicher  Bedeutung 
heimisch  und  heimlich,  aber  mit  diesem  wohl 
nicht  verwandt.  Im  15.  Jh.  das  mit  Dat.  der 
Person  verbundne  Adj.  hem  «zu  schaden  be- 
flissen, aufsässig».  Wohl  von  ^Hamen  abge- 
leitet, eig.  «mit  einem  Gewand  bedeckt»,  dann 
«  verhüllt »,  « versteckt ». 

Hämling,  m.  (-s,  PL  -e):  Verschnittner, 
Eunuch.  1486  Hemling  als  Verdeutschung 
von  eunuchus,  von  Gottsched  nöthiger  Vor- 
rath  (1757J  1,  39  angeführt,  woher  das  Wort 
bekannt  und  dann  von  Lichtenberg,  Wieland 
usw.  gebraucht  wurde;  spätmhd.  1404  hembe- 
linc  m.  «Hammel»  (s.  d.). 

öl 


803 


Hamme 


Hamster 


804 


Hamme,  f.  (PI.  -n):  Hinterschenkel,  Hin- 
terkeule,bes.  des  Schweines.  Noch  oberdeutsch. 
Auch  Bezeichnung  für  verschiedne  Teile  der 
Sense,  in  verschiednen  Teilen  Deutschlands, 
IVIhd.  Äamme,  ahd.  hamniaf.  (auch  Kniekehle) ; 
dazu  ndl.  kam,  ags.  hanim  f.,  engl,  ham,  anord. 
hörn  f.  «Schenkel  von  Tieren».  Wohl  aus 
*kanniä  entstanden  und  verwandt  mit  gr. 
Kvriiuri  f.  «Unterschenkel,  Schienbein,  Wade», 
air.  cnäim  «Knöchel». 

Hammel,  ni.  (s,  PI.  Hammel  und  Ham- 
mel) :  verschnittner  Schafbock.  Mhd.  hamel  m. 
(auch  abgehauner  Stock,  schroff  abbrechende 
Felshöhe),  unsicher  ahd.  Jiamal.  Zu  dem  ahd. 
Adj.  hamal  «verstümmelt»,  einer  Ableitung 
von  ahd.  ham  «verkrüppelt»  (s.  a.  hemmen),  wo- 
von ahd.  hamalön,  mhd.  hameln  und  harnen 
«verstümmeln»,  ags.  hamelian,  engl,  hamhle 
«lähmen»,  anord.  hamha  «verstümmeln,  hem- 
men», norw.  hamle  «rückwärts  rudern».  RA. 
wiederum  auf  besagten  Hammel  zu  kommen,  bei 
Kotzebue  die  deutschen  Kleinstädter  (Werke 
18,  62),  1575  bei  Fischart  Garg.  37  aher  laßt 
uns  lüider  auf  unsere  Hammel  kommen,  über- 
setzt nach  Rabelais'  refournans  ä  uns  moutons, 
zurückzuführen  auf  eine  französ.  Farce  des 
15.  Jh.,  l'avocat  Pathelin  von  Pierre  Blanchet, 
in  der  ein  Prozeß  wegen  unterschlagner  Hammel 
verhandelt  wird.  ZUS.  Hammelfleiscll,  n., 
um  1480  im  Yoc.  ine.  teut.  h  8^  hamelfleisch. 
Hammelsprung,  m.:  kürzre  sichre  Ab- 
stimmungsart, wobei  die  mit  Ja  oder  Nein 
stimmenden  Abgeordneten  durch  die  sogeri. 
Ja-  und  Nein-Tür  wieder  in  den  Saal  ein- 
treten (urspr.  scherzhaft,  den  Führern  als 
Leithammeln  nachspringend),  1879  im  Klad- 
deradatsch 32,  214. 

Hammer,  m.  (-s,  PI.  Hämmer):  Schlag- 
werkzeug: Gehörknochen.  Mhd.  hamer  m. 
(F\.hemere.  hemer),  spätmhd.  auch  «Hammer- 
mühle, -werk»,  ahd.  hamar  m.  (PI.  hamara), 
dazu  asächs.  hamur,  afries.  homer,  ags.  hamor, 
engl,  hammer,  anord.  hamarr,  schwed.  ham- 
marr  m.,  dän.  hammer.  Urspr.  Bed.  «Stein- 
gerät zum  Schlagen»,  denn  anord.  hamarr  m. 
bed.  auch  «Felswand,  Klippe».  Urverwandt 
mit  abg.  kamy  und  kameni  m.  «Stein»,  lit. 
akmuo  m.  «Stein»,  aind.  agmä  m.  «Stein, 
Steinwaffe,  Donnerkeil,  Amboß»,  gr.  öikuujv  m. 
«Amboß».  RA.  Unter  den  Hammer  kommen, 
«versteigert  werden»,  weil  der  Versteigerer 
durch  dreim  aligen  Hammerschlag  den  Zuschlag 
erteilt.  Der  Hammer  war  altes  Rechtssymbol. 
ABL.  hämmern,  v.,  mhd.  hemeren.    ZUS. 


Hammerschlag-,  m.:  Abfall  des  gehämmer- 
ten Metalls,  spätmhd.  hamerschlag,  im  urspr. 
Sinne  mhd.  hamerslac.   Hammerschmied, 

m.,  mhd.  hamersmit. 

Hämmerlein  in  Meister  Hämmerlein,  m.: 
böser  Geist,  Teufel  (1560  bei  Neander  Men- 
schenspiegel 12^*);  Klopfgeist  (Frisch  1741). 
Übertragen  auf  den  Henker  (1546  Meister 
Hemerlin)  und  Gaukler  (Fischart  Bienk.150^). 
Eine  verblaßte  Personifikation  des  Donner- 
gottes mit  Beziehung  auf  sein  Attribut,  den 
Hammer  oder  Donnerkeil.  In  gleicher  An- 
wendung Meister  Hämmerling:  Teufel  (1619 
bei  Scheräus  Sprachenschule),  Henker  (16.  Jh.), 
Possenreißer  (1691   bei  Stieler). 

Hämmerling,  m.-.  Emmerling,  Gold- 
ammer. (Zachariä  Tageszeiten  1757  S.  20  u. 
40).  1616  bei  Henisch  Hemmerling,  mit  vor- 
getretenem h,  wie  mhd.  im  13.  Jh.  hamere, 
golthamere  statt  Ammer,  Goldammer. 

Kämmling,  s.  Hämling. 

Hämorrhoiden,  PL:  die  goldne  Ader, 
d.  i.  Blutflnß  durch  den  After.  Im  18.  Jh. 
nach  dem  PI.  haemorrhoides  des  gr.-lat.  hae- 
morrhois  f.,  gr.  ai|Lio^|)oic  «Blutfluß»,  zgs.  aus 
gr.  aT|bia  n.  «Blut»  und  einer  Ableitung  von 
f)d€iv  «fließen». 

Hampel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Einfalts- 
pinsel. Oberdeutsch.  Bei  Luther  3,  374^  J.  der 
Plur.  Hempel.  ZUS.  Hampelmann,  m.: 
hüpfendes  Männchen  (Püppchen)  im  Glase; 
Gliederpuppe  (1691  bei  Stieler  Hempelmann, 
1666  bei  Prätorius  Anthropodemus  272  Ham- 
pelmännrigen  PL);  Einfaltspinsel  (1558  bei 
Lindener  Katziporus  L  7^  fg.  Hampel-,  Hem- 
pelman).  Von  hampeln  «sich  hin  und  her 
Ijewegen»  (nd.),  neben  hammein  «springen, 
hüpfen»  (Fischart  Garg.  122  und  251). 

Hampfel,  Hamfel,  f.  (PL  -n):  Handvoll 
(S.d.).  1691  bei  Stieler.  Gekürzt  wie  Mump  fei 
aus  Mundvoll,  Arfel  aus  Armvoll. 

Hamster,  m.  (-s,  PL  wieSg.):  das  Nage- 
tier mus  cricetus.  1425  nd.  hamsier,  hampster 
(Diefenb.  gl.l65<=),  1561  bei  Maaler  ifawes^er  : 
aber  ahd.  hamastro,  hamistro  m.,  das  lat. 
curculio  glossierend,  das  den  Kornwui'm,  im 
Mlat.  auch  eine  Feldmaus  bed.,  mit  der  fem. 
Nebenform  ahd.  amstra  «gurgulio»,  andd. 
hamustra  f.  «gurgulio».  Die  Herkunft  des 
Wortes  ist  unbekannt.  Es  besteht  wohl  Zu- 
sammenhang mit  abg.  chomestar  «animal 
quoddam»,  poln.  chomik,  russ.  chomjakü 
«Hamster»,  aber  wie  dieser  aufzufassen,  ist 
unklar. 


805 


Hand 


handeln 


806 


Hand,  f.  (PI.  Hände),  mlid.-alid.  hant  f.; 
dazu  asächs.  ndl.  liand,  afries.  Jiond,  ags.  hand, 
hond,  engl,  hand,  anord.  ]mid,  schwed.  hand, 
dän.  haand,  got.  handus  f.  Im  Ahd.  tritt  das 
Wort  in  die  i-Deklination  über:  Gen.,  Sg.  und 
Nom.  PI.  henfi,  mhd.  hende,  im  Gen.  PI.  aber 
neben  ahd.  henteo.  hendo  als  Rest  der  alten 
kons.  Deklination  hando,  mbd.  hande  ( noch  in 
allerhand,  s.  d.)  und  im  Dat.  PI.  neben  hentin 
bei  weitem  üblicher  hantum,  hantun,  hanton, 
mhd.  handen,  was  sich  noch  in  ab-,  vorhanden, 
zu  Händen  erhielt.  Die  Ableitung  von  got. 
-hinpan  «fangen»  (in  frahinpan  «gefangen 
nehmen»),  also  eigentlich  «die  Fassende,  Grei- 
fende» unterliegt  starken  Bedenken  und  ist 
nur-  indirekt  möglich.  V.  Blankenstein  Idg. 
Forsch.  21,  99  verbindet  mit  Hand  gv.  Kaxä 
eig.  «mit  der  Hand»  u.  a.  über  den  Zu- 
sammenhang mit  hund  in  hundert  s.  zehn. 
ABL.  handlich,  adj.,  mhd.  hantlich  «mit  der 
Hand  gearbeitet»,  ahd.  hantlth  «leicht  zu  be- 
handelnd» (nur  in  unhantlih).  ZUS.  Hand- 
breit, f.,  bei  Luther.  Handbuch,  n.,  spät- 
mhd.,  im  15.  Jh.  hantbuoch.  handfertig',  adj., 
1602  bei  Kirchhoff  milit.  disc.  231.  hand- 
fest, adj. :  in  feste  Hand  genommen,  gefangen 
(mhd.hantveste):  mit  Händen  gewaltig  (mhd.); 
fleißig,  emsig  (1537  bei  Dasypodius).  Hand- 
feste, f.  (PI.  -n):  schriftliche  Versicherung, 
Verbriefung  der  Rechte  durch  eigenhändige 
Namensunterschrift,  mhd.  hantveste,  a'hd.  ha^it- 
festi  f.  Handgeld,  n.:  Angeld,  Ißlß  bei 
Wallhausen  Kriegsmanual  124.  handgemein, 

adj.,  1716  bei  Ludwig.  Handgemenge,  n., 
bei  Opel  u.  Cohn  30j.  Krieg  278  vom  J.  1631. 
handgreiflich,  adj.,  1618  bei  Schönsleder. 
Handgriff,  m.,  ahd.  hantgrif  ra.  « Griff  mit 
der  Hand»;  in  der  Bed.  «Handhabe»  1664 
bei  Duez  und  nd.  hanfgreep  1582  bei  Chyträus, 
technisches  geschicktes  Verfahren  1640  bei 
Lehmann  Flor.  205.  Handhabe,  f.:  woran 
befindlicher  Griff  zum  Halten,  mhd.  hanthdbe, 
ahd.  hanthaba  f.  handhaben,  v.,  mhd.  liant- 
haben  «fest  fassen,  halten,  schirmen,  unter- 
stützen». Handhabung,  f.,  mhd.  hanthabunge 
f.  «Schutz,  Verteidigung»,  handhaft,  adj.: 
in  der  alten  Gei'ichtssprache  «handgreiflich 
dargetan,  offenkundig»,  mhd.  hanthaft  in  hant- 
hafte tat  «frische  Tat»  (bei  der  der  Täter  noch 
die  Waffe  usw.  in  der  Hand  hat).  Hand- 
kuß, m.,  1678  bei  Krämer,  handlangen, 
V.  (Goethe  21,  138),  1562  bei  Mathesius  Sar. 
209'',  mnd.  handlangen  «mit  der  Hand  reichen», 
vielleicht   umgestaltet   aus   mhd.  andeJangen 


«überantworten».    Davon  Handlanger,  m., 

um  1420  bei  Tucher  Baumeisterb.  64,  25  hant- 
langer.  handlos,  adj.,  mhd.  hande-,  hantlds. 
Handpferd,  n.:  Reservepferd  (spätmhd.Äaw^ 

pfert);  Zugpferd,  das  dem  Sattelpferd  zur 
rechten  Hand  an  der  Deichsel  geht  (1666  bei 
Comenius  Sprachenthür  §  454,  dafür  spätmhd. 

!  hantros  n.).  handreichen,  v.,  spätmhd,  hant- 

I  reichen;  davon  Handreichung,  f.,  bei  Luther. 

;  Handschelle,  f.:  Handfessel,  1691  bei  Stieler. 

I  Handschlag,    m.,    mhd,-ahd.  hantslac   m. 

I  Handschrift,  f.,  spätmhd.  im  15.  Jh.  hant- 
schrift  f.  «eigenhändige  Schrift,  Lnterschrift», 

\  auch  «Schuldbrief».     Handschuh,  m.,  mhd. 

j  hant-,  hentschuoch,  ahd.  hantscuoh,  and.  hand- 

j  sköh  m.  «Handschuh,  Handfessel»,  frühmd. 
hensche,  md.  und  mnd.  hantsche,   (entlehnt) 

'  anord.  hanzki  m.  Im  Mittelalter  diente 
der  Wurf  des  Handschuhs  als  Aufforderung 
zum  Kampf,  daher  Fehdehandschuh.    Hand- 

[  streich,  m,:  Schlag  mit  der  Hand  (1578  bei 
Frischlin  Nomencl,  Kap.  166);  in  der  Bed. 
«plötzlicher  Überfall»  als  Übersetzung  des 
franz.  coup  de  main  erst  im  19.  Jh.    Hand- 

j  tuch,  n.,   mhd.  hanttuoch,    ahd.  hantüch  m. 

I  Handvoll,  f.,  mhd.  hantvol  f.,  vgl.  Hampfel. 

\  Handwerk,  n.,    mhd.  hantwerc,    ahd,  hant- 

\  werch  n.  «Wirken  mit  der  Hand»,  dann  «Ge- 
wei'be»,  ags.  handweorc  n.  «mit  der  Hand 
Gearbeitetes,  Handarbeit»;  davon  Hand- 
werker, m.,  mhd.  im  14.  Jh,  hantwercher, 
und  Handwerksmann,  m.,  im  14.  Jh.  haiit- 

;  werkis  man  und  hantwercmanm.  Hand- 
wurzel, f.:  der  zwischen  Vorderarm  und 
Mittelhand  liegende  Teil  des  x\rmes,  1691  bei 
Stieler.  Handzwehle,  f.:  Handtuch,  mhd. 
hantttvehele,  im  15.  Jh,  auch  hantzwehel,  ahd. 

!  hantdwahila  f.,  bei  Goethe  26,  323  Handquele, 
zgs.  mit  mhd.  twehele,  tivehel,  1482  zwehel, 
ahd.  dwahilla,  twahüla  f.  «Tuch  zum  Waschen 
und  Abtrocknen»,  von  ahd.  dioahan,  twahan 
«waschen»,     S,  Quehle. 

handeln,  v.:  worauf  Kraftäußerung  an- 
wenden, Ableitung  von  Hand  (s,  d,).  Mhd. 
handeln  «mit  Händen  berühren  oder  fassen, 
bearbeiten,  tun,  erteilen,  bewirten»,  ahd. 
hantalön  «mit  der  Hand  begi'eifen,  worauf 
mit  Kraftanstrengung  wirken»,  and.  handlon 
«behandeln,  befühlen»,  ags.  handlian  «be- 
fühlen», engl,  handle  «handhaben,  behandeln, 
verwalten»,  anord.  höndla  «greifen,  behandeln». 
In  der  Bed.  «Handel  treiben»  1508  in  der 
Straßburger  Gemma  r  1  ^  handelen,  auch  bei 
Luther,    Von   handeln  abgeleitet:    Handel, 

51* 


807 


Hanf 


Hans 


808 


m.  (s,  PI.  Händel),  mhd.  handel  m.  «Art 
des  Tuns,  Begebenheit,  gerichtliche  Verhand- 
lung, Ware»;  in  der  Bed.  «einzelnes  Kauf- 
geschäft» und  «gewerbsmäßiger  Betrieb  von 
Kaufgeschäften»  bei  Luther.  Davon  Handel- 
SChaft,    f.,    1678    bei    Krämer;    Haudels- 

diener,  m.,  1663  beiSchottel472;  Handels- 
niauu,  m.,  1640  bei  Comenius.  Händler, 
m.,  spätmhd.  im  15,  Jh.  handeler,  handler  m. 
«Tuender,  Vollbringer,  Unterhändler»;  in  der 
Bed.  «Handelsmann»  bei  Luther.  Handlung, 
f.,  ahd.  hantalunga  f.  «Bearbeitung,  Behand- 
lung», mhd.  handelunge  f.  «Handhabung  einer 
Sache,  das  Tun,  Behandlung,  Verhandlung», 
im  15.  Jh.  auch  «Betrieb  in  Kauf  und  Ver- 
kauf», 1701  in  Ordnungen  d.  Stadt  Leipzig  62 
«Kaufhaus». 

Hanf,  m.  (-es,  PI.  -e),  mhd.  hanef,  hanf, 
ahd.  hanaf,  hanif  m.;  dazu  (entlehnt  and. 
hanaf)  ags.  hcenep,  engl,  henip,  anord.  hanipr 
m.,  schwed.  hampa  f.,  dän.  hanip.  Der  Laut- 
verschiebung gemäß  stimmend  mit  gleichbed. 
lat.  cannabis  f.,  gr.  Kdwaßic  f.;  abg.  und  russ. 
konoplja  f.,  poln.  konop  f.,  lit.  kanäpes  f.  PI. 
dacregen  weichen  im  Labial  ab.  Dazu  viel- 
leicht  aind.  ganäs  «Hanfart»,  oss.  san  «Wein». 
Die  Herkunft  des  Wortes  ist  unklar.  Es 
handelt  sich  jedenfalls  um  ein  altes  wandern- 
des Kulturwort,  das  aber  weder  von  den 
Slaven  noch  von  den  Römern  oder  Griechen 
direkt  zu  uns  gekommen  sein  kann.  Vgl. 
Walde  s.  v.  Davon  hänfen,  adj.,  mhd. 
henfin,  hanf  in,  fihä.  hanaf  in.  Hänfling,  m.: 
der  Hanfsamen  fressende  Vogel  Fringilla 
cannabina,  spätmhd.  henfeling  m. 

Hang,  m.  (-es,  ohne  PL):  das  Hangen 
(spätmhd.  im  15.  Jh.  hanck);  (P\.  Hänge):  Ab- 
hang (bei  Stieler  1691);  Trieb  (bei  Lessing  1, 
185,  Geliert  7,  204).  Von  hangen,  v.  (Präs. 
hange,  hängst,  hängt,  bei  Luther  hangest, 
hanget,  Prät.  hing,  Konj.  hinge,  Part,  gehangen) : 
woran  befestigt  oder  haftend  schweben;  nie- 
derwärts geneigt  sein;  woran  festhalten.  Der 
heutige  Gebrauch  von  hangen  und  hängen 
hat  sich  seit  spätmhd.  Zeit  allmählich  ge- 
bildet aus  einer  Vermischung  folgender  Zeit- 
wörter: l)  trans.  mhd.  hähen  «hängen»  (Prät. 
hienc  und  hie,  Part,  gehangen),  ahd.  hähan 
(Prät.  hianc,  Part,  gihangan),  dazu  afries.  hüa 
(Prät.  hing),  ags.  hön  «hängen»  (Prät.  heng, 
Part,  hangen),  got.  hähan  «in  der  Schwebe 
der  Meinung,  in  Zweifel  lassen»,  dagegen  be- 
reits md.  im  14.  Jh.  hangen  (Prät.  hmc,  hinc), 
mnd.  hangen  neben  hän  (Prät.  hink),  mndl. 


hanghen  (Prät.  hinc),  anord,  hanga  «hängen» 
(Prät.  hekk,  PI.  hengum,  Part,  hanginn),  engl, 
hang  «hängen  und  hangen»,  2)  intrans,  und 
schwachflekt.  ahd,  hangen  «hangen»  (Prät. 
hangeta),  mhd.  hangen  (Prät.  md.  hangete, 
mhd.  dafür  bereits  hienc,  hie),  and.  hangon 
«hangen»,  mnd.  hangen  (Prät.  hangede),  afries. 
hangia,  ags.  hangian,  anord.  hanga  (Pi-ät. 
Jiangdi),  got,  hähan  (Prät.  hähaida)  «jmdem, 
anhangen»,  .8)  dem  nhd.  hängen  (Prät.  hätigte, 
Vart.gehäyigt)  formell  entsprechend:  bei  Luther 
hengen  «hangen  machen»,  md.  im  14.  Jh.  hengen 
«an  den  Galgen  hängen»,  ahd.  hengan  (Prät. 
hangta)  und  mhd.  hengen  «(die  Zügel  dem 
Pferde,  das  Band  dem  Hunde)  hängen  lassen, 
gehen  lassen,  zulassen,  gestatten»,  anord.hengja 
«aufhängen».  Vgl.  fangen  aus  fahen.  Ety- 
mologisch entspricht  wohl  lat,  cunctor  (aus 
*concitor)  «zage,  zaudere»,  aind.  gätdkate 
«schwankt,  zweifelt,  ist  besorgt,  fürchtet». 
Dazu  noch  aus  dem  Germanischen  anord. 
hcetta  f.  «Gefahr»,  v.  «der  Gefahr  aussetzen» 
(aus  *hanht),  norw.  hangia  «sich  mühsam 
vorwärts  schleppen».  Vgl,  Zupitza  Gutt,  133, 
ZUS.  Hängematte,  f.  (PI.  -n):  hangendes 
Lager  aus  gewebten  Stoffen  oder  Flechtwerk, 
1712  bei  Hübner  Hangmatte,  1782  bei  Jacobs- 
son  Hängematte,  übernommen  aus  holländ. 
hangmat,  hangmak,  das  durch  Umdeutung 
aus  .der  Sprache  der  Indianer  Westindiens 
(haniaca)  stammt,  woher  auch  gleichbed. 
franz.  haniac,  span.  aniaca,  amahaca,  port, 
maca  f, 

Hanke,  f.:  Hüfte,  Schenkel  des  Pferdes 
(Rückertll,  278),  1716  bei  Hohberg  Georgica 
3,  2,  IQ^.  Tirol.  Henkel  m.  «Schenkel».  Aus 
dem  Germanischen  entlehnt  franz.  hanche, 
afranz.  hanke  f.  «Hüfte». 

Hans,  Mannesname,  gekürzt  aus  Johannes 
(s.  d.),  mhd,  Hannes,  Hans,  fmhnhd,  als 
Appellativum  (Gen,  und  PI,  Hansen)  in  der 
Bed,  «nach  Stand  und  Vermögen  hervor- 
ragender Mann»  (im  16,  u,  17,  Jh,  die  großen 
Hansen),  dann  «in  lächerlicher  Weise  sich 
hervortuende  Mannsperson»  (Fabel-,  Groß-, 
Prahlhans,  im  15.  Jh.  a  a  a  Hans  Stotterer, 
Diefenb.  gl.  77^),  Meister  Hans  «der  Henker» 
(bei  Luther  3,  397**).  Ha7is  von  Rippach 
(Goethe  Faust  1,  2189  f.)  ist  eig.  das  ober- 
sächs,  Schimpfwort  Hans  Arsch  von  Rip- 
pach (Goethe  in  Hanswursts  Hochzeit),  1736 
bei  Trömer  Toucement  des  Deutsch-Fran^os 
Schritften  269  Hanß  Ars  von  Rippach,  1706  bei 
Menantes  Allerneueste  Art  598  Hans-Tumm 


809 


Hanse 


har! 


810 


von  Rippach.  Hans  (Tapps)  in  allen  Gassen 
«am'uhiger  Mensch,  der  sich  um  alles  kümmert» 
(1541  bei  Franck  Sprichw.  2,  49^).  Hans 
Liederlich  (Goethe  Faust  1,  2628),  bei  Hoff- 
mamiswaldau  Ged.  2,  255.  ZTJS.  Hansnarr, 
m.,  1512  bei  ilumer  Narrenbeschw.  64,  58. 
Hanswurst,  m.  (-es,  PI.  Hanswürste):  ge- 
meiner Lustigmacher.  1519  Hans  worst  in 
der  nd.  Übersetzung  von  Brants  XarrenschüF 
422*  Zarncke,  1556  bei  Frey  Gartengesellsch. 
4*  Hans  Wurst.  Bei  Luther?,  407*  darumh 
Hans  Worst,  das  er  starck,  fett  und  völligs 
Leibes  ist.  Bei  den  Fastnachtsaufzügen  lief 
ehedem  der  NaiT  mit  einer  langen  dicken 
ledernen  "Wurst  durch  die  Gassen  (Abr.  a. 
S.  Clara  Judas  1,  433).  Wurst-Hans  ist  bei 
H.  Sachs  fingierter  Name  von  Fressern.  Ahn- 
lich heißt  der  Possenreißer  bei  den  Franzosen 
Jean  Potage  (Johann  Suppe),  bei  den  Eng- 
ländern Jack  Pudding  (Häuschen  Pudding). 
Für  den  Xan-en  im  Schauspiel  kommt  Hans 
Wurst  zuerst  in  einem  Stücke  von  1573  vor. 

Hanse,  f.:  Handelsinnung;  Kaufmanns- 
gilde mit  bestimmten  richterlichen  Befug- 
nissen. So  spätmhd.  hanse,  hans  f.,  1266  in 
mlat.  Form  hansa  f.,  insbesondre  aber  der 
Bund  der  norddeutschen  Handelsstädte  vom 
13.  bis  ins  17.  Jh.  zum  Schutz  des  Handels 
(zuerst  1358  dudesche  hense  aus  Lübeck  nach- 
weisbar); früher  1127  und  1188  mlat.  hansa  f. 
«Abgabe,  Handelsabgabe,  Kaufraannsschoß» 
(Haltaus  822),  mnd.  zu  Anfang  des  14.  Jh. 
hense,  hanse,  hanze  f.  «Gilde  der  Kaufleute 
und  Handwerker»,  auch  «das  Geld,  das  für 
die  Aufnahme  in  eine  Hanse  gezahlt  wird», 
mndl.  hanze  «Steuer».  Die  ältre  Bed.  ist 
«begleitende  Schar»,  ahd.  und  gotJmnsa,  ags. 
hös  f.  Vgl.  Uhlenbeck  Btr.  30,  288,  Kauffmann 
ZfdPh.38,238.  DazuHanseäte,  m.(-n,  Pl.-w): 
Angehöriger  der  großen  norddeutschen  Hanse, 
jetzt  einer  Hansestadt  (s.  d.),  gebildet  nach 
dem  mlat.  Adj.  hanseaticus ,  davon  hanse- 
atisch, adj.,  1798  bei  Moser  patr.  Phant. 
1,  30,  statt  hansisch  (bei  Frisch  1741  aus 
dem  lübischen  Recht).  ZUS.  Hansestadt, 
f.:  zum  Bunde  der  norddeutschen  Handels- 
städte gehörige  Stadt,  jetzt  nur  noch  Ham- 
burg, Bremen  und  Lübeck.  Zuerst  1330  in 
einer  Krämerordnung  zu  Anklam  nachweis- 
bai*.  Im  17.  Jh.  Hansee-Stadt  gebräuchlich, 
1622  im  Tagebuche  Christians  d.  J.  von  An- 
halt 50  Hansel- Städte. 

hänseln,  v.:  einem  als  Neuling  in  einer 
Gesellschaft  durch   orewisse  Zeremonien  auf- 


legen, daß  er  in  ihr  etwas,  besonders  freien 
Trunk,  zum  besten  gibt;  einen  aufziehen, 
zum  besten  haben.  Li  der  1.  Bed.  1690  bei 
Happel  akad.  Roman  859,  dafüi-  1664  bei  Duez 
hänsen,  hensen,  1562  bei  Mathesius  Sar.  188^ 
hansen  (von  Studenten),  eig.  «in  eine  Innung 
(s.  Hanse)  aufnehmen»,  1259  köLn.  hansin  «in 
die  Kaufgenossenschaft  aufnehmen».  In  der 
2.  Bed.  1691  bei  Stieler  hänselen,  eig.  «zum 
Hansnarren  haben»,  abgeleitet  von  Hansel, 
Dim.  von  Hans  (s.  d.),  im  15.  Jh.  als  Name 
des  Narren  Hensel  (Fastnachtsp.  674,  26  f.), 
1494  bei  Brant  Narr.  27,  32  henselin  «um- 
herziehender Lustigmacher». 

Hansnarr,  Hanswurst,  s.  Hans. 

Hantel,  f.  (PI.  -n):  eisernes  Turngerät 
als  Handhabe  zur  Stärkung  der  Armmuskeln. 
Vom  Turnvater  Jahn  eingeführtes  Wort,  aus 
nd.  (Osnabrück.)  hantel  f.  «Handhabe»,  eben- 
so schon  in  den  Fastnachtsp.  des  15.  Jh. 
1000,  30,  während  ahd.  hantilla,  hantella  f. 
«Handtuch»  bedeutet. 

hantieren,  V.:  ein  Geschäft  treiben.  Md.im 
14.  .Jh.  hantlren,  spätmhd.  im  15.  Jh.  hantieren 
«Kaufhandel  treiben,  ins  Werk  setzen,  ver- 
richten, tun»,  aus  mndl.  hantieren  «ausüben, 
treiben»,  von  afranz.  im  12.  Jh.  hanter  «oft 
besuchen,  hin-  und  herziehen».  Die  Schrei- 
bungen handieren,  handtieren,  handthieren 
und  hanthieren  (seit  16.  Jh.)  suchen  falscher- 
weise Anlehnung  an  Hand.  Davon  Han- 
tierung, f.,  spätmhd.  hantierunge  f.  «Kauf 
und  Verkauf,  Handel,  Behandlung». 

hapern,  v.:  stocken,  nicht  vorwärts- 
kommen. 1663  bei  Schottel  hapei'en,  im 
18.  Jh.  in  die  Schriftsprache  aufgenommen 
(Hermes  1,  447,  Bürger  465),  aus  gleichbed. 
nd.  hapern,  mndl.  kaperen.  Das  Wort  ist 
auch  in  den  deutschen  Mundarten  Mittel- 
und  Oberdeutschlands  verbreitet,  und  gehört 
mit  dän.  happe,  schwed.  happla  «stottern»  zu- 
sammen. Auch  deutsch  kommt  happeln  vor. 
Weitre  Anknüpfung  fehlt.  Davon  haperig, 
adj.:  stockend,   1691   bei  Stieler  hapei'icht. 

happen,  v.:  schnappen,  1741  bei  Frisch, 
aus  gleichbed.  nd.  und  ndl.  happen,  woher 
iranz.happer  (im  12.  Jh.  belegt)  «erschnappen, 
packen».  Wohl  lautmalend.  Dazu  Happen, 
m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Bissen.  1741  bei  Frisch 
Happe,  aus  dem  Niederdeutschen,  Davon 
happig,  adj.,  1793  bei  Bode  Montaigne  5,  248. 

har!  Fuhrmannszuruf  an  das  Zugtier,  links  I 
Bei  Maler  Müller  1,  242  har  und  hat,  1586 
bei  Fischart  Bodinus  307  har  har,  1643  bei 


811 


haranguieren 


Harm 


812 


Philander  2, 301  Mr.  Es  ist  das  mhd.  Iiar,  ahd. 
hara,  mndl.  hare,  für  mhd.  lier,  ahd.  hera 
«her»  (s.  d,), 

haranguieren,  v.:  durch  Halten  einer 
Rede,  durch  viele  Worte  wozu  bestimmen. 
1582  bei  Fischart  Garg.  240  harangiren,  aus 
franz.  liaranguer,  ital.  aringare  «eine  öffent- 
liche Rede  halten,  feierlich  anreden»,  von 
franz.  harangue  f.,  ital.  aringa  f.  «öffentliche 
Rede»,  aringo  m.  «Rennbahn,  Turnier-,  Tum- 
mel-,  Rednei-platz»,  entlehnt  aus  ahd.-ags. 
hring  m.  «Kreis,  Schau-  oder  Kampfplatz» 
(s.  Bing). 

Harde,  f.  (PI.  -n):  Gemeindebezirk  von 
mehrern  Dörfern  oder  Höfen  in  Schleswig- 
Holstein.  Mnd.  herde,  harde  n.  Entsprechend 
anord.  Jieraä  n.  «Bezirk,  Landschaft»,  von 
anord.  herr  m.  «Heer». 

Härder,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  der  Fisch 
Mugil  cephalus,  Großkopf,  Meeresche.  Nord- 
deutsch. 1540  bei  Alberus  dict.  q3^  Härder, 
dazu  ndl.  harder,  bei  Kilian  herder,  ags.  heard- 
liara,  haerdhera,  heardra  m.  «mugil».  Her- 
kunft unbekannt. 

Harem,  m.  (-s,  PI.  -s):  abgesonderte 
Frauenwohnung  bei  den  Türken  usw.  Bei 
Wieland  Oberen  48  Mask.,  bei  Schiller  Tui-an- 
dot  3,  7  Neutr.;  1728  bei  Sperander  Harain, 
so  auch  in  Lessings  Nathan.  Aus  arab.  haram 
«das  Verbotne,  Heilige,  Heiligtum,  Frauen- 
wohnung». 

Häretiker,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Ketzer. 
Aus  gr.  aipetiKÖc  «auswählend,  ketzeiisch », 
einer  Ableitung  von  aip^eiv  «nehmen,  über- 
reden». Schon  and.  begegnet  heretikeri  m. 
«Ketzer»,  mhd.  aber  nur  {Ji)eresie  f.  «Ketzerei». 
Im  18.  Jh.  in  lat.  Foi'm  haereticus. 

Harfe,  f.  (PI. -w),  Musikinstrument;  auch 
(in  Norddeutschland)  Getreidesieb,  in  den 
Alpen  ein  Gerüst  zum  Trocknen  des  Getrei- 
des. Mhd.  harpfe,  herpfe,  harfe,  ahd.  harpha, 
harfa  f.  (noch  bei  Frisch  1741  Harpfe);  da- 
zu and.  harpa  «Foltergerät»,  ndl.  harj),  ags. 
hearpe,  engl,  harp,  anord.-schwed.  harpa,  dän. 
harpe  «Harfe»,  aber  dieses  auch  «Kornschwinge», 
harpe  «fegen,  reinigen»,  schwed.  /iarpa  «Draht- 
sieb für  Getreide»,  entlehnt  franz.  harpe  f. 
Der  Italiener  Venantius  Fortunatus  7,  8  im 
5.  Jh.  nennt  die  harpa  ausdrücklich  ein  bar- 
barisches, d.  h.  germanisches  Tonwerkzeug. 
Welche  Bedeutung  ursprünglich  ist,  scheint 
nicht  ganz  sicher.  Die  Etymologie  ist  da- 
her unsicher.  Vgl.  Meringer  Idg.  Forsch. 
16,  128  ff.    ABL.  harfen,  v.,  mhd.  harpfen, 


herpfen.  Harfner,  m.:  Harfenspieler,  erst 
im  Ausgang  des  18.  Jh.  (Bürger  267),  mhd.- 
ahd.  harpfcere,  im  15.  Jh.  harpfer,  ags.  hearpere, 
engl,  harper,  anord.  harpari  m.;  mit  roma- 
nischer Endung  Harfenist,  m.  {-en,  PI.  -en), 
1556  bei  Frisius  561 '^  Harpffenist. 

Harke,  f.  (PI  -n):  der  Rechen.  Nord- 
deutsch. Bei  Goethe  12,  112  aus  thürin- 
gischer Mundart  Harken  m.,  md.  1517  bei 
Trochus  Q  5^  harcke,  1664  bei  Duez  Harcke  f. 
und  1691  bei  Stieler  Hark  f.,  mnd.  harke  f. 
(Diefenbach  gl.  257**),  1477  clevisch  harck 
und  herke,  ndl.  hark,  herk  f.,  schwed.  harka 
«Egge  mit  eisernen  Zähnen».  Urverwandt 
mit  aind.  kharj  «kratzen»,  khrgala-  «Büi'ste». 
Weitres  bei  Falk-Torp.  Davon  harken, 
V.,  1664  bei  Duez,  mnd.  harken  (Sachsen- 
spiegel 2,  58,  2),  herken  (Diefenbach  gl.  73^); 
dazu  anord.  harka  «zusammenscharren»,  harki 
m.  «Abfall,  Kehricht». 

Harlekin,  m.  [s,  PI.  -e):  der  Hans- 
wui'st.  1646  bei  Philander  1,  107  Harlequin, 
aus  früher-franz.  harlequin,  jetzt  arlequin  m.; 
im  Ital.  arlecchino  m.  als  Name  der  komischen 
Maske  der  ital.  Bühne.  Das  franz.  Wort 
geht  weiter  Siufhellequin  zurück,  und  dies  ent- 
stammt einem  germ.  ellekln,  das  vielleicht  auf 
dän.  ellekong  (s.  Erlenkönig)  zurückgeht.  Der 
Erlenkönig  ist  eigentlich  Wotan,  der  im 
Franz.  zu  einem  bösen  Geist,  dem  Teufel 
wird.  Das  mittelalterliche  Theater  bemäch- 
tigte sich  des  Hellequin  und  machte  ihn  zu 
einer  wichtigen  Persönlichkeit,  die  es  dann 
wieder  unter  dem  Namen  Arlequin  —  Pariser 
Aussprache  des  Namens  —  an  die  itaUe- 
nische  Komödie  weitergegeben  hat  (Cohen 
Geschichte  der  Inszenierung  im  geistlichen 
Schauspiele  des  Mittelalters  in  Frankreich 
1907  S.  92f.,  wo  weitre  Literatur-). 

Harm,  m.  {-es,  ohne  PL):  tiefer  zehren- 
der Seelenschmerz.  Frühnhd.  und  mhd.  selten 
härm  m.  «Leid,  Schmerz»,  von  den  Dichtern 
des  18.  Jh.  wieder  aufgenommen,  ahd.-asächs. 
härm  m.  «Beschimpfung,  Kränkung»;  dazu  ags. 
hearm  m.  «angetanes  Leid,  Unrecht»,  engl. 
härm,  anord.  harmr  m.  «Betrübnis,  Kummer», 
schwed.  härm  «Verdruß»,  dän.  härme  «Schmerz, 
Trauer,  Kränkung».  Dazu  ahd.  haramscara, 
mhd.  harmschar  f.  «beschimpfende  qualvolle 
Strafe»,  asächs.  harmskara,  ags.  hearmscearu 
f.  Urverwandt  mit  abg.  sramü  m.  «Scham, 
Schande»,  .srawiYt  «beschämen».  Dazu  vielleicht 
auch  aw.fsar^mäi  «aus  Scham»  (Zupitza  183). 
ABL.  härmen,  v.  refl.,  mhd.  (md.)  hermen 


813 


Harmonie 


hart 


814 


«Harm  veiTirsachen,  quälen»,  auch  reflexiv, 
ahd.  härmen  «beschimpfen»;  dazu  ags.  hear- 
mian  «kränken»,  anord.  harma  «Kummer  be- 
reiten, betrüben».  ZUS.  harmlos,  adj.,  erst 
im  18.  Jh.  (Klopstock  Mess.  25  Umarbeitung) 
dem  engl,  harndess  «unschuldig,  unschädlich» 
nachgebildet.  Davon  Harmlosigkeit,  f., 
erst  im   19.  Jh. 

Harmonie,  f.  (PI.  -n):  Übereinstimmung, 
Einklang.  1626  bei  Zincgref  Apophth.  1,  304 
Harmoni,  1617  im  Teutschen  Michel  13  Har- 
nioney,  aus  gi'.-lat.  Imrmonia,  gr.  ap,uovia  f. 
«Einklang  in  der  Musik»,  eig.  «Verbindung, 
Fügung»,  mlat.  armonia,  woraus  schon  mhd. 
armonie  f.  ABL.  harmonieren,  v.,  1728 
bei  Sperander.  harmonisch,  adj.,  im  18.  Jh. 
(Lessiag  2,  505)  gebildet  nach  dem  gr.-lat. 
Adj.  harmonicus,  gr.  öpuoviKöc:  aus  dessen 
Fem.  gebildet  Harmonika,  f.:  Musikin- 
strument,-von  Franklin  1763  erfunden,  1791 
bei  Roth,   1795  bei  Voß  Luise  3,  707). 

Harn,  m.  (s,  PI.  -e):  Urin.  Bei  Luther 
Harm  nach  ostmd.  Form,  mhd.  harn,  härm, 
ahd.  harn  m.;  vielleicht  urspr.  zusammen- 
hängend mit  anord.  skarn,  ags.  scearn  n.  «Kot», 
engl,  skarn,  afries.  skern,  die  mit  gr.  cKu'jp  n. 
«Kot»  urverwandt  sind.  Vgl.  noch  Zupitza  109. 
ABL.  harnen,  v.,  mhd.  im  14.  Jh.  härmen, 
hermen  (Diefenbach  gl.  630^).  ZUS.  Harn- 
winde, f.:  tropfenweises  Harnen  bei  brennen- 
dem Schmerz  im  Blasenhalse,  mhd.  harn-, 
harmwinde  f.,  zum  mhd.  Adv.  winde  «weh, 
übel»  (s.  wind). 

Harnisch,  m.  {-es,  PI.  -e):  Metallrüstung 
des  Leibes.  Mhd.  harnas,  harnasch,  spätmhd. 
hämisch,  harnusch  m.  n.,  Ende  des  12.  Jh. 
entlehnt  aus  afranz.  harnas,  franz.  harnois, 
harnais  (woher  ital.  arnese,  span.-port.  arnes) ; 
ob  das  Wort  aus  dem  Keltischen  stammt,  ist 
fraglich  (bret.  liarn,  haearn  «Eisen»).  Nach 
Kluge  geht  es  über  mengl.  harnes  «Rüstung» 
auf  kymr.  haiarnaez  «Eisengeräte»  zurück. 
RA.  in  den  Harnisch  bringen  «kampfgerüstet, 
zornig  machen»,  1626  bei  Zincgref  Apophth. 
1,  45,  in  Harnasch  jagen  bei  H.  Sachs  vier 
Dialoge  (1524)  23, 21.  ABL.  hämischen,  V. : 

wehrhaft  machen,  bei  Luther  2,  328*',  davon 
das  Part,  geharnischt,  spätmhd.  im  15.  Jh. 
gelmr nascht,  geharnust. 

Harpune,  f.  (PI.  -n):  Wurfspieß  mit 
Widerhaken  zum  Walfischfang.  1716  bei  Lud- 
wig Harpun  f.,  1712  bei  Hübner  Harponen 
PI.,  1741  bei  Frisch  Harpuhn  m.,  aus  ndl. 
harpoen  m.,    engl,  harpoon,    von   gleichbed. 


franz.  harpon  m.,  das  nebst  franz.  harpin  m. 
«Haken»,  Imrpeau  m.  «Enterhaken»,  prov.-span. 
arpa  f.  «Kralle»,  ital.  arpignone  m.  «großer 
Haken»  von  gr.  äpirr)  f.  «Sichel,  Haken,  Kralle» 
oder  dem  deutschen  Harfe  (s.  d.)  abzuleiten 
ist.  Davon  harpunieren,  v.,  nach  franz. 
harponner;  Harpunier,  m.,  1712  bei  Hübner 
Harponier,  franz.  harponnetir. 

harren,  v.:  ausdauernd  warten,  mhd. 
harren,  dazu  mhd.  harre  f.  «das  HaiTen,  Ver- 
zögerung». Dunklen  L'rsprungs,  vermutet 
wird,  aber  kaum  richtig,  Zusammenhang  mit 
harsch  (s.  d.),  wie  lat,  düräre  «ausdauern» 
und  dürus  «hart»,  gr.  Kaprepeiv  «ausharren» 
und  Koprepöc  «stark».  Zupitza  110  vergleicht 
lett.  ceret  «hoffen,  ceriba  f.  «Hoffnung». 

harsch,  adj.:  hart,  rauh,  bes.  durch  Auf- 
trocknung. 1691  bei  Stieler,  mnd.  harsch 
«rauh»,  stimmend  mit  mengl.  harske,  (aus 
dem  Nord.)  engl,  harsh  «hart,  rauh,  streng», 
dän.  harsk,  schwed.  härsk  «rauh,  hart,  bitter, 
ranzig».  Dazu  bayr.  Harsch  m.  «Schnee- 
kruste», Davon  harschen,  v.:  hart  und 
trocken  werden,  1691  bei  Stieler,  erharschen 
1562  beiMathesiusSar.  79^,  dafür  mhd.harsten, 
verharsten  «hart  werden»  (s.  verharschen). 
Ableitung  von  hart  (s.  d.). 

Hart,  f.:  Wald,  Bergwald.  Mhd.  hart 
m.  f.  n.,  ahd.  hart,  hard  «Bergwald»,  daneben 
mhd.  hart  m.  «fester  Sandboden,  unbebautes 
Land,  Heide,  Trift,  Weidetrift»,  noch  fränk. 
und  bayr.  Hart  m.  f.  n.  «Boden  aus  Kies 
und  Sand»,  Schweiz.  Hard  f.  «Gemeintlift». 
Vielleicht  Ableitung  von  hart  (s.  d.)  oder  eher 
mit  -Haar  verwandt.  Vielfach  als  Name  von 
Wäldern  und  Bergen,  mhd.  Hart  m.  «der 
Harz»  (s.  d.),  Spehtes  hart  «Spessart». 

hart,  adj.  (Komp.  härter,  Sup.  härtest): 
fest  gegen  äußre  Einwirkung;  schwer  dmckend. 
Mhd.  herte,  hart  (auch  drückend,  schmerz- 
lich), ahd.  harti,  herti  und  Imrt;  dazu  asächs. 
und  ndl.  hard,  afries.  herd,  ags.  heard  «hart, 
stark,  tapfer»,  engl,  hard  «hart,  rauh,  schwer» 
(dagegen  engl,  hardy  «stark,  tapfer»  ent- 
stammt dem  franz.  hardi  «kühn»,  das  eine 
Entlehnung  aus  dem  Germanischen  ist),  anord. 
harär  «hart,  streng,  heftig»,  schwed.  hard, 
dän.  haard,  got.  hardus  «hart,  streng».  Das 
Adv.  lautet  mhd.  harte,  ahd.  harto,  got.  har- 
duba.  Der  Lautverschiebung  gemäß  stimmend 
mit  gr.  Kparüc,  Kparepöc,  Koprepöc  «stark,  ge- 
waltig, fest,  hart»,  KÖpra  Adv.  «stark,  sehr», 
KpdToc  n.  (äol.  Kpexoc)  «Stärke»,  und  viel- 
leicht abg.  crüstvü  «massiv,  fest»,  russ.  cerstvyl 


815 


Hartschier 


Hase 


816 


«hart,  altbacken»,  aind.  kathinas,  kdthöras 
«hart,  fest,  steif».  ABL.  Härte,  f.,  mhd. 
herte,  ahd.  harti,  herti  f.  härten,  v.,  mhd. 
hertm,  ahd.  harten,  herten  «hart  machen», 
mhd.  auch  intr.  und  refl.  «ausdauern,  be- 
harren»; dazu  asächs.  herdian,  anord.  her  da 
«stärken»,  afries.  herda,  hirda  «erhärten,  be- 
weisen», got.  gahardjan  «verhärten»,  härt- 
lich,  adj.,  mhd.  hertlich.  Härtigkeit,  f., 
mhd.  hertecheit  f.,  zgs.  mit  dem  mhd.  Adj. 
hertec  «hart,  streng».  ZUS.  Hartheu,  n.: 
das  Johanniskraut,  hypericum,  mhd.  hurt- 
höuwe,  spätahd.  harihou  n.,  gleichsam  durch 
den  Stengel  hartes  Heu.  hartherzig,  adj., 
bei  Luther  3,  390^  J.,  aber  schon  got.  hardu- 
hairtei  f.  «Hartherzigkeit»,  harthörig,  adj., 
1663  bei  Schuppius  2, 162  und  bei  Duez  1642. 
hartköpfig,  adj.,  bei  Luther  6, 111  J.  hart- 
leibig, adj.,  1640  bei  Comenius.  hart- j 
näckig,  adj.:  von  Nacken  hart,  unbeugsam,' 
1495  in  der  Kölner  Gemma  E  1  "^  hardneckich, ! 
mnd.  hardenacket,  hardenackich,  schwed.  härd- ', 
nackad,  dän.  haardnakket.  Hartnäckig- 1 
keit,  f.,  1556  bei  Frisius  996«.  Hartriegel, 
m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  der  Strauch  comus 
sanguinea,  1616  bei  Henisch  Hartriegel,  1537 
bei  Dasypodius  Hartrigel,  mhd.  hartrügele, 
harttrügel  n.,  ahd.  hartrugil,  harttrugil,  un- 
verküi'zt  harttrugili,  harttrugelin  u.,  zgs.  aus 
ahd.  hart  «hart»  (wegen  des  sehr  harten  Holzes) 
und  trugili,  trugüin  n.  «kleiner  Trog»,  das 
aber  eigentlich  den  Baum  selbst  bezeichnete, ' 
wie  das  entlehnte  franz.  troene  «Hartriegel» 
beweist.  Der  Stamm  des  Wortes  gehört  zu 
dem  sehr  verbreiteten  idg.  dru  «Eiche,  Baum», 
z.  B.  gr.  bpOc  f.  «Eiche»,  got.  triu  n.  «Baum», 
engl.  tree.  Vgl.  auch  schwed.  try  m.,  tryg, 
fryd  «lonicera  xylosteum»,  auch  «ligustrum 
vulgare».    Vgl.  Bugge  Btr.  13,  509. 

Hartschier,  s.  Hatschier. 

^Harz,  m.  {-es),  das  nördlichste  Waldge- 
Inrge  Deutschlands,  im  Mittelalter  Hart,  aus 
ahd.  hart  «Bergwald»  (s.  Hart),  bereits  1231 
md.  Harz,  Hartz,  auch  mnd,  Harz.  Bei 
Mone  Anz.  8,  153  die  Haardt  in  der  Pfalz: 
Newenstadt  am  Hartz. 

^Harz,  n.  {-es,  PI.  -e):  ausgeschwitzter 
Baumsaft.  Mhd.  harz  n.  m.,  ahd.  harz  n., 
auch  harztih,  harzolm.;  dazu  and.  hart  n.  Un- 
bekannter Herkunft.  Vielleicht  mit  gi:  Kripöc 
m.  «Wachs»  wurzelverwandt.  Bei  Lessing 
2,  426  Harzt  n.,  wie  Erzt  füi-  Erz  gesagt 
wird.  ABL.  harzicht,  harzig,  adj.,  1537 
bei  Dasypodius  hartzig,  ahd.  harzeg.  harzen. 


V.:  Harz  sammeln  (Fischart  Großm.  CS''); 
mit  Harz  festmachen,  auspichen  (mhd.  herzen, 
im  15.  Jh.  bei  Eosenplut  harzen). 

Hasard,  m.  (in  Hasard  spielen),  Hasard- 
spiel, n.:  Wage-,  Glücksspiel.  1791  bei  Roth 
Hasardspiel,  zgs.  mit  franz.  hasard  m.  «Glücks- 
fall, Wagnis»,  afranz.  hazart  auch  «Würfel- 
spieler». Unbekannter  Herkunft.  Aus  afranz. 
hazart  ist  entlehnt  mhd.  hashart,  hasehart  m. 
«Wüi'felspiel,  L'nglück»,  urspr.  «der  gerin gi'e 
Wurf  beim  Würfelspiele»,  mndl.  hassaert. 
Im  17.  Jh.  wurde  das  Wort  Hazard,  Hasard 
in  der  im  Französ.  entwickelten  Bed.  «Wagnis, 
Risiko»  neu  aufgenommen  (1644  im  Sprachen- 
verderber). 

haschen,  v.:  schnell  zugi-eifend  fassen. 
Bei  Luther  hasschen  aus  der  thüring.-ober- 
sächs.  Mundart,  md,  im  14.  Jh.  erhaschen, 
den  oberd.  Dialekten  unbekannt.  Dunklen 
Ursprungs,  vielleicht  aus  *hafsko-  zu  dem 
Stamm  in  Haft  (s.  d.).  Davon  Häscher, 
m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Büttel,  Gerichtsdiener, 
bei  Luther  7,  368  ^  Hesscher,  1593  bei  H.  J. 
V.  Braunschweig  134  (Susanna  4,  4)  Häscher. 

Hase,  m.  {-n,  PI.  -n):  das  Säugetier  lat. 
lepus;  dann  feiger  Läufer,  Feigling  (mhd.). 
In  iu'spr.  Bed.  mhd,  hase,  ahd.  haso  m,;  dazu 
mnd.  hase,  nndl.  haas,  mit  Übergang  des  s 
in  r,  ags.  hara  m.,  anord.  heri  m.,  engl.-schwed.- 
dän. /;are;  dazu  mit  Ablaut  norw.  und  schwed. 
dial,  *^"ase  (Grf.  *Äesaw);  entsprechend  aind. 
gagds  m.,  apreuß.  sasins,  kymr.  ceinach  (aus 
*kasinako)  «Hase»,  Wohl  verwandt  mit  ags, 
hasu  «grau».  Aus  dem  Germanischen  entlehnt 
franz.  hase  f.  «Weibchen  des  Hasen».  ABL. 
Häs-chen,  Häslein,  n.,  mhd.  heselin,  häsel  u. 
hasig,  adj.,  1691  bei  Stieler.  Häsln,  f.,  bei 
Stieler  1691.  ZUS.  Hasenfuß,  m.,  mhd. 
hasenvuo^  m.  «Fuß  des  Hasen»,  md.  im  14.  Jh. 
«Feigling».  Hasenherz,  n.,  übertr.  «feiges 
Herz»,  1663  bei  Schottel  1126«,  bei  Keisers- 
berg  Narrenschiff  1520  S.  94«'  eines  Hasen 
hertze  «Feighng».  Hasenohr,  n.,  Name  der 
Pflanzen  Asarum  eui'opaeum  und  Briza  media, 
mhd.  hasenore,  ahd.  hasiyiöra.  Hasenöhr- 
chen,  n.:  das  Anführungszeichen  ,  ",  1775 
bei  Adelung,  ^..Gänsefüßchen.  Hasenpanier, 
n.:  eig.  der  Schwanz  des  Hasen,  den  er  beim 
Fliehen  in  die  Höhe  reckt  (Frisch  1741),  1564 
bei  Glaser  Gesindteufel  G5^  das  Hasenpanir 
aufwerfen  «fliehen»,  1557  bei  B.  Waldis  Esopus 
1,  23  das  Hasen  paner  aufstecken,  1507  bei 
Wüwolt  V.  Schaumburg  87  das  Hasenhanir 
envischen,  bei  Luther  7, 422«  das  Hasen  Panir 


817 


Hasel 


Hast 


818 


ergreifen.    Hasenpfeifer,  m.:  die  mit  Ge- 

wüi-zbrühe  und  Blut  crekochten  Einoeweide 
des  Hasen,  1691  bei  Stieler  Hasen  in  pfeffer. 
bei  Luther  7,  242  ^  J.,  1510  Keisersberg  Haß 
im  Pfeffer.  Hasenscharte,  f.:  Spalte  in 
der  Oberlippe  wie  beim  Hasen,  1323  liasin- 
scJmrte  bei  Kehreia  Samml.  alt-  und  md. 
Wörter  68**;  dazu  ags.  hoersceard  n.  «Hasen- 
scharte», afries.  haskerde  «hasenschartig». 

Hasel,  f.  (PI.  -n):  der  Haselnußstrauch. 
iihd.  hasel  f.,  ahd.  Jiasala  f.  und  Jiasal  m.; 
dazu  ags.  h(^sel  m.,  engl,  hazel,  anord.  hasl  m., 
schwed.-däu.  hasset  f.,  entsprechend  lat.  (mit 
Rhotazismus)  corylus,  corulus  f.,  air.  coli 
«Hasel».  Davon  häseln,  adj.,  mhd.  haselin, 
heselin.  ZUS.  Haselhuhn,  n.:  das  Wald- 
bahn Tetrao  bonasia,  mhd.  Jiaselhuon,  ahd. 
TiasilJmon  n.,  es  hat  seinen  Xamen,  weil  es 
gern  in  Yorhölzern,  namentlich  Haselge- 
büschen Ifbt  und  die  Haselkätzchen  (männ- 
lichen Haselblüten)  frißt.  Haselmaus,  f.: 
gelblichrote  Waldmaus,  die  sich  von  Hasel- 
nüssen nährt,  1540  bei  Alberus  dict.  112* 
haselmauß.  Haselnuß,  f.,  mhd.  hasel-,  ahd. 
hasalnu^  f.  Haselstaude,  f.,  mhd.  Msel- 
stüde  f.  Haselwurz,  f. :  die  Pflanze  Asainim, 
die  gern  unter  Haselsträuchen  wächst,  mhd. 
hasel-,  ahd.  hasilwurz  f. 

Haselänt,  m.  (-en,  PI.  -en) :  Haselierender, 
]S"arr,  Prahlhans,  1738  im  Kavalier  im  In'- 
garten  310,  dafür  Haselarius  bei  Stieler  1691. 
Von  haselieren,  v.:  ungestüm  lärmen  (Schiller 
Räuber  2,  3).  Mhd.  haselieren  «unsinnig  tun:», 
heselieren  «ungestüm,  wild  machen»,  aus  franz. 
harcele)',  afranz.  herceler  «bis  zur  Peinigung 
reizen,  plagen,  necken»,  von  afranz.  herce, 
haise,  hese,  nfranz.  herse  f.  «Egge»,  das  auf 
lat.  hirpex  ra.  «Egge»  zurückgeht,  im  17.  Jh. 
unter  Anlehnung  au  Hase  «Narr»,  von  neuem 
aufkommend  (1693  hasiliren,  bei  Stieler  1691 
haseliren,  in  der  Hasenjacht  des  Leporinus 
Hasenkopf  1573  und  bei  Duez  1664  hasiren). 
Vgl.  Gehasi. 

Hasenfuß,  Häsin  usw.,  s,  Hase. 

Haspe,  f.  (PI.  -n):  Türhaken,  -angel, 
Fensterhaken,  -angel.  1420  «Türangel  mit 
dem  eingreifenden  Loche  des  Bandes  »(Diefen- 
bach  gl.  100*»),  1425  nd.  hespe  f.  (ebd.  100 «), 
md.  im  14.  Jh.  hispe  f.  «Spange»  und  hispen 
«ringeln»,  mhd.  Jiaspe  f.  «Garnwinde»  (Diefen- 
bach  nov.  gl.  193'^),  ahd.  haspa  f.  «soviel  Garn 
wie  auf  einmal  gehaspelt  wird;  dazu  mnd. 
ha^e  f.  «Garnwinde»,  ags.  hcepse,  hcesp  «Tür-  • 
haspe»,   engl,  hasp  «Riegel»,  anord.  hesjja  f. 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


]  «Türriegel,  Gai-nhapsel»,  ebenso  dän.  haspe 
in  beiden  Bed,  Die  beiden  Bedeutuncren 
«Türhaken»  und  «Garnwinde»  lassen  sich  ver- 
mitteln, aber  die  Herkunft  ist  unklar.  Viel- 
leicht aus  ""hafsa  zur  Wurzel  haf  «fassen», 
vgl.  Haft  und  lat.  capsa  f.  «Behältnis,  Kapsel, 
Kasten».  Aus  dem  Germanischen  entlehnt 
afranz.  hasple,  span.  aspa  f.,  ital.  aspo  m. 
«Garnwinde». 

Haspel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.)  und  f.  (PI. 
-n):  Garnwinde;  Werkzeug  zum  Aufwinden 
(1557  bei  Bechius  Agricola  177  der  PI.  Hespel). 
Mhd.  Imspel  m.,  ahd.  haspil  m.  «Garnwinde, 
Weife».  Abgeleitet  von  Haspe  (s.  d.).  Da- 
von haspeln,  v.,  spätmhd.  haspelen. 

Haß,  m.  (Gen.  Hasses,  ohne  PI.):  dauernde 
feindsehge  Abneigung.  Ein  Plur.  Haß  1531 
I  bei  Hedio  Josephus  281  ^.  Mhd.  und  ahd. 
ha^  m.  (Gen.  ha^^es),  ahd.  einmal  /^aj  n.; 
dazu  asächs.  heti  m.,  afries.  hat,  ags.  hete  m., 
engl,  hate,  anord.  hatr  n.,  schwed.  Imt  n., 
1  dän.  had  n.,  got.  liatis  n.  Verwandtschaft  mit 
j  Hader  ist  möglich,  aber  nicht  sicher,  wohl 
aber  besteht  Zusammenhang  mit  air.  cais. 
kymr.  cäs  «Haß»,  kymr.  cawdd  «Beleidigung, 
Zorn»,  gr.  Kr\boc  n.  «Kummer,  Trauer».  Die 
Grundbedeutung  ist  wohl  «verfolgen»,  die 
noch  in  hetzen  zutage  tritt.  Man  kann 
daraufhin  auch  vergleichen  aind.  cad-  «ab- 
fallen», gl-.  KeKÖbovTo  «sie  wichen»,  lat.  cadere 
«fallen».  ABL.  hassen,  V.,  mhd.  ha^^en, 
ahd.  ha^^en,  ha^^ön  (auch  verfolgen);  dazu 
asächs.  hettian  «verfolgen,  verfluchen»  und 
hatön  «hassen,  verfolsren»,  afries.  hatia,  aofs. 
hatian,  anord.  hata  ^verfolgen,  hassen».  Verl. 
hetzen.  Davon  Hasser,  m.,  mhd.  ha^^cere, 
ha^^er.  häßlich,  adj.,  mhd.  ha^^e-,  he^^e- 
lich,  ha^-,  he^lich,  spätahd.  ha^lih,  asächs. 
heti-,  hetelic,  ags.  hetelic  ''voll  Haß,  höchst 
feindselig»,  dann  erst  im  Mhd.  «hassenswert, 
verhaßt»,  endlich  spät  im  13.  .Jh.  «zum  Hassen 
unschön».  Vgl.  Götze  ZfdW.  7,  202.  Häß- 
lichkeit, f.,  1537  bei  Dasypodius  Heßlig- 
keyt,  Heßlicheit. 

Haß,  n.  (-es,  mit  langem  ä):  Kleidung, 
Kleid.  Alemannisch-bayrisch.  Mhd.  hce^e  u. 
und  hä^  m.;  dazu  ags.hceteru  n.  PI.  «Kleider/ . 
Vielleicht  urverwandt  mit  aind.  chadis  n. 
«Decke,  Dach». 

Hast,  f.  (ohne  PI.):  jähe  Eüe.  Am  Ende 
des  16.  Jahrb.  (Rollenhagen  Froschm.)  auf- 
genommen aus  gleichbed.  mnd.  (15.  Jh.)  hast 
m.  f.,  mndl.  haest  (daher  auch  fries.  haest), 
ndl.  haast  f.,   die    dem   franz.  haste,   häte  f. 

52 


819 


hätscheln 


Haue 


820 


«Eile»  entstammen.  Diese  aber  sind  aus 
einem  germ.  *heist  entlehnt,  ags.  Jmst  f. 
«Heftigkeit»,  adj.  «heftig»,  ahd.  heisti  «heÜigy>, 
die  weiter  zu  got.  haifsts  f.  «Streit,  Zank, 
Wettkampf»  gehören.  Weitre  Herkxmft  ist  un- 
sicher. Zu  aind.fc^is  «übelgesinnt»?  (ühlen- 
beck),  ir.  ciopaim-  «quäle»  (Zupitza  KZ.  36, 
244),  zu  aind.ctbham  «rasch,  schnell»  (Zupitza 
182),  zu  abg.  cepiti  «spalten».  Bei  Wieland 
Idrisl64Basf  m.  Davon  hasteil,  v.:  jäh  eilen, 
gegen  Ende  des  18.  Jh.  in  die  Schriftsprache 
auferenommen,  vereinzelt  schon  im  16.  .Jh.  bei 
Wickgram  Ovid  5,  13  und  1573  bei  Fischart 
Flöhh.  1737,  sich  hasten  1691  bei  Stieler,  aus 
mnd.  und  mndl.  hasten,  hastig,  adj.,  1691 
bei  Stieler,  schon  mhd.  hastec-,  hestecliche 
Adv.  (neben  haste-,  hesteltche,  mnd.  haste- 
like)  aus  mnd.  hastich,  dazu  mndl.  haestich. 
{ifr'ies.Mestig.  Hastigkeit,  f.,  1691  bei  Stieler. 

hätscheln,  v. :  zärtlich,  allzu  sorgfältig 
behandeln.  Bereits  1691  bei  Stieler  hätscheln, 
1711  bei  Rädlein  hätscheln,  aber  ursprüng- 
licher wohl  «auf  der  Eisglitschbahn  hingleiten» 
(fränkisch,  dafür  höscheln  bei  Rädlein),  Dim. 
■von hatschen,  Mfoc/ie?i  «schleppend,  schleifend 
gehen»  {heischen  Franck  Sprichw.  2,  10^,  Fi- 
schart Garg.  362),  tirol.  hatschen  «streichelnd 
liebkosen  ;>. 

HatSChier,  m.  (-.?,  PI.  -e):  Leibtrabant, 
ehemals  zu  Pferde.  Schon  im  17.  Jh.  (Duez 
1664)  aus  dem  noch  daneben  und  früher  vor- 
kommenden Hartschier  (frühnhd.  im  16.  Jh. 
harschier,  herschierer,  e)~dschier,  im  15.  Jh. 
liertschier  Sachsenheim  Mörin  478,  artschierer 
1402  bei  Janssen  Reichskorr.  1,  660,  7),  aus 
ital.  amere,  arcierovo..  «Bogenschütze»,  franz. 
im  12.  Jh.  archer,  von  ital.  arco,  lat.  arcus 
ni.  «Bogen». 

Hatz,  f.  (PI.  -en):  Jagd  mit  Hetzen  der 
Hunde;  dann  bildlich.  Im  16.  Jh.  bei  Aven- 
tinus  2,  466,  33  Hatz  f.,  eig.  Hatze  (Stieler 
1691),  oberdeutsch  unumgelautet,  eins  mit 
Hetze  (s.  d.);  verschieden  davon  in  der  Bil- 
dung ältemhd.  Hatz  m.  (Liliencron  Yolksl. 
2, 82,  Murner  Xan-enb.63,  5).  Yon  hetzen  (s. d.). 

Hau,  m.  (-es,  PI.  -e):  Waldoi-t,  wo  das 
Holz  abgehauen  wird.  Mhd.  hou  m.  (Gen. 
houwes)  «Holzhieb,  Hiebabteilung  eines  Wal- 
des», von  hauen  (s.  d.).  Eig.  der  Hau  «Hieb» 
(1539  bei  Braunschweig  Chir.  37  Haiv,  mnd. 
houw  m.). 

Haube,  f.  (PI.  -w):  i-undliche  Kopfbe- 
kleidung;  ihr  in  Form,  Uberdeckung  usw. 
Ähnliches.    Mhd.  hübe  f.  «Kopfbedeckung  für 


Männer  und  Weiber»,  bes.  «für  Soldaten» 
(Sturmhaube),  ahd.  hüba  f.;  dazu  mnd.  hüve, 
ndl.  huif,  ags.  hüfe  f.,  anord.  hüfa  f.  «Mütze, 
Kappe»,  schwed.  hufva,  dän.  hue  «Haube». 
Dazu  anord.  hüfr  m.  «Bauch  der  SchifFsseite», 
ags.  hyfi.,  engl.  Aive« Bienenkorb»  und  weiter 
gT.  KÜirr)  f.  «Höhle»  (Hesych),  KÜireWov  n. 
«Becher»,  lat.  cüpa  f.  «Tonne,  Kufe»,  aind. 
küpas  m.  «Grabe,  Höhle».  Vgl.  Walde  s.  v. 
ABL.  hauheu,  v.:  mit  einer  Haube  be- 
kleiden, mhd.  hüben,  häuheln,  v.:  mit  einem 
Häubchen  überdecken,  1691  bei  Stieler  haubelen, 
in  der  Bed.  «einem  tüchtig  auf  die  Haube 
gehen»  1573  bei  Fischart  Flöhh.  1282  häublen, 
zu  mhd./tm&eZ  n.  «Häubchem>.  ZUS.  Hauben- 
lerche, f. :  Lerchenart  mit  einer  Haube,  d.  h. 
6 — 12  hervorstehenden  Federn  oben  auf  dem 
Kopf,  1557  bei  Heußlm  Vogelb.  170»  Heübel- 
lerch,  bei  Duez  1664  Haubellei'che  (zum  Dim. 
mhd.  hiubel  n.  «Häubchen»). 

Haubitze,  f.  (PI.  -n):  gi-obes  Geschütz 
zu  Kartätschen,  Granaten  usw.  Im  15.  Jh. 
hauffnitz,  hauffenitz,  seit  den  Hussitenkriegen, 
aus  tschech.  houfnice,  houfenice  f.,  das  urspr. 
(hölzerne)  Schleuder  für  Steine  bed.  Gegen 
Ende  des  17.  Jh.  anstatt  der  Kammerstücke 
wieder  aufgekommen,  1691  bei  Stieler  Hau- 
bitz  f.,   1711   bei  Rädlein  Haubitz  m. 

Hauch,  m.  (-es,  PI.  -e):  aus  dem  Munde 
gehende  Luft:  sanftes  Wehen.  1663  bei 
Schbttel.  Von  haucheu,  V.,  mhd.  (noch 
selten)  hüchen,  seit  Luther  allmählich  (im 
17.  Jh.  bei  Duez,  Krämer  usw.)  in  Auf- 
nahme gekommen.  Ein  lautmalendes  Wort 
(Frisch  1741).    Vgl.  hauchen. 

hauderu,  v.:  gewerbsmäßig  Reisende  für 
Lohn  mit  Pferd  und  Wagen  fahren.  1627 
bei  Zincgref  Schulbossen  11  haudern,  mit 
eingetretnem  d  aus  spätmhd.  huren  «auf  einem 
Mietpferd  reiten,  in  einem  Mietwagen  fähigen » 
(beide  Bed.  1418  bei  Janssen  Reichskon-.  1, 318), 
mnd.  und  mndl.  huren  «mieten»  (s.  Heuer  f.). 
ABL.  Hauderer,  m.:  Miet-,  Lohnkutscher, 
1590  bei  Fischart  Garg.  15  Huder  er. 

Haue,  f.  (PI.  -n):  Haugerät  zur  Feld- 
arbeit. Mhd.  houwe,  ahd.  houwa  f.  Von 
hauen,  v.  (Prät.  hieb,  Konj.  hiebe,  Part,  ge- 
hauen): schneidend  einschlagen;  eindringlich 
schlagen.  Mhd.  houwen  (Prät.  hie  und  hiew, 
md.  im  14.  Jh.  hieb  und  Mb,  Plur.  hiewen, 
Part,  gehouwen),  ahd.  houwan  (Prät.  hiu,  hio, 
PI.  himven),  , daneben  schwachbiegend  mhd. 
homcen  (Prät.  houte,  nhd.  haute),  ahd.  houwon 
(in  gihouwön):  dazu  starkflekt.  asächs. gihauwan, 


821 


hanem 


Haupt 


822 


mnd.  und  imidl.  houwen,  ags.  heawan  (Prät. 
heoio),  engl,  hew,  anord.  Jiöggva  (Pi-ät.  hjö), 
schwed.  Imgga,  dän.  Jmgge.  Urverwandt  niit 
abg.  kovati  «schlagen,  schmieden»,  kovaci  m. 
«Schmied»,  lit.  käuti  «schlagen,  schmieden;;, 
kovä  f.  «Kampf».  Dazu  mit  Wurzelerweite- 
rung lat.  cüdere  '^ hauen»,  ir.  cüaä  «Kampf.. 
Vgl.  noch  Walde  s.  v.  ABL.  Hauer,  m.: 
Holzfäller  (spätmhd.  hawer):  Erzhauer  im 
Bergwerk  (mhd.  hower,  hemcei'  Freiberger 
Bergrecht  §  •22,  nhd.  nur  Häuer);  Hau- 
zahn des  Ebers  (mhd.  im  1-i.  Jh.  hawer); 
das  männhche  Wildschwein  (im  16.  Jh.  bei 
Kirchhoff  Wendunm.  247^  Hauwer).  ZUS. 
Haudegen,  m.:  Schlagdegen  (1658  beiSchoch 
Stud.  G  3  ^  Hmcdegen),  übertr.  derber  Krieger 
(1803  bei  Seume  Spaz.  37).  Haulaud,  n.: 
zu  Ackerland  anget'odeter  Waldboden,  erst 
spät  im   18.  Jh. 

hauerU';  v. :  zusammengebückt  sitzen  (Wie- 
land 21,  46),  s.  kauern. 

Haufe(n),  m.  {-ns,  PI.  -n)  -.  Menge  beiein- 
ander befindlicher  oder  übereinander  liegen- 
der Dinge,  Schar.  Mhd.  hüfe,  ahd.  hüfo  m. 
(Gen.  hüfin),  mit  Übergang  in  starke  Biegung 
frühmhd.  hüf  m.  (Gen.  hüfes),  woneben  md. 
und  seltner  ahd.  houfm.  (Gen.  Iioufes),  schon 
bei  Luther  Haufen,  aber  noch  bei  Goethe 
Faust  402  Haufm. ;  dazu  asächs.  höp,  mnd.  höp, 
hope,  hupe,  afries.  häp,  ags.  heap  m.,  engl. 
heap,  aus  dem  Niederd.  entlehnt  anord.  höpr 
m.  Man  vergleicht  abg.  kupv,  lit.  kanpas  m. 
«Haufen»,  kupstas  m.  -  Erdhöcker/,  lett.  kupt 
«sich  zusammenballen)..  Da  die  Lautver- 
schiebung nicht  stimmt,  muß  germ.  p  aus 
pn  entstanden  sein,  häufeln,  v.,  im  15.  Jh. 
hüffeln,  houffeln,  hawfeln,  abgeleitet  von  dem 
Dim  hüff'el  «Häufel»  (15.  Jahrb.).  ABL. 
häufen,  v.,  bei  Luther  heuffen,  mhd.  hüfen 
und  houfen,  ahd.  hüfon  und  houfm,  mnd.hqjen. 
häufig,  adj.,  in  der  Bed.  «zu  Häuf  ge- 
schichtet, haufenweise»  1540  bei  Alberus  dict. 
gg3^  heuffig,  1514  bei  Keisersberg  Schiff  d. 
Penit.  125'^  häuf  echt:  in  der  Bed.  «oft»  1775 
bei  Adelung.  Häufigkeit,  f.,  1691  bei  Stieler. 
ZUS.  haufenweise,  adv.,  1578  bei  Fischai-t 
Ehzuchtb.  J4'^  hauffenweis. 

Hang,  m.  (-es,  PI.  -e):  Hügel.  In  Berg- 
und  Ortsnamen  wie  Donnershaug,  Arnshaugk. 
Mhd.  und  ahd.  houc  n.  (Gen.  houges):  dazu 
anord.  haugr  m.,  dän.  höi,  engl,  how  in  Orts- 
namen, Aus  dem  Germanischen  entlehnt  nor- 
mann.  hogue  «Hügel».  Mit  grammatischem 
Wechsel  zu  hoch  (s.  d.)  und  Hügel. 


Hauhechel,  f.  (PI.  -n):  die  Hülsenpflanze 
Ononis.  1561  bei  Maaler  Hamvhechel,  1537 
bei  Dasypodius  Hemvhechel,  d.  h.  Hechel 
(Stachelpflanze),  in  der,  da  sie  gern  an  Wiesen- 
rainen wächst,  das  Heu  leicht  hangen  bleibt. 

Haupt,  n.  (-es,  PI.  Häupter):  Kopf;  das 
Oberste,  Höchste,  Tomehmste  (schon  ahd.). 
Mhd.  honhef,  houht,  houpt,  ahd.  houhit,  houpit 
n.;  dazu  asächs.  höbid,  mnd.  hövet.  höft,  nndl. 
hoofd,  afries.  häved,  häfd,  häd,  ags.  heafod, 
engl,  head,  anord.  (mit  urspr.  a  in  der  Wui'zel- 
silbe)  höfud,  schwed.  hufvud,  dän.  hoved,  got, 
hauhiß  n.  Daneben  mit  a  in  der  Wurzel- 
silbe ags.  hafela  m.  «Kopf»,  urverwandt  mit 
aind.  kapalam  n.  «Schädel,  Schale»,  kapüc- 
chalam  n.  «das  Haar  am  Hinterhaupt»,  lat. 
Caput  n.  «Kopf»,  capillus  m.  «Haupthaar». 
Das  Verhältnis  von  au  zu  a  ist  noch  nicht 
genügend  aufgeklärt,  doch  liegt  wahrschein- 
lich alter  Ablaut  vor  (au:  iva)  mit  Schwund 
des  w  nach  k.  Mit  Umlaut  (wegen  i  in  -it) 
mhd.  und  md.  höuhet,  heiibet,  heuhf,  im  16. 
und  17.  Jh.  Heubt  (PI.  Heubt  und  Heubter), 
noch  erhalten  im  Dat.  PI.  zu  Häupten  (ahd. 
zen  houbiton),  mnd.  hövet,  nnd.  höftn.  «Spitze, 
Ecke»,  md.  Heid,  Heed  n.  (hess.  Häubt,  Häud) 
«Krauthaupt»,  1751  bei  Picander  5,  283  Heet 
n.  «Kopf».  ABL.  haupten,  v.,  in  be-,  ent- 
haupten, mhd.  houbeten,  houpten,  ahd.  houbiton 
«den  Kopf  abschlagen»,  im  Mhd.  intr.  «wie 
einem  Haupt  anhängen».  Häuptling,  m., 
1741  bei  Frisch  aus  Ostfriesland,  afries.  hävd- 
ling  neben  hävding  m.  «Mitglied  des  friesischen 
Adels»,  in  allgemeiner  Bed.  1808  bei  Campe. 
häuptlingS,  adv.,  bei  Voß  Ovid  1,  91,  im 
16.  Jh.  bei  Th.  Platter  96  häubtlingen,  mhd. 
houbetlingen  «kopfüber».  ZUS.  Hauptbuch, 
n.,  1616  bei  Henisch.  Haupthaar,  n.,  mhd. 
houbethär  n.  Hauptmann,  m.,  mhd.  houbet- 
man,  ahd.  houpitman  m.  «der  Oberste,  der 
Erste  unter  Seinesgleichen»,  im  Mhd.  auch 
«der  Anführer  im  Kriege,  Oberbefehlshaber», 
um  1480  im  Voc.  ine.  teut.  13*  hauptman 
«Befehlshaber  über  ein  Fähnlein»,  1561  bei 
Maaler  Hauptmann  über  hundert  «centuiio», 
Hauptmann  über  tausend  «chiliarchus»;  der 
Plur.  Hauptleute,  mhd.  houbetliute.  Seit  1842 
in  Preußen  für  Kapitän  eingeführt  (ZfdW.  1, 
76).  Hauptquartier,  n.,  1617  im  Teutschen 
Michel  17.  Hauptsache,  f.,  im  15.  Jh.  haupt-, 
heuptsach  f.  «Rechtsstreit,  Prozeß»;  im  allge- 
meineren Sinne  bei  Luther  5, 115^  Heubtsache. 
hauptsächlich,  adj.,  1578  bei  Fischart 
Ehzuchtb.  N  7^.     Hauptsatz,  m.,  1781  bei 


823 


Hans 


Haus 


824 


Meiner.  Vgl.  Jellinek  Idg.  Forsch.  19,  272. 
Hauptstadt,  f.,  mhd.  houhetstat  f.  Haupt- 
stück,  n.,  spätmhd.  houhetstücke  n.  «Kopf- 
stück», auch  «grobes  Geschütz»;  in  der  Bed. 
«hauptsächliches  Stück»  bei  Luther  7,  29* 
Hauptstück.  Hauptwache,  f.,  1691  bei  Stieler, 
dafür  1641  bei  Schotte!  379  Hauptivacht. 
Hauptwort,  n.-.  Substantivum,  1748  bei 
Gottsched  Sprachkunst;  in  der  allgem.  Bed. 
«hauptsächliches  Wort»  1691  bei  Stieler. 

Haus,  n.  (Gen.  Hauses,  PI.  Häuser):  er- 
baute Menschenwohnung;  (edles)  Geschlecht; 
mhd.  und  ahd.  hüs  n.  (PI.  mhd.  liüs  und 
liiusir,  ahd.  liüs  und  hüsir),  im  11.  Jh.  auch 
Jious;  dazu  asächs.-mndl.-afries.-ags.  Ms,  anord. 
hüs,  nndl.  huis,  engl,  house,  schwed.  /ms,  dän. 
Jmus  n.,  got.  nur  in  guäliüs  n.  «Gotteshaus, 
Tempel».  Gewöhnlich  wird  Hütte  (s.  d.)  ver- 
glichen, und  beide  dann  zu  ags.  hydan  «ver- 
bergen», gr.  K€ÜOeiv  «verbergen»  gestellt.  Das 
ist  aber  dui'chaus  nicht  sicher.  Man  müßte 
von  einer  Bedeutung  «bedecken»  ausgehen. 
Anderseits  bietet  sich  aind.  kösas  m.  «Behälter, 
Scheide,  Vorratskammer,  Schatzkammer»,  lit. 
Uäuse  f.  «Hirnschädel»,  anord.  hauss  m. 
«Schädel»  zur Vergleichung.  Und  schließlich 
ist  auch  Ableitung  von  kauen  denkbai*.  Aus 
dem  Germanischen  entlehnt  abg.  cliyzü  «Haus». 
Der  alte  Dat.  PI.  Hausen,  mhd.  hüsen,  ahd. 
liüsun,  ist  nur  noch  Ortsname.  ABL.  hauSGU, 
V.,  mhd.  und  mnd.  hüsen  «wohnen,  ins  Haus 
aufnehmen»,  spätmhd.  im  15.  Jh.  «übel  wirt- 
schaften, wüsten»,  ahd.  hüsön  «wohnen»;  da- 
von Hausung,  f.:  Wohnung,  Unterkunft 
in  einem  Hause,  mhd.  hüsunge  f.  hausieren, 
V.:  feilbietend  von  Haus  zu  Haus  gehen,  im 
15.  Jh.  hawsiren  (Nürnb.  Pol.-Ordn.  133),  mnd. 
huseren,  huserern;  im  16.  Jh.  auch  in  der 
Bed.  «wohnen»  (Fischart  Barf.  4603).  Hau- 
sierer, m.:  von  Haus  zu  Haus  ziehender 
Händler,  1545  im  Rotweiler  Stadtrecht  1,  52^ 
Husierer.  Häuslein,  n.,  mhd.  hiuselin, 
ahd.  hüsilin  n.  Daneben  mhd.  hiusel  n.,  wo- 
von Häusler,  m.:  Dorfbewohner,  der  nur 
ein  Haus  ohne  Feld  besitzt,  1691  bei  Stieler. 
häuslich,  adj.,  um  1480  bei  Melber  g  7* 
hußlich  «zum  Haus  gehörend»,  als  Adv.  spät- 
mhd. hüslichen,  Muslich  «mit  Haus»;  in  der 
Bed.  «gern  um  das  Hauswesen  sich  küm- 
mernd» \)e\\j\xi\\Qr heuslich.  Häuslichkeit, 

f. :  das  Hauswesen  (1575  bei  Fischart  Garg.  92) ; 
die  Liebe  zur  Hauswirtschaft  (1562  bei  Mathe- 
sius  Sar.  9  ^  HeußUgkeyt).  ZUS.  hausbacken, 
part.  Adj.:  für  den  Hausbedarf  gebacken,  1691 


bei  Stieler,  haußgehachen  1616  beiHenisch;  in 
Übertrag.  Bed.  bei  Goethe  41, 1,  852.  Haus- 
ehre,  f.,  mhd.  hüsere  f.  «Ehre  des  Hauses, 
die  sich  in  Freigebigkeit  und  Gastlichkeit, 
in  der  Sicherheit  und  Ruhe  des  Hauses  zeigt, 
Ehre  des  Hausherrn,  Verwaltung  des  Haus- 
wesens, Haushaltung»,  im  16.  Jh.  «Hausfrau, 
Hausmutter»  (Luther  Ps.  68, 13,  Alberus  Ebb. 
G3'').  Hauser(e)n,  m.:  Hausflur,  ober- 
deutsch-hessisch, 1588  bei  Tabernämontanus 
Hausehren,  s.  Em.  Hausflur,  m.  und  f., 
1775  bei  Adelung.  Hausfrau,  f.,  mhd.  hüs- 
vrouwe,  -vrou  f.  haushalten,  v.,  mhd.  hüs- 
halten;  davon  Haushalt,  m.,  1679  bei  Löh- 
neys  Regierkunst  345^;  Haushalter,  Haus- 
hälter,  m.,  bei  Luther  Haushalter;  Haus- 
hälterin, f.,  1578  bei  Fischart  Ehz.  H  2^ 
Haushälterin,  anders  spätmhd.  1409  hüse-,  hüß- 
Jialterin  f.  «Bordellwirtin»;  haushälterisch, 
adj.,  1741  heiFrischhaushalterisch,  neben  haus- 
haltisch  im  17.  Jh.  (Simpl.  4,  6  Kz.j.  Haus- 
herr, m.,  mhd.  hüsherre  m.  Hausknecht, 
m.,  spätmhd.  hüskneht  m.  Hauskreuz,  n., 
1659  bei  Butschky  Kanzl.  44.  Hauslauch,  m. : 

Hauswurz,  mhd.  hüslouch  m.  hausmachend, 
part.:  im  eignen  Hause  zugerichtet,  für  den 
Hausbedarf  gemacht,  1772  bei  Bode  Humphry 
Klinker  1,  122.  Hausmann,  m.,  mhd.  hüs- 
man  m.  «Hausvater,  Hausbewohner,  Miets- 
mann, auf  dem  Turm  wohnender  Burgwart», 
bei  Luther  1,  370^  «Türmer  in  der  Stadt», 
bei  Adelung  1775  «Beschließer  des  Hauses»; 
dazu  Hausmannskost,  f.:  Hauskost,  1556 
bei  Wickram  Nachb.  73^.  Hausmeier,  m.: 
Vorsteher  der  Hofhaltung.  Übersetzung  des 
lat.  major  domus.  Seit  dem  16.  Jh.  bezeugt. 
1574  bei  Kilian  huysmeyer.  Hausmeister, 
m.:  Hausverwalter,  1678  bei  Krämer,  in  der 
Bed.  «Hausherr»  1561  bei  Maaler.  Haus- 
mittel, 1691  bei  Stieler.  Hausrat,  m., 
mhd.  hüsrät  m.  «die  für  einen  Haushalt 
erforderlichen  Hausgeräte,  auch  die  Haus- 
tiere». Hausrecht,  n.,  1691  bei  stieler. 
Hausstand,  m.:  Haushalt,  1641  bei  Schottel 
868.  Haussuchung,f.:  Durchforschungeines 
Hauses  zur  Ermittlung  eines  Verbrechens,  1517 
bei  Trochus  M  6**  hußsuchung,  dagegen  mhd. 
hüssuochunge  f.  «Hausfriedensbruch»,  mnd. 
hussokinge  f.  in  beiden  Bed.  Haustier,  n., 
1775  bei  Adelung.  HausTater,  m.,  spätmhd. 
hüsvater.  Hauswesen,  n.,  1620  bei  Alber- 
tinus  Lustga^-t.  9.  Hauswirt,  m.,  mhd.  hüs- 
wirt  m.  «Hausherr,  Hausbesitzer,  Vorstand 
einer    Haushaltung».      HauSWUrz,    f.:    das 


825 


Hausen 


Hebel 


826 


auf  den  Dächern  wachsende  saftige  Kraut  i 
Sempervivxim,  mhd.  und  ahd.  hüsicurz  f.  j 
Hauszins,  m.:  Mietgeld  für  Wohnung,  mhd.  ■ 
hüszins  m. 

Hausen,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):   der  große 
Stör.  Mhd.  hüse,  schon  im  13.  Jh.  auch  hüsen, 
ahd.  hüso  m.,  mnd.  hnsen  m.     In  welchem  i 
Verhältnis  dazu  tschech.  vyz,  polu.  tvyz  m.  I 
« Hausen  ••>  stehen,  ist  unklar,  wahrscheinlich  ! 
sind  sie  entlehnt.    Da  der  Kopf  des  Hausen 
gepanzert  ist,  könnte  man  mit  Falk-Torp  an 
Zusammenhang  mit  anord.  hauss  m.  «Schädel», 
lit.   k'duse   f.    «Hirnschale»    denken.      ZTJS. 
Hausenl)lase,  f.:   Leim  aus  der  Leimblase 
des   Hausens,    1562   bei   Mathesius  Sai*.  47^ 
Hausenplase. 

hauß,  haußen,  adv.:  hier  außen.  Mhd. 
hü^e,  md.  hügen,  zsgez.  aus  Jde  f/je,  hie  ügen, 
wie  mhd,  Mnne  aus  hie  inne. 

Hausse,  (spr.  Höße)  f.:  das  Steigen  der 
Wertpapiere.  Aus  gleichbed.  frz.  hausse  f., 
das  zu  haut  «hoch»  (aus  lat.  altus)  gehört. 
Erst  im  19.  Jh.  Gegensatz  Baisse  f.  «das 
Sinken  der  Wertpapiere»  aus  gleichbed.  frz. 
haisse  f.  (von  lat.  hassiis  «niedrig»). 

Hauste,  m.  (-n,  PI.  -w)  und  Hausten, 

m.  (-S,  PI.  wie  S».):  Haufen,  aufgestellter 
Frucht-,  Heuhaufen.  Mhd.  huste  m.,  im  16.  Jh. 
hauste  m.  «Haufen»;  dazu  clev.  1477  huyst 
«Komhaufen».  Aus  *hüfste  zu  Haufen  (s.  d.). 

Haut,  f.  (PI.  Häute):  die  natürliche  Decke 
des  Tier-  oder  Pflanzenkörpers;  übertr.  der 
Mensch  selbst  (schon  mhd.).  In  ui'spr.  Bed. 
mhd.  und  ahd.  hüt  f.  (PI.  mhd.  Mute,  Mut, 
ahd.  hüti)\  dazu  andd.  hüd,  ndl.  huid,  afries. 
hUd  und  hede,  ags.  hyd,  engl,  hide,  anord. 
hUd  f.,  schwed.-dän.  hud.  Urverwandt  mit 
lat.  cutis  f.  «Haut»,  gr.  kOtoc  n.  «Haut,  Hülle», 
^-fKUTi  Adv.  «bis  auf  die  Haut»,  apreuß. 
keuto  «Haut»,  Yit.k'autai  m.  PI.  «Eierschalen», 
(mit  s-Präfix)  gr.  ckOtoc  n.  «Haut,  Leder», 
lat.  scütuni  n.  «Schild».  Vgl.  Schote.  ABL. 
häuten,  V.,  1741  bei  Frisch  trans.  u.  refl.,  mhd. 
in  Mj-,  enthiuten;  dagegen  ist  häutein,  v.,  bei 
Frisch  1741, von  spätmhd.  heutel  n.  «Häutchen» 
abgeleitet,  häutig,  adj.  in  dick-,  tveißhäutig, 
mhd.  wi^hiutec.  Häutung,  f,  bei  Goethe 
26, 191.  ZTJS.  Auf  der  Volksredensart  in  die 
Haut  hinein  =  durchaus,  von  Gnind  aus, 
beruhen:  hautehrlich,  adj.:  grundehrlich, 
bei  Maler  Müller  ,3,  64:  hautsatt,  adj.:  völlig 
satt,  ebenda  2,  23;  hautreich,  adj.:  gi-und- 
reich,  bei  Hebel  im  geheilten  Patienten. 

HaTarie,   f.  (PI.  -n):    Schaden   an    dem 


Schiff  und  dessen  Ladung  außer  dem  Hafen; 
allerlei  Schiffsunkosten,  als  Hafen-,  Lotsen-, 
Ankergeld  etc.  1716  bei  Ludwig  Äverey, 
Avarie.  Haverey,  Hafer ey,  nd.  1582  bei  Chy- 
träus  Cap.  36  haferye  f.,  mndl.  im  16.  Jh. 
averije,  haverije,  nndl.  avarij.  havarij  f.,  aus 
gleichbed.  franz.  avarie,  ital.  avaria  f.,  mlat. 
Ende  des  14.  Jh.  aus  genuesischen  Quellen 
avaria,  vielleicht  aus  arab.  'aicär  «Gebrechen, 
Beschädigung,  beschädigte  Ware»,  auwara 
«beschädigen».  Die  Form  mit  h  wohl  im 
Gedanken  an  Hafen. 

he!  Interj.  der  Anrede,  des  Fragens, 
Lachens,  Spottens.  Mhd.  he  als  Interj.  der 
Anrede,  Anfang  des  16.  Jh.  im  Friedberger 
Passionsspiel  Bl.  30 '^  he  he  he  als  Interj.  des 
Lachens. 

Hebamme,  f.  (PI.  -n)-.  Gebm-tshelferin, 
Wehmutter.  Mhd.  im  15.  Jh.  hehamnie,  im 
12.  Jh.  heve-,  hev-,  hefammet,  mit  Anlehnung 
an  Amme  (s.  d.)  aus  ahd.  hevanna,  hevianna, 
hefihanna  f.,  das  entweder  eine  Verbalableitung 
von  heben  (s.  d.)  oder  wahrscheinlicher  Zu- 
sammensetzung mit  ahd.  ana,  mhd.  ane  f. 
«Großmutter»  (s.  Ahn)  ist.  Daneben  spätmhd. 
heh-,  hevemuter  (Diefenb.  gl.  390 ■'^),  mnd.  heve- 
moder  f.  Hessisch,  heißt  die  Hebamme  Elter, 
Eller  f.,  das  urspr.  Großmutter  bed.;  nndl. 
vroedvrouiv  f.,  von  vroed  «klug,  weise»  (ahd. 
frot,  fruot,  got.  fröps),  franz.  sage-femme  f. 

Hebel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Hebestange. 
Spätmhd.  1432  hehel  m.  in  dieser  Bedeutung, 
Aber  schon  ahd.  hevil,  hevilo  m.  «Hefe», 
eigentlich  «Hebemittel».  Von  beben,  v. 
(Prät.  hob,  Konj,  höbe,  Part,  gehoben):  in 
die  Höhe  bewegen ;  wegschaffen.  Mhd.  heben, 
heven,  md.  auch  haben,  ahd.  heffan,  heven; 
dazu  asächs.  hebbian,  mnd.  heven,  nndl.  heffen, 
afries.  heva,  ags.  hebban,  engl,  heave,  anord. 
hefja,  schwed.  häfva,  dän.  häve,  got.  hafjan. 
Das  Prät  lautet  mhd.  und  ahd.  huop,  älternhd, 
und  noch  in  der  Dichtersprache  hub,  das  Part, 
mhd,  gehaben,  ahd.  haban,  noch  1690  bei 
Bödiker  gehaben  neben  gehoben,  in  Zusammen- 
setzungen bei  Herder  1,  95  und  Wieland  21, 
72  aufgehaben.  Urvei-wandt  mit  lat.  capere 
«fassen»,  gr.  Kujirri  f.  «Griff».  Vgl,  Haft, 
Hefe.  ABL.  Hebe,  f.:  jüdisches  Hebopfer, 
bei  Luther,  mit  Beziehung  auf  einen  Gebrauch 
feierlicher  Hebung  in  die  Höhe,  Heber,  m,: 
Werkzeug  zum  Heben  von  Gegenständen 
(Maaler  1561)  und  Flüssigkeiten  (Stieler  1691). 
Hebung,  f,,  spätmhd,  in  ent-,  nfhebunge; 
bei  Luther  Hebung  f.  in  der  Bed.  «Opfer»; 


827 


Hebräer 


Hedwig 


828 


seit  Ende  des  18.  Jb.  Hebung  und  Senkung] 
für  gr.  äpcic  und  eecic.  ZUS.  Hebebaiim,  j 
m.,  mhd.  hebeboum  m.  j 

Hebräer,  aucli  Ebräer  m.  {-s,  PI.  wie  j 
Sg.):  der  Jude.  1534  bei  Dietenberger  Jfe- 
hreer,  bei  Luther  Ehreer,  aus  lat.  Hehraeus, 
von  hebr.  'ibrl  «der  von  jenseit  des  Euphrat 
Gekommene»  (hebr.  'eher  m.  «der  Übergang, 
das  Jenseitige»),  zunächst  von  Abraham  ge- 
braucht (1.  Mos.  14,  13).  hebräisch,  ebrä- 
isch,  adj.,  mhd.  hebreisch,  hebräisch,  ebreisch, 
ahd.  hebreisc,  ebräisc,  ehreisc,  nach  dem  gr.- 
lat.  Adj.  hebraicus. 

Hechel,  f.  (PI.  -n):  Stachelwerkzeug  zum 
Durchziehen  des  Flachses  und  Hanfes.  Mhd. 
hechel,  hachel  f.;  dazu  mnd.  hekele,  ndl.  hekel, 
mittelengl.  hechel,  engl,  hatchel  und  hackte, 
(entlehnt  aus  dem  Mnd.)  schwed.  häckla  f., 
dän.  hegle.  Von  ahd.  hecchen,  mhd.  hecken 
«  hauen,  stechen  ».  Kaum  verwandt  mit  Haken. 
ABL.  hecheln,  v.,  mhd.  hecheln,  hachein, 
mnd.  hekelen,  asächs.  ihekilod  «gehechelt»; 
übertr.  «prügeln»  im  13.  Jh.  bei  Hugo  v.  Trim- 
berg  Renner  15049,  «vexieren»  1664  bei  Duez, 
«tadelnd  verspotten»  1678  bei  Krämer.  Da- 
von Hechler,  m.,  bei  Stieler  1691. 

Hechse,  s.  Hachse. 

Hecht,  m.  (-es,  PI.  -e):  der  Raubfisch 
Esox  lucius;  raubgieriger  Mensch  (mhd.  im 
14.  Jh.),  loser  Kerl  (Wieland  18,  147);  studen- 
tisch der  beißende  dichte  Tabakrauch  (19.  Jh.). 
In  urspr.  Bed.  mhd.  hechet,  hecht,  ahd.  ha- 
chit,  hechit  m.;  dazu  and.  hacth,  mnd.  und 
mndl.  heket,  ags.  hacod,  hceced  m.  Vielleicht 
von  seinem  stachlichten  Gebiß  oder  seiner  auf- 
fallend spitzen  Schnauze  benannt  und  gleichen 
Stammes  wie  ahd.  hecchen,  mhd.  hecken 
«stechen»  (s.  Hechel).  Vgl.  mnd.  hekele 
«Stichling».  ZUS.  Hechtschimmel,  m.: 
Pferd  von  hechtgrauer  Farbe. 

Heck,  n.  (-S,  PI.  -e).:  breite  in  einge- 
koppelten Feldern  den  Fahrweg  hemmende 
Gatter-  oder  geflochtene  Türe  (1795  bei  Voß 
Ged.  102);  gegatterte  Hoftüre  (Hermes  So- 
phiens  Reise  4,  186);  der  hinterste  oberste 
Teil  des  Schiff"es  (Jacobsson  1798  und  Röding), 
früher  mit  einer  Einfassung  von  Stützen  ver- 
sehen, die  durch  Taue  oder  Ketten  verbunden 
waren.  In  Norddeutschland.  Mnd.  heck  n. 
«Hecke,  Umzäunung,  Einfassung,  Tor»  (von 
Holz),  1741  bei  Frisch  «das  den  Ein-  und 
Ausgang  desDorfes  verschließende  geflochtene 
Gatter  oder  Zufalltor».  Entsprechend  mhd. 
heck  n.  «Hecke,  Zaun»,  s.  ^ Hecke. 


^ Hecke,  f.  (PI  -n)-.  Gebüsch;  Zaun.  Mhd. 
hecke,  hegge,  ahd.  hegga  f.,  daneben  mhd. 
hecke,  heck  n.  «Dorngebüsch,  Umzäunung >^ 
Entsprechend  mittelengl.  hegge  f.,  engl,  hedge, 
neben  ags.  hege  m.  «Umzäunung».  Ableitung 
von  Hag  (s.  d.).  Davon  heckig,  heckicht, 
adj.,  1662  bei  Stoer  236^,  heckechtig  1537  bei 
Dasypodius ;  das  Subst.  Heckicht  n.,  um  1480 
im  Voc.  ine.  teut.  1 4^  heckig.  ZUS.  Hecken-, 
Heckfeuer,  n.:  Kleingewehrfeuer  Einzelner 
aus  dem  Gliede,  bei  Hippel  W.  1,  340  von 
1778  Heckenfeuer.  Heckenreiter,  m.: 
Strauchdieb,  Buschklepper,  1512  bei  Lilien- 
cron  Volksl.  3,  76^  heckenreiter ,  1517  bei 
Janssen  Reichskorr.  2,  921  heckenreivter  m., 
neben  heckenruytery  f.  2,  875  von  1512  (s. 
Reiter).  Heckenrose,  f.:  Hagerose,  1546 
bei  Bock  2,  19*^  Heckrose,  1664  bei  Duez 
Heckenrose.  Heckwirt,  m.:  Wirt  einer 
Winkelschenke,  mhd.  hecken-,  heckioirt. 

"Hecke,  f.  (PI.  -n)-.  Fortpflanzung  durch 
Junge  oder  Brüten.  1731  bei  Zinck  öcon. 
Lex.  und  1710  bei  Philander  v.  d.  Linde  galant. 
Ged.  67;  dazu  mittelengl.  hacche,  engl,  hatch 
«das  Blüten,  die  Brut».  Von  hecken,  v., 
1482  außhecken  «ausbrüten»  Voc.  theut.  0  2** 
und  e3'',  mhd.  sich  hecken  «sich  fortpflanzen» 
(von  Vögeln);  dazu  mittelengl.  hacchen,  engl. 
hatch  «ausbrüten».  Gleichen  Stammes  wie 
mhd.  hagen  m.  «Zuchtstier»  (s.  Hacksch)  und 
ahd.  hega-,  hegidruos,  mhd.  hege-,  heidruos 
f.  «Hode,  Zeugungsglied»,  and.  heidrosi  «ve- 
renda».  ZUS.  Hecke-,  Hecktaler,  m.: 
Zaubertaler  zum  Reichwerden,  1691  bei  Stieler 
Hecktaler,  1570  im  Abschied  des  Reichstags 
von  Speier  §  133  Heckenmüntze. 

Hede,  f.  (PI.  -n):  Werg.  Norddeutsch 
(Moser  Phantas.  1,  116),  1517  bei  Trochus 
K  6=^  hede,  bei  Frisch  1741  Heede.  Aus 
mnd.-nnd.  und  afries.  hede  f.,  müt  Ausfall 
des  r  aus  mndl.  herde,  heerde  «Flachsfaser», 
entsprechend  ags.  heorde  f.,  engl,  hards  PI. 
«Flachshede».     S.  Haar  ^. 

Hederich,  m,  (-s,  PI.  -e):  Gundelrebe, 
Hedera  terrestris  oder  Glecoma  hederacea; 
wilder  Senf,  erysimum,  mhd.-ahd.  hederich, 
hederich  m.,  mnd.  hederik,  hedderick.  Unter 
Einwirkung  von  Wegerich  umgebildet  aus 
dem  lat.  Adj.  heder äceus  «efeuähnlich»,  oder 
dessen  Stammwort  hedera  f.  «Efeu»  nach- 
gebildet, wohl  zuerst  von  der  efeuähnlich 
kriechenden  i Gundelrebe. 

Hedwig,  Frauenuame,  mhd.  Hedwig, 
ahd.  Hade-,  Hathmvig,  zgs.  mit  ahd.  hadu- 


829 


Heer 


heftig 


830 


«Kampf»  (s.  Hader)  und  ahd.-mhd.  wie  m. 
«Krieg,  Schlacht». 

Heer,  n.  (-es,  PI.  -e).  Bei  Luther  Heer, 
mhd.  her,  älter  here,  ahd.  hari,  Jieri  n.  (Gen. 
herjes,  Dat.  herige);  dazu  asächs.  heri  m. 
«Menge,  Volk»,  mndl.  heir  n.,  afries.  /lere 
und  hiri  m.  n.,  ags.  Äere  m.  (Gen.  heriges), 
anord.  herr  m.,  schwed.-dän.  här  m.,  got. 
harjis  m.,  chario-  in  germanischeu  Eigen- 
namen zur  Römerzeit  Chariomerus,  Chario - 
valda.  Urverwandt  mit  altpreuß.  karjis 
«Heer»,  kariawoytis  «Heerschau»,  lit.  karias 
m.  «Heer»,  käras  m.  «Krieg»,  abg.  kara  f. 
«Streit»,  altir.  aiire  «Heer,  Schar».  Dazu 
auch  gr.  Koipavoc  m.  «Heerführer,  Herrscher» 
aus  *korjanos,  das  Bugge  Btr.  21,  422  mit 
anord.  Herjann,  einem  oft  vorkommenden 
Namen  Odins  verglichen  hat.  Vgl.  Herberge, 
Herzog.  ABL.  heeren,  v.:  mit  einem  Heere 
d.  li.  mit  Krieg  überziehen,  dann  verwüsten, 
berauben,  ältemhd.  heren,  hergen,  jetzt  nur 
noch  in  verheeren,  aber  noch  fränk.  heren 
«übel  hausen»,  bayr.  hergen  «verwüsten», 
mhd.  heren,  hern,  aber  auch  herjen,  herigen, 
hergen,  ahd.  herjan  und  harjon,  herjon,  her- 
rdn\  dazu  ags.  herigan,  engl,  harry,  harroiv 
«plündern»,  anord.  herja  «Krieg  führen,  plün- 
dern, einen  Eaubzug  unternehmen»,  schwed. 
här  ja,  dän.  härje  «verheeren».  ZUS.  Heer- 
bann, m.:  Aufgebot  sich  zum  Ki'iegsheere 
zu  stellen,  mhd.  herhan,  ahd.  heriban  m. 
«Aufgebot  der  Freien  zur  Heeresfolge»,  im 
Mhd.  «die  Mannschaft  durch  Aufgebot»,  da- 
her altertümlich  bei  Schiller  Teil  2,  2  Heri- 
hann  m.  Heerbiene,  f.:  Eaubbiene,  1765 
bei  Overbeck  Bienenwörterb.  39,  zu  heeren 
(s.  d.).  Heerfahrt,  f.,  mhd.  hervart,  ahd. 
herifartt  Heerführer,  m.,  mhd.  herfuerer 
im  Voc.  opt.  23,  6.    Heergewäte,  Heer- 

gewette,  n.:  die  fahrende  Habe,  die  sich 
auf  Bewaffnung  und  Rüstung  des  Mannes 
bezieht  und  nur  auf  den  Mannsstamm  und 
Verwandte  männlicher  Seite  forter1)en  kann 
(vgl.  die  Gerade),  mhd.  hergewcete  n.,  eig. 
«Kriegsgewand,  Kriegsrüstung»  (ahd.  giwäti 
n.  ist  Kollektiv  von  wät  f.  «Kleidung»),  mnd. 
herwete,  herewede  und  hergeivede  n.,  1663  bei 
Schottel  483  Heergewette.  Heerhorn,  n., 
mhd.  here-,  herhorn,  ahd.  herihorn  n.  Heer- 
melster,  m.:  Vorgesetzter  eines  Gebietes 
bei  Ritterorden  und  Anführer  des  Ordens- 
heeres, 1734  bei  Steinbach.  Heerrauch,  s. 
Herauch.  Heerschar,  f.,  mhd.  herscJmr  f. 
Heerschau,    f.:    Besichtigung  eines  ausge- 


rückten Heeres  in  und  zu  Kriegstüchtigkeit, 
mhd.  herschouwe  f.  Heersteuer,  f.:  Kriegs- 
steuer, von  Kriegsdienst  befreiende  Lehn- 
gutssteuer,  mhd.  herstiure,  ahd.  heristiura  f. 
Heerstraße,  f.:  Landstraße,  1517  bei  Tro- 
chus  J4*  hehrstraß,  «via  regia»,  ahd.  heri- 
strä^a  f.  (md.  im  14.  Jh.  hersträge  f.  «Milch- 
straße am  Himmel»),  ags.  herestrcef  f.  Heer- 
wagen,  m.:  Rüst-,  Kriegswagen  bei  Feld- 
zügen, Sternbild  des  großen  Bäi-en,  mhd. 
herivagen  in  beiden  Bed.  Heerweg,  m.,  mhd. 
herivec  m.  Heerwurm,  m.:  wie  ein  Wurm 
(Schlange)  lang  dahinziehendes  Heer,  bei 
Goethe  7,  177:  in  dichten  Scharen  ziehende 
Raupenart,   1775  bei  Adelung. 

Heerling,  s.  Herling. 

Hefe,  f.  (PI.  -n):  durch  Gärung  ausge- 
schiedne  und  wieder  Gäning  erzeugende 
Sproßpilze;  bildl.  Auswurf,  Bodensatz  (im 
15.  Jh.  Städtechron.  3,  142,  21).  In  urspr. 
Bed.  bei  Luther  Hefen  f.,  aber  noch  im 
18.  Jh.  bei  Hagedoi-n  Od.  48,  Klopstock, 
Bürger  85,  Hölty  Kenner  145  Hefen  m., 
mhd.  hehe,  heve,  hefe,  hepfen  m.  und  f., 
spätahd.  hepho  m.,  woneben  mhd.  hevele, 
hefel  m,  und  hebel  n.,  ahd.  hevil,  hevilo  m. 
«Hefe»,  zu  ahd.  hefjan  «heben»  (s.  d.);  dazu 
ndl.  hef,  heffe  f.,  ags.  hcßfe  m.  Vgl.  Bärme. 
ABL.  hefig,  adj.,"l711  bei  Rädlein,  hefficht 
1678  bei  Krämer. 

Heft,  n.  (-es,  PI.  -e):  Handhabe  eines 
Schneide-, Stechwerkzeugs;  Spangennadel  zum 
Festhalten  (1517  bei  Tro"chusR2»  heffte,  1716 
bei  Ludwig  Heftm.);  geheftetes  Papier  (1740 
bei  Hagedorn  1,  57).  In  der  1.  Bed.  mhd. 
hefte,  ahd.  hefti  n.  «Messer-,  SchwertgriflF». 
heften,  v.,  mhd.  heften,  ahd.  heften  «fest- 
haltend (haß)  machen,  befestigen»;  dazu 
andfrk.  heftian,  ags.  hceftan  «heften»,  got. 
Imftjan  «sich  anhängen»,  eine  Ableitung  vom 
Adj.  ahd.  haft,  got.  hafts  (s.  -haft).  Heftel, 
m.  und  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Häkchen  am 
Kleide  zum  Festhaken,  mhd.  heftel,  haftet  n. 
neben  heftelin,  haftelin  n.  «Spange  zum  Zu- 
sammenhalten des  Kleides»,  Dim.  zu  mhd.- 
ahd.  haft  m.  «Band,  Halter»  (s.  ^Haft);  dazu 
Heftelmacher,  m.,  1568  bei  H.  Sachs  Be- 
schreib, aller  Stände  d  2.  Davon  heftein, 
V.,  1691  bei  Stieler  hefteten.  ZUS.  mit  heften: 
Heftpflaster,  n.,  1741  bei  Frisch.  Heft- 
zwecke,  f.,  junge  Bildung. 

heftig,  adj.:  sehr  streng,  ungestüm.  Mhd. 
heftec,  heftic,  auch  haftig,  häftig  «festbleibend, 
beharriicli,  mit  Beschlag  belegt»,  dann  «ernst, 


831 


Hege 


Heide 


832 


wichtig,  stark,  ungestüm»,  aus  spätahd.  heiftig, 
Adv.  heifteclichen  «ungestüm»,  mhd.  Adv. 
liaifdichen  (Kaiserchron.  188,  1  Diemer)  nebst 
dem  mhd.  und  spätahd.  Adj.  heifte  «unge- 
stüm» (noch  bayr.  halft),  gleichen  Stammes 
wie  got.  haifsts  m.  «Streit,  Zank»  (s.  Hast). 
Vgl.  noch  Uhlenbeck  Btr.  30,  286.  ABL. 
Heftigkeit,  f.,  1482  im  Voc.  theut.  o  1^ 
liefftigkeit. 

Hege,  f.  (PI.  -n):  Schutz;  durch  Verbot 
geschützte  Fläche.  Mhd.  hege,  ahd.  hegt  f. 
«abschließende,  schützende  Umzäunung,  ura- 
zäuntes  Buschwerk».  Von  hegen,  v.:  um- 
zäunen, durch  Umzäunung  schützen ;  in  seinem 
Schutze  halten,  anhaltend  bei  sich  bewahren 
(schon  mhd.).  In  der  1.  Bed.  mhd.  hegen, 
ahd.  heJcjan;  dazu  mnd.  hegen,  heien,  mndl. 
heghen,  afries.  heia,  ags.  hegian,  engl,  hedge, 
abgeleitet  von  Hag  (s.  d.)  eigentlich  «mit 
einem  Zaun  umgeben».  ZUS.  Hegereiter, 
m.:  berittener  Forstaufseher,  im  kursächs. 
Jagdmandat  vom  8.  April  1629  Hege-Beuter. 
Hegewiese,  f.:  Wiese  mit  Gartenrecht,  auf 
der  niemand  ohne  des  Eigentümers  Willen 
weiden  darf,  1731  bei  Zinck  ökon.  Lex.  Hege- 
"wisch,  m. :  zum  Zeichen  der  Hegung  ausge- 
steckter oder  ausgehangener  Strohwisch,  1775 
bei  Adelung  Hägeivisch.  Hegezeit,  f.: 
Schonzeit  des  Wildes,  1746  bei  Döbel  Jäger- 
Prakt.  3,  119^ 

Hegemonie,  f.  (PI.  -n):  Oberherrschaft, 
Aus  gleichbed.  gr.  rjYCMOvia  f.  im  19.  Jh. 

^  Heger,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Hüter 
eines  Geheges;  Art  kleiner  Lehnsleute.  In 
der  1.  Bed.  1470  md.  heger  m.  «Waldhüter» 
(Diefenbach  mlat.-hochd.-böhm.  Wbch.  173), 
in  der  2.  Bed.  1322  heghere  PI.  bei  Haltaus 
777.  ZUS.  Hegergut,  n.:  kleines  Lehns- 
gut, 1321  heger-,  heigersgüd  bei  Haltaus. 

-Heger,  s.  Hager. 

Hehl,  n.  und  m.,  in  kern  oder  keinen 
H  haben  (mit  Gen.)  und  kein  H  aus  etwas 
machen  (erst  im  19.  Jh.):  verheimlichen.  Bei 
Luther  kein  heel  haben,  mhd.  hode  haben  mit 
Gen.  oder  unpersönl.  mich  hat  hcele  mit  Gen., 
von  mhd.  hcde,  md.  hole,  hele  f.  «Verheim- 
lichung», während  Hehl  n.  (mhd.  sunder  hcel, 
md.  sunder  hei  «offenbar»)  das  substantivisch 
verwendete  Neutr.  des  Adj.  mhd.  hcele,  hcel, 
md.  hele,  hei  «verhehlend,  verhohlen,  ver- 
borgen» ist.  hehlen,  v.  (Prät.  hehlte):  tief 
verbergen  vor  jemand,  mit  stai-ker  Flexion 
mhd.  kein  (Präs.  Ml,  Prät.  hal,  Plur.  häle7i, 
Part,  geholn),    ahd.  helan,   asächs.   und  ags. 


helan,  afries.  heia,  nhd.  nur  noch  im  Part. 
verhohlen,  daneben  mit  schwacher  Biegung 
md.  heln  (in  entheln  «aus  der  Verborgenheit 
nehmen»  und  verheln  «verbergen  machen»), 
ahd.  hellan,  hellian,  asächs.  bihelian,  ags.  be- 
helian  «verbergen»,  nhd.  bei  Luther  Stieler, 
Rädlein  hälen,  1664  bei  Duez  hälen,  hählen 
und  heelen,  1663  bei  Schottel  hehlen.  Ur- 
verwandt mit  lat,  celäre  «verhehlen,  ver- 
bergen», das  dasselbe  lange  e  zeigt  wie  mhd. 
hcele  (s.  Hehl),  lat.  occulere  «verbergen,  be- 
decken», ir.  celim,  kymr.  celu  «verhehle». 
Die  Wurzel  zeigt  mannigfache  Ableitungen, 
vgl.  Hülle,  hüllen,  Hülse,  hohl.  Höhle,  Hölle, 
Helm,  doch  ist  die  Grundbedeutung  kaum 
die  von  «verbergen»,  sondern  die  von  «be- 
decken» gewesen.  Vgl.  noch  Walde  s.  v.  celäre. 
ABL.  Hehler,  m,,  mhd.  helcere,  heier  m. 

hehr,  adj.:  Ehrfurcht  gebietend,  feierlich 
stimmend.  Bei  Luther  hehr,  mhd.-ahd,  her 
«hoch  und  herrlich,  erhaben,  vornehm,  heilig», 
im  Mhd.  auch  «stolz,  hochmütig,  froh»,  asächs. 
mnd,  her  «vornehm,  zu  vei'ehrend»,  1690  von 
Bödiker  173  und  von  Adelung  1775  als  ver- 
altet bezeichnet,  Ende  des  18.  Jh.  neu  ein- 
geführt (1781  bei  Klopstock  2,  44  und  Voß 
Od.  12,  449);  dazu  ags.  här  «altersgrau»,  engl. 
hoar,  hoary  «grau»,  anord.  harr  «grauhaarig, 
grau».  Entsprechend  abg.  serü  «glaucus», 
russ.  seryj,  poln.  szary  «grau»,  nslow,  serec 
«Greis»,  Vgl,  noch  Uhlenbeck  Idg,  Forsch, 
17,  97,     Vgl.  Herr,  herrlich. 

hei!  Intevj,  der  Belebung,  Ermunterung, 
Freude,  Verwunderung.  Mhd,  hei,  hey,  heia, 
heiahö,  anord.  hei,  wie  lat.  heia,  eia,  gr,  eia, 
provenz,  hahi,  hai,  hay.  heida!  Interj.  des 
Lebensmutes,  auch  nachdrücklicher  Zuruf 
(Lessing  10,  239,  hey  da  Wieland  11,  229), 

1  Heide,  m,  {-n,  PI.  -n)-.  wer  nicht  Gott 
verehrt,  Md,  im  14,  Jh.  heide  m.,  gekürzt 
aus  mhd,  heiden  m.  «Sarazene,  Mohamme- 
daner», ahd,  heidan  m.  «Nichtchrist»,  noch 
älternhd.  Heiden  m.;  dazu  and.  hethino  m. 
«Heide»,  mnd,  und  ndl,  heiden,  afries,  hethin, 
hethen,  ags.  hceden  m.,  engl,  heathen,  das 
zum  Subst.  gewordene  Adj.  mhd,  heiden, 
ahd.  heidan,  asächs.  hethin,  ndl.  heiden,  afries. 
hethin,  hethen,  ags.  hceden,  anord.  heiäinn 
«heidnisch»,  urspr.  «ländlich»,  eine  Ableitung 
von  Heide  f.  (s.  d.  -)  und  Nachbildung  des 
christlich-lat.  pägänus  m.  «Heide»,  eig.  im 
Lat.  «Dorf-,'  Landbewohner»,  zuerst  jedoch 
Adj.  «dem  Dorf  angehörig,  ländlich»  (von 
\at.  pägus  m.  «Dorf,  Gau»),  dann  «heidnisch», 


833 


Heide 


Heil 


834 


nachdem  unter  Konstantin  d.  Gr.  und  seinen 
Nachfolgern  das  Christentum  römische  Staats- 
religion geworden  und  die  altväterliche  Götter- 
verehrung aus  den  Städten  auf  das  Land 
zurückgedi'ängt  worden  war.  Daher  zunächst 
got.  Jiaipnö  f.  «Heidin  ,  zu  got.  Jiaißi  f.  «un- 
bestelltes Feld»,  haipiwisks  «wild»,  und  wohl 
durch  den  Einfluß  des  Christentums  der  Goten 
auf  die  übrigen  Germanen  übertragen.  W. 
Schulze  dagegen  Sitz.-Ber.  d.  Berl.  Ak.  1905, 
726  ff.  hält  got.  haipnö  (spr.  Mp)  für  entlehnt 
aus  gr.  eSvoc,  dialektisch  e9voc  «Volk».  Dann 
kann  Heide  nicht  aus  dem  Gotischen  stammen. 
Aus  \dLi.pägänusm.  «Heide»  entlehnt  gleichbed. 
ital.-span.  pagano,  franz.  paien,  rumän.  pägän, 
abg.-russ.  poganü  m.  ABL.  Heidin,  f.  (PI. 
-nen),  mhd.  heideninne,  heidenm,  heidenin  f. 
heidnisch,  adj.,  mhd.  heidenisch  «saraze- 
nisch», ahd.  heidanisc  «nichtehristlich»,  mnd. 
Iieidensch..  Heidentum,  n.,  mhd.  Jieiden- 
tuom  m.,  ahd.  heidantuotn  m.  n.  «unchrist- 
liches Wesen»,  ags.  hädendöni  m. 

'Heide,  f.  (Pl.-w):  waldlose  wildgränende 
Ebene.  ^Ihd.  im  12.  Jh.  heide  f.  (ahd.  heida 
kommt  nur  als  Pflanzenname  vor,  s.  '^Heide) ; 
dazu  mnd.  hede,  heide,  ndl.  heide,  ags.  hcep 
f.,  engl,  heath,  anord.  heidr  f.,  schwed.  hed 
m..,  dän.  hede,  got.  haipi  f.  «unbestelltes 
Feld».  Urverwandt  mit  gall.  -cetum,  kymr. 
coit  «Wald»,  lat.  -cetum  in  hücetumn.  .; Kuh- 
trift». S.  Heide  ^  ZUS.  Heide(n)lerche, 
f. :  auf  der  Heide  und  deren  Bäumen  lebende 
Lerche,  1557  bei  Heußlin  Yogelb.  170^  Heid- 
lerch  f.  Heiderauch,  s.  Herauch.  Heid- 
SChnucke,  f.:  kleine  Art  Schaf,  bes.  in  der 
Lüneburger  Heide,  1775  bei  Adelung,  Heide- 
schnacke f.  1731  bei  Zinck  ökon.  Lex.  2134. 
S,  Schlucke. 

'^ Heide,  f.  (PI.  -n)-.  der  auf  Heiden 
wachsende  kleine  Strauch  erica,  Heidekraut. 
Mhd.  heide,  ahd.  heida  f.;  dazu  ndl.  heide, 
ags.  hcep  f.,  eins  mit  dem  vorhergeh.  Worte 
(s.  '^ Heide),  dessen  Bed,  auf  die  im  Heide- 
land hauptsächlich  wachsende  Pflanze  über- 
tragen ist.  ZUS.  Heidekraut,  n.,  spätmhd. 
heidekrüt. 

Heidekorn,  n.  [s,  PI.  -e):  der  Buch- 
weizen (s.  d.).  1604  bei  Colerus  3,  130  Heide- 
korn, 1409  heidenkorn  n.  bei  Mone  Ztschr.  3, 
408,  dafür  1449  heiden  m.  (Städtechron.  2, 
319,  27),  1530  bei  Peypus  Heydel  (Diefenb. 
gl.  409 b),  1517  bei  Trochus  K  5»  hädelkorn, 
noch  süddeutsch  Heiden  und  Heidel  m.,  weil 
die  Pflanze  und  ihre  Fx-ucht  aus  heidnischen, 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


mohammedanischen  Ländern  (Griechenland 
und  Asien)  nach  Deutschland  kam,  s.  ^Heide. 
Damit  stimmen  überein  die  gleichbed.  Be- 
nennungen: Tater-  oder  Tatelkorn  n.,  d.  h. 
von  den  Tataren  bezognes  Korn,  böhm.- 
poln.  und  Ungar,  tatarka  f.:  in  Preußen  und 
den  nissischen  Ostseeprovinzen  Gricken  m. 
und  Grick  f.,  1785  bei  Hennig  preuß.  Wb. 
Ch'ücken,  aus  lit.  grikas  m.,  poln.  gryka  f.,  eig. 
«griechisches  Kom»;  böhm.-poln.  pohanka  f., 
von  pohan,  polmniec  m.  «der  Heide»:  franz. 
hie  sarrasin  m.,  früher  Med  turchique. 

Heidelbeere,  f.  (PI.  -n):  die  schwarz- 
blaue Beere  des  Vaccinium  myrtillus.  Mhd. 
heit-,  heidelber  n.  f.,  ahd.  heitperi  n.,  d.  i. 
«die  auf  der  Heide  wachsende  Beere». 

Heidelerche,  Heidschnucke,  s.  -Heide. 

heidi!  Ausruf  der  Lust;  aber  auch  «auf 
und  davon,  im  Umsehen  verloren»,  1782  bei 
G.  Müller  Si  egf r.  v.  Lindenberg  4, 204  heidi  gehn. 

Heiduck,  m.  {-en,  V\.-en):  großer  Diener 
in  ungarischer  Tracht  (im  18.  Jh.  vom  Wiener 
Hof  aus,  1703  im  Zt.  Lex.,  1757  bei  Eabener 
Sat.  4,  41),  urspr.  in  Ungarn  heimischer  Volks- 
stamm, der  in  seiner  Nationaltracht  seit  dem 
16.  Jh.  am  ungarischen  und  polnischen  Königs- 
hofe Kriegsdienste  leistete  (Kiechel  Reisen  100 
Heuduck,  Fischart  Großm.  72  Heyduck).  Eben- 
sowohl vom  wie  hinten  betont.  Von  hajdük, 
dem  Plur.  des  ungar.  hajdu  «Infanterist», 
später  «Gerichtsfron,  Trabant». 

heikel,  adj.:  ekel,  an  Geschmack  schwer 
zu  befriedigend,  kleinlich  wählerisch;  mit 
Sorgfalt,  Zärtlichkeit,  Schwierigkeit  zu  be- 
handeln,  bedenklich.  Ln  16.  Jh.  bei  Jobs. 
Nas  Wamungsengel  102  heikel  «empfindlich, 
kleinlich  besorgt»,  1618  bei  Schönsleder  ÄazcfceZ, 
1663  bei  Schuppius  768  haiggel,  bei  Grimmeis- 
hausen 2,  239,  14  Kell,  hechel,  Var.  Mckel, 
1691  bei  Stieler  hekel,  schlesisch  1652  bei 
Scherffer  Ged.  19  u,  622  hakel.  Oberdeutsch, 
dafür  niederd.  ekel  (vgl.  1616  bei  Henisch 
Eickel  m.  füi-  Ekel).  Es  ist  unmöglich,  über 
das  gegenseitige  Verhältnis  von  heikel  und 
ekel  ins  Klare  zu  kommen.  Davon  gleichbed. 
heiklig,  adj.,  1670  bei  Abele  künstl.  Un- 
ordn.   1,  283. 

Heil,  n.  (-S,  ohne  PI.),  mhd.  heil  n.  «Ge- 
sundheit, Glück»,  (verhüllend  auch)  «Unglück», 
dann  im  Md.  «Beistand,  Hilfe»,  ahd,  heil  n. 
«Glück»;  dazu  and.  hei  «Vorbedeutung»,  ags. 
höil  n.  «Gesundheit,  Glück,  günstiges  Vor- 
zeichen», anord.  heill  n.  «Vorzeichen,  bes. 
glückverheißendes»,   heill  f.   «Glück,   Heil». 

53 


835 


heil 


Heim 


836 


heil,  adj. :  unbeschädigt,  unverletzt,  von  Ver- 
letzung wiederhergestellt,  mhd.  und  ahd.  heil 
«gesiAid,  unverletzt,  gerettet»;  dazu  asächs., 
mnd,  und  afries.  hei,  nndl.  heel,  ags.  häl, 
engl,  ivhole  und  aus  dem  Altnord,  entlehnt ! 
hau,  hole,  anord.  heill,  schwed.-dän.  hei  «un- 
schadhaft, ganz»,  got.  hails  «gesund,  der  Ge- 
sundheit dienlich».  Als  Grußformel  in  alt- , 
germanischer  Zeit  der  Nom.  des  Adj.:  got. 
hails!  ags.  wes  hol!  Urverwandt  mit  abg. '' 
celü  «ganz,  heil»,  altpr enßi.kailüstikan  (Akk.)  j 
.«Gesundheit»,  altir.  cel,  kymr.  coil  «Vorbe- 
deutung», gr.  KoTXu  ■  TÖ  KaXöv  bei  Hesych. 
Vgl.  Zupitza  105,  Walde  s.  v.  caelehs.  ABL. 
■^heilen,  v. :  heil  werden,  mhd.  heilen,  ahd. 
heilen,  ^heilen,  v. :  heil  machen,  mhd.  heilen, 
ahd.  heilen  (auch  erretten) ;  dazu  asächs.  helian, 
afries.  heia,  ags.  hcelan,  engl,  heal,  anord. 
heila,  got.  hailjan.  Heiland,  m.  (s,  PI.  -e) : 
Erretter  des  Volkes,  Erlöser  der  Menschen, 
das  kirchlich  in  der  vollen  alten  Form  als 
Subst.  bewahrte  Partiz.  Präs.  von  heilen  ^, 
mhd.  und  ahd.  heilant,  heiland,  asächs.  he- 
liand,  ags.  hcelend  m.  heilig,  adj.:  gött- 
liches Heil  bringend,  sittlich  und  geistlich 
rein,  dann  ausschließlich  gottgeweiht,  mhd. 
heilec,  ahd.  heilac,  heilig,  asächs.  helag,  mnd. 
hillich,  afries.  helich,  Mich,  Mich,  ags.  hälig, 
engl,  holy,  anord.  heilagr,  got.  auf  einer 
Kuneninschrift  hailag  (dafür  bei  ülfilas  weihs, 
s.  weihen);  substantivisch  der  Heilige,  mhd. 
heilige,  ahd,  heilago  m.  (damit  zgs.  Heiligen- 
schein, m.,  bei  Kl.  Schmidt  und  Campe  1808); 
dazu  Heiligkeit,  f.,  mhd.  heilecheit,  heile- 
keit,  ahd.  heiligheit,  afries.  heliched  f.;  Titel 
des  Papstes,  heiligen,  v.,  mhd.  heiligen, 
ahd.  heilagon,  asächs.  helagon,  ags.  hälgian; 
Heiligung,  f.,  mhd.  heiligunge,  ahd.  heili- 
gunga,  ags.  hälgung  f.;  Heiligtum,  n.,  mhd. 
heilec-,  heilictuom  n.  (auch  Reliquie,  iusbes. 
die  Reichsinsignien  und  Reichsheiligtümer), 
ahd.  heiligtuom  n.  ZUS.  1)  mit  dem  Adj. 
heil  in  der  Bed.  «vollständig,  ganz»:  heilfroh, 
adj.:  ganz  und  gar  froh,  in  Mitteldeutsch- 
land, bei  Thümmel  Reise  6,  72.  —  2)  mit  Heil: 
heilbar,  adj.,  mhd. /ie^7fe^^e  «Glückbringend»; 
im  Nhd.  «zu  heilend»  als  Zusammensetzung 
mit  heilen,  1734  bei  Steinbach,  heillos, 
adj.,  im  16.  Jh.  ohne  körperliche  Gesundheit, 
ohne  Wohlfahrt,  arm,  elend,  dann  in  mora- 
lischem Sinne  böse,  abscheulich  (bei  Luther 
und  1507  bei  Wilwolt  67).  heilsam,  adj., 
mhd.  heilsam  «Heil  bringend»,  ahd.  heilesam, 
Adv. heilsarno,  and.  helsamo  «auspicato».  Heil- 


tum,  n.:  heilkräftige  Reliquie  (Tieck  Nov.  10, 
291),  mhd.  heiltuom  n.,  veraltet.  —  3)  mit 
heilen:  Heilbrunnen,  m.:  Gesundbrunnen, 
bei  Luther.  Heilkunde,  f.,  1796  bei  Adelung. 

Heilbutt,  m.  (-S,  PI.  Heilbutte)  auch 
Heilbutte,  f.  (PI.  -n):  der  große  norwegische 
Plattfisch  Pleuronectes  hippoglossus,  1795  bei 
Nemnich  Heilbutt,  Heiligebutt,  Hille-,  Hillig- 
butt  m.,  anord.  heilagr  fiskr,  dän.  hellebut, 
helleflyndre,  schweä.helge-,  hälleflundra,  isländ. 
heilagfisk,  ndl.  heilbot,  helbut,  halibut,  Jwlibut. 
Eigentlich  also  «der  heilige  Butt»,  vgl.  PK- 
nius  bist.  nat.  9,  47. 

Heim,  n.  (-s,  PI.  -e):  eignes  Haus  und 
Hauswesen.  Mhd.  imd  ahd.  heim  n.  «Haus, 
Wohnort»,  im  16.  Jh.  veraltet,  am  Ende  des 
18.  Jh.  unter  Einfluß  des  engl,  home  erneuert 
(Fr.  L.  V.  Stolberg  2,  228);  asächs.  hem  n. 
«Haus»,  mnd.  heime  f.,  heim  n.  «Heimat», 
afries.  häm,  hem  m.  f.  «Haus,  Dorf»,  ags. 
häm  m.  «Haus,  Wohnort»,  engl,  home,  anord. 
heimr  m.  «Haus,  Wohnung,  Welt»,  got.  haims 
f.  «Dorf,  Flecken».  In  Ortsnamen  -heim, 
mhd.-ahd.  -heim,  engl.  -ham.  Urverwandt 
mit  gr.  Kuu|uri  «Dorf»,  apreuß.  seimlns,  Ut. 
seimtna  f.,  lett.  sa'ime  f.  «Gesinde»,  abg. 
seminü  m.  «mancipium»,  seml  f.  «persona» 
(dagegen  sind  apreuß.  caymis  «Dorf»,  lit. 
kienias  «Bauernhof»,  [kaimtnas  «Nachbar»] 
wohl  aus  dem  Germanischen  entlehnt),  air. 
cöim  «Heb,  wertvoll».  Vgl.  Zupitza  49.  Viel- 
leicht ist  auch  der  unter  Heirat  besprochene 
Stamm  verwandt,  heim,  adv.:  nach  Hause, 
mhd.-ahd.  heim,  der  Akk.  Sg.  von  Heim, 
entsprechend  ags.  häm,  engl,  home,  anord. 
heim;  dagegen  der  Dat.  Sg.  von  Heim  ad- 
verbialisch mhd.-ahd.  heime  «zu  Hause»,  noch 
in  Mitteldeutschland  heme  (s.  daheim),  anord. 
heima.  ABL.  Heimat,  f.  (ohne  PI.),  mhd. 
heimote,  heimöde,  heimöt,  heimuote,  heimuot 
f.  n.,  im  15.  Jh.  auch  heimät,  ahd.  heimuoti, 
heimoti  n.,  mnd.  hemode,  heimode  n.  f.  «Vater- 
haus, Vaterland»,  mit  der  gleichen  Ableitungs- 
silbe wie  Armut,  Einöde;  dagegen  mit  andrer 
Zusammensetzung  got.  haimöpli  n.  «heimat- 
liches Gut,  Erbgut»,  ahd.  heimödil  n.  «Hei- 
mat»; dazu  heimatlich  und  heimatlos, 
adj.,  bei  Schiller  (Campe  1808).  Heime,  f. 
(PI.  -n),  gewöhnlich  im  Dim.    Heimchen, 

j  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  die  Hausgrille,  mhd, 
1  heime  m.,  ahd.  heimo  m.,  ags.  häma  m.,  ahd, 
'  auch  müchheimo  m.,  mhd.  mücheime  m.,  noch 
I  Schweiz.  Muchheim  f.  und  Heimuch  m.  (Maaler 
I  1561,    ahd.  heimamuch   «gi-illus»),    entweder 


837 


Heim 


heint 


838 


zu  ahd.  mühhan  «heimlich  lauernd  anfallen» 
(s.  meucheln),  eig.  das  im  Versteck  lauernde 
Heimchen,  oder  besser  zu  got.  müka-  «sanft, 
freundlich»  (in  mükamödei  f.  «Sanftmut»);  im 
Dim,  Heymchin  1540  bei  Alberus  dict.  Cc  3, 
clev.  1477  heymken  n.,  dafür  mhd.  heimeltn  n., 
ahd.  heimili  n.  heimeln,  v.:  heimatliche, 
vertraute  Gefühle  erregen,  schweizerisch  (bei 
Salis),  vgl.  anheimeln,  heimisch,  adj.,  mhd. 
heimisch,  ahd.  heimisc  «zum  Hause  gehörig». 
heimlich,  adj.,  mhd.  heime-,  heim-,  heinlich, 
ahd.  heimüich  «zum  Hause  gehörig,  nicht 
fremd,  vertraut»,  dann  «fremden  Augen  ent- 
zogen, verborgen  vor  andern»  (auch  in  das 
heimliche  Gemach,  1482  im  Yoc.  theut.  o2* 
heymlich  gemache) ;  Heimlichkeit,  f.,  mhd. 
heime-,  heimlicheit  f.  heimseil,  v.  in  eiii- 
heimsen  (s.  d.),  mhd.  heimsen  «heimbringen, 
an  sich  nehmen»,  ZUS.  Heimhürge,  m.: 
Üntervorsteher  der  Gemeinde,  mhd.  heim- 
hürge, ahd.  heimhurgo  m.:  in  Obersachsen 
«Leichenbestatter»  (Dresdner  Leichenordn. 
von  1686),  dazu  Heimbürgin  f.  «Leichenfrau» 
(kursächs.  Reskript  von  1773).  Heimfall, 
m.,  1691  bei  Stieler;  heimfallen,  v.,  bei 
Luther  und  1540  bei  Albenas  dict.  x  2^. 
Heimgart(pn,  m.:  trauliche  Zusammenkunft 
außei'halb  des  eignen  Hauses,  Besuch,  auf 
alemann.-bajr.-österreichisch.  Gebiete,  schon 
mhd.  heim-,  heingarte  m.,  auch  in  urspr. 
Bed.  «eingefriedigter  Garten».  Heimkehr, 
f.,  bei  Klinger  6,  20  und  Schiller  6,  351. 
heimleuchten,  v.:  die  Gäste  abends  mit 
Fackeln  oder  sonstigen  Leuchten  nach  Hause 
geleiten,  dann  fortprügeln,  beides  1775  bei 
Adelung;  tadelnd  zurechtweisen  (Reiskens 
Lebensbeschr.  117).  heimsuchen,  v.,  mhd. 
(schon  im  12.  Jh.)  heime  suochen  «besuchen, 
feindlich  anfallen»,  urspr.  «zu  Hause,  in  seinem 
Hause  aufsuchen»;  Heimsuchung,  f.:  «Be- 
such des  strafenden  Gottes,  bei  Luther,  mhd. 
heimsuochunge  f. «  Hausfriedensbruch  ».  Hei m- 
tücke,  f.:  heimliche  Hinterlist,  bei  Klop- 
stock  12,  42,  fafür  bei  H.  Sachs  haimliche 
Duck,  hemische  Duck;  heimtückisch,  adj., 
1575  bei  Fischart  Garg.  91  heimdückisch,  248 
heimduckisch.  heimwärts,  adv..  1535  im 
Aimon  c  heimwerts ,  mhd.  heimtvart,  -wert, 
ahd.  heimtvartes,  heimortes  und  heimort. 
Heimweh,  n.:  krankhafte  Sehnsucht  nach 
der  Heimat,  ein  urspr.  schweizensches  Wort, 
1678  in  des  Basler  Arztes  Job.  Jakob  Härder 
Dissertatio  medica  de  vocTaX.Yia  oder  Heim- 
wehe oder  Heimsucht,    1705  in  Scheuchzers 


Seltsamer  Naturgeschichten  des  Schweizer- 
landes wöchentliche  Erzehlung  Nr.  15,  S.  57 
Heimwehe  n.,  danach  bei  Steinbach  1734  Heim- 
weh n.,  femer  um  1715  auch  Heimwehe  f. 
bei  Callenbach  Wurmland  53.  Vgl.  Kluge 
ZfdW.  2,  234.  Heimwesen,  n.,  mhd.  heim- 
wesen  n.  «Hauswesen». 

Hein  in  Freund  Hein:  der  Tod,  nach 
alter  Ansicht  als  wohlwollendes  freundliches 
Wesen  aufgefaßt.  Erst  1774  von  Claudius 
mit  der  Schreibung  Hain  eingeführt  und 
schnell  geläufig  geworden,  1778  bei  Lessing 
12,  505  Freund  Hein,  als  vriend  Hein  selbst 
ins  Neuniederl.  eingedrungen.  Hein  ist  nd. 
Koseform  von  Heinrich  und  wie  engl,  old 
Harry,  the  Lord  Harry  Name  des  Teufels, 
der  auch  spätmhd.  Heyn  heißt,  1570  bei 
Agricola  Sprichw.  321^  Henn  «der  Teuffei»; 
ebenso  sind  Heinrich  und  Heinz  Kobold- 
namen, volkstümliche  Umschreibungen  für 
gefürchtete  Wesen. 

Heinrich,Mannsname.  Mhd. Hein-,  Heim- 
rieh,  ahd.  Heimirich,  Heim-,  Heinrih,  zgs. 
aus  ahd.  heim  n.  «Haus»  (s.  Heim)  und  rih 
(s.  -rieh).  Sanfter  Heinrich  im  Osterland 
ein  gutmütiger,  sich  viel  gefallen  lassender 
Mensch,  dann  ein  langsamer  Walzer,  auf 
einem  Tanzliede  beruhend:  in  Berlin  dagegen 
eine  Art  gemischten  Branntweins  (Germania 
5,  384).  Die  Pflanzennamen :  höser  Heinrich 
(Orobanche  major,  Sommerwurz,  1541  bei 
Gesner  Catalogus  plantanim),  großer  Heinrich 
(Inula  helenium,  Alantwurz,  bei  Nemnich  1794), 
jM^er  JEfmncA(Chenopodium  bonus  Henricus), 
der  gemeine  Gänsefuß,  1530  bei  Brunfels  und 
Bock),  stolzer  Heinrich  (dieselbe  Pflanze,  bei 
Bock),  gehen,  wie  es  scheint,  auf  die  Vor- 
stellung von  Eiben  und  Kobolden,  denen  man 
den  Namen  Heinrich  oder  Heinz  beilegte  und 
die  Heilkraft  jener  Kräuter  zuschrieb  (s.  Hein). 

heint,  adv.:  diese  (vorhergegangene  oder 
nächstkommende)  Nacht.  Mhd.  hint,  hinat, 
hinet  und  (vielleicht  eine  Analogiebildung  nach 
heute)  hinte  (noch  obersächs.  hinte),  unver- 
kürzt Mwa/i^,  hineht,  im  15.  Jh.  heinacht,  heint, 
ahd.  hinaht,  entstanden  aus  einem  Kasus  eines 
alten  Demonstrativpronomens,  dessen  Reste  in 
got.  himma  daga  «an  diesem  Tage»,  und  hitia 
dag  «bis  auf  diesen  Tag»,  uyid  hita  nu  «bis 
jetzt»  (Akk.  Sg.  Neutr.)  erhalten  sind.  Die 
Etymologie  dieses  Stammes  ist  nicht  ganz 
klar.  Einerseits  stimmt  hi-,  ho-  zu  lit.  sis, 
abg.  sl,  arm.  -s  «dieser»,  alb.  si-vjet  «in 
diesem   Jahr»,    gr.  crmepov   aus    *kjämeron 

53* 


839 


Heinz 


heiser 


840 


«heute»,  anderseits  in  der  Bedeutung  vor- 
trefflich zu  lat.  hie,  vgl.  heute  und  hodie. 
Das  Lat.  und  Germ,  könnte  man  aber  nur 
unter  dem  Ansatz  von  kh  vereinigen,  vgl. 
haben,  Hamen.  Die  Schwierigkeiten  sind 
noch  nicht  gelöst.  Vgl.  Bi-ugmann  Abh.  K. 
Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  22,  Nr.  6,  S.  69  ff.  Im 
Deutschen  zeigen  den  Stamm  h  noch  heuer, 
heute,  hier  (s.  d.)  und  vergleiche  her,  hin, 
hinnen.  Aus  Vermischung  mit  heute  ent- 
stand die  Form  heunt  (bei  Maler  Müller, 
1691  bei  Stieler  und  schon  1388  heunt  Nürnb. 
Chron.  1,  156,  14). 

Heinz,  kürzender  Kosename  für  Heinrich 
(s.  d.).  Mhd.  Heinze.  Als  Name  des  ge- 
schäftigen Hauskobolds  alsdann  auf  Geräte 
angewendet,  wie  die  Wasserhebemaschine  im 
älteren  Bergbau  (1562  bei  Mathesius  Sar.  207* 
Heintz).  Auch  auf  Tiere  übertragen,  z.  B. 
als  Name  des  Zugochsen  (Frisch  1741),  des 
Katers  (1595  bei  Rollenhagen  Froschm.  Heinz 
der  Waldkater,  s.  Hinz),  der  wilden  Wald- 
bienen [Waldheinzen  1765  bei  Overbeck 
Bienenwbch.).  Zgs.  mit  dem  Dim.  Heinzel 
m.  (oberd.  Name  des  jungen  Pferds  oder 
Stierkalbs,  älternhd.  Spielpuppe,  Marionette) 
Heinzelmäunclien,  n.:  Kobold,  Hausgeist, 
1540  bei  Alberus  dict.  BB3^  Heintzelmann, 
Heintzelmenchen,  bei  Luther  Heinzlein,  1646 
bei  Philander  5,  328  Hanselmännerlein  PI. 

Heirat,  f.  (PI.  -en):  Eingehung  der  Ehe. 
Bei  Luther  Heyrat  f.  und  meist  m.,  mhd.- 
ahd.  Mrät  m.  und  f.,  urspr.  «Zurüstung  des 
Hausstandes»,  noch  bayr.  Heirat  m.  «Ehe- 
vertrag», wetterauisch  Heurat  m.  «Bräuti- 
gam in  Beziehung  auf  die  Braut»;  durch 
Anknüpfung  an  heuern  (s.  d.)  «mieten»  vom 
16.  bis  18.  Jh.  die  Schreibung  Heurat  (1535 
im  Aimon  J  4  Heurath  m.).  Zgs.  mit  ahd.- 
mhd.  rät  m.  «Beratung,  Verhandlung,  Zu- 
rüstung» (s.  Bat)  und  einem  Wortstamm, 
der  vorliegt  in  got.  heiwafrauja  m.  «Haus- 
herr», ahd.  hiwo  m.  «Gatte,  Hausgenosse», 
hiwa  f.  «Gattin»,  Mun  PI.  «beide  Gatten, 
beide  Dienstboten»,  Mwiskin.  «Famüie,  Haus- 
gesinde, Haushaltung»,  huvan  «heiraten»,  ags. 
hiwan  PI.  «Hausgesinde»,  hlreä,  Mrd  m.  und 
Mwrceden  f.  «Familie,  Haushalt»,  hlwisc  n. 
«Familie»,  hlwian  «heiraten»,  anord.  hjü, 
hjün  PI.  «Mann  und  Frau,  Ehepaar,  Dienst- 
boten», hyski  n.  «Hausgenossen,  Familie», 
hyhyli  PI.  «Hauswesen,  Haus,  Inbegriff  der 
Hausleute»,  urverwandt  mit  lat.  clvis  m. 
«Bürger»,  ir.  cm  «Mann»,  lett.  seivai.  «Weib», 


aind.  f^vas  «lieb,  wert»,  ctws« günstig,  gütig, 
heilsam».  Zu  dem  Stamm  des  Wortes  ge- 
hört auch  wohl  Heim  (s.  d.).  Weitere  Ver- 
gleiche bei  Walde  s.  v.  clvis.  ABL.  hei- 
raten, V.,  mhd.  Mräten,  wodurch  das  gleich- 
bed.  mhd.  Miven,  hten  verdrängt  wui'de.  Im 
16. — 18.  Jh.  die  Schreibung  heuraten,  woraus 
verkürzt  schwäb.  heuern  «heiraten»  (ßchuha,rt 
2,  254),  schon  1523  bei  Luther  1.  Mos.  38,  8 
sich  verheiren. 

heisa!  Interj.  der  Lustigkeit.  1668  bei 
Schuster  bestrafte  Verleumdung  56  heissa, 
aus  hei  (s.  d.)  und  sa\  (s.  d.),  noch  bei  Wie- 
land 11,  214  hey  sal 

heisch,  s.  heiser. 

heischen,  V.:  abfragen,  um  etw.  anliegen; 
dringend  fordern.  Mhd.  heischen,  ahd.  (selten) 
heiskon  mit  Anlehnung  an  heißen  (s,  d.)  aus 
mhd.  eischen,  ahd.  eiscön  «forschen,  fragen, 
fordern»  (wovon  ahd.  eisca  f.  «Frage»);  da- 
zu asächs.  escon,  nndl.  eischen,  afries.  äskia, 
ags.äscian,  äxian,  enghask,  (entlehnt)  schwed. 
äska,  dän.  äske.  Urverwandt  mit  lit.  jieskoti, 
abg.  iskati  «suchen»,  armen,  aif  «Unter- 
suchung», aind.  icchäti  «er  sucht»,  die  mit 
einem  Suffix  -sko  von  einem  Stamme  abge- 
leitet sind,  der  noch  in  aind.  esäs  m.  «Wunsch, 
Wahl»,  lat.  aeruscäre  «bitten»  voi'liegt.  Nach 
Analogie  von  heißen  bildete  sich  im  Mhd. 
und.  Älternhd.  starke  Flexion:  Prät.  iesch 
und  hiesch,  Part,  geeischen  und  geheischen 
(noch  bei  Goethe  8,  152  geheischen).  ZUS. 
Heischesatz,  m.:  aus  einem  Satze  hervor- 
gehender, ohne  Beweis  zuzugebender  Satz, 
Postulat,  1716  bei  Christian  Wolff  Mathemat. 
Lex.  1086. 

heiser,  adj.:  rauhen,  unreinen  Klanges. 
Mhd.  heiser  (auch  unvollkommen,  schwach, 
Mangel  habend),  im  12.  Jh.  heisir,  mittels 
der  Ableitungssilbe  -er,  ahd.  -ar  (vgl.  hitter, 
hager,  mager)  aus  gleichbed.  mhd.  heis,  heise, 
ahd.  heis,  heisi;  dazu  nd.  im  15.  Jh.  hes, 
ags.  häs,  mit  r  mittelengl.  hörse  neben  höse, 
engl,  hoarse,  mndl.  heersch  neben  heesch.  Mit 
Übergang  des  s  in  seh  md.  1340  heish 
(Fundgr.  1,  376^),  aus  dem  Md.  bei  Luther 
und  Geliert  1,  70  heisch,  mnd.  hesch,  heisch, 
nndl.  heesch,  und  demgemäß  im  16.  bis  ins 
19.  Jh.  heischer  (1588  bei  Tabernämontanus, 
noch  Lessing  1,  131,  Uhland  und  Rückert). 
Die  verschiednen  Formen  erfordern  eine 
Grundform  *hairsa-,  vielleicht  dui'ch  Um- 
stellung aus  *haisi'a-,  für  das  aber  etymo- 
logische Anknüpfung  fehlt.    ABL.  Heiser- 


841 


heiß 


Hekatombe 


842 


keit,  f.,  md.  im  14.  Jh.  haiserhait,  im  15.  Jh. 
haysercJiait,  -keit  (Diefenb.  gl.  485*^). 

heiß,  adj.:  empfindlich  oder  brennend 
warm.  Mhd.  und  ahd.  heig:  dazu  asächs.- 
mnd.-afi'ies.  het,  mnd.  auch  hot,  nndl.  heet, 
ags.  hat,  engl,  hot,  anord.  heitr,  schwed.  het, 
dän.  hed,  im  Adv.  mhd.  heige,  ahd.  heigo, 
asächs.  heto,  ags.  häte.  Gleichen  Stammes 
wie  Hitze  (s.  d.),  got.  heitö  f.  «Fieber».  Ge- 
wöhnlich vergleicht  man  lit.  kaiträ  f.  «Feuer- 
glut», kaitrüs  «Hitze  gebend»,  kaltinti  «er- 
hitzen», doch  stimmt  der  auslautende  Dental 
nicht  (vgl.  Zupitza  112),  und  die  Worte  könnten 
aus  dem  Genn.  heiter  entlehnt  sein.  Viel- 
leicht zu  aind.  cvindate  «glänzt,  leuchtet», 
lit.  svidüs  «blank,  glänzend»,  d.  iveiß,  got. 
heits  mit  idg.  Schwund  des  w.  ZUS.  Heiß- 
hunger, m.:  brennender,  unwiderstehlicher 
Hunger,  bei  Krämer  1678;  davon  heiß- 
hungrig, adj.,  bei  Opitz  (1629)  1,  128. 
Heißsporn,  m.:  stürmischer  Hitzkopf  zur 
Tat,  eingeführt  durch  Schlegel  Shakesp.  Hein- 
rich IV.  1.  Teil,  nach  engl,  hotsjpur. 

^heißen,  V.  (Prät.  hieß,  Konj.  hieße,  Part. 
geheißen):  ausdrücklich  wozu  antreiben  (mit 
Akk.,  derpativ  erst  im  18.  Jh.);  einen  Namen 
geben  oder  führen.  In  beiden  Bed.  mhd. 
heilen,  ahd.  hei§an  (Prät.  hia§,  hieg,  Part. 
hei^aii) ;  dazu  asächs.  hetan,  nndl.  heten,  afries. 
heta,  ags.  hätan,  anord.  heita,  schwed.  hetta, 
dän.  hede,  got.  haitan  (Prät.  haihait)  «nennen, 
rufen,  einladen,  befehlen»  und  im  Pass.  Jiai- 
tada  «ich  werde  genannt,  heiße»,  wie  ags. 
hätte  Präs.  und  Prät.  «ich  heiße,  ich  hieß». 
Im  Prät.  ndrhein.-md.  im  12.  Jh.  hei§,  wie 
noch  heute  wetterauisch  heiß]  die  ahd.  ein- 
fache Form  des  Part.  Prät.  hei^an,  mhd. 
heilen,  klingt  noch  in  Verbindung  mit  dem 
Hilfszeitwort  haben  durch,  z.  B.  er  hat  ihn 
gehen  heißen.  Ein  in  Form  und  Bedeutung 
genau  entsprechendes  Wort  liegt  in  den  ver- 
wandten Sprachen  nicht  vor.  Je  nachdem, 
was  man  als  ursprüngliche  Grundbedeutung 
ansetzt,  kann  man  vergleichen:  abg.  cediti 
«seihen»,  lit.  skiesti  «scheiden»,  gr.  cxi^eiv 
«spalten»,  also  urspr.  «unterscheiden»,  oder 
lat.  caedere  «hauen»,  Grdb.  «mit  einer  Marke 
versehen».  Beides  unsicher.  Vgl.  Uhlenbeck 
Btr.  30,  287. 

"heißen,  s.  hissen. 

Heister,  m.  (-.§,  PI. -n):  junges,  stabartig 
emporgeschossenes  Buchenstämmchen.  1663 
bei  Schotte!,  1775  bei  Adelung  als  nieder- 
sächsisch, auch  noch  in  Hessen  gebräuchlich. 


Mhd.  (fi-änk.-hess.)  heister  m.  «junger  Buchen- 
stamm»: dazu  mnd.  heister,  hester  «junger 
Baum»,  bes.  von  Eichen  und  Buchen,  ndl. 
heester  m.,  woraus  entlehnt  franz.  hetre,  fiiiher 
hestre  m.  «Buche»,  fries.  hestei'.  Mittels  der 
Ableitungssilbe  ahd.  -tar  (s.  Holunder,  Wach- 
holder) aus  einem  Wortstamm,  der  noch  in 
andd.  Hesiioald,  dem  Namen  des  Höhenzugs 
an  der  Euhi-,  mlat.  silva  Caesia,  vorliegt. 
Vgl.  noch  Hellquist  Ark.  17,  66. 

-heit,  Ableitungssilbe,  die  Art  und  Weise, 
den  Zustand,  das  Wesen,  die  Gesamtheit  be- 
zeichnend. Mhd.-ahd.  -heit,  ags.  häd,  engl. 
-hood  und  -head;  dagegen  als  selbständiges 
Wort  mhd.  heitt  «Art  und  Weise,  BeschaflPen- 
heit,  Stand»,  ahd.  heit  m.  f.  «Art,  Geschlecht, 
Stand,  Person»,  noch  wetterauisch  ledige)'  Heit 
«im  ledigen  Stande»;  dazu  asächs.  hed  m. 
«Stand,  Würde»,  ags.  häd  m.«  Art,  Geschlecht, 
Person,  Inbegriff  von  Personen»,  anord.  heidr 
m.  «Ehre,  Würde»,  got.  haidus  m.  «Art, 
Weise».  Gleichen  Stammes  wie  heiter  (s.  d.), 
anord.  heid  n.  «wolkenloser  Himmel»,  genau 
entsprechend  aind.  Ä;e#r/sm.  «Lichterscheinung, 
Helle,  Bild,  Erkennungszeichen»,  dazu  aind. 
cetati  «nimmt  wahr».     Vgl.  -keit. 

heiter,  adj.:  rein  an  Licht,  hell,  klar; 
angenehm  stimmend  und  gestimmt  (1741  bei 
Frisch,  doch  schon  1510  bei  Keisersberg  Sieben 
Schänden  h  6^  «ruhig,  von  Leidenschaft  frei», 
ausgehend  von  der  Bed.  «klar»,  z.  B.  heiter 
reden  1556  bei  Frisius  789^).  In  urspr.  Bed. 
mhd.  heiter,  ahd.  heitar  «hell,  glänzend,  wolken- 
los»; dazu  asächs.  hedar,  ags.  hädor',  anord. 
heidr,  schwed.  heder,  dän.  häder;  urvei^wandt 
mit  ablautendem  aind.  citräs  «glänzend», 
awest.  cipra-  «hell,  bunt»,  (mit  s  im  Anlaut) 
lit.  skaidriis  «hell,  klar».  Das  Wort  ist 
eigentlich  eine  Ableitung  von  -heit  (s.  d.). 
ABL.  Heitre,  f.:  Klarheit,  Helligkeit,  mhd. 
heitere,  heiter  f.,  ahd.  heitert  f.;  bei  Klop- 
stock  1773  auch  wie  Äthe>'  (s.  d.)  gesetzt. 
heitern,  V.:  in  auf-,  erheitern,  mhd.  heitern, 
ahd.  heitarön,  asächs.  hedron.  Heiterkeit, 
f.,  mhd.  heiterkeit  f. 

heizen,  V.:  heiß  machen.  'Mhd.-ahd.  heizen 
neben  heilen  (vgl.  heizen):  dazu  ndl.  heeten, 
ags.  hcetan,  engl,  heat  «heizen»,  anord.  heita, 
«heiß  machen,  sieden;.  Davon  Heizer,  ra., 
1691   bei  Stieler.     Heizung,  f.,  ebd. 

Hekatombe,  f.  (PI.  -n):  großes,  feier- 
liches Opfer,  urspr.  von  100  Rindern  oder 
Widdern.  1756  bei  Wieland  Cyrus  2,  298, 
aus  gr.-lat.  hecatombe,  gr.  iKaTÖußn  f.,  zgs. 


843 


Hektar 


hell 


844 


mit  ^Kaxöv  «hundert»  und  -ßn,  das  zu  ßoöc 
«Rind»  gehört. 

Hektar,  m.  n.  {-s,  PI.  -e)-.  Bodenflächen- 
maß von  100  Ar  oder  10000  Quadratmetern. 
1868  gesetzlich  aufgenommen  aus  franz.  hec- 
tare  m.,  zgs.  aus  gr.  ^kotöv  «hundert»,  und 
Ar  (s.  d.). 

hektisch,  adj.:  schwindsüchtig,  auszeh- 
rend. Im  18.  Jh.  (Goethe  27, 202),  aus  gleichbed. 
gr.-mlat.  hedicus,  gr.  ^ktiköc,  urspr.  «eine 
Eigenschaft,  einen  bleibenden  Zustand  habend». 

hektographieren,  V. :  vervielfältigen.  Von 
gr.  ^KOTÖv  «hundert»  und  Ypoiqpeiv  «schi'eiben». 
Bildung  der  neuern  Zeit. 

Hektoliter,  n.  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  100 
Liter.  1868  gesetzlich  aufgenommen  aus  franz. 
hectolitre  m.,  zgs.  aus  gi\  dKaxöv  «hundert», 
und  Liter  (s.  d.).  Die  deutsche  Benennung 
für  Hektoliter  ist  Faß  n. 

Held,  m.  {-en,  PI.  -en):  mutvoller,  aus- 
harrender Kämpfer;  der  Mittelpunkt  einer 
Begebenheit  (im  18.  Jh.,  z.  B.  bei  Wieland 
19,  283,  aber  noch  von  Schönaich  1754  ab- 
gelehnt). In  der  1.  Bed.  mhd.  Jielt,  im  12.  Jh. 
helit,  helet  m.,  PI.  helide,  helede  (fmher  kommt 
das  Wort  im  Hochd.  nicht  vor) :  dazu  asächs. 
lielith,  Jieliä  m.  «Mann»,  mnd.  lield,  ags.  hoß- 
lep,  heleß  und  hcelem.  «Mann,  tapfrer  Kämpfer», 
anord.  höldr  und  halr  m.  «Mann».  Wohl  zu 
ir.  calatJi,  kymr.  caled  «hart».  Anders  Sobnsen 
KZ.  34,  548.  Held  hatte  urspr.  starke  Flexion, 
mhd.  Gen.  heldes,  PI.  helde,  der  Gen.  Heldes 
noch  bei  Eabener  Sat.  4,  10,  der  Akk,  Sg. 
Held  bei  Luther,  Lessing  1,  207  und  Schiller 
1,  344  und  347;  erst  in  der  zweiten  Hälfte 
des  14.  Jh.  taucht  einzeln  der  schwachbiegende 
Plur.  Helden  auf,  und  die  schwachen  Formen 
überwiegen  schon  zu  Anfang  des  16.  Jh.  ABL. 
Heldin,  f.,  md.  im  13.  Jh.  heldinne  f.  ZUS. 
Heldenbuch,  n.,  im  15.  Jh.  helden  buch 
(Gödeke  Gr.  -  1,  274).  Heldengedicht,  n., 
1669  bei  Grimmeishausen  Simpl.  262.  helden- 
haft, adj.,  1691  bei  Stieler.  heldenmäßig, 
adj.,  1673  bei  Weise  Erzn.  99.  Heldenmut, 
m.,  1642  bei  Duez  vmd  1657  bei  Schuppius 
267;  heldenmütig,  adj.,  1691  bei  Stieler. 
Heldensage,  f.,  bei  Goethe  28, 143.  Helden- 
tat, f.,  1664  bei  Duez.  Heldentum,  n., 
bei  Wieland  Musarion  18. 

helfen,  v.  (Präs.  helfe,  hilfst,  MIß,  Prät. 
half,  Konj.  Mlfe,  auch  wie  älternhd.  hülfe, 
Part,  geholfen):  sich  tätig  annehmen;  tätig 
unterstützen,  fördern.  Mhd.  helfen,  ahd. 
helfan   (Präs.  hilfu,   hilfis  und  hilfist,   hilfit, 


Prät.  half,  PI.  hulfun,  Konj.  hulfi,,  Part,  gi- 
holfan,  das  Prät.  im  17.  Jb.  auch  half  (Stieler 
1691),  der  Plur.  noch  bei  Luther  wir  hülfen, 
neben  sie  holfen  (1.  Chron.  13,  12),  ir  Imlft 
(Richter  12,  2),  1580  bei  Wui-stisen  Basl. 
Chron.  201  sie  halfen;  dazu  asächs.  helpan, 
mnd.  und  ndl.  helpen,  afries.  helpa,  ags.  hel- 
pan, engl,  help,  anord.  hjalpa,  schwed.  hjälpa, 
dän.  hjälpe,  got.  hilpan.  urverwandt  mit, 
aber  mit  unregelmäßiger  Lautverschiebung, 
lit.  selpiii  «ich  helfe»,  selbiuos  (?)  «suche  mir 
zu  helfen»,  pasalpä  f.  «Unterstützung».  ABL. 
Helfer,  m.,  mhd.  helfcere,  helfer,  ahd.  hei- 
färi  m.;  dazu  mndrhein.  helpere,  mnd.  helper; 
Helfershelfer,  m.,  im  15.  Jh.  helffershelffer 
m.  «Mithelfer  im  Streit,  Streitgenosse»  (1412 
beiHaltaus,  1449  bei  Janssen  Reichscorr.  2, 106). 
hell,  adj.:  schallend,  hoch  klingend ;  lichter 
Farbe;  augenscheinlich,  offenbar ((Zie  helle War- 
heit,  1642  bei  Armatus  Rettung  der  edlen 
teutschen  Hauptsprache  B  1^).  Mhd.  hei 
«tönend,  laut,  glänzend,  licht»,  erst  im  Nhd. 
auf  Farben  übertragen,  die  sich  dem  Weiß 
nähern  (1691  bei  Stieler  hellbraun),  ahd.  hei 
«tönend»  (nui-  in  gihel,  unhel,  missahel). 
Gleichen  Stammes  wie  Hall  (s.  d.)  und  mhd. 
hellen,  ahd.-and.  hellan  «ertönen».  Dazu  wohl 
noch  anord.  huellr  «hell,  laut»,  und  mit  an- 
laut.  -s  nschwed.  shwella  «^viderhallen»,  anord. 
skual  «Plauderei»  und  aus  andern  Sprachen 
gr.  KeXaboc  m.  «Getöse»,  Ka\eiv  «rufen»,  lat. 
caläre  «ausrufen»,  lett.  kaföt  «schwatzen» 
u.  a.  Vgl.  Walde  s.  v.  GewöhnHch  wird 
auch  holen  (s.  d.)  hierhergestellt.  In  schwacher 
Form  helle  im  15.  Jh.  bei  Diefenb.  gl.  95° 
und  542'',  noch  bei  Goethe  1,  196,  Rückert 
Ged.  289;  das  Adv.  mhd.  helle,  noch  bei 
Uhland  Ged.  817  helle.  Die  hellen  Tränen 
(1561  im  Amadis  1,  92  die  hellen  Zäher), 
urspr.  die  «lichten,  blinkenden».  De/"  helle 
Haufe,  im  16.  Jb.  «das  durch  lautes  Geräusch 
und  Waffenglanz  weithin  bemerkbare  Haupt- 
heer» (bei  H.  Sachs  10,  109  der  hell  Häuf), 
danach  bildlich  mit,  in  hellen  Haufen  (1624 
bei  Opitz  Werke  231  mit  heuern  Haufen). 
ABL.  Helle,  f.:  Helligkeit,  mhd.  helle  f. 
hellen,  v. :  hell  machen  (nur  in  auf-,  er- 
hellen); hell  werden,  mhd.  hellen,  bei  Goethe 
3,  3  sich  hellen.  Helligkeit,  f.,  1537  bei 
Dasypodius.  ZTJS.  Hellseher,  m.:  der 
Seher  verborgner  Dinge  auf  übernatüi-lichem 
(magnetischem)  Wege,  1710  bei  Gottschling 
Gracians  Criticon  3,  163  nach  dem  franz. 
dairvoyant. 


845 


Hellbauk 


Hemd 


846 


Hellbauk,  s.  Hölle. 

Hellebarde,  f.  (PI.  -n)-.  Spieß  mit  Beil- 
eisen  zum  Hauen  und  Stechen.  Mhd,  und 
nocli  im  16.  Jh.  helmbarte,  dann  abgeschwächt 
h^ln-,  hellen-,  helbarte  f.,  d.  h.  Barte  (s.  ^Barte) 
zum  Durchhauen  des  Helmes  im  Kampfe, 
aber  nicht  zgs.  mit  Hehn  «Stiel»  (s.  d.),  den 
jede  Barte  hat.  Aus  dem  Deutschen  ent- 
lehnt gleichbed.  franz.  hallebarde,  ital.-span.- 
portug.  alabardaf.,  hieraus  Schweiz,  im  16.  Jh. 
Halleharte,  -parte.  Davon  Hellebardier, 
m.  (-S,  PI.  -e).  1597  bei  Gilhusius  Gramma- 
tica  124  Hellpartirer,  noch  franz.  haXlebardier, 
Span,  alabardero  m.  «Hellebardenträger». 

Heller,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  kleinste 
Kupfermünze,  iihd.  hallcere,  haller,  heller, 
häller  m.,  mit  Auslassung  des  Wortes  Pfennig 
st^att  (1359)  hale^'  phenning,  mlat.  (denarius) 
Hallensis,  d.  h.  zu  Schwäbisch-Hall  geprägter 
Pfennig.  Dagegen  gleichbed.  mhd.  und  mnd. 
hellinc,  ahd.  JiaUing  m.  ist  aus  mhd.  helbe- 
linc,   helhlinc  m.  «halber  Pfennig»   gekürzt. 

heilig,  adj. :  abgemattet,  müde,  abgezehrt, 
ganz  ausgedorrt;  leer  oder  blöde  im  Magen, 
hungi-ig  und  durstig  (Yoß  Luise  2).  In  der 
l.Bed.  mh4.  hellic.hellec,  in  der  2.  frühnhd.; 
mnd.  heilich  in  beiden  Bed.  Das  Adv.  hellig 
bei  Luther  Jer.  2,  25.  Abgeleitet  von  dem 
mhd.  Adj.  hei  «körperlich  nicht  kräftig,  am 
Körper  dünn,  dürftig»,  niederhess.  hal,  hol 
«abgemagert,    mager,    trocken,    dürr,    aus- 

O  O  7  O  7  7  7 

trocknend»,  z.B.  Hehlsau  «mageres  Schwein». 
Dazu  ndd.  hal,  ndl.  haal  «trocken»  und  lett. 
kalstu.  kalst  «vertrocknen,  verdorren»,  kalss 
«mager»,  Äa  Zfe^  «trocknen»  (Zupitza  113).  Da- 
von heiligen,  v.  in  ah-,  hehelligen,  mhd. 
helligen,  hellegen  « durch  Verfolgung  ermüden, 
stören,  plagen,  quälen»,  mnd.  helligen  «er- 
müden, quälen». 

Helling,  f.:  die  zum  Wasser  geneigte 
Ebene  auf  der  Schiffswerft,  dann  die  Wei-ft 
selbst.  Mnd.  helling  f.,  von  mnd.-mhd.  helden 
«abschüssig  geneigt  sein»,  ahd.  heldan,  asächs. 
in  afheldjan  «zu  Ende  kommen»,  ags.  hyl- 
dan,  heldan  «sich  neigen»,  anord.  halla.  Zu 
Halde  (s.  d.'). 

hellsch,  s.  höllisch. 

^Helm,  m.  {-es,  PI.  -e):  hohe  metallene 
Schirmbedeckung  des  Kopfes;  das  obere  runde 
Dach  am  Kirchturm  (1561  bei  Maaler).  Li 
urspr.  Bed.  mhd. -ahd.  heim  m.;  dazu  nd.- 
ndl.-afries.-ags.  heim  m.  (im  Ags.  auch  «Be- 
schützer, Hülle»),  engl,  heim,  helmet,  anord. 
hjalmr  m.,   schwed.  hjälm,   dän.  hjelm.  got. 


hilms  m.  Gleichen  Stammes  wie  ahd.  helan 
«verbergen,  bedecken»  [ä. hehlen),  urverwandt 
mit  aind.  gärma  n.  «Schutz»;  aus  dem  Ger- 
manischen entlehnt  abg.  slemü  m.  (daraus 
lit.  Palmas  m.)  «Helm»,  ferner  ital.-altspan.- 
port.  elmo,  franz.  heaume,  afranz.  hehne,  ebne 
m.  «Helm».  ÄBL.  helmen,  v.,  nd.  1420 
helmen  «einen  Helm  aufsetzen»  (Diefenbach 
gl.  256  ^j,  mhd.  gehelmet  Part. 

"Helm,  m.  n.  {-es,  PI.  -e):  Stiel  eines 
Hauwerkzeuges.  Um  1480  im  Yoc.  ine.  teut. 
k  8^  (Diefenbach  gl.  104^)  heim  neben  helb, 
mhd.  halm,  halme  m.  neben  halp,  help  m. 
(PI.  helbe),  spätahd.  halbe,  helhe  m.  neben 
ahd.  halap,  halp  m.  «Stiel,  Handhabe»,  noch 
bayi".  Axthalh  m.  f.  in  der  Bed.  von  hochd. 
Axthelm  (s.  d.);  dazu  mnd.  helve,  helf,  lielft 
n.  «Handgriff,  Stiel».  Gleichen  Stammes  ^vie 
Halfter  (s.  d.).  Davon  verschieden  ^Helm, 
m.:  Griff  des  Steuerruders,  dann  das  Steuer- 
ruder selbst.  Xd,-ndl.  hehn  m.,  dazu  ags. 
helma  m.  «Steuerruder»,  engl,  heim  «Steuer- 
ruder», anord.  hjalm  f.  «Griff  des  Steuer- 
ruders, Ruderpinne»;  1757  in  Eggers  Kriegs- 
lex.  1,  1182  «Helm,  der  Knopf,  der  am  Griffe 
des  Steuerruders  befestiget  ist,  es  wird  auch 
für  den  ganzen  Griff  genommen»,  danach 
scheint  das  Wort  gleichen  Stammes  mit  Helm  '^ 
zu  sein,  vgl.  ags.  heim  «Kopf heim  und  Baum- 
spitze, Wipfel». 

hem,  Literj.  des  Räusperns,  des  Bedenkens. 
Als  räuspernder  L^ut  schon  1519  bei  Mumer 
Geuchmatt  3328  und  4852  hem,  hem. 

Hemd,  n.  {-es,  PI.  -en):  unmittelbar  den 
Leib  bedeckendes  Kleidungsstück.  Mhd.  he- 
mede,  hemde  n.,  ahd.  hemidi  n.  «langes  Haus-, 
Unterkleid»,  dann  in  heutiger  Bedeutung; 
dazu  and.  hemithi  n.  «camisia»,  afi-ies.  he- 
methe,  hamede,  ags.  heme^e  n.  diminutive 
Ableitung  (wie  ahd.  jungidi,  mhd.  jungede 
n.  «Junges  von  Tieren»)  von  ahd.  hämo  m. 
«Hülle»  (nur  in  Uhliamo  «Leichnam»,  s.  d.), 
asächs.  hämo  m.  «Hülle,  Kleid»  (in  güdhamo 
« Kampf kleid»,  fedarhamo  «Federkleid  der 
Vögel,  des  Engels»),  nd.  ham-,  liamel  «Nach- 
geburt» (Kindeshülle),  ags.  huma  m.  «Kleid», 
anord.  hamr  m.  «Hülle,  Haut,  Balg,  äußere 
Gestalt»,  (mit  s- Ableitung)  hams  m.  «Hülse, 
Schlangenbalg,  Fruchtschale»,  got.  nur  in 
gahamön  «bekleiden»,  afhamön  «entkleiden»; 
dazu  gall.-lat.  im  5.  Jh.  camisia  f.  «leinener 
Überwm-f,  Hemd»  (woraus  altir.  caimmse 
«Hemd»,  ital.  camicia,  camiscia,  span.-port. 
camisa,   franz.    chemise   f.   «Hemd»,    afranz. 


847 


hemi- 


hepp! 


848 


canse,  cainse  «Chorhemd»),  camisia  ent- 
stammt aber  wohl  dem  Germ.  Vgl.  ^ Hamen. 
Älternhd.  mit  eingeschobenem  h  Hembde, 
Henibd,  im  16.  und  17.  Jh.  (Zimra.  Chron.. 
Krämer  1678)  und  noch  in  oberd.  Mundarten 
Hemmat,  Hemmet,  thür.  Hemme,  schwäb.- 
schweiz.  Hemh,  bei  H.  Sachs  Hern,  Hemm. 
Der  Plur.  lautet  mhd.  hemde,  bei  Luther 
Hembde  (Rieht.  14,  12),  noch  bei  Stieler  1691 
Hemde,  vom  16.  bis  ins  18.  Jh.  Hemhder, 
Hemder  (noch  bei  Zachariä  Phaeton  1,  34 
und  3,  15,  Voß  Tausend  u.  e.  Nacht  4,  255, 
Schiller  4,  18),  schon  1400  mhd.  hemder  (der 
heil,  drei  Könige  Buch,  Gießener  Handschr. 
39^),  im  18.  Jh.  durch  die  schwache  Form 
Hemden  (Adelung  1775)  verdrängt, 

henii-  in  Zusammensetzungen,  meist  aus 
neuerer  Zeit,  «halb»,  aus  gleichbed.  gr.  fiiui-. 

Hemisphäre,  f.  (PI.-«):  Halbkugel.  1786 
bei  Schiller  4,  112  Hemisphäre  f.,  1784  bei 
Herder  Ideen  1,  1,  7  Hemisphär  n.,  bei  Les- 
sing 5,  342  noch  Hemisphärium  n.  Aus  gr.- 
lat.  hemisphaerium  n.,von  gr.  riini-  und  ccpmpa  f. 
«(Erd-,  Himmels-)  Kugel». 

hemmen,  v.:  nicht  weiter  lassen.  Md. 
im  14.  Jh.  hemmin  «zurückhalten,  verhmdern», 
spätmhd.  im  15.  Jh.  hemmen  «fangen,  fesseln», 
hamnen  «fangen»  (Weist.  1,  102),  1578  bei 
Fischart  Ehz.  M  1^  hämmen  «fangen»,  1562 
bei  Mathesius  Sar.  217*^  hemmen  «hindern», 
neben  mhd.  hamen  «aufhalten,  hindern»;  da- 
zu anord.  hemja  (Prät.  hamda)  «hemmen», 
schwed. /?,ämma,  dän.  hemma  «imZaum  halten». 
Salfränk.  ist  chamian  «drücken,  pressen»  be- 
legt. Wenn  dies  die  ursprüngliche  Bedeutung 
ist,  kann  man  lit.  kamüoti  «zusammenpressen, 
stopfen»,  fcms^i  «stopfen»,  Äamsa  f.,  «Stopfung» 
vergleichen.  Vgl.  Zupitza  108.  Aus  dem 
Griech.  kann  hierher  Krmöc  m.  «Maulkorb» 
gezogen  werden.  Andre  stellen  es  zu  anord. 
hörn  f.  «Schenkel»  und  denken  an  das  Fesseln 
des  Viehs.  Vgl.  hemill  «Stück  zum  Binden 
des  weidenden  Viehs  an  den  Schenkeln»  und 
hafa  hemil  ä  «jem.  im  Zaume  haben».  Vgl. 
auch  lat.  pedica  f.  «Fessel»  von  pes  «Fuß». 
ABL.  Hemmnis,  n.,  selten  auch  f.,  im 
19.  Jh.  (1833  bei  Jahn  Merke  z.  d.  Volks- 
tum 165).  Hemmnng,  f.,  1678  bei  Krämer. 
ZUS.  Hemmkette,  f.,  1540  bei  Alberus 
dict.  e  2^  Hemmketten  f.  Hemmschnh,  m.: 
schuhartige  hemmendeVorrichtung  am  Wagen- 
rade, 1566  bei  Mathesius  Luther  92,  25  (1576 
Bl.  40^)  Hemschuch. 

Hengel,  m.  (-s,   PI.  wie  Sg.):   Wehrge- 


hänge. Bei  Luther  (l.  Kön.  22,  34  u.  2.  Chron. 
18,  33),  aber  erst  in  der  zweiten  Ausgabe 
des  Jahres  1541  von  Luthers  Bibel  (vgl. 
Mathesius  Luther  1566  Bl.  164^).  Mhd.  hengel 
m.  «das  Hängende,  Hängsei»,  ferner  «woran 
etwas  gehängt  wird,  Eisenhaken»,  im  Md, 
«Türangel».     Abgeleitet  von  hangen  (s.  d.). 

Hengst,  m.  (-es,  PI.  -e) :  unverschnittenes 
männliches  Pferd.  Diese  Bed.  seit  dem  15.  Jh. 
(um  1480  im  Voc.  ine.  teut.  1 5*^  hengst  «equus 
non  castratus»,  Anfang  des  15.  Jh.  admissarius, 
stüt  hengst  bei  Diefenbach  gl.  IS''),  dagegen 
mhd.  hengest,  hengst,  ahd.  hengist  m.  «ver- 
schnittenes männliches  Pferd,  Wallach»  (noch 
bayr.),  dann  im  Mhd.  «großes  Pferd  über- 
haupt». Als  älteste  Form  bietet  die  Lex  Sa- 
lica  hangisto:  dazu  mnd,  hingest,  hengest  m. 
«Pferd»,  dann  «männliches  unverschnittenes 
Pferd,  Streitroß»,  afries.  hängst,  hengst,  hingst 
m.  «männliches  Pferd»,  ags.  hengest  m.  «männ- 
liches Pferd  »,  anord.  hestr  m.  «Hengst,  Pferd» 
überhaupt,  schwed.  hast,  dän.  hest  «Pferd», 
während  schwed. -dän.  hingst  «Hengst»  aus 
dem  Deutschen  entlehnt  ist.  Das  Wort  sieht 
aus  wie  ein  Superlativ  und  könnte  zu  lit. 
sankmti «springen machen,  sprengen»  gehören. 
Also  eig.  «der  beste  Springer».  Als  Kom- 
parativ dazu  vielleicht  lat.  canterius  «Wal- 
lach» aus  *cancterius.    Vgl.  Walde, 

H-eukel,  m.  {-s,  PL  wie  Sg,),  um  1480 
im  Voc.  ine.  teut.  i  4*  henckel,  Var.  hengel, 
1664  bei  Duez  Henckel;  wovon  henkeln, 
V. :  mit  einem  Henkel  vex'sehen,  1734  bei 
Steinbach.  Von  henken,  v.:  aufhängen, 
mhd.  henken  (Prät.  hancte),  ahd.  henchan 
(Prät.  hancta,  hangta),  neben  ahd.  hengan 
«hängen»  (s.  d.).  ABL.  Henker,  m,  (-s, 
PI.  wie  Sg.),  mhd.  henker  m.,  daneben  auch 
hangcere  und  hdhoere,  häher  m.:  damit  .zgs. 
Henkersknecht,  m.,  1664  bei  Duez; 
Henker(s)mahlzeit,  f.,  letztes  Essen  des 
zum  Tode  Vei'urteilten,  1699  bei  Besold  The- 
saurus 2,  293*>,  Henckermol  1575  bei  Fischai-t 
Garg.  68,  übertr.  «die  letzte  Mahlzeit  vor 
einem  unangenehmen  Ereignisse»,  1669  bei 
Grimmeishausen  Simpl.  58  Hencker-Mahl. 

Henne,  f.  (PI.  -n)-.  das  weibliche  Huhn. 
Mhd.  henne,  ahd,  henna  f.,  woneben  hanin. 
henin  und  heninna  f,;  dazu  mnd,  henne,  hinne, 
ags,  henn,  engl,  hen,  mit  Ablaut  anord.  höena 
f.  «Henne»,  schwed.  höna,  dän.  hone.  Femi- 
ninbildung zu  '  Hahn  (s.  d.). 

Hepe,  s.  -Hippe. 

hepp!   hepphepp!    Interjektion.    Zuruf 


849 


Heppe 


Herbarium 


850 


an  Zugtiere,  einen  Fuß  aufzuheben  und  Lock- 
iTif  für  die  springende  Ziege.  Dann  Spott- 
mf  für  die  Juden  seit  1819.    Vgl.  Hipplein. 

Heppe,  f.:  Ziege,  s.  Hipplein. 

her,  demonstratives  Pronominaladverb:  in 
der  Richtung  zu  dem  Sprechenden.  Mhd. 
here,  hei'  «hierher»,  ahd.  hera,  am  Oberrhein 
und  in  der  Schweiz  liara,  ebenda  mhd.  und 
älternhd.  har  (s.  har),  volltönig  erhalten  in 
dem  jetzt  veralteten,  zuerst  in  der  zweiten 
Hälfte  des  16.  Jh.  erscheinenden  -Jiero  (an-, 
his-,  dahero),  abgeleitet  von  demselben  Pro- 
nominalstamm wie  heute,  heint  (s.  d.);  dazu 
got.  hiri  «komm  hierher»!  ZUS.  herab, 
adv.,  mhd.  her  abe,  dagegen  älternhd.  heräber 
ist  gekürzt  aus  mhd.  herabher  «von  —  her»; 
herablassen,  v.  refl.:  zu  einem  Niedem 
gnädig  abwärts  steigen,  1716  bei  Ludwig; 
herabsetzten,  V.:  geringer  machen  an  Wert 
usw.,  1757  bei  Rabener  Sat.  4,  60.  heran, 
adv.,  im  17.  Jh.  (bei  Fleming  472  vom  J. 
1638,  gekürzt  rane  1601  bei  Adrian  Mitteil. 
377),  dafür  im  16.  Jh.  anher.  herauf,  adv., 
mhd.  her  üf,  ahd.  hera  üf,  hara  {(f.  heraus, 
adv.,  ahd.  herq  m^,  älternhd.  heraußer  ge- 
kürzt aus  heraußher:  herausfordern,  v.: 
zumKampfe  fordern,  1590  beiDedekind  christl. 
Ritter  39*»;  herausnehmen,  v.  refl.:  sich 
ohne  Befugnis   eine   Freiheit    nehmen,    1663 

bei  Schuppius  650:  herausstreichen,  v.: 

lobend  hervorheben,  bei  Luther  6,  546^, 
H.  Sachs  Fastn.  52,  83.  herbei,  adv.,  bei 
Luther  er  hei  (2.  Mos.  16,  9).  herein,  adv., 
mhd.  her  m.  herfür,  adv.,  mhd.  hei-  für 
«hei-vor»  (s.  d.),  heute  nur  noch  altertüm- 
lich und  mundai-tlich.  hergegen,  adv.,  volks- 
tümlich herentgegen,  mhd.  her  engegene.  her- 
nach, adv.,  mhd.  her  nach,  ahd.  hera  näh, 
hara  näh  «nach  diesem,  nach  dieser  Zeit». 
hernieder,  adv.,  mhd.  her  nider,  ahd.  hera 
nidar,  hara  nidar.  herüber,  adv.,  spätahd. 
hara  (hera)  ubere.  herum,  adv.:  im  Kreise, 
hier-  und  daher,  da-  und  dorthin,  mhd.  her 
umhe,  her  umb,  vgl.  umher,  herunter,  adv., 
mhd.  herundei\  hervor,  adv.,  erst  im  16.  Jh. 
spärlich  auftauchend,  im.  Mhd.  her  vür,  vor 
1122  here  füre,  ahd.  hara  furi.  herwärts, 
adv.,  mhd.  herwert,  herzu,  adv.,  mhd.  her 
zuo,  ahd.  (bei  Notker)  hera  zua,  hara  zu. 

Heraldik,  f.:  Wappenkunde.  1728  bei 
Sperander.  Aus  dem  Fem.  des  neulat.  Adj. 
heraldicus,  abgeleitet  von  mlat.  heraldus  m. 
«Herold»  (s.  d.);  die  Herolde  hatten  bei 
Turnieren  und  Festen  die  Wappen  zu  unter- 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


suchen.  Von  dem  Adj.  heraldicus  auch  He- 
räldiker,  m.  und  heraldisch,  adj.  (bei 
Goethe  27,  304). 

Herauch,  m.  (-es,  selten  PI.  -e):  der 
bläulich-weiße  oder  bläulich-rote  nebelartige 
Dunst  bei  trockner  Luft  und  heißem  Wetter. 
1579  bei  Mathesius  Postilla3,  38^  Hehrauch, 
1680  bei  Lohenstem  Sophonisbe  369  Häge- 
rauch,  bayr.  Hairauch,  Haidampf,  Hainebel 
ra.  und  Gehai  n.  (Österreich.  Kai  u.,  Schweiz. 
Gehei  m.  «Hitznebel,  Föhndunst»),  abgeleitet 
von  ahd.  hei  «heiß,  dürr»  (Steinmeyer-Sievers 
ahd.  Gl.  1,  268,  28),  hess.  1464  heye,  1476 
hege  «trocken»  (Frisch  1,  396^),  noch  ober- 
hessisch/iei,  heie,  heige,  hege  «trocken»,  schwäb. 
gehai  «düiT,  ausgetrocknet,  dunstig  bei  war- 
mem Wetter»,  Schweiz,  gehei  «dunstig,  tmbe»), 
ahd,  hei,  gihei  n.  und  mhd.  gehei,  geheie  n. 
«Hitze,  Brand»,  ahd.  arheigen,  erheien  und 
mhd.  heien  «brennen».  Umgebildet,  da  der 
Dunst  besonders  gegen  Höhen  hin  sichtbar 
ist,  1784  im  Teutschen  Mercur  2,  3  Höhen- 
rauch, bei  Goethe  30, 53  Höherauch,  1851  bei 
Freiligrath  neue  pol.  Ged.  2,  35  Höhrauch, 
in  Westfalen  und  Fnesland  Haarrauch, 
nebhger  Rauch,  der  von  dem  Brande  eines 
Moores  entsteht  (Immermann  Münchhausen 
3,  100  und  108,  zuerst  in  einer  Verordnung 
Ernst  Augusts  von  Osnabrück  vom  20.  April 
1720,  von  westfäl.  Haar  f.  «Höhe»,  s.'Haar): 
ferner  Hecrrauch  1796  bei  Adelung  und 
bei  Goethe  Naturw.  Sehr.  1,  64  Heidenrauch 
1586  bei  Rudolph  Zeitbüchlein  M  2^,  Heide- 
rauch 1788  bei  Musäus  Volksmärchen  2,  44. 

heraus,  s.  hei: 

herb,  adj.:  rauhscharf  empfindlich,  rauh- 
scharf zusammenziehend  (von  Geschmack). 
Md.  im  14.  Jh.  herbe,  mhd.  hare,  har  und 
hei'e,  her,  flekt.  harewer,  harwer  und  here- 
wer,  herwer,  im  15.  Jh.  harb;  dazu  mnd. 
herwen  «herb  machen».  Vielleicht  gleichen 
Stammes  wie  Harm  (s.  d.)  und  das  Adj. 
asächs.  härm,  ags.  hearm,  herm  «verletzend, 
kränkend,  schmerzlich».  Vielleicht  aber  zu 
einer  Sippe,  die  «kratzen,  scheren»  bedeutete, 
vgl.  Keipeiv,  ahd.  skeran  «scheren»,  lit.  karths 
«bitter»,  aind.  kapus  «scharf,  beißend»  u.  a. 
Vgl.  Brugmann  Idg.  Forsch.  15,  97.  ABL. 
Herbe,  f.,  spätmhd.  herwe,  herbe  f.  Herbig- 
keit,  f.,  1664  bei  Duez.  herblich,  adj., 
1741   bei  Frisch.     Herbling,  s.  Herling. 

Herbarium,  n.  (-s,  V\. Herbarien):  Samm- 
lung getrockneter  Pflanzen.  Aus  gleichbed. 
lat.  herbärium  n.  von  hei'ba  f.  «Kraut,  junge 

54 


851 


herbei 


Herkommen 


852 


Saat».  1727  bei  Sperander  herharium  vivum, 
erst  1813  bei  Campe  Herharium. 

herbei,  s.  her. 

Herberge,  f.  (PI.  -n)  -.  Ort  und  Haus  zum 
Übernachtbleiben  für  Fremde.  Mhd.  herherge 
f.  in  dieser  Bed.,  ahd.  heriberga  f.  «ein  das 
Heer  bergender  Ort,  Heei--,  Feldlager»,  dann 
«Haus  zu  Lagerung,  zu  Übernachtung»;  da- 
zu and.  heriberga  f.  «Herberge»,  mittelengl. 
her  eher ge  «Herberge»,  engl,  harhour  «Her- 
berge, Zufluchtsort,  Hafen»,  (entlehnt)  anord. 
herhergi  n.  «Ort  zum  Übernachten,  Wohn- 
stätte». Aus  dem  Germanischen  entlehnt 
afranz.  herherge  «Heerlager»,  nfranz.  auherge 
f.  «Gasthof,  Herberge»,  heberge  f.  «die  Höhe 
eines  Gebäudes,  der  Endpunkt  einer  gemein- 
schaftlichen Mauer»,  altspan.-ital.  alber go  m. 
«Herberge».  ABL.  herbergen,  V.,  mhd. 
herber  gen,  ahd.  herihergöti  «ein  Lager  schlagen, 
Feldlager  haben»,  (zuerst  im  12.  Jh.)  «Nacht- 
lager nehmen»,  im  Mhd.  auch  «Wohnung  geben, 
beherbergen»,  mnd.  herbergen  «beherbergen 
und  Herberge  suchen». 

Herbst,  m.  {-es,  PI.  -e)-.  die  Jahreszeit 
von  der  späten  Tag-  und  Nachtgleiche  bis 
zum  kürzesten  Tage;  die  Ernte  (Schiller  11, 
63),  bes.  die  Weinernte  (mhd.).  Mhd.  herbest, 
herbst,  ahd.  herhist  m.;  dazu  mnd.  hervest, 
nndl.  her f st,  herft,  ags.  heerfest  m.,  engl. 
harvest  (auch  Erate),  anord.  haust  n.,  schwed.- 
dän.  höstm..  «Herbst».  Wohl  von  einem  Stamm 
gebildet,  der  vorliegt  in  gr.  Kapiröc  m.  «Frucht», 
KopiTiZieiv  «ernten»,  KpdüTTiov  n.  «Sichel»,  lat. 
carpere  «pflücken»,  lit.  kifpti  (Präs.  kerpu) 
«scheren»,  karptti  «mit  der  Schere  schnitzeln», 
aind.  krpänas  m,  «Schwert».  Also  ein  alter 
Superlativ  «am  besten  zu  schneiden»,  wobei 
wahrscheinlich  «Mond»  zu  ergänzen  ist,  so 
daß  das  Wort  kein  eigentlicher  Jahreszeiten- 
name wäre.  ABL.  herbsten,  v.:  ernten 
(Pauli  Schimpf  93  ^),  insbes.  Weinlese  halten, 
mhd.  herbisten  (Behaim  Ev.  Luk.  6,  44). 
herbstlich,  adj.,  1541  bei  Frisius  114*»,  nd. 
1420  arfstelic  bei  Diefenb.  gl.  QS^.  Herbst- 
Hng,  m.:  der  Blätterschwamm  agaricus 
deliciosus,  Reizker,  1775  bei  Adelmig;  1691 
bei  Stieler  «im  Herbst  gebornes  Vieh»  und 

«später  Apfel».  ZUS.  Herbstmonat,  m., 
mhd.  herbestmänöt,  als  Name  des  Septembers 
ahd.  herhistmänöt  m.     Herbstzeitlose,  f., 

1775  bei   Adelung,  s.  Zeitlose. 

Herd,  m.  (-es,  PI.  -e)-.  Feuerstätte  zum 
Kochen  im  Hause.  Mhd.hertm.  (Gen.  herdes), 
ahd.  herd  m.  «Erdboden»,  dann  «Boden  (be- 


reitete Unterlage)  für  das  Feuer»,  noch  Schweiz. 
Herd  m.  «Erdreich,  Boden»;  daneben  ahd. 
herda  f.;  dazu  asächs.  herth  m.  «Feuerherd», 
nndl.  heert,  haard,  afries.  herth,  hirth,  ags. 
heorp  m.,  engl,  hearth  «Herd».  Die  Herkunft 
ist  unbekannt.  Die  beiden  Bedeutungen 
«Boden»  und  «Herd»  lassen  sich  vereinigen, 
da  der  ursprüngliche  Herd  nichts  andres  als 
der  Boden  war,  und  so  könnte  man  Verwandt- 
schaft mit  gr.  KpÖToc  m.  «Schlagen»,  lit.  kertü 
«schlage  heftig»  annehmen,  also  Herd  «das 
Festgeschlagne».  Ist  aber  die  Bedeutung 
«Herd»  urspiünglich,  so  kann  man  an  Ver- 
bindung mit  got.  haüri  n.  «Kohle»  u.  a.  denken. 
Vgl.  Zupitza  114  und  Walde  s.  v.  carho. 

Herde,  f.  (PI.  -w):  Menge  beisammen  be- 
findlichen Viehes.  Mhd,  hert  f.,  ahd.  he7-ta  f. ; 
dazu  ags.  heord,  engl,  herd,  anord.  hjörd, 
schwed.-dän.  hjord,  got.  hairda  f.;  aus  dem 
Germanischen  entlehnt  afranz.  herde  «Herde, 
Rudel»,  a{rn.nz.harde  f.  «Rudel».  Urverwandt 
mit  aind.  gärdhas  m.  «Schar»,  awest.  sardäa-  n. 
«Art,  Gattung».  Daneben  steht  aber  mit 
Guttural  statt  Zischlaut  lit.  kerdz'us  m.  «Hirt» 
und  abg.  creda  f.  «Reihe,  Tagesfolge,  Herde», 
dessen  erste  Bedeutung  in  ahd.Äerto  «Wechsel» 
wiederkehrt.  Vielleicht  sind  diese  aus  dem 
Germanischen  entlehnt,  wenigstens  in  der 
Bedeutung  «Herde»,  und  ahd.  herta,  abg. 
creda  «Wechsel»  ist  davon  zu  trennen.  ZUS. 
Herdenmensch:  Schlagwort,  von  Nietzsche 
1869   geprägt. 

herein,  herfür,  hergegen,  s.  her. 

Hergang,  m.:  Verlauf,  1775  bei  Adelung 
als  oberdeutsch;  das  Zeitwort  hergehn  «ver- 
laufen» 1647  bei  Rompier  Reimgetichte  75 
es  geht  hart  her. 

Hering,  m.  (-s,  PI.  -e):  der  Salzfisch 
clupea  harengus.  Mhd.  herinc,  md.  im  14.  Jh. 
häring,  ahd.  härinc  und  herinc  m.;  dazu  and. 
hering,  nndl.  haring,  afries.  hereng,  ags.  hcering 
m.,  engl,  herring,  mlat.  im  6.  Jh.  haringus. 
Dafür  anord.  sild  f.,  schwed.  sill,  däh.  sild. 
Aus  dem  Gei-manischen  entlehnt  franz.  hareng 
m.,  ital.  aringa  f.,  span.-port.  arenque  m.  Die 
Form  herinc  sieht  aus  wie  eine  Ableitung 
von  ahd,  heri  n.  «Heer»,  also  «der  in  Scharen 
ziehende  Heerfisch»,  während  ahd.  härung 
Umdeutschung  aus  lat.  halec  «Fischlake,  Salz- 
fisch» vermuten  läßt.  Aber  es  kann  auch 
ganz   etwas   andres  in  dem  Namen  stecken. 

Herkommen,  n.:  Abstammung  (Luther 
5,3^);  Gewohnheit,  Brauch  (1452  bei  Janssen 
Reichskorr.  2,  118   nach   altem  herkommen). 


853 


Herling 


Herr 


854 


Herling,  m.  (-s,  PI.  -e):  um-eife  Traube 
aus  später  Blüte.  Bei  Luther  Heerling,  mlid. 
herlinc  m..,  entstanden  aus  Herhling  (Frisch 
1,  445*  «von  herb,  weil  die  Zähne  davon 
stumpf  werden»). 

Herlitze,  f.  (PI.  -n)-.  die  Hornkirsche. 
1557  bei  Lonicer  und  1578  bei  Frischlein  Xom. 
Kap.  19  Hei'litze,  1561  bei  Cordus  Herlitzen- 
haum,  ahd.  arliz-,  erlizboum,  harlezhoum.  Vgl. 
Björkmann  ZfdW.  2,  214  und  Ärlesbaum. 

Hermandad,  f.:  Polizei  (in  etwas  spöt- 
tischem Sinne).  1791  bei  Roth,  Aus  span. 
santas  Hermandades  «heilige  Brüderschaften», 
von  span.  herniano  «Bnider»  aus  gleichbed. 
lat.  germänus.  Sie  kamen  1466  in  Kastüien 
zur   Abwehr  von   Räubern   auf. 

Hermann, Mannsname.  Ahd. Hari-.Heri-, 
Hermann,  eig.  aber  Appellativ  mhd.  here-. 
hernian,  ahd.  harr-,  herinian,  ags.  hereman, 
anord.  hermadr  m.  «zum  Heerdienst  verpflich- 
teter Freier,  Kriegsmann»  (s.  Heer  und  Mann). 
Falsch  für  lat.  Arminius  gebraucht,  schon 
1536  bei  Polychorius.  Sueton  16%  1538  bei 
S.  Franck  Chron.  1^^. 

Hermaphrodit,  m.  {-en,  PI.  -en)  -.  Zwitter. 
1512  in  den  Reichsordn.  83 '^  Hermofroditen 
PI.  Von  gleichbed.  gr.-lat.  hermaphroditus  m., 
gr.  4p^acppöbiToc  m.,  eig.  «Sohn  des  Hermes 
und  der  Aphrodite». 

Herme,  f.  (PI.  -n)  -.  Bildsäule,  bei  der  nur 
der  Kopf  ausgearbeitet  ist.  Aus  gr.  'Epufic, 
eig.  «der  Name  des  Gottes».    Ende  des  18.  Jh. 

Hermelin,  n.  (-s,  PI.  -e):  das  große  weiße 
Wiesel  des  Nordens;  m.  das  Pelzwerk  dieses 
Tieres.  Im  Nhd.  mit  fremder  Betonung  (nach 
ital.  ermellino)  auf  der  letzten  Silbe,  mhd. 
und  ahd.  aber  auf  der  ersten.  Mhd.  hermelin 
n.  (auch  das  Pelzwerk),  ahd.  Iiarmelm  n., 
Diminutiv  des  mhd.  härme,  härm,  ahd. -and. 
harmo  m.  «Wiesel,  Hennehn»,  ags.  hearma  m. 
«Wiesel»,  urverwandt  mit  lit.  sermuo,  sarmoms 
m.  «Wiesel,  Hermelin»,  Aus  dem  Genna- 
nischen  entlehnt  franz.  hermine  f.,  afranz.  erme, 
ermine  f.,  ital.  armellino,  ermellino  m.,  span. 
armifw  m.,  port.  armelina  f.  «Hermelin».  Nach 
Meyer-Lübke  Z.  f.  rom.  Ph.  19,  94flF.  steckt  das 
Wort  auch  in  rhätorom.  carmü. 

hermetisch,  adv.:  luftdicht,  in  herme- 
tisch verschlossen.  1716  im  Mathemat,  Lex,, 
aus  dem  neulat.  Adv.  hermetice  «chemisch», , 
eig,  «mit  geheimnisvollem  Siegel  versehen, 
mit  Bezug  auf  den  luftdichten  Verschluß 
einer  Glasröhre,  den  Hermes  Trismegistus 
erfunden,  ein  mythischer  ägyptischer  Weiser, 


der  für  den  Vater  der  Alchimie  ( philo  Sophia 
hermetica)  gehalten  wurde». 
hernach,  hernieder,  -hero,  s.  her. 

hernehmen,  v.:  tadeln,  eig.  vor  sich 
zitieren  (vom  Richter).  1626  bei  Zincgref 
Apophth.  1,  170. 

heroisch,  adj.:  heldenhaft,  heldenmütig, 
heldenmäßig.  1616  bei  Albertinus  Lucifer  5, 
nach  dem  gr.-lat,  Adj.  heröicus  «den  Heroen 
angehörig»,  von  gr.  rjpuac  m.  «Heros,  Held». 
Davon  Heroismus,  f.:  Heldentum.  Im  18.  Jh, 
Heroine,  f.:  Heldin.    Im  17.  -Jh. 

Herold,  m.  {-s,  PI.  -e):  Aufseher  bei 
Turnieren  und  Festen:  feierlicher  Bote  und 
Verkündiger.  Spätmhd.  im  14.  Jh.  heralt, 
erhalt  m.,  im  16.  Jh.  Ehrnhold.  aus  gleich- 
bed. afranz,  heralt  m,  (13,  Jh,),  nfranz,  heraut 
m,,  das  nebst  ital,  araldo,  span.  haraldo,  aspan. 
haraute,  mlat.  haraldus,  heraldus,  heroldus  m. 
auf  einem  vermuteten  ahd.  heriwalto  «Heer- 
beamter» beruht,  noch  erhalten  im  asächs. 
Eigennamen  Heriold,  anord.  Haraldr. 

Herr,  m.  (Gen.  u.  PI.  -en,  -n):  der  Be- 
fehlende und  der  zu  befehlen  Befugte,  auch 
als  Ehrentitel.  In  der  1.  Bed.  unverkürzt 
Herre  noch  bei  Goethe  6,  128,  Schiller  Teil 
3,  1.  Mhd.  herre,  herre  (in  der  Anrede  her, 
her),  ahd.  heriro,  herro,  herro  m. ;  dazu  asächs. 
herro,  ndl.  heer,  afries.  hera,  her,  aus  Nieder- 
deutschland entlehnt  ags.  hearra,  herra  und 
anord, /«erra,  herri,  schwed,-dän.  Äerre  m.  Ahd. 
heriro  ist  urspr.  schwachbiegender  Kompa- 
rativ von  hehr  (s,  d.),  also  «der  Erhabnere, 
Vornehmere,  Gewaltigere»  oder  noch  mit  der 
ursprünglichen  Bedeutung  «alt»;  ähnlich  aus 
lat.  senior  «der  Altre»  franz.  seigneur,  sire 
und  sieur,  ital.  signore,  span.  senor  m.  «Herr». 
ABL.  Herrin,  f.,  1537  bei  Dasypodius,  da- 
für mhd.  vrouive  «Frau»,  ahd.  neben  fromva 
auch  herra  f.  herrisch,  adj.:  sich  als  Herr 
benehmend,  bes.  in  auffälliger,  beleidigender 
Weise  (1691  bei  Stieler),  mhd.  herisch,  hersch 
«nach  Herrenart  sich  benehmend,  herrlich», 
urspr.  von  mhd.-ahd.  her,  hehr  (s.  d.)  abge- 
leitet, dann  aber  auf  Herr  bezogen,  wie  mhd. 
herrisch  bei  Frauenlob  zeigt,  herrlich,  adj., 
mhd.  herlich,  ahd.  herlih  «erhaben,  vornehm, 
ausgezeichnet,  glänz-,  prachtvoll»,  and.  herlik 
«vornehm»,  noch  1540  bei  Alberus  dict.  cc3* 
herlich,  hehrlich,  im  Adv.  mhd.  herlwhe,  ab- 
geleitet von  hehr  (s,  d,),  aber  auf  Herr  be- 
zogen, bereits  bei  Luther  herrlich,  wie  mhd. 
herrenlich  «herrlich»  und  and,  herrilik  (?) 
«dem  Herrn  gehörig»,     Herrlichkeit,   f., 

54* 


855 


herrühren 


Herz 


856 


spätmhd.  hetiicheit  f.  Herrschaft,  f.,  mhd. 
Mrscliaft,  ahd.  herscaß,  herscaf  f.  «Herren- 
würde, Herrenmacht,  Hoheit,  Herrlichkeit, 
Herrenbesitz,  oberherrliches  Gebiet,  Herr  und 
Frau  gegenüber  der  Dienerschaft»;  dazu  and. 
herskepin.  «Herrschaft»,  urspr.  abgeleitet  von 
hehr  (s.  d.),  später  als  Ableitung  von  Herr 
umgebildet  bei  Luther  Herr  schafft;  davon 
herrschaftlich,  adj.,  1691  bei  Stieler. 
herrschen,  v.:  Herrenmacht,  Obergewalt 
haben,   mhd.   im    13.  Jh.   her  sehen,   md.  im 

14.  Jh.  herschin,  im  VoC;  ex  quo  1469  her- 
schen,  gewöhnlich  mhd.  hersen,  hersen,  ahd, 
hei'isön,  von  hehr  ("s.  d.)  abgeleitet,  aber  im 
Gedanken  an  Herr  bereits  ahd.  herreson,  bei 
Luther  herrschen.  Davon  Herrscher,  m., 
bei  Luther,  mhd.  im  13.  Jh.  herscher,  dann 
her  seh  er,  ahd.  herisari  m.:  Herrscherin,  f., 
1691  bei  Stieler;  Herrschsucht,  f.,  bei 
Ludwig  1716  und  Thomasius  Einl.  203.  ZUS. 
Herrgott,  m.,  mhd.  herregot,  1402  herrgot 
m.;  Herrgottskäfer,  m.:  der  Blattlaus- 
käfer coccinella,  1664  bei  Duez  Herrgotts- 
kühlein, Herrgottsthierlein. 

herrühren,  v. :  von  etw.  seinen  Ursprung 
haben,  1642  bei  Duez,  spätmhd.  riieren. 

herstellen,  v.:  in  den  ui'sprünglichen 
Zustand  zuräckversetzen ,  1741  bei  Frisch, 
gekürzt  aus   niederher stellen. 

herüber,  herum,  herunter,  hervor, 
s.  her. 

Herz,  n.  {-ens,  PI.  -en):  aufnehmendes 
und  ausströmendes  Blutgehäuse  der  Brust; 
in  der  Spielkarte  das  franz.  coeur  (1578  bei 
Frischlin  Nom.  cap.  177  Hertz):  das  In- 
nerste, der  Mittelpunkt  von  etwas  (1534  bei 
Franck  Weltb.  165»,  md.  im  14.  Jh.  der 
Butzen  am  Apfel  des  Zedernbaums);  bild- 
lich als  Sitz  der  Seele,  Empfindungsvermögen 
usw.  (schon  mhd.-ahd.).  Mhd.  herze,  ahd. 
herza  n.;  dazu  asächs.  herta  n.,  mnd.  herte, 
nd.-ndl.  hart  n.,  afries.  herte,  hirte  f.,  ags. 
heorte  f.,  engl,  heart,  anord.  hjarta  n.,  schwed. 
hjerta,  dän.  hjerte,  got.  hairtö  n.  Verwandt 
mit  gleichbedeut.  lat.  cor  n.  (Gen.  cordis), 
gr.  Kapbia  f.  imd  Kf|p  n.,  abg.  snidtce  n.,  lit, 
sirdh  f.,  aii-.  cride,  armen,  sirt;  awest.  zdrdd-, 
zdrddkija-  n.,  aind.  hfd,  hfdajam  n.  zeigen 
andern  Anlaut  und  sind  daher  von  Herz  zu 
trennen.  Der  Nom.  Sg.  unverkürzt  Herze  noch 
bei  Lessing  2,  293,  Goethe  1,  173,  Rückert, 
Heine;  der  Gen.  Sg.  wie  mhd.  bei  Luther, 
Fleming,  Logau  usw.  Herz&ti,  spätmhd.  im 

15.  Jahrh.  hertzens,    wie    1722    bei    Freyer 


Herzens  neben  Herzen;  der  Dat.  Sg.  bis- 
weilen starkflekt.,  bei  Lessing  6,  321  Herze, 
wie  schon  mhd.;  ebenso  der  Nom.  PI.  mhd. 
neben  herzen  zuweilen  herze,  im  \Q.ih.  herzer 
(Zimm.  Chrom- 1,  418,  38).  ABL.  Herz- 
chen, n.:  Liebchen,  1594  bei  H.  J.  von 
Braunschweig  426.  herzen,  v.:  liebkosen, 
1470  bei  Diefenbach  gl.  31^  herczen,  anders 
mhd.  herzen  «mit  einem  Herzen  versehen». 
herzhaft,  adj.,  mhd.  herzehaft  «beherzt», 
dann  «besonnen,  verständig»;  Herzhaftig- 
keit,  f.,  1537  bei  Dasypodius.  herzig,  adj.: 
anmutend,  liebenswert,  1561  im  Amadis  1,  295, 
dagegen  mhd.  nur  in  Zussetz.  wie  steinherzec. 
herzlich,  adj.,  mhd.  herze-,  herzenlich  neben 
herzeclich,  mnd.  hertelik.  ZUS.  Herzaller- 
liehste,  f.,  1595  bei  Rollenhagen  Froschm. 
1, 1, 8,  36,  als  Adj.  oft  im  16.  Jh.  Herzblatt, 
n.:  das  Zwerchfell  als  Sitz  des  Lebens,  1711 
bei  Rädlein;  das  Innere  der  Pflanze,  1775  bei 
Adelung;  der  mittlere  Teil  des  Kleeblattes, 
1660  bei  Fleming  641  bildlich;  das  Edelste, 
Liebste,  1775  bei  Adelung.  Als  Pflanzen- 
name schon  mhd.  herzeblat.  Herzblut,  n., 
mhd.  herzehluot  n.  herzbrechend,  part. 
Adj.,  Ende  des  16.  Jh.  bei  Schweinichen  1, 
280,  bereits  mhd.  herze-,  herzhrechen  n.  «das 
Herzbrechen,  der  Tod».  Herzeleid,  n.,  mhd. 
herze-,  herzenleit  n.,  daneben  herzeleide  f., 
mn'd.  herte-.  hertenlet  n.  Herzenslust,  f., 
bei  Luther  1.  Thess.  2,  8  Hertzenlust.  Herz- 
gespann, n.  (-.s):  Magenkrampf,  den  man 
sich  als  Spannung  der  das  Herz  umgebenden 
Haut  dachte,  1519  bei  Luther  Kommentar 
zum  Galaterbrief  He7'zgespan,  mhd.  herzspan 
n. ;  dann  die  Pflanze  leonurus  cardiaca,  gegen 
den  Magenkrampf  angewandt,  im  14.  Jh. 
hertzgespann  bei  Diefenbach  gl,  639»,  um 
1480  im  Yoc.  ine.  teut.  15''  hertzenspan,  mud. 
hertespan.  Herzgrube,  f.,  1537  bei  Dasy- 
podius Hertzgrilbel  n.  herzinnig,  adj.,  1659 
bei  Butschky  Kanzl.  2.  Herzkammer,  f., 
1741  bei  Frisch,  herzlieb,  adj.,  mhd.  herze- 
liep,  mnd.  hertelef.  herzlos,  adj.,  mhd. 
herzelös.  herzschlächtig,  adj.:  herzkrank, 
bes.  von  Pferden,  deren  sichtbares  Flanken- 
schlagen (Bauchatmen)  in  der  Herzgegend 
als  Herzschlag  angenommen  wird  (spätmhd. 
im  15.  Jh.  herzslechtig,  1394  hercz-,  hei'czens- 
slechtic  bei  Diefenbach  gl.  346°);  kurzatmig, 
engbrüstig  (md.  im  14.  Jh.  herzslähtig).  Aus 
gleichbed,  nd.  hartslechtig ,  «am  hartslach 
leidend»  (mnd.  hertslach  m.,  von  nd.  hart, 
hert  «Herz»)   schon   in    den  Brünner  Stadt- 


857 


Herzog 


Heu 


858 


rechten  des  13.— 14.  Jh.  herfscMechtig,  hd.  im 

16.  Jh.  hartscJdechtig  (Frankf.  Reform.  2,  9  §5) 
und  mhd.  harteslaht  f.  «Herzschlächtigkeit 
des  Pferdes».  Im  Ahd.  heißt  der  Schrecken 
herzeslagöä  m.,  eig.  «das  Herzschlagen  oder 
-klopfen  ». 

Herzog,  m.  (-s,  PI.  -e,  auch  Herzöge): 
der  im  Eange  zunächst  unter  dem  Kurfürsten 
und  Großherzog   stehende  Füi'st.     Xoch  im 

17.  Jh.  mit  schwacher  Flexion  (Gen.  u.  PI. 
Herzogen),  seit  der  zweiten  schlesisch.  Dichter- 
schule Ende  des  17.  Jh.  starkbiegend.  Mhd. 
herzöge,  ahd.  Äeri-,  herzogo,  herizoho  m.:  dazu 
asächs.  heritogo,  mnd.  her-,  Jiartoghe,  her-, 
hartoch,  afries.  hertoga,  ags.  heretoga,  anord. 
hertogi  m.,  schwed.  hertig,  dän.  hertug.  Zgs. 
aus  ahd.  heri  -Heer»  (s.  d.j  und  dem  von 
ziehen  (ahd.  ziohan,  asächs.  tiohan,  got.  tiuhan) 
abgeleiteten^  auch  in  ,ahd.  magazoho,  maga- 
zogo  <:  Knabenerzieher»  ei'scheinenden  ahd. 
-zoho,  -zogo,  {==  lat.  dux  m.  «Führer»),  also 
urspr.  '^der  mit  dem  Heere  auszieht»,  im 
Ahd.  «Heerführer,  Vorgesetzter  des  Heeres». 
Davon  Herzogin,  f.,  mhd.  herzoginne,  her- 
zogin,  herzogin,  ahd.  herizohin,  herzogin.  her- 
zoglich, adj.,  1664  bei  Duez.  Herzogtum, 
n.,  mhd.  Iterzogen-,  herzogtuom,  gekürzt  herzen- 
tuom  n.,  spätahd.  herzogentuom. 

herzu,  s.  her. 

Hesse,  m.  (-w,  PL  -n):  Volksname.  Mhd. 
Hesse,  ahd.  Hasso,  Hesso  m.  (auch  Personen- 
name), mlat.  im  8.  Jh.  Hessus,  Hassiis,  Hessio, 
bei  den  Römern  das  nicht  unmittelbar  iden- 
tische, sondern  nur  stammverwandte  Chattus 
(Tacitus  Germ.  29).  Der  Name  Hesse,  idg, 
*Cassio-  kehrt  im  Keltischen  wieder  in  Bodio- 
casses,  Tri-casses  (=  TpiKdccioi  bei  Ptol.) 
Velio-cassi,  Cassi-mara,  auch  wohl  in  gr. 
Kdccavbpoc,  lat.  Cassius,  ist  aber  als  Name 
nicht  sicher  deutbar.  RA.  blinder  Hesse, 
1621  bei  Vilmar  Id.  43  Uinde  Hundehessen, 
im  16.  Jh.  bei  H.  Sachs  17,  399  die  Hessen 
engst  (vexiert)  man  mit  den  Hunden,  mit 
Bezug  auf  eine  Stammsage,  wonach  der 
Stammesherr  der  Hessen  und  Schwaben  (1541 
bei  Franck  Spr.  2,  49^  blinder  Schvab)  von 
einem  Hunde  erzeugt  oder  als  Neugebomer 
für  einen  blinden  Hund  ausgegeben  wurde. 
In  Wirklichkeit  geht  der  Ausdruck  blind 
wohl  auf  die  geistige  Blindheit  und  ist  gleich 
«dumm».  Hessen,  n.:  Hessenland,  mhd. 
Hessen  (Nibel.  175,  1),  eig.  Dat.  PI.,  aus  ze 
Hessen  «  zu  den  Hessen»  gekürzt.  heSSisch, 
adj.,  1561   bei  Maaler 


hetero-,  mehrfach  in  Zusanamensetzungen, 
ist  das  gr.  exepoc  «der  andre;>.  heterodox, 
adj.:  anders-,  irrgläubig,  aus  gleichbed.  gr, 
drepöboEoc  (-boEoc  von  böia  f.  «Glaube»).  Im 
18.  Jh.  heterogen,  adj :  anders  geartet,  aus 
gr.  4Tepo-Y6vr)c  «von  einem  andern  Geschlecht 
(-fevoc  n.)»  1796  von  Heynatz  durch  «un- 
gleichartig» verdeutscht.  1710  bei  Xehring 
heterogenus. 

Hetman,  m.  (-s,  PI.  -s)-.  Kosakenober- 
haupt. Aus  gleichbed.  kleinruss.  hetman,  ent- 
lehnt aus  deutsch  Hauptmann.  1710  bei 
Xehring;  offenbar  ist  der  Ausdruck  durch 
Mazeppa  bekannt  geworden. 

Hettel,  f.  (PI.  -n):  die  Ziege,  bes.  die 
junge.  Alemannisch.  Mhd.  hatele  f.,  dazu 
1563  bei  Mathesius  Hochzeitpred.  135,  30  das 
Dim.  Hettlein  n.,  bei  Grimmeishausen  Simpl. 
1  3,  356  Kz.  Hetel  n.  Entsprechend  nd.  hitte 
i  f.,  anord.  haäna  f.  «junge  Ziege».  Verwandt 
!  ist  ii-.  cit  «Schaf»  (Zupitza  206). 

Hetze,  f.  (PI.  -n):  Hetzjagd  (Ende  des 
16.  Jh.  bei  Schweinichen  1,  251);  Koppel 
•  Hunde  zur  Hetzjagd  (1775  bei  Adelung);  das 
eilige  Treiben  (Wieland  3,  33).  Vgl.  Hatz. 
Von  hetzen,  v.:  zu  Haß,  zu  Verfolgimg 
reizen,  nihd.  hetzen,  ahd.  hezzen,  mnd.  hissen, 
hitzen,  hessen  «jagen,  aufreizen».  Gleichen 
Stammes  wie  Haß  (s.  d.).  Hetzer,  m.,  1691 
bei  Stiel  er,  spätahd.  ayiahetzari  m. «  Anhetzer», 
mnd.  hitzer.  Hetzerei,  f.,  bei  Goethe  29, 170. 
Heu,  n.  (-es,  ohne  PI.):  gedörrtes  Gras, 
insbesondere  der  ersten  Schur.  Mhd.  höuwe, 
höu,  heu,  ohne  Umlaut  houive,  ahd.  hewi, 
houwi  n.,  noch  im  16.  Jh.  Hau,  Hauw,vfetter- 
axLischHä;  dazu  asächs.  houwi,  and.  höi,  mnd. 
hoi,  hoig,  liaw,  ndl.  hooi,  ags.  Meg,  engl.hay, 
anord.  hei/  n.,  schwed.-dän.  hö,  got.  Jiawi  n., 
gewöhnlich  von  hauen  (s.  d. )  abgeleitet,  also 
urspr.  «abgehauenes  Gras».  Liden  Uppsala- 
studier  94  vergleicht  lit.  sekas  m.  «Giiin- 
futter»,  aind.  ^äJcam  n.  «eßbares  Kraut  Ge- 
müse». ABL.  heuen,  v.,  mhd.  höuwen  «Heu 
machen».  ZTJS.  Heumonat,  m.:  Monat  der 
Heuernte,  Juh,  mhd.  höumanot,  -mänet,  ahd. 
hewimänoth  m.  Heuschober,  m.:  Heu- 
haufe, im  15.  Jh.  heicschoher  bei  Diefenbach 
gl.  127^,  s.  Scliüber.  Heuschrecke,  f.  (PI. 
-n):  Feldgrille,  Grashüpfer,  mh.d.  höuschrecke, 
-schricke  m.,  ahd.  hewiscrekko,  lumscrecho  m., 
das  Mask.  noch  bis  ins  17.  Jh.,  1664  bei  Duez 
Fem.  Heicschreck;  dafür  ndl.  sprinkhaan,  ags. 
goershoppa  m.  «Grashüpfer»  und  gcersstapa 
,  m,  «Grasgänger»,  engl,  grasshopper,  got. pram- 


859 


heucheln 


Hexe 


860 


stei  f.  Zu  ahd.  scricchan  «aufspringen,  in  die 
Höhe  springen»  (s.  Schreck). 

heucheln,  v.:  sich  anders,  insbes.  besser 
stellen,  als  man  ist.  Bei  Luther  aus  der 
md.  Mundart  (z.  B.  1,  410"  vom  J.  1521) 
und  durch  ihn  in  die  hochd.  Schriftsprache 
eingeführt  (1520  bei  Lüiencron  Volksl.  3,  352), 
auch  seit  dem  16.  Jh.  nd.  huchelen,  ndl.  hui- 
chelen.  Iterativbüdung  von  älternhd.  hauchen 
«sich  ducken,  bücken»  (bei  H.  Sachs),  mhd. 
hüchen  «kauern,  sich  ducken»,  also  vom  Be- 
griff des  demütigen  Bücken s  und  Schöntuns 
ausgehend.  Ähnlich  got.  liuta  m.  «Heuchler», 
zu  ags.  lütan  «sich  neigen,  sich  bücken,  vor 
jem.  niederfallen»,  lot  n.  «Betrug»,  anord. 
lüta  «sich  niederbeugen».  Anders  Franck 
und  Schroeder  Btr.  29,  556.  ABL.  Heu- 
chelei, f.,  bei  Luther.  Heuchler,  m.,  bei 
Luther,  seit  dem  16.  Jh.  mnd.  hucheler,  hugeler, 
ndl.  huichelaar;  heuchlerisch,  adj.,  1558 
bei  Franck  Paradoxa  282%  neben  heuchelisch 
bei  Luther  1,  41 0^,  heuchlisch  5,  206 1'. 

heuer,  adv.:  in  diesem  Jahre.  Mhd.  Mure, 
hiwer,  hiuwer,  md.  hüre,  ahd.  hiuro  aus  hiuru 
d.  i.  hiu  järu,  dem  Instrumentalis  des  Demon- 
strativpronomens, dessen  Reste  in  got.  hinima 
daga,  hina  dag  (s.  heint,  heute)  vorliegen,  und 
dem  ahd.  Subst. Jar  n.  «Jahr».  Davon  heurlg, 
adj.:  diesjährig,  mhd.  1294  Murig,  im  12.  Jh. 
hürec  (Windb.  Psalmen  235). 

Heuer,  f.  (PI.  -n)-.  Miete,  Pacht.  Nord- 
deutsch, 1697  bei  Ettner  unwürd.  Doktor  404 
Heuer,  vereinzelt  im  17.  Jh.  Haur.  Mnd. 
und  mndl.  hure  f.,  nnd.  hür,  nndl.  huur  f., 
dazu  ags.  hyr  f.,  engl.  Mre,  schwed.  hyra  f., 
dän.  hyre  (Monatslohn  der  Schiffsleute).  Von 
heuern,  v.:  mieten,  pachten,  (seemännisch) 
einen  Matrosen  anwerben,  mnd.-mndl.  huren, 
nn&.hüren,  afries.Äera «pachten»,  ags.hyrian, 
engl,  hire  «dingen,  mieten»,  auch  spätmhd. 
hüren  «Pferd  oder  Wagen  mieten»  (s.  haudern). 
Unbekannter  Herkunft.  Vielleicht  zu  gr.KÜpeiv, 
KupeTv  «auf  etwas  stoßen».  Vgl.  noch  heiraten. 
^BL.  Heuerling,  m.:  MietUng,  Mietsmann, 
1741  bei  Frisch  Heurling,  mnd.  hürlink,  nnd. 
hürling,  ndl.  huurling  m.  «Mietüng»,  ags. 
hyrling  m.  «Tagelöhner,  Lohnarbeiter». 

heulen,  v.:  kläglich  schreien,  widerlich 
schallende  tiefe  Klagelaute  ausstoßen.  Mhd. 
hiuweln,  Muten,  1420  hewlen  (Schröer  Voc. 
3200),  md.  und  mnd.hülen  «heulen,  schreien», 
ahd.  hiivilön,  Mulön  «jubilieren».  Verwandt 
mit  ahd.  Muwela,  hüwela  f.  «Nachteule»  (s. 
Eule).      Weiter    dazu    gr.  KUJKÜeiv   «klagen. 


schreien,  heulen»,  aind.  fcaM^i« schreit».  ABL. 
Heuler,  m.,  1691  bei  Stieler;  davon  Heu- 
lerei,  f. 

Heune,  s.  Hüne. 

heunt,  s.  heint. 

Heumonat,  Heuschrecke  usw.,  s.  Heu. 

heute,  verkürzt  heut,  adv.:  an  diesem 
Tage;  dieser  Zeit.  Mhd.  Mute,  md.  hüte, 
ahd.  Mutu,  Muto,  gekürzt  und  verschmolzen 
aus  hiu  tagu,  dem  Instrumentalis  des  Demon- 
strativpronomens, das  im  Got.  erhalten  ist 
(s.  heint),  und  dem  Subst.  ahd.  tac  «Tag», 
also  gebildet  wie  das  gleichbed.  lat.  hödie 
aus  hoc  die.  Entsprechend  asächs.  Mudu, 
hiudiga,  and.  hodigö,  mnd.  hudene,  huden,  hude 
und  hodegen,  afries.  Mudega,  hioda,  ags.  heodoeg, 
aber  got.  im  Dativ  hinima  daga  «heute». 
ABL.  heutig,  adj.,  mhd.  Mutec,  ahd.  Mutig, 
dafür  mnd.  hudelik,  in  der  Genitivformel 
heutiges  Tages,  bei  Luther  (Bicht.  15,  19) 
heutes  tags,  ahd.  Mutiges  desses  tages. 

Hexameter,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  der 
Sechsfüßler,  der  Vers  des  Heldengedichtes 
der  alten  Griechen  und  Römer.  Aus  lat. 
versus  hexameter,  von  gr.  ^5  «sechs»  und 
ln^Tpov  n.  «Maß»,  also  «sechs  Maße  habend». 
Wohl  erst  in  der  2.  Hälfte  des  18.  Jhs.  ver- 
wendet. 

Hexe,  f.  (PI.  -n):  böse  Zauberin.  Im 
16.. Jh.  bei  Dasypodius  Hägß,  Häx,  bei  Fi-i- 
sius  1541  Hägx,  bei  Fischart  Garg.  Hechse, 
bei  Hulsius  Dict.  305*^  Hext,  mhd.  hecse, 
hexse,  hegxse,  häxe,  auch  hesse,  unverkürzt 
hegecisse  (Wiener  Jahrbb.,  Anzeigeblatt  Nr.  41 
S.  21^),  ahd.  hazus,  häzis,  häzissa,  unverküi'zt 
hagzissa,  hagazussa  f.,  daneben  he^esusa;  dazu 
mndl.  haghetisse,  haghetesse  (auch  «Eidechse»), 
nndl.  heks,  ags.  hcegtesse,  hcegtis  f.,  engl.  hag. 
Weigand  nahm  Ableitung  von  ahd.  hag  m. 
«Einfriedigung»  an,  entsprechend  ahd.  zünrite 
f.  «Hexe»,  anord.  tünriäur  PI.  «auf  dem  Zaun 
reitende  Gespenster».  Aber  dabei  kommt  der 
zweite  Teil  nicht  zu  seinem  Recht.  Eher  ist  an 
eine  -es-Ableitung  von  einem  Stamm  hagat- 
zu  denken,  wie  Nixe,  auch  ahd.  zaturra 
«meretrix»,  und  dieses  hagat-  vielleicht  zu 
gr.  KriKciCeiv  «schmähen».  Vgl.  die  eingehenden 
Erörtei-ungen  von  J,  Franck  bei  Hansen 
Quellen  und  Untersuchungen  zui-  Geschichte 
des  Hexenwahns  1901  S.  614—70  (Tdg.  Forsch. 
Anz.  15,  100).  ABL.  hexen,  v.,  1525  bei 
Eckstein  Coücilium  (Kloster  8,  734)  hägsen, 
dazu  afries.hexnajioocna  «behexen».  Hexerei, 
f.,    1517  bei  Keisersberg  Emeis  3*  hexerey. 


861 


M 


Hilfe 


862 


ZUS.  Hexenmeister,  w.,  1561  bei  Maaler 
Häxenmeister.  HexeilSChuß,  m.:  plötz- 
licher rheumatisclier  Schmerz  in  der  Hüfte, 
vgl.  1562  bei  Mathesius  Sar.  154^  wie  die 
ünhulden  und  Hexen  viech  und  leute  glieder 
schiessen,  hexen  und  verlehme^i,  1610  bei 
Colerus  Hausbuch  B.  6,  Kap.  58  Hexengeschoß 
n.  «Geschwür,  in  dem  man  Haare,  Gräten, 
Federn  findet»,  ags.  hcegtessan  gescot  in  urspr. 
Bedeutung. 

hi,  Laterj.  des  kichernden  Lachens.  1520 
bei  Wirsung  Calixtus  B  5^  hi,  hi,  hi. 

hickeln,  v.:  auf  einem  Beine  hüpfen; 
hinken.  Hessisch  hickeln,  fränk.  hückeln,  1664 
bei  Duez  hinckelen  «auff  ein  Bein  hupffen», 
elsäss.  hickeren  «krumm  gehen,  hinken».  Mhd. 
hickeln  «hüpfen,  springen». 

hie,  s.  hier. 

Hieb,  m.  i-es,  PI.  -e):  schneidender,  dann 
überhaupt  eindringhcher  Schlag.  1506  in 
Nürnb.  Chron.5,  705,  29  hieb.  Von  hauen  (s.  d.). 
ABL.  Hieber,  m.:  Hiebwaffe  (studentisch 
bei  Miller  Walther  148),  1734  bei  Steinbach, 
dafür  Hiebdegen  1664  bei  Duez. 

Hiefe,  f.  (PI.  -n):  Hagebutte.  Fränkisch, 
lyihd.  hiefe  f.  «Hagebutte  und  Hagebutten- 
strauch», ahd.  hiufo,  hiafo  m.  «Dom,  Dom- 
strauch»; dazu  asächs.  hiopo  m.  «Dorn»,  ags. 
heope  f.  «Hagedorn»,  engl,  hip,  aschwed.  hiupon, 
ferner  ahd.  hiufaltar,  hiufolter  m.,  hiefaltra  f., 
mhd.  hiefalter  f.  «Hagebuttenstrauch»  (vgl. 
Maßholder-,  Wachholder).  Vielleicht  urver- 
wandt mit  abg.  sipükü  m.  «Hagerose»,  bulg. 
sipkü  «Hagebutte»,  nslow.  scipek,  serh.  sipak  m. 
«Granatapfel,  Hagebutte».  Die  Abweichung 
in  der  Lautverschiebung  müßte  wohl  durch 
n-Assimilation  erklärt  werden. 

hier,  hie,  adv.:  an  diesem  Orte.  Mhd. 
hier,  gewöhnlich  hie,  ahd.  Mar,  hia:  dazu 
asächs.  her,  hier,  hir,  mnd.  hir,  mndl.  her, 
hier,  afries.  hir,  ags.-anord.  her,  schwed.  här, 
dän.  her,  got.  her.  Eine  Bildung  zu  dem 
alten  Pronominal  stamm,  der  bei  heint  (s.  d.) 
besprochen  ist,  vgl.  her,  heuer,  heute,  hin, 
hinnen.  In  Zusammensetz,  hierauf  (1561  im 
Amadis  1,  14),  hieraus  (1626  bei  Zincgref 
Apophth.  1,  73),  hierbei  (mhd.  hie  bi),  hier- 
durch (Amadis  1,  58),  hierher  (bei  Luther 
hieher),  hierin  (mhd.  hier  inne),  hiermit  (mhd. 
hie  mite),  hiernach  (bei  Hulsius  Dict.  1605 
hienach),  hierunter  (mhd.  hier  under),  hiervon 
(Schuppius  15),  hierzu  (bei  Luther  hie  zu). 
Die  Foi-men  mit  hie  sind  in  Süddeutschland 
sehr  geläufig.      Die   bayrische  Orthographie 


schreibt  sie  regelmäßig,  wenn  das  zweite  Glied 
konsonantisch  anlautet,  Österreich  schreibt 
hiebet,  hiedurch,  hie  für,  hiegegen,  und  läßt 
die  andern  neben  hier-  zu.  ABL.  hiesig, 
adj.,  von  hie  gebildet  wie  dasig  (s.  d.)  von 
da,  1618  bei  Schönsleder,  dafür  im  15. — 17. 
Jh.  hieig  (Xümb.  Pol.-Ordn.  246)  und  im  16.  Jh. 
hieisch  (Mathesius  Sar.  75  *J. 

Hieroglyphe,  f.  (PI.  -«):  Zeichen  der 
ägyptischen  heiligen  Bilderschrift.  Zu  gr. 
iepoYXijq)oc  n.  «Hieroglyphensehreiber»,  von 
iepöc  «heilig»  und  YXOqpeiv  «eingraben».     Bei 

Goethe  Br.  24.  3.  79.  hieroglyphisch, 
adj.,  bei  Fischart  Garg.  40  hierogliphisch, 
nach  gi\-lat.  hieroglyphicus,  gr.  iepo-fXucpiKÖc. 

Hift,  m.  {-es,  PI.  -e):  Stoß  ins  Jagdhorn. 
Im  Xeuw  Jag-  und  Weidwerkbuch  (Frankf. 
1582)  1,  4^  und  1663  bei  Schottel  Hift  m., 
1664  bei  Duez  Hifft  und  Hüfft  m.  «Weyd- 
geschrey,  mit  dem  Hörn  oder  auch  mit  dem 
Mund»,  1678  bei  Krämer  Hifft  n.,  1686  bei 
Mühlpforth  Geistl.  Ged.  16  Hift  f.  «Jagdruf 
mit  dem  Jagdhorn»,  dagegen  1719  bei  Fle- 
ming t.  Jäger  254*  Hief  m.,  wohl  zu  ahd.- 
got.  hiufan,  asächs.  hiovan,  ags.  heafan  und 
heofan  «klagen,  wehklagen».  ZUS.  Hift- 
horn, n.  (-S,  PL  Hifthörner):  kleines  Hom 
des  hirschgerechten  Jägers,  1719  bei  Fleming 
teutscher  Jäger  253^  Hief-Horn,  1746  bei 
Döbel  Jäger-Practica  3,  105  Hüffthorn,  1763 
bei  Heppe  Jäger  203  Hifthorn. 

Hilfe,  f.  (PI.  -n  selten),  das  Subst.  von 
helfen  (s.  d,).  Mhd.  hilfe,  meist  helfe,  ahd. 
hilfa,  gewöhnlich  helfa  f. ;  dazu  asächs.  helpa, 
mnd.  und  afries.  helpe,  ags.  helpe  und  help, 
anord.  hjalp  f.,  dän.  hjälp.  Vornehmlich  dnrch 
Luther  hat  sich  die  aus  dem  Md.  und  Nd. 
aufgenommene  Form  Hülfe  geltend  gemacht, 
md.  im  14.  Jh.  hülfe,  ahd.  einmal  hulpa,  in 
den  Psalmen  hulpa,  mnd.  und  mndl.  hulpe  f., 
nndl.  hulp  neben  help  f.  Die  Schreibung 
Hülfe  ist  heute  noch  zulässig,  doch  wird 
Hilfe  vorgezogen.  ZUS.  Hilferuf,  m.,  1808 
bei  Campe  HiUfe^'uf  als  junges  Wort,  hilf- 
los, adj.,  mhd.  helfe-,  helflös,  ahd,  helfelös, 
asächs.  hulpilös,  afries.  helpelös:  davon  Hilf- 
losigkeit, f.,  1741  bei  Frisch,  hilfreich, 
adj.,  mhd.  helferiche.  Hilfsmittel,  n.,  1581 
bei  Fischart  Bienk.  109^  Hülffmittel.  Hilfs- 
quelle, f.,  1773  von  Wieland  im  Teutschen 
Merkur  1,  227  für  das  franz.  ressource  f.  ge- 
bildet. Hilfszeitwort,  n.  im  19.  Jh.,  dafür 
1641  bei  Schottel  416  Hülffivort  und  noch 
bei  Adelung  und  Heynatz  Hiilfsicort. 


863 


Hilpertsgriff 


Himteu 


864 


Hilpertsgriff,  m.:  hinterlistiger  Griff, 
ränkevolle  Handlung  (Tieck  15,  316).  Noch 
koburgisch.  1562  bei  Mathesius  Sar.  218^ 
Hilpersgrift,  verküi-zt  aus  Hildebrandsgriff' 
(1646  bei  Philander  3,  242),  in  der  1.  Hälfte 
des  16.  Jb.  Ä7^;ra«%H;f  (Frommann  Zeitschr. 
2, 21),  mit  Bezug  auf  das  jüngre  Hildebrands- 
lied aus  dem  15.  Jh.  Str.  12  (Uhland  Volksl. 
333):  Er  erwischt  in  hei  der  mitte  da  er 
am  sdnvechsten  was,  er  schwang  in  hinder- 
rucke wol  in  das  grüne  gras. 

Himbeere,  f.  (PI.  -n)-.  die  rote  Beere 
des  rubus  idaeus.  1546  bei  Bock  2,  12^ 
Hymheer  f.,  1578  bei  Frischlin  Nom.  Kap.  22 
Himheer stand  und  1616  bei  Henisch  Himbeer, 
Hinnheer,  hervorgegangen  aus  Hindheer  f. 
(noch  im  17.  und  18.  Jh.),  mhd.  hindbere  n., 
ahd.  hintjperi  n.,  d.  h.  «Beere,  die  die  Kinde 
(s.  d.),  die  Hirschkuh  gern  frißt:  dazu  and. 
hindberi,  ndl.  hennebezie,  ags.  hindberige  f., 
nordengl.  hindberry,  dän.  hindbär,  himbür. 
Noch  in  Ostpreußen  Hindbeere  (auch  Ins- 
beere,  wohl  aus  Hindsbeere),  in  Thüringen 
und  Obersachsen  Hingbeere  (bei  Adelung 
Hünkbeere).  Dagegen  1482  im  Voc.  theut. 
o7^  hynper  «Wachholder». 

Himmel,  m.  (-,s,  PI.  wie  Sg.):  die  blaue 
Wölbung  über  der  Erde;  Sitz  der  Sehgen: 
Baldachin,  Tragehimmel  (mhd.).  Bei  Luther 
Himel,  mhd,  himel,  md,  auch  hiemel,  ahd. 
hiniil  m.;  dazu  asächs.  himil,  afries.  himul, 
himel,  anord.  himill  m.,  schwed.  und  dän. 
himmel,  mit  l  aus  n,  wie  Esel,  Kümmel,  und 
daher  hierher  got.  himins  m.,  anord.  himinn  m. 
Daneben  Formen  mit  t  oder  f,  das  in  den 
obhquen  Kasus  vor  n  lautgesetzlich  aus  m 
entstand:  anord.  Dat.  PI.  hifnom  neben  him- 
num,  Akk.  PI.  hifna  neben  himna,  in  Zussetz. 
hifnakonungr  m.  «Himmelskönig»  neben  him- 
nakonungr,  ferner  asächs.  hetan,  hevan  m. 
«Himmel»,  mnd.  heven  m,  «der  physische 
Himmel»  im  Unterschied  von  hemmel  m.  in 
rehgiöser  Beziehung,  ags.  heofon  m.  und  heo- 
fone  f.,  engl,  heaven.  Die  Etymologie  ist 
ganz  unsicher.  Besondre  Beziehung  zu  gr. 
KU€\.eepov  n.  «Stubendecke»  besteht  nicht,  da 
l  erst  im  Germ,  entstanden  ist.  Andre  nehmen 
«Decke»  als  Grundbedeutung  an  (Wz.  ham 
«bedecken»,  s.  Hemd,  wie  lit.  dangüs  m. 
«Himmel»  zu  dengiü  «decke».  Vgl.  unten 
himilizi).  Kluge  verbindet  H.  mit  heim,  was 
unwahrscheinlich  ist.  Schließlich  könnte  man 
H.  auch  mit  aind.  acmä  m.  «Fels,  Stein» 
vergleichen  (vgl.  Hammer),  das  auch  die  Be- 


deutung «Himmel»  hat,  ebenso  awest.  asan-, 
asman-  m.  Vgl.  noch  Walde  s.  camur.  Für 
«Baldachin,  Zeltdecke»  hat  das  Ahd.  die 
Weiterbildung  himilizi  n.,  mhd.  himelze  n. 
<. Baldachin,  Zimmerdecke»,  mnd.  hemelte  n. 
«Zimmerdecke,  Gewölbe»,  ndl.  hemelte,  ghe- 
hemelte  «gewölbte  Decke  des  Munds,  Gaumem>, 
noch  Schweiz.  Himmleze  f.  «gewölbte  Decke, 
Betthimmel»,  fräher  auch  «Gaumen»,  wie  1616 
bei  Heuisch  1375,  13  Himmel  im  Mund.  RA. 
im  siebenteil  Himmel  sein,  von  den  7  Planeten- 
himmeln  der  jüdischen  Vorstellung  herge- 
nommen. Erst  im  19.  Jh.  nachzuweisen.  ABL. 
llimmeln,  v.:  zum  Himmel  streben  (Goethe 
Pandoral82,  schon  1671  bei  Otho  Krankenti'ost 
1265):  in  den  Himmel  fahren,  sterben  (1662 
bei  Lehmann  Flor.  1,  851,  noch  obei-d.  und  in 
nd.  Mundarten);  verklärt  aussehen  (1804  bei 
Bentzel-Stemau  Das  goldne  Kalb  3,  81  als 
neues  Wort).  Mhd.  himelen  «in  den  Himmel 
aufnehmen».  Mmmliscll,  adj.,  mhd.  hime- 
lisch,  himelsch,  ahd.  und  asächs.  himilisk, 
afries.  himulisk,  himelesk,  ags.  heofonisc;  im 
Adv.  ahd.  himelisko.  ZUS.  himmelan,  adv., 
1663  bei  Schottel  523.  Himmelbett,  n., 
1711  bei  Rädlein,  dagegen  schon  um  1480 
im  Voc.  ine.  teut.  1  6^  himel  ob  einem  bet. 
himmelblau,  adj.,  mhdi.himelblä.  Himmel- 
fahrt, f.,  mhd.  himelvart,  ahd.  himilfart  f. 
himmelhoch,  adj.,  1645  bei  Zesen  adriat. 
Rosemund  17.  Himmelreich,  n.,  mhd. 
himelriche,  ahd.  himilrihhi  n.;  dazu  asächs. 
himilrJki,  afries.  hünul-,  himelrlk,  anord. 
himinriki  (daneben  himna-,  hifnariki),  ags. 
heofonrice  n.  Himmelschlüssel,  m.,  mhd. 
himelslüggel  m.  (auch  Schlüsselblume,  primula 
veris),  ahd.  himilslu^^il  m.  himmelschrei- 
end, part.  Adj.,  1691  bei  Stieler  (beruht  auf 
1.  Mos.  4, 10).  Himmelskugel,  f.:  Globus, 
1648  bei  Kenuiitz  schwed.  Krieg  1,  305^  von 
1631  und  bei  Schottel  1663  S.  435.  Himmels- 
leiter, f.,  mhd.  himelleiter  f,  himmel- 
weit, adj.,  bei  Opitz  1,  2;  bildlich  himmel- 
weiter  Unterschied  1775  bei  Adelung. 

Himten,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  ein  Maß 
für  Getreide  usw.,  etwa  4  Metzen.  ISoch 
ndd.  und  ostmitteld.  aus  dem  Ndd.  Md. 
h&mmete  (Germ.  20,  43),  1517  bei  Trochus  CS*' 
hempte  «hemina»,  1594  bei  H.  J.  v.  Braun- 
schweig 458  Himpten  m.,  mnd.  hemete  m,, 
nnd.  hempte,  hempe.  himpe,  1741  bei  Frisch 
als  obersächs.  Heimbzen  m.  und  thüring.  He- 
mitze,  md.  schon  1272  heymetze,  sowie  in 
Zeitzer  Urkunden  des  15.  u.  16.  Jh.  heimbzen, 


865 


hin 


hinlänglich 


866 


heimzen,  heymitzen,  heynitzen,  hennitzen,  jetzt 
Hinzmöß  (Germ.  20,  43).  YieUeicht  aus  gleich- 
bed.  gr.-lat.  hemina,    gr.  i^aiva  und  rjjaiva  f. 

hin,  adv. :  in  der  Richtung  von  dem 
Sprechenden  weg;  zu  Ende,  in  Verlust  ge- 
kommen, verloren  (mhd.).  Mhd,  Mne,  hin, 
md.  auch  hen,  ahd.  Mna,  ags.  hin  (in  hingang 
«Abgang,  Tod»),  eine  Bildung  zu  dem  unter 
heint  (s.  d.)  besprochnen  Demonstrativpro- 
nomen. Vgl.  hinnen.  EA.  hin  und  her,  mhd. 
hin  unt  her,  auch  her  unde  hin;  hin  und  wieder: 
hin  und  zurück,  da  und  dort,  daim  und 
wann,  bei  Luther.  ZUS.  hinab,  adv.,  mhd. 
hin  abe.  hinan,  adv.,  bei  Luther,  hinauf, 
adv.,  mhd.  hin  nf,  ahd.  hina  üf.  hinans, 
adv.,  mhd.  hin  «j,  ahd.  hina  üg.  hinbringen, 
V.,  in  die  Zeit  hinbringen,  eig.  weiterbringen, 
1678  bei  Krämer.  S.  hindurch,  hinein,  hin- 
fcillig  usw.. 

Hinde,  f.  (PL  -n)  u.  Hindin,  f.  (Pl.-ne/i): 
die  Hirschkuh.  Mhd.  hinde,  ahd.  hinta,  hinda 
f.;  dazu  mnd.  hinde,  hinden,  ags.-engl.-anord.- 
schwed.-dän.  Mnd  f.  Als  urverwandt  gilt 
gr.  Ke.udc  f.  (Gen.  Keuäboc)  «Hirsch,  Antilope», 
doch  stimmt  die  Lautverschiebung  nicht. 
Liden  KZ.  40,  257  sieht  als  Gnindbedeutung 
«hornlos»  an  und  vergleicht  aind.  gämas,  für 
das  er  eine  Bedeutung  «hornlos»  erschließt. 
Dazu  lit.  smidas  «ohne  Höraer»,  smiilis  m., 
smide  f.  «Rind  ohne  Hörner»,  Vgl.  noch 
Charpentier  KZ.  40,  430,  W.  Schulze  KZ.  40, 
566.  Dazu  mit  der  weiblichen  Endung  -in 
(s.  d.)  umgebildet  1562  bei  Crusius  Gramm. 
1,  297  Hintin  neben  Hint,  1664  bei  Duez 
Hindinne,  1678  bei  Krämer  Hindin,  vor- 
bereitet dui'ch  die  mhd.  und  mnd.  Neben- 
form hinden  (Diefenbach  gl.  115^),  in  der  das 
schließende  n  aus  den  obliquen  Kasus  in  den 
Nom.  gedrungen  ist.  Vgl.  Himbeere,  Hindläufte. 

hindern,  v.:  rückgängig  machen,  im  Fort- 
gang aufhalten.  Mhd,  hindern,  ahd.  hintiren 
und  hinderön:  dazu  mnd.-ndl.  hinderen,  ags. 
hindrian,  engl,  hinder,  anord.  hindra,  schwed. 
hindra,  dän.  hindre.  Abgeleitet  von  derPräp. 
hinter  (s.  d.),  wie  mißern  von  außer,  fördern 
von  förder.  ABL.  hinderlieh,  adj.,  spät- 
mhd.  1428  hinderlich,  mhd.  im  Adv.  unhinder- 
lichen  «ungehindert».  Hindernis,  n.,  mhd. 
hindernisse,  -nüssen.,  selten  hindernisi.  Hin- 
derung, f.,  um  1480  im  Voc,  ine.  teut.  1  7*. 

Hindin,  s.  Hinde. 

Hindläufte,  f.  (PL  -n):  die  gemeine  Ci- 
chorie.  1595  bei  Rollenhagen  Froschm.  1,  2, 
24  Eindleuffte,  1482  im  Voc.  theut.  o  4*»  hyndt- 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


lauff,  mhd.  hintloifte,  ahd.  hinÜoiplm  f.,  mnd. 
hintlope,  hintlof.  Der  Name  bed.  «am  Lauf 
der  Hinde,  d.  h.  an  und  in  Waldwegen 
wachsende  Pflanze». 

hindurch,  adv.,  mhd.  hin  durch,  s.  hin. 
hinein,  adv.,  mhd.  hin  in  und  in  hin,  ahd. 
hina  in.  hinfällig,  adj.:  an  Leibeskraft  ztim 
Hinfallen  schwach,  mhd.  hinvellic  «sterbend», 
1483  bei  Melber  x  2^  hinfellig  «leer,  gehalt- 
los, vergeblich ;>;  dann  «ohne  Bestand,  ver- 
gänglich» (hinfellig  Lob  1561  bei  Maaler), 
«ohne  Halt»  fvon  Behauptungen,  1663  bei 
Schottel  862).  hinfort,  adv.,  bei  Luther 
hin  fürt,  mhd.  hinnen  vort.  hinfür,  adv., 
1464  im  Cod,  dipl.  Sax.  reg.  H,  3,  Nr.  1075 
hinfur  «femer»,  ahd.  hina  füre,  1508  bei 
Keisersberg  Pred.  67^  hinfüro,  das  sich  bis 
zum  Ende  des  18.  Jh.  erhält,  in  gleicher 
Bed.  fürhin  vom  15.  bis  ins  18.  Jh.  hin- 
fürder,  adv.:  hinfort,  1470  im  Cod.  dipl. 
Sax.  n,  8,  Nr.  1139  hynfurder,  nur  noch  alter- 
tümlich, hingeben,  v.  refl.:  sich  ganz  und 
gar  widmen,  im  18.  Jh.  (Goethe  28,  30);  da- 
zu Hingebung,  f.,  bei  Goethe  20,  211.  hin- 
gegen, adv.,  1561  im  Amadis  1,  315  u.  363; 
Konj.  da  hingegen  1582  bei  Fischart  Garg.  334. 
hingehen,  V.,  mhd. hinegän,  ahd.  hina  gangan. 

Hinkel,  n.  {-s,  PL  wie  Sg.):  Huhn,  urspr. 
Hühnchen.  Luxemb.,  rhein.,  frank,  u.  hess. 
Hinkel  und  Hünkel,  1540  bei  Albenis  dict. 
H  h  2^  und  1650  bei  Moscherosch  Phil.  2, 
333  Hünckel,  schon  1423  md.  hiyikel  und  1338 
hunckel,  Geim.  9,  20  hunclen,  aus  mhd.  huo- 
nicUn  n.,  ahd.  huonichli  n.  «junges  Huhn» 
neben  ahd.  im  8.  Jh.  huaninchili  n.  «Junges 
eines  Vogels»  (ZfdA.  3,  464^). 

hinken,  v.  (Prät.  hinkte,  Part,  gehinkt): 
mit  einem  kurzem  oder  lahmen  Fuße  gehen. 
Bei  Luther  mit  schwacher  Flexion  (l.  Kön. 
18,  26),  dagegen  mit  starker  Biegung  wie 
noch  oberdeutsch  mhd.  hinken,  (Prät.  hayic, 
Plur.  hunken,  Konj.  hunke,  Part,  gehunken), 
ahd.  hinkan,  ags.  nur  in  hellehinca  m.  «der 
hinkende  Teufel»,  anord.  hinka  «hinken,  lah- 
men», schwed.  dial.  hinka  «zaudern,  säumen», 
dän.  hinke,  ablautend  mhd.  hanken.  Dazu 
aind.  khdyd'jati  «hinkt»,  ir.  cengim  «ich  gehe» 
(Stokes  KZ.  40,  246)  und  mit  anlaut.  -s  gr. 
cKÖZieiv  «hinken»,  wie  auch  anord.  skakkr 
«lahm»,  schwed.-dän.  skakk. 

hinlänglich,  adj.:  ausreichend,  1691  bei 
Stieler,  hiulässig,  adj,:  fahrlässig,  nach- 
lässig (Herder  zu  Lit.  1,  168),  um  1480  im 
Voc, ine.  teut.  1 7 ^  hinlesig,  bei  Luther  hinlessig. 


867 


hinnen 


Hippe 


868 


^hinnen,  adv.:  von  hier  weg,  von  diesem 
Orte  weg.  Mhd.  hinnen,  ahd.  Mnana,  hinan, 
hinnan;  dazu  asächs.  Mnana,  hinan,  hinen, 
ags,  heonan,  engl,  hence.  Eine  Bildung  zu 
dem  unter  heint  (s.  d.)  besprochnen  Pro- 
nominalstamm,  wie  hin. 

"hinnen,  adv.:  hier  drin  (l.  Kor.  5,  12), 
mhd.  hinnen  und  hinne,  aus  hie  innen,  hie 
inne,  noch  md.  hinne. 

hinreichen,  x.-.  ausreichen,  1711  bei  Käd- 
lein.  hinreißen,  v.:  fortreißen,  mhd.  hin 
rigen,  übertr.in  bezug  auf  Leidenschaften,  1734 
bei  Steinbach,  hinrichten,  V.:  zugrunde 
richten,  verderben,  bei  Luther  und  1515  bei 
Pleningen  Sallust  P  2;  infolge  eines  Richter- 
siDruchs  töten,  bei  Luther  2.  Makk.  7,  41,  für 
mhd.  rihten.  Hinsicht,  f.,  1775  bei  Adelung; 
hinsichtlich,  adv.,  bei  Campe  1808  als  neu. 

hintan,  adv.:  hinten  an,  zuletzt.  171f5 
bei  Ludwig  hintan,  früher  bei  Rädlein  und 
Stieler  hindan,  mhd.  hindan  und  hindenän 
«liinten  hin».  Oft  auch  ist  hintan  aus  mhd. 
hin  dan  «hinweg»,  hintansetzen,  v.,  1531 
bei  Franck  Thron.  132». 

hinten,  adv.  Älternhd.  hinden,  1678  bei 
Krämer  hinten,  mhd.  hinden,  früh  hindene, 
ahd.  hintana;  dazu  asächs.  hi  hindan  «hinter- 
drein», mnd.  hindene,  ags.  hindan  «hinten, 
von  hinten»,  hehindan  «hinten»,  engl,  hehind, 
got.  hindana  «hinter,  jenseit»  (mit  Gen.).  Dazu 
burgund.  hendinos  «König»,  ir.  cetne  «erster», 
gall.  Cintu-(gnätos).  Vgl.  Walde  s.  v.  recens. 

^hinter,  adj.,  1678  bei  Krämer,  älternhd. 
und  mhd.  hinder,  selten  hinter,  ahd.  hintaro 
(Komp.  hintiror,  hintarero,  Sup.  hintaröst): 
dazu  and.  hindiro,  anord.  hindri  (Supei*l. 
hinnstr)  «der  spätere,  folgende»,  alte  Kom- 
parativbildung, s.  hinter  -.  Substantivisch 
Hintere,  m.  (Gen.  u.  PI.  Hintern):  das  Ge- 
säß, 1678  bei  Krämer  Hintere,  älternhd.  und 
mhd.  hindere  m. 

^hinter,  präp.  mit  Dat.  und  Akk.  je 
nach  den  Fragen  wo?  und  wohin?  1664  bei 
Dnez  und  1678  bei  Krämer  hinter,  älternhd. 
hinter,  ühd.hintar;  dazu  mnd.-ags. /a'wfier,  got. 
und  mhd.  hinder,  im  15.  Jahrh.  gewöhnlich 
hindar  «hinter,  jenseits».  Alte  Komparativ- 
bildung (entsprechend  gr.  -xepoc,  amd.-taram), 
die  in  hinter  ^  adjektivisch  gebraucht  ist  und 
zu  der  ein  Superlativ  vorliegt,  in  ags.  hin- 
dema  «der  letzte»,  mit  doppeltem  Superlativ- 
suffix got.  hindtimists  «der  hinterste,  ent- 
fernteste». ZUS.  hinterhleiben,  v. :  zurück- 
bleiben, in  bezug  auf  einen  Toten,  bei  Fleming 


132  (40,  6  L.),  bes.  die  Hinterhliehenen,  1734 
bei  Steinbach,  hinterbringen,  v.,  1678 
bei  Krämer,     hinterdrein,  adv.,   1775  bei 

Engel  Philosoph  f.  d.  Welt  1,  20.  hinter- 
gehen, v.,  mhd.  hinder gän  «von  hinten  über- 
fallen, betrügen».  Hintergrund,  m.,  1775 
bei  Adelung,  aus  der  Malerei.  Hinterhalt, 
m.:  Stütze  im  Rücken,  Rückhalt  (1480  bei 
Haltaus  914,  Reserve  von  Truppen  1476  bei 
Liliencx'on  2,  86^);  heimlicher  Vorbehalt  (1681 
bei  Riemer  polit.  Stockfisch  316);  Versteck, 
um  den  Feind  von  hinten  zu  überfallen,  so- 
wie die  dazu  beorderten  Trappen  (bei  Luther) ; 
dazu  hinterhaltig,  adj.:  heimlich  zurück- 
haltend, in  bezug  auf  Gedanken,  Gefühle  und 
Wissen,  1687  bei  Hohberg  Georgica  2,  854 '^ 
hinterhältig,  vgl.  hinder  dem  Berg  halten  1570 
bei  Agricola  Sprich w.  90^^.  hinterher,  adv., 
1716  bei  Ludwig.  Hinterlist,!,  mhd.  hinder- 
listm.:  hinterlistig,  adj.,  mhd.hinderlistec. 
hinterrücks,  adv.,  im  15.  Jh.  hinterrücks 
[hinter  mit  dem  alten  Gen.  von  Bücken,  älter 
mit  dem  Dat.),  mhd.  hinderrucke,  ahd.  hintar 
rukke  «rückwärts».  Hintersasse,  m,  (-n, 
PI.  -w):  der  hinter  einem  andern  als  dessen 
Zeit-,  Leib-,  Erbpächter  Ansässige,  mhd,  hinder- 
sce^e.  hinder se^^e  m.  Vgl.  Insasse,  Sasse. 
hinter  stellig,  adj.:  rückgängig,  abspenstig 
(Wieland  Kombabus  444),  mhd.  hindersteller 
«zurückgestellt»,  dann  «sich  nach  hinten  stel- 
lend, zuräckbleibend,  ungehorsam».  Hinter- 
teil, n.:  Steiß,  mhä. hindei'teil,  spätahd.  hinder- 
deil  n.  hintertreiben,  v.:  zurücktreiben, 
verhindern,  bei  Opitz  1, 166.  Hinterwäldler, 
m.  (-S,  PI.  wie  Sg.),  Übersetzung  des  amerika- 
nischen hackwoodsman ;  dann  derber  Mensch 
ohne  Lebensart.  Schlagwort  seit  den  vierziger 
Jahren  des  19.  Jh.  Vgl.  Ladendorf,  hinter- 
wärts, adv.,  mh.(i..?iindenüert,  -wart,  im  14.  Jh. 
hinderwarts,  im  15.  Jh.  hintencerz. 

hinilber,  adv.:  auf  die  andre  Seite  hin, 
spätmhd.  hinüber,  s.  hin.  hinunter,  adv., 
bei  Luther,  hinweg,  ad.,  mhd.  himvec.  hin- 
wieder, adv.,  mhd.  hin  ividere.  Am  wide)-. 
hinzu,  adv.,  rad.  im  13.  Jh.  hin  zu. 

Hinz,  Hinze,  Name  des  Katers  in  der 
Tierfabel.  Zuerst  im  Reineke  Vos  78.  906  fg. 
Niederd.  Koseform  von  Hinrik  (mnd.  Hintze, 
Hintzcke),  wie  oberd.  Heinz  (s.  d.)  von  Hein- 
rich.   Vgl.  Kunz. 

Hiobspost,  f.:  böse  Nachricht,  nach  Hiob 
1,  14  fg.    Bei  Goethe  (Götz)  89,  40. 

^ Hippe,  f.  (PI.  -n):  zusammengerollter 
oblatenförmiger  Kuchen,  Waffel.    Noch  ober- 


869 


Hippe 


Hirse 


870 


deutsch.  Spätmhd.  im  15.  Jh.  hipe,  liiepe  f. 
In  den  Fasnachtspielen  des  15.  Jh.  373,  1 
hole  hip  f.  «hohle  Waffel»,  daher  im  16.  und 
17.  Jh.  Hohlhippe  f.  Da  das  Wort  auch  die 
Weidenrinde  bezeichnet,  die  von  den  Knaben 
im  Frühling  zu  einer  Pfeife  hergerichtet  wird, 
so  könnte  diese  Bed.  ui'sprünglich  sein,  und 
das  Wort  zu  got.  Mufen  (s.  Hifthorn)  ge- 
hören. Der  Kuchen  wäre  dann  nach  seiner 
Gestalt  benannt. 

■Hippe,  f.  (PI.  -n):  Sichelmesser  (Offenb. 
l-i,  18j;  Sense  des  Todes  (Lessing  1,  64). 
0  bersächsische  Form  von  Heppe,  Hepe,  durch 
Luther  in  die  Schriftsprache  gekommen.  Mhd. 
(md.)  hepe,  heppe,  ahd.  heppa.  happa  f.  «Sichel, 
Sichelmesser,  Sichelbeil»,  im  15.  Jh.  auch  heepp 
(Diefenbach  gl.  606^),  1596  bei  Hulsius  Heep, 
1482  im  Voc.  theut.  n.  7''  happe.  Dazu  mnd. 
hepe,  heppe,  hiepe.  Aus  einem  germ.  Viapja 
sind  entlehnt  ital.  accia,  azza  «Axt»,  prov. 
apcha,  frz.  hache,  span.  hacha  «Axt»,  aus 
ndfrk.  happa  frz.  happe  «Halbki-eis  von  Eisen, 
Krampe».  Oberdeutsch  noch  hap.  Herkunft 
unklar.  Vielleicht  zu  gr.  kottic  f.  «Schlacht-, 
Opfermesser»,  abg.  kopije  n.  «Lanze»,  lit. 
kapöne  f.,  lett.  kapans  «Hackmesser»,  vgl. 
Zupitza  114. 

^  Hippe,  Hippleiii,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.): 
junge  Ziege,  Zicklein,  Zickelchen.  1664  bei 
Duez  Hippelein,  1586  bei  Mathesius  Syrach 
3,  10  Hepelein,  Dim.  von  bayr. -  obersächs. 
Heppe  f.,  kurhess.  Heppe,  Hippe  f.  «Ziege», 
besonders  als  Lockruf  für  diese.  !N"ach  Kluge 
vielleicht  Koseform  zu  habev  «Bock»  (s. 
Haber geiß). 

Hiril,  n.  (-S,  PI.  -e):  das  Kopfmark.  Mhd. 
hirne.  Mm,  md.  kern,  ahd.  hirni  n.;  dazu 
mnd.  kerne,  harne  n.,  ndl.  hersenen,  karsenen 
f.  und  inZusammens./<e>"seu,  mittelengl./terrtes, 
Schott,  harns,  anord.  hjarni  m.,  schwed.  hjärna 
f.,  dän.  hjerne  «Gehirn».  Daneben  anord. 
hjarsi  m.  «Kopfwirbel,  Scheitel».  Urver- 
wandt mit  lat.  cerehrum  n.  «Gehirn»,  cer- 
'  nuus  «kopfüber»,  gr.  Koip  «Kopf»,  KÖpa,  Kcipri 
f.  «Kopf»,  Koipavov,  Kcxprivov  n.  «Haupt,  Berg- 
gipfel», KÖpcr|f.  «Schläfe»,  xpäviovn.  «Schädel», 
armen,  sar  «Höhe,  Gipfel»,  awest.  sarak-  n., 
aiüd.  giras  und  glrsäm,  fßrsän-  n.  «Kopf», 
also  mit  indogerm.  k',  während  got.  kairnei 
f.  «Hirnschädel»,  anord.  hvern  f.  «die  zwei 
bootförmigen  weißen  Knochen  im  Fischgehirn, 
die  Gehörsteine»,  hverna  f.  «Topf,  Schale», 
abg.  (^rena  f.  «Schüssel»,  aind.  karayokas  m. 
«Schädel,  Gefäß»   auf  indogerm.  Ä«"  weisen. 


ZUS.  Hirilgespiust,  n.,  1716  bei  Ludwig, 
vgl.  das  Hirn  erspinnt  1648  bei  Weckher- 
lin  2,  16  F.  hirnlos,  adj.,  mhd.  kirnelös. 
Hirnschädel,  m.,  mhd.  himschedel.  Hirn- 
schale, f.,  mhd.  hirne-,  hirnschal,  ahd.  hirni- 
scala  f. 

Hirsch,  m.  {-es,  PI.  -e):  mhd.  hir^,  auch 
I  hirz,  hirtz  (noch  hess.-alemann.  Hirz),   1482 
Jim  Voc.  theut.  o  5'^  hirsck  (in  hirschenpock), 
I  im  15.  Jh.  hirß,  hirs  (auch  bei  Luther  Hirs, 
I  Hirfs),  im  16.  Jh.  Hirsch  langsam  vordringend, 
1  frühmd.  hire^,  ahd.  hint^,  hir§  m.;  dazu  andfrk. 
i  hirot  m.,  mnd.  herte,  harte  n.,  nnd.  hart  m., 
j  nndl.   hert  n.,   ags.   heorot,    heort  m.,   engl. 
:  hart,  anord.  hjörtr  m.,  schwed.-dän.  hjort  m. 
j  Urverwandt  mit  lat.  cervus  m.  «Hirsch»,  kymr. 
I  carw,  körn,  carow  «Hirsch»,   apreuß.  sirwis 
«Reh»,  gr.  Kepaöc  «gehörnt»  (zu  gr.  K^pac  n. 
«Hörn,  Geweih»,    Gen.   Kepaxoc),  also   urspr. 
«Geweihtier».      Dazu   aber   auch   lit.   kcirve, 
abg.  krava  f.  «Kuh»,  also  mit  idg.  Wechsel 
von  k  und  k'.    Lautlich  entspricht  gr.  xöpuboc 
[  m.,  Kopuböc  f.  «Haubenlerche».    Oberd.  biegt 
man  schwach:  Gen.  u.  PI.  Hirschen  (wie  im 
1  IG.  und  17.  Jh.  Teuerdank  30,  20,  Waldis  Es. 
I  2,  11,  16,  H.  Sachs,  Opitz  und  Hoffmaunswal- 
'  dau),  was  auf  schwachflekt.  mhd.  hir^e,  hirze 
\  m.  zmückgeht,  auch  bei  Luther  Hohel.  8,  14 
'  der  Dat.  Sg.  Hirssen.  ABL.  Hirschling,  m., 
der  Waldschwamm  Agaricus  deHciosus  und 
Ciavaria  coralloides,   1741  bei  Frisch.     ZUS. 
Hirschfänger,  m.:  Seitengewehr  des  Jägers 
I  zum  Fangen,  d.  h.  Abstechen  des  Hirsches, 
I  1664  bei  Duez.    Hirschgelos,  n.,  1775  bei 
Adelung,    1741    bei   Frisch   Hirschgelöse,   s. 
Gelos.  Hirschgeweih,  n.,  1581  bei  Fischart 
;  Bienk.  200^  Hirtzgeweih,  mnd.  hertestwich  n., 
I  s.  Geweih.    Hirschhorn,  n.,  mhd.  kir^hom 
'n.;   davon   hirschlioruen,  adj.,   mhd.   1391 
I  hirczhormn.     Hirschkäfer,    m.,    1664   bei 
;  Duez.      Hirschkalb,    n.,    1664    bei    Due/.. 
;  Hirschknh,  f.,  1741  bei  Frisch.   Hirscl«- 
i  Schröter,    m.:     Hirschkäfer,    s.     Schröter. 
Hirschwnrz,   f.:    das    Heilkraut   Peuceda- 
;  nuin    cervaria,    mhd.    hirpvurz,    hircesivurz 
(Hildegard],  mnd.  herteswort. 
!       Hirse,    f.    (PI.   -n),    auch    noch    m.    und 
\  Hirsen,  ni.:  die  Pflanze  Panicum  miliaceuni. 
j  Mhd,  Mrse,  hirs  m.,  ahd.  hirsi  und  hirso  ni., 
I  noch   oberd.  Hirß  m.,   bei   Duez  1664   und 
Freyer  1722  Hirsen  m.;  dazu  and.  kirsi  \n. 
Das  Vqiü.   ist   in  Norddeutschland   heimisch 
]  und  jetzt   in  der  Schriltsprache  im  wesent- 
lichen   durchgedrungen,    1663    bei   Schottel 


871 


Hirt 


Hobel 


872 


Hirse  f.,  mnd.  herse  f.;  in  md.  Mundarten 
Hirsche  f.  m,,  1516  bei  Pinicianus  Prompt. 
.J2'^  hirsch,  1638  beiHomburg Clio  B8  Hirsche. 
Mit  der  Verbreitung  der  Fracht  nach  Norden 
auch  in  die  dortigen  Sprachen  gedi-ungeii, 
ndl.-schwed.  hirs,  dän,  hirse,  isländ.  hirsi, 
engl,  hirse.  Vielleicht  zu  lat.  cirrus  m. 
«krauses,  von  Natur  gelocktes  Haar,  Haar- 
locke» oder  besser  zu  lat.  Geres  «Göttin  der 
fruchttragenden  Erde»,  11t.  serti  «füttern», 
sermenls  «Begräbnismal»,  aind.  gäspam  n. 
«junges  Gras».  Vgl.  Walde  s.  v.  Vgl.  Fench. 
ZUS.  Hirsebrei,  m.,  um  1480  im  Voc.  ine. 
teut.  18*  hirsprey,  Var.  hirßbrey,  vgl.  früh- 
mhd.  ü§  hirse  man  den  prien  tuot  (Genesis 
24,  36).  Hirsekorn,  n.,  mhd.  hirsekorn, 
ahd.  hirsechorn  n. 

Hirt,  m.  {-en,  PI.  -en),  unverküi-zt  Hirte, 
m.:  Viehhüter.  Mhd.  hirte,  hirt,  ahd.  hirti 
m.;  dazu  asächs.  hirdi,  mnd.  herde,  ags.  hirde, 
heorde,  engl,  herd,  anord.  hirdir,  got.  hair- 
deis  m.;  daneben  mit  andrer  Bildung  mhd. 
hertcere,  harter  und  hirter,  mnd.  herder,  afries. 
herdere,  ndl.  herder,  harder  m.,  daher  die 
Familiennamen  Herder,  Harder.  Lit.  kef- 
dz'us  m.  «Hirte»  ist  wohl  nicht  urverwandt, 
sondern  entlehnt.  Hirt  ist  j- Ableitung  zu 
Herde  (s.  d.).  ABL.  Hirtin,  f.  (PI.  -nen), 
1575  bei  Fischart  Garg.  812.  ZUS.  Hirten- 
brief, m.:  Brief  eines  geisthchen  Hirten, 
bischöfliches  Sendschreiben  1775  bei  Ade- 
lang. Hirtenstab,  m.,  mhd.  hirtenstap  m. 
Hirtentäschel,  n.:  das  Feldkraut  Capsella 
bursa  pastoris  mit  Samenhülsen  wie  Täsch- 
lein,  1574  bei  Fischart  Onom.  808^  Hirten- 
täsch  f.,  bei  Brunfels  1530  und  Fuchs  1542 
Hirtenseckel  m.  (s.  Täschelkraut). 

bissen,  V.:  Stangen,  Eahen,  Boote,  Flaggen 
in  die  Höhe  ziehen.  Ein  niederd.  Seemanns- 
wort, 1728  bei  Sperander  hissen,  mit  der 
Nebenform  hiesen,  1582  bei  Chyträus  tiphissen, 
1536  bei  Giseke  Hamburger  Chron.  119  his 
up  dat  segeU,  dazu  1741  bei  Frisch  Hisse 
f.  «Maschine,  womit  man  im  Schiff  etw.  in 
die  Höhe  heben  kann».  Entsprechend  bei 
den  andern  german.  Seevölkern,  ndl.  hijzen, 
hij sehen  (spr.  heischen),  (daraus  entlehnt  dän. 
heise),  norweg.-schwed.  hissa  (aus  dem  Ndd.), 
engl,  hoist,  verschieden  von  ndl.  hitsen,  bei 
KUian  hisschen  und  mnd.  hissen  «hetzen», 
aber  in  Anlehnung  daran  1557  bei  Waldis 
Esop.  2,  30,  88  die  Segel  aufhetzen.  Aus 
dem  Niederd.  entlehnt  gleichbed.  franz.  hisser 
(1664  bei  Duez  auch  hinser,  isser),  ita.\.  issare. 


span.-port.  izar.  Seit  1879  ist  auf  der  deutr 
sehen  Kriegsflotte  heißen  statt  hissen  ein- 
geführt.    Herkunft  unklar. 

Historie,  f.  (PI.  -n):  Geschichte,  Ge- 
schichtserzählung, Geschichtsbuch.  Mhd. 
historje  f.,  von  gr.-lat.  histaria,  gr.  icropia 
f. «  Geschichte  ».  Historiker,  m. :  Geschichts- 
forscher, -kundiger,  Geschichtsschreiber,  im 
18.  Jh.  gebildet  nach  dem  substantivisch  ge- 
setzten gr.-lat.  Adj,  historicus,  gr.  icxopiKÖc, 
wovon  historisch,  adj.:  geschichtlich,  1575 
bei  Fischart  Garg.  42. 

Hitsche,  s.  Hütsche. 

Hitze,  f.  (ohne  PI.):  brennende  "Wärme: 
(schon  mhd.  bildlich)  zu  große  Gemütser- 
regung. Mhd.  hitze,  ahd.  hizzea,  hizza  f.; 
dazu  asächs.  hittja,  mnd.  und  nndl,  hitte  f., 
ags.  hitt  f.,  anord.  hiti  m.,  dän.  hede  «Hitze». 
Gleichen  Stammes  wie  heizen  und  heiß  (s.  d.). 
Aus  dem  Ahd.  entlehnt  ital.  izza  f.  «Zorn, 
Unwille».  ABL.  hitzen,  v.,  mhd.  hitzen 
«heiß  machen»,  verschieden  von  mhd.  hitzen, 
ahd.  hizzön  «heiß  werden,  vor  Hitze  auf- 
wallen», hitzig,  adj.,  mhd.  hitzic,  hitzec. 
ZUS.  Hitzkopf,  m.,  bei  Goethe  30,  186 
neben  Heißkopf  (do,  270).  Hitzschlag,  m.: 
schlagflußartiger  Zustand  infolge  der  Sonnen- 
hitze, Sonnenstich,  Mitte  des  19.  Jh.,  vgl. 
1576  bei  Fischart  glückh.  Schiff  V.  211  Hitz- 
stich m.  «heißer  Stich  der  Sonne». 

ho!  Interj.  des  Zunifs  (1561  bei  Maaler), 
des  Zweifels  und  Einwui-fs  (s.  hoho,  oho). 
Auch  franz.  ho  ! 

Hobel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.) :  Unebenheiten 
abstoßendes  Glättwerkzeug  des  Schreiners. 
Mhd.  hovel,  hohel  m.,  md.  1470  bei  Diefen- 
bach  gl.  325  c  hubel  (1663  bei  Gryphius  P. 
Squentz  82  Hubel  und  noch  mundartlich), 
1540  bei  Alberus  dict.  y  1*  Hübet  m.;  da- 
zu mnd.  hovel,  hoffei,  nnd.  Iiövel  m.,  (ent- 
lehnt) schwed.  hi/fvel  n.,  dän.  hövl.  Unmög- 
lich zu  heben,  trotz  nisl.  hefill  m.  «Hobel» 
wegen  des  Vokahsmus.  Auch  russ.  sköbell 
f.  «Schabmesser»  läßt  sich  nicht  vergleichen. 
Am  nächsten  liegt  Anknüpfung  an  schaben 
(doch  bleiben  auch  dabei  Bedenken)  oder 
schieben.  ABL.  hobeln,  v.,  auch  bildhch 
«von  rauher  Sitte  glätten»  (schon  1472  bei 
Eyb  Ehebüchl.  l*'  hobeln).  Es  stammt  diese 
Bedeutung  aus  Handwerksbräuchen,  vgl.  ««- 
gehobelt.  Mhd.  im  14.  Jh.  hobeln,  md.  im 
15.  Jh.  hofein,  ho  fein  (Diefenbach  gl.  323'^, 
325  c)  und  1470  hubein,  1540  bei  Alberus  dict. 
11  4^  hübein,   mnd.  hovelen   und   im   15.  Jh. 


873 


Hoboe 


hoch 


874 


höffelen  (Diefenbach  gl.  189^),  nnd.  höveln, 
danach  bei  Luther  (l.  Kön.  6,  36)  höffein. 
Entiehnt  schwed.  hyfla,  dän.  hövle,  Island. 
hefla.  ZUS.  Hobelbank,  f.,  1508  in  der 
Straßburger  Gemma  hß'^.  Hobelspan,  m., 
1556  bei  Frisius  1169^  Hobelspan  PI. 

Hoböe,  in  Österreich  und  Bayern  auch 
Oboe,  f.  (PI.  -n):  scharftönendes,  hölzernes 
Blasinstniment.  1703  im  Zeitungslex.  Haut- 
bois  «Art  Blasinstrument,  welche  meist  bei 
den  Regimentern  zu  Fuß  und  den  Dragonern 
gebrauchet  werden»,  1716  bei  Ludwig  (teutsch- 
engl.  Lex.  925)  Hohoy  oder  schalmey.  Aus 
gleichbed.  franz.  haut-bois  m.,  d.  i.  wörtlich 
«Hochholz»  (haut  «hoch»,  bois  m,  «Holz»], 
weil  hoch  (bis  ins  3  gestrichene  g)  gehendes 
hölzernes  Blasinstniment.  Entlehnt  ins  Ita- 
lienische oboe  m.  und  daher  bei  uns  später 
auch  Oboe.  Hoboist,  m.  (-en,  PI.  -en): 
Hoboenbläser.  1711  bei  Rädlein  489^  «der 
auf  einer  Frantzösischen  Schalmey e  blaset». 

hoch,  adj.  (flekt.  hoher,  hohe,  hohes,  Komp. 
höher,  Sup.  höchst):  ausgedehnt  nach  oben. 
Mhd,  hoch  (flekt.  hoher),  ho,  ahd.  höh,  ho; 
dazu  asächs.  höh,  mnd.  hoch,  hoge,  ho,  nndl. 
hoog,  afries.  häch,  häg,  ags.  heah,  hea,  heh, 
engl,  high,  anord.  hör,  här,  schwed.  hög,  dän. 
hol,  got.  hauhs.  Der  Komp.  mhd.  Jwher. 
hoeher,  ahd.  höhiro,  ags.  heahra:  der  Superl. 
mhd.  höhest,  hoehest  (noch  bei  Luther  höhest), 
host,  ahd.  höhist,  asächs.  höhöst,  ags.'heahst, 
got.  hauhists.  Das  Adv.  mhd.  höhe,  ho,  ahd. 
und  asächs.  hoho,  mnd.  hoge,  ags.  heah,  hea, 
got.  hauhaba.  Dazu  mit  Ablaut  und  gramma- 
tischem Wechsel  Haug  und  Hügel  (s.  d.),  got. 
hiuhma  m.  «Haufen,  Menge»,  hühjan  «sam- 
meln, aufhäufen»,  und  weiter  lit.  kaukarä 
f.  «Hügel»,  kaükas  m.  «Beule»,  lett.  kuckurs 
«Höcker,  Buckel»,  russ.  kücai.  «Haufe»,  aind. 
kucas  m.  «weibliche  Brust».  Das  schwach- 
flekt.  Adj.  substantivisch  die  Hohen,  mhd. 
die  höhen  «die  Großen  des  Landes».  ABL. 
höchlich,  adv.:  in  hoher  Art,  bei  Luther, 
vom  Adj.  mhd.  höchlich,  ahd.  höhlih  «er- 
haben», ags.  healic,  im  Adv.  Malice,  engl. 
highly.  höchstens,  adv.,  bei  Luther  Briefe 
2,  662  von  1525.  S.  Höhe,  höhen,  Hoheit. 
ZUS.  Hochachtung,  f.,  1581  bei  Hedio 
Josephus  Vorr,  5^.  Hochaltar,  m.:  Haupt- 
altar, 1775  bei  Adelung.  Hochamt,  n.:  die 
feierliche  Messe  vor  dem  Hochaltar,  bei  Ade- 
lung, hochbegabt,  adj.,  1578  bei  Fischart 
Ehz.  V^orr.  3^.  hochdeutsch,  adj.:  ober- 
deutsch, süddeutsch,   1488  in  Städtechron.  3, 


67,  16  in  hochteutschen  landen,  um  1480  im 
Voc.  ine.  teut.  k  2^  Hochteutschlant  und  Hoch- 
teutscher,  von  der  Sprache  1581  bei  Fischart 
Bienenkorb  Titel  auff  gut  preyt  Fränckisch 
hoch  Teutsch  im  Gegensatz  zu  auff  Nider 
Teutsch;  dann  «Schriftdeutsch»,  1741  bei  Frisch 
Hoch-Teutsch,  wie  die  Gelehrten  teutsch  reden 
und  schreiben,  im  Gegensatz  der  unreinen, 
ungeschickten  teufschen  Aussprach  und  Mund- 
Art,  hochfahrend,  adj.,  bei  Goethe  7,  200. 
Hochflut,  f.,  schon  ags.  heahflöd  m.,  anord. 
häflöedr  f.  Hochgebirge,  n.,  mhd.  höch- 
gebirge  n.  von  den  Alpen,  hochgeboreu, 
part.  Adj.,  mhd.  hoch  geborn,  höchgeborn 
«vornehmem  Geschlecht  entsprossen,  edel»; 
jetzt  als  Titel  der  Grafen,  denen  nicht  das 
höhere  erlaucht  zukommt,  schon  1540  bei 
Hug  Rhetorica  lA^  als  Titel  der  geforsteten 
u.  nichtgefüi-steten  Grafen,  hochgelehrt, 
part.  Adj.,  mhd.  höchgeleret,  1641  bei  Schot- 
tel  376  hochgelahrt.  Hochgericht,  n., 
mhd.  1256  högerichte  n.  «Gerichtsbai-keit 
in  allen  wichtigen  bürgerlichen  und  krimi- 
nellen Sachen»  (Haltaus  930),  spätmhd.  im 
15.  Jh.  hochgericht  n.  «peinliches  Gericht»: 
dann  «Vollziehungsstätte  der  hohen  Gerichts- 
barkeit, Richtstätte»  (15.  Jh.,  Weist.  2,  51), 
«Galgen»  (Weist.  2,  410  von  1499).  hoch- 
geschoren,  part.  Adj,:  vornehm,  hochge- 
stellt, 1534  bei  Wii-sung  Calistus  cc  3,  in  urspr. 
Bed.  mhd.  höchbeschorn  «mit  äußerst  be- 
schorenem  Haar»,  dann  mit  Bezug  auf  die 
große  Tonsur  der  hohen  Geistlichkeit  höhe 
beschäm  (Erec  6632).  hochherzig,  adj., 
1641  bei  Schottel  376,  anders  got.  hauhhairts, 
ags.  heahheort  «hochmütig».  Hochmeister, 
m.:  der  oberste  Vorgesetzte  eines  geistlichen 
Ritterordens,  mhd.  höchmeister,  md.  im  14.  Jh. 
hömeistir.  Hochmut,  m.,  mhd.  höchmuot, 
md.  hömüt  m.  «edle  gehobene  Gesinnung, 
große  Freudigkeit»,  dann  «die  Überhebung 
derselben»,  daneben  mhd.  hochmiiete,  höch- 
muot f.  «Übermut»,  ahd.  höhmuoti  f.  «Hoch- 
mut» und  das  Adj.  höhmuote  «hochmütig).; 
hochmütig,  adj.,  md.  hömütic,  ahd.  höh- 
muotig  im  heutigen  Sinne,  hochnotpein- 
lich, adj.,  als  Beiname  des  Halsgerichts 
(s.  d.  und  Hochgericht),  1663  bei  Schottel 
257,  gesteigert  aus  hochpeinlich  1697  bei  Be- 
sold  Thesauinis  1,  355,  vgl.  hochnotdringende 
Ursachen  1641  bei  Schottel  376.  Hochofen, 
auch  Hohofen,  m.:  hochaufgebauter  Ofen 
zum  Schmelzen  von  Erzen.  Noch  bei  Schiller 
Eisenhammer  hoher  Ofen.    Hochschule,  f.: 


875 


Hocke 


Kode 


876 


Universität,  spätmhd.  hdchschuol  und  hohe  j 
scMol  f.  Hoclistapler,  m.:  umherziehender  [ 
vornehmer  gaunerischer  Bettler,  seit  der  Mitte 
des  19,  Jh.  in  der  Schreibung  Hochstapler 
verbreitet,  dafür  fräher  Gauäieb  (s.  d.),  1753  j 
Hochstahler,  ein  berühmter  Dieb  (Kluge  Eot- ! 
welsch  1,  229).  Zgs.  aus  hoch  «vornehm»  und  \ 
statuier,  stabuler  m.  «Bettler,  Brotsammler», 
1510  im  Liber  vagatorum  (Kluge  a.  a.  0.  1, 
38  u.  60),  in  der  Lutherschen  Ausgabe  von  ' 
1528  Staheyler,  1494  bei  Brant  Narr.  63,  41 
stahyl  m.  «Bettler»,  hochtrabend,  part. ! 
Adj.,  schon  mhd.  hochtrabende  in  heutiger 
Bed.  Hochyerrat,  m.,  1703  im  Zeit.  Lex. 
Hochwald,  m.,  mhd.  hochwalt  m.  Hoch- 
wild, n.:  alles  zur  hohen  Jagd  gehörige 
Wild,  insbes.  das  Eotwild,  Edelhirsche  und 
Rehe,  1775  bei  Adelung  (1762  bei  Heppe 
Hochwilclpret),  dafür  1512  bei  Murner  Schel- 
menzunft 44,  13  hoch  gwild,  noch  bei  Schiller 
Teil  2,  1  V.  900  Hochgewilde  n.  liocliwohl- 
gehoreil,  part.  Adj.,  als  Titel  Adeliger  und 
hoher  Staatsbeamter  gebraucht,  1672  bei  Stie- 
ler Sekretariatkunst  als  Titel  der  Freiherren. 
hochwürdig,  adj.,  als  Titel  von  hochge- 
stellten Geistlichen,  mhd. höchwii'dec  xon  hoher 
Würde,  1326  der  howerdege  herr  (Erzbischof), 
dazu  Eure  Hochwird  als  Anrede  des  Erzbi- 
schofs bei  Liither  1,  6^,  jetzt  Hoch würden. 
Hochzeit,  f.,  mhd.  höchzit  und  hochgezit,  im 
12.  Jh.  hohzit  f.  «Fest,  Kircheufest»  (die  hohe 
Zeit,  hajr.  die  hoch  Zeit,  namentlich  Weih- 
nachten, Ostern,  Pfingsten,  Allerheiligen), 
soAvie  weltliche  Festlichkeit,  dann  festliche 
Lustbarkeit,  hohe  Freude,  endlich  (Anfang 
des  13.  Jh.)  Vermählungsfeier,  Beilager:  da- 
zu and.  höchgitid  f.,  mnd.  höchtit  f.  «Fest- 
feier, kirchliches  Fest,  Vereheliehungsfeier», 
afries.  hächtid  f.  «Festtag»,  ags.  heahtid, 
anord.  hätiä  f.  «Fest».  Davon  Hochzeiter, 
m.:  Bräutigam,  1582  bei  Golius;  Hoch- 
zeiterin,  f.:  Braut,  1578  bei  Fischart  Ehz. 
D  7,^,  dafür  in  der  Zimm.  Chron."  4,  116, 
34  Jiochzeite}-e  f.;  hochzeitlich,  adj.,  mhd. 
höchzitlich  «festlich,  hochfesttäglich >^,  um  1480 
iin  Voc.  ine.  teut.  k  2^  hochzitlicJi  in  bezug 
auf  die  Vermählungsfeier;  ZUS.  Hochzeits- 
hitter,  m.:  Hochzeitseinlader,  1675  bei  Weise 
kl.  Leute  375.    S.  Hohelied,  Hohepriester. 

'Hocke,  f.  (PI.  -n):  Haufe  im  Feld  auf- 
gestellter Garben.  Niedersächsisch,  1739  bei 
Brockes  ird.  Vergnügen  6,  93,  mnd.  Jiocke, 
hake  m.  Göttingisch-grubenhagenisch  Hucke, 
Hucken  m.  «Haufe    von    Sachen»,    altmärk. 


Hock  m.  «Gras-,  Heuhaufen»,  Schweiz.  Hock 
m.  «Haufe»,  bayr.  Hocken,  Hocker  m.  und 
tirol.  Hock  m.  «Getreide-,  Heuhaufen  auf 
dem  Felde».  Urverwandt  mit  lit.  kügis  m., 
lett.  käudze  «auf  der  Wiese  stehender  großer 
Heuhaufen»,  lat.  cumuhis  (aus  ^cugmulus)  m. 
«Haufe».  S.  Hucke.  ABL.  hocken,  v.: 
Getreide  in  Hocken  setzen. 

'Hocke,  m.:  Kleinverkäufer,  s.  Höke. 
Höker. 

hocken,  v.:  zusammengebogenen  Leibes, 
krumm  niedersitzen  (1561  bei  Maaler  hocken, 
bei  Murner  Schelmenzunft  hucken);  wartend 
sitzen  (1556  bei  Frisius  897^);  dauenid  fest- 
sitzen (1531  bei  Franck.  Chron.  404^  hucken, 
1670  l)ei  Grimmeishausen  Simpl.  2,  44,  6  Kllr. 
über  den  Büchern  hocken;  sich  auf  einen 
kauernd  niederlassen.  In  der  letzten  Bed. 
mhd.  hucken  (a\Ione  Schausp.  1,  313).  Mnd. 
hucken,  huken  und  ndl.  1598  hucken  in  der 
ersten  Bed.,  daneben  mhd.  hüchen  «kauern, 
sich  ducken»  (s.  heucheln),  ndl.  huiken,  anord. 
hüka  «kauern,  hocken»,  hokinn  Part,  «nieder- 
gebogen, krumm»,  schwed.  huka  «hocken». 
Wohl  zu  ^  Hocke.  ABL.  Hocker,  m.  {-s, 
PI.  wie  Sg.) :  wer  hockt  (in  Ofenhocker, 
Stubenhocker);  Schemel,  Zeichenstuhl.  (Diese 
Bedeutung  noch  nicht  bei  Grimm.) 

Höcker,  m.  (-.9,  PI.  wie  Sg.):  Auswuchs 
des*  Rückens,  Buckel.  Mhd.  hoger  m.  (auch 
Bucklichter),  im  15.  Jh.  hogker,  hocker,  noch 
1664  bei  Duez  Hocker,  1678  bei  Krämer 
Höcker.  Die  ältere  Forai  ist  mhd,  hover 
m.  «Höcker»  (auch  Buckliger),  ahd.  hovar 
m.,  mnd.  hover,  have);  ags.  hofer  m.,  noch 
älternhd.  im  16.  Jh.  Hofer  (bei  Alberus  der 
Barfuser  Münche  usw.  Nr.  118  Hofer  neben 
Huber  m.  in  Nr.  302);  urverwandt  mit  lit. 
kuprä  f.  «Buckel,  Höcker»,  kupris  m.  «der 
Bucklige»,  gr.  Köqpoc  n.  «Höcker,  Buckel», 
KÜqpöc  «gekrümmt,  höckericht»,  aind.  kubjas 
«buckelig».  Vgl.  Hügel  und  Hübel.  Höcker 
ist  wohl  unter  Einfluß  von  hocken  aus  Hofer 
umgebildet.  ABL.  hÖckericht,  adj.,  mhd. 
hockerchf,  hogreht,  im  15.  Jh.  höckericht,  1429 
hokrot,  im  12.  Jh.  hogeroht,  in  ältrer  Form 
mhd.  hoveroht,  hovereht,  ahd.  hovaroht  «buck- 
licht», ags,  hoferede. 

Hode,  f.  (PI.  -n),  auch  Hode(n),  m.  (Gen. 
-ns):  lat.  testiculus.  Mhd.  hode  m.,  ahd.  hodo 
m.;  dazu  afries.  hothan  m.  Anknüpfungen 
sind  nach  mehreren  Seiten  möglich.  Ent- 
weder zu  lat.  cöleus  aus  *kautsleios,  lit.  hitis 
«Beutel»,   kymr.  cwd  «Hodensack»   oder  zu 


877 


Hof 


höfisch 


878 


aind.  rötlias  m.  «Anschwellung,  Aufgedunsen- 
heit»/  Vgl.  Walde  s.v.  ZTJS.  Hodensack, 
m.,  im  mrhein.  Yoc.  ex  quo  1469  hodensacke 
ra.,  ebenfalls  im  15.  .Jh.  hodensag  m.  (Diefen- 
bach  gl.  403  b). 

Hof,  m.  (-es,  PI.  Höfe):  innrer  abge- 
schloßner  Eaum  bei  Gebäuden;  Fürstensitz, 
sowie  die  an  demselben  oder  überhaupt  um 
den  Fürsten  versammelten  Vornehmen  (diese 
Bedeutung  unter  Einfloß  Ton  franz.  cour); 
Haus  und  Wirtschaftsgebäude  eines  Gutes; 
(im  15.  Jh.  auch  schon)  heller  Xebelring  um 
Sonne  oder  Mond.  In  diesen  Bed.  mhd.  hof 
m.  (Gen.  hoves,  PI.  hove,  höve),  md.  auch  hob, 
ahd.  hof  m.  (auch  Garten);  dazu  asächs.  hof 
m.  (PI.  ho'bos)  «Herrenhof,  herrschaftliches 
Gut,  Palast»,  ndl.  hof  n.  (auch  Garten),  afries. 
/'o/n.  «Haus  mit  Umgebung,  Kirch-,  Gerichts-. 
Fürstenhof»,  ags.  hof  n.  «Gebäude,  Fürsten- 
gebäude »,'anord.  hofn.  «umhegter  Raum  mit ; 
Haushaltgebäuden,  Tempel,  Fürstengebäude»,  i 
(entlehnt)  schwed.-dän.  hof.  Über  Verwandt- 
schaft mit  gr.  Kfjiroc.  m.  «Garten»  (s.  Hufe) 
vgl.  Sievers  ßtr,  16,  237.  Von  Meringer  Idg.  i 
Forsch.  18,  267  als  «Wohngrube»  zu  aind.  i 
knpas  «Grube,  Höhle»  gestellt,  wohl  besser 
aber  zu  Hühel  (s.  d.)  «Hügel».   Alles  unsicher. 

Hoflfart,  f.  (ohne  PI.):  das  Hochhinaus- 
woUen  über  andre;  Großtun  mit  Gepränge. 
Zgs.  aus  Jwch  und  Fahrt,  noch  im  16.  Jh. 
Hochfart  f.,  mhd.  hochvart  f.,  auch  höhevart, 
hövart,  hohe  zu  varn,  d.  h,  «Art  vornehm 
zu  leben,  Glanz  und  Pracht,  edler  Stolz», 
dann  «Übermut,  prangendes  Großtun,  hoch- 
fahi-endes  Wesen,  Trotz»,  ahd.  höhfart  f. 
«Übermut»,  im  14.  Jh.  hoffart,  das  im  16.  Jh. 
zur  Herrschaft  gelangt,  auch  bei  Luther  Hof- 
fart; dazu  ndrhein.  im  14.  Jh.  höfard,  h.öffard 
(Kloster- Altenberger  Hdschr.),  mnd.  hochvart, 
hovart  f.  «Hochmut».  Davon  hoff  artig,  adj. : 
hoch-  und  übermütig,  mhd.  hochvertec  «hoch- 
gesinnt, stolz,  prachtvoll»,  dann  in  heutiger 
Bed.  ahd.  höh  fertig,  höhvartig  «stolz,  über- 
mütig, trotzig»,  im  14.  Jh.  hoffertic,  dazu 
ndi-hein.  im  14.  Jh.  höferdig,  höfferdig. 

hoffen,  v.:  etwas  künftiges  Angenehmes 
erwarten.  Mhd.  hoffen  erst  im  13.  Jh.  in 
österreichischen  Gedichten,  aber  noch  nicht 
bei  Hartmann  v.  Aue,  Wolfram  v.  Eschen- 
Ijach,  Gottfried  v.  Straßburg  und  im  Volks-  j 
epos,  erst  nach  1250  wird  es  häufiger  statt 
des  altem  mhd.  dingen,  gedingen,  ahd.  dingen ! 
«hoffen»,  mit  dem  Subst.  mhd.  gedinge  m.  f.  n., 
ahd.  gidingo  m.,    gedingt  f    und    gedingi  n. 


«Denken,  Hoffnung».  Das  Wort  ist  ins  Mhd. 
und  in  die  oberd.  Mundarten  durch  das  Mittel- 
deutsche des  12.  Jh.  (hoffen)  aus  dem  Xiederd. 
eingedrungen:  andfränk.  föÄojja  f.  «Hoffnung», 
mnd.  hopen,  hupen  «hoffen»,  mndl.  hopen,  zu 
ältest  ags.  im  9.  Jh.  hopian  «hoffen»  (engl. 
hope),  fö/^opa  f.  «Hoffnung».  Entlehnt  schwed. 
hoppas,  dän.  haahe.  Einer  Zusammenstellung 
mit  lat.  cupere  «wünschen»  widerstreitet  dessen 
nach  dem  Gesetze  der  Lautverschiebung  nicht 
stimmendes  p.  Das  Wort  ist  vielmehr  mit 
hüpfen  zu  verbinden,  und  die  Bedeutungsent- 
wicklung war  wohl  «aufspringen,  erwarten, 
hoffen».  Vgl.  in  der  Jägersprache  der  Hirsch 
verhofft  «sieht  sich  um,  stutzt».  ]^och  heute 
bayr.  verhoffen  über  ein  Ding  «davon  über- 
rascht, damber  stutzig  werden,  auffahren», 
Schwab,  verhofft  «erschreckt».  Vgl.  DWB. 
4,  2,  1668.  ABL.  hoffentlich,  adv.,  1664 
bei  Duez,  mhd.  das  Adj.  hoflich,  hoffenlich 
«Hoffnung  erweckend».  Hofflinug:,  f,  md.- 
mhd.  hoffenunge  f. 

hofieren,  v.:  einem  Frauenzimmer  schön 
tun,  (ihr  als  der  Herrin)  den  Hof  macheu 
(s.  Cour);  auf  den  Hof  machen,  die  Notdurft 
verrichten  (16.  Jli.,  ZfdA.  3,  32,  43).  Mhd. 
hovieren,  hofieren,  md.  hoveren  «sich  in  fest- 
licher Geselligkeit  erfreuen,  prangen,  (mit  Dat.) 
zur  Verherrlichimg  musizieren,  ein  Ständchen 
bringen,  den  Hof  machen,  galant  sein,  auf- 
warten, dienen»,  urspr.  «das  Gefolge  sein  oder 
bilden»,  zu  ahd.  hof  m.  «Gefolge  eines  Herrn»; 
dazu  nmd.  hoveren,  haveren  «höfische  Be- 
lustigungen treiben,  aufwarten,  schmeicheln  ». 

höfisch,  adj.:  bei  Hofe  gebräuchlich  oder 
als  schicklich  geltend.  ]\Ihd.  hövpsch.  hövisch, 
höfsch,  md.  hovesch,  hofsch,  fmhmd.  huvisrh 
«zu  einem  Hofe  gehörend,  hofgemäß,  fein- 
gebildet, zart  gesittet»;  das  Wort  wui'de  ge- 
bildet, um  das  romanische  (franz.)  courtois, 
mhd.  kurtois,  kurteis  auszudriicken.  Vgl. 
hübsch.  Weitre  Ableitungen  von  Hof:  höf- 
lich, adj.:  dem  Hoftone,  d.  h.  fein  gesitteten 
und  gebildeten  Tone  gemäß,  mhd.  hovelich, 
im  Adv.  hovelich  e,  ho  fliehe,  hovelich:  dazu 
Höflichkeit,  f ,  um  1480  im  Voc.  ine.  teut. 
k  Z^  hoflichkeit.  Höfling,  m.,  mhd.  im  12.  Jli. 
hovelinc  m.  «dem  Hofleben  und  der  Hofsitte 
Angehöriger.  ZUS.  mit  Hof:  Hofhält,  m. 
und  Hofhaltung,  f.:  das  Hofhalten  eines 
Fürsten  und  die  Gesamtheit  der  dazu  gehöiigen 
Personen  und  Gegenstände,  Hof  halt  im  19.  Jh., 
Hofhaltung  1642  bei  Duez.  Hoflager,  m.: 
Ort,   wo   ein  Fürst  mit  seinem  Gefolge  vor- 


879 


Höhe 


Hohn 


880 


übergehend  weilt  (1575  bei  Fischart  Garg.  67); 
laste  Eesidenz  eines  Fürsten  (Ende  des  16.  Jh. 
bei   Schweinichen  1,  380).     Hofmaiin,   m., 
mhd.  hoveman  m.   «Diener   am   Fürstenhofe, 
Hofgut  bewohnender  Bauer»,  afries.  hofnwn 
m.    Hofmarschall,  m.,  1664  bei  Duez  Hof- 
marschalck,  dafür  Ende  des  16.  Jh.  bei  Schwei- 
nichen 1,  393  Hausmarschall.   Hofmeister, 
m.,   mhd.  hovemeister ,    afries.  Jiofmäster  m. 
«Aufseher  über  füi'stliche  Hofhaltung,  Ober- 
knecht», erst  nhd.  «Erzieher»,  bes.  «in  vor- 
nehmem Hause»  (1642  bei  Duez),  bei  Luther  i 
Sir.  20,  4   Hofemeister  «Aufseher    und   Be-  i 
wahrer    des    Gesindes   und   der   Kinder   des 
Hauses»;  davon  hof meistern,  V.:  Mangel- i 
haftes  an  jem.  rügen,  Ende  des  16.  Jh.  bei 
Schweinichen  1,  125.    Hofnarr,  m.,  1556  bei ' 
Frisius  837''.     Hofprediger,  m.,   1663  bei 
Schuppius  42.    Hofrat,  m.,  mhd.  hoveräi  m. ' 
«die    Gesamtheit    der   Käte    eines   Fürsten», 
hofrath  im   16.  Jh.  in   der  Zimm.  Chron.  ^  3, 
192,  32   «der    einzelne   Rat».      Hof reite,  f. 
(PI.  -n):  Hofraum  und  Gebäulichkeiten  eines 
Landgutes,  mhd.  liovereite  f.  «der  Hofraum, 
der  zu  dem  Haus  und  dessen  Stallungen,  zu  \ 
einem  landwirtschaftlichen  Gebäude  gehörige 
freie  Spielraum»,  dann  «Bauernhof»  (1347  hof- 
reit), um  1480  ])ei  Steinhöwel  Asop306  hofraity 
f.,  noch  bayr.- Schwab.- elsäss.-fränk.- hessisch, 
wohl  in  Zusammenhang  stehend  mit  dem  ersten  i 
Teile  von  shdi.hreiti-,  reitihuohai.  «Ansiedlung,  j 
Landgut».    Hofschranze,  m.  (-%,  PI.  -n) : 
verächtliche  Bezeichnung   für  höhre  Hofbe- 
diente, bei  Luther  3,  297  ^  Hofeschrantze,  aber  j 
bei   Lessing  Em.   Gal.  5,  4   Hofschranze  f.,  \ 
s.  Schranze.     Hofstaat,   m.   (-es,   PL  -e): 
Dienstpersonal   eines  Hofes,    1626   bei  Zinc-  i 
gref  Apophth.  1,  331  Akk.  Sg.  Hoffstaaden. 
Hofstatt,  f.  (PI.  Hofstätte):  Hofreite  (mhd. 
hove-,  hofstat,  ahd.  hovastat  f.  «Grund  und 
Boden    einer   Hofbesitzung»);    Ort,    wo   ein 
Fürst    seinen   Hof    hält   (1631    bei   Zincgref 
Apophth.  2,  53).      Hofstätte,   f.    (PI.  -n): 
Stelle  eines  Bauernhofes  oder  einer  Hofreite; 
die    Hofreite    selbst.      1522    bei    Dreyhaupt 
Beschreib,  d.  Saalkreises  1,  940  Hoffstette  f. 
Höhe,  f.,  das  Subst.  zu  hoch  (s.  d.).    Mhd. 
hoßhe,  hohe  f.  (auch  Anhöhe,  Berggipfel),  ahd. 
und  asächs.  höht  f.,  got.  hauhei  f.    hölien,  v. : 
hoch  machen,  erh'6hen,mhi.hoehen,'j\id.h6hja)i, 
höhen,  got.  hauhjan.    Hoheit,  f.,  mhd.  höch- 
heit,   md.  höcheit  f.   «Erhabenheit,    noch  im 
10.  und  17.  Jh.  Hochheit;  als  Titel  der  Fürsten 
bei  Duez  1664  und  Krämer  1678  Hoheit.  1626 


bei  Zincgref  Apophth.  1, 14  Key  serliche  Hoch- 
heit  (vom  Kaiser),  jetzt  von  Herzögen  und 
königlichen  Prinzen.  ZUS.  mit  hoch:  Hohe- 
lied, n.  (Gen.  Hohenliedes):  das  hohe  Lied 
Salomos,  bei  Luther.  Hohepriester,  m. 
(zusammengemckt  aus  der  hohe  Priester,  Gen. 
Hohenpriesters,  PI.  Hohenpriester),  in  starker 
Flexion  Hoherpriester,  m.  (aus  hoher 
Priester,  PI.  Hohepriester),  bei  Luther,  da- 
für im  Cod.  Tepl.  di  fursten  der  priester 
oder  der  phaffen. 

Höhenrauch,  s.  Herauch. 

hohl,  adj.  (Komp.  hohler,  Sup.  hohlst): 
im  Innern  leer.  Mhd.  und  ahd.  hol,  noch 
bei  Luther  und  im  18.  Jh.  hol,  1664  bei  Duez 
hohl;  dazu and.-ndl.-afries.-ags. /io?,  anorä.holr, 
dän.  Md,  woneben  engl,  hollow  «hohl».  Ge- 
wöhnlich zu  ahd.  helati  «umhüllend  verbergen» 
(s.  hehlen)  und  got.  hulundi  f.  «Höhle»,  eig. 
«die  Bergende»  gestellt,  was  aber  kaum  be- 
friedigt. Besser  zu  lat.  cavus  «hohl»,  gr. 
KÖoi  «Höhlungen»  (Hesych),  gr.  küXo  n.  PI. 
«Vertiefung  unter  dem  Auge»  u.  a.  Vgl. 
Walde  s.  V.  ABL.  Hohle,  f. :  tiefgehender 
Weg  zwischen  Berg-,  Erdwänden  (Goethe  27, 
332),  mhd.-md.  hole  f.  «Höhle»,  im  14.  und 
15.  Jh.  als  Bergmannsausdruck  halbrund  aus- 
gehauner  Baum,  Trog  von  einem  gewissen 
Maße,  anord.  hola  f.  «Höhle,  Loch».  Höhle, 
f.  (PL  -n),  mhd.^  hüle  f.  (auch  PI.  hiilinen), 
ahd.  holt  f.,  spätmd.  im  Voc.  theut.  1482  p  1  '^ 
holint,  daneben  mhd. hol  n.  (P\.hölr)  «Höhle, 
Öffnung»,  ahd.  hol  n.  (F].holir,  holer)  «Höhle, 
Loch»,  and.-afries.-anord.  hol  n.,  ags.  hol  und 
holh,  hole  n.,  engl,  hole.  Aus  dem  Germa- 
nischen entlehnt  afranz.  houle  f.  «Bordell», 
nfranz.  houle  f.  «die  hohle  See»,  hulotte  f. 
«Kaninchenhöhle»,  höhlen,  v.:  hohl  machen, 
mhd.  erholn,  erhüln  «aushöhlen»,  ahd.  holön, 
got.  ushulön,  ags.  holian;  dazu  Höhlung,  f., 
1762  im  dict.  alem.  fran^;  bei  Adelung  neben 
Höhlung,  um  1480  im  Voc.  ine.  teut.  ml^ 
holung.  Hohlheit,  f.:  das  Hohlsein,  hohle 
Stelle,  1495  in  der  Kölner  Gemma  E7'^  hol- 
heyt,  nd.  im  15.  Jh.  bei  Diefenb.  gl.  138  «^ 
haelheit,  hoylheyd.  ZUS.  hohläugig,  adj., 
1741  bei  Frisch,  hohläugig  1664  bei  Duez. 
Hohlhippe,  s.  ^ Hippe.  Hohlkehle,  f.: 
halbkreisförmig  ausgehölte  Rinne  oder  Leiste, 
1518  im  Anz.  d.  Germ.  Mus.  1866,  S.  272  Hol- 
kai f.,  bei  H.  Sachs  2,  382  Holkel  f.  Hohl- 
spiegel, m., '1716  im  Mathem.  Lex.  1299. 
Hohlweg,  m.,  1691   bei  Stieler. 

Hohn,  m.  (-S,  ohne  PI.):  Äußerung  ein-- 


881 


Hohn 


Hokuspokus 


882 


verletzenden,  herabsetzenden  tJbermutes  gegen 
jemand.  Md.  im  14.  Jahrb.  (selten)  Mn  m. 
«Schmach»,  noch  bei  Luther  im  Sinne  von 
«Schmach,  Schande»  (Jer.  31,  19);  dafür  mhd. 
hcene  f.  und  hoeiide  f.,  md.  hone  f.  «Schmach, 
Schande,  verletzendes  hochfahrendes  "Wesen», 
ahd.  Mna  und  honida  f.,  asächs.  hönäa  f.,  and. 
hönitha  «Schmach,  Schimpf»,  Substantivum 
zum  mhd.  Adj.  hcene,  md.  hone  «verachtet, 
durch  Schmähung  an  der  Ehre  kränkend, 
hochfahrend,  zornig,  böse»,  ahd.  höni  und 
ags.  hean  «schmachvoll,  verachtet,  niedrig», 
got.  hauns  «niedrig,  demütig».  Urverwandt 
mit  lett, /cawns  m.  «Schmach,  Schande,  Scham, 
Hohn»,  lit.kuvetis  «sich  schämen»,  gr.  Koöpoc- 
KaKÖc.  Vgl.  noch  Uhlenbeck  Btr.  30,  289. 
Aus  dem  Germanischen  entlehnt  franz.  ho7ite 
f.,  ital.  onta  f.,  altspan.  fonta  f.  «Schande». 
ABL.  höhnen,  v.,,mhd.  hoenen,  md.  und 
mnd.  honen,  ahd.  honen  «schmähen,  entehren», 
afries.  hena  «höhnen»,  ags.  hynan,  henan  «de- 
mütigen, schimpflich  behandeln»,  got.haiinjan 
«jem.  erniedrigen»;  aus  dem  Germanischen  ent- 
lehnt ital.  onire,  afranz.  honnir  «beschimpfen». 
höhnisch,  adj.,  mhd.  hcenisch.  hohnecken, 

V.:  mit  Sticheleien  höhnen,  1691  bei  Stieler 
honecken  und  honecheln,  1644  bei  HarsdörfFer 
Gespr.  1,  Y5''  honecklen,  haji:  und  nd.  ho- 
neckeln.  Schon  Stieler  und  Frisch  betrachten 
das  Wort  als  eine  Zusammensetz,  mit  ecken 
(in  ausecken  «ermessen,  erwägen»,  dann  «be- 
kritteln, tadeln»),  bayr.  eckein  mit  jem.  «ihm 
scharfe,  beleidigende,  herausfordernde  Worte 
sagen»  (von  mhd.  ecke  f.  «hervorstehende 
Spitze,  Schneide  der  Waffe»),  auseckeln  «ver- 
spotten» imd  durcheckeln  «tadelnd  durch- 
ziehen» (bei  Frisch):  allein  wahrscheinlich 
ist  es  wie  thüring.-obersächs.  hohniepeln 
(auch  hohnepiepeln)  «verspotten»  eine  Ver- 
stümmelung und  Umbildung  des  nicht  mehr 
verstandnen  älternhd.  holhippeln  (Luther  1, 
861  a),  holhippen  (H.  Sachs  Fab.  10,  136) 
«schmähen,  lästern,  spotten»,  von  älternhd. 
(15.  und  16.  Jh.)  holhipper  m.  «Hippenjunge, 
hausierender  Verkäufer  von  Hohlhippen  oder 
HohlwafFebi»,  dann  (weU  er  die  verächtUche 
Behandlung  mit  Schmähungen  und  Hohn  ver- 
galt) «Schmäher,  Lästrer».  ZTJS.  Hohn- 
gelächter,  n.,  1664  bei Duez.  hohnlächeln, 
V.,  1775  bei  Adelung,  hohnlachen,  v., 
mhd.  honlachen  «hinterlistig  lachen»,  hohn- 
sprechen, V.,  1414  hoensprechen  und  im 
15.  Jh.  hönspreken  (Diefenb.  gl.  148*j;  Hohn- 
Sprecher,  m.,   1691   bei  Stieler. 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


hoho!  Interj.  des  Zurufs,  des  Triumphie- 
rens  (im  14.  Jh.  Limburger  Chron.  74,  4  W.), 
dann  des  Einwurfs  und  Zweifels  (1555  bei 
Wickram  Rollw.  73,  17  K.).     S.  ho. 

Hohofen,  s.  Hochofen. 

Höhrauch,  s.  Herauch. 

hojahnen,  v.:  gähnen  (Wieland  5,  266). 
Ein  lautmalendes  nd.  Wort  bei  norddeutschen 
Schriftstellern,  mnd.  hojanen  und  im  15.  Jh. 
bei  Diefenbach  gl.  276*^  hoianen,  md.  1517 
bei  Trochus  Q  3^  hoganen. 

HÖke,  m.  (-W,  PL  -n):  Kleinverkäufer 
roher  Eßwaren  usw.  an  öffentlichem  Platze. 
ÄIhd.  hucke,  md.  hocke  m.,  noch  westmd. 
Hocke  (z.  B.  in  Frankfurt  a.  M.),  1664  bei 
Duez  Hock:  mit  verlängertem  Vokal  mnd. 
hoke,  koken  m.,  md.  in  den  Xordhäuser  Statuten 
des  15.  Jh.  und  1517  bei  Trochus  F5^  hoke, 
daher  bei  Stieler  Hoke  neben  Höker  und  bei 
Frisch  Hoke  und  Höke.  Mit  Weiterbildung 
mndl.  heukster  m.,  mittelengl.  huckstere,  engl. 
huckster  und  hucksterer  «Höke».  Wahrschein- 
lich zu  Hocke,  Hucke  f.  «Traglast,  Bündel», 
hocken  «eine  Last  auf  dem  Rücken  tragen» 
(s.  Hucke),  also  der  K^einkrämer,  der  die 
auf  dem  Lande  aufgekaufte  und  von  ihm 
feilgebotne  Ware  selbst  auf  dem  Rücken  trägt. 
ABL.  hökeu,  V.:  Kleinverkauf  mit  Lebens- 
mitteln treiben,  1691  bei  Stieler  koken,  höken, 
mnd.  koken,  dafür  bei  Moser  patr.  Phant.  1,  28 
höckern.  Höker,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.) :  Höke, 
mhd.-md.  kucker,  hocker  und  hockener,  1477 
bei  Diefenbach  gl.  422 ^  hockler,  1562  bei 
Mathesius  Sar.  173^  Höckler,  1664  bei  Duez 
Hacker,  1678  bei  Krämer  Hocker  und  Hocklei-. 
1691  bei  Stieler  Höker,  Hoker  und  Hucke)-. 
HÖkerei,  f.,  16ß4beiDuezfibcA-ere?/.  HÖkin, 
f.:  Kleinverkäuferin,  im  16.  Jahrb.  Höckin 
(Frankf.  Reform,  1,  45  §  17),  dafür  spätmhd. 
hocke  f.,  noch  1678  bei  Krämer  Hocke  f. 
neben  Hocklerin,  1664  bei  Duez  Häckerin, 
1691  bei  Stieler  Hökerinn. 

Hokuspokus,  m.,  früher  auch  n.  (Gen.  un- 
verändert): Taschenspielerei;  Gaukelspiel,  Gau- 
kelwerk. Das  Wort  taucht  zuerst  in  Eng- 
land auf,  kocospocos  1624  als  Bezeichnung  für 
Taschenspieler,  1632  als  Zauberfonnel,  und 
wandert  über  Holland  nach  Deutschland,  1644 
bei  Duez  Nomencl.  131  Oxbox  «Taschenspieler», 
1650  bei  Mosch erosch  Phil.  1,  371  Ocus  Bocus 
als  Name  eines  Buchhändlers  und  Druckers 
leichtfertiger  Geschichten,  1663  bei  Schuppius 
199  Ockes-Bockes-Possen  treiben  (1656  von 
Taschenspielern)  und  708  Ockes  Bockes,  der 

56 


883 


hold 


Holm 


884 


Änistcrdamincr  als  Name  eines  Taschenspieler- 
typus, 1669  bei  Eachel  8,  144  oJxes  hoks  als 
Zauberformel,  die  Geschwindigkeit  des  Gauk- 
l'^rs  andeutend,  1667  Hocus  Pocus  junior  oder 
Taschen- Spiel-Kunst  Titel  der  Üljersetzung 
des  englischen  Buches  Hoais  Pocus  junior, 
the  anatomic  of  legerdemain  1634.  Demnach 
ist  das  Wort  urspr.  der  hochtönende  Name 
eines  Gauklers,  nicht  eine  Verstümmelung 
der  Abendmahlsformel  hoc  est  corpus  meum. 
hold,  adj.:  freundlich  zugeneigt;  freund- 
lich und  lieb.  Mhd.  holt,  ahd.  hold  «gnädig, 
günstig,  liebend,  dienstbar,  treu»;  dazu  asächs.- 
afries.-ags.  hold,  anord.  hollr  «gnädig,  treu», 
schwed.-dän.  huld  «hold,  anmutig-,  treu,  er- 
geben» got.  hulßs  «gnädig».  Urspr,  vom  Ver- 
hältnis zwischenLehnsherrn  u. Gefolgsmann  (s. 
Holde),  einerseits  gnädig,  herablassend,  andrer- 
seits treu  ergeben.  Wohl  gleichen  Stammes  wie 
Halde  (s,  d.)  und  ahd.  hald  «sich  vorwärts 
senkend,  geneigt».  Über  andre  Erklärungen 
siehe  Zupitza  Gutt.  107.  ABL.  Holdcheil, 
n.:  Liebchen,  bei  Goethe  1,  80.  Holde,  m. 
[-n,  PI.  -n):  der  als  Lehnsmann  Abhängige, 
in  Grundholde  m.  (Adelung  1775),  mhd.  holde 
m.  «Freund,  Gehebter,  treu  ergebner  Lehns- 
mann», ahd.  holdo  m.,  woneben  mhd.  holde  f. 
«Freundin,  Dienei'in»;  in  religiöser  Beziehung 
mhd.  der  gotes  holde  «Gottesfreund»,  des  tievels 
holde  «Teufelsdiener»,  die  guoten  holde  «Haus- 
geister», ahd.  holdo  m.  «Geist,  Genius»  (s.  Un- 
hold). Holdin,  f.:  Grazie,  Charitin,  1645 
von  Zesen  Rosemund  232.  241  eingeführt, 
dann  von  Hacfedorn  und  Büro-er  für  «anmutisre 

o  O  O 

Geliebte»  gebraucht,  holdselig,  adj.,  spät- 
nihd.  im  15.  Jh.  holtselig:  Holdseligkeit,  f., 
1534  bei  Franck  Weltb.  94  ^ 

Holder,  s.  Holunder. 

holen,  V.:  herbeibriugen.  ^Ihä.holn,  holen, 
zuweilen  noch  haln,  ahd.  holön,  halon  und 
holen  «herbeiholen»,  zuweilen  auch  «rufen». 
Dazu  asächs.  halön,  halöjan,  mnd.  und  ndl. 
halen,  afries.  halia,  ags.  geholian,  engl,  hale 
(ziehen),  anord.  hala{?),  (entlehnt)  schwed. 
hala,  dän.  hale  (ziehen).  Gewöhnlich  mit  lat. 
caläre  «zusammenrufen»,  ori-.KaXeiv «rufen»,  lett. 
kaluot  «schwatzen»  zusammengestellt.  Aber 
Mansion  Btr.  33,  547  zeigt,  daß  «rufen»  nicht 
die  Grundbedeutung  war,  sondern  «(mit  An- 
strengung) herbeischaffen  ».  Er  vergleicht  gi'. 
KdXuuc  m,  «Tau».     Unsicher. 

Holfter,  f.,  s.  ^Halfter. 

Holk,  Hiilk,  m.  (-es,  PI.  e[n]):  gi-oßes 
schweres  Lastschiff  mit  flachem  Boden.     1582 


im  Ambraser  Liederbuch  215,  83  Holck  m. 
neben  Hollick  und  Hülck,  1581  bei  Fischart 
Bienk.  175''  Hulcken  PI,,  mhd.  holche,  ahd, 
holcho  m.;  dazu  mnd.  holk,  hollik,  hulk  m. 
und  holke,  ndl.  hulk  f.,  engl.  hulk.  Vielleicht 
aus  mlat.  holcas,  gr.  öXkuc  f.  «Zug-,  Last- 
schiff», von  eXK€iv  «ziehen»,  bes.  auch  vom 
Ziehen  des  Schiffes. 

holla!  Interj.  des  Anrufes,  insbes.  zum 
Aufhorchen  oder  Stehenbleiben.  1561  im 
Amadis  1,  35  hola,  1575  bei  Fischart  Garg. 
69  holla.  Urspr.  als  Zuruf  an  den  Fähr- 
mann zum  Überholen:  hola  hola,  ferg,  hol 
(um  1500  bei  Olearius  de  fide  concub.,  siehe 
Hildebrand  Beitr.  z.  d.  Unterricht  68). 

Holle,  f.  (PI.  -n):  Haarschopf,  Federbusch 
der  Vögel.  Ndd.  In  Göttingen,  Waldeck.  Viel- 
leicht zu  mnd.  hülle  f.  «Kopfbedeckung,  Kopf- 
tuch, Mütze»,  was  hochdeutsch  Hülle  wäre. 

Hölle,  f.  (PI.  -n):  Ort  der  ewig  Ver- 
dammten; der  enge  Raum  zwischen  dem 
Ofen  und  der  Wand  (spätmhd.  1488  hell  f.). 
Li  der  1.  Bed.  mhd.  helle,  ahd.  hellja,  hella  f., 
noch  bei  Luther  Helle,  1620  bei  Albertinus 
Lustgarten  136 '^  Hölle;  dazu  asächs.  hellja, 
mnd.  helle,  afries.  hille,  helle,  ndl.  und  ags. 
hei,  helle,  engl,  hell,  anord.  hei,  got.  halja  f. 
«Unterwelt,  Ort  der  ewigen  Verdammnis, 
urspr.  das  Reich  der  Todesgöttin»,  anord.  S^eZ. 
Gleichen  Stammes  wie  ahd.  helan  «verbergen» 
(s.  hehlen),  also  urspr.  die  bergende.  Zu  der 
2.  Bed.  «Ofenwinkel»,  -vgl.  ags.  heal,  hal  m. 
oder  n.,  mittelengl.  Jial  «Winkel,  Ecke»  und 
weiter  bulg,  klänik  «der  Raum  zwischen  dem 
Herde  und  der  Wand»,  serb,  klänac  m.  «Eng- 
paß» u.  a.,  lat.  callis  m.  «Bergpfad».  Vgl. 
Walde  s.  v.  Die  Worte  wären  also  eigent- 
lich zu  trennen.  ABL.  höllisch,  adj.,  mhd. 
hellisch,  hellesch,  mnd.  hellisch,  heisch.  Auf 
ndd.  Gebiet  wird  das  Wort  in  der  Aus- 
sprache hellsch  zu  einem  verstärkenden  Ad- 
verbium, z.  B.  er  ist  hellsch  klug.  ZUS. 
HÖUbailk,  f.:  Ofenbank,  1788  bei  Müsäus 
Volksra.  2,  142  Hellbank.  Höllenangst,  f.: 
Angst  vor  der  Hölle,  1562  bei  Mathesius 
Sar.  61^  Hellenangst;  höchste  Angst,  1775 
bei  Adelung.  HÖllenhraud,  m.:  der  das 
Höllenfeuer  nährt,  großer  Bösewicht,  mhd. 
hellebrant  m.  Höllenfahrt,  f.,  mhd.  helle- 
vart  f.  Höllenstein,  m,:  salpetei-saures 
Silberoxyd  als  Ätzmittel,  1762  im  Nouv.  dict., 
1722  bei  Hübner  höllischer  Stein. 

^Holui,  m.  [-es,  PL  -e):  Binnenwasser-, 
See-,  Flußinsel;  Halbinsel;  in  den  nordischen 


885  Holni  homouyin  886 

Seestädten  Platz,  wo  Schiffe  gebaut  werden  Holz,  n.  (-es,  PI.  Höher):  dichtstehender 
(1782  bei  Jacobsson).  In  der  1.  Bed.  1647  Baumwuchs,  Wald;  der  harte  Stoff  des 
bei  Olearius  Eeisebeschr.  254  aus  dem  Xiederd.,  Baumes  unter  der  Rinde;  Stück  eines  Baumes, 
nmd.  1379  holm  m.  «Flußinsel»,  asächs.  holm  In  diesen  Bed.  mhd.-ahd.  Jwlz  n.  (PI.  mhd. 
m.  «Berg,  Hügel»:  dazu  ags.  höhn  m.  «hohe  holzer,  höher,  ahd.  höh.  hohir);  dazu  asächs.- 
Meereswoge,  das  hohe  Meer»,  engl,  holm  mnd.-afries.  holt  n.  «Wald»,  ndl. /w?/f  n.,  ags. 
«Insel,  Werder,  Klippe,  Hügel»,  anord.  holmr  holt  m.  n.  «Gehölz,  Holz  als  Stoff»,  engl,  holt 
m.  und  holmi  m.  «See-  oder  Flußinsel»,  dann  «mit  Bäumen  bewachsner  Hügel,  Hain»,  anord. 
«Stätte  des  Zweikampfs,  Zweikampf»  (Holm-  holt  n.,  schwed.  hult,  dän.  holt  «kleine  Wald- 
gang),  schwed. /^o/we  m.  und  dän. />o??m  «kleine  strecke».  Urverwandt  mit  abg.  klada  f.  «Bai- 
Insel».  Gleichen  Stammes  wie  nd.  Hüll  m.  ken»,  gr.  KXdboc  m.  «Zweig,  Schößling»,  air. 
«kleine  Erhöhung»,  ndl.  hiUe,  hü,  ags.  hyll  caill  «Wald»,  vielleicht  auch  aind.  kästham  n. 
m.,  engl,  hill  «Hügel».  Ui-verwandt  mit  lat.  «Holzstück».  Tgl.  Walde  s.  v.  callis.  ABL. 
collis  m.  «Hügel»,  cohimen.  ruhnen  n.  «Höhe,  holzeil,  v.:  Holz  fäDen,  es  abschlagend  sara- 
Gipfel»,  gl".  KoXuuvöc  m.  und  KoXuüvri  f.  «Hügel»,  mein:  (studentisch)  piügehi  (1813  bei  Kluge 
Wx.kälnasva.  «Berg»,  aber  aus  dem  Deutschen  Studentenspr.).  Mhd.  Ao^ze«  <:Holz  fällen  und 
entlehnt  niss.  cholmü  m.  «Hügel».  aus  dem  Walde  führen»,  mnd.  holten:  davon 

"Holm,  m.:  Griff'  an  d^r  Axt,  Xebenfonn  Holzuug,  f.,   mhd.  hohunge  f.  «Holzhieb», 

zu   -Helm   (s.  d.).  hölzern,    adj.,    1540  bei  Alberus  dict.  112» 

Holper,   m.    (-S,   PI.  -n   oder  wie  Sg.):  höltzern,  im  15.  Jh.  mi.  holtzern  (Diefenba<;h 

kleine  Erderhöhung  als  Anstoß  auf  dem  Wege.  gl.  329''),  bei  Luther  hnltzern,  mhd.  vereinzelt 

1728  bei  Menantes  aUemeuste  Art  76.     Da-  hulzerin,    im    16.  Jh.    die    ältre   Foi-m   vei-- 

von  holperig,  adj.,  bei  Lessing  7,  21  holprich.  drängend:  höltzen,  hnltzen  (beide  bei  Luther), 

1540  bei  Alberas  dict.  g4^  hölpericht,  dafür  'höltzin  (Garg.  126),  mhd.  hühin,  md.  hulzm, 

1691  bei  Stieler  holper.    holperu,  v,,   1.540  ahd.  holzm,  mnd.  hoUe)i.    holzig,  holzicht, 

bei  Albems  dict,  aa 3^,  dafür  spätmhd.  Äo?/?e?«.  adj.:  holzartig,   1523  bei  Carlstad  Standt  der 

hilpeln.  TieWeichi  ans  hoppeln.  Tgl.  nhersinch  chrtstglaub.    Seelen   B2^    holtzig,    1541    bei 

Horhel.    Dazu  Schweiz,  hülpen  «hinken».  Fiisius  516^  holtzachtig,    1588   bei  Tabernä- 

holterdiepolter,    auch    holterpolter  montanus  holtzecht.    ZUS.  Holzapfel,  m.: 

(Bayera),  interj.:  über  Hals  und  Kopf  stür-  im  Walde    wachsender   wUder   Apfel,   mhd. 

misch  eilend.     1779  bei  Schummfl  Spitzbaii:  hohapfel   fPl.  hohepfele).      Holzbirne,    f.: 

153  holte)poltei' ,  1665  bei  Filidor  Ermelinde  wilde,    unveredelte    Birne,    mhd.  holtbir    f. 

S2  holder  die polder:  dazu  nd.  hulder  de  bulder  Holzbock,    m.:    Waldbock,    Rehbock    (um 

(bei  Yoß  4,  75  hulfer  jaulte)-),  flämisch  holder  1480   im  Voc.  ine.  teut.  ml'');    die  tierbelä- 

de  holder.     S.  poltern.  stigende   Milbe   Aearus   reduvius    (1587    bei 

Holunder,    m.    (s,    PI.  wie   Sg.J:    der  Dasypodius);  Gestell  mit  gekreuzten  Beinen 

Strauch    oder   Baimi   Sambucus.      Der   Ton  zum   Holzsägen,    daher   bildl.    grober  unbe- 

liegt  in  mhd.  und  ahd.  Zeit  wie  noch  heute  holfner  Mensch  (mhd. Ao/^fcoc).  Holzschnitt, 

in  den  Mundarten  auf  der  ersten  Sübe,   in  m.:  Holzplatte  mit  eingeschnittnem  Bild  und 

der  nhd.  Schriftsprache  auf  der  zweiten  (vgl.  deren  Abdnick  (1716  bei  Ludwig).     Holz- 

lebenäig).    Mhd.  holnnter,  holunde);  woneben  taube,  f. :  in  hohlen  Bäumen  nistende  Wald- 

holanter,   holenter,   verküi-zt   holnder,  holder,  taube,  mhd.  hohtübe,  ahd.  Itohtuba  f.    Holz- 

hoUer,    holer,    holr  m.,    daher   nhd.  Holder,  weg,  m.:    Waldweg  zur  Holzabfuhr,   bildl. 

Holr,   ahd.  holuntar,   holantar,   holander   m.  iiTtümlicher   Weg,    schon    mhd.  holzwec  m. 

Mit  der  Ableitung  -tar  (wie  in  Äffolter,  Maß-  Holzwurni,  m.,  mhd.  holzicurm  m. 

holder,   Wachholder)  aus  einem  Stamm,    der  homouyni,adj.:  gleichnamig.  DieHoniO- 

in  schwed.  hyll  m.,  dän.  hyld  vorliegt.    Dies  nyuieu,  gleichlautende  Wörter  verschiedner 

entspricht  wohl  russ. /caZftta  f.  «wilder  Schnee-  Bedeutung,   gi:-\at.  homönymxi  PI.,  vom  gr. 

baU,  Wasser-,    Maßholder,    türkische  Weide,  Adj.  ö|aujvu|ioc   «gleichnamig»,    aus    gr.  öjxöc 

Schiingenstrauch,  Mehlbeere».     In  der  Bed.  «gleich»    und    einer   Büdung   von   övo^ia   n. 

Svringe  ist  Holunder  geküi-zt  aus  spanischer  «l^anne-».     1714  bei  Wächtler  Homonymie  f. 

Holder  oder  Hollunder,  iceischer  Holler  1741  «das  Gleichnamigsein».    Homonym,  n.  (-.s, 

l)ei  Frisch,    türckischer,   welschei-.  römis  her  PI.  -e[?i]):  doppelsinniges  Wort,  Rätsel  über 

Hollunder  1711  bei  Rädlein.    Vgl.  Flieder,  ein  solches. 


887 


Homöopath 


Hoppelpoppel 


888 


Homöopath,  m.  (-en,  PI.  -en) :  Arzt,  der 
solche  Mittel  in  kleinen  Gaben  gegen  Krank- 
heiten anwendet,  die  in  gi-ößern  Gaben  ein 
ähnliches  Leiden  im  gesunden  Körper  be- 
wirken würden.  Vom  Arzt  Dr.  Samuel  Hahne- 
mann  zu  Anfang  des  18.  Jh.  eingeführtes 
Wort,  aus  gr.  8|noioc  «ähnlich»  und  Trd0oc  n. 
«das  Leiden».     Dazu  Homöopathie  f. 

honett,  adj.:  ehrenhaft,  ehrbar,  anständig. 
1714  bei  Wächtler,  Aus  gleichbed.  franz. 
honnete,  afranz.  honeste,  von  lat.  honestus 
«ehrenhaft»,  zu  lat.  honös  m.  «Ehre». 

Honig,  m.  (-5,  ohne  PL):  süßer  Bienen- 
saft. Mhd.  Jionec,  honic  n.,  auch  hönic,  hünic, 
ahd.  honag,  honang  n.,  das  Neutr.  auch  bei 
Luther  und  bis  ins  18.  Jh,  (Lessing  8,  127, 
Goethe  Reineke  3,  41),  das  Mask.  1512  bei 
Keisersberg  Marie  Himelfart  10%  bei  Maaler 
Honig  m.  und  n.;  dazu  andd.  Jioneg,  hanig 
m.  (?),  mnd.  Jionnich  n.,  ndl.  Jiotiig  m.,  afries. 
und  ags.  hunig  n.,  engl,  honey,  anord.  hmiang 
n.,  schwed.  Iionung,  honitig,  dän.  honni(n)g, 
dafür  got.  milip  n.  (entsprechend  ags.  milisc 
«honigsüß»,  lat.  mel  n.,  (jQn.mellis,  gr.  \xi\\  n.. 
Gen.  la^XiToc,  ir.  mil,  armen,  metr,  alb.  mjaV 
«Honig»),  H.  gehört  zu  aind.  känakam, 
kätd  canäm  n,  «Gold»,  gr.  KvrjKÖc  m,  «Saffior», 
dor.  KvöKÖc  «gelblich»,  heißt  also  «der  gelbe», 
Zi7)S.  Honigmonat,  m.:  Flitterwochen,  bei 
Lessing  12,  146,  nach  gleichbed.  franz.  la  lune 
du  miel,  bei  Goethe  29, 63  Honigmond.  Honig- 
seim, m,:  Honigscheibe;  ausgelaßner  Honig, 
Mhd,  honecseim,  honicsein,  finihmhd,  um  1100 
honichseim  m.  Honigtau,  m.:  süße  klebrige 
Flüssigkeit  auf  Pflanzen,  verschieden  von 
Meltau  (s.  d.),   md.  im  14.  Jh.  honidow  m. 

Honorar,  n.  (s,  PI.  -e):  Ehrenlohn,  Ver- 
gütung. Im  18.  Jh.  aus  lat.  Jionörärium  n, 
«Ehrengeschenk»,  von  lat. honös  und  honorm. 
«Ehre».  Honoratioren,  PI.:  die  Geehrten, 
Angesehnen.  Bei  Goethe  26,  129,  nach  lat. 
honörätiöres,  dem  PI,  des  Komparativs  von 
honörätus  «geehrt»,  Part.  Perf.  Pass.  von 
honöräre  «ehren»,  honorieren,  v.:  ehren 
(1571  bei  Rot);  Ehrenlohn  geben,  bezahlen 
(1697  bei  Nehring),  von  lat,  honöräre  «ehren, 
womit  beehren,  belohnen»,  honörig,  adj.: 
ehrenhaft,  freigebig.  Aus  der  Studentenspr., 
wo  es  Ende  des  18.  Jh.  nachgewiesen  ist. 

hop!    Interj.,  s.  hopp. 

Hopfen,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg,  in  der  Bed, 
Hopfensorten):  Rankengewächs,  dessen  Flüchte 
zum  Bierbrauen  dienen.  Mhd,  hopfe,  ahd. 
hopfOjhoppom.  (bezeichnet  auch  andre  Pflanzen, 


s.  ZfdW,2,  226),  noch  im  17,  Jh,  Hop/f  (Opiiz 
1,  141,  Duez  1644),  Hopffe  (Krämer  1678), 
1711  bei  Rädlein  Hopffen,  and.  veld-hoppo  n, 
«eine  Pflanze  bradigabo»),  mnd,-mndl,-mengl. 
hoppe  m.,  ndl.-engl.  hop,  mlat.  hupa,  hubalus, 
woraus  awallon,  huhillon,  franz,  houhelon, 
houhlon  m.  Dafür  anord,  humli  m,  und  humla 
f,,  schwed.-dän,  humle,  mlat,  humlo,  humelo, 
humolo,  humulus.  Ein  germ,  *humalos  könnte 
aus  *humanos  entstanden  sein  (wie  kümniel 
aus  lat,  cuminus),  und  eine  Form  *humna- 
wüi'de  *hubna-  (Kompromißform  mit  humalus 
franz,  houhlon)  und  weiter  event,  huppo,  hopfo 
ergeben.  Aus  dem  Germ,  stammt  zweifellos 
russ,  chmet,  serb.  chmelj,  tschech.  chmel,  poln. 
chniiel,  daraus  ngr.  xo'JM^^i;  entlehnt  sind 
auch  magyarisch  komlo,  finnisch -esthnisch 
humala,  humal.  Die  Herkunft  des  Wortes 
H.  ist  unbekannt,  doch  ist  es  wohl  echt  ger- 
manisch. Andre  nehmen  Herkunft  aus  dem 
Osten  an,  vgl.  E.  Kuhn  KZ.  35,  313,  V.  Hehn 
Kulturpflanzen  ^  463ff.  ABL.  hopfen,  v.,  im 
16.  Jh.  bei  Paracelsus  chirurg.  Schriften  43. 
ZUS.  Hopfenstange,  f.,  mhd.  hopfen-, 
hopfestange  f. 

Hopheh,  n.  m.  {-s,  PI.  -e):  geringes  be- 
wegliches Besitztum,  Habseligkeit.  1777  bei 
Weiße  kom.  Op.2,  220  das  Dim.  Hophehchen  n., 
bayr.  Hopphe,  Hoppehe  m,,  Dim,  (auch  henne- 
berg.)  Hopphele  n,,  auch  nd.  Hopphei  m.  in 
obiger  Bed,  (so  bei  Arnim  1,  57  Hophey), 
zunächst  aber  «gesellige  Lustbarkeit  geringer 
Leute  zu  Tanzen  und  Springen,  Lärm»,  Zgs, 
aus  hopp  (s,  d,)  und  he,  hei  (s,  d,),  eig.  «hüpfe 
jubelnd  auf»,  1691  bei  Stieler  hop,  hei 

Hopp,  m,  (-es,  PI,  -e):  kurzer  Spmng  in 
die  Höhe;  Tanz  in  solchen  Spiüngen  (Goethe 
1, 179),  Dazu  anord,  hopp  n,  «Sprung,  Springe- 
tauz»,  u,  das  Zeitwort  nd,-md,  hoppen  «hüpfen» 
(s,  d,),  auch  Schweiz,  hoppen  (schon  1561  bei 
Maaler),  anord -schwed.  hoppa,  dän.  hoppe. 
hopp,  hop,  interj.,  eig.  Imperativ  von  nd.- 
md.  hoppen,  1691  bei  Stieler  hop  und  Kopp. 
Hoppas,  m.  {-es,  PI,  -e):  Sprung,  unver- 
sehner  Sprung,  Fehltritt,  Versehen,  1781  bei 
Müller  Siegfr.  v,  Lindenberg  1,  61,  nd,  auch 
Hopps  m.  hoppla,  Interj,,  der  durch  -a 
(s,  holla)  verstäi'kte  Imperativs  des  Verbs 
hoppeln,  das  von  hoppen  abgeleitet  ist, 

Hoppelpoppel,  m.  (-s,  PI,  wie  Sg.): 
etwas  unruhig  Bewegliches,  1804  bei  J.  Paul 
Flegelj.  2,  39  vom  Herzen;  Getränk  aus  Rum, 
Eiern  und  Zucker,  durch  Schlagen  und  Rühren 
zubereitet,  bei  J.  Kemer  Bilderbuch  222  Hopel- 


889 


hops 


Hom 


890 


pohel  aus  dem  Ende  des  18.  Jh.  Gebildet  aus 
hoppeln  «hüpfen»  (Stieler  1691)  und  hohheln, 
hubheln  (s.  d.)  «sprudeln»  (Stieler), 

hops,  interj.,  1779  bei  Göckingk  Lieder 
zweier  Lieb.  54,  eig.  Imperativ  von  hopsen 
(s.  d.).  hopsa,  interj.,  einen  Sprung  be- 
zeichnend, vor  Lustigkeit  (Lenz  1,  127)  oder 
beim  Stolpern,  bei  plötzlicher  Überraschung. 
Verlängert  hopsasa,  bei  Schubart  2,  143, 
hop  hey  sa  sa  1695  in  Chr.  Eeuters  Ehrliche 
Frau  86.  hopseil,  v.:  hüpfen,  springen,  bei 
Campe  1808,  Iterativ  von  md.  hoppen  (s. 
hüpfen),  entstanden  aus  hopzen,  wie  ags. 
hoppetan  «hüpfen»  zeigt. 

Horhel,  f.:  Schlag  oder  Stoß  an  den 
Kopf  (fränk.  und  sonst  bei  Schülern);  Maul- 
schelle (obersächs.).  Wie  im  Md.  stolpern 
und  storpeln  wechselt,  so  verhält  sich  wahr- 
scheinlich auch  Horhel  zu  Holper  m.  f.  «Stoß 
im  Fahren  auf  einem  rauhen  Weg»  (Frisch 
1741),  vgl.  van(i.horvelen  «holpern,  humpeln»; 
vielleicht  ist  das  Wort  aber  alt.  Zupitza  121 
vergleicht  aind.  carvä  m.  «Schlag  mit  der 
Ilachen  Hand». 

horchen,  v.:  worauf  hören,  lauschen. 
Ein  urspr.  mitteld.  Wort,  mhd.  horchen  und 
horchen,  ahd.  im  11.  Jh.  hörechen;  dazu  mnd,- 
mndl.  horken,  afries.  herkia,  ags.  heorcnian, 
hj/rcnian,  mengl.  herknen  und  herken,  engl. 
hearken  und  hark.  Intensivbildung  zu  hören 
(s.  d.).  Vgl,  gehorchen.  ABL.  Horcher,  m., 
1605  bei  Petri  der  Teutschen  Weisheit  2,  176. 

^  Horde,  f.  (PI.  -w):  wandernde  Stammes- 
genossenschaft, umherstreifender  wilder  Haufe. 
Bei  P,  Fleming  100  von  1636,  und  1647  bei 
Olearius  oriental.  Reise,  beschr.  243  und  252 
Horde  neben  Horda  528;  nach  Kluge  1534 
bei  M.  Herr  Neue  Welt  157  Horda  auf  tar- 
tarisch  eine  Versammlung  der  Menge.  Aus 
tatarisch  horda  «Lager»,  woher  auch  pers. 
ordu  «Kriegsheer,  Lager»,  russ.  ordä  f.,  ital. 
orda  f.,  ndl.-engl.-franz.  horde  f.  «Horde». 

^  Horde,  f.  (PI.  -«):  Flechtwerk  zu  Wän- 
den und  zum  DöiTen.  Md.  im  13.  Jh.  horde  f, 
«Ümhegung,  Bezü-k»,  1466  in  Frankfurt  a.  M. 
horde i.  «Flechtwerk»,  1410  dünghordet;  dazu 
mnd.  1373  hord  f.  «Flechtwerk  einer  Brücke», 
ndl.  horde  f,  «Weidengeflecht».  Das  Wort  ist 
die   md.   und   nd.  Form  von  Hürde  (s.  d.). 

hören,  v.:  durch  das  Ohr  vernehmen; 
(abstrakt)  worauf  achten  (bei  Luther  Ps.  54,  2) ; 
gehorchen  (Jes.  30,  9).  In  der  1.  Bed.  rahd. 
hoßren,  md.  hören,  ahd.  hören,  Mrran;  dazu 
asächs.  hörian,  höran,  and.  auch  häran,  afries. 


hera,  ndl.  hooren,  ags.  hyran,  heran,  engl. 
hear,  anord,  heyra,  schwed,  höra,  dän.  höre, 
got.  hausjan.  Vielleicht  urverwandt  mit  gr. 
ÖKoüeiv  «hören»,  und  weiter  mit  Ohr  (s,  d.), 
wenn  germ.  h  und  gr.  k  der  Rest  eines  selb- 
ständigen Wortes,  gr.  ok-  «scharf»  wären. 
Vgl.  Kretschmer  KZ.  33,  563.  Im  Mhd.  auch 
die  Bed,  «aufhören,  endigen»,  und  wie  im 
Mnd. -Afries. -Ags.  «im  Verhältnis  der  Ab- 
hängigkeit oder  Zugehörigkeit  von  etw.  sein, 
zugehören»,  letztre  Bed.  auch  im  Altemhd, 
und  noch  bei  Musäus  physiogn.  Reisen  4,  99, 
s,  hörig.  ABL.  hörhar,  adj.,  bei  Lessing 
11,  152.  Hörer,  m.,  mhd.  hoercere,  hoerer  m. 
«Zuhörer»,  hörig,  adj.:  in  der  Rechtssprache 

I  im  Verhältnisse  der  Abhängigkeit  stehend, 
mhd.  hoßrec  «folgsam,  leibeigen»,  ahd.  gahorig 
«gehorsam»;  dazu  Hörigkeit,  f.,  1775  bei 
Adelimg,  ndrhein.  1437  hoirichgheit  bei  Halt- 
aus 957.   ZUS.  Hörensagen,  n.,  im  15.  Jh. 

!  hörensagen  n.,  mhd.  hosrsagen  n.  Hörrohr, 
n.,  1775  bei  Adelung.    Hörsaal,  m.:  großes 

[  Lehrzimmer  auf  Hochschulen,  1728  bei  Gott- 
sched, bei  Frisch  1741  Hörstuhe. 

Horizont,  m.  (-es,  PI.  -e):  Gesichtskreis 
(s.  d.).    Bereits  im  16.  Jh.  (1509  bei  Vespucius 

■  Büchlin  A  4),    Aus  gleichbed.  gi-.-lat.  horizon 

I  m.  (Gen.  Jwrizontis),  gr,  öpiZuuv  m.,  eig.  Part. 

'  Präs.  von  öpiZeiv  «begrenzen,  umgrenzen». 
Verdeutscht  1540  bei  Alberus  dict.  0  3* 
Äugend  n.  (d.  h.  das  Aug-Ende),  1676  bei 
Francisci  Lusthaus  627  Gesichts -Ender  m., 
bei  Stieler  1691  Endkreis  m.,  in  der  See- 
mannssprache Kimm  f.  und  Kimmung  f.  (s. 
Kimme).  ABL.  horizontal,  adj.:  wage- 
recht, wasseiTecht,   1647  bei  Olearius  orient, 

'  Reisebeschr. 

Horm(e)t,  n.:  Kopfputz  der  altenburgi- 

!  sehen  Bauer  mädchen  in  Form  einer  künstlichen 

I  Krone.    Verkürzt  aus  Haarband  n.,  dafür  in 

I  einer  Zeitzer  Urkunde  von  1457  schapel  n. 

Horn,  n,  [-es,  PI.  Hörner):  harte  Kopf- 
spitze mancher  Tiere;  Trinkhorn;  krummes 
Blasinstrument  (urspr.  aus  Horn  gemacht); 
homartige  harte  Masse;  Landspitze;  Berg-, 
Felsenspitze.  In  diesen  Bed.  mhd.-ahd.  horn 
n.;  dazu  asächs. -afries. -ags.  horn  m.,  nndl. 
hore7i,  hoorn  m.,  engl,  hom,  anord.-schwed.- 
dän.  horn  n.,  got.  haürn  n.  Urverwandt  mit 
lat.  cornu  n.  «Horn»,  gr.  Kcipvoc  «Hornvieh» 
(bei  Hesychius),  air.  com  «Trinkhorn»,  bei 
den  Galateni  xdpvov  (Akk.;  «Blashorn,  Trom- 
pete» (bei  Hesychius),  mit  andrer  Ableitungs- 
silbe aind.  ghdgam  «Hom»,  gr.  K^pac  n.  «Horn» 


891 


Hornis 


Horst 


892 


(Gen.  K^puTüc,  vgl.  Hirsch).    Vgl.  noch  Zu-  j 
pitza   KZ.  36,  60.      RA.   jem.   Hörner   auf- ; 
setzen  «ilin  zum  Hahnrei  machen»,  um  1426  ' 
bei   Wittenweiler   Ring  18^,   18    Mrner   an- 
setzen,  bei  Brant  Nan-.  S.  34  Z.  hörner  uff  \ 
die  oren  setzen,  bei  H.  Sachs  Fastn.  45,  166 
die    Hörner    auffsetzen.      Schon    gr.  Kepara  i 
TTOieiv  Tivi  «jem.  Hörner  machen,  zum  Hahn-  ; 
rei    machen)/    (Artemidor  2,  11).      Nach    der 
mittelalterlichen  Erzählung  vom  Zaubrer  Yir- 
gilius  verriet  sich  die  Untreue  der  Frau  da- 
durch, daß  dem  betrognen  Ehemann  ein  Hörn  ' 
aus    der  Stirn    wuchs  (Germania  4,  237   aus  | 
dem  14.  Jh.,  Kolmarer  Meisterl.  55,  14);  dazu 
gesellt  sich  die  ältre  Gepflogenheit,  dem  Ka- 
paunen   den    abgeschnittnen    Sporn    in    den  j 
Kamm   als  Hörn   einzusetzen  (1557  Heußlin  , 
Vogelb.  84*).    Sich  die  Hörner  ablaufen  «den  : 
Jugendübermut  ablegen».     Stammt  aus  den 
studentischen  Bräuchen.     Dem  Neuling  (Be- 
anus  oder  Bacchant)  v^urde  der  Gecken-  oder 
Bacchantenhut  mit  zwei  Hörnern  aufgesetzt, 
und  er  mußte  sie  sich  ablaufen,   d.  h.  «ab- ' 
stoßen».    Vgl.  Fabricius  die  akademische  De- 
position 1895.  ABL.  hörneu,  liorneu,  adj., 
ältemhd.  hürnen,   mhd.  hürnin,   hurnin,   md. 
hornln,  ahd.  hurmn.     hörnern,  adj.,    1654 
bei  Logau  3,  10,  51.    horuicht,  adj.,  mhd. 
horneht,  ahd.  hornaht,  hornoht.    Horuist,  m. 
{-en,  PI.  -eti):   Hornbläser,  bei  Campe  1813, 
dafür  got.  haftrnja  m.   ZUS.  Hornblende,  f., 
eine  grobblätterige  schwarze  Steinart,  1775  bei 
Adelung.     Hornflsch,   m.:    die  Meernadel, 
1563  in  Forers  Fischbuch 48^.  Hornkirsche, 
f.:    der   Kornelbaum,    cornus    mas,    benannt 
nach  dem  hornharten  und  hornfarbigen  Holze, 
1561  bei  Cordus.     Hornviell,  n.,  1678  bei 
Krämer.     Hornwerk,  n.:  Außenvverk  einer 
Festung,    vorn    aus    einem  Walle    und   zwei 
halben  Bastionen  bestehend,   1642  bei  Duez, 
franz.  ouvrage  ä  cornes,  aus  dem  Deutschen 
entlehnt   gleichbed.   span.  hornabeque,    port, 
hornaveque. 

Hornis,  f.,  (in  Bayern  auch)  m.,  Hor- 
uisse,  f.  (PI.  Hornissen) :  die  große  Wespen- 
art Vespa  crabro.  Mhd.  hornig,  hornu^,  hornüß 
m.,  ahd.  horna^,  hurnu^,  hurnü§  m.;  dazu 
and.  (entlehnt)  hurniz,  ags.  hyrnetu,  hyrnet  f., 
engl,  hörnet  «Hornisse».  Ältemhd.  Formen 
sind:  Hurrnuß  in.  (Maaler  1561),  Hurnis  f. 
(Schottel  1663),  Hürnis  f.  (Duez  1664),  Hür- 
nitz  (1597  Colerus  13,  114),  Hurnauß  (Dasy- 
podius  1537,  als  Fem.  1573  bei  Fischart  Flöh. 
995),   Hornauß  (Golius  1582^,  Horniisch  m. 


(Waldis  Es.  3,  85),  Horneuß  (Peypus  1530), 
Horneiß  (Mathesius  Sar.  317*),  bei  Luther 
Hornis  d,  246^  neben  PL  Hornissen;  verkürzt 
Hörnsen  (Diefenbach  gl.  154''),  Hornsen  m.  f. 
(Mathesius  Sar.  317  *),  Hurns  f.  (Schottel  1663) : 
mit  weitrer  Ableitung:  Iwrnessel  (Voc.  1470 
und  1482),  hirnysel  (1495  Brack  il'^),  hur- 
neißel  (1487  Steinhöwel65b),  Humeusel  (1566 
Mathesius  Luther  141,  31),  Hürnissel,  Hor- 
nüschel  m.  (Waldis  Es.  3,  85,  1),  Hornüssel 
(Rößün  Kreuterb.  1533),  Hornissel  f.  (Schiller 
Raub.  2,  3);  verküi'zt  Horsseln  (Apherdianus 
1581),  ndl.  1598  horsel,  nndl.  horzel  f.  Formen 
mit  l:  md.  im  14.  Jh.  harlig  m.  neben  harnig, 
um  1500  horlitz  (Diefenbach  gl.  154«^),  Hör- 
litze (Golius  1582),  Hörlitz  f.  (Duez  1664). 
Der  Ton  ruht  auf  der  ersten  Silbe,  in  neurer 
Zeit  bisweilen  auf  der  zweiten  (vgl.  Holun- 
der, lebendig).  Urverwandt  mit  lit.  sirsuö, 
sirslis  m.  «Wespe»,  sirsöne  «Horniß»,  lett. 
sirsis,  apreuß.  sirsilis  «Hornis»,  abg.  srüsa 
«Wespe»,  srüseni  m.,  lat.  crabro  (aus  *cräsro) 
TD..  «Hornis». 

Hornung,  m.  (-s,  PI.  -e):  Februar.   Mhd. 

hornunc,  ahd.  hornung  m.,  anscheinend  eine 

patronymische  Bildung,  eig.  Sohn  des  Hörn. 

In   Mitteldeutschland   heißt   der  Januar   der 

große,   der  Februar  der  Meine  Hörn  (1788 

bei  Rüdiger  Zuwachs  2,  85),   was   sich   auf 

den  harten  Frost  dieser  Monate  bezieht.    Da- 

■  hei"  zu  anord.  hiarn  n.  «hartgefromer  Schnee», 

[  lit.  sarmä  f.  «Reif»,   russ.  serenü  n.  «Reif», 

'  arm,  saht  «Eis»,  sarnum  «friere».    Vgl.  Anz. 

f.  d.  A.  30,  235.    Anders  mnd.  hörnink,  afries. 

Jtörning,  anord.  hörnungr  m..,  ags.  hörnungsunu 

m.  «unehelicher  Sohn,  Bastard»,  zu  got.  hörinön 

j  «Ehebruch  treiben;.,   ahd.  huor  «Ehebruch», 

I  huorön  «huren». 

Horoskop,  n.  {-es,  PI.  -e):  Instrument 
I  zum  Schauen  des  Planetenstandes  während 
der  Geburtsstunde  und  danach  zur  Schick- 
salsdeutung. Bei  SchiUer  Piccol.  2,  6.  Von 
gleichbed.  mlat.  horoscopiuni,  gr.  iLpocKÖiriov, 
djpocKOTTeiov  n.,  aus  gr.  üipa  f.  «Jahreszeit, 
Stunde»  und  CKoireiv  «schauen». 

Horst,  m.  {-es,  PI.  -e):  aus  Reisig  ge- 
bautes Raubvogelnest.  Aus  der  ostmd.  Jäger- 
sprache, 1719  bei  Fleming  t.  Jäger  1,  156*» 
Horst  m.  (PI.  Horsten);  schon  1475  bei  Wier- 
straat  Gr.  2696  hurst  m.  «Sitz,  Nest».  Mhd.- 
ahd.  hurst  f.  «Gesträuch,  Dickicht»  (PL  mhd. 
hürste),  1517  md.  bei  Trochus  J  2^  hörst  m. 
«Anhübe,  Hügel»,  1540  bei  Alberus  dict.  BB4'' 
Horst  «Hügelchen  mit  Gesträuch»,  wohl  in 


893 


Hort 


Hotte 


894 


dieser  Bed.  1394  md,  hörst  f.  (Barn-  liess. 
Urkunden  1,  501);  dazu  mnd.  hörst,  hurst  f, 
«niedriges  Gestrüpp»,  mengl.  hurst  «Hügel, 
Gebüsch»,  engl,  hurst.  Herkunft  unklar.  Vgl. 
Walde  s.  y.  crlnis.  ABL.  horsteu,  v.: 
nisten  (von  Raubvögeln),  1719  bei  Fleming 
Jäger  1,  150*. 

Hort,  m.  (-es,  PI.  -e):  bewakrter  Schatz; 
(dann  imMhd.)  Aufbewahrungsort  d. Schatzes; 
(im  16.  und  17.  Jh.)  sichrer  Ort,  Zuflucht- 
stätte; Schutz,  Schirm  (in  der  zweiten  Hälfte 
des  18.  Jh.  neu  aufgenommen,  1777  bei  Goethe 
an  Frau  v.  Stein  1,  124).  Mhd.  hört  m., 
ahd.  hört  n.  «gesammelter  und  verwahrter 
Schatz»;  dazu  asächs.  liord  n.  «Schatz,  innerster 
Raum»,  ags.  hoi'd  n.  m.,  engl,  hoard,  anord. 
hodd  f.,  got.  huzd  n.  «Schatz».  Wahrschein- 
lich urverwandt  mit  gr.  kücGoc  m.  «Höhlung», 
ags.  hydaUj  gr.  Keü9av,  kymr.  cuddio  «ver- 
bergen», oder  mit  aind.  kösas  m.  «Behälter», 
kostha  m.  «Unterleib,  inneres  Gemach,  Vor- 
rats-, Schatzkammer,  Ringmauer,  Gefäß». 
Vgl.  Walde  s.  v.  custos. 

Hose,  f.  (PI.  -n):  anliegendes  Beinkleid: 
(obersächs.)  röhrenförmiges  hölzernes  Gefäß, 
Wassergelte  (1700  bei  Chr.  Reuter  Graf  Ehren- 
fried 25)  oder  Butterkübel  fbei  Chr.  Weise 
Lustredner  51);  trichterförmige  Wasserwolke 
1680  bei  Francisci  Lufft-Kreys  1084  wasser- 
ziehende Hose  oder  Wasser -Hose).  Mhd. 
hose,  ahd.  hosa  f.  «Beinstrumpf  von  Leder 
oder  Zeugstoflf  zur  Bedeckung  des  Unter- 
schenkels», im  Unterschied  von  mhd.  hruoch, 
ahd,  bruoh  f.  «Bekleidung  des  Unterleibs  und 
der  Oberschenkel).  Als  seit  dem  15.  Jh. 
Bruch  imd  Hosen  in  ein  Kleidungsstück  ver- 
einigt wurden,  hieß  dieses  die  Hosen  oder 
ein  Par  Hosen  (PL,  1449  bei  Soltau  Volksl. 
1,  129,  1557  bei  Waldis  Es.  4,  94,  158),  erst 
im  19.  Jh.  die  Hose.  Entsprechend  mnd. 
hose,  hase  f.  und  ags.  hose  f.  «Beinstrumpf», 
anord.-schwed.  hosa  f.,  dän.  hose  «weit  auf- 
wärts reichender  Strumpf»,  ndl.  hoos  und 
engl,  hose  in  der  heutigen  Bed.  Die  Mund- 
arten haben  die  ältre  Bed.  bewahrt:  westfäl. 
hose  und  holst,  hase  f.  «Strumpf;/,  bayr.- 
tirol.  hos  f.  «Beinstrumpf  vom  Knie  bis  zum 
Knöchel».  Hei-kunft  dunkel.  Kaum  zu  aind. 
köäas  (s.  Hort).  Aus  dem  Gennanischen 
entlehnt  afranz.  hose,  heuse  f.,  aspan.  huesa  f., 
aport.  osa  f.  «Gamasche»,  afranz.  houseaux 
«hohe  Gamaschen»,  ital.  nosa  f.  «Hose»,  eben- 
so im  Keltischen  körn,  hos  «Beinstrumpf», 
kvmr.  hosan  «Hose». 


Hospital,  n.  (-S,  V\.  Hospitäler):  Armen-, 
Krankenhaus.  Mhd.  hospitäle,  hospitäl  n.,  ahd. 
hospitälhüs  n.;  dazu  clevisch  1477  hospitail  n. 
Aus  mlat.  hospitale  n.  «Gast-,  Fremdenhaus, 
Herberge»,  lat.  hospitälia  PI.  «Gastzinmier», 
dem  Xeutr.  des  Adj.  hospitalis  «den  Gast  be- 
treffend», von  hüspes  m,  «Gast».     S,  Spital. 

Hospitant,  m.  (-en,  PL  -en):  als  Gast 
Zuhörender.  1813  bei  Campe.  Part.  Präs. 
von  lat.  hospitäri  «als  Gast  einkehren»,  lio- 
spitiereil,  v.:  einer  Vorlesung  als  Gast  bei- 
wohnen. Bei  Campe  1813.  Bei  Roth  1791 
«als  Gast  einkehren». 

Hospiz,  n.  (-es,  PL  -e):  Herberge,  bes. 
kleines  Ordenshaus  zur  Beherbergung  L)m-ch- 
reisender:  (studentisch)  Trinkgelage  bei  einem 
Studenten  und  auf  dessen  Kosten  (1786  bei 
J.  M.  Miller  Walther  148),  Rundgesang  (1825 
bei  Kluge  Studentenspr.).  Tu  der  urspr.  Bed. 
bei  Goethe  19,  292  Hospitium  n.,  aus  lat. 
hospitium  n.  «Gastfreundschaft,  gastliche  Auf- 
nahme, Herberge»,  von  lat.  hospes  m.  «Gast». 

Hostie,  f.  (PL  -n) :  geweihtes  kleines  rundes 
Stückchen  ungesäuerten  Brotes  im  hl.  Abend- 
mahle. Mhd.  hostie,  ostie  f.,  aus  gleichbed. 
mlat.  Itostia  f.,  im  Lat.  «Sühno^ifer,  Opfer»: 
die  unblutige  Darstellung  des  Opfers  Christi 
unter  der  Gestalt  des  Brotes  imd  des  Weines 
geschieht  in  der  in  der  Messe  der  katholischen 
Kirche  vorkommenden  Wandlung. 

Hotel,  n.  {-s,  PL  -s):  gi-oßer  Gasthof 
(18.  Jh.J;  großes  Hen-enhaus  einer  Stadt, 
Palast  (17.  Jahrb.).  Entlehnt  aus  gleichbed. 
franz.  hötel  m.,  älter  hostel,  von  mlat.  hospi- 
tale n.  (s.  Hospital). 

hott!  interj.:  Ruf  zum  Rechtsgehen  des 
Zugtieres  (Fastnachtspiele  des  15.  Jh.  248,  4 
hotte,  host);  antreibender  Zuruf  an  Pferde 
zum  Geschwindergehen  (1518  bei  Keisersberg 
Sünden  d.  Munds  35  "^  /io^te,  bei  Schiller  Räuber 
4,  4  hotto:  das  auslautende  -a,  -o  entspricht 
dem  verstärkenden  mhd.  -a,  wie  in  Mordio, 
Feuerjo,  holla);  bayr.  hott!  hott!  «die  Be- 
wegung des  unfesten  Reiters  beim  Trabe 
bezeichnend».  Dazu  das  älternhd.  Zeitwort 
hotten  «zum  Rennen  antreiben»  ( Fastnachtsp. 
788,  22),  «rechts  vorwärts  gehen»  (1562  bei 
Mathesius  Sar.  123*^).  Vgl.  har.  schwude. 
ZUS.  Hottogaul,  m. :  das  Reitpferd  (SchiUer 
Räuber  4,  4),  Pferd  in  der  Kindersprache. 
1691  bei  Stieler  Hottpferd  n.  «Wagenpferd». 
1562  bei  Mathesius  147"  Hottepferdlein  (der 
Kinder). 

Hotte,   f.    (PL  -n):    hölzerne  Bütte,   d)e 


895 


Hotzel 


huf! 


896 


man  auf  dem  Rücken  trägt  (Weist.  5,  697 
von  1476,  bei  Ludwig  1716  «Bütte  der  Wein- 
leser», noch  alem.-rhein.,  dafür  Schweiz.  Swi^e f. 
«Rückenkorb  aus  Weidengeflecht>->,  auch  «Trag- 
bütte»); Buttermilch,  Quark  (ostmd.  und  nd., 
1517  bei  Trochus  Q  1  ^,  mnd.  1420  bei  Diefenb. 
gl.  530°,  ndl.  1598  hotte).  Aus  dem  Deutschen 
entlehnt  franz.  hotte  f.  «Tragkorb».  Wohl 
zusammenhängend  mit  Hütte,  da  die  Grund- 
bedeutung «geflochtner  Korb»  ist. 

Hotzel,  s.  Hutzel. 

hotzeln,  v. :  rütteln,  hart  schaukeln,  schüt- 
tern. Schweiz.-bayr.-elsäss.,  1561  bei  Maaler; 
in  der  Bedeutung  «sich  bewegen»  1575  bei 
Fischart  Garg.  99.  Iterativ  zu  Jiotzen,  md. 
und  nd.  «wiegen»,  Schweiz,  «sich  schaukelnd 
auf-  und  niederbewegen»,  spätmhd.  hotzen 
«schaukeln,  schnell  laufen»,  entsprechend  dem 
md.  und  nd.  hotten.  Vielleicht  zu  aind.  cödati, 
codäjati  «treibt  an»,  kutsäjati  «schmäht»,  gr. 
KubdZeiv  «beschimpfen». 

hu!  huh!  Interj.  des  Schreckens,  Grausens, 
Schaudenas,  Frösteins,  Staunens.  Mhd.  hü, 
selten  ahit. 

hü,  hüh,  interj.,  antreibender  Zuruf  des 
Fuhrmanns,  auch  Zunif  an  das  Zugtier,  links 
zu  gehen  oder  auch  vorwärts.    Vgl.  hott. 

Hub,  m.  (-es,  PI.  Hübe):  Handlung  des 
Hebens;  Ausgewähltes.     1691  bei  Stieler. 

Hube,  s.  Hufe. 

HÜbel,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  kleine  Er- 
höhung; Hügelchen.  Mhd.  hühel  m.,  md.  huhel, 
hohel,  huvel,  im  15.  Jh.  auch  hovel,  hofvel  m. 
«Hügel»;  dazu  andiränk.  huvel,  mnd.  hovel  m. 
«Hügel,  Höcker»,  ndl.  heuvel  m.  Gleichen 
Stammes  wie  mhd.  hover  m.  «Höcker»  (s.  d.). 
Vgl.  Hügel. 

llüben,  adv.:  diesseits.  Zuerst  bei  Maler 
Müller  2,  125  u.  284  aus  der  Volkssprache, 
dann  bei  Goethe  2,  37.  Gekürzt  aus  hie  üben 
{üben  1741  von  Frisch  als  alemannisch  be- 
zeichnet), wie  hoben  aus  hie  oben,  schon  im 
12.  Jh.  mhd.  und  noch  schweiz.-elsäss.  hoben. 

Hubert,  Mannsname,  ahd.  Hüpert,  Hubert, 
zsgez.  aus  älterm  Hugu-,  Hugbert,  Hugperaht, 
von  ahd,  hugu  m.,  mhd.  hüge  f.,  md.  huge, 
hoge  f.  m.,  asächs.  hugi  m.,  ags.  hyge  m., 
anord.  hugr  m.,  got.  hugs  m.  «Denken,  Geist, 
Sinn»,  und  -bert  (s.  d.). 

Hübner,  s.  unter  Hufe. 

hübsch,  adj.:  in  der  äußern  Erscheinung 
wohlgefällig.  Mhd. hübesch, hübsch,  md. hubisch, 
hobisch,  hübsch  «hofgemäß,  fein  gebildet  und 
gesittet,  unterhaltend»,  im  15.  Jh.  «fein  aus- 


sehend, gefallend,  schön».  Ein  altes  mit 
grammatischem  Wechsel  zu  Hof  gehöriges 
Wort,  neben  dem  schon  mhd.  höfisch  steht 
mit  Anlehnung  an  Hof.  Das  franz.  courtois 
hat  bei  der  Bedeutungsentwicklung  mitge- 
wirkt. Noch  pommerisch,  obersächs.-thüring. 
in  der  Bed.  «artig»  (1777  bei  Weiße  kom. 
Opern  2,  34,  auch  «vornehm»  2,  90). 

Hucke,  f.  (PI.  -n):  der  Rücken  als  Träger 
der  Bürde.  Schlesisch  Hocke,  Hucke  f.,  bei 
Frisch  1741  Hock  ra.,  bei  Steinbach  1784 
Hocken  und  Hucken  m.,  1691  bei  Stieler 
Hucke  f.  «Rückentraglast»,  wie  noch  ober- 
sächs.-thür.,  1664  bei  Dxxez  Hocke  f.  «Bündel», 
um  1525  bei  Uhland  A'olksl.  721  hucke  f. 
«das  Bündel  des  Hausierers»,  im  15.  Jh.  in 
Städtechron.  5,  257,  19  huck  f.  «Hausierkram, 
Kleinverkauf».  Wohl  mit  ^  Hocke  verwandt. 
hucken,  v. :  auf  dem  Rücken  als  Last  tragen, 
bei  Frisch  1741  hocken,  1743  bei  Schnabel 
Insel  Felsenburg  4,  433  hucken.  Eig.  «in  ge- 
krümmter, gebückter  Stellung  eine  Last  zum 
Tragen  aufnehmen»,  eins  mit  hocken  (s.  d.). 
Dazu  das  Iterativ  huckeln  «aufhocken»  bei 
H.  Sachs  21,  25.  ZUS.  mit  hucken:  Hucke- 
pack, m.:  zum  Aufhocken  (Tragen)  be- 
stimmter Rücken  (md.  huckeback);  Traglast 
auf  dem  Rücken  (Bürger  186). 

hudeln,  v.:  in  Eile  und  nur  obenhin  tun; 
tr. :  jem.  achtlos  und  zugleich  empfindlich  be- 
handeln, plagen,  quälen.  In  beiden  Bed.  1618 
bei  Schönsleder,  1515  bei  Keisersberg  Evan- 
gelibuch 152  hudlen  «schlottern»,  1582  bei 
Fischart  Garg.  328  herumb  huddeln  «sich  mit 
jem.  herumschlagen»,  1512  bei  Murner  Narr. 
13,  47  zerhudlen  «nachlässig  zerreißen».  Von 
spätmhd.  im  15.  Jh.  hidel  m.  «Lumpe,  Lappen», 
mhd.  huderwät  f.  «Kleidung».  Wohl  zu  lit. 
skütas  «Fetzen»,  skiitös  PI.  «Abschabsei».  Vgl. 
Zupitza  127.  Dazu  aind.  kutapa-  m.  n.  «Decke 
von  Ziegenhaar»,  kuthas  m.,  kuthä  f.  «ge- 
färbte wollne  Decke» (?)  ABL.  Hudelei,  f.: 
lumpiges  Wesen  (1663  bei  Schottel);  Plage, 
Schererei  (1691  bei  Stieler).  Hudler,  m.: 
zerlumpter  Mensch  (1561  bei  Maaler);  Quäler 
(1691  bei  Stieler  vom  Geizhals  und  Wuchrei'). 
Hudelmannsgesinde,  n.:  Lumpengesindel, 
oberd.,  1538  bei  Franck  Germaniae  chron.  20% 
zgs.  mit  Hudelmann  m.  «Lumpenmann»  (1578 
bei  Fischart  Ehz.  G5^). 

huf!  interj.:  zurück!  als  Fuhrmannsruf 
1741  bei  Frisch,  noch  fränk.-hessisch,  dafür 
bayr.  hüf,  schwäb.-tirol.  häuf,  hufen,  v.: 
rückwärts  gehen,  zunächst  von  Pferden,  1734 


891 


Huf 


hui! 


898 


bei  Steinbach;  vgl.  anord.  hopa,  norw.  hope 
«sich  rückwärts  bewegen». 

Huf,  m.  (es,  PI.  -e):  ungespaltner  Horn- 
fuJß.  Mhd.-ahd.  huofm.,  md.  hüf;  dazu  asächs. 
höf  (in  höfslaga  f.  «Hufspur»),  and.  höf,  ndl. 
hoef,  ags.  höf  m.,  engl.  hoof.  anoi-d.  höfr  m., 
schwed.  hof  m.,  dän.  hov.  Kaum  verwandt 
mit  abg.  kopyto  n.  «Huf»,  das  von  kopati 
«gi'aben»  stammt,  sondern  zu  aind.  gaphäs  m., 
awest.  safa-  «Huf»,  osset.  säf-thäg.  Der  PI. 
lautet  mhd.  hüeve,  älternhd.  im  16.  u.  17.  Jh. 
Hüffe,  1691  bei  Stieler  Hufe.  Vei^einzelt  auch 
als  Fem.  1663  bei  Schottel  Huf,  1734  bei 
Steinbach  Hufe  f.  ABL.  huflg,  in  flach-, 
harthufig,  1691  bei  Stieler  huficht  in  Zu- 
sammensetzungen. ZUS.  Hufeisen,  n.,  mhd. 
huofisen,  daneben  huoh',  höbisen,  ahd.  huof- 
isin  n.  Huflattich,  m.  i-Sy  PI.  -e):  die 
lattichähnliche  Pflanze  Tussilago  farfara  mit 
gi'oßen  Blättern  in  Gestalt  eines  Pferdehufs, 
ahd.  huflatdecha  f.  (ZfdW.  6,  187),  1561 
bei  Cordns  Huflattich  m.  fs.  Lattich).  Huf- 
nagel, m.,  md.  im  13.  Jh.  hüfnagel.  Huf- 
SChlag,  m.,  mhd.  huofslac,  asächs.  höfslaga  f. 
«Hufspur».  Hufschmied,  m.:  Hufbeschlag 
ausübender  Schmied,  mhd.  huof-,  huohsmit  m. 

Hufe,  f.  (PI.  -n):  Landgebiet  von  dreißig 
Morgen.  Md.  und  nd.  Form  (auch  bei  Luther 
Hufe)  füi-  oberd.  Hube.  Mhd.  huohe,  ahd. 
hu^ha,  hoha,  md.  huhe,  huve,  hufe  f.;  dazu 
and.  höva,  mnd.  hove  f. ;  wahrscheinlich  urver- 
wandt mit  gr.  KfiTToc,  dor.  köttoc  m.  «Garten», 
alb.  kopstd  m.  «Garten».  ABL.  Hüfner, 
m.:  Besitzer  einer  Hufe,  bei  Voß,  Hüfener 
bei  Moser  patr.  Phant.  2,  68,  Hufner  bei 
Hagedom  1,  70.  Bei  norddeutschen  Schrift- 
stellern  statt  des  oherä. Hübner,  mhd.huobener', 
huobner  m.  «Inhaber  oder  Besitzer  einer  Hube, 
Erblehnbauer»  neben  huober  m.  (jetzt  nur 
noch  als  Familienname  Huber). 

Hüfte,  f.  (PI.  -n):  erhabner  Seitenteil 
über  den  Schenkeln.  Bei  Luther  Hüffte  f , 
1540  bei  Alberus  dict.  Kk  2^  Hüfft  f.  und  m., 
im  15.  Jh.  hufft  (Diefenbach  gl.  229 "),  1482 
im  Voc.  theut.  nn  A^huffte  f.  neben  hufft  p  2% 
noch  tirol.-schweiz.  Hüft  f.  neben  Huff.  Mit 
angetretnem  t  aus  mhd.-ahd.  huf  f.  (PI.  mhd. 
hUffe,  ahd.  huffi):  dazu  and.  (entlehnt)  huf, 
mnd.  hup,  ndl.  heup  f.,  ags.  hype  m.,  engl. 
hip,  (entlehnt  schwed.  h(jft  m.,  dän.  hofte), 
got.  hups  m.  «Hüfte».  Urverwandt  mit  gr. 
KÜßocm.  «Höhlung  vor  der  Hüfte  beim  Vieh», 
KüßiTov  n.,  lat.cubitum  n.  «Ellenbogen».  Dazu 
auch  wohl  aind.  güptis,  aw.  supti-  f.  «Schulter», 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


alb,  sup  m.  «  Schulter,  Rücken  ».    ZUS.  Hüft- 
weh, n,,  1537  bei  Dasypodius  Hufftioee. 

Hügel,  m.  (-.s,  PI.  wie  Sg.):  mäßige  Erd- 
erhöhung. In  der  Schriftsprache  zuerst  bei 
Luther,  1517  bei  Trochus  J2^  md.  hugel  über 
einem  Grab,  dagegen  1512  bei  Keisersberg 
Bilgerschafft  168^  den  hugel  hencken  «den  Kopf 
hängen  lassen,  traurig  sein»,  wie  noch  bayr. 
den  Miibel  henken.  Im  Ablaut  zu  Haug  (s.  d.). 
Dafür  mhd.  bühel  und  hübel  m.  (s.  Hübet). 
Obersächs.-thüring.  Huckel  m.  «kleine  Er- 
höhung im  Wege,  Beule  auf  der  Haut»,  Dim. 
von  hess.  Huck  m.  «Hügel,  Berg»  (1556  bei 
Staden  Reise  a3).  ABL.  hügelicht,  hüglig, 
adj.,  erstres  1662  bei  Stoer  260^,  hüglig  1741 
bei  Frisch, 

Hugo,  Mannsname.  Ahd.  Hugo,  dann 
Hüc,  JI%  (nhd.  der  Familienname  Haug). 
Kosefonn  zu  den  mit  Hug-  zgs.  Mannes- 
namen, wie  Hugbald,  Hugwin,  Hubert  (s,  d.). 

Huhn,  n.  {-es,  PI.  Hühner):  das  Haus- 
geflügel Phasianus  gallus  als  Gattungsname, 
dann  (seit  dem  15.  Jh.)  insbes.  die  Henne: 
weidmännisch  «das  Rebhuhn,  Feldhuhn»  (1719 
bei  Fleming  Jäger  1,  331).  Bei  Luther  und 
noch  bei  Schottel  1663  und  Ludwig  1716  Hun, 
1664  bei  Duez  Huhn.  Mhd.-ahd.  huon,  hon  n. 
(PI.  mhd.  hüener,  ahd.  huonir,  hönir),  auch 
«der  Hahn»,  md,  hün;  dazu  asächs.  und  mnd. 
hön  n.,  ndl.  hoen  n.  «Huhn»,  anord.  hosns, 
hoensn  und  hcesn  Neuti\  PI.  «Hahn  und 
Henne»,  schwed.  höns  n.  «Huhn»,  dän.  höns 
«Hühner».  Im  Ablaut  zu  Hahn  (s.  d.),  über- 
einstimmend mit  pränest.  cönia,  lat.  cicönia 
«Storch».  Vgl,  Hinckel.  ZUS.  Hühner- 
auge, n. :  Leichdorn,  1591  im  Leipziger  Voca- 
bularius  optimus  M  2  '^  hunerauge.  Hühner- 
darm,  m.:  die  Pflanzen  Stellaria,  Veronica, 
Anagallis,  im  12.  Jh.  hüner-,  im  11.  Jh.  huoners- 
darm  (Mona  Anz,  8,  95,  107)  zunächst  von 
Stellaria,  weil  diese  Pflanze  vom  Federvieh 
gern  gefressen  wird,  Hühnerhund,  1664 
bei  Duez.  Hühnermilch,  f:  die  Pflanze 
Ornithogalum,  1578  bei  FrischUn  Nom.  Cap.  30. 

hui!  interj.  zur  Bezeichnung  der  Geschwin- 
digkeit (1741  bei  Frisch  hui!  hui!  «in  der 
Eile!»);  als  Einleitung  zu  einem  Einspruch 
(1669  bei  Grimmeishausen  Simpl.  258),  zu 
einem  plötzlichen  Einfall  (Simpl.  244);  als 
Zeichen  der  Überraschung  (1620  Englische 
Comedien  2,  V8^).  Als  frühste  Bed.  bei 
Luther  hui  Interj.  des  Antriebes  zu  schnellem 
Handeln  (Sacharja  2,  6),  der  regen  tatkräftigen 
Freude  (Hiob  39,  25).    Substantivisch  Hui, 

57 


899 


Huld 


Hummel 


900 


n.:  Augenblick,  bei  Luther  4,  4^  auff  ein 
Hui,  4,  S''  in  einem  hui,  bei  Aventin  1,  198, 
34  im  ersten  hui,  4,  508,  13  im  ersten  hoi, 
als  Mask.  1691  bei  Stieler  auf  einen  Hui. 
Dazu  mnd.  in  einem  huye  (huge)  «uno  impetu». 
Wohl  onomatopoetisch.  Adjektivisch  (Goethe 
12,  17)  bei  Luther  2,  442**  dieser  Artikel  ist 
wol  ein  wenig  zu  hui. 

Huld,  f.  (ohne  PI.):  freundliches,  herab- 
lassendes Zugeneigtsein.  Das  Substantivum 
zu  hold  (s.  d.).  Älternhd.  im  16.  Jh.  Hulde, 
mhd.  hulde  f.,  md.  holde,  ahd.  huldi  und  hulda  f. 
« Zugeneigtheit  des  Höhern  gegen  den  Nie- 
dern  wie  dieses  gegen  jenen,  Treue,  Freund- 
lichkeit», im  Mhd.  auch  «Erlaubnis,  Dienst- 
barkeit»; dazu  asächs.  huldi,  afries.  helde, 
hulde,  ags.  hyldu  f.,  anord.  hylla  f.  und  hylli 
f.  n.  ABL.  huldig,  adj.:  zu  Dienst  und 
Ti'eue  ergeben  (Moser  patr.  Phant.  3,  193  f.), 
freundlich,  gütig  (Rückert  Ged.  128),  mhd. 
huldic  «zugeneigt,  ergeben»,  ahd.  huldig  «ver- 
söhnlich»; davon  huldigen,  v.:  den  Eid 
der  Treue  leisten  (nd.  im  15,  Jh.  huldighen 
bei  Diefenbach  gl.  205 '^),  in  Verehrung  er- 
geben sein  (bei  Schiller  Picc.  3,  4,  Kraniche 
des  Ibykus  V.  149),  mhd.  huldigen  «hold 
machen»,  neben  hulden,  ahd.  huldan  «ergeben, 
geneigt  machen,  Dienstbarkeit  und  Ergeben- 
heit geloben»;  Huldigung,  f.,  1424  huldi- 
gung  (Germania  28,  370).  Huldin,  f.  (PI. 
-nen):  Huldgöttin,  Grazie,  anmutreiches  Weib, 
im  18.  Jh.  (Ramler  1,  97),  vgl,  Holdin;  an- 
ders im  16.  Jh.  bei  Mathesius  Fastenpred,  86'* 
Fraw  Huldin  «böses  Weib»,  wie  bei  Luther 
3,  71  *f,  Fraw  Hulda  oder  Fraw  Hulde  als 
Personifikation  der  natürlichen  Denkart  im 
Gegensatz  zur  göttlichen  Offenbai'ung.  ZUS. 
huldreich,  adj.,  1691   bei  Stieler. 

Hülfe,  s.  Hilfe. 

Hülle,  f.  (PI.  -n):  verbergende  Decke, 
Umhüllung.  Mhd.  hülle  f.  «Mantel,  Tuch 
der  Frauen  zum  Bedecken  des  Kopfes,  Um- 
hüllung, md.  hülle,  ahd.  hulla  f.  «Kopftuch». 
Mit  dem  Zeitwort  hüllen  (s.  d.)  zu  ahd.  helan 
«verbergen»  (s.  hehlen).  RA.  die  Hülle  und 
Fülle:  im  Überfluß,  vollauf  genug  (1669  im 
Teutsch-Frantz.-Lat.  Dictionar.  177*),  urspr. 
die  zum  Leben  nötige  Kleidung  und  Speise 
(im  16.  und  17.  Jh.),  indem  Hülle  die  Be- 
kleidung, Fülle  die  Nahrung  ausdrückt,  mit 
der  der  Mensch  sich  füllt,  um  leben  zu  können. 
hüllen,  V. :  verbergend  bedecken,  mhd.  hüllen, 
hüllen,  ahd.  hulljan,  hullan,  asächs.  hihullean, 
ndl.  hüllen,  a.novä.  hylja,  schwed.  hölja,  dän. 


hylle,  got.  huljan,  im  Ablaut  zu  ahd.  helan 
(s.  hehlen). 

^ Hülse,  f.  (PI,  -n):  Samengehäuse  von 
Pflanzen;  umschließende  Hülle  aus  Metall 
(1562  bei  Mathesius  Sar.  143^).  In  der  1.  Bed. 
mhd. hülse,  auch  hulsche,  md.hulse,  shd.hulsa f. 
(aus  *hulisa) ;  dazu  nd.  hülse,  ndl.  hüls,  hülse, 
aber  ags.  hulu  f.,  engl,  hüll.  Alte  s- Ableitung 
von  dem  Stamme,  der  in  hehlen  (s.  d.)  vor- 
liegt. Mit  s-Ableitung  auch  got.  hulistr  n. 
«Hülle,  Decke»,  ags,  heolstor  n.  «Hülle,  Schlupf- 
winkel, Decke».  ABL.  hülsen,  v.:  der 
Hülse  entledigen,  1517  bei  Trochus  J Q^  hulßen, 
mnd.  hülsen,  hülsig,  adj.,  1691  bei  Stieler 
hülsicht,  im  16.  Jh.  hülschet,  hülsechtig.  ZUS. 
Hülsenfrucht,  f.,  1540  bei  Alberus  dict.tt  1^. 

-Hülse,  f.  (PI.  -n)  und  Hülst,  Hülst, 
m.  (-es,  PI,  -e):  die  Stechpalme,  Hex  aqui- 
folium.  Bei  Voß  Luise  1,  536  und  1574  bei 
Fischart  Onomast.  232**  Hülst  m.,  mndl.  und 
ndl.  hülst  m.  mit  angetretnem  t;  aber  and. 
hulis  «Mistel»,  mnd.  hüls,  hulsebom,  1577  in 
Weist.  3,  209  aus  Westfalen  der  PI.  hülsen, 
clevisch  1477  und  nnd.  hülse  f.,  mhd.  hüls  m. 
«Stechpalme,  Walddistel»,  ahd.  hulis,  hüls  m. 
«der  Mäusedorn»;  dazu  ags.  holegn  m.,  engl. 
holly  «Stechpalme»,  vgl.  air.  cuileann,  kymr. 
celyn  «Stechpalme»,  körn,  celin.  Weitre  An- 
knüpfungen sind  unsicher.  Vgl.  Solmsen  Btr. 
27,  866  und  Falk-Torp  s.  v.  hylse.  Aus  dem 
Deutschen  entlehnt  afranz.  hous,  nfranz.  houx 
m.   «Stechpalme»,  petit   houx   «Mäusedorn». 

human,  adj.:  menschenfreundlich,  leut- 
selig, huldreich,  gefällig.  Im  17.  Jh.  aus 
gleichbed.  lat.  hümänus.  Humanität,  f.: 
Freundlichkeit,  Leutseligkeit,  Höflichkeit, 
Menschlichkeit,  Gesittung,  edle  Bildung,  1571 
bei  Rot  Humanitet.  Aus  gleichbed.  lat.  hü- 
mänitas  f.  Als  kulturgeschichtliches  Schlag- 
wort von  Herder  1784  aufgenommen.  Vgl. 
Ladendorf. 

Humhug,  m.  (-s):  Schwindelei,  Auf- 
schneiderei, bes.  zur  Täuschung  des  Publi- 
kums in  eigennütziger  Absicht,  Um  1840 
aus  gleichbed.  engl.  -  amerik.  hunibug  (1760 
belegt),  von  hum  «summen,  Gebrumme»  und 
hug  «Popanz». 

Hummel,  f.  (PI.  -n):  die  große  wilde 
brummende  Biene  Apis  bombinatrix;  büdl, 
umherschwärmendes  unruhiges  Mädchen  (1691 
bei  Stieler  tolle  Hummel);  hummelartig  tö- 
nende zweisaitige  Zither  (1781  bei  Müller 
Siegfr,  V,  Lindenberg  1,  157);  fauler  Mensch 
(bei  Luther  6,   149*:    da  älternhd.  Hummel 


901 


hummen 


Hund 


902 


auch  «die  Drohne  im  Bienenstock»  bezeichnet, 
so  1541  bei  Frisius  384*  Hummel  m.).  Bei 
Luther  Fem.,  aber  mhd.  humhel,  hummel  m., 
ahd.  humhal  m.;  dazu  mnd.  homele,  hummel 
f.  «Hummel»,  hummelbe  f.  «Hummelbiene, 
Drohne»,  ndl.  hommel  f.,  engl,  humhlehee 
«Hummel»,  schwed.  humla,  dän.  humle.  Wohl 
verwandt  mit  apreuß.  camus  «Hummel»,  lit. 
kamäne  f.,  lett.  kamines  PI.  «Erdbiene»  oder 
zu  hummen. 

hllDimeu,  V.:  summen,  brummen.  Mhd. 
im  14.  Jh.  hummen,  1551  im  Petrarcha  Trostb. 
57*  hummlen.  Lautmalend  oder  zu  lit.  kim- 
stü  «werde  heiser». 

Hummer,  m.  (s,  PI.  -w):  Art  größter 
Seekrebse,  Astacus  marinus.  Im  16.  Jh.  bei 
Münster  Kosmogr.  6,  39  und  Forer  Fischb. 
124*  Humer  m.  aus  nd.  hummer  m.;  dazu 
anord.  humarr  m.,  schwed.-dän.  hummer.  Ur- 
verwandt mit  gr.  Kd)Li,uapoc  m.  (daraus  lat. 
cammarus)  «Seekrebs»  und  vielleicht  aind. 
kamdthas  m.  (aus  *kamarthas)  «Schildki'öte». 

Humor,  m.  (s,  ohne  PI.):  Scherzlaune. 
Im  16.  Jh.  aus  lat.  hümor  m.  «Feuchtigkeit», 
im  Mittelalter  der  Saft  im  Innern  des  Men- 
schen, mit  dessen  Beschaffenheit  die  mensch- 
liche Art  zusammenhängt,  daher  im  16.  und 
17,  Jh.  Humor  m.  «menschliche  Art,  Anlage» 
(1616  beiHenisch611,  1669  Simpl.  Ihilusüger 
Humor),  dann  «Gesinnung,  Stimmung^  Laune /^ 
(1641  bei  Lehmann  Florileg.  1,  23),  betont 
wie  im  Lat.  auf  der  ersten  Sübe  und  im 
PL  Humor en,  Humorn  nach  lat.  hümores, 
aber  durch  Einfluß  des  franz.  humeur  m. 
haftete  der  Ton  seit  dem  17.  Jh,  auf  der 
zweiten  Sübe  (1668  bei  Böckler  Kriegsschule 
1023  Humeur  «Natur»  als  Soldatenwort,  1711 
bei  Kädlein  Humor  m.  «Sinn»),  daher  guter 
Humor  bei  Wieland  neuer  Amadis  12,  13, 
übler  Humor  bei  Goethe  19,  44.  Die  heutige 
Bed.  bildete  sich  nach  engl,  humour  (bei 
Swift  und  Sterne),  vgl.  Lessing  7,  414 f., 
J.  Paul  Vorschule  der  Ästhetik  1,  166  f.  ABL. 
Humoreske,  f.  (PI.  -n):  launische  Erzäh- 
lung. Noch  nicht  bei  Campe  1813.  Humo- 
rist, m.  {-en,  PI.  -en):  Schriftsteller  von 
Humor,  bei  J.  Paul  Vorsch.  d.  Ästh.  1,  169 
und  Goethe  5,  1,  55,  in  der  altern  Bed. 
«drolliger,  wunderlicher  Mensch»,  1693  bei 
Kramer  548^,  aus  ital.-mlat.  humorista  m. 
humoristisch,  adj.,  bei  Goethe  42,  2,  160. 

humpeln,  humpen,  v.:  verstümmelten 
Fußes,  gebrechlich  gehen,  hinken.  Beides 
1775  bei  Adelung,  humpen  1741   bei  Frisch 


aus  dem  Niederd.,  1691  bei  Stieler  humpen, 
himpen  aus  der  thüring.  Mundart,  auch  bayr. 
humpen  «hinken».  In  übertragener  Bed.  hum- 
peln, humpeln  v.:  ungenau  und  ungeschickt 
arbeiten.  1663  bei  Schottel  humpeln.  Man 
vergleicht  das  dialektische  schampeln  (s.  d.) 
und  gr.CKafißöc« krummbeinig».  Andre  denken 
an  Verwandtschaft  mit  hinken,  was  trotz  Zu- 
pitza  Gutt.  möglich  ist.  Davon  Hümpler, 
m.:  Stümper,  Pfuscher,  hei  Luther  Hümpler, 
im  15.  Jh.  bei  H.  Folz  himpler:  1494  bei 
ßrant  Narr.  95,  42  hümpeler  m.  «Lump». 

Humpen,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  großes 
weites  TrinkgeschiiT.  1616  im  Leipziger  Jus 
potandi  ^  33  Hunipe  f.  als  Studeutenausdruck 
aus  md.  Mundai-t,  1775  bei  Adelung  Humpen 
m.  neben  Humpe  f.  Dazu  ndl.  hompen,  dän. 
humpe  (entlehnt?),  engl.hump  «Buckel»,  ndl. 
Jwmp  «großes  Stück  Brot».  Wird  als  urver- 
wandt mit  gr.  KÜiußoc  m.  «Gefäß,  Becher», 
Ki)|ußr|  f.  «Gefäß,  Trinkschale,  Ka.hn»,  awest. 
yumba-,  aind.  kumbhäs  m.  «Topf,  Urne», 
kümba-  «Hervorragendes,  Hom,  Spitze»  an- 
gesehen, doch  macht  das  späte  Auftreten 
bedenklich.     Vgl.  auch  Kumpen. 

Hund,  m.  (-es,  PI.  -e).  Mhd.  und  ahd. 
hunt  m.  (Gen.  hundes);  dazu  asächs.-mnd.- 
ags.- dän. -schwed.  hund,  afries.  hund,  hond, 
ndl.  hond,  engl,  hound  (Jagdhund),  anord. 
hundr,  got.  hunds  m.  Nicht  zu  got.  hinpan 
«fangen»,  ags.  huntian,  engl.  hu7it  «jagen», 
urspr.  «Fänger,  Jäger»  (müßte  w-Stamm  sein). 
Urverwandt  mit  gleichbed.  gr,  küujv  m.  f. 
(Gen.  Kuvöc),  lat.  canis  m.  f.,  altir.  cü  (Gen. 
con),  lit.  suff  m.  (Gen.  szuns),  armen,  sun 
(Gen.  san),  awest.  span-,  sun-,  aind.  gva  (Gen. 
günas).  Über  das  angetretne  t  vgl.  Hirt 
Btr.  22,  231.  Die  Versuche,  das  idg.  Wort 
weiter  zu  erklären,  sind  mißlungen.  Im  Berg- 
bau Hund  m.  in  übertragner  Bed.  «offner 
länglich  viereckiger  Kasten  auf  vier  Rädern», 
1557  bei  Agricola  Bergwerk  495  und  1562 
bei  Mathesius  Sar.  32^,  196*,  franz.  chien  m. 
RA.  Auf  den  Hund  kommen:  an  Vermögen, 
Geist  oder  Gesundheit  herunterkommen, 
studentisch  (1825  bei  Kluge  Studentenspr.), 
zu  Hund  in  verächtlicher  bildl.  Bed.  «Per- 
son oder  Sache  von  geringem  Wert».  Weder 
mit  Beziehung  auf  den  schlechtesten  Wurf 
im  Würfelspiel  lat.  canis  m.  und  canicula  f., 
gr.  Küuuv  m.  «Hundswurf»,  aind.  gvaghni 
«eifriger  Spieler»,  eig.  «Hundetöter»,  noch 
auf  die  altdeutsche  Strafe  des  Hundetragens, 
woher  die  RA.  er  muß  Hunde  führen  nach 

57* 


903 


hundert 


Hüne 


904 


Bautzen  (fränk.  bis  Buschendorf,  elsäß.  nach  '  ZUS.  hundertfach,  adj.,  1556  bei  Frisius 


Lenkebach,  bei  Arnold  Pfingstmontag  120,  der 
Oi-tsname  bezeichnet  urspr.  die  Gaugrenze). 
ABL.  Hündin,  f.,  mhd.  hundinne,  hündin 
t,  dafür  ahd.  zöha,  mhd.  zöhe  f.    hündisch, 


209^.  hundertfältig,  adj.,  mhd.  hundert- 
valtec  neben  hundertvalf.  hundertmal,  adv., 
1414  hundertmäle,  1440  hundertmöl  (Diefen- 
bach  gl.  112^).     Hundertstel,   Hundertel, 


adj.,  im  15.  Jh.  hundisch.  ZUS.  Hunde- In.,  verküi-zt  aus  Hundertstteü.  hundert 
junge,  m.:  die  unterste  Stufe  des  Jäger-  tausend,  Zahhv.,  mhd.  hunderttüsent. 
lehrHngs,  die  Wartung  der  Hunde  besorgend,  Hundsfott,  m.  (-es,  PI.  Hundsfötter): 
1598  bei  Ayrer  Dram.  1631,  21  Hundtsjung,  j  feiger,  tiefverächtlicher  Mensch.  Als  Schelte 
hundekalt,  adj.:  abscheulich  kalt.  Huude-  \  und  Schimpfwort  1575  bei  Fischart  Garg.  38 
leben,  n.,  1678  bei  Krämer.  Hundeloch,  n. :  Hundsfutt  f.,  1691  bei  '^iieüar Hundsfot,  Hunds- 
Gefängnis,  1605  bei  Sommer  Cornelius  Rele-  j  fott  m.,  eig.  lat.  cunnus  canis,  von  der  Scham- 
losigkeit der  läufigen  Hündin  hergenommen. 
Der  Plur.  lautet  1582  bei  Fischart  Garg.  362 
Hundsfutt,  aber  Hundsfüder  1619  bei  Opel 
u.  Cohn  30 j.  Krieg  28,  66,  noch  bei  Maler 
Müller  3,  185  Hundsfütter,  Hundesvötter  1668 
in  Leyermatzs  Correspondenzgeist  170.  Da- 
von hundsföttisch,  adj.,  bei  H.  Sachs  (1588) 


gatus  C  4.  S.  Hundsfott,  Hundsloden,  Hundstag. 
hundert,  Zahlwort.  Mhd.  als  Substan- 
tiv im  12.  Jh.  hundert  n„  im  11.  Jh.  hunder it 
n.,  ebenso  asächs.  hunderod  n.,  afries.  hund- 
red, hunder d,  hondert  n.,  ags.-engl.-dän.  hund- 
red, anord,  hundrad  n.,  schwed.  hundra.  Zgs. 
aus  -ra^,  von  got.  rapjan  «zählen»  (s.  gerade. 


Rede),  also  «Hundertzahl»,  und  aus  dem  altern  j  3,  1,  194*^  hundsfüttisch  und  Fastnachtsp.  70, 
Zahlwort  für  «hundert»,  ahd.  hunt  n.,  asächs.- 1  200  hündzfüetisch. 


ags.  hund  n.,  im  Asächs,  nur  in  der  Mehr- 
zahl wie  got.  hunda  PL;  urverwandt  mit 
gleichbed.  lat.  centum,  gr.  ^kotöv,  altir,  cet, 
lit.  simtas,  awest.  sata-,  aind.  gatäm,  (aus 
dem  L-an.  entlehnt)  abg.  süto.  Als  Überrest 
der  altgermanischen  Zählung  nach  Groß- 
hunderten 120  ist  die  Bezeichnung  für  «ein- 
hundert» in  der  altem  Sprache  zu  betrachten 


Hundsloden  in  den  RA.  H.  kriegen,  d.  h. 
Vorwürfe,  oder  einem  H.  an  den  Kopf  werfen. 
H.  sind  eigentlich  «Hundehaare».  Sie  dienten 
als  ein  grobes  Sm-rogat  von  Wolle,  und  so  be- 
deutet die  RA.  «etwas  Grobes  bekommen». 

Hundstag,  m.  (gewöhnlich  im  PI.  -e): 
Tag  der  Zeit  vom  24.  Juli  bis  23.  August 
als  der  heißesten  des  Jahres  im  südl.  Europa 


ältermhd.  zehenzec^  zehenzic,  ahd.  zehanzug  {F]imus  bist.  nat.  2,  47).  1428  die  hundstag 
und  zehanzo  (einmal  bei  Notker  einhunt),  ags.  I  (Anz.  f.  Kunde  d.  Vorzeit  11,  334),  mnd.  de 
hundteontig  (neben  hund),  got.  taihuntehund,  hundedage  (Städtechron.  7,  278,  23),  mhd.  im 
taihuntaihund,  anord.  tiu  tigir,  während  anord.  [  14.  Jh.  hunflich  tage,  nach  lat.  dies  canicu- 
hundrad  in  vorchristlicher  Zeit  ein  Groß- 1  läres  «Tage,  wenn  die  Sonne  beim  Hunds- 
hundert,  d.  h.  120  bezeichnet,  wie  noch  jetzt  ^  stern  steht  und  mit  ihm  zugleich  aufgeht». 
Island,  hundrad,  weshalb  man  später  hundrad  Der  Hundsstern,  lat.  camcula,  Sirius,  mlat. 
tiroett  100  und  hundrad  tolfroett  120  unter-  canis,  gr.  kOuuv,  mhd.  im  14.  Jh.  hunt,  1495 
schied.  ABL.  hundertste,  Ordinalzahl,  md.  in  der  Kölner  Gemma  W  3*^  hondesterre,  steht 
im  15.  Jh.  hundertst,  1420  hundirste  (Diefen-  ,  im  Sternbüd  des  Hundes. 
bach  gl.  112^),  wofür  im  Mhd.  zehenzigeste,  Hüne,  m.  (-w,  PI.  -n):  kämpfender  Riese 
ahd.  zehanztigosto ,  afries.  Iwndersta.  RA.  alter  Zeit.  Dui-ch  Wieland  (22,  184  u.  21, 
vom  Hundertsten  aufs  Tausendste  kommen:  208)  aus  dem  Niederd.  aufgenommen,  wo 
nicht  bei  der  Sache  bleibend  von  dem  einen  sich  die  Sagen  von  den  alten  Hünen  im. 
auf  andres,  auch  das  Entfernteste  kommen,  |  Volke  erhalten  hatten  (1639  bei  Micrähus 
bei  Herder  krit.  Wälder  2,  122,  weitergebildet !  Pommern  2,  200  Hünen  oder  Biesen);  dafür 
aus  das  Hundertste  ins  Tausendste  werfen  obei-d.  im  16.  Jh.  Heime  hi.  «Riese»  (Mathe- 
(Simpl.  274),  urspr.  das  Hundert  ins  Tausend  sius  Sar.  44^,  Froschmeuseler  2,  2,  14),  im 
werfen  (Luther  3,  224 '^  u.  8,  229^),  nach  Ege-  13.  -Jh.  mhd.  himie  und  md.  hüne  m.  «Riese», 
nolfi"  Sprichw.  1570  Bl,  201^  vom  unordent-  'identisch  mit  mhd.  Hiiine  m.  «Hunne»,  ahd.- 
lichen  Setzen  der  Rechenpfennige  auf  den  |  and.  starkflekt.  Hüni,  Hün,  mlat.  Hunus, 
alten  Rechenbrettern,  deren  Rubriken  mit  ]  Hunnus,  gr.  Oöwoi  PI.,  1482  im  Voc.  theut. 
M,  C,  X,  I  (Tausender,  Hunderter,  Zehner,  0  7^  Hewneti  «Hunnen».  Jedoch  die  mit 
Einer)  bezeichnet  waren,  hunderterlei,  ]  Hun-  zusammengesetzten  altgerman.  Eigen- 
adv.,   1580   bei  Fuchs  Mückenki-ieg  1,   965.  i  namen   wie    Hünpreht,    Hünbolt    (Humbert, 


905 


Hunger 


Hürde 


906 


Humhold)  usw.  lassen  nach  J.  Grimm  Mythol. 
433  auf  älteres  Vorhandensein  des  Wortes 
vor  dem  Einbruch  der  Hunnen  schließen  und 
weisen  vielleicht  auf  einen  ui-alten  m3'thischen 
Volksstamm,  ZTJS.  Hiinengral),  n.,  1689 
bei  Micrälius  Pommern  2,  200,  aber  als  Name 
von  Orthchkeiten  schon  im  14.  und  15.  Jh. 
oberd.  ze  Hiunengrehern .  an  Hiunungreber 
weg  bei  Mone  ürgesch.  d.  bad.  Landes  216. 
Hunger,  m.  (s,  ohne  PL):  Eßbegierde. 
Mhd.  hunger,  ahd.  Jmngar  m.;  dazu  asächs. 
hungar,  ndl.  honger,  afries.  hunger,  honger, 
agsi  hungor,  engl.-schwed.-dän.  hunger,  anord. 
hungr,  got.  hührus  m.  (auch  Hungersnot). 
Gleichen  Stammes  wie  anord.  hä  «plagen, 
quälen»;  urverwandt  mit  lit.  kankä  f.  «Qual», 
kenkti  «wehe  tun»,  gr.  KeyKei  «er  hungert», 
KOKiöric  «hungrig,  verhungert»  (bei  Hesychius) ; 
vielleicht  liegt  die  Bed,  «brennen»  zucn-unde. 
Vgl.  gl".  KOYKaivei  « er  macht  glühend,  brennt, 
dörrt»,  KOYKaXeoc  «ausgebrannt»  (bei  Hesych.). 
Vgl.  W.  Schulze  KZ.  29,  270.  ABL.  hung- 
rig, adj.,  mhd.  hmigerc,  hungerig,  ahd.  hunga- 
rag,  hungrag-,  dazu  mnd.  und  afries.  hunge- 
rieh,  nndl.  hongerig,  ags.  hungrig,  engl,  hungry. 
hungern,  v.,  mhd.  hungern  tr.  «hungern 
lassen»  und  unpersönl.  mich  hungert,  ahd. 
hungiren,  hungeron  (häufig  mih  hungirit); 
dazu  asächs.  gehungrjan,  mnt!.  hungeren,  ndl. 
hongeren,  afries.  hungera,  ags.  hyngrian,  hyn- 
gran,  engl,  hunger,  anord.-schwed.  hungra,  dän. 
hungr e,  got.  huggrjan  (unpers.  ßatia  gaggan- 
dan  huggreiß).  Im  16.  Jh.  auch  hungern  {mich 
hungert  bei  H.  Sachs  14,  89,  Alberus  Fab. 
6,  65),  noch  wetterauisch.  ZUS.  Hunger- 
jahr,  n.,  mhd.  hungerjär,  ahd.  hungarjär, 
afries.  hunger jer  n.  Hungerleider,  m., 
1654  bei  Logau  1,  4,  52.  Huugerpfoten, 
in  der  RA,  an  den  Hungerpfoten  saugen, 
vom  Bären,  der  im  Winter  angeblich  an 
seinen  Tatzen  saugt.  Vgl.  H.  Sachs  9,  19  die 
Beerenklewen  saugen  und  Fischart  Narren- 
schiff 70,  21.  Hungersnot,  f.,  mhd.  hunger- 
nöt,  afries.  hongerned  f,  Hungertuch,  n,, 
mhd.  hungertuoch  n.  «blaues  oder  schwarzes 
Tuch,  womit  in  katholischen  Kirchen  zur  Ad- 
vents- und  Fastenzeit  die  Altarbilder  verdeckt 
werden»,  mnd.  hungerdök  m.  RA,  am  Hinget-- 
tuche  nagen  «fasten,  darben,  sich  kümmerlich 
behelfen»,  bei  H.  Sachs  17,  147  und  Fischart 
Garg.  347,  aber  gleichzeitig  im  16.  Jh.  das 
urspr.  am  Hungertuche  nehen  (H,  Sachs  1, 
164«,  864  b)  oder  am  Hungertuche  flicken  (1586 
bei  Rhode  Weiberspiegel  D  5*). 


Hünkel,  s.  Hinkel. 

hunten,  adv.,  gekürzt  aus  hie  ivnten  (vgl. 
hüben).  Bei  Luther  (5.  Mos.  33,  13)  hundert. 
bei  Goethe  38,  134  hunten. 

hunzen,  v.:  tr.  die  Ehre  abschneidend, 
spottend,   scheltend,   übel   wie   einen   Hund 

,  behandeln,  schimpfen  (Kleist  zerbr.  Krug 
3.  Auftr.  herunterhunzen,  Geliert  1,  145  aus- 
hunzen);  refl,  «sich  schinden,  plagen  wie  ein 
Hundy>  (Maler  Müller  2,  17,  dafüi-  Schweiz. 
hunden  intr.),  vgl.  mnd.  1392  hundaten  «hün- 
disch behandeln».    Abgeleitet  von  Hund  mit 

1  der  Frequentativsilbe  -zen,  ahd.  -azan,  -a§an, 
nicht  von  tschech.  huntovati,  humtavati  «ver- 
hunzen», eig.  «schlachten».  In  Zusammen- 
setzung 1562  bei  Mathesius  Sar,  69*  zuhuntzte 

i  £Ze/der  «allzusehr  verkürzte»,  1701  im  Causen- 
macher  62  verhunzen  «verderben»,  wie  1575 
bei  Fischart  Garg.  161  verhundstutzen,  Ende 
des  16.  Jh.   bei  Ayrer  Dram.   1380,  12  ver- 

1  hundösen  «zugruude  richten»,  nd.  verhundatm 

\  1562  bei  Lauremberg  4,  601. 

Hupe,  f.  (PI.  -n):  Signalhorn  mit  nui- 
einem  (tiefen)  Tone,  Eine  tonmalende  Büdung. 
Oberhess.  Huppe  «kleine,  schlechte  Pfeife  aus 
Weidemände»,  bayr.  hupp  «Jägerruf». 

hüpfen,  V.:  (mit  gleichen  Füßen)  in  die 
Höhe  springen.  Oberd.  hupfen  bei  Goethe  1, 
135.  iVIhd.  hupfen,  hüpfen,  um  1100  hupphen, 
neben  mhd.-älternhd.  hopfen,  md.  huppen, 
huppen;  dazu  mnd.  hoppen,  ags.  hoppian,  wo- 
neben mittelengl.  hyppen,  engl,  hop  und  hip, 

'  anord,  und  schwed.  hoppa,  dän.  hoppe.  Her- 
kunft unsicher.  Man  vergleicht  gr.  Kußicrdeiv 
«tanzen»,  aind.  kubhanjüs  «tanzend,  sich 
di-ehend»  (Uhlenbeck  Btr,  21,  100),  abg.  ky- 
peti  «springen»,  je  nachdem  man^  aus  -bn-, 
-bhn-  oder  -pn-  erklärt.  Vgl.  Hopp,  hopsen. 
Hürde,  f.  (PI.  -n)  -.  Flechtwerk  zu  Wänden 
und  zum  Dörren.  Die  oberd.  Form  von  Horde 
(s.  d.  -).  Bei  Luther  Hürte,  ältemhd.  im 
16.  Jh.  Hurt,  Hürde,  mhd.  und  ahd.  hurt  f. 
(PI.  mhd,  hürte,  hürde,  ahd.  hurdi)  «Flecht- 
werk aus  Weiden  oder  Reisig»,  im  Mhd.  auch 
als  Tür,  Gatter,  Brücke  und  zum  Verbrennen 
der  Verbrecher  oder  Leichen  verwandt;  da- 
zu and.  hurth  f.  «Flechtwerk,  Gitter»,  ags. 
hyrdel  m.,  engl,  hurdle  «Hürde»,  mittelengl. 

'  hirde  «Tür»,  anord.  hurd  f.  «Tür,  Tüi-flügel», 

I  got.  haürds  f.  «Tür»,  urverwandt  mit  lat. 
a'ätes  f.  «Flechtwerk,  Hürde»,  gr.  Kupxia  f. 

,  «Flechtwerk»,  Küproc  m.,  KÜpTri  f.  «Fischreuse, 

i  Käfig»,    KdpxaXoc    m,    «Korb»,    altir.    certle 

{  «Knäuel»,  apreuß.  fcorto  «Gehege»,  aind.  käpis 


907 


Hnre 


hüst 


908 


m.  «Geflecht,  Matte»,  krnätti  «er  spinnt», 
crtäti  «er  bindet,  verknüpft». 

Hure,  f.  (PI.  -n).  Mhd.  hicore,  md.  hüre, 
ahd.  huora,  huorra  f.,  woneben  spätrahd.  1420, 
mnd.  herge  f.;  dazu  mnd.  höre,  Jiorre,  ndl.  hoer, 
ags.  höre,  (entlehnt)  engl,  whore,  anord.  höra  f. 
«Hure»,  hörrm.  «Ehebrecher, Buhle»,  dän.hore, 
got.  hörs  m.  «Hurer»  (aber  kalkjö  oder  kalki  f. 
«Hure»).  Nebst  mhd.  huore,  ahd.  huora,  höra 
f.  «Ehebruch»  abgeleitet  von  mhd. -ahd.  huor 
n.  «außerehelicher  Beischlaf,  Ehebruch»,  md. 
hür,  afries.  hör,  ags.-anord.  hör  n.,  schwed,- 
dän.  hör.  Urverwandt  mit  lett.  Ztärs« lüstern», 
lat.  cärus  «lieb»,  altir.  caraim  «ich  liebe»,  cara 
«Freund»,  kaum  aber  mit  aind.  cnrus  «lieb, 
lieblich,  schön»;  aus  dem  Germanischen  ent- 
lehnt abg.  kurüva  f.  «Hui-e».  ABL.  huren, 
V.,  mhd.  huoren,  ahd.  huoron;  dazu  audfrk. 
huoran,  afries.  höra,  anord.  höra,  schwed. 
hora,  dän.  Jwre,  got.  hörinön.  Davon  Hurer, 
m.,  mhd,  huorcere,  huorer,  ahd.  huorari,  and. 
huuarari  m.;  Hurerei,  f.,  spätmhd.  im  15.  Jh. 
huererei,  mrhein.  im  Voc.  ex  quo  1469  hörerie  f. 
huriscli,  adj.,  bei  Luther  hürisch.  2^78. 
HureuhaUS,  n.,  spätmhd.  zu  Anfang  des 
15.  Jh.  hurenhaws,  mhd.-ahd.  huorhüs  n. 

hurliburli,  interj.:  mit  überstürzender 
Eile.  1778  bei  Schink  Marionettentheater  121, 
daneben  hurlpurl  1776  bei  Bürger  320*  Bohtz, 
hurlurli  hutii  1774  bei  Goethe  16, 4.  Aus  engl, 
hurlyhurhj  «Wirrwarr,  Aufruhr»,  von  engl. 
hmi  «schleudern,  schmeißen,  heulen  wie  der 
Sturm,  wirbeln,  strudeln».  Ähnlich  dän. 
hurlumhei. 

hurra!  interj.,  Ausruf  voll  Kampflust, 
Freudenruf.  Mhd.  hurra  (Minnes.  3,  188^ 
Hagen),  Imperativ  von  mhd.  hiirren  «sich 
schnell  bewegen»  (s.  hurre),  mit  verstärken- 
dem -ä.  In  der  nhd.  Schriftsprache  erst  seit 
der  2.  Hälfte  des  18.  Jh.  nachweisbar  (1773 
bei  Bürger  Lenore  Str.  20  hurrah,  Schiller 
Räuber  4,  5,  Fiesko  5,  5). 

hurre!  interj.  zur  Bezeichnung  sausender 
Eile.  1773  bei  Bürger  Lenore  Str.  19,  schon 
1570  bei  Egenolff  Sprichw.  120^  hurr.  Im- 
perativ von  älternhd.-mhd.  hurren,  ndl.  horren 
«sich  schnell  bewegen»,  anord.  hurra,  enffl. 
hurry  (s.  d.  f.),  noch  hess.  hurren  «wild  vor- 
wärts rennen,  blind  hineinstüi-zen». 

Hurri,  n,:  heftige  Schelte,  heftiger  Auf- 
tritt. Bei  Goethe  16,  69.  Nach  engl,  hurry 
«große  Eile,  Getöse,  Tumult»,  von  engl,  hurry 
«eüen,  eilig  antreiben,  sich  überstürzen»,  eng 
verwandt  mit  mhd.  hurren  (s.  hurre). 


hurtig,  adj.:  geschwind  und  gewandt. 
1537  bei  Dasypodius  hurtig  «tapfer,  flink», 
1564  bei  Glaser  Gesindteufel  E  4*  hortige 
Megde,  mhd.  hurtec  «schnell»,  hurteclich  «mit 
Stoß  losrennend,  schnell,  reißend»,  von  mhd. 
'  hurt  m.  f.  und  hurte  f.  «  Stoß,  stoßendes  Los- 
,  rennen  in  Kampfspiel  und  Kampf»,  entlehnt 
mit  den  aus  Frankreich  eingeführten  Tumier- 
spielen  aus  franz.  heurt  m.,  ital.  urto  m.  «Stoß», 
wovon  afranz.  hurter,  afranz,  heurter,  ital. 
tirtare  «stoßen»,  mhd.  hurten,  hurten  und 
hurzen  «stoßend  losrennen».  ABL.  Hurtig- 
keit, f.,  1561  bei  Maaler. 

Husar,  m.  (-en,  PI.  -en)  -.  Soldat  zu  Pferd 
nach  ungarischer  Art.  1534  bei  Franck  Weltb. 
101*^  der  PI.  Hussern,    1547  bei  Liliencron 

4,  422^  Husseren,  bei  Meltzer  Schneeberg. 
Chron.  975  Husseer  PI.,  bei  Fischart  Großm. 
1607  D  3^  Husaren  «ungarische  Reiter  mit 
Lanzen»,  aus  gleichbed.  ungar.  huszär,  eig. 
«der  Zwanzigste»,  von  ungar.  husz  «zwanzig», 
weil  nach  einem  alten  Rekrutierungsgesetze 
von  20  Ausgehobenen  einer  ein  Reiter  wer- 
den mußte. 

husch!  interj.  zur  Bezeichnung  des  Kälte- 
schauers (spätmhd.  im  15.  Jh.  husch,  noch 
bayr.-österreich.),  des  Fortscheuchens  (Bürger 
276)  und  großer  Geschwindigkeit  (Lessing  1, 
500).  Wohl  lautmalend.  Davon  Husch,  m.: 
überlaufender  Frost,   Frostschauer   (Abr.  a. 

5.  Clara  Aufi"  auif  98),  voräbergehender  Platz- 
regen (Lessing  11,  625);  große  Geschwindig- 
keit, Eile  (Goethe  1,  205) ;  geschwinder  Schlag, 
Ohrfeige  (1578  bei  Fi-ischlin  Nomencl.  Cap. 
166,  noch  oberd.  Husche,  f.:  plötzlicher 
kurzer  Regen  oder  Schneefall  (um  1480  im 
Voc.  ine.  teut.  cc5*  husch  Schneegestöber); 
Griff  ins  Haar,  Haarzausen  (1582  bei  Fiscbart 
Garg.  374,  noch  hessisch  «der  Griff  des  Scharf- 
richters ins  Haar  des  Delinquenten  vor  dem 
Kopfabschlagen»,  wie  bei  Logau  3,  8,  69);  Ohr- 
feige (1646  bei  Moscherosch  Phü.  1,  72). 
huschen,  v,:  äußerst  leicht  und  unbemerkt 
sich  fortbewegen,  1775  bei  Adelung,  aber 
schon  1678  bei  Krämer  in  der  Bed.  «gleiten, 
gHtschen»,  im  16.  Jh.  bei  H.Sachs  9,  88  hoschen. 

hussa!  interj..  Ruf  des  Antreibens,  der 
Lust  (1784  bei  Büi'ger  Macbeth  4,  1  husa, 
bei  Wieland  Oberon  5,  46  hussa),  als  Jagd- 
und  Verfolgungsnif  1780  bei  Göckingk  Ged. 
1,  46.  Im  15.  Jh.  md.  hossa  bei  Stolle 
thüring.-erfurt.   Chron.  6,   114*". 

hüst,  interj.:  links,  Fuhrmannsruf.  Bei 
Hebel.     Alemannisch. 


909 Husten Hyazinth  910 

.     Husten  (mit  U),  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.).    In  1438  hiiüing  f.  «Bewachung/..    Dagegen  von 

Norddeutschland  mit  kurzem  u  gesprochen,  Hut  (Viehhütenj  abgeleitet  ist  Hutung,  f.: 

mhd.  huoste  m.,  md.  Mste,  ahd.  huosto  m.,  die  Weide  zum  Hüten,  sowie  das  Becht  zum 

wo  neben  huosta  L,  aus  ältenn  ^A^^-wosto,  daher  Beweiden,  das  Hutrecht  i  Stieler  1691),  Ende 

noch    Schweiz.- elsäss.    Wüsten   m.    «Husten»  des  16.  Jh.  bei  Schweinichen  3,  231. 

und  icüsten  «husten»;  dazu  and.  huasto,  ndl.  Hütsche,    Hutsche,    Hitsche    f.    (PI. 

hoest  m.,  ags.  htcösta  m.,  engl,  (dial.)  whoost,  -n) ;  kleine  Fußbank.     Büttel-  und  Xiederd. 

anord.  hösti  m.,  schwed.  hosta  f.,  dän.  hoste.  1637  Hütsche  (Ztschi-.  f.  Kulturgesch.,  hgb. 

Urverwandt    mit    lit.    köseti    (Präs.    kosiu)  v.  Steinhausen  4,  200,  aus  Schloß  Tenneberg 

«husten»,   kösulis   m.   «Husten»,   lett.  käsa,  in  Thüringen),  ebenso  1691  bei  Stieler:  nd. 

käsis  «Husten»,  käset  «husten»,  abg.  kasili  Hitsche  f.,  eig.  «Schiebebank,  Bänkchen,  das 

m.  «Husten»,  alb.  koid  f.  «Husten»,  ir.  casad,  bald  da  bald  dorthin  geschoben  wird»,  ab- 

aind.  käs  «husten»,  käsas  m.  «der  Husten»,  geleitet  von  hutscheu,  v.:  auf  dem  Boden 

J.5I>.  husten,  V.,  mhd.  Äifosfen,  ahd.  ÄMOsfö?i:  rutschen,   kriechen,   in  oberd.,  md.  und  nd. 

dazu  ags.  hicöstan,  engl,  (dial.)  whoost,  anord.  Mundarten,  schon  im   14.  Jh.  md.  hutschen, 

hösta.     hüsteln,  v.,   in   der  2.  Hälfte    des  hutschin  intr.  «rutschen»  und  tr.  «schieben», 

18.  Jh.  bei  Thümmel  Reise  4,    161    hüsteln,  wohl  aus  hukscJien  zu  hocken. 

bei  Maler  Müller  1,  339  hüsteln.  Hütte,  f.  (PI.  -n):  enichteter  kleiner  be- 

'Hut,  m.  (es,  PI.  Hüte):  steife  hohle  deckter  Schutzort  zum  Aufenthalt  usw.;  ein- 
Kopfbedeckung; Zucker  in  spitzer  kegel-  faches  ärmliches  Gebäude  (1561  bei  Maaler); 
förmiger  Gestalt  (nach  der  Form  der  alten  bergmännisch:  Metallschmelze  (schon  mhd,). 
Hüte),  1464  im  Urkuiidenbuch  der  Stadt  In  der  l.Bed.  mhd.  hütte,  ahd.  hutta  f.  ^Hütte, 
Leipzig  1,  315.  In  urspr.  Bed.  mhd. -ahd.  Zelt»;  ein  oberd.  Wort,  aus  dem  entlehnt 
htwt  m.  «Hut,  Mütze»  (PI.  mhd.  Miete,  ahd.  sind  mnd.  hutte,  ndl.  hut  f.,  engl,  hut,  franz. 
huoti  und  htiota),  im  ^Ihd.  auch  «Helm,  Auffe,  span.  Äwfaf  «Hütte».  Vielleicht  gleichen 
schützender  Überzug  oben  über  etwas.  Hülse  Stammes  wie  Haus  (s.  d.)  oder  besser  zu 
an  einem  Turmknopf»,  md.  hüt:  dazu  and.  Hotte  (s.d.).  ZL^jS.  Hüttenrauch,  m.:  beim 
htiat,  mnd.  höt.  hüt,  ndl.  hoed,  afi-ies.  höd  Metallschmelzen  als  Dampf  aufgestiegenes  und 
«Hut»,  ags.  höd  m.  und  engl,  hood  «Haube,  aiif gefangen  es  Giftpulver,  spätmhd.  im  15.  Jh. 
Kappe»,  neben  ags.  hcett  m.  und  engl,  hat  hüttrauch,  hutte-,  huttenranch  m.  Hütten- 
«Hut»,  anord.  hattr,  höttr  m.,  schwed.  hatt,  werk,  n.:  Metallschmelze.  1562  bei  Mathe- 
däu.  hat.  Vielleicht  gleichen  Stammes  wie  sius  Sar.  135*. 
Hut  -  (s.  d.).  Urverwandt  mit  lit.  kuödas  Hutung,  Hütung,  s.  Hut  -. 
m.  «Schopf,  Mütze  des  Federviehs»,  lat.  Hutzel,  f.  (PI.  -n):  gedörrte  Birne,  ge- 
cassis  f.  «Helm».  doiTter  Bimschnitz  (1664  bei  Duez  «gedörrter 

"Hut,  f.    (PI.  -en):    Schaden   abhaltende  Apfel»).    Mhd.  hützel,  hutzel  f.:   md.  Hotzel 

Aufsicht  und  Vorsicht,  Fürsorge:  das  Hüten  f.  (Bürger  Macbeth  1,  3),  1711   bei  Rädlein, 

des  Viehes  auf  der  Weide  (bei  Luther  6,  339^).  Davon    hutzelig,    adj.:    ranzlig,    1741    bei 

In  der  1.  Bed.  mhd.  huote,  huot,  ahd.  huota  Frisch  hutzlich,  hozlich.     hutzeln,  v. :  ein- 

f,,  im  Mhd.  auch  «Wache,  Wächter,  Hinter-  schrumpfen,  1741  bei  Frisch,  mhd.  verhützeln 

halt,   Nachhut»,    (spätmhd.)    «Distrikt   eines  «zusammenschrumpfen»,   bei   Bürger  Kaiser 

Försters    oder  Waldaufsehers»:    dazu    mnd.  imd  Abt  Str.  16  einhotzeln. 

höde,  hüde  f.,  ndl.  hoede  f,  afries.  Äöde,  hüde  f.  Hyäne,  f.  (PI.  -n):  Abendwolf,  Grabtier. 

Wohl  gleichen  Stammes  wie  ^Hut  m.  (s.  d.).  Um   1480  im  Voc.  ine.  teut.  1  6^  hientier  n.. 

Als  ursprüngl.  Bed.  wäre  «Schutz»  anzunehmen,  bei  H.  Sachs  Fab.  233,  11  Hienna  f.    Schon 

hüten,  V.:  achthaben,  bewachen;  das  Vieh  ahd.  ijena.    Aus  gleichbed.  gr.-lat.  hyaena  f., 

auf  der  Weide  bewachen,  weiden  ( mhd.  1336).  gr.  üaiva  f.,  benannt  wegen  der  Ähnlichkeit 

In   der  1.  Bed.   mhd.    Mieten ,    huoten    (auch  im    borstigen   Hals    und   Rücken    mit    dem 

refl.    sich  Mieten  vor  jem.   oder  etw.),    ahd.  Schweine,  gr.  Oc  m.   f. 

hux)tan,   md.  hüten;    dazu  and.  hödian,   ndl.  Hyazinth,  m.  {-es,  PI.  -e):  ein  Edelstein 

Jioeden,  afi-ies.  h^da,  hüda,  ags.  hedan,  engl,  von  roter  bis  pomeranzengelber  Farbe.   Mhd. 

heed.  Davon  Hüter,  m.,  mhd.  Äwefcere,  Äwefer,  jacinctus  m.  und  jächant,  jachant  m.,   ahd. 

md.  hütere,  ahd.  huoteri  m.,  and.  höde^'i  (?);  jachant  m.,   aus   gr.-lat.   hyacinthus  m.,   gr, 

Hüterin,  f.,  mhd.  Mieterin  f.:  HÜtung,  f.,  üdKiveoc   f.    «Edelstein    von    blauer   Farbe», 


911 


Hydrant 


ich 


912 


wahrscheinlich  der  Saphir  oder  ein  dunkler 
Amethyst.  Hyazinthe,  f.  (PI.  -n)-.  die 
Glöckchenblume  Hyacinthus  orientalis,  erst 
nach  1562  aus  Klein asien  eingeführt,  1629 
bei  Oi^itz  265  Hiacynthenhlume,  aus  gr.-lat. 
hyacinthus  m.,  gr.  ödKivGoc  m.  f.  «die  violett- 
blaue Schwertlilie». 

Hydrant,  m,  (-en,  PI.  -en):  Wasserzu- 
leitung für  die  Feuerwehr,  Feuex'hahn.  Part. 
Präs.  von  einem  nlat.  Verb,  hydräre  nach 
gr.  ubpaiveiv  «bewässern».     In  neurer  Zeit, 

Hygiene,  f.:  Gesundheitslehre.  Fem.  des 
gr.  Adj.  ÜYieivöc  «der  Gesundheit  zuträglich, 
heüsam»,  zu  ergänzen  Texvr]  f.  «Kunst».  1791 
bei  Roth  Hygieine.    ABL.  hygienisch. 

Hymne,  f.  (PI.  -n):  Hoch-,  Lobgesang, 
Festlied,  1775  bei  Adelung,  das  weibliche 
Geschlecht  nach  franz.  hymne  f.  «geistlicher 
Lobgesang,  neben  hymne  m.  «Lobgedicht». 
Mhd.  ymne  m.  und  imps,  ahd.  hyemno  und 
imno,  immino  m,  «kirchlicher  Lobgesang», 
aus  gr.-lat.  hymnus  m.,  gr.  öiuvoc  m.  «Ge- 
sang, Feier,  Loblied». 

Hyperbel,  f.  (PI.  -n):  Übertreibung;  über- 
treibende rednerische  Vergi-ößerüng;  Kegel- 
schnitt. Bei  Lessing  und  1775  bei  Adelung, 
Hyperhole  1714  bei  Wächtler,  aus  gleichbed. 
gr.-lat.  hyperhole,  gr.  üirepßoXri  f.,  abgeleitet 
von  üirepßdWeiv  «über  das  Ziel  werfen».  Dazu 
hyperbolisch,  adj.:  übertrieben,  bei  Herder 
z.  Theol.  6,  104  von  1776,  nach  dem  gleichbed. 
gr.-lat.  Adj.  hyperholicus,  uTtepßoXiKÖc. 

hyperklug,  adj.:  überklug.  1673  bei 
Weise  Erzn.  4  üuepklug.  Gelehrt  zgs.  mit 
gr.  uTT^p  «über». 

Hypnose,  f.  (PI.  -n)  -.  magnetischer  Schlaf; 
(in  übertr.  Bed.)  starke  Einwirkung,  der  man 
sich  nicht  entziehen  kann.  Gebildet  von  gr. 
ÜTTvöeiv  «einschläfern».    Neue  Bildung,    hyp- 


notisch, adj.:  einschläfernd;  zwingend.  1813 
bei  Campe,  hypnotisieren,  v.:  in  magne- 
tischen Schlaf  versetzen.  Hypnotismus,  m. : 

magnetischer  Schlaf.  Von  dem  englischen  Arzt 
James  Braid  (geb.  1795)  eingeführter  Aus- 
druck für  die  von  ihm  zuerst  beobachteten 
Erscheinungen. 

Hypochondrie,  f.  (PI.  -n):  Milzsucht; 
Grillenkrankheit.  1775  bei  Adelung,  aus  dem 
gr.-lat.  Plur.  hypochondria,  gr.  üiroxövbpia  «der 
weiche  Teil  des  Leibes  unter  dem  Brustknorpel 
und  den  Rippen  bis  an  die  Weichen  mit 
Milz  usw.»,  von  gr.  Otrö  «unter»  und  xövbpoc 

m.  «Brustknoiijel».    Davon  Hypochonder, 

m.  (-.s,  PI.  wie  Sg.):  Milzsüchtiger;  Gräm- 
ling,  Grillenfänger,  bei  Lessing  1,  165,  nach 
gleichbed.  franz.  hypochondre  m.,  1714  bei 
Wächtler  Hypochondriacus;  Hypochon- 
drist,  m.  (-en,  PI.  -en),  bei  Goethe  23,  132. 
hjTpoehÖndrisch,  adj.,  bei  Goethe  18,  103. 

Hypothek,  f.  (PI.  -en):  gerichtliche 
Schuld-,  Pfandverschreibung  auf  unbeweg- 
liche Güter.  1580  bei  Schwarzenbach  Sy- 
nonyma 100*^  Hipothec.  Aus  gleichbed.  gr.- 
lat.  hypotheca,  gr.  ÜTToOriKri  f.  «Unterpfand», 
eig.  «Untersatz»,  von  gr.  üiroGeivai  «unter- 
setzen». Davon  hypothekarisch,  adj.,  1775 
bei  Adelung. 

Hypothese,  f.  (PI.  -n)-.  Unterstellung, 
Wagesatz.  1775  bei  Adelung,  Hypothesis  1703 
im  Zeit.  Lex.  Aus  gleichbed.  gr.  ÜTrö9ecic  f., 
von  gr.  OiroOeTvai  «untersetzen,  unterstellen». 
hypothetisch,  adj.,  bei  Campe  1801  und 
Goethe  (1.  H.)  22,  252. 

Hysterie,  f.  (PI.  -n):  Nervenki-ankheit. 
1813  bei  Campe,  dafür  1775  bei  Adelung 
Hysterik  f.,  nach  gleichbed.  mlat.  hysterica 
passio,  von  gr.-lat.  hystericus,  gr.  öcxepiKÖc 
«an  der  Gebärmutter  leidend»,  von  gr.  öcrdpa 
f.  «GebäiTnutter». 


I 


i!  Interj.  der  Hervorhebung,  Verwunde- 
rung, Freude,  älternhd.  ie,  le  geschrieben, 
mhd.  i!  als  Ausruf  des  Unwillens,  der  Ver- 
wunderung. 

iahen,  v.:  wie  ein  Esel  schreien.  Bei  Goethe 
2,  162  yahen,  1711  bei  Rädlein  ygaen,  igagen, 
1561  bei  Maaler  gigagen.     Lautnachahmend. 

Ibis,  m.  (Gen.  Ibisses,  PI.  Ibisse):  der 
ägyptische  Brachvogel,  Nilreiher.     1589  bei 


Gesner  Schlangenbuch  7*  Ibis,  1540  bei 
Diefenb.-Wülcker  677  Eyb  m.,  mhd.  eib  m. 
Aus  gr.-lat.  ibis,  gr.  ißic  m. 

ich,  Nom.  Sg.  des  Pronomens  der  1.  Per- 
son. Mhd.  ich,  ahd.  ih:  dazu  asächs.,  mndl. 
afries.  ik,  ags.  ic,  engl.  /,  anord.  ek,  schwed. 
jag,  dä,n.  jeg,  g'ot.  ik.  Entsprechend  gleichbed. 
lat.  ego,  gr.  ^yil»,  ^yüjv,  abg.  jazü,  azü,  altht. 
es,  lit.  ä§,  apreuß.  es.  as,  apers.  adam,  awest. 


913 


-Icht 


Igel 


914 


azdm.  aind.  ahäm.  Ahd.  tindet  sich  auch  für 
nachdrückliches  ich :  ihhu, ihclia,  mhd.  im  14.  Jh. 
iche,  noch  in  md.  Mundarten  iche.  Die  übrigen 
Kasus  von  ich  sind:  Gen.  tnein  (s.  d.);  Dat. 
mir,  mhd.  ahd.  mir,  got.  mis:  Akk.  mich,  mhd. 
mich,  a.h.d.mih,  got. mik.  Aus  gleichem  Stamme 
lauten  in  den  ui'venvandten  Sprachen  diese 
drei  Kasus:  lat.  mei,  mihi,  me,  gr.  |lioO,  uoi, 
n4.,  aind.  mama,  nmhjani,  mäm.  Substantivisch 
Ich,  n.  (s,  PI.  wie  Sg.),  mhd.  eiii  ich;  min 
ander  ich.  Ichheit,  f.,  im  15.  Jh.  icheit 
(Theolo.gia  deutsch  Kap.  15  u.  16). 

-icht,  Ableitungssilbe.  1)  an  Substantiven, 
z.  B.  Dickicht,  durch  Zutritt  eines  t  aus  -ich, 
md.  -ech,  mhd.  -ach,  ahd.  -ahi  hervorgegangen, 
welche  die  Bedeutung  einer  Menge,  Fülle, 
Anhäufung  haben.  2)  an  Adjektiven,  wie 
bergicht,  holpericht  usw.,  neben  bergig  usw., 
mhd.  -eht,  -oht,  ahd.,  -oht,  -ohti. 

lolllhy-,  in  mehreren  Fremdwörtern  ist 
gl'.  ixOüc  m.  «Fisch»,  z.  B.  in  Ichthyol  m.  (-s): 

Fischöl,  ein  Arzneknittel.  Ichthyosaurus, 
m.  (PI.  -Saurier  und  -saiirie):  Fischeidechse. 
Bezeichnung  einer  ausgestorbenen  Tierart. 
Neure  Bildung.     Bei  Scheflfel  GJ-audeamus. 

Ida,  Frauenname.  Ahd.  Ita,  Ida.  Koseform 
zu  Namen  wie  Iddberga,  Idburg. 

ideal,  adj.:  in  der  Idee  bestehend,  über- 
wirklich, vorbildlich.  Im  18.  Jh.  (Wieland 
Idris  184)  aus  dem  lat.  Adj.  ideälis  (5.  Jh. 
n.  Chr.")  «ia  der  Idee  stehend»,  aus  dessen 
Substantiv.  Xeutr.  ideale  nhd.  Ideal,  n.  [s, 
PL  -e):  Traum-,  Ur-,  Vorbild,  im  18.  Jh. 
(Wieland  Amadis  90)  nach  franz.  ideal  m. 
ideälisch,  adj.:  überwirklich,  bei  Lessing 
5,  28,  j.  Goethe  3,  533.    idealisieren,  y., 

bei  Herder  1,  342  W.  Idealismus,  m.: 
ideale  Lebensauffassung.  Bei  Herder  und  be- 
sonders bei  Kant.  Idealist,  m.  (-en,  PI.  -en), 
1732  bei  Gottsched.  Id^e,  f.  (PI.  Ideen): 
das  gedachte,  nur  in  der  geistigen  Anschauung 
befindliche  Ding,  Vemunftbegriif,  Vorstellung; 
kleine  Menge.  Bei  Thomasius  Einl.  100  Idee 
und  Idea,  aus  gleichbed.  franz.  idee  f.,  gi\-lat. 
idea  f.,  Urbild,  gr.  ibea  f.  «Gestalt,  Bild,  Vor-, 
Urbild,  Motiv  einer  Rede»,  von  gr.  ibeiv  «sehen». 
Davon  ideell:  nur  in  der  Idee  vorhanden, 
gedacht.     Bei  Goethe  42,  2,  152. 

identisch,  adj.:  ebendasselbe,  ein  und 
dasselbe.  Im  18.  Jh.  (bei  Schiller  Nachtr. 
2,  301  B.)  nach  dem  franz.  Adj.  identique, 
ital.  idenfico.  Identität,  f.,  1728  bei  Spe- 
rander,  aus  mlat.  identitas  f.,  von  lat.  idem 
«ebendasselbe»,      identifizieren,    V.:    für 

Weigand,  Deutsches  Wörterbnch.    5.  Aufl. 


gleich  erachten :  die  Persönlichkeit  feststellen. 
Im  19.  Jh. 

Idiom,  n.  [-S,  PI.  -e):  die  eigentümliche 
Mundart.  Im  17.  Jh.  (bei  Nehring  1694  Idioma) 
aus  franz.  idiome  m,,  von  gr.  ibiujua  n.  «Eigen- 
tümlichkeit, Besonderheit»,  zu  gr.  ibioc  «eigen, 
eigentümlich». 

Idiot,  m.  (-en,  PI.  -en):  Xichtkenner, 
Pfuscher,  Dummkopf.  Im  16.  Jh.  (bei  Albems 
Barfuser  Münche  >'r.  343  Idiot,  und  einf eltiger 
Mensch,  1571  bei  Rot)  aus  gleichbed.  gi-.-lat. 
idiota  m.,  von  gr.  ibidirric  m.  «Privatmann 
im  Gegensatze  zum  Staatsmann,  in  Staats- 
geschäften Unkundiger»,  überhaupt  «Unwis- 
sender», zu  gr.  ibioc  «eigen,  eigentümlich, 
privat».  Davon  idiotisch,  adj.  IdiotismUS, 
m.  (PI.  Idiotismen):  mundartliches  Wort, 
mundartl.  Spracheigenheit,  1714  bei  Wächtler, 
aus  gr.-lat.  idiotismus,  gr.  ibiiuxicuöc  m.  «die 
dem  Privat-  oder  gemeinen  Mann  eigentüm- 
liche Sprachweise,  Spracheigenheit».  Idioti- 
kon, n.  (-S,  PI.  Idiotika  und  Idiotiken): 
Wörterbuch  einer  Mundart,  Landschafts- 
wörterbuch, im  18.  Jh.,  aus  dem  Neutr,  des 
griech.  Adj.  tbiiuTiKÖc,  «dem  Privat-  oder  ge- 
meinen Mann  eigen»  (s.  Idiot). 

Idol,  n.  (-S,  PI.  -e):  Abgott.  Im  18.  .Jh. 
aus  gr.-lat.  idolum  n.,  «Schatten-,  Trugbild», 
dann  «Götzenbild»,  gr.  eibuuXov  n.  <'. Gestalt, 
Bild,  Trug-,  Götzenbild». 

Id^ll,  n.  (-5,  PI.  -e)  und  Idylle,  f.  (PL  -n): 
ländliches  Gedicht,  Hirten-,  Schäfergedicht: 
ländl.  Stilleben.  In  der  1.  Bed.  bei  Zachariä 
194  und  Adelung  1775  Idylle  f.,  aus  gr.-lat. 
idyllium,  gr.  eibüXXiov  n.  «kleineres,  zierlich 
darstellendes  Gedicht,  meist  ländlichen  In- 
halts», eig.  «Bildchen»,  Dim.  von  gr.  elboc  n. 
«Bild».  Davon  idyllisch,  adj.,  bei  Goethe 
an   Schiller  3,  48. 

-ieren,  Endung  vieler  aus  dem  Romani- 
schen und  Lateinischen  entlehnten  Zeitwörter, 
aber  auch  deutschen  Wortstämmen  angehängt, 
z.  B.  halbieren,  stolzieren  usw.  Erst  mit  der 
höfischen,  aus  romanischer  Quelle  schöpfen- 
den Poesie  seit  der  2.  Hälfte  des  12.  Jh., 
mhd.  -ieren,  md.  -nen,  ndrhein.  im  14.  u.  15.  Jh. 
-eren,  aus  afranz.  -ier,  das  ui-spr.  den  lat. 
Infinitiven   auf  -iare  oder  -igare   entspricht. 

-ig,   Ableitungssilbe  an  Adjektiven,  ent- 

I  sprechend   entweder    1)  mhd.  -ec,   ahd.  -ac, 

'  got.  -ag,  oder  2)  mhd.  -ec.  -ic,  ahd.  -ic,  -ig, 

got.  -eig,  im  letztem  Fall  Umlaut  bewirkend. 

Igel,  m.  (-S,  PL  wie  Sg.):  das  Stacheltier 
lat.  erinaceus,  eres.  iihd.  igel,  ahd.  and.  igil  m.; 

58 


915 


Ignorant 


Urne 


916 


dazu  mnd.  und  ndl.  egel,  ags.  igl,  il,  anord. 
igull  m.  Urverwandt  mit  gr.  ixxvoc,  ahg.jezi, 
lit.  ezTs  m.,  arm.  ozni  «Igel».  Bei  Nicolai 
Phantasmen  11  unrichtig  auch  für  Egel  (s. 
Blutegel),  nd.  iL 

Ignorant,  m.  {-en,  PI. -ew):  Unwissender, 
Dummkopf.  1571  bei  Rot,  1582  bei  Fischart 
Garg.  236,  aus  lat,  ignörans,  dem  Part.  Präs. 
von  ignöräre  «nicht  wissen».  Ignoranz,  f.: 
Unwissenheit,  1582  bei  Fischart  Garg.  240 
Ignorantz,  aus  gleichbed.  lat.  ignörantia  f. 
ignorieren,  v.:  absichtlich  nicht  kennen, 
nicht  beachten,  bei  Schiller  an  Goethe  2,  304, 
aus  gleichbed.  lat.  ignöräre. 

ihm.  Dat.  Sg.  von  er  und  es,  mhd.  im, 
inie,  ahd.  asächs.  imu,  imo,  dazu  got.  imma. 
ihn,  Akk.  Sg.  von  er,  mhd.  in,  auch  inen 
(noch  im  16.  Jh.  jnen,  bei  Fischart  jne),  ahd. 
inan,  inen,  in;  dazu  asächs.  ina,  got.  ina. 
ihnen.  Dat.  PI,  von  er,  sie,  es,  mhd.  in,  inen 
(noch  im  16.  Jh.  häufig  jn),  ahd.  im,  in,  bei 
Notker  erweitert  inen;  dazu  asächs.  im,  got. 
im.  ^ihr,  Dat.  Sg.  von  sie,  mhd.  ir,  ahd, 
iro,  iru,  ira;  dazu  asächs. rrM,  got.izai.  "ihr, 
Nom.  PI.  des  Pronomens  der  2.  Person  (du), 
mhd.  ahd.  ir,  md,  er;  dazu  asächs.  gi,  ge, 
afries.  i,  gi,  ags.  ge,  anord.  er,  got.  jus.  ^ihr, 
Possessivpronomen,  mhd.  ir,  Fem.  iriu,  Neutr. 
irg  (auch  substantivisch  dag  ire  oder  ir,  der 
ir,  die  ire),  hervorgegangen  aus  ihr,  dem 
Gen.,  Sg.  und  PI.  der  3.  Person  (s.  ihrer). 
^  ihrer,  Gen.  Sg.  von  sie,  erweitert  aus  ihr, 
noch  älternhd.  z.  B.  bei  Luther  jr  (Matth. 
21,8),  mhd.  ir,  auch  Ire,  ahd.  ira,  iro;  dazu 
asächs.  ira,  got.  izös.  "ihrer.  Gen.  PI.  von 
er,  sie,  es,  ebenfalls  aus  ihr  erweitert,  noch 
bei  Luther  jr  (l.  Mos.  3,  7),  mhd,  ir,  ahd. 
asächs.  ?Vo;  dazu  got.  ize,  Fem.  izö.  Ein  Nach- 
klang dieses  Gen.  Sg.  und  PI.  ihr  ist  die  Ver- 
bindung ihre  sein  (in  der  Anrede  Ihre  sein) 
zur  Bezeichnung  der  An-,  Zugehörigkeit,  bei 
sächsischen  Schriftstellern  des  18.  Jh.  (Geliert 
Fab.  2,  75,  Lessmg  1,  367),  wie  schon  in  der 
Bibel  1483  Matth.  5,  3  das  reich  der  hymel 
ist  ir.  ihresgleichen,  erstai-rte  Genitiv- 
form,  im  18.  Jh.  (Lessing  1,  389),  1539  bei 
Alberus  wider  Witzeln  G5*  ihr  gleichen  (s. 
gleich),  ilirethalben,  adv.,  mhd.  von  iret 
halben  (Leyser  Pred.  38,  28),  von  irenthalben 
(Livl.  Reimchron.  6383),  eig.  Dat.  PI,  mit  un- 
organisch eingeschobenem  t  (s.  Halbe,  halben). 
ihretwegen,  adv.,  im  14.  Jh.  von  im  wegen 
(Städtechron.  1,  29, 9),  bei  H.  Sachs  von  jrnt 
wegen,  s.  wegen,    ihretwillen,  adv.,  im  16. 


Jh.  umh  jren  tvillen,  dann  umb  jret  willen, 
s.  willen,  ihrig,  adj.,  1575  bei  Fischart 
Garg,  54  jrig,  substantivisch  1562  bei  Mathe- 
sius  Sar,  36^  das  jrige  und  bei  H.  Sachs 
Fastn,  5,  126  das  jrig.  Ihro,  Possessivum 
vor  einem  Titel,  nach  dero  (s.  d.)  gebildet 
und  gegen  Ende  des  17.  Jh.  aufgekommen 
(1682  bei  Schnüffis  Mirant.  Flötlein  Vorr.  3^ 
jhro  Hochfür stl.  Gnaden),  jetzt  als  altfrän- 
kisch angesehen.  Vom  13.  bis  17.  Jh.  lautete 
der  Dat.  Sg,  des  Fem.  der  3.  Person  iro,  ira, 
iru,  noch  1650  bei  Moscherosch  Phil.  1,447 
jhro,  wie  schon  ahd.  iru,  iro;  ebenso  der 
Gen.  PI.  der  3.  Person  ahd.  und  in  aleman- 
nischen Urkunden  des  14.  Jh.  iro,  noch  im 
16,  Jh,  jro  jedem.  Beides  im  18.  Jh.  veraltet. 
ihrzen,  v.:  mit  Ihr  anreden,  mhd.  irzen 
(vgl.  duzen). 

11-  in  Zusammensetzungen  (von  Fremd- 
wörtern) vor  l  ist  aus  in  entstanden,  lat.  in- 
mit  der  Bedeutung  «un-»,  z,  B,  illegal  «un- 
gesetzlich» (1728),  illoyal  «nicht  loyal»  oder 
«ein,  hinein». 

Ilk,  m.,  niederdeutsche  Nebenform  von 
Htis  (s.  d.). 

illuminieren,  v.:  erleuchten,  bes.  zum 
Schmuck,  feierlich;  mit  Farben  ausmalen. 
Mhd.  illuminieren  «leuchtend  schmücken»,  aus 
lat.  illüminäre  «erleuchten,  licht  machen».  Li 
der  2.  Bed.  1562  bei  Mathesius  Sar.  Vorr.  a  5^ 
ein  Buch  illuminiren,  mhd.  1350  luminierer  m. 
«Illuminator».  Illumination,  f.:  festliche 
Erleuchtung,  1714  bei  Wächtler,  aus  lat. 
illüminätio  f.  «Erleuchtung». 

Illusion,  f.  (PI.  -en):  falsche  Einbildung, 
Täuschung.  1710  bei  Nebring.  Aus  lat.  il- 
lUsio  f.  «Verspottung,  Ironie»,  franz.  illusioyi  f. 
«Täuschung,  falsche   Einbildung». 

illustrieren,  V.:  erläutern,  in  heUes  Licht 
setzen;  ausschmücken,  zieren  (bes.  Bücher 
dui'ch  in  den  Text  eingeschaltete  Holzschnitte 
usw.).  In  letzter  Bed.  1714  bei  Wächtler.  Aus 
gleichbed.  lat.  illusträre.  Illustration,  f.: 
Erläuterung,  namentlich  durch  Abbildungen, 
dann  letztere  selbst,  1710  bei  Nehiing  Illu- 
stration «Erleuchtung»  aus  gleichbed,  lat. 
illusträtio  f, 

Ilme,  f,  (PI.  -«):  Ulme,  Schweizerisch, 
wetterauisch  usw,  Mhd.  ebne,  ilmenei.  {Snmerl. 
50,8)  und  elmboum  m.,  spätmhd.  Um,  ilm£, 
ahd.  elm;  dazu  ags.  elm  m.,  engl,  elni,  anord. 
alnir  m,,  schw,ed,  alm,  dän,  elm.  Urverwandt 
mit  lat.  ulmus  f,,  ir,  lern  «Ulme»  (s,  d,).  Aus 
dem   Germ,   stammt  russ,  ilem>i   m.  «Ulme». 


917 


nse 


immittelst 


918 


Ilse,  Frauenname.  Ahd.  Ilisa.  Echtdeutseh. 

Iltis,  m.  (Gen.  Iltisses,  PI.  Iltisse):  der 
Stänkerratz,  Mustela  putorius.  ^Ihd.  eltes, 
ütis  m.,  spätmhd.  auch  iltisse,  alteis,  elteis, 
eltechs,  spätahd.  illi(n)tiso  m.  Die  Formen 
der  Mundarten  zeigen,  daß  das  "Wort  aus 
zwei  Bestandteilen  zusammenges.  ist,  deren 
zweiter  eine  Umdeutvmg  auf  nd.  deisen, 
Schwab,  deinsen,  Schweiz,  täseln  «schleichen», 
deißel  f.  «Wiesel»  (bei  Henisch,  Stieler  er- 
f  ahi'en  hat :  ha  jr. Ell  edeis,  Schweiz.  Täs,  Täsen  m. 
(im  Bernbiet),  tirol.  Ilkes,  nass.  Ilser,  Eiser, 
schles.  Ilster,  obersächs.-böhm.  Utnis  (schon 
1470  eltnys,  1604  bei  Colerus  Hausb.  3,  160 
Udnis,  Iltitz),  nd.  Hk,  Elk,  Illink,  mnd.  ilke, 
üleke,  1754  bei  Döbel  Jägerpract.  1,  42  Illing, 
EU-Katze.  Elb-Thier:  dazu  schwed.  t'Wer,  dän. 
Oder.  Dunkler  Herkunft.  Im  zweiten  Teil 
(Grundform  illit(iü)iso)  vermutet  man  jetzt 
ein  iviso,  *das  zu  Wiesel  gehören  würde. 

illl,  mhd.im.ime,  imme,  dui-chAngleichung 
des  n  aus  inme,  ineme,  verschmolzen  aus  in 
deme  «in  dem». 

Imbiß,  m.,  mundartlich  auch  n.  (^Gen. 
Imbisses,  PI.  Imbisse):  kleine  Mahlzeit,  bes. 
außer  dem  Mittage.  Mhd.  ahd.imhiß,  inbi^  m..n., 
spätmhd. auch  imwej,2/nb^,  noch  heute  Schweiz. 
im(m)is,  meist  zimis,  hess.  immes,  elsäss.  im- 
mes,  ims,  auch  bei  Goethe  8,  79  Nacht-Ims. 
Zu  ahd.  in-,  imhtgan,  mhd.  enMgen  «sich  durch 
Speise  u.  Trank  stärken,  ein  Mahl  halten»,  zgs. 
aus  ahd.  in-  «ein»  fs.  d. -)  und  M^an  «beißen». 

imitieren,  v.:  nachahmen,  nachmachen. 
1571  bei  Rot,  1534  bei  Franck  Weltb.  235. 
Aus  gleichbed.  lat.  imitäri.  Davon  Imita- 
tion, f.,  1571  bei  Rot. 

Imker,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Bienenzüchter, 
bei  Adelung  1775  Imker  als  niedersächsisch 
(1767  im  Brem.  Wb.),  1666  bei  Comenius 
Sprachenthür  §  384  Immiche^-.  Von  Imme,  f. 
(PI. -n):  Bienenschwarm,  Biene,  Arbeitsbiene. 
Mhd.  imbe,  impe,  imp,  später  imme  m.  «Bienen- 
schwarm, -stock»,  erst  spätmhd.  «Biene»,  ahd. 
impi,  imbi  m.  «Bienenschwarm»,  als  Kollektiv 
in  der  Verbindung  impi  piano,  «examen  apium»; 
dazu  mnd.  imme  n.  (selten  m.) «  Bienenschwarm, 
-stock,  Biene»,  ags.  i/mbe  «Bienenschwarm». 
Noch  in  den  Mundarten  wird  unterschieden: 
Schwab.  Immen  m.  «Bienenkorb»  und  Imme  f. 
«Biene»,  Schweiz.  Imb  m.  «Bienenschwann» 
u,  Immi  n.  «Biene»,  elsäss.  Imm{e)  f.  «Biene», 
Imme  m.  n.  «Bienenschwarm,  -stock»,  westfäl. 
Imen  m.  «Bienenschwarm»,  Ime  f.  «Biene». 
Wegen  der  Bedeutung  «Schwann»  ist  Ver- 


wandtschaft mit  gl",  eurnc  f.  «Stechmücke» 
dui'chaus  unwahrscheinlich.  Das  Wort  gehört 
vielmehr  zu  'w.  imbed,  akymr.  imm^t  «Fülle, 
Menge»,  lat.  omnis  «all».     S.  Walde  s.  v. 

immaßen,  conj.:  indem,  weil,  eig.  in  dem 
Maße  daß.  Nur  noch  im  Kanzleistil.  Im  14.  Jh. 
inmaßen  (Xürnb.  Pol.-Ordn.  229 j,  zusammen- 
gefügt aus  der  Präp.  in  und  dem  Dat.  PI.  von 
Maße  f.  (s.d.),  mhd.  m^^e  «Art  und  Weise». 

Immatrikulation,  f.  (PI.  -en):  Einschrei- 
bung in  die  Matrikel  { Stammliste),  nament- 
lich der  Universitäten,  1728  bei  Sperander. 
Von  immatrikulieren,  v.,  aus  nlat,  im- 
matriculäre,  einer  Ableitung  von  lat.  mätri- 
cula  f.  «Stammrolle»,  dem  lat.  mäter  f.  «Muttei-» 
zugrunde  liegt.     1703  im  Zeit.  Lex. 

Immediätgesuch,  n.:  ein  an  den  Landes- 
herm  selbst  gerichtetes  Gesuch.  Zsg.  mit 
immediat,  adj.  «unmittelbar».  Von  gleichbed. 
lat.  immediätus.     1703  im  Zeit.-Lex. 

immer,  adv.:  in  imunterbrochener  Zeit- 
dauer. Mhd.  iemer,  imer,  immer,  ahd.  iomer, 
iemer  «zu  irgendeiner,  sowie  zu  jeder  gegen- 
wärtigen oder  zukünftigen  Zeit»,  dazu  and. 
iemar  «immer»,  mnd.  immer,  ummer,  jummer 
«jemals  fvon  beginnender  und  zukünftiger 
Tätigkeit),  jedesfalls,  gewiß x.  Zusammenge- 
rückt aus  ahd.  io  (s.  je)  ujid  mir  ( s.  mehr). 
ZUS.  immerdar,  adv.,  bei  Luther  jmerdar 
1494  bei  Brant  Narr.  61  yemerdar.  immer- 
fort, adv..  bei  Luther  jmer  fort.  Immer- 
grün, n. :  die  Pflanze  Vinea  minor,  Singrün 
(s.  d.),  1691  bei  Stieler.  immerbin,  adv., 
bei  Luther  jmer  hin.  immermebr,  adv., 
mhd.  (durch  nochmaliges  mer  verstärkt)  immer 
mere,  iemer  mer,  iemer  me  «zu  jeder  gegen- 
wärtigen oder  zukünftigen  Zeit»,  immer- 
wäbrend,  adj.,  im  ib. -^h.  ymynerwernd  (ÜÄtz- 
lerin  LXVIIP).  immerzU,  adv.,  1510  bei 
Keisersberg  Pred.  116^  ymerzü. 

Immi,  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Hohlmaß  für 
Getreide,  Weine  usw.,  schwäbisch  -  .j  Scheft'el 
imd  ^/o,.  Eimer,  schweizerisch  zuletzt  1  \.,  Liter 
(in  der  franz. Schweiz  emine  f.).  Mhd.  im  14.  Jh. 
imin,  imi  n.,  aus  gr.-lat.  liemina  f.  als  Hohl- 
maß «die  Hälfte  eines  sextarius  (Nösels)», 
gl-,  riiaiva,  r\\n\a  f.  «die  Hälfte  des  ^Kreüo 
(des  6.  Teils  des  Scheffels),  woher  auch  franz. 
mine  f.  «ehemaliges  Trockenmaß». 

immittelst,  adv.:  während  derZeit(Licht- 
wer  Fab.  3, 4).  Im  16.  Jh.  bei  Schweinichen 
1,214,  mit  Antritt  von  t  aus  in  mittels  (16. 
und  17.  Jh.),  einer  Verbindung  des  adverb. 
Gen.  Sg.  von  Mittel  (s.  d.)  mit  in. 

58* 


919 


Immobilien 


-m 


920 


Immobllieu,  PL:  unbewegliche  Güter, 
Liegenschaften.  1703  im  Zeit.-Lex.,  aus 
gleichbed.  lat.  inimöhüia  bona. 

immorälisch,  adj.:  unsittlich,  sittenlos. 
1797  bei  Fr.  Schlegel  Griechen  u.  Römer  182, 
nach  neulat.  immoralis.  Davon  Immorali- 
tät,  f.:  Unsittlichkeit,  Sittenlosigkeit,  bei 
Schiller  Nachtr.  2,  217  Boas. 

Immortelle,  f.  (PI.  -w) :  Blume  mit  stroh- 
artigen un  verwelkbaren  Blumenblättern,Stroh- 
blume,  Helichrysum.  In  der  ersten  Hälfte  des 
19.  Jh.  aus  gleichbed.  franz.  immortelle  f.,  von 
lat.  imniortälis  «unstei-blich». 

immun,  adj.:  abgabenfrei;  seuchenfrei. 
Aus  lat.  immünis  «frei  von  Leistungen»  (so 
noch  1813  bei  Campe).  Immunität,  f. 
(PI. -ew):  Abgabenfreiheit;  ünansteckbarkeit ; 
Unverletzlichkeit  (der  Abgeordneten).  In  der 
1.  Bed.  1703  im  Zeit.-Lex.,  in  den  beiden 
andern  erst  im  19.  Jh.  Aus  lat.  mimünitäs  f. 
«Freiheit  von  Steuern,  Lasten». 

Imperativ,  m.  (-s,  PI.  -e):  Befehlsform, 
befehlende  Redeweise.  Aus  lat.  modus  impe- 
rätivus. 

Imperfekt,  n.  {-s,  PI.  -e):  die  unvoll- 
endete Vergangenheit,  Vorgegenwart.  Aus 
lat.  (tempus  praeteritiim)  iniperfectum. 

impersonal,  adj.:  unpersönlich,  aus  lat. 
impersöndlis.     1813  bei  Campe. 

impertinent,  adj.:  ungeziemend,  unbe- 
scheiden, unverschämt  derb;  als  Adv.  auch 
«allzu»,  z.  B.  impertinent  hlo7id.  1710  beiNeh- 
ring  «  ungereimt,  das  nicht  zur  Sache  gehöret». 
Aus  franz.  impertinent,  mlat.  impertinens,  von 
\ai.  pertinere  «gehören,  Beziehung  haben  zu». 
Impertinenz,  f.,  bei  Lessing  7,  156,  aus 
franz.  impertinence,  mlat.  impertinentia  f.,  aber 
schon  1703  im  Zeit.-Lex.  Impertinentien  «un- 
gereimte Dinge,  nugae». 

impfen,  v.:  ein  Pflanzreis  zum  Fort- 
wachsen in  die  Rinde  einsetzen;  dann  (seit 
1750)  Kraukheitsstoff  in  die  Haut  einsetzen. 
Mhd.  impfen  und  ungekürzt  impfeten,  inpfeten, 
impeten,  ahd.  imphon  und  impitön,  inbitön 
(noch  bayr.  impten);  dazu  ags.  impian,  engl. 
imp,  ferner  mnd.  und  nnd.  poten  «pfropfen, 
Pflänzlinge  setzen»,  mnd.  mnld.  enten  «Pfropf- 
reiser auf  einen  Zweig  setzen».  Mit  dem 
gleichbed.  franz.  enter  aus  lat.  imputäre  «ein- 
schneiden, ins  Kerbholz  schneiden,  in  Rech- 
nung setzen»,  putäre  «Bäume  beschneiden», 
in  der  Lex  salica  (85,  10  Merkel)  inpotus 
«Pfropfreis».  ABL.  Impfling,  m.:  Impf- 
reis, 1580  bei  Sebiz  Feldb.  52.   Impfung,  f. : 


Pfropfung,  mhd.  impfetunge,  iniptange,  spät- 
mhd.  imtung,  impfung,  ahd.  imhitunga  f. 
(Diefenb.  gl.  300°). 

Imponderabilien,  pl.:  unwägbare  Dmge. 
Nach  Arnold  ZfdW,  3, 350  im  18.  Jh.  im  Ge- 
lehrtenlatein entstanden,  aus  in  «un»  und 
ponderabilis  «wägbar».  1821  bei  J.  Paul 
Komet.  Dann  Schlagwort  in  den  siebziger 
Jahren  des  19.  Jhs.     Vgl.  Ladendorf. 

imponieren,  v.:  sich  geltend  machen, 
Achtung  einflößen.  Bei  Goethe  an  Schüler 
3,  364,  das  Part,  imponierend  bei  Lessing  7,  26. 
In  der  Bed.  «auflegen»  1714  bei  Wächtler, 
aus  lat.  imponere  «aufsetzen,  auflegen,  wo- 
rüber als  Befehlshaber  setzen»,  imposant, 
adj. :  mächtigen  Eindruck  machend,  bei  Goethe 
32,  116,  aus  franz.  imposant,  Part.  Präs.  von 
imposer  «Bewunderung  einflößen».  ImpOSt, 
m.  [-es,  PI.  -en):  Auflage,  Warensteuer.  Im 
17.  Jh.  (Nehring  1694),  aus  gleichbed.  mlat. 
impostus  ni.,  älterfranz.  impost  (nfranz.  impot), 
von  lat.  impositus,  Part.  Perf.  Pass.  von  impo- 
nere «auflegen». 

imprägnieren,  v.:  einen  Körper  mit 
einer  Flüssigkeit  durchtränken.  Aus  lat.  im- 
praegnäre  «schwängern».  Ende  des  18.  Jh. 
in  der  jetzigen  Bedeutung. 

improvisieren,  v.:  aus  dem  Stegreif  ent- 
werfen oder  vortragen.  1801  bei  Campe 
aus  .ital.  improvisare,  franz.  improviser,  von 
lat.  impro Visus  «nicht  vorausgesehen,  unver- 
mutet». Davon  Improvisation,  f.  (PI.  -en). 
Im  19.  Jh. 

Impuls,  m.  {-es,  PI.  -e):  Anstoß,  Antrieb. 
Bei  Campe  1818,  Goethe  Nat.  Sehr.  4,  289. 
Aus  lat.  impulsus  m.,  zu  lat.  impellere  «woran 
stoßen,  antreiben». 

Imse,  f.:   Ameise   (s.  d.). 

in,  praep.,  zunächst  vom  Räume,  dann 
auch  von  dem  Zeitverhältnisse  usw.,  mit  Dat. 
auf  die  Frage  wo?,  mit  Akk.  auf  die  Frage 
wohin?  Mhd.  und  ahd.  in,  auch  abgeschwächt 
en;  dazu  asächs.-afries.-mndl.-ags.-engl.-got.  in, 
anord.  i,  schwed.-dän.  i.  Urverwandt  mit  lat. 
in,  gr.  iv,  ivi,  altir.  in,  lit.  i,  apreuß.  en,  arm. 
i,  alb.  in.  Von  der  Präp.  in,  die  im  Spätmhd. 
und  Älternhd.  mitunter  mi  lautet  (Städtechr. 
3,  329,  14,  H.  Sachs  2,  59),  geht  das  Adv.  in 
(in  den  Zusammensetzungen  darin,  hierin, 
Inbiß,  Inbrunst,  Inhalt  usw.)  aus,   s.  ein-. 

-in,  (PI.  innen):  Silbe  zur  Bildung  weib- 
licher Namen  aus  männlichen,  z.  B.  Königin, 
Wirtin,  Wölfin  usw.).  Mhd.  -in.  -in  und  inne, 
ahd.  -in  und  -inna,  ags.  -en. 


921 


Inbegriff 


indogermanisch 


922 


Inbegriff,  m.  {-s,  PI.  -e):  die  Gesamt- 
heit aller  in  einem  Umkreis  eingeschlossenen 
Dinge,  sowie  der  unter  einen  Begrifi'  gehörigen 
Einzelheiten.  1721  bei  Günther  444  Inbegriff, 
1734  bei  Steinbach  Innhegrieff. 

Inbrunst,  f.  (ohne  P].):  inniges,  heißes 
Gefühl.  Im  15.  Jh.  inbrunst  f.,  1512  beiKeisers- 
berg  Bilgersch.  7 '^  ynhrunst  m.,  zunächst  «in- 
nere körperliche  Glut»,  dann  «brennendes  (hef- 
tiges) Verlangen».  Davon  inbrünstig,  adj., 
spätmhd.  inhrünstec. 

Inbürger,  m. :  Bürger  am  Wohnort,  Gegen- 
satz von  Aushürger  (s.  d.).     1741  bei  Frisch. 

indem,  l)  adv.-.  während  dieser  Zeit;  da 
auf  einmal  (Thümmel  Reise  9,  285).  In  der 
1.  Bed.  1535  im  Aimon  D  1  indem,  bis  ins 
17.  Jahrh.  unverbunden  in  dem  geschrieben. 
2)  konj.:  zu  der  Zeit  daß;  aus  dem  Grunde 
daß.  Temporal  bei  Luther  Matth.  13,  4  in 
dem,  dafür  1512  bei  Keisersberg  Bilgersch.  5^^ 
in  dem  so;  kausal,  bei  Keisersberg  Büg.  6^ 
in  dem,  6*  w  dem  so.  Am  frühesten  im  15.  Jh. 
in  dem,  daß  «in  dem  Punkte  oder  Umstände, 
daß»  (Nümb.  Pol.-Ordn.  84).  Dafür  ahd.  indiu 
«in  dem,  darin  daß,  während»  (diu  der  In- 
strumentalis des  Demonstrativpronomens),  im 
12.  Jh.  erloschen. 

Indemnität,  f.:  nachträgliche  Genehmi- 
gung, Lossprechung  von  der  Verantwortlich- 
keit. Im  19.  Jh.  aus  engl,  indemnity,  das  über 
ivanz.  indemnite  dem  \at.  indenmitas  f.  «Schad- 
loshaltung» entstammt.  1866  Schlagwort.  Vgl. 
Ladendorf. 

indes,  indessen,  adv.  und  dann  konj.: 
in  (während)  der  Zeit;  jedoch  (18.  Jh.).  Mhd. 
in  der  1.  Bed.  das  Adv.  indes,  unverkürzt 
innen  des,  inne  des,  ahd.  innan  des,  innin 
des,  inni  des  (s.  innen).  Als  temporale  Kon- 
junktion 1575  bei  Fischart  Garg.  413  inn  des. 
Die  verlängerte  Form  indessen  seit  dem  17.  Jh. 
(1678  bei  Krämer),  s,  dessen. 

Index,  m.  (-[e]s,  PI.  Indexe  u.  Indices): 
Anzeiger,  Register,  Verzeichnis  insbes.  der 
verbotenen  Bücher.  Im  18.  Jh.  aus  gleichbed. 
lat.  index  m. 

Indian,  m.  (-«  und  -en,  PI.  -en):  Trut- 
hahn. Bei  Bluraauer  Aen.  1,  141,  dafür  1664 
bei  Duez  Indianischer  Hahn.  Indianer,  m. 
(-.s,  PI.  wie  Sg.),  nach  einem  neulat.  Adj. 
Indiänus,  eig.  die  Bewohner  Indiens  bezeich- 
nend, 1700  bei  Gleditsch.  Indien  nannte  man 
aber  auch  Amerika,  so  noch  heute  West- 
indien, weil  Columbus  die  Ostküste  Indiens 
entdeckt  zu  haben  glaubte.    Erst  im  19.  Jh. 


ist  die  Unterscheidung  zwischen  Indianer  für 
die  einheimische  Bevölkerung  Amerikas  und 
Indier  für  die  Ostindiens  durchgedrungen. 
Ebenso  steht  es  mit  indianisch  und  indisch. 

indifferent,  adj.:  einerlei,  gleichgültig; 
unteilnehmend.  1703  im  Zeit.-Lex.,  aus  lat. 
indifferens  (Gen.  indifferentis),  franz.  indiffe- 
rent.    Vgl.  Differenz. 

Indigo,  m.  (-5,  PI.  -s),  früher  auch  Indig, 
m.  (-S,  PI.  -e):  das  indische  Blau.  Mhd,  in- 
dich  m.  und  endit  f.,  im  16.  und  17.  Jh.  auch 
Endich,  Endig  (SimTpliciss.51),  1678  bei  Ki-ämer 
Bidig,  1712  bei  Hübner  Indigo.  Über  franz. 
indigo  aus  span.  indigo  m.,  von  lat.  indicum 
«das  indische»,  weil  urspr.  aus  Ostindien 
kommend. 

IndikatlY,  m.  {-s,  PI.  -e) :  die  bestimmte 
Redeweise,  eig.  wie  1663  bei  Schottel  558  die 
Anzeigeweise.  Aus  lat.  modus  indicativus,  von 
indicäre  «anzeigen,  aussagen». 

indirekt,  adj.:  nicht  geradezu,  mittelbai-. 
1716  bei  Ludwig.  Aus  gleichbed.  lat.  iwdirecto. 
S.  direkt. 

indiskret,  adj.:  nicht  verschwiegen.  Aus 
gleichbed.  franz.  indiscret,  und  dies  aus  lat. 
indiscretus  «ununterschieden»,  zgs.  aus  in 
«un»  und  discretus,  s.  diskret. 

Individuum,  n.  (-s,  PI.  Individuen)-. 
Einzelwesen.  Bei  Thomasius  Einl.  83  und  1712 
bei  Hübner.  Das  Substantiv.  Neutr.  des  lat, 
Adj.  individuus  «unteilbar,  ungeteilt».  Dazu 
individuell,  adj.:  dem  Einzelwesen  eigen- 
tümlich, bei  Lessing  5,  384,  nach  franz.  in- 
dividuel,  bei  Schiller  und  Herder  individual. 
Individualität,  f.:  die  dem  Einzelwesen  an- 
geborne  Besonderheit,  bei  Goethe  Briefe  2, 105. 

indogermanisch,  adj.,  gemeinsame  Be- 
zeichnung folgender  miteinander  verwandter 
Sprachen:  des  Indoiranischen,  des  Armeni- 
schen, Griechischen,  Albanesischen,  der  itali- 
schen u.  romanischen,  keltischen,  germanischen 
u.  baltisch-slawischen  Sprachen,  (zu  denen  sich 
noch  die  Sprachreste  der  alten  Skythen,  Phry- 
ger,  Thraker,  Mazedonier,  Veneter  und  Mes- 
sapier  gesellen),  so  genannt,  weil  eine  ger- 
manische Sprache  (das  Isländische)  und  die 
Sprachen  Indiens  die  beiden  äußersten  Grenz- 
punkte des  verwandten  Sprachgebiets  bilden. 
Zuerst  1823  in  Klaproths  Asia  polyglotta  nach- 
weisbar, dafür  bei  den  englischen  und  fran- 
zösischen Gelehrten  indoeuropäisch,  in  volks- 
tümlichen Schriften  arisch,  obwohl  letzteres 
nur  als  die  gemeinsame  Bezeichnung  der  mit- 
einander enger  verwandten  indischen  und  ira- 


923 


Indossament 


Ingesinde 


924 


nischen  Sprachzweige  berechtigt  (aind.  ärja-, 
awest.  airja-  «Arier»)  und  ihre  Zusammen- 
stellung mit  dem  alten  Namen  Irlands  Erin, 
Brenn  unwahrscheinlich  ist.  Vgl.  G.  Meyer 
Idg.  Forsch.  2,  125. 

Indossament,  Indossem^nt,  n.  {-[e\s, 
PI.  -e):  Übertragung  eines  Wechsels  durch 
einen  Begebungs-,  Übertragungsvermerk.  1791 
bei  Roth,  indossieren,  v.:  einen  Wechsel 
(durch  eine  Erklärung  auf  dessen  Rückseite, 
ital.  in  dosso  «auf  dem  Rücken»  an  einen 
andern  übertragen.     1710. bei  Nehring. 

Indult,  m.  (-S,  PI.  -e):  Nachsicht:  Zah- 
lungsfrist (1714  bei  Wäehtler).  In  der  1.  Bed. 
1446  bei  Janssen  Frankf.  ReichscoiT.  2,  93 
indult  f.  Aus  spätlat.  indultus  m.  «Verwil- 
ligung»,  von  indulgere  «Nachsicht  haben». 

Industrie,  f.  (PI.  -n)-.  Betriebsamkeit; 
Gewerbfleiß,  das  Gewerbe.  1766  bei  Lessing 
Laokoon  36  in  der  1.  Bed.,  bei  Campe  Be- 
reicherung in  der  Bed.  «Kianstfleiß»,  1778  bei 
Hermes  Soph.  4,  306  Kunst  und  Industrie. 
Aus  franz.  industrie,  von  lat.  industria  f. 
«Betriebsamkeit».  ABL.  industriell,  adj. 
und  subst.  der  Industrielle,  Industria- 

lismus,  f.,  von  Saint-Simon  gebildet  und 
um  1830  in  Deutschland  auftauchend.  Vgl. 
Ladendorf. 

infam,  adj.:  anrüchig,  veiTufen,  schänd- 
lich. 1691  bei  Stieler,  aus  gleichbed.  lat. 
infämis.  Infamie,  f.:  Ehrverletzung,  Ehr- 
losigkeit, Niederträchtigkeit,  1571  bei  Rot 
Infami,  aus  lat.  infämia,  franz.  infamie  f. 

Infant,  m.  (-e?i,  PI.  -en):  königlicher  Prinz 
von  Spanien.  Bei  Fischart  Garg.  168  Infant, 
Ende  des  15.  Jh.  bei  Ehingen  25  iffant,  aus 
gleichbed.  span.  infante  m.,  von  lat.  infans 
«kleines  Kind».  Davon  Infäntin,  f.:  könig- 
liche Prinzessin  von  Spanien,  1595  im  Amadis 
24,  344  f.,  span.  infanta  f. 

Infanterie,  f.  (PI.  -n):  Fußvolk.  1616 
bei  Wallhausen  Kriegsmanual  139  Infanter ia 
neben  Enfanterie,  bei  Henisch  Fantei'ie,  1617 
im  t.  Michel  13  Infanterey.  Über  gleichbed. 
franz.  infanterie,  ital.  infanteria  und  fanteria 
aus  span.  infanteria  f.,  von  span.  infantes  PI. 
«Edelknaben,  Soldaten  zu  Fuß»,  ital.  infante  m. 
«Kind»,  fante  m.  «Knabe,  Knecht,  Fußknecht, 
Fußsoldat»,  lat.  infans  «kleines  Kind».  Davon 
Infanterist,  m.  {-en,  PI.  -en):  Soldat  zu 
Fuß,   Fußgänger,   1801   bei  Campe. 

Infektion,  f.  (PI.  -en)  -.  Ansteckung.  Aus 
gleichbed.  franz.  infection  f.,  das  dem  lat. 
infectio  «Färben»  entstammt  (Ableitung  von 


in-ficere,  eig.  «hineintun»,  s.  infizieren).  Im 
18.  Jh. 

Infel,  Inful,  f.  (PI.  -n):  Bischofshut. 
]\Ihd.  in  feie,  infel,  im  fei  f.  «Hut  eines  Bischofs 
oder  Abts»,  aus  Iskt.  infula  f.,  eig.  «Stirnbinde 
und  Kopfschmuck  der  Priester,  der  Opfei-tiere 
und  der  zu  den  Göttern  flehenden  Menschen». 
infulieren,  v. :  mit  dem  Bischofshut  schmük- 
ken,  zum  Bischof  machen,  mlat.  infulare,  md. 
im  13.  Jh.  in  fehl. 

Infinitiv,  m.  (-s,  PI.  -e):  unbestimmte 
Redeweise,  Nennform.  Aus  lat.  modus  in- 
ßmtivus,  von  inftnitus  «unbestimmt». 

infizieren,  v. :  anstecken.  Aus  lat.  inficere 
«vergiften,  anstecken,  beflecken»,  von  in  «hin- 
ein» und  facere  «tun».     1703   im  Zeit.-Lex. 

Iniluenza,  f. :  eine  ansteckende  Krankheit, 
die  Grippe  (s.  d.).  Aus  ital.  ififluenza  f. 
«Seuche».      1791   bei  Roth. 

Informator,  m.  {-s,  PI.  -en) :  Hauslehrer, 
Hofmeister  (Geliert  Lehrged.  79),  1571  bei 
Rot  «Lehrmeyster»,  aus  lat.  Informator  m. 
«Bildner»,  informieren,  v.:  unterrichten, 
in  Kenntnis  setzen.  Ende  des  15.  Jh.  bei  Lilien- 
cron  2, 195^^  informiren,  spätmhd.  informeren 
(Genn.  28,  370),  aus  lat.  informäre  «gestalten, 
bilden,  durch  Unterricht  bilden». 

Infusorien,  pl.:  Aufgußtierchen,  eine  Art 
kleinster  Lebewesen.  Nach  1670  von  Leeuwen- 
hoek  entdeckt.  Der  Name  daher,  daß  man 
sie  in  oft  erstaunlicher  Zahl  auftreten  sah, 
wenn  tierische  oder  pflanzliche  Reste  mit 
Wasser  übergössen  und  an  einen  warmen 
Ort  gestellt  wurden.  Im  18.  Jh.  Infusions- 
tierchen. Von  lat.  in-  «hinein,  auf»  und 
fundere  «gießen». 

-ing,  Ableitungssilbe  an  Substantiven  zur 
Bezeichnung  der  Zugehörigkeit,  Abstammung, 
Mhd.  und  ahd.  -ine;  dazu  asächs.-ndl.-ags.-engl. 
-ing,  anord.  -ingr.  Die  Ortsnamen  auf  -i/ngen 
(schwäb.)  und  -ing  (bayr.)  sind  urspr.  Dat. 
PI.,  ahd.  -ingun,  -ingon. 

Ingenieur  (spr.  inzeniör),  m.  (-s,  PI.  -e): 
Kriegsbaumeister;  Maschinenkundiger.  In  der 
1.  Bed.  1617  bei  Wallhausen  Corp.  mil.  209 
Ingenieur,  1616  im  Kriegsmanual  143  und 
1617  im  t.  Michel  23  Ingenier,  1644  bei  Duez 
126  Ingenierer.  Aus  gleichbed.  franz.  ingenieur 
m.,  von  lat.  ingenium  n.  «Scharfsinn,  Erfin- 
dungsgeist, Schöpferkraft»,  woher  franz.  engin 
m.  Maschine  (s.  Genie). 

Ingesinde,  n.  (-s):  die  zum  Hause  ge- 
hörige Dienerschaft.  Mhd.  ingesinde  n.  (s.  in 
und  Gesinde). 


925 


ingleichen 


inmitten 


926 


ingleichen,  adv. :  in  gleicher  Weise.  Her- 
vorgegangen aus  in  gleichem  (16.  JTh.),  bei 
0^\iz\,2\lingleichen\\.mgleichem(Yoei%rej\^). 

Ingrimm,  m.  {-s,  ohne  PI.):  innerer,  ver- 
bissener Grimm.  Bei  Wieland  Amadis  18, 15 
aus  der  Volkssprache  des  mittlem  und  nörd- 1 
liehen  Deutschlands  (s.  in  und  Grimm).  Da- 
von ingrimmig,  adj.,  bei  Campe  Bereich, 
(aus  Alxinger),  dafür  1741  bei  Frisch,  1663 
bei  Schupp  140  ingrimmisch. 

Ingrün,  u.  (s,  PI.  -e):  das  Wintergmn, 
Vinca  minor,  usw.  1482  im  Voc.  theut.  p6* 
ingrun:  dazu  mndl.  ingroen  n.  «Eppich».  Von 
dem  mhd.  Adj.  ingrüene  «sehr  grün»,  worin 
in  verstärkend  steht.     S.  Immergrün. 

Ingwer,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg,):  magen- 
stärkende Wurzel  der  ostindischen  Pflanze 
amomum  zingiber.  Mhd.  ingewer ,  ingwer, ; 
ingeher,  ingber  m.  und  gingebere,  ahd.  ingüber, 
gingebero.  gingebere  m.  (vgl.  ZfdW.  6,  182); 
dazu  ndl.  gember  f.,  engl,  ginger.  Wie  franz. 
gingembre,  ital.  zenzovero,  zenzero,  gengiovo  m. 
cingwer»  aus  gleichbed.  gi'.-lat.  zingiberi  und  I 
zingiber  n.,  gr.  IiYTißepic  f.,  von  pers.  und 
arab.  zendjebil,  prakrit.  singabera,  aus  aind. 
gp9ga-vera,  eig.  «horngestaltet»,  von  aind. 
gpdgam  n.  «Hom»,  vera-  m.  n.  «Leib». 

Inhaber,  m.  [s,  PI.  wie  Sg.):  im  Besitz 
Habender.  Mhd.  inlmber  m.  Von  inhaben, 
V.:  unter  seiner  Gewalt  haben,  1436  inhän 
(Weist.  5,  194).  Zgs.  mit  dem  Adv.  in  (s.d.). 
Vgl.  innehaben.  ' 

inhaftieren,  v.:  in  Haft  nehmen.  1775 
bei  Adelung  aus  der  Gerichtssprache.  Mit 
fremder  Endung  zu  «in  Haft»,  s.  -ieren.       ' 

Inhalt,  m.  (-S,  PI.  -e):  was  worin  ent- 
halten ist.  Zuerst  1440  in  einer  ungednickten 
Riedeselschen  Verkaufsurkunde  innehält  m., 
1432  innhalt  (Germ.  28,  370),  bei  Luther  u. 
Dasypodius  Inhalt,  dafür  mhd.  entheltnisse  f. 
einhält»  (Myst.  1,  26,  25).  Der  Gen.  Inhalts 
als  Präp.  mit  Gen. 

inhuman,  adj. :  gefühllos,  hart,  unmilde. ! 
1714  bei  Wächtler.    Aus  lat.  inhmnänus  «un- 
menschlich, unhöflich». 

Initiale ,   f.    (PI.  -n)  -.   Anfangsbuchstabe.  '< 
Bei  Ludwig  1716  der  PI.  Initial-Buchstaben. 
Aus  lat.  initiälis  «anfänglich»  von  initium  n. ! 
«Anfang».  | 

Initiative,  f.:  das  Recht  oder  Fähigkeit,! 
aus   eignem  Antrieb   zu   handeln.     Von  lat. ! 
initium  n.  «Anfang»,  Ende  des  18.  Jh.  auf- 
gekommen.    RA.  die  L  ergreifen:  den  An- 
fang womit  machen.     Vgl.  Ladendorf. 


Injurie,  f.  (PI.  -n)-.  Rechtskränkung, 
Ehi'enverletzung.  1515  bei  Pleningen  Sallust 
P  4*,  aus  lat.  injuria  f.  «widerrechtliche 
Handlung,  Unrecht,  Unbill». 

inklinieren,  v.:  wohin  neigen,  1571  bei 
Rot,  aus  gleichbed.  lat.  inclinäre. 

inklusive,  adv.:  einschließlich.  Aus  gleich- 
bed. neulat.  inclusive.     1703  im  Zeit.-Lex. 

inkognito:  unerkannt,  unter  fremdem 
Namen,  1696  im  Schelmuifsky  -  38,  1703  im 
Zeit.-Lex.,  aus  ital.  incognito,  von  lat.  incog- 
nitus  «unbekannt,  unerkannt»,  im  Ablativ 
incognito  «ohne  Wissen,  ohne  Kenntnis». 

inkommodieren,  v.:  unbequem,  lästig 
sein.  1703  im  Zeit.-Lex.,  aus  gleichbed.  lat. 
incommodäre. 

inkorporieren,  v.:  einverleiben.  Mhd. 
im  14.  Jh.  incorporiren  (1354  Mon.  Boica  42, 
111),  aus  lat.  incorporäre  «in  den  Leib  ätzen», 
von  lat.  corpus  n.  «Leib». 

Inkunabel,  f.  (PI.  -n)-.  Erstlingsdruck, 
Wiegendruck.  Von  lat.  in-cünäbula  PI.  n. 
«Windeln,  Wiege».  Benennung  der  Drucke 
bis  etwa  zum  Jahre  1500,  weil  die  Buch- 
druckerkunst damals  noch  in  den  Windeln 
lag.      1791   bei  Roth. 

Inlage,  f.  (PI.  -n)-.  Einlage.  1691  bei 
Stieler.     S.  inliegend. 

Inland,  n.  (-s,  ohne  PI.):  Gegensatz  von 
Ausland  (s.  d.).  Dafür  mhd.  iniende  n. 
«Vaterland,  Heimat,  Herberge,  Quartier». 
Bei  Stieler  1691  und  Zesen  Dögens  Baukunst 
1648  Inland  «Insel».  Dazu  Inländer,  m., 
spätmhd.  i/i/ew Jer  m. ;  inländisch,  adj.,  1512 
in  Reichsordn.  75^  innländisch,  1436  in  Weist. 
5,  194  inlentz.     Daneben  auch  einländisch. 

Inlaut,  ra.  (-S,  PI.  -e):  Vokal  oder  Kon- 
sonant im  Innern  eines  Wortes.  Ein  von 
Jak.  Grimm  (Gramm.  1,  ^  12)  eingeführter 
grammatischer  Kimstausdruck. 

Inlett,  n.  (-S,  PI.  -e  und  -s):  der  innre 
Bettüberzug,  in  den  die  Federn  getan  werden. 
1589  bei  Roth  Hausmütter  Abc  H  1  Innled, 
aus  nd.  Inlet,  Inlede,  Inlitt  (Hermes  Soph. 
5,  415),  im  Göttingischen  Inlät,  entsprechend 
pfälzischem  Inläß;  obersächs.  Inelt,  daraus 
oberd.  und  rad.  Indelt  (1775  bei  Adelung). 
Zgs.  aus  iti  und  lassen. 

inliegend,  Part.:  als  Beischluß  innen 
liegend.     1691   bei  Stieler.     Vgl.  in. 

iumittelst,  s.  immittelst. 

inmitten,  adv.  und  präp.  mit  Gen.  Mhd. 
in  mitten,  dann  enmitten,  frühmd.  in  mittin 
«in  der  Mitte»,  auch  «mittlerweile»,  gekürzt 


927 


mne 


insgeheim 


928 


aus  mhd.  enmitemeii ,   ahd.  in  mittamen,   in 
mittemen  «in  der  Mitte»,  dem  Dat.  Sg.  von 
mittamo   m.   «Mitte»,    entsprechend   got.   in  \ 
midumai    (von    midunia  f.    «Mitte»),    schon  | 
ahd.  in  mittimen  mit  Gen. 

iniie,  adv.  in  mitten  inne.  Mhd.  inne ' 
und  ahd.  inna,  inni,  inne  «inwendig»,  auch 
als  Präp.  mit  Dat.,  dazu  got.  inna  «im  Innern». 
Fortbildung  von  in  (s.  d.).  innehaben,  V., 
1491  in  Weist.  1,  396  innhaben.  innehalten, 
V.,  Reichsabschied  1524  §  28  innhalten.  inne 
werden,  v.,  mhd.  inne  werden  mit  Gen. 
oder  abhängigem  Satze  (mit  da^). 

innen,  adv. :  Gegensatz  von  außen.  Mhd, 
innen,  ahd.  innana,  innan,  innin,  als  Präp, 
verwendet  im  Mhd.  mit  Gen.  oder  Dat.,  im 
Ahd.  mit  Gen.,  Dat.,  Instnamentalis  oder  Akk., 
in  der  ßed.  «inwendig,  innerhalb,  binnen»; 
got.  innana  nur  Präp.  mit  Gen.  Von  in  (s.  d.) 
mit  der  Endung  -ana. 

inner,  präp.  mit  Dat.:  innei'halb.  Schrift- 
deutsch nicht  mehr  geläufig.  Mhd.  inner, 
inre  Adv.  «innen»,  auch  als  Präp,  mit  Gen. 
oder  Dat.  «innerhalb».  Aus  dem  Adj.  innere 
(Superl.  inner  st),  mhd.  inner  «inneiiich,  in- 
wendig, vertraut»,  ohd.  innaro  (Komp.  inna- 
röro,  innerero,  Superl.  inneröst).  Der  Super- 
lativ innerst  adverbial  bei  Goethe  8,  280  u. 
39,  211,  Weiterbildung  von  inne  (s.  d.),  wozu 
auch  der  ahd.  Komp.  innor  als  Übersetzung 
des  lat,  interior.  ABL.  innerhall),  adv.  und 
präp.  mit  Gen.  (und  Dat.):  vor,  an,  auf  der 
innern  Seite,  mhd.  innerhalp,  inrehalp,  inner- 
halben,  (mit  zwischengeschobnem  t)  innert- 
halhen,  frühmhd.  inne^'halbe.  Ebenso  gebildet 
wie  außerhalb  (s.d.).  innerlich,  adj.:  Gegen- 
satz von  äußerlich,  mhd.  innerlich,  Adv.  inner- 
liche und  inner cUche,  inrechliche  «tief  im 
Innern,  herzlich».  Dafür  ahd.  inlih  «inner- 
lich». Adv.  inlihho,  innelicho  «inniglich». 

innig,  adj.:  aus  innerster  Seele  kommend, 
in  ihr  geschehend.  Mhd,  innec,  innic,  abge- 
leitet von  in.  Davon  Innigkeit,  f.,  mhd, 
(md.)  innecheit,  innicheit,  innekeit,  innikeit  f, 
inniglich,  adj.,  mhd.  innec-,  inniglich,  ahd. 
inniglih,  im  Adv.  mhd.  innecliche,  ahd.  innig- 
Ucho. 

Innung,  f.  (PI.  -en):  Körperschaft  von 
Handwerkern  gleichen  Berufs.  Md.  im  13.  Jh. 
innunge  f.  «Aufnahme,  Verbindung»,  dann 
(1276)  «Verbindung  zu  einer  Körperschaft, 
Zunft»  (s.  d.).  Von  ahd.  innön  «in  sich,  in 
eine  Vereinigung  aufnehmen,  womit  verbin- 
den», zu  inne  (s.  d.). 


inquiriereu,  v.:  nachforschen,  gerichtlich 
untersuchen.  1529  in  Reichsordn.  147 '',  von 
lat.  inquirere  «untersuchen».  Inquisition,  f. : 
(gerichtliche)  Untersuchung;  Glaubensunter- 
suchung, Ketzergericht.  In  der  1.  Bed.  1529 
in  Reichsordn.  147'',  in  der  2.  Bed.  1559  bei 
Sleidanus  Auszug  (verdeutscht  durch  V.Mertz) 
263  und  1581  bei  Fischart  Bienk.  3''.  5*'. 

ins,  zsgez.  aus  in  das,  mhd.  mj.  Im  16.  Jh. 
ins  für  in  des  (1550  bei  Alberus  Fab.  48, 
277  ins  Kürßners  Muß),  mhd.  ins. 

Insasse,  m.  (-%,  PI.  -n)-.  Seßhafter,  Be- 
wohner, Mhd,  in-,  insce^e  m.  «eingesessener 
Einwohner,  Mieteinwohner».  Von  in  und  -sOBze 
zu  sitzen.     Vgl.  Inste. 

insbesondere,  adv.,  zsgez.  aus  in  das 
besondre,  eine  Einschränkung  des  Allgemeinen 
hervorhebend.  Erst  im  18,  Jh.  (bei  Lessing 
12,  19  von  1751),  entsprechend  dem  franz. 
en  particulier. 

Inschlitt,  n.  (Lessing  5,  326),  s.  ünschlitt. 

Inschrift,  f.  (PI.  -en):  woran  Einge- 
schriebnes. Md.  1343  inscrift  f.,  später  er- 
loschen und  in  der  Mitte  des  18.  Jh,  wieder 
erneuert.  Bei  Lessing  6,  532,  im  Laokoon 
1766  S.  111  Innschrift  (in  Tempeln),  aus 
Winckelmann. 

Insekt,  n.  {-es,  PI.  -en):  das  Kerbtier. 
'\  1720  bei  Frisch  Beschreibung  von  allerley 
Insecten,  darin  öfter  der  Gen,  PI.  Insecten, 
i  aber  1741  PI,  Insecte,  1546  bei  Bock  2,  19^ 
Insecta.  Aus  lat.  insectum  n.  (der  PI.  insecta 
«Kerbtiere»  bei  Plinius  bist,  nat.),  das  Sub- 
stantiv. Neutr.  des  Part.  Perf.  Pass,  von 
insecäre  «einschneiden». 

Insel,  f.  (PI.  -n) :  wassenimflossnes  Land. 
Bei  Luther  Insul,  mhd.  insele,  insel  neben 
insule,  insul,  frühmhd.  isele,  ahd.  isila  f.  Aus 
gleichbed,  \&i.insula  f.,  woher  ital.  isola,  afranz. 
isle,  nfranz.  Ue  f.    Vgl.  Aue,  Eiland,  Werder. 

Inserat,  n.  {-s,  PI.  -e):  juristisch,  Ein- 
lage, Beilage,  Nachschrift  1691  bei  Stieler; 
in  öffentliche  Blätter  eingemckte  Aiizeige 
(1801  bei  Campe).  Aus  lat.  inserat,  3  Pers. 
Konj.  «er  möge  einfügen».  Vgl,  Referat. 
inserieren,  v.:  einfügen,  eim-ücken,  1714 
bei  Wächtler,  aus  lat.  inserere  «hineinfügen». 

insgeheim,  adv.:  heimHch.  Bei  Günther 
822,  neben  in  geheim  1663  bei  Schuppius  24, 
Zsg,  mit  dem  Neutr.  des  Adj.  geheim,  das 
bei  Luther  Rom.  16,  25  subst.  in  der  Bed. 
«Geheimnis»  steht.  Entsprechend  dem  franz. 
en  secret.  insgemein,  adv.:  ohne  Aus- 
nahme und  Unterschied.     1626  bei  Zinkgref 


929 


Insiegel 


Inster 


930 


Apophth.  1, 1  ms  gemein,  bei  Luther  2.  Makk.  j 
9,  26  und  H.  Sachs  in  gemein,    doch  schon 
vor    1417    md.  in   dag  gemeine,    im    14.  Jh.  j 
in  die  gemaine  (j.  Titurel  5233,  l),  dazu  1477 
clevisch  intgemet/ne  und  intgemetjn,   schwed. 
/  gemen,  entsprechend  dem  franz.  en  general. 
ilisgesaillt,   adv.:    alle    oder   alles   in   eins 
begriffen.     1644  bei  Harsdörffer  Gespr.  1,  2  ; 
ins  gesamt,  neben  ingesammt  (Scultetus  bei 
Lessing  8, 282),  entsprechend  dem  franz.  e/i  taut. 

Insiegel,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Siegel, 
iusbes.  das  Siegelbild  des  Petschafts  (wobei 
in  das  Eingegrabensein  und  Eindrücken  her-  j 
vorhebt).  Veraltet  und  nur  noch  im  Kanzlei- 
stil. Mhd.  insigele.  insigel  n.  (auch  Petschaft, 
Stempel,  Wappen),  ahd.  insigili  n.  (auch 
Münze  und  halbmondförmiger  metallener 
Schmuck) ;  dazu  mndl.  inseghel,  afries.  insigü, , 
ags.  insegel,  insigle,  anord.  innsigli  n.  (auch 
Siegelring)? 

insinuieren,  V.:  heimlich  einflüstern  (1703 
im  Zeit. -Lex.);  gerichtlich  zustellen  oder  ein- , 
händigen  (1509  bei  Brant  Layensp.  v  6**);  j 
reü.  sich  einschmeicheln,  beliebt  machen  (1684 
bei  Schuppius  1369,  «sich  zumachen  und  fein 
applicirn»  1571  bei  Rot).  Aus  lat.  insinuäre 
«in  den  Busen  stecken,  tief  in  etwas  ein- 
dringen lassen»,  (bildlich)  «in  Gunst  setzen, 
beliebt  machen»,  von  lat.  sinus  «Busen». 

inskribieren,  v.:  einschreiben,  eintragen, 
1571   bei  Rot,  von  gleichbed.  lat.  in^cribere. 

inskünftige,  adv.:  künftighin.     Md.  im 
13.  Jh.  in  dag  kumftige  (Passional  437,  56  K.).  i 
Gebildet  wie  insbesonder-e. 

insofern,  adv.:  in  der  Hinsicht  (bei 
Geliert);  dann  konj.:  in  der  Hinsicht  daß, 
unter  der  Einschränkung  daß.  Im  18.  Jh. 
(bei  Lessing  2,  384  in  so  fern),  für  ältres 
sofern  (s.  d.),  gebildet  mit  dem  Akk.  Sg. 
des  Neutr.  von  fern. 

insolvent,  adj.:  zahlungsunfähig.  Insol- 
venz, f. :  Zahlungsimfähigkeit,  aus  mlat.  insol- 
ventia,  von  lat.  solvere  «lösen,  bezahlen».  Beide 
1791  bei  Roth. 

insonderheit,  adv.:  für  sich  abgeschlos- 
sen; vor  andern  hervorgehoben.  Bei  Luther 
Mark.  4,  34  m  Sonderheit,  1508  in  sunderheit, 
1556  bei  Frisius  432**  insnnderheit  und  1201^ 
in  Sunderheit,  1482  bei  Melber  Bb4^  in 
einer  sunderheit,  zgs.  mit  Sonderheit,  mhd. 
Sonderheit  f.  insonders,  adv.:  besonders, 
vorzugsweise,  insonderheit,  nur  noch  in  her- , 
gebrachtem  steifem  Brief-  oder  Kanzleistil. 
1561   bei  Maaler  insunders,    dafür  ahd.   (nin 

\Ve i  j; ,1  u  (J ,  Deutsches  Worteibucli.    .").  .Aull. 


1000)  ///  sunder,  insiinder,  mhd.  insundei', 
gebildet  mit  dem  Akk.  Sg.  des  Adj.  suuder 
«abgesondert». 

insoweit,  adv.  und  konj.:  in  d^r  Aus- 
dehnung. Bei  Stieler  1691,  gebildet  wie  in- 
sofern,  bei  Schiller  an  Goethe  1, 2  in  so  iveit. 

Inspektion,  f.  (PI.  -en):  Besichtigung: 
Ob-,  Aufsicht.  1562  bei  Mathesius  Sar.  195** 
Inspection,  aus  lat.  inspectio  f.  Inspektor, 
m.  (-es,  PI.  -en):  Aufseher;  höhrer  Aufsichts- 
beamter. 1582  bei  Fischart  Garg.  208,  aus 
lat.  inspedor  m.  inspizieren,  v.:  besich- 
tigen, in  Augenschein  nehmen,  beaufsichtigen, 
aus  gleichbed.  lat.  inspicere. 

installieren,  v.:  in  eine  Stelle,  in  ein 
Amt  einsetzen,  bestallen.  1562  bei  Mathesius 
Sar.  175%  aus  gleichbed.  mlat.  installare,  zu 
m\a.t.stallus  m.  «Chorstuhl»,  von  ahd.  stal  m. 
(Gen.  Stalles)  «Stelle». 

inständig,  adj.:  fest  anhaltend  in  etwas, 
behan-Uch.  Um  1500  bei  Diefenbach  gl.  301  "^^ 
das  Adj.  ijnstendig,  ahd.  das  Adv.  instendigo. 
Zu  älternhd.  Instand  m.  «dauernder  Bestand» 
(Franck  Sijrichw.  1,  93*),  got.  instandan  «stehn 
bleiben,  beharren». 

Instanz,  f.  (PI.  -en):  das  inständige  An- 
suchen einer  Sache;  Gerichtsbehörde,  Ge- 
richtsstand (1495  in  Reichsordn.  17  •*  die  erste 
Instantz) ;  einem  Satz  entgegenstehendes  Bei- 
spiel, Gegenfall,  -beweis,  Einwurf  (1571  bei 
Rot  Instantz  «Hindrung  und  widerdrieß»). 
Aus  lat.  instantia  f.  «anhaltender  Fleiß,  in- 
ständiges Bitten»,  von  instans,  dem  Part.  Präs, 
von  instäre  «auf  etwas  stehen,  es  emsig 
betreiben,  mit  Bitten  drängen»,  und  schon 
mhd.  (md.)  in  der  Glosse  zum  Weichbild- 
recht entlehnt  instancie  f.  (Germania  20,  44). 


Inste, 


[-71,   PI.  -n):    ein  Häusler  auf 


dem  Lande,  der  zur  Miete  wohnt.  Niederd., 
in  Schleswig  Liste  (Adelung  1775),  pomm. 
und  mark.  Instmann  (bei  Frisch  1741).  Ge- 
kürzt aus  nd.  insete,  das  dem  mhd.  inscege 
«Insasse»  (s.  d.)  entspricht. 

Inster,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  das  eßbare 
Eingeweide  eines  geschlachteten  Tieres.  Ost- 
md.  und  niederd.,  1544  in  Leipziger  Stadt- 
ordn.  G  1%  mnd.  inster  n.,  Nebenform  ( inster 
n.  bei  Duez  1664  und  Rädlein  1711;  dazu 
Unster  n,  «der  Magen  (Wanst)  der  Wieder- 
käuer» (1598  bei  Hutter  diction.  hai'mon.  594), 
anord.  istr  n.  «Fett»,  istra  f.  «Fetthülle  der 
Eingeweide»,  schwed.-dän.  isfer  «Flomen». 
Dazu  apreuß.  instran  «Schmer»  (entlehnt?). 
Wohl  stammverwandt  mit  l.it.  intestina,  aind. 

51» 


931 


Instinkt 


interessant 


932 


antastjam  n.,  lit.  {sb'ös  f.  PI.  «Eingeweide»., 
denen  ein  Wort  wie  lat.  i7itus,  gr.  ^vtöc 
«innen»  zugrunde  liegt. 

Instinkt,  m.  (-es,  PI.  -e):  Naturtrieb. 
Bei  Wieland  11,  14  und  Suppl.  2,  92,  1703 
im  Zeit.-Lex.  Instinctu.  Aus  lat.  instinctus  m. 
«Antrieb»,  zu  instinguere  «anreizen,  antreiben». 

Institut,  n.  (-S,  PI.  -e):  Anstalt,  Stiftung 
(Lessing  10,  259).  1571  bei  Rot  Institut, 
«Fürnemen,  Weiß,  form  und  regel»,  1494 
bei  Brant  Narr.  76,  67  institiit  «Justinians 
Institutionen»,  aus  lat.  institütum  n.  «Einricb- 
tuncr»,  von  instituere  «hinstellen,  einrichten». 

instruieren,  v.:  einrichten,  mit  Verhal- 
tungsbefehlen versehen ;  unterrichten,  belehren . 
In  diesen  Bed.  1571  bei  Rot  instruirn,  aus 
lat.  instruere.  Instruktion,  f.  (PI.  -e%): 
Belehrung,  Anweisung;  Vollmacht,  Vorbe- 
reitung einer  Rechtssache  zum  Richter spruch. 
In  der  1.  Bed.  1497  bei  Janssen  Prankf. 
Reichskorr.  2,  625  und  bei  Luther  2,  181 '^ 
Instruction,  aus  lat,  instructio  f. 

Instrument,  n.  (-s,  PI.  -e):  Werkzeug; 
Tonwerk;  Urkunde.  Aus  lat.  instrümentum  n. 
«Werkzeug,  Gerät,  Hilfsmittel»  (von  lat.  in- 
struere «aufschichten,  einrichten»),  entlehnt 
schon  1383  mrhein.  Instrument  n.  «Urkunde, 
Beweisschrift»  (Weist.  1,  544),  in  der  Bed. 
«Werkzeug»  1561  bei  Maaler,  «Sprachwerk- 
zeug» um  1522  bei  Ickelsamer  13,  «Tonwerk- 
zeug» 1575  bei  Fischart  Garg.  453.  Instru- 
mentalis, m.:  Fall  (Kasus)  auf  die  Frage 
wodurch?   womit?    (vgl.  desto,  indem,  wie). 

Insubordination,  f. :  Ungehorsam  gegen 
den  Vorgesetzten  (bes.  den  militärischen).  1813 
bei  Campe  aus  gleichbed.  franz.  insubordina- 
tion  f.,  gebildet  aus  in  «un»,  suh  «unter» 
und  lat.  ordo  «Ordnung». 

Insulaner,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Insel- 
bewohner. 1801  bei  Campe.  Aus  gleichbed. 
lat.  insuldnus  m.,  von  insula  f.  «Insel». 

Insult,  m.  (-S,  PI.  -e):  beleidigender 
Anfall,  Beleidigung.  Bei  Goethe  6,  212,  aus 
mldit.  insultus  m.  «Anfall»,  insultieren,  V.: 
übermütig  beleidigend  anfallen.  Bei  Schiller 
8,146,17,  aus  laA.insultäre  «an  etwas  springen», 
dann  «an  jem.  seinen  Mutwillen  üben»,  zu 
lat.  insilire  «auf  etwas  springen,  es  anfallen». 

Insurgent,  m.  {-en,  PI.  -en):  Aufstän- 
discher, Aufrührer.  1791  bei  Roth,  anders 
1775  bei  Adelung  in  der  Bed.  «ungarischer 
Miliz-,  Landwehrsoldat,  durch  Aufgebot  ein- 
berufen», aber  schon  1710  bei  Nehring  in- 
surgieren  «erheben,  empören».     Aus  lat.  in- 


surgeyis,  Part.  Präs.  von  insurgere  «sich  er- 
heben, aufstehen»,  dann  «sich  empören». 

intelligent,  adj.:  einsichtsvoll.  1801  bei 
Campe,  aus  lat.  intelligens,  Part.  Präs.  von 
intelligere  «inne  werden,  einsehen».  Intelli- 
genz, f.  (PI.  -en)\  die  Einsicht,  1571  bei 
Rot  Intelligentz,  aus  lat.  intelligentia  f.  ZUS. 
Intelligeuzblatt,  n.:  öffentliches  A.nzeige- 
blatt,  Wochenblatt,  aus  engl,  intelligence,  nach 
the  Office  of  intelligence  «Intelligenzkontor» 
(Nachrichtszimmer),  deren  erstes  1637  von 
John  Inn3's  zu  London  errichtet  wurde  (Beck- 
mann Beitr.  z.  Gesch.  der  Erfindungen  2,  237). 

Intendant,  m.  {-en,  PI.  -en):  Oberauf- 
seher. 1703  im  Zeit.-Lex.,  aus  franz.  inten- 
dant  m.,  zu  lat.  intendere  «ausspannen,  seine 
Geisteskräfte,  seine  Aufmerksamkeit  worauf 
richten,  worauf  achten».  Intention,  f.  (PI. 
-en):  Absicht,  Vorhaben,  1571  bei  Rot,  aus 
lat.  intentio  f.,  von  lat.  intendere. 

Interdikt,  n.  {-s,  PI.  -e):  Untersagungs- 
befehl,  Untersagang;  (kirchlich)  der  große 
Kirchenbann  (1717  bei  Nehring).  In  der 
1,  Bed.  1571  bei  Rot,  aus  lat.  interdictum  n., 
von  interdicere  «untersagen,  verbieten». 

interessant,  adj.:  wichtig,  anziehend, 
einnehmend.  In  der  2.  Hälfte  des  18.  Jh. 
(1778  bei  Hermes  Soph.  1,  11  und  bei  Goethe 
Briefe  2,  15)  aus  gleichbed.  franz.  interessant, 
eig.  ,Part.  Präs.  von  interesser  (s.  d.  folg.). 
Interesse,  n.  (-s,  PI.  -n):  Verwebtsein  in 
eine  Sache,  Teilnahme  für  dieselbe;  Beziehung; 
Reiz;  Vorteil,  Eigennutz;  (PI.  Interessen) 
Zinsen  eines  Kapitals.  Aus  lat.  interesse 
«für  jem,  von  Wichtigkeit  oder  Reiz  sein», 
eig.  «dazwischen  sein»  {inter  «zwischen», 
esse  «sein»),  schon  spätmhd.  im  15.  Jh.  in 
die  deutsche  Rechtssprache  entlehnt  inter- 
esse n.  «der  durch  Versäumnis  oder  Arbeits- 
unfähigkeit eines  andern  entgangne  Vorteil 
und  Nutzen»,  1512  in  Reichsordn.  83^  «An- 
teil», im  16.  Jh.  auch  «Vorteil,  Eigennutz» 
(nach  Rot  1571  schon  zur  Zeit  Kaiser  Maxi- 
milians I.,  im  Beyrischen  Krieg  1505,  aufge- 
kommen), sowie  «Zins  von  ausgeliehenem 
Kapital»  (bei  Luther  W.  6,  50),  endlich  seit 
der  Mitte  des  18.  Jh.  «Anteilnehmung,  Wohl- 
gefallen» (bei  Kant  7,  44  H.),  «Anteilnahme, 
bewirkender  Reiz»  (Leisewitz  Jul.  v.  Tarent 
1,  1).  Interessent,  m.  {-en,  PI.  -en):  An- 
teil an  einer  Sache  Habender,  1710  bei  Nehring. 
interessieren,  v.:  wofür  Teilnahme  erre- 
gen, einnehmen,  jem.  anziehen,  reizen,  1663 
bei  Schupp  593  und  1714  bei  WächÜer,  aus 


933 


interimistisch 


inTestieren 


934 


franz.  interesser  «von  Wichtigkeit  sein,  zin- 
Teilnahme  erwecken,  anziehen»,  von  lat.  In- 
teresse (s.  interessant);  1710  bei  Xehi-ing  auch 
interessiren  «verzinsen».  Davon  interessiert 
sein:  beteiligt  sein  (1654  bei  Abele  Gerichts- 
händel 259);  eigennützig,  selbstsüchtig  sein 
(1703  im  Zeit.-Lex.).  Interessenpolitik,  f., 
Schlagwort  seit  etwa  1830.    Vgl.  Ladendorf. 

interimistisch,  adj.:  einstweilig.  1791 
bei  Eoth,  von  lat.  interini  «unterdessen». 

Interjektion,  f.  (Pl.-en):  Empfindungs- 
wort, -laut.  1536  bei  Witzel  Annotationes 
2,  41^  Interjection,  aus  gleichbed.  lat.  inter- 
jectio  f.,  eig.  «Zwischenwort,  Z\\'ischenwuri'», 
von  interjicere  «zwäschenwerfen». 

Intermezzo,  n.  (-.s,  PI,  -s):  Zwischen- 
vorstellung, Zwischenspiel.  1775  bei  Adelung 
und  1771  bei  Wieland  Amadis  147.  Aus 
gleichbed.  _ital.  intermezzo,  urspr.  Adj.,  von 
lat.  infermedius  «dazwischen  in  der  Mitte 
befindlich». 

international,  adj. :  z^\4schen  den  Völkern 
geltend.  Aus  lat.  inter-  «zwischen,  unter» 
und  national.  Internatiouäle,f.:  Abkürzung 
für  den  am  28.  Sept.  1864  in  London  gegi-ün- 
deten  internationalen  Arbeiterbund  (The  Wor- 
king  men's  international  association).  Seitdem 
Schlagwort  die  rote  Internationale  «Sozial- 
demokratie», die  sclavarze  T.  «die  Jesuiten» 
(1873),  die  goldene  I.  (1874)  «jüdische  Hoch- 
finanz».    Vgl.  Ladendorf 

interpellieren,  v.:  ins  Wort  fallen;  Ein- 
spruchtun; Aufschluß  fordexTi.  Li  der  1.  und 
2.  Bed.  1571  bei  Rot,  aus  lat.  interpelläre 
«dawischenreden,  anreden».  Interpellation, 
f.,  bei  liot  1571,  aus  lat.  interpellätio  f. 

interpretieren,  v.:  den  Mittler  und  Aus- 
leger machen,  dolmetschen,  auslegen,  erklären. 
1571  bei  Rot,  schon  im  13.  Jh.  md.  inter- 
pretieren, aus  gleichbed.  lat.  interpretäri,  von 
lat.  intopres  m.  «Zwischensprecher,  iLttler, 
Ausleger,  Dolmetscher».  Interpretation,  f., 
bei  Rot  1571,  aus  lat.  interpretätio  f. 

interpnnktieren,  v.:  mit  Unterschei- 
dungszeichen versehen.  Bei  Lessing  (1850) 
5,  85.  Von  lat.  inte>punctus,  dem  Part.  Perf. 
Pass.  von  interpungere  «einen  Punkt  zwischen- 
setzen, durch  ihn  abteilen».  Interpunktion, 
f.  (PI.  -ew) :  Satzzeichnung.  Bei  Lessing  4,  36 
Lachm.,  aus  lat.  interpunctio  f.  «Zwischen- 
setzung eines   Punktes». 

Interrogativ,  n.  (-s,  PI.  -e):  fragendes 
Fürwort.  Von  spätlat.twferro^afwMS« fragend», 
zu  lat.  interrögäre  «fragen». 


Intervention,  f :  Vermittlung, Einspruch. 
Über  franz.  intervention  f.  aus  gleichbed.  lat. 
intei'-ventio,  eig.  «Dazwischenkunft»  von  inter 
«zwischen»  und  ventio  von  venire  «kommen». 
Aus  der  Gerichtssprache.    1703  im  Zeit.-Lex. 

Interview  (spr.  -icju),  f.  (PI.  -s):  Zu- 
sammenkunft; n.  (Gen. -s,  PI. -s):  Befragung, 
bes.  durch  einen  Joui-nahsten.  Aus  engl. 
infervieiv  «Zusammenkunft,  Unterredung». 
Xach  1870  entlehnt. 

intim,  adj.:  innig  vertraut.  1791  bei  Roth, 
dagegen  bei  Wächtler  1714  und  Ludwig  1716 
noch  intimus,  aus  gleichbed.  lat.  intimus 
(eig.  innerster),  franz.  intime. 

intolerant,  adj.:  unduldsam  gegen  Anders- 
denkende. Bei  Goethe  40,  275,  aus  lat.  into- 
lerans.  Intoleranz,  f.,  bei  Goethe  ebd., 
aus  lat.  intolerantia  f. 

intonieren,  v.:  anstimmen.  1571  bei  Rot, 
im  mrhein.  Voc.  ex  quo  1469  intoneren,  aus 
lat.  intonäre  «ertönen». 
[      intransitiv,  s.  transitiv. 

Intrigant,  m.  {-en,  PI.  -en)  -.  Ränkeschmied. 
Über  franz.  intrigant  aus  ital.  intrigante,  dem 
Part.  Präs.  des  lat.  Verbs  intricäre  (s.  u.). 
1728  bei  Sperander.  intrigieren,  v.:  (einen 
Handel)  verwickeln,  Ränke  schmieden.  1791 
bei  Roth.  Aus  gleichbed.  franz.  intriguer, 
von  lat.  intricäre  «verwickeln,  verwirren». 
Intrige,  bayr.-öster.  auch  Intrigue,  f. 
(PI. -w):  Listgewebe,  Ränke.  1703  im  Zeit.-Lex. 
«verwirrete  Händel»,  1711  bei  Rädlein  der 
PI.  Intricken.  Aus  fi-anz.  intrigue  f.  «Knoten- 
schürzung einer  Handlung,  heimlicher  An- 
schlag oder  Schlich,  geheimer  Liebeshandel», 
gebildet  aus  dem  Zeitwort  intHguer. 

invalid,  adj.:  untauglich,  dienstunfähig. 
1714  bei  Wächtler,  aus  gleichbed.  franz.  in- 
valide, lat.  invalidus.  Als  Substantiv  Inva- 
lide, m.  (-n,  PI.  -w):  dienstunfähig  Gewordner. 
1728  bei  Sperander. 

Inventar,  n.  (-s,  PI.  -e):  Von-atsver- 
zeichnis,  Verzeichnis  der  Habe,  Vorrat.  1509 
bei  Brant  Layensp.  D  3  und  1571  bei  Rot 
Invoitari  n.,  aus  lat.  inventärium  n.  «Ver- 
zeichnis», zu  lat.  invemre  «finden,  geschrieben 
finden».  Inventur,  f.:  das  Aufiiehmen  des 
Vermögensverzeichnisses,  1571  bei  Rot,  aus 
mlat.  inventüra  f. 

investieren,  v.:  mit  dem  Zeichen  der 
Amtswürde  feierüch  bekleiden.  Mhd.  im 
14.  Jh.  investieren,  aus  lat.  investire  «ein- 
kleiden», von  vestlre  «bekleiden»,  vestis  f. 
«Kleid».    Investitur,  f.  (PI. -ew):  feierliche 

59* 


935 


invitiereii 


irr 


936 


Einsetzung  in  eine  Würde,  Belehnung  mit 
derselben,  mhd.  im  14.  Jb.  investitür  f.,  aus 
mlat.  investitüra  f. 

invitiereii,  v.:  höflieb  auffordern,  ein- 
laden. 1703  im  Zeit.-Lex.  aus  gleichbed.  lat. 
invitdre. 

iliwärtig,  adj.:  innerlich,  im  Innern 
wohnend.  Mlid.  inwertec,  ahd.  inwartig,  in- 
wertig,  Adv.  inwarügo,  eine  Ableitung  vom 
mhd,  Adj.  inwart  und  imverte,  ahd.  inwart 
und  imvarti,  inwerti  «inwendig,  innerlich», 
dessen  Gen.  Sg.  adverbial  steht,  nhd.  inwärts, 
mhd.  imvertes,  s.  eimvärts. 

iuweildig",  adj.:  Gegensatz  von  auswendig 
(s.  d.).  Mhd.  innewendig,  inivendic,  auch  Adv. 
und  dann  im  14.  Jh.  Präp.  mit  Gen.  oder  Dat. 
«innerhalb,  binnen». 

inwiefern,  konj.,  gebildet  wie  insofern, 
im  18.  Jh.  (Goethe  an  Schiller  1,  87),  älter 
wiefern  (s.  d.).  inwieweit,  konj.,  gebildet 
wie  insoweit,  im  18.  Jh. 

inwohneu,  v.:  einwohnen,  bei  Goethe  36, 
150.  Inwoliuer,  m.:  Einwohner  (Thümmel 
Reise  9,  151),  mhd.  inne-,  inwoner  m.  und 
inwonerinne  f. 

Inzicht,  f.  (PI. -en):  An-,  Beschuldigung. 
Mhd.  und  ahd.  inziht  f.,  von  zeihen  (s.  d.). 
Im  Nhd.  der  oberd.  Geiichtssprache  eigen, 
in  die  allgemeine  Schriftsprache  aber  wieder 
gegen  Ende  des  18.  Jh.  eingeführt. 

Inzucht,  f.:  einheimische,  ungemischte 
Zucht,  im  Gegensatz  zur  Rassenkreuzung. 
Eine  Neubildung  des   19.  Jh. 

inzwischen,  adv.:  während  der  Zeit  (md. 
im  14.  Jh.  inziv ischin);  dann  konj.:  während 
der  Zeit  daß  (Goethe  24,  288).  Mhd.  in-, 
enzwischen,  ahd.  inzioischen,  in  zwisken  als 
lokales  Adv.  «dazwischen»,  dann  Präp.  mit 
Dat.  (s.  zwischen). 

Iper,  f.  (PI.  -n):  die  kleinblättrige  Ulme, 
TTlmus  sativa.  Mhd.  iper,  nach  franz.  ipreau, 
ypreau  m.,  span.  olmo  de  Ipre  «Ulme  von 
Ypern»,  einer  Stadt  in  Westflandern. 

irden,  adj.:  aus  Erde  bestehend  oder  ge- 
macht. Mhd.  und  ahd.  irdin,  erdin,  dazu 
got.  airpeins  «irden»,  auch  «irdisch»  (wie 
ahd.  und  nhd.  noch  im  17.  Jh.).  Abgeleitet 
von  Erde  (s.  d.),  wie  irdisch,  adj.:  der 
Erde  angehörig,  mhd.  irdisch,  irdesch,  irsch, 
neben  irdenisch,  irdensch,  ahd.  irdisc,  irdisg. 

irgend,  adv.:  an  einem  (unbestimmten) 
Orte,  zu  einer  (unbestimmten)  Zeit,  in  einem 
(einzelnen  nicht  näher  bezeichneten)  Vei-hält- 
nisse.     Bei  Luther   irgend  und   irgent,   lulid. 


iergen,  dann  im  13.  Jh.  auch  irgen  und  mit 
angetretnein  t  iergent,  irgent,  md.  irgin,  auch 
zsgez.  ieren,  spätahd.  bereits  iergen,  ahd.  io 
wergin  (Otfrid  4,  31,  15),  eine  Verbindung 
von  ahd.  io  (s.  je)  und  ivergin  «an  einem 
unbestimmten  Orte»,  entsprechend  asächs, 
hivergin,  hwargin,  ags.  hwergen  (aber  negativ 
auord.  hvergi  «an  keinem  Orte,  nirgends»), 
aus  asächs. -ags.-anord.-got.  hwar  «wo»  und 
der  Indefinitpai'tikel  -gin  «irgend»,  die  dem 
got.  -hun,  aind.  -cana  entspricht.  Vgl.  nirgend. 

Ironie,  f.  (PI.  -n) :  (absichtlich  unter  dem 
Gegenteile)  versteckter  Spott.  Bei  Rabener 
Sat.  1,  91  und  Lessing  4, 196,  aber  bei  Wächtler 
1714  noch  Ironia.  Aus  gleichbed.  franz. 
ironie  f.,  von  gr.-lat.  ironia,  gr.  eipaiveia  f. 
«Verstellung  im  Reden,  bes.  zum  Necken  und 
Beschämen»,  von  gr.  el'pujv  m.  «der  sich  in 
der  Rede  Verstellende»,  iroilisch,  adj.:  ver- 
steckt spottend,  nach  dem  lat.  Adv.  irönice 
und  gr.  Adj.  eipuuviKÖc. 

irr,  irre,  adj.:  von  dem  rechten  Wege 
abgekommen  (eigentlich  und  bildlich);  ge- 
störten Verstandes  seiend;  unsicher  ob  recht 
oder  nicht.  Mhd.  irre,  md.  erre,  er,  ahd.  irre 
(auch  erzürnt);  dazu  asächs.  irri  «zornig,  er- 
bittert», ebenso  afries.  ire,  ags.  irre,  yrre,  eorre 
«erzürnt,  verwirrt»,  got.  airzeis  «irre,  verführt». 
Davon  Irre,  f.,  mhd.  irre,  md.  erre  f.;  dazu 
cfot.  'airzei  f.  «Verführungr,  Irrlehre».  Urver- 
wandt  mit  lat.  erräre  «irren»,  error  m.  «Irr- 
tum», irasjäti  «er  zürnt,  ist  übelgesinnt». 
irren,  v.:  l)  tr.  irre  machen,  mhd.  irreti, 
md.  auch  erren,  ahd.  irran;  dazu  asächs. 
irrian  «zerstören»,  mnd.  erren  «irre,  zornig 
machen»,  got.  airzjan  «irre  führen,  verführen, 
betrügen»;  2)  intr.  irre  sein  oder  werden, 
mhd.  irren,  md.  auch  erren,  ahd.  irreon,  irrön. 
irrig,  adj.,  mhd.  wrec,  mu^.errich.  Irrsal, 
u.  (-s):  VerÜTung,  Irrfahrt;  Irrung,  Störung, 
VerwiiTung.  Mhd.  irresal,  irrsal  m.  f.  n. 
«Irrung,  Hindernis,  Schaden».  Irrtum,  m. 
(-S,  PI.  Irrtümer),  mhd.  irretuom,  md.  irre-, 
erretUm,  ahd.  irri-,  irraiuoni  m.  «das  Irren», 
bes.  in  Glaubenssachen,  im  Mhd.  auch  «Zwi- 
stigkeit».  Der  PI.  im  17.  Jh.  bei  Moscherosch 
Phil.  1,  200  und  Schupp  427  Irrthume,  bei 
Logau  2,  103  Irrtümer.  Irruug,  f.  (PI.  -en): 
das  Abirren;  Störung,  Hemmung,  Zwist, 
Zerwürfnis.  Mhd.  irrungv,  irrung  f.,  auch 
«Glaubensirrtifm,  Ketzerei».  ZUS.  Irren- 
haus, n.,  1791  bei  Roth.  Irrfahrt,  f., 
mhd.  irrevart  f.  Irrgang,  m.,  mhd.  irre- 
gauc   m.    «irrer,   zielloser   Gang»,    im   15.  Jh. 


937 


irrelevant 


ja 


938 


«Labyrinth»  (Diefenb.  gl.  314^).  Irrgarten, 
m.,  1575  bei  Fischart  Garg.  450  und  1547 
bei  Schmeltzl  Lobspr.  der  Stat  Wien  96. 
Irrgeist,  m.,  bei  Luther  Micha  2,  11  Irre- 
geist. Irrglaube,  m.,  bei  Kant  6,  16  H.; 
irrgläubig,  adj.,  bei  Gottsched  1744  und 
Lessing  5,  27.  Irrlehre,  f.,  1663  bei  Schotte! 
456;  Irrlehrer,  m.,  1775  bei  Adelung.  Irr- 
licht, n.  {-es,  PI.  -er),  1629  bei  Opitz  1,  81 
Irrliecht  Irrsinn,  m.,  1663  bei  Schottel  456. 
Irrstern,  m.:  Komet,  mhd.  irrestern  m. 
Irrweg,  m.,  im  15.  Jh.  irrewec,  irriveg, 
mnd,  erreivech  (Diefenbach  gl.  178^).  Irr- 
wisch, m.  (-es,  PI.  -e):  IiTÜcht,  bei  Luther 
4,  335''  Irrewisch  und  5,  521^  Wisch,  1540 
beiAlberus  dict.  r2''  Imvisch,  zgs.  mit  Wisch 
(1414  wei/sch  und  sonst  im  15.  Jh.  tvysche,  wisse 
m.  «leuchtende  Fackel»   (Diefenb.  gl.  228''). 

irrelevant,  adj.;  unerheblich.  Aus  einem 
neulat.  irrelevans,  zgs.  aus  ir  (für  in-  «un») 
und  dem  Pai't.  Präs.  von  lat.  releväre  «auf- 
heben».     1728  bei  Sperander. 

irreligiös,  adj.,-  nicht  der  Religion  ge- 
mäß, ungläubig,  gottlos,  aus  lat.  irreligiösus. 
1791  bei  Roth.  Irreligiosität,  f.:  Religions- 
verachtung, Gottlosigkeit,  aus  kirchlich-lat. 
irreligiositas  f. 

irritieren,  v.:  erregen,  reizen,  ablenken. 
1703  im  Zeit.-Lex.,  aus  lat.  irrltäre  «anregen, 
zum  Zorne  reizen». 

isaböll,  adj.:  schmutzig  gelb,  gefblichweiß, 
blaßgelb.  1685  im  Farbebüchlein  ^2,^  Isabel- 
Farbe.  Aus  dem  gleichbed.  franz.  Adj.  isabelle 
(seit  17.  Jh.),  das  aus  irgendeiner  Veranlas- 
sung von  dem  Frauennamen  Isabella  stammt, 
nach  einer  Sage  von  der  Erzherzogin  Isabella, 
Tochter  Philipps  II,  die  als  Regentin  der 
Niedei'lande  bei  der  Belagerung  von  Ostende 
(1601-1604)  das  Gelübde  getan  haben  soll, 
erst  mit  Eroberung  der  Stadt  durch  ihi-en 
Gemahl  ihr  Hemd  zu  wechseln,  von  dessen 


angenommner  Farbe  dann  das  Adjektiv. 
Isab^lla,  Fi-auenname,  aus  span.  Isabel, 
afranz.  Ysabel,  später  franz.  Isabeau,  mit  An- 
knüpfung an  span.  bello  (Fem.  bella),  franz. 
bei,  beaii  «schön»  entlehnt  aus  hebr.  Isebel, 
dem  Namen  der  aus  Sidon  stammenden  Ge- 
mahlin des  Königs  Ahab. 

-isch,  Herkunft  ausdrückende  Ableitungs- 
silbe zahlreicher  Adjektive,  mitunter  mit  dem 
Begritf  des  Verächtlichen,  Tadelhaften.  Mhd. 
-esch,  isch-,  ahd.-asächs.-ags.  -isc,  anoi'd.  -sk, 
got.  -isk. 

Isegrim,  m.  (-s,  PI.  -e):  der  Name  des 
Wolfes  im  deutschen  Tierepos;  wölfischer, 
grausamer,  dann  höchst  mürrischer  Mensch 
(in  Mitteldeutschland,  1734  bei  Steinbach 
Eisengrimm  «ein  verdrüßlicher  Mensch»).  In 
der  1.  Bed.  mhd.  Isengrin,  tsengrim,  ahd. 
tsangrim,  urspr.  «Eisenhelm»,  zsg.  aus  ahd. 
isan  «Eisen»  (s.  d.)  und  einer  verwandten 
Bildung  von  ags.  grima  m.  «Helm,  Visier, 
Maske»,  anord.  grfma  f.  «Maske,  Helm». 

Isidor,  Mannsname  aus  gr.-lat.  Isidorus, 
gr. 'Icibuupoc  «Gabe  der  Isis»  (der  ägyptischen 
Göttin).     Vgl.  Theodor. 

Islam,  m.  (Gen.  -es  und  wie  Nom.): 
Mohammedanismus.  Aus  arab.  isläm  «Hin- 
gabe an  Gott». 

iso-,  häufig  in  Zusammensetzungen,  aus 
gr.  koc  «gleich».     Erst  im   19.  Jh. 

isolieren, V.:  vereinzeln, einzeln  absondern. 
Bei  Goethe  Faust  4033,  aus  franz.  isoler,  und 
dies  von  ital.  isolare,  von  ital.  isola,  mlat.  isula, 
lat.  insula  f.  «Insel»  (s.  d.).  Bei  Lessing  7,  395 
insulirt  für  isoliert.    Davon  Isolierung,  f. 

Isop,  s.  Ysoj). 

item,  adv.:  ingleichen,  ferner.  Schon  im 
14.  Jh.,  jetzt  als  altfränkisch  geltend.  Aus 
lat.  item. 

itzo,  itzt,  s.  jetzt. 


ja,  Adv.  und  Interj.  der  Bestätigung.  Mhd. 
und  ahd.  ja,  mhd.  verstärkt  ja m,  jana;  dazu 
asächs.  ja,  ndl.  ja,  afries.  ge,  je,  ags.  ta  und 
gea,  eine  erweiterte  abläutende  Form  in  giese 
(aus  ge-swä  «ja  so»),  engl,  yea  und  ijes,  anord. 
ja,  schwed.-dän.  ja,  got.  ja  und  jai.  Wahr- 
scheinlich urverwandt  mit  gr,  f)  «wahrlich, 
fürwahr»  vmd  vielleicht  zum  idg.  Stamm  jo 


«der»  gehörig.  Vgl,  noch  Btr.  30,  295.  Aus 
dem  Deutschen  entlehnt  lit.  ja.  Das  be- 
kräftigende ja  ivohl  schon  mhd,  jo  wol.  Sub- 
stantivisch Ja,  n.,  mhd.  ja  n.,  got.  ßata  ja 
(2.  Kor,  1,  20).  ZUS.  Jabruder,  m.:  ge- 
sinnungsloser Zustimmer,  mnd.  l-iil  jabroder, 
ähnUch  mhd.  jäherre  m.  «der  zu  allem  ja, 
herre!  sagt».    Noch  bei  Goethe  45, 17  Jaherr. 


939 


jach 


jäh 


940 


Beide  ins  Dänische  entlehnt.  JawOrt,  n., 
(-es,  PI.  -e):  feste  Zusage  durch  ja!  Bei 
Luther,  mnd.  (1301)  Jawort  n. 

jach,  adv.:  in  größter  Geschwindigkeit, 
plötzlich,  heftig.  Mit  kurzem  a,  aus  mhd. 
gäch  «plötzlich,  unversehens»,  dem  adverbial 
stehenden  endungslosen  starken  Akk.  Sg.  des 
Adj.  gäch  (s.  jäh).  Ältenihd.  als  Adj.,  bei 
bei  Luther  3,  531 '^  jach,  um  1480  im  Voc. 
ine.  teut.  m4*  jach,  auch  bei  Kant  5,  235  H. 

jachern,  v. :  wild,  ausgelassen,  umher- 
laufen, lärmen,  schreien.  Nordostdeutsch,  bei 
Adelimg  1775  und  Hermes  Söph.  3,  275,  neben 
hess.  jackern,  mnd.-nnd.  jachtern.  Das  ein- 
fache Verbum  ist  ostmd.jäc/te/i  «umherjagen» 
Yonjage7i,  1691  bei  Stieler,  jechen  bei  Luther, 
im  15.  ^\i.  jachen,  jechen,  mhd.  jauchen,  jouchen, 
Jochen,  jöchen  (Prät.  auch  jachtejegte)  «jagen, 
treiben». 

Jacht,  f.  (PI.  -en):  Schnellschiff.  1703  im 
Zeit.-Lex.  Jacht,  1602  bei  Hulsius  Schiff.  2,  7 
und  bei  Duez  1664  Jagt  f.,  1596  bei  Fron- 
sperger Kriegsb,  1,  128^  der  PI.  Jagten,  8, 
125^  Jachten,  1598  bei  Hulsius  1,  20  Jagt- 
schiff.  Aus  gleichbed.  näl.  jaghte,  jaght  (1598 
bei  Kilian),  woher  auch  engl,  yacht  (seit  etwa 
1660).  Von  jagen  (s.  d.  und  Jagd).  Dafür 
im  15.  u.  16.  Jh.  Ja^sc/w/f  (Diefenb. -Wülck er 
679  und  1541  bei  Frisius  150 '^),  mnd.  jageschi}). 

jachtern,  s.  jachem. 

Jacke,  f.  (PI.  -n) :  anHegendes  Ärmelkleid 
bis  an  die  Hüften.  Im  15.  Jh.  jacke  (1417 
bei  Diefenb.  nov.  gl.  136*  tacke)  «wattierter 
Waffenrock»,  ebenso  mnd.  und  1477  clevisch 
jacke  f.  Mit  g  bei  Diefenbach  gl.  183''  ein 
gacken,  1517  bei  Ti'ochus  M5'^  ein  gacke. 
Aus  afranz.  (14.  Jh.)  jacque,  nfranz.  jaqiie  f., 
span.  jaco,  ital.  giaco  m.  «Panzerhemd,  kurzer 
Oben-ock  der  Kriegsleute»,  angeblich  (nach 
Ducange)  benannt  nach  dem  Häuptling  Jaque 
von  Beauvais  (um  1358),  was  aber  sehr 
zweifelhaft  ist.  Jackött,  (spr.  zak-)  m. 
(-S,  PI.  -s),  aus  franz.  jaquette  f.,  einer  Ab- 
leitung von  jaque.     Neure  Entlehnung. 

j  ackern,  s.  jachem. 

Jagd,  f.  (PI.  -en):  Jagen  zu  Fang  oder 
Tötung;  Recht  dazu;  dauerndes  lärmend  eiliges 
Tun  und  Treiben.  Älternhd.  Jagt  (noch  1716 
bei  Ludwig),  bei  Luther  Jaget  f.,  mhd.  jaget, 
jagt,  jeit  (Gen.  jeides)  n.,  selten  m.,  md.  jaget  f., 
woneben  mhd.  jagät  f.  «Verfolgung  des  Fein- 
des»; dazu  mnd.  jacht  f.,  mndl.  jaght.  Von 
jagen  (s.  d.).  ABL.  jagdbar,  adj.,  bei 
Grimmeishausen    Simpl.  3,  167,  29  Kz.  jagt- 


bar,  dafür  mhd.  jagehcere.  ZUS.  Jagdhund, 
m.,  mhd.  jagethnnt,  häufiger  jagehunt,  ahd. 
jagahunt.  Jagdspieß,  m.  spätmhd.  jaget- 
spieß,  älter  jagespie^. 

jagen,  v.:  geschwind  sich  vorwärts  be- 
wegen, bes.  zu  Fang  oder  Tötung  verfolgen; 
schnell  antreiben.  Mhd.  jagen,  ahd.  jagön; 
dazu  mnd.  jagen,  mndl.  jaghen,  afries.  jagia 
«jagen»,  anord.  jaga  «treiben».  Bisweilen  in 
die  starke  Flexion  übergetreten:  Präs.  er  jagt 
(1663  bei  Schottel  588,  Göckingk  Ged.  3,  165, 
Withof  acad.  Ged.  1,  230),  Prät.  jug  (Schottel, 
Göckingk  2, 34,  Platen  Liga  v.  Cambrai  3.  Akt), 
nd.  jög,  mndl.  und  nndl.  joeg,  Konj.  jügen 
(Ringwaldt  1.  Warb.  334),  Part,  gejagen  (1519 
bei  Murner  Geuchmatt  4963).  Verwandtschaft 
mit  gr.  bidjKeiv  «verfolgen»  ist  kaum  möglich. 
Dagegen  läßt  sich  vergleichen  aind._ya/t'?s  «rast- 
los», gr.  ixaväv  bei  Hesych  «^TnOuiueTv»,  oder 
mit  Schwebeablaut  gr.  o'i'xecBai  «weggehen». 
Davon  Jäger,  m.,  mhd.  jegere,  jeger,  Jäger, 
ahd.  jagari,  jagere,  jagir  m. ;  dazu  mnd.  jeger, 
mndl.  jagher;  Jägerin,  f.,  mhd.  jegerinne; 
Jägerei,  f.,  mhd.  jegerie,  mndl.  jagherije  f. 
ZUS.  Jägerhursche,  m.,   1691   bei  Stieler. 

Jägerhaus,  n.,  ebd.  Jägerlatein,  n.,  s. 

Latein.  Jägermeister,  m.,  mhd.  jeger  meisten: 
Jägersmann,  m.,  1580  bei  Sebiz  Feldb.  564. 
jäh,  adj.:  ungestüm  schnell;  in  hohem 
Grade  abschüssig.  Bei  Luther  jech,  bei  Duez 
1664  und  Krämer  jäh  und  gäh,  bei  Henisch 
1616  gäh,  bei  Dasypodius  1537  und  Maaler 
1561  gäch,  mhd.  gmhe,  md.  gehe,  ahd.  gähi 
(im  Adv,  mhd.  gäch,  ahd.  gäho);  dazu  asächs. 
adv.  gähun,  gähliko  «schnell»,  mnd.  gä,  göge, 
göje,  mndl.  gai/.  Ob  daraus  franz.  gai,  ital. 
gajo,  aspan.  gatjo  «munter,  lebhaft»  entlehnt 
sind,  ist  sehr  fraglich.  ABL.  Jähe,  f., 
mhd.  gcehe,  md.  gehe,  ahd.  gähi  f.  «Schnelle, 
Eile,  Ungestüm»,  dann  im  Md.  «abschüssiger 
Abhang»,  jähling,  adv.,  mhd.  gcehelingen, 
bei  Keisersberg  geheling,  1537  bei  Dasypodius 
gächling,  1538  bei  Serranus  gehling,  noch'  bei 
Goethe  29,  117  gähling,  mndl.  gälinghe,  dafür 
ahd.  gähingun,  noch  bayr.  gähing.  Seit  dem 
16.  Jh.  auch  als  Adj.  (bei  Dasjqjodius  und 
Serranus),  bei  Schweinichen  1,  348  jähling; 
dazu  das  Adv.  jählings,  1616  bei  Henisch 
gählings.  ZUS.  Jähzorn,  m.,  im  15.  Jh. 
gechczorn,  gochczorn,  1616  bei  Henisch  Gäch- 
zorn,  1664  bei  Duez  Jäh-  und  Gähzorn,  bei 
Luther  1,  77^  Eisl.  und  bei  Canitz  110  Jach- 
zorn, jähzornig,  adj.,  mhd.  im  14.  Jh. 
gcechzornig,  bei  H.  Sachs  Fastn,  31,  253  geh- 


941 


Jahn 


Jammer 


942 


zornig,  bei  Duez  1664  jähzornig,  bei  Hermes 
Soph.  1,  355  jachzornig.     S.  gähstotzig. 

Jahn,  m.  (-es,  PI.  -e):  Eeihe  gemähten 
Grases  oder  Getreides,  der  gerade  Strich 
oder  Gang,  den  der  Feldarbeiter  beim  Mähen 
des  Getreides  oder  Heues  einhält.  Ober- 
deutsch, hessisch  und  thüi-ingisch,  im  15.  Jh. 
Jan  (Weist.  1,  825).  Femer  wird  der  Wein- 
berg in  Jahne  (Streifen)  abgeteilt  und  jahii- 
weise  gedüngt,  im  Forstwesen  ist  Jahn  oder 
John  «eine  Reihe  abgehaunes  aufeinanderge- 
legtes Buschwerk»,  zu  Ende  des  15.  Jh.  thüring. 
jhon  m.  «Reihe,  Schlag,  Holz»  (Michelsen 
Mainzer  Hof  31).  Mhd.  jn«m.  «Eeihe  gleicher 
Reime»,  im  15.  Jh.  vom  Gesang  der  Vögel 
(Hätzlerin  S.  24^,  47),  und  schon  in  einer 
Urkunde  des  langobard.  Herzogs  Arichis  von 
Benevent  von  774  (bei  Ughelli  Italia  sacra 
8,.  35  A),  mlat.  janus  m.  «Bezirk»,  aschwed.  an. 
Die  urspr.'Bed.  ist  «Gang»,  wie  noch  Schweiz. 
es  geht  in  einem  .Jan,  und  es  entspricht  daher 
aind.  Janas  m.  «Bahn»,  jänam  n.  «Gang»,  Ab- 
leitung von  dem  Verb.aind.jä  «gehen,  fahren», 
wozu  auch  lat.  jäniia  f.  «Tür»  u.  a.  Vgl. 
Schade  Altdeutsches  WB. 

Jahr,  n.  {-es,  PI.  -e):  Umlaufszeit  der 
Erde,  sowie  überhaupt  eines  Planeten  um 
die  Sonne  (Sonnenjahr\  oder  z.  B.  bei  der 
Erde  zwölfmalige  Ümlaufszeit  des  Mondes 
um  diese  (Mondjahr).  Mhd.  und  ahd.  jV?r  n.; 
dazu  asächs.  jär,  ger,  afries.  jer,  ger,  jär. 
mndl.  jaer,  nndl.  jaar,  ags.  gear  (auch  Fiüh- 
üng),  engl.  7jear,  anord.  är,  schwed.  är,  dän. 
aar,  got.  jer  n.  Urverwandt  mit  abg.  jarn  m. 
und  jara  f.  «Frähling»,  gr.  uupa  f.  «Jahres- 
zeit, Blütezeit»,  iLpoc  m.  «Jahr»,  awest.  jär- 
n.  «Jahr».  Daneben  got.  apn  n.  und  atapni 
n.  «Jahr»,  verwandt  mit  gleichbed.  hit.annus  m. 
RA.  jahraus  jahrein,  1641  bei  Schottel  349. 
.fahr  und  Tag,  alte  Rechtsformel,  vgl.  Glimm 
Rechtsaltertümer  222,  schon  mhd.  imd  mnd. 
«ein  Jahr,  sechs  Wochen  (und  3  Tage)». 
ABL.  jähren,  v.  refl.:  gerade  ein  Jahr  her 
sein,  1678  bei  Krämer,  aber  mhd.  jcBreti.  jären 
refl.  «zu  seinen  Jahren  kommen,  mündig  wer- 
den», jährig^,  adi.,  mhd.  jnrec.  jceric,  md. 
jeric,  ahd.  järig.  jährlieh,  adj.,  mhd.  jcer- 
lich,  ahd.  järlih.  Jährlinü^,  m.:  junges  Tier, 
das  ins  zweite  Jahr  geht,  im  15.  Jh.  jarling, 
jerling  (Diefenbach  gl.  36  a<^).  ZUS.  1)  mit 
Jahr-:  Jahrbneh,  n.,  1642  bei  Duez.  Jahr- 
gang, m.,  mhd.  järganc  und  järcs  ganr. 
Jahrhnudert,  n.,  1663  bei  Schottel  411^ 
aus  Sigm.  v.  Birkens  Schiiften.    Vgl.  Feld- 


mann ZfdW.  5,  230.  Jahrmarkt,  m.,  mhd. 
järmarket  m.,  and.  iarmarkat.  Jahrtansend, 
n.,  1751  bei  Liares  Lob-  und  Ehrenpredig, 
getadelt  1755  von  Dornbltith  183,  dann  1760 
bei  Klopstock  Mess.  2,  4.  Jahrzahl,  f.,  mhd. 
järzal  f.  Jahrzehnt,  n.,  1782  bei  Schüler 
2,  340  .Tahrzehend.  —  2)  mit  JrtÄres-:  Jahres- 
tag, m.:  der  nach  Verlauf  eines  Jahres  wie- 
derkehi-ende  Tag,  bei  Luther  .Jarstog,  mhd. 
järtac,  and.  gerasdag  m.  (aber  järstac  m. 
«Xeujahi-stag»).  Jahreszeit,  f. :  (vierter)  Teil 
des  Jahi-es  nach  der  Witterung,  1664  bei  Duez 
Jahrszeit,  dagegen  mhd,  järzit  f.  «Jahrestag». 

Jähzorn,  s.  jäh. 

Jakob,  Mannsname,  aus  hebr.  jaäqöb, 
dessen  Bedeutung  schwer  festzustellen  ist. 
Dazu  die  Koseform  .Jäckel.  im  16.  Jh.  zui* 
Bezeichnung  der  Bauern  Fischart  Garg.  73 
.Jäkel),  auch  verächtlich  für  einen  dummen 
Menschen  gebraucht  (1562  bei  Mathesius  Sar. 
74^  Jekel).  Davon  Jakobiner,  seit  den 
90  er  Jahren  des  18.  Jh.  Schlagwort  für 
radikale  Eiferer,  nach  der  Bezeichnung  der 
berächtigten  französischen  Revolutionspartei. 
Vgl.  Ladendorf. 

Jalonsie  (spr.  zalüsi),  f.  (PI.  -n):  aus 
bewegHchen  Brettchen  zusammengesetzter 
Fensterladen.  1775  bei  Adelung.  Aus  gleich- 
bed. franz.  Jalousie  f.,  eig.  «Eifersucht,  Miß- 
gunst». Vgl.  1710  bei  Xehring:  «in  dem 
Divan  zu  Constantinopel  über  dem  Haupt 
des  Großveziers  ist  ein  Fenster  nüt  einem 
eisernen  Gitter,  durch  welches  der  Großsultan 
alles  was  im  Divan  passiret  sehen  kan,  welches 
man  la  .Jalousie  nennet». 

Jambus,  Jambe,  m.  (PI.  .Jamben):  der 
Versfuß  u  ^,  1624  bei  Opitz  Poeterey  40 
.Jambus,  bei  Goethe  30,  127  .Jambe  m.,  aus 
gr.-lat.  iambus,  gr.  taußoc  m.  jambisch,  adj., 
1582  bei  Fischart  Garg.  291,  nach  dem  gr.- 
lat.  Adj.  iambicus,  gi:  laußiKöc. 

Jamm  er,  m.(-s):  elend  machendesSchmerz- 
sefühl.  Bei  Luther  Jamer,  im  15.  Jh.javimer. 
mhd.  jämer  m.  n.,  auch  ohne  j  ämer,  ahd. 
jämar  m.  n.,  bei  Notker  ämer;  dazu  mnd. 
jamer.  jammer  m.  n.,  (entlehnt)  afries.  jämer. 
Ursprünglich  Adjektiv  ahd.  jämar.  ämer  «leid- 
voll», asächs.  jämar  «elend»,  ags.  geomoi' 
«traurig,  elend».  Nach  Soknsen  KZ.  32,  147 
urverwandt  mit  gr.  rjuepoc  «sanft,  müd,  zahm». 
ABL.  jämmerlich,  adj.,  bei  Luther  ./emer- 
lich,  luhd.  jämer-,  jamerlich,  ahd.  jämar-, 
nynarlich;  dazu  asächs.  jamarlik,  ags.  geomor- 
lic.    Jämmerlichkeit,  f.,  1691  bei  Stieler. 


943 


Janhagel 


jauchzen 


944 


jammern,  v.,  bei  Luther  janiern,^  mhd.  j 
'jämern  (auch  wich  jämert),  ahd.  ämarön 
(auch  impers.  in  ämeröt) ;  dazu  mnd.  jameren, 
ags.  geonirian.  ZUS.  Jammerbild,  n.,  1663 
bei  Schottel  aus  Luther.  Jammermann, 
m.,  bei  Schiller  Räuber  4,  5.  Jammer- 
schade, m.,  bei  Wieland  11,  197,  noch  ge- 
trennt bei  Lichtenberg  1, 119  Jammer  Schade, 
gekürzt  aus  Jammer  und  Schade.  Jammer- 
tal, n.,  rahd.  jämertal  n.  jammervoll,  adj., 
1663  bei   A.  Gryphius  198. 

Janhagel,  m.  (-s):  das  gemeine  Volk,  der 
Pöbel.  Bei  Steinbach  1734  Janhagel,  1687 
bei  Hesse  ostind.  Reisebeschreib.  281  Jan 
Haagel,  als  Spottname  der  norddeutschen 
Bootsleute  1720  im  Robinson  1, 422  Jan  Hagel, 
bei  Bürger  193'"^  (Bohtz)  ins  Hochdeutsche 
übertragen  Johann  Hagel. 

Janitschär,  m.  (-en,  PI.  -en):  türkischer 
Soldat,  ehemals  Name  der  im  J.  1826  auf- 
gehobnen bevorrechteten  Kriegerklasse.  1522 
bei  Diefenbach-Wülcker  .fenizeri,  bei  Luther 
Tischr.  427*  Jenitzschker,  1568  bei  Mathesius 
Hist.  Christi  2,  26*  Geneschar,  1575  bei  Fi- 
schart Garg.  431  Janitschär  und  Großm.  Pract. 
71  (D  3^)  Janitzer.  Aus  türk.  jenitscheri 
«neue  Truppe»  (die  um  1330  unter  dem 
zweiten  Osmanensultan  Urchan  geschaffen 
worden  ist). 

janken,  v.:  winseln,  vor  Gier  wimmern. 
Ein  nd.  lautmalendes  Wort,  1663  bei  Schottel. 
Mnd.  und   mndl.  janken. 

Janker,  Janker,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.): 

Jacke.  Bayr.-östr.,  1670  bei  Abele  künstl. 
Unordn.  1,  210  .Janker  in.,  1563  bei  Mathe- 
sius Hochzeitpr.  61,  33  Neudr.  Jencker  m., 
1567  bei  Junius  Nomencl.531''^  Janckermacher. 
Dafür  Schwab.  .Tanke  f.  (1480  jenggen,  Schweiz. 
.ranken  ra.,  1561  bei  Maaler  .Tancken  f.  Viel- 
leicht aus  Jacke  entstanden. 

Jänner,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.),  aus  Januar, 
m.  (-S,  PI.  -e):  der  erste  Monat  des  Jahres. 
Im  15.  Jh.  jenner,  jänner,  genner,  im  18.  Jh. 
.Januar,  aus  lat.  Jänuärius  «der  dem  Gott 
.Jäims  heilige  Monat».  Von  Karl  d.  Gr.  wintar- 
mänöth  genannt;  sonst  heißt  er  auch  vom 
Froste  md.  im  14.  Jh.  hartmände  m.,  noch 
in  Oberhessen  Hartmonat    Vgl.  Hornung. 

jappen,  v.:  den  Mund  aufsperren;  dann 
so  lechzen,  mühsam  atmen.  Bei  Bürger  71^ 
(Bohtz),  nd.  und  md.  Form  für  obd.  gappen 
(Waldis  Esop.  1,  4,  10),  mnd.  japcn.  ja2)lJen, 
1477  clevisch  gapen  «gähnen»,  ndl.  gapen  «den 
Mund  aufs]ierren»  (s.  gaffen). 


Jäscht,  m.:  Gärschaum,  s.  Gäscht. 
Jasmin,  m.  (-.s,  PI.  -e):  der  Zierstrauch 
Jasminum  fruticans  und  officinale  mit  wohl- 
riechenden Blüten.  1580  bei  Sebiz  Feldb.  248 
der  Jaßmin  oder  Veielrehe,  bei  Hölty  Jesmin, 
bei  Wieland  Idris  3, 103  Schasiinn  (nach  franz. 
Aussprache),  im  17.  Jh.  bei  Gryphius  und 
Laui'emberg  Gelsemin.  Aus  span.  jasmin. 
franz.  jasmin,  ital.  gesmino,  gelsomino  m.,  von 
pers.  (und  dann  arah.)  jäsämln,  jäsämün.  Be- 
reits gr.  idcixY]  f.,  iac|u^\aiov  n.,  läcmvov  iiiüpov 
«ein  wohh'iechendes  persisches  ()1». 

Jaspis,  m.  (Gen.  .Jaspisses,  PI.  .Jaspisse): 
verschiedenfarbiger  undurchsichtiger  zum 
Quarz  gehöriger  Halbedelstein.  Mhd.  jaspis. 
im  14.  Jh.  jasp  m.,  aus  gr.-lat.  iaspis  f., 
von  hebr.  jäschepheh  (schon  assyr.  aspü). 

Jast,  m.  (-es,  ohne  PI.):  hitzige  Gemüts- 
aufregung; ungestüme  Eile.  Oberdeutsch,  1650 
bei  Moscherosch  Phil.  1,  436.  Eig.  Gärung, 
wie  noch  Schweiz. -elsäss.,  von  ahd.  jesan 
«gären»  (s.  d.). 

jäten,  V. :  durch  Ausziehen  des  Unkrautes 
reinigen.  Bei  Luther  geten,  bei  Comenius 
1640  und  Krämer  1678  jäten,  mhd.  jeten, 
geten,  ahd.  jetaii,  getan;  dazu  and. gedan,  mnd. 
geden,  geiden,  clevisch  1477  gheden.  Abge- 
leitet wohl  davon  ahd.  getto  m.  «Lolch,  Un- 
kraut». Wohl  zu  awest.jaf- «sich  rühren,  tätig 
sein»,  aind,  ja  täte  «strebt,  bemüht  sich».  Die 
urspr.  starke  Flexion  (Prät.  mhd.^rt^,  Part.  ahd. 
gigeten,  mhd.  ge jeten,  noch  obersächs.  gegäten) 
ist  nhd.  in  die  schwache  übergegangen  (1696 
in  Lokmans  Fab.  15  Prät.  getete^.  Davon 
Jäteisen,  n. :  eisernes  Werkzeug  zum  .Jäten. 
1482  im  Voc.  theut.  p4^  jeteysen,  mhd.. /ei-, 
getisen,  ahd,  jet-,  gettsarn,  getisan,  auch  jat- 
isarn.  jatisan  n. 

Jauche,  f.  (PI.  -n)-.  durch  Faulen  er- 
zeugte, verdorbne  Flüssigkeit.  1420  md.jüche 
«Brühe»  (Schröers  Vocab.  Nr.  1383),  bei  Luther 
6,  306  W.  .Jüchen,  1598  bei  Colerus  Hausb. 
2,  45  (F3='')  .Jauche,  1562  bei  Mathesius  Sar. 
176^  Mistgaiichen,  im  IS.  Jh.  bei  Steinbach, 
Frisch  und  Adelung  Gauche;  dazu  mnd.  juche  f. 
«Brühe,  Sauce»,  clevisch  lil7  jachen.  jui/che(. 
«Brühe».  Aus  dem  Slavischen  entlehnt,  poln. 
jucha  f.  «Brühe,  Jauche»,  abg.-russ.  jucha  f. 
«Brühe,  Suppe»,  urverwandt  mit  apreuß.  juse 
«Fleischbrühe»,  lit.  jiJse  f.  «Fischsuppe»,  lat. 
iüs  n.,  aind.  jus-  «Brühe». 

jauchzen,'  v.:  Freudengeschrei  erheben. 
Bei  Luther  jauchzen,  bei  Abr.  a.  S.  Clara 
jaugetzen.  jugetzen,  mhd.  jüchezen,  abgeleitet 


945 


jaiileu 


Jelängerjelieber 


946 


von  der  mhd,  Interjektion  jüch  (s.  juch),  wie 
rahd.  (12.  Jh.)  jmven  «einen  Jubelgesang 
singen»  und  jüwezimge  f.  «das  Jubeln»  vom 
mhd.  Jubelruf  jü.  Für  weniger  edel  gilt 
juchzen,  1507  bei  Wilwolt  v.  Schaumb.  68 
jurlizen,  1540  bei  Alberus  dict.  Qq3^  und  bei 
H.  Sachs  7Mc/if,?e«,  1571  bei  lloilZ^  jncliitzen. 
ABL.  Jauchzer,  m. :  der  Jauchzende  (Luther 
5,68*^  J.),  dann  ein  einzelnes  Jauchzen  (Günther 
838),  wie  Juchzer  m.  (im  16.  Jh.  Diefenbach 
nov.  gl.  223^  juchze-)-,  1562  bei  Mathesius 
Sai-.  20*  Juchtzer,  1571  bei  Kot  Juchitzer). 

jaulen,  v.:  heulen.  Bei  Voß  Idyll  8,  125, 
aufgenommen  aus  nd.  jaulen,  dazu  engl,  yoiül 
«heulen,    schreien».     Wohl  lautnachahmend. 

Jause,f.  (PI.  -w) :  Zwischenmahlzeit,  Vesper. 
Bayr.-öster.  Aus  %\o\\.jusina  «Mittagessen», 
zu  den  unter  Jauche  behandelten  Wörtern. 

Jawort,  s.  ja. 

^Je!  d'en  Namen  Jesus  durch  Kürzung 
versteckender  Ausruf,  in  o  Je,  ach  .Je.  1742 
bei  Rost  Vorspiel  7  Ach  Herr  Je!    S.  Jemine. 

-je,  Adv.,  das  fragend,  zweifelnd,  bei  Be- 
denklichkeit steht.  Mitunter  ja  geschrieben, 
Nebenform  von  ja  (s.  d.).  Bei  Luther  Matth. 
19,  25,  Schiller  Kab.  1,  2.  Besonders  steht 
es  seit  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jh.  in  dem 
formelhaften  je  nu,  im  18.  Jh.  je  nun.  Viel- 
fach meint  Je  den  Ausruf  J!  (s.  d.). 

^je,  adv.:  zu  jeder  Zeit;  zu  einer  Zeit; 
dann  bei  zuteilender  Zahl,  z.B.  je  zwei;  end- 
lich Konjunktion  des  gleichmäßigen  Verhält- 
nisses, der  Verhältnisgleichheit,  in  je  —  desto 
(s.  d.),  je  —  je  (mhd.  ie  —  ie).  Durch  Ein- 
wirkung des  Niederdeutschen  (schon  mnd. 
jo  «immer*)  ist  ./  statt  des  urspr.  i  einge- 
treten, bei  Luther  je,  älternhd.  ie,  ye,  je, 
1691  bei  Stieler  ie  und  je,  noch  bei  Wie- 
land Oberon  3,  57  im  Reim  ie.  Mhd.  ie 
«zu  aller  Zeit,  immer»  (auch  bei  Zahlen  ie 
ztoen  und  ziven),  «zu  irgendwelcher  Zeit, 
irgend  einmal»,  md.  auch  i,  ahd.  io,  eo  «immer, 
irgend  einmal»;  dazu  asächs.  eo,  woneben 
io,  gio,  ags.  ä,  anord.  a?,  ei  «immer»,  schwed. 
ej,  dän.  ei,  aus  eigi  Negationspartikel,  got. 
aiw  (in  ni  aitv  «niemals»).  Dieses  aiw 
ist  der  Akk.  Sg.  von  got.  aiws  m.  «Zeit» 
(s.  Ehe).  Die  Verwendung  als  Konjunktion 
ging  aus  der  Stellung  des  ahd.  eo,  ieo,  io 
beim  Komparativ  hervor,  indem  dieser  mit 
und  wiederholt  wurde  (Notker  Ps.  95,  2  daß 
er  ieo  chundero  unde  chundero  st).  Die  Ver- 
bindung je  und  je  «immer»  (2.  Mos.  4,  10), 
«zuweilen»  (Schiller  Kab.  1,  2). 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch,    ö.  Aufl. 


jedennoch,  Konj.  des  verhältnismäßig 
steigernden  Gegensatzes.  1669  im  Simpliciss. 
170  jedannoch.     Zgs.  mit  je  (s.  d.  ^). 

jeder,  zählendes  Adjektivpronomen:  der 
eine  und  der  andre  von  zweien;  der  einzelne 
ohne  Ausnahme.  Bei  huihev  jeder  (Dat.  und 
Akk.  einem,  einen  jedem)  und  schon  spät- 
mhd.  vereinzelt  jeder,  aber  noch  1661  bei 
Lohenstein  Cleopatra  6,  sowie  1738  bei  Pi- 
cander  5,  113  und  bei  Zachariä  Renommist 
1,  186  ieder  (im  Reime  auf  wieder).  Mhd. 
ieiveder,  im  14.  Jh.  gekürzt  ieder,  ahd.  iowe- 
dar,  eohwedar  «jeder  von  beiden,  jeder  von 
allen»  (flekt.  iowederer,  iotvederiu.  iowedereg): 
dazu  and.  iahwethar,  afries.  ähu'edder,  ags. 
ähivceäer,  gekürzt  chcder.  Zgs.  aus  ahd.  io. 
eo  (s.ye"^)  und  dem  ahd.  Zahlpronomen  hwedar, 
wedar  «welcher  von  beiden»  (s.  weder).  Da- 
neben durch  gi-  (ge-)  verstärkt  mhd.  iege- 
iveder,  ahd.  eogiwedar,  ags.  ceghwceäer,  engl. 
either  «jeder  von  beiden».  Vgl.  jedweder. 
ZUS.  jedermauu,  (Gen.  -s),  zusammenge- 
schoben aus  spätmhd.  ieder  man,  md.  ider 
»(an  «jeder  Mann  (jeder  Mensch)»,  jeder- 
mäuniglich,  Pron.:  jedermann,  im  16.  Jh. 
jedermenniglich,  vgl.  männiglich.  jederzeit, 
adv.,  im  16.  Jh.  (Fischart  in  Scheibles  Kloster 
10,  1067),  eig.  Gen.  Sg.  jeder  Zeit,  gebildet 
wie  derzeit,  mhd.  der  zit  «damals»,  jedes- 
mal, adv.,  eig.  Akk.  Sg.  jedes  Mal,  1691  bei 
Stieler  nebst  dem  Adj.  jedesmalig. 

jedoch,  Konj.  des  vei'hältnismäßig  her- 
vorhebenden Gegensatzes.  Mhd.  iedoch,  bis- 
weilen idoch,  ahd.  io  doh,  ieo  doh  «immer  doch», 

I  Adv.  des  Gegensatzes.    Zgs.  mit  je  (s.  d.  '*). 

1      jedAveder,    zählendes  Adjektivpronomen, 

I  nachdrückliches  «jeder».  Mhd.  im  12.  Jh. 
ietiveder  und  ie  deiveder,  md.  itweder  «jeder 
von  beiden,  jeder  von  vielen»,  zgs.  aus  ahd. 
io  {s.je^)  und  dem  erst  bei  Notker  vorkommen- 

[  den  Zahlpronorrfen  deweder  «irgendeiner  von 

j  beiden  »  (s.  entweder). 

i  jeglich,  jeglicher,  zählendes  Adjektiv- 
pronomen. Älternhd.  iglich  (bei  huther  j glich), 

I  bei  Lohenstein  ieglirh,  mhd.  iegelich,  ieglich, 
ieclich,  md.  iclich,  ahd.  eogalih,  iogelih  «jeder», 

[zgs.  aus  ahd.  eo,  io  (s.  je'^)  und  gilth  «der 
einzelne    ohne  Ausnahme,  jeder»  (s.  gleich). 

Jelängerjelieber,   n.  und  m.  (-5,  PL 

wie  Sg.):  Name  mehrerer  Pflanzen,  besonders 
der  Feldzypresse  Teucrium  chamaepitys,  viel- 
leicht wegen  des  würzigen  Geruches,  1517 
bei  Trochus  io  lenger  ye  liber,  1533  bei  Rößlin 
Jli  lenger  jh  lieber;  sodann  Name  des  roten 

MO 


947 


jemals 


Joch 


948 


Nachtschattens,  Bittersüß,  Solanum  dulcamara, 
1500  bei  Brunschwyg  Destill,  und  1546  bei 
Bock  309  Ye  lenger  ye  lieher. 

jemals,  adv.:  zu  irgendeinem  Zeitpunkte. 
Bei  Luther  Hes.27,  32  neben  Jema^  Ephes.5,  29. 
Mit  sekundärem  genetivischen  s.  Zgs.  aus 
je,  s.  je  ^  und  mal. 

jemand,  zählendes  Pronominalsubstantiv: 
irgendein  Mensch,  Gen.  jemmids,  Dat.  und 
Akk.  jemand,  daneben  seit  dem  18.  Jh.  im 
Dat.  jemandem  {jemanden),  Akk.  jemanden. 
Md.  im  14.  Jh.  imand  und  dann  mhd.  in  der 
zweiten  Hälfte  des  14.  Jh.  iemant.  Mit  sekun- 
därem d  aus  mhd,  ieman,  lernen,  ahd.  eoman, 
ioman,  zgs.  aus  ahd.  eo,  io  s.  je  ^  und  man  m. 
(s.  Mann);  dazu  asächs.  eoman,  mnd.  iemant, 
mndl.  ieman,  afries.  ammon,  immen.  ammant 

Jemine!  den  Namen  JesMS  versteckender 
Ausruf.  Bei  Grimmeishausen  Simpl,  2,  624 
Kllr.  ach  Jemini,  obersächs.  bei  Weiße  Op. 
2,  34  f.  0  Gemine.  Gekürzt  aus  lat.  Jesu 
domine  «Herr  Jesu».  Ähnlich  bei  Klamer 
Schmidt  kom.  Dicht.  293  o  Jerum!    S.  Je^. 

jener,  auf  Entfernteres  hinweisendes  De- 
monstrativpronomen. Mhd.  jener,  auch  ener, 
md.  gener,  geiner,  ahd.  gener.  jener  und  (bayr.- 
alem.)  ener;  dazu  mndl.  die  ghone,  ags.  Dat. 
tö  geonre,  engl,  yon,  anord.  e?m,  inn,  got. 
jains.  Mit  dem  Artikel  frühmd.  der  jene 
(s.  derjenige).  Die  Herkunft  ist  unsicher. 
Man  ist  vorläufig  gezwungen,  verschiedene 
Stämme  anzunehmen.  Vgl.  Hoffmann-Krayer 
KZ.  34,  144.  Jedenfalls  gehört  aber  jener, 
got.  jains  zu  dem  idg.  Stamm  jo-,  der  urspr. 
demonstrative  Bedeutung  hatte,  während  aind. 
jas,  gl',  öc,  phryg.  loc  relativisch  geworden 
sind  wie  unser  der.  Schwierig  ist  die  j-lose 
Form  ahd.  ener,  weil  es  nicht  sicher  ist,  daß 
diese  ein  j  verloren  hat.  Ist  dies  nicht  der 
Fall,  so  gehört  sie  zu  einem  idg.  Pronominal- 
stamm eno-,  abg.  onü  «er». 

jenisch,  adj.:  der  Gauner-  und  Spitzbuben- 
sprache angehörig.  1800  bei  J.  Paul  kom. 
Anhang  z.  Titan  1, 108  jänisch  (aus  Schwaben). 
Adjektivbild,  zu  dem  Stammwort  von  Joner, 
Gauner  (s.  d.). 

jenseit,  adv.  und  präp.  mit  Gen.:  auf 
jener  Seite.  Bei  Luther  jenseid  (mit  Gen. 
oder  Dat.,  Jos.  5,  1  u.  17,  5),  mhd.  jensit 
und  jene  site.  Mit  sekundärem  s  jenseits, 
bei  Luther  jenseids  1.  Sam.  17,  3.  Davon 
jenseitig,  adj.,   1718  bei  Kirsch. 

Jerum,  wohl  als  lat.  Gen.  PI.  von  ^Je 
in  der  Studentensprache  aufgekommen. 


Jeremiäde,  f.  (PI.  -v)-.  Klage.  1791  bei 
Rot,  aus  franz.  jeremiäde  f.,  nach  den  Klage- 
liedern des  Jeremias. 

Jesuit,  m.  {-en,  PI.  -en):  Mitglied  des 
von  Ignatius  von  Loyola  1534  gestifteten 
Ordens  der  Gesellschaft  Jesu.  Im  16.  Jh. 
Jesuit  und  Jesuiter,  aus  mlat.  Jesuita  m. 
Davon  jesuitisch,  adj.,  im   16.  Jh. 

Jett,  n.  (-[e]s):  schwarzer  Bei'nstein,  auch 
dessen  Nachbildung.  Aus  engl,  jet  «Gagat, 
schwarzer  Bernstein»,  das  über  afranz.  jaiet 
auf  gr.-lat.  gagätes  (s.  Gagat)  zurückgeht. 

jetzt,  adv.:  zu  dieser  Zeit.  Bei  Duez  1664 
jetzt,  bei  Luther  itzt,  und  im  13.  Jh.  izit, 
Nebenform  von  mhd.  iezuo,  ieze,  izuo,  md. 
iezU,  itzü  (noch  bei  Alberus  ietz  zu),  aus 
ie  zu  (Windberger  Psalm.,  12.  Jh.),  der  Ver- 
bindung des  mhd.  ie  (s.je'^)  und  des  auf  eine 
Zeitdauer  wie  einen  Zeitpunkt  gehenden  zuo, 
zu  (s.  zu),  woher  auch  die  volltönendre  alter- 
tümliche Form  jetzo,  mhd.  iezö,  1385  ietzo, 
im  16.  Jh.  bei  Ayrer  Dramen  1153,  32  jetzo. 
im  17.  Jh.  itzo.  Mit  neuem  Suffix  jetzund, 
nur  altertümlich  und  im  gemeinen  Leben, 
älternhd.  ifzund,  mhd.  iezunt,  iezent,  iezen, 
md.  itzunt,  itzent,  erweitert  im  15.  Jh.  itz- 
under,  etzunder  (noch  bei  Geliert  Fab.  2,  87 
itzunder,  bei  Fischart  Garg.  322  jetzunder). 
ABL.  jetzig,  adj.,  im  16.  Jh.  itzig,  ietzig, 
jetzig  (Dasypodius  1537),  md.  im  18.  Jh.  iezic. 

jeweilen,  adv.:  zu  irgendemer  Zeit,  dann 
und  wann.  1683  bei  Schuppius  424  neben 
je  zmveilen  525 :  weilen  ist  Dat.  PI.  von  Weile 
(s.d.).  Davon  jeweilig,  adj.,  1775  bei  Adelung. 

JingO,  m,  (-5,  PI.  -s) :  kriegslustiger  Chau- 
vinist. Seit  1878,  aus  dem  Englischen  über- 
nommen.   Vgl.  Ladendorf, 

jo,  interj,,  sehr  lebhafter  Freudenruf,  Im 
15.*  Jh,  jo  bei  Wittenweiler  Ring  39^  26  f.. 
aber  als  Klageruf  md.  um  1300  jo.  Y gl.  johlen. 

Joachim,  Mannsname.  Gekürzt  Jochim, 
Jochem.  Aus  hebr.  Jöjäkim  «den  Gott  auf- 
richten wird». 

Jobher,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  gewerbs- 
mäßiger Börsenspekulant.  1801  bei  Campe. 
Aus  engl,  johher  «Makler,  Aktienkrämer, 
Zwischenhändler»,  eig.  «Akkordarbeiter,  Tage- 
löhner», stockjohher  «Aktien-,  Efiektenhändler, 
der  auf  eigne  Rechnung  spekuliert»,  von  engl. 
joh  «Akkordarbeit,  Unternehmen,  Geschäft», 
eig.  wohl  «Schlag»,  von  joh  «stoßen,  stechen». 

Joch,  n.  (-»es,  PI.  -e,  im  Bergbau  Jöcher): 
ein  mit  Pfählen  verbundner  wagerechter  Trag- 
balken, insb.  das  Gerüst  au  hölzernen  Brücken 


949 


Jochein 


Joseph 


950 


(mhd.),  im  Berg^verk  die  im  Viereck  7,11- 
sammengesetzten  absteifenden  Schachthölzer 
(Schladminger  Bergbrief  von  1308),  bildlicli 
Gebirgsrücken,  der  zwei  bohre  Bergspitzen 
verbindet  (mhd.-abd.);  viereckiges  hölzernes 
Geschirr  um  den  Hals  des  Zugochsen,  dann 
bildlich  eine  aufgelegte  Last,  Bedmckung, 
Dienstzwang  (mhd.-ahd.j;  zwei  zusammenge- 
jochte  Ochsen,  Gespann,  sowie  als  Feldmaß 
soviel  Ackerland  als  mit  einem  Ochsenge- 
spann an  einem  Tage  gepflügt  wh'd  (mhd.- 
ahd.).  Mhd.  joch  n.,  ahd.  joh,  juh  n.  (PI. 
joh  und  juhhir);  dazu  and.  jtik,  mnd.  jock, 
juck  n.  m.,  mndl.  jock,  jogh,  ags.  geoc  n., 
engl,  yoke,  anord.-schwed.  ok  n.,  dän.  aag, 
got.  jiik  n.  (Paar  Zugtiere),  woneben  ahd. 
jocho  m.  «Bergjoch»,  anord.  oki  m.  «hölzerner 
Querbalken».  Ui-verwandt  mit  \a.t.  jitgum  n., 
gr.  lu-föv  n.  und  Zuyöc  m.,  lit.  jungas  m.,  abg. 
igo  n.  «Joch»,  air.  ugliaim  «Pferdegeschirr», 
kymr.  iau,  körn,  iou  «Joch»,  air.  cuing  «Joch» 
(aus  * com-jugos  n.),  aind.  jugdm  n.  «Joch, 
Gespann»,  zu  lat.  jüngere  «verbinden»,  gr. 
leuYvüvm  «anschirren»,  ]ii.  jungiu  «ich  spanne 
ins  Joch»,  aw.  jaog-,  aind.  juj-  «anspannen». 
ZUS.  Jochgeier,  m.:  auf  Gebirgsjochen 
lebender  Geier,  1583  bei  Thumeyßer. 

Jochem,  m.:  Wein.  Bei  Hebel  2,  226, 
Grimmeishausen  Simpl.  2,  341,  30  Kllr.,  rot- 
welsch  im  15.  und  16.  Jh.,  aus  hebr.  jajin 
«Wein».    Vgl.  Finkeljochem. 

Jockei,  m.  (-S,  PI.  -s):  Reitknecht.  1813 
bei  Campe,  aus  gleichbed.  engl.  Jockey,  eig. 
«Hänschen»  (wie  noch  schottisch),  von  Jack 
«Hans»,  der  Abküi-zung  des  Namens  Jakoh. 

Jod,  n.  (-s):  chemischer  Gnindstoff.  1811 
von  Courtois  entdeckt  und  nach  dem  Aus- 
sehen  (gi\  ioeibr|c  «veilchenfarbig»)  benannt. 

jodeln,  V.:  jo  schi'eien  oder  singen;  durch 
akkordierende  Töne  auf-  und  abwärtssingen 
mit  dem  Schlußsprunge  vom  Gnindton  in 
seine  Oktave.  Bei  Goethe  24, 362.  Aus  baj-r.- 
tirol.  jodlen,  johlen  (s.  d.),  kämt,  joudeln. 
•  Davon  Jodler,  m. 

Johanu,  Mannsname.  Wie  Hans  (s.  d.) 
gekürzt  aus  Johannes,  gi".  'Iiuctvvric,  hebr. 
Jöchänän  «dem  Gott  hold  ist».  ZUS.  Jo- 
hannisbeere, f :  ribes  rubrum,  1618  bei 
Schönsleder  S.  Johans  beer,  1542  bei  Fuchs 
new  Kreuterb.  663  S.  Johanns  heerlin,  weil 
um  St.  Johannistag  (24.  Juni)  reifend.  Jo- 
hannisbrot, n.:  die  Frucht  des  Baums 
Ceratonia  siliqua,  1567  bei  Schmiedel  Reis. 
47,  26  Johannesprot,  1538  bei  Schaidenreißer 


Odyss.  36-''  S.  Johannshrot.  Johanniskäfer, 
m.:  Johanniswürmchen,  1594  bei  Frisehlin 
Xomencl.  Cap.  48  Johannskefer .  Johannis- 
krant,  n.:  die  Pflanze  H\-pericum  perforatum, 
1500  bei  Erunschwyg  Destill.  100  St.  Johannis- 
krnt.  Johannistag,  m.:  der  Gedächtnistag 
Johannes  des  Täufei-s  (24.  Juni),  aber  auch 
der  Gedächtnistag  Johannes  des  Evangelisten 
und  Apostels  (27.  Dezember),  dieser  auch 
der  Winter-,  jener  der  Sommer  Johannistag 
genannt.  Johannistraube,  f.:  Johaimis- 
beere,  1546  bei  Bock  2,  22 '^  Sant  Johans- 
treühel,  Jolianstreühlin.  Johannistrieb,  m. : 
der  zweite  Trieb  der  Pflanzen  zu  Johanni. 
Auch  auf  den  Menschen  übertragen.  Vgl. 
Ladendorf.  Schlagwort  seit  1878.  Johannis- 
würmchen, n.:  der  um  St.  Johannistag 
(24.  Juni)  erscheinende  Leuchtkäfer  Lampi,T-is, 
1566  bei  Mathesius  Luther  141,  20  Neudr. 
Johans  Wörmlein. 

Johanni:  der  Johannistag  (s.  0.),  nach 
lat.  dies  Johanni. 

johlen,  V.:  jo  schreien,  wild  lärmend 
singen  oder  schallen,  1556  bei  Frisius  231* 
jolen,  mhd.  jölen  «laut  singen»  (verächtlich), 
mnd.  jolen  «jubeln».  Vgl,  jodeln.  Entlehnt 
schwed.  jodla,  dän.  jodle. 

Jolle,  f.  (PI.  -n):  kleines  vorn  und  hinten 
spitzes  Ruderschiff.  1741  bei  Frisch  Jol, 
Jelle.  Aus  dem  Ndd.  Mnd.  jolle  f,  «kleines 
Boot»,  ndl.  jol,  engl,  '/ani,  joUy-hoaf,  franz. 
yole  «Boot».     L'nbekannter  Herkunft. 

Jongleur  (spr.  zqglor),  m.  {-s,  PI,  -e): 
Taschenspieler,  Gaukler,  Aus  franz,  jongleiir 
m,urspr,  «fahrender  Sänger»  aus  lat,  iocnlätor 
m.  «Spaßmacher»  von  jocus  m.  «Scherz».  1818 
bei  Campe. 

Joppe,  f.  (PI.  -n):  Überkleid  des  Ober- 
körpers mit  Ärmeln,  aber  ohne  Schöße,  für 
Männer,  während  Joppel,  m.  {-s,  PI,  wie  Sg,) 
die  Benennung  eines  solchen  Kleidungsstückes 
für  Frauen  ist,  Mhd,  jope.  Joppe,  jnppe  f., 
auch  als  Stück  der  Rüstung,  daneben  gippe  f., 
ebenso  mnd.  jope  f.,  entlehnt  aus  dem  Ro- 
manischen, rnl&t.  jnpa,juppa,  prov.ywpa,  franz. 
jitjye,  ital.  giubha,  giuppa  f.  «Wams,  Jacke», 
Span,  aljuba  f.  «maurisches  Oberkleid»  von 
arab.  al-dzu.hha  «baumwollnes  Unterkleid». 
Joppel  mhd.  jopel.  joppjel  (Diut.  3, 150),  juppel 
n.  (Sumerl.  33,  76),  aus  mXaX.  jupellum  n.,  Dim. 
von  jiipa.    Vgl.  Schaute. 

Joseph,  Mannsname,  aus  hebr.-lat.  Jo- 
sephus,  hehr.  Joseph  «er  fügt  hinzu»  (l.  Mos. 
30,  24  so  aus  jäsaph  «liinzufügen»  erklärt). 

60* 


951 


Jot 


jucken 


952 


Jot,  n.:  der  Buchstabe  J  (j).  1663  bei  | 
Schotte!  185  Jod.  Aus  lat,  jöta,  gr,  lOüra  n.,  | 
der  Benennung  des  i,  hebr.  jod.  Aus  dem  | 
Griechischen  entlehnt  got.  jöta  m.  (Matth.  j 
5,  18),  als  Bild  für  eine  äußerste  Kleinigkeit,  | 
wie  1631  bei  Opitz  Grotius  379  das  minste  \ 
Jodt.  I 

Journal    fspr.  zumal),    n.    {-s,   PI.   -e):  j 
Tagebuch:   Tageblatt.     In  der  1.  Bed.   1669  i 
bei  Grimm  eishausen  Simpl.  519  und  1672  im  ' 
Vogelnest  1,  12  Journal,  1566  bei  Mathesius 
Luther  163"^  (322,  1  Xeudr.)  Zornal  und  teg- 
lieh  Mndhich;    in   der  Bed.   «Zeitung»  bei 
Lessing  12, 16  (von  1750),  Goethe  Briefe  2.  259 
(als  m.),  Göckingk  2,  225.    Aus  franz.  Journal 
m.  (im  16.  und  17.  Jh.  livre  Journal),  ital. 
gtornale  m.  «Tagebuch,  Zeitung»,  miat.jornale 
n.,   zuerst   diurnale   (Diefenb.  nov.  gl.  139'')  j 
«Tagebuch»,    woher    schon    1420    oben-hein. 
dyornal  und  etwas  später  dinrnal  (Diefenb. 
188 '^),   abgeleitet   von  lat.  dhirnus  «täglich» 
(diurnum  n.  «Tagebuch»,  PI.  diurna,  nämlich 
acta  «eine  Art  Staatszeitung»),  woher  mlat. 
jornus  m.,  franz.  jour,  ital.  giorno  m.  «Tag». , 
Journalist,    m.   (-en,   PI.  -en):    Zeitungs- 
schreiber.     Bei   Gtinther  518,    in    der   Bed. 
Tagebuchführer  1727  bei  Aler. 

jovial,  adj. :  immer  frohsinnig.  Bei  Schiller  1 

10,  477.     Aus   gleichbed.   fi-anz.  jovial,   von  ; 
lat.  Joviälis  «dem  Jovis  (Juppiter)  gehörig», 
dessen    Stern    nach    den    Steradeutern    dem 
Menschen  Frohsinn  mitteilt.  Davon  das  gleich- , 
bed.  Adj,  jovlälisch,  bei  Wieland  Amadis  j 

11,  10  und  Suppl.  1,  170.     JoTialitat,  f.: 
heitre  Laune,  bei  Schiller. 

ju!  Interj.  der  lauten,  ausgelaßnen,  stür- 
mischen  Freude.      Mhd.  jü,    stimmend   mit 
dem  lat.  Ausruf  der  Freude  wie  des  Schmerzes  ' 
io,  gr.  iil),   io6. 

Jubel,  m.  (-s):  Freudenschall.  1535  im 
Aimon  X  2  Juhel,  mhd.  jubil  m.  (Khull  Btr. 
18)  neben  jühilus  m.,  aus  'kirchlich-nüat.  juhÜHS 
m.  «das  langgezogne  musikalische  Frohlocken 
am  Ende  eines  Kirchengesangs»,  von  bäurisch- 
lat.  juhilunt  n.  «das  Jauchzen,  Jodeln  der 
Hirten»,  das  von  dem  Rufe  des  Jauchzens 
ju  (s.  d.)  ausging.  Im  15.  Jh.  im  Deutschen 
auch  jiihilo  n.  (noch  bei  Goethe  und  Schiller), 
wohl  aus  lat.  jubilo  «ich  juble».  ABL. 
jubeln,  V.:  FreudenschaU,  Freudenrufe  er- 
heben, in  den  Fastnachtspieleu  des  15.  Jh. 
1296;  in  gleicher  Bed.  jubilieren,  v.,  mhd. 
jubilieren,  jühelieren,  md.  jiihileren,  aus  vulgär- 
lat.  jubilare.    ZUS.  Jubelfest,  n.,  1716  bei 


Ludwig.  Jubeljahr,  n.:  Freudenjahr  all- 
gemeinen Erlasses,  mhd.  jüheljär  n.,  nach  lat. 
a7mus  jühilcBus,  welches  letzte  Wort  nach 
hebr.  jöMl  «Hora  zum  Blasen  im  Halljahr 
(s.  d.)»  gebildet  wurde  wie  Isidor  (Jubilmis, 
remissionis  mnnus)  im  7.  Jh.  ausdiücklich 
hervorhebt.  Nach  alttestamentlichem  Vor- 
bilde setzte  1300  Papst  Bonifacius  VIII.  ein 
kiixhliches  Gnadenjahr  fest,  dessen  Feier  alle 
100  Jahre  wiederkehren  solle  (mhd.  juhileus 
hie§  dag  tminnejär),  doch  spätre  Päpste  be- 
stimmten diese  Wiederkehr  des  Jubeljahres 
auf  50,    dann  auf  30,  endlich  auf  25  Jahre. 

Jubilar,  m.  (-s,  PI.  -e):  sein  Jubelfest 
Feiernde!',  Jubelgreis.  Im  18.  Jh.  aus  mlat. 
juhilarius  m.  «wer  50  Jahre  in  dem  näm- 
lichen Stand  ist»,  ausgehend  von  mlat.  jühi- 
Iceus  (s.  Jubeljahr).  Jubiläum,  n.:  Jubel- 
fest, 1710  bei  Behring. 

juch!  Interj.  der  lauten  Freude.  1573  bei 
Ölinger  Gramm.  165  juch,  1578  bei  Clajus 
Gramm.  198  jauch,  mhd.  juch.  Jüchen,  v.: 
juch  schreien,  lautes  Freudengeschrei  erheben, 
bei  Voß  aus  nd.  und  md.  Jüchen  (mit  kurzem 
oder  langem  u),  mnd.  Jüchen.  Vgl.  jauchzen. 
juchhe!  juchhei!  juchheisa!  Interj.,  in 
den  Fastnachtspielen  des  15.  Jh.  335,  31  juch 
heia  o,  1580  bei  Krüger  Anfang  und  Ende 
der  Welt  v.  707  juchei,  bei  Lessing  1,  268 
juchhe,  bei  Goethe  Faust  955  juchheisa  (s. 
heisa).  Davon  juchheien,  v.,  bei  Hölty  175  H. 

Juchart,  Juchert,  m.  und  n.  (-5,  PI.  -c)-. 
ein  Morgen  Ackerlands.  Oberdeutsch.  Mhd. 
jiuchart.  jeuchart,  jvchart,  juchert,  ahd.  juchart 
n.,  neben  vahd..  ji)ich.  jeuch  n.  f.,  eig.  «soviel 
Land  ein  Joch  Rinder  an  einem  Tage  umzu- 
ackern vermag»  (noch  im  Badischen  JeuchL), 
ahd.  giuh.  Urverwandt  mit  lat.  jügerum  n. 
«Morgen  Landes»,  zugehörig  zu  Joch  (s.  d.\ 
lat.  jugum  n.  Den  zweiten  Bestandteil  stellt 
man  zu   '^Art  (s.  d.). 

Juchten,  m.  und  n.  i-s,  PI.  wie  Sg.), 
auch  Jucht,  m.  n.  (in  Preußen):  rotes  russi- 
sches Leder.  1691  bei  Stieler  .lochten,  Juchten. 
Niederdeutsche  Form  mit  ch,  1785  bei  Voß 
Ged.  1,  163  Jucht  m.,  ndl.  jucht,  jagt,  aber 
nd,  auch  Juften,  aus  gleichbed.  russ.  juft.H  ra., 
eig,  «Paar»,  weil  die  Häute  paarweise  ge- 
gerbt werden. 

juchzen.  Juchzer,  s.  jauchzen. 

jucken,  v.:  zum  Kratzen  reizenden  Nerven- 
reiz haben;  hin-  und  herreiben.  In  der  1.  Bed, 
auch  impers,  mich  juckt  es  (mhd.  mich  jucket), 
auch  mir  juckt.  Mhä.  jucken,  im  15,  .Ih.  jucken 


953 


Jucks 


jnng 


954 


(Diefenbach  nov.  gl.  307**  von  1486,  auch  bei 
Luther,  Wieland,  Schiller),  ahd.jucdian:  dazu 
and.  jukid  «es  juckt»,  nind.  jucken,  joken, 
mndl.  joocken,  jeucken,  ags.  giccan,  engl,  itch 
«jucken».  Alem.  auch  in  der  Bed.  «springen», 
schon  1513  bei  Liliencron  3,  111^  jucken.  Da 
diese  Bedeutung  alt  sein  wird,  so  läßt  sich 
vielleicht  got.  jiuka  m.  «Streit,  Zank»,  jiukan 
«kämpfen»  heranziehen.  ABL.  Jucker,  m.: 
kleineres,  meist  ungarisches  Wagenpferd. 
Schweiz.-elsäss.,  eig.  «der  Springer». 

^ Jucks,  m.  {-es,  PI.  -e):  lustiger  Scherz. 
In  den  ebd.,  md.  und  nd.  Mundarten;  dazu 
mndl.  und  clev.  lA^ll  jock,  engl.  joÄe  «Scherz». 
Aus  gleichbed.  lat.  joais  m.  (woher  ital.  gioco, 
franz.  jeu  m.  «Spiel»),  wahrscheinlich  durch 
die  fahrenden  Schüler  verbreitet,  wie  mndl. 
und  clevisch  IUI  jocken  «scherzen»  aus  gleich- 
bed. lat.  jocäri  Davon  Juckserei,  f. :  lustiges 
Scherzen,  bei  Lessing  11,  .")92;  jucksig,  adj.: 
zu  neckendem  lustigen  Scherzen  aufgelegt, 
bei  Voß  juxig. 

"Jucks,  m.  (-es,  PL  -e):  Schmutz,  Nichts- 
wertes. Nd.  und  ostmd.  Bei  Goethe  3,  54 
Jux.  Mit  ableitendem  s  von  spätmhd.  iuck 
«Juckendes»  (Diefenbach  nov.  gl.  307^  von 
1466J,  1482  im  Voc.  theut.  r.3^  kretzighaut 
oder  der  iucli  oder  die  kretze.  Von  jucken 
(s.  d.).  Bei  Kindleben  1781  G-ucks,  gucksig 
«Schmutz,  schmutzig»,  gucksen  «geizig  sein, 
Profit  machen»,  Gucksmacher  «Wucherer», 
daher  nd.  .Tuks  «Schwänzelpfennige,  uni-echt- 
mäßiger  Gewinn»  (1767  im  Brem.  Wb.j. 

Jude,  m.  (-«,  PI.  -n),  Volksname.  Mhd. 
Jude,  jüde,  ahd.  judo,  judeo  m.  (auf  dem 
e-^i  beruht  der  Umlaut  ü  im  Mhd.,  auch 
älternhd.  bei  Luther  Jude,  bei  Alheims  1540 
und  noch  mundartlich  Jüd);  dazu  asächs. 
judeo,  judeo,  afries.  jotha,  ags.  PI.  judeas,  aus 
gr.-lat.  Jüdceus,  wie  got.  ludaius,  Judaias 
aus  gr.  Mouba'ioc.  ABL.  Jüdiu,  f.,  mhd. 
jädinne,  Jüdin,  jüdisch,  adj.,  mhd.  jüdisch, 
ahd.  judeisc,  judiisg,  judisg,  got.  iudaiivisks, 
Adv.  iiidaiwiskö,  nach  dem  gi\-lat.  Adj.  Jü- 
daicus,  gr.  'loubaiKöc.  ZUS.  Judeuemau- 
zipation,  f.,  Schlagwoi-t  seit  den  20  er  Jahren 
des  19.  Jh.  Vgl.  Ladendorf.  Judeugasse, 
i'.f  1366  judenga^^en  (Mon.  Boica  42,  439), 
md.  1387  judengaße  (Baui-  hess.  Urk.  1,  787). 
Judenharz,  n.,  Judenleim,  m.,  Juden- 
pech, n.:  Asphalt,  im  lö.  -Vn.  jadenlym,  -leym 
(Diefenbach -Wülcker  681),  mlat.  bitunien  Ju- 
daicum.    Judenkirsche,   f.:    die   Priauze 

Physulis  alkekoiiL.'!,  im  Liber  synoii.  von  1140 


^  Juden  kersen  (Diefenbach -Wülcker).    Judeu- 

;  Schaft,  f.,  mhil.  Juden-,  Judeschaft,  im  12.  Jh. 

I  judiscluift  f.  Judenschule,  f.,  mhd.  juden- 
schuole  f.  Judeuspieß,  m.,  1494  bei  Brant 
Xarrenscb.  76,  11  Juden  spyeß,  im  Volkswitz 
bildlich  von  einer  unlautren  WaÖe  in  der 
RA.    ynit    dem   Judenspieß   rennen   [laufen), 

j  d.  h.  «gleichsam  mit  einem  Tumierspieß  alles 
niederwerfend  wie  ein  nach  Wucher  laufender 
Jude,  großen  Wucher  treiben».  Den  Juden 
war  das  Waflentragen  verboten.  Judentum, 
n.,   bei  Luther  Gal.  1,  13  Jüdentham,    1540 

I  bei  Alberus  dict.  N3^  Judentumm. 

Jugeud,  f.:  das  Jungsein  und  die  Zeit 
desselben.  Mhd.  jiigent  f.,  sehr  früh  auch 
jungent,  junget,  ahd.  jugund  f.,  zuweüen  jicn- 
gund,  jungend,  dazu  asächs.  jugud,  nmd.  joget, 
mnd\.jevghd,  ags.  geogup,  geogop  f.,  engl,  youth, 

■  got.junda  f.  «Jugend»,  urverwandt  mit  gleich- 
bed. lat.  juventa  f.,  air.  öitiu  f.  «Jugend»,  aind. 

'juvatis  f.  «jung».    Das  g  ist  wohl  aus  w  ent- 
standen.     Abstraktbüdung   zu   jung   (s.  d.). 
]  ABI/,  jugendlich,  a.äj. ,  mhd.  jugentlich,  ahd. 

■  jugundlih.  ZC'.S'.  Jugendstil,  m.  Schlagwort 
'■  für   eine  neue  Stilrichtung,    seit  1897.    Vgl. 

Ladendorf.  Jugendzeit,  f.,  beiH.Sachs4,321. 

Jul,  m.  (-.s;:  Weihnachtsfest.  Li  Xord- 
ostdeutschland.  ^Lid.  iul  m.,  nach  anord.  jöl 
n.  pl.  «Fest  der  Wintersonnenwende»,  schwed.- 
dän.  jul.  Dazu  ags.  geohhol,  geol  n.  «Christ- 
fest», engl,  yule  und  got.  jiuleis  m.  «Jul- 
monat»,  anord.  yler,  ags.  geola  m.  «Dezember». 
Grundform  *jehwla.  Herkunft  unsicher.  Vgl. 
üblen beck  Btr.  30,  295. 

Julep,   m.  {-s,  PI.  -6):   Kühltrank.     1575 

bei  Fischart  Garg.  19  .Julep.   Aus  franz.  julep, 

s\^au.julepe,  ital.  giulebho  m.,  von  arah.  dzolab, 

,  das  aus  per?,  (/w/ät  «Kosen wasser»  (gid  «Rose», 

ä&  «Wasser»)  entlehnt  ist.  Noch  ostpreußisch. 

Juli,  m.  f-.s):  der  siebente  Monat  im  Jahr. 
Aus  lat.  .fuli,  dem  Gen.  Sg.  von  Julius,  wie 
der  Monat  (^uintilis  von  den  Römern  zu  Ehren 
des  die  Zeitrechnung  berichtigenden,  unter  die 
Götter  versetzten  Feldherrn  Cajus  Julius  Cäsar 
benannt  wurde.  Xh.d.heu:iman6th  «Heumonat». 

jung,  adj.  (Komp.  jünger,  Sup.  jüngst), 
Gegensatz  von  alt.  Mhd.  junc  (Komp.  junge); 
jünger,  Sup.  jungist,  jungest,  jungst),  ahd. 
jung  (Komp.  jungiro,  bei  Kei-o  jugiro,  Sup. 
jungist):  dazu  asächs.  jM?i^,  ndl.  jong,  afries. 
jong.  jun/j,  ags.  geong,  engl,  young,  anord.  ungr. 
schwed.-dän.  ung,  got.  juggs  (Komp.  jühiza). 
,  Urverwandt  mit  lat.  juvencus  «jung,  junger 
Stier,  Jüngling»,    air.  öac,  öc  «jung»,  aind. 


955 


jung 


Jurist 


956 


juvarjäs  «jugendlich»,  Weiterbildungen  von 
\at.  juvenis  «jung,  Jüngling»,  aw.jMuaw-,  aind. 
jüvan-  «jung»,  lit.  jännas,  abg.  junü  «jung». 
ABL.  Junge,  m.  {-n,  PI.  -w  und  nd.  -ns): 
junger  Mensch,  Knabe,  mhdi.  junge,  aliä.  jungo 
na.  Junge,  n.  (-n,  PI.  -n):  junges  Tier  im 
Vergleiche  zu  seinem  alten,  mhd.  junge,  ahd. 
jungi  n.  jungen,  V.:  Junge  gebären,  1482 
im  Voc.  theut.  p  7%  anders  mhd.  jungen  «jung 
werden»,  jungen,  v.:  jung  machen,  mhd. 
jungen,  ahd.  jungan,  nhd.  in  verjüngen,  auch 
refl.  mhd.  sich  jungen,  jungen.  Jünger,  m. 
(-S,  PI.  wie  Sg.):  Lehrling,  Schüler,  mhd. 
junger  m.  (in  starke  Biegung  übergehend), 
aber  schwachflekt.  ahd.  jungiro,  jungoro  m.; 
dazu  asächs.  jungaro,  jungro,  afries.  jon- 
gera,  ags.  geongra  m.,  zunächst  von  Christi 
Schülern,  gebildet  als  Gegensatz  zu  Herr 
(ahd.  herro,  eig.  heriro  «der  ältre».  Jüng- 
ling, m.  (s,  PI.  -e):  junger  Mensch  zwischen 
der  Knaben-  und  Manneszeit,  mhd.  jungelinc, 
ahd.  jangeling  m.;  dazu  and.  jungling,  mndl. 
jonghelinck,  ags.  geongling,  engl,  youngling 
(veraltet),  anord.  ynglingr,  schw ed.-dän.yngling 
m.,  dafür  got.  jtiggalaups  m.  jüngst,  adv.: 
zuletzt,  in  letztej.'  Zeit,  bei  Luther  Briefe  1, 
571  jungist,  1663  bei  Schuppius  466  jüngst, 
mhd.  jungist,  jungest,  neben  ze  jungist,  ahd. 
za  jungist,  ze  jungest,  der  Superl.  hier  in 
gleicher  Bed.  wie  der  jüngste  Tag  «der  aller- 
letzte Tag»,  ahd.  der  jungiste  tac.  ZUS. 
Jungbrunnen,  m.:  verjüngender  Brunnen, 
mhd.  junchrunne.  Jung(e)mag(l,  f.:  Stuben- 
mädchen, in  Obersachsen,  1715  bei  Amaran- 
thes,  1696  bei  Chr.  Reuter  Schlampampe  46, 
zusammengerückt  aus  junge  Magd  mit  Ver- 
legung des  Haupttons  auf  die  erste  Silbe. 
Jungfrau,  f. :  junges  lediges  Frauenzimmer, 
insbes.  lediges  Frauenzimmer  von  unbefleckter 
Keuschheit  (OflPenb.  Joh.  14,  4  auch  von  einer 
solchen  Mannesperson),  mhd.  juncvrouive,  -vrou, 
ahd.  juncfro7iwa  f.  «junge  Herrin,  Edelfräu- 
lein>/,  im  Mhd.  auch  «unverheiratete  vornehme 
Dienerin,  lediges  Frauenzimmer  von  unbe- 
fleckter Keuschheit»  (im  14.  Jh.,  dafür  älter 
maget,  s.  Magd),  bildlich  auch  von  Männern. 
Daraus  gekürzt  (ähnlich  wie  mhd.  ver,  vir 
«Frau»,  vor  Namen  und  in  der  Anrede) 
Jungfer,  f.  (PI.  -n)-.  lediges  Frauenzimmer, 
insbes.  von  unbefleckter  Keuschheit,  dann 
Dienstmädchen  bohren  Ranges,  im  17.  und 
18.  Jh.  Ehrenbezeichnung  eines  noch  unver- 
heirateten bürgerlichen  Mädchens  vor  dem 
Namen  oder  der  Standesbenennung,  entspre- 


chend dem  jetzigen  Fräulein  (1774  bei  Goethe 
19,  43  die  Jungfer  Pfarrerin,  1664  bei  Duez 
Jungfraw  «ein  Ehi'entitul,  mademoiselle»). 
1691  bei  Stieler  Jungfer,  Jumpfer.  Jumfer 
(doch  schon  im  15.  Jh.  jumpffrauire  Diefen- 
bach  gl.  622=1),  i^gj  Luther  8,  241  ^  Jungfer, 
köln.  im  15.  Jh.  jonffer,  ndrhein,  im  14.  Jh. 
jicn/fer.  Davon  jüngferlich,  adj.,  bei  Wie- 
land, ^MMgr/erZ/c/i  1663  bei  Schuppius  472,  köln. 
im  15.  Jh.  jun/ferlich  (Frommann  2,  440*^), 
mhd.  juncvromvelich;  Jungfernschaft,  f., 

1654  bei  Logau  1,  8,  80,  köln.  im  15.  Jh. 
junffer-,  j  on  ff  er  schaff  ^.  (Frommann  a.  a.  0.), 
ndrhein.  im  14.  .Ih.  jun  ff  er  schafft,  als  edlerer 
Ausdruck  JungfrauSChaft,  f.,  bei  Luther 
Jungfrawschaff't,  1494  bei  Brant  Narrensch. 
92,  70  jungfrowschafft.  Jungfernrede,  f., 
Übersetzung  des  engl,  maidenspeech,  studen- 
tisch 1836  geläufig.  Juuggesell,  m.  (-en, 
PI.  -en):  lediger  heiratsfähiger  Mann,  urspr. 
junger,  1496  bei  Lihencron  2,  Ml^  Junggeselle, 
bei  H.  Sachs  5,  28  der  PI.  jung  Gselln. 

Juni,  m.  (-s) :  der  sechste  Monat  im  Jahre. 
Aus  lat.  Junii  (so  noch  im  16.  imd  17.  Jh.), 
dem  Gen.  Sg.  von  Junius,  wie  die  Römer 
den  Monat  nach  der  Göttin  Juno  ])enannten. 
Deutsch  Brachmonat  (s.  d.).  ZUS.  Juni- 
käfer, m.:  der  im  Juni  fliegende,  dem  Mai- 
käfer ähnliche,  aber  kleinere  Käfer  Scarabaeus 
solstitialis,  1722  bei  Frisch  Lisecten  4,  29 
Junius-Kefer  oder  Brach-Kefer. 

Junker,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.)-.  junger 
AdeHger,  dann  als  Ehrentitel;  ostelbischer 
adliger  Grundbesitzer  (im  19.  Jh.).  Im  16.  Jli. 
Junker  (bei  H.  Sachs  usw.),  1482  im  Voc. 
theut.  p  7^  junckher,  köln.  im  15.  Jh.  Junker, 
jonker  (Frommann  2, 440^),  gekürzt  aus  mhd. 
juncherre,  -herre  m.  «junger  Mann  von  hoher 
Geburt, Edelknabe»;  dazu  ndl.  jonker,  jonkheer. 
Die  Flexion  war  bis  ins  17.  Jh.  schwach 
(Gen.  -n,  PI.  -en),  noch  bei  Wieland  21,  12 
der  PI.  Junkern.  ABL.  junkerhaft,  adj., 
1691  bei  Stieler.  Junkertum,  n.,  Schlag- 
wort seit  den  20  er  Jahren  des  19.  Jh.,  ge- 
richtet gegen  das  herausfordernde  Auftreten 
der  Junker.    Vgl.  Ladendorf. 

Jurist,  m.  (-en,  PI.  -en) :  Rechtsgelehrter, 
-kundiger,  -beflissner.  Mhd.  juriste  m.,  im 
15.  Jh.  Jurist,  aus  mlat.  jurista  m.,  von  lat. 
jüsn.  (Gen.jüris)  «Recht».  Davon  juristisch, 
adj.,  bei  Luther  6,  39  J.,  verschieden  von 
juridisch,  das  nach  lat.  jüridicus  «gerichtlich» 
gebildet  ist.  Juristerei,  f.,  bei  H.  Sachs 
Fab.  240,  128. 


957 


Jurte 


£abel 


958 


Jurte,  f.  (PI.  -n):  Hütte  nomadischer 
Völker.  Aus  dem  Türkischen  durch  russische 
Vermittlung  in  neurer  Zeit. 

just,  adv.:  richtig;  genau,  gerade.  Bei 
Eot  1571  und  Fischart  Hütl.  345;  dazu  nd. 
im  17.  Jh.  just,  ndl.  1598  juyst.  Aus  dem 
lat.  Adv.  ^MS^e  «gerecht,  gehörig»,  franz.  jusfe, 
vom  lat.  Adj.  jiistus  «gerecht,  recht»,  zu  lat. 
jus  n.  «Recht».  Bei  Goethe  12,  99  auch  als 
Adj.  [es  ist  nicht  just)  «richtig,  geheuer», 
wie  bei  Grimmeishausen  Simpl.  523  und  Hars- 
dörffer  Gespr.  2,  92. 

justement,  adv.:  mit  Recht,  eben  recht. 
Bei  Bode  Jones  6,  434.  Aus  gleichbed.  franz. 
justement,  aber  ohne  die  franz.  Aussprache 
vom  Volk  im  letzten  Viertel  des  17.  Jh. 
aufgenommen. 

justieren,  v.:  (Münzen  usw.)  ausgleichen, 
berichtigen;  eichen.  1.574  bei  Höniger  Nai'ren- 
schiif  279^  einjustiren,  dazu  1598  ndA.iusteren, 
aus   mlat.  justäre,    von   lat.  jiistus   «recht», 

Justiz,  f.:  Rechtspflege.  1586  bei  Fischart 
Bodinus  3  Justici  f.,  1571  bei  Rot  Justitz  f., 
aus  lat.  jnsfitia  f.  «Gerechtigkeit».  ZUS. 
Justizmord,  m.,  von  L.  v.  Schlözer  1782 
als  Schlacrwort  für  die  Hinrichtuncf  Unschul- 


diger geprägt.  Vgl.  Ladendorf.  Justizrat, 
m.,   1716  bei  Ludwig  Justitz-Baht. 

Justus,  Mannsname.  Gekürzt  Just,  .Tost. 
Aus  lat.  justus  «gerecht». 

Jute,  f.  (PI.  -n):  feiner  glänzender  ost- 
indischer Hanf  oder  Flachs  zu  Geweben.  Im 
19.  Jh.  aus  engl,  jute,  das  aus  dem  Benga- 
lischen stammt. 

Juw61,  n.  (-5,  PI,  -en) :  Kostbarkeit  ersten 
Ranges,  Edelstein,  1495  in  der  Kölner  Gemma 
E3'^  iuweel,  zu  Anfang  des  16,  Jh.  md.  juhel 
(Diefenb.  gl,  126'');  dazu  ndl.  1598  iinveel,  joii- 
iveel.  Aus  gleichbed,  ah-^nz.  joiel,  joel,  nfranz, 
joyau,  sipan.joyel,  ital.  giojellom.,  mlat.  jocale 
n,,  die  vermutlich  auf  lat.  jocus  m,  «Scherz, 
Kurzweil»,  zurückgehen.  Davon  Juwelier, 
m,  (-S,  PI.  -e):  Juwelenhändler,  Goldarbeiter 
der  sich  mit  der  Fassung  von  Edelsteinen 
beschäftigt,  1495  in  der  Kölner  Gemma  E3^ 
iuwelier,  1505  in  der  Straßburger  Gemma  e  S** 
iuhelier,  md,  zu  Anfang  des  16,  Jh.  iubelierer 
(Diefenb,  gl.  126«),  noch  im  18.  Jh,  Juhilirer; 
dazu  ndl.  1598  iuweelliei',  aus  franz,  joaillier, 
jouaülier,  im  16,  Jh,  joylier,  mlat,  jocalarius. 

Jux,  s.  Jucks. 


K 


Wörter,  die  man  hier  nicht  findet,  suche  man  unter  C, 


Kabäche,  Kabäcke,  f,  (PI,  -n):  bau- 
fällige Hütte,  schlechte  Schenke.  Norddeutsch, 
im  17.  Jh,  bei  Olearius  pers.  Reisebeschr, 
3,  6  Kaback  f.  Vgl.  bei  Xehring  1710 
«Kahacks  werden  in  Moskau  die  Schenken 
und  Wirtshäuser  genannt».  Also  wohl  aus 
russ,  habakü  m.  Anders  H,  Schröder  Streck- 
formen 23. 

Kabale,  f,  (PI,  -n):  fein  angelegte  ge- 
heime Gegenwirkung,  arglistige  Ränke,  1716 
bei  Ludwig,  aus  gleichbed.  franz,  cabale  f, 
von  hebr.  qahbälä,  rabbinische  «Geheimlehre», 
in  letzter  Bed,  1581  bei  Fischart  Bienenk.  32** 
der  Juden  Kahalen  vnd  Thalmud. 

kabbeln,  verb,  (auch  refl.):  hadern,  sich 
streiten.  Wie  gleichbed,  md,-nd,  kibheln,  nd, 
kebbeln,  mnd,  kevelen  «schwatzen».  Wahr- 
scheinlich zu  asächs,  kafl,  ags,  ceafl  m,  «Kiefer 
der  Tiere»  und  weiter  zu  air.  gop  «Mund», 
Verwandt  mit  Kiefer  (s.  d,).  Norddeutsch  I 
(Yoß  2,  182),  schon   mnd,  kdbbelen. 

^ Kabel,   n.  (-s,    PI,  wie  Sg,),   früher  f.. 


(PI,  -n):  dicker  Strick,  Schiffsseil;  (seit  1849) 
unterseeische  Telegraphenleitung,  Mhd, /tabeZ, 
1477  clevisch,  ebenso  ndl,  kabel  f,,  mnd.- 
schwed,-dän,  kdbel  m.  «Ankertau»,  aus  gleich- 
bed. franz.  cähle,  afranz.  chdble,  span.-port. 
cdble  m.,  und  diese  aus  mlat.  capfilus  m,  und 
capülum,  capluni  n,  (mgr.  KauXiov  n,).  «Fang- 
seil», von  lat,  capere  «fassen», 

-Kabel,  f.  (PI.  -n):  Los,  Losteil,  Anteil, 
Reihenfolge,  In  Norddeutschland,  1598  bei 
Colerus  Hausb,  6,  27  Kdbel  m.,  mnd,  kavele  f. 
«Los»,  eig,  «zugerichtetes  Holz  zum  Losen», 
gewöhnlich  mit  einem  runenartigen  Zeichen, 
besonders  dem  Namen  des  Mitlosenden  ver- 
sehen, anord,  kafii  m,  «längliches  Stück  Holz, 
Teil,  Stück»,  schwed,  kafle  m,  «Rolle,  Walze», 
dän.  kavl,  kavle  «Holz  im  Fischgarn»,  ndl. 
kavel  m.  «Los,  Teil»,  Dazu  wohl  lit,  zabas 
«Reis»,  zuobrts  m,  «Pfluggestell»,  Vgl,  auch 
Kufe.  ABL.  kabeln,  verb,:  losen,  durchs 
Los  abteilen,  bei  Frisch  kabeln  (vom  J,  1652), 
mnd,-ndl.  kavelen. 


959 


Kabeljau 


Käfer 


960 


Kabeljau,  auch  Kabliau,  m.  (-es,  PI.  -e): 
der  frische  Seefisch  gadus  morrhua  (vgl. 
Laberdan,  Stockfisch,  Klippfisch.  1563  in 
Forers  Fischbuch  13^  Kahhelouiv,  im  15.  Jh. 
uirhein.  caheliau  (Diefeubach  358*^),  aus  mnd. 
kahelow  (1377),  kaplaiv  (1350),  cahbeh/au  (Dief. 
317^  vom  J.  1420),  1477  clevisch  cabliauive, 
ndl.  bei  Kilian  kabeliau,  kableau,  jetzt  kahel- 
jaauw,  mlat.  in  den  Niederlanden  seit  Anfang 
des  12.  Jh.  cabeUauivus,  schwed.  kabeljo,  dän. 
kabliau.  Daneben  steht  nd.  bakkeljau  aus 
s-pan.bacallao,  ]}Ovt.  bacalhuo  in.  «Stockfisch», 
zu  lat.  baculus  m,  «Stock»,  Doch  tritt  dies 
viel  später  auf  und  wh'd  eher  aus  kabeljau 
umgestellt  sein.  Herkunft  unklar.  Vgl.  Uhlen- 
beck  Btr.  19,  328. 

Kabine,  f.  (PI.  -n)  -.  Schifiskammer.  1618 
bei  Hulsius  Schifi".  15,  21  Cabbin,  aus  gleich- 
bed.  franz.  cabine  f.,  dies  aus  engl,  cabin 
«Hütte,  Kajüte»,  altengl.  caban,  cabane,  das 
dem  franz.  cabane  entstammt,  letzteres  von 
mlat.  capanna  f.  «Hütte»  (600  bei  Isidor).  — 
Kabinett,  n.  (-es,  PI.  -e):  kleines  Gemach, 
Nebenzimmer;  Geheim-,  Ratszimmer  eines 
Fürsten;  Staatsministerium;  Zimmer  für  eine 
Sammlung  von  Seltenheiten.  1644  im  Sprach- 
verderber  aus  gleichbed.  franz.  cabinet  m., 
von  cabine  f. 

Kabriolett,  u.  (-[e]s,  PI.  -e):  leichtes 
zweiadriges  einspänniges  Wägelchen.  Bei 
Gotter  1,  49.  Aus  gleichbed.  franz.  cäbriolet 
ra.,  von  franz.  cabriole,  ital.  capriola  f.  «Bocks- 
sprung» (zu  lat.  caper  m,  «Ziegenbock»),  be- 
nannt nach  den  Luftsprüngen,  die  ein  solches 
Fuhrwerk  leicht  macht.    Vgl.  Kapriole. 

KabrÜSChe,  f.:  Kameraden,  besond.  zu 
Schlechtigkeiten.  Aus  der  Gaunerspi'ache,  in 
der  es  als  Chah'usse  1735  belegt  ist.  Aus 
dem  Hebräischen.  Elsässisch  Kafruse".  Auch 
in  der  nordd.  Umgangssprache. 

Kabuse,  f.  (PI.  -n):  schlechte  Hütte, 
Zimmerchen,  Verschlag;  Kernhaus  des  Obstes 
(brem.  Wb.  2,  713).  Norddeutsch.  In  einem 
Breslauer  Vocab.  von  1422  kabüse  f.  «Ver- 
schlag auf  dem  Schuf»,  aus  mnd.  kabüse  f. 
«kleines,  niedriges  Gebäude,  Verschlag»;  hier- 
zu ndl.  kabuis  und  entstellt  kombuis  f.,  franz. 
canibuse  f.,  schwed.  kabysa  f.,  engl,  caboose 
«Schifisküche».  Unklarer  Herkunft  trotz 
Schröder  Streckformen  28, 

Kachel,  f.  (PI,  -n)-.  irdenes  tiefes  Ge- 
schirr; irdene  Ofenröhre,  um  darin  zu  kochen; 
Ofenfliese.  Mhd.  kachele,  kachel  f.  «irdenes 
Gofilß»,    im    15.  Jh.    auch   «Niichttopf»    und 


«Ofenkachel»,  ahd.  chachala  f.  «irdener  Topf». 
Aus  einem  nicht  belegten  lat.  caccalus  m, 
«Kochgeschirr»,  mlat.  cachus  m.  «Gefäß, 
Schale»,  vgl.  port.  caco  m.  «Scherbe»,  tarent. 
käkkalo.  Belegt  ist  nur  caccabus.  ZUS. 
Kachelofen,    m.,    spätmhd.  kacheloven  m. 

kacken,  verb.,  frühnhd,  (1495  in  der 
Kölner  Gemma,  bei  Luther  8,  24''  Jeu,),  wohl 
aus  der  Schülersprache,  von  gleichbed.  lat. 
cacäre,  gr.  kokkoiv. 

Kadaver,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Leichnam. 
Im  17.  Jh,  aus  gleichbed.  lat.  cadäver  n.,  von 
lat,  cadere  «fallen».  ZUS.  Kadäverg^ehor- 
Sam,  m.:  unbedingter  Gehorsam.  Seit  etwa 
1880  belegt.  Der  Ausdruck  geht  auf  die 
Jesuiten  zurück.    Vgl.  Ladendorf. 

Kad6nz,  f.  (PI.  -en):  der  Tonfall,  der 
Schlußlauf  im  Gesänge.  Im  18,  Jh.  aus  gleich- 
bed. ital.  cadenza  f.,  von  mlat.  cadentia  f. 
«Fall»,  abgeleitet  vom  Part.  Präs.  cadens 
(Gen.  cadentis)  zu  lat.  cadere  «fallen». 

Kadett,  m.  {-en,  PI.  -en) :  junger  Mensch, 
der  in  den  Heeresdienst  tritt,  um  sich  zum 
Offizier  auszubilden.  1703  im  Zeit.-Lex.  «der 
jüngere»,  aus  franz.  cadet  m.  «der  Jüngere 
unter  Geschwistern»,  dann  «junger  Adeliger, 
der  seine  Laufbahn  im  Kriegsdienste  be- 
ginnt», aus  gaskog.  capdet,  provenz,  capdel 
«Haupt»,  einer  Ableitung  von  lat.  caput  n. 
«Haupt». 

Kadi,  ni.  (-S,  PI.  -s):  Richter.  Aus  gleich- 
bed. arab.  qäd'^,  türk.  kadi.   1703  im  Zeit.-Lex. 

kadük,  adj.:  hinfällig;  niedergeschlagen. 
Aus  franz.  caduc,  das  aus  lat.  cadüctis  «iallend, 
heimgefallen»,  von  cadere  «faUen»  stammt. 
1703  im  Zeit.-Lex.  caduc  «ab-  und  hinfällig», 
1673  bei  Chr.  Weise  Erzn.  63. 

Käfer,    m.   (-s,   PI.  wie  Sg.):   nagendes 

Insekt  mit  hornigen  Flügeldecken,  Bei  Maaler, 

Duez,  Stieler  usw.  Käfer,  bei  Luther  Kefer. 

mhd.  kever,  ahd.  chevar  m.,    woneben   auch 

schwachflekt.  mhd.  kevere,  ahd.  chevaro  m., 

I  selbst    noch    bei   Luther   Nahum  3,   17    der 

schwache   PI.  Kefern;    dazu   and.  keuera  f. 

1  «Käfer,  Art  Heuschi-ecke»,   ndl.  kever,  ags. 

ceafer  m.,    engl,   chafer,    nd.   säver,    zäver 

(Brem.  Wb.  4,  592),   mnd.  sever,   zever  m. 

j  Wohl  zu  mhd,  kifen,  kifelen,  Schweiz,  käfen, 

\kaflen  «nagen»,  wozu  auch  Käfe,  mhd,  keve, 

j  ahd.  cheva  f.  «Fruchthülse,  Schote»,  eig.  «die 

mit  den  Zähnen  abgenagte  leei-e  Hülse»  und 

in  gleicher  B6d.  Kiefe,  Kife  mit  den  Neben- 

I  formen  Schafe  und  Schiffe  f.  (Diefenl^.  534*) 

!  "ehürt. 


961 


Eaff 


Kaiser 


962 


Kaff,  n.  (-s) :  Spreu  (leere  Getreidehülsen) ; 
Unwertes,  Nichtiges.  Mhd.  (urspr.  md.)  kaf 
n.;  dazu  mnd.  kaf,  mndl.  caf,  ags.  ceaf  n., 
engl,  chaff.  Aus  gleichem  Stamm  wie  Käfe, 
ahd.  cheva  f.  «Schote,  Hülse»  (s.  Käfer). 

Kaffee,  m.  (-s,  PI.  -s):  die  Fracht  des 
Kaffeebaums  und  das  daraus  bereitete  Ge- 
tränk; (als  Neutr.  im  19.  Jh.)  das  Kaffee- 
wirtshaus (Cafe).  In  der  zweiten  Hälfte  des 
17.  Jh.  als  Coffee  aus  engl,  coffee,  ndl.  koffij  f. 
übernommen,  im  Anfang  des  18.  Jh.  drang 
aus  franz.  cafe,  caffe  m.  die  Form  Caffe,  Gaffee 
(bei  Klopstock,  Lessing,  Goethe  Kaffee)  durch. 
Zugrunde  liegt  arab.  qahva  «aus  Beeren  ge- 
kochter Trank, Kaffee».  .Z^?7*S. Kaffeehaus, n., 
Kaffeeschwester,  f.,  1715  bei  Amaranthes. 

Kaffer,  m.  (-w,  PI.  -n):  Bauer,  einfältiger 
Mensch.  In  der  Gaunersprache  (1714),  da- 
nach im  19.  Jh.  in  südwestdeutschen  Mund- 
aaten  und. studentisch,  aus  rabbinisch  kaphri 
m.  «Dorfbewohner,  Bauer»,  von  hebr.  käphär 
m.  «Dorf».  Verschieden  von  dem  Volksnamen 
Kaffer  m.  in  Südafrika,  der  auf  arab.  käfir 
«Ungläubiger»  beruht. 

Käfig,  m.  (-S,  PI.  -e):  Gitterbehälter  für 
ein  sonst  wild  lebendes  Tier;  gegitterter  Ge- 
fängnisbehälter. Mit  g  statt  j  (vgl.  nhd. 
Ferge,  ahd.  ferjo)  und  Genus  Wechsel  aus  mhd. 
kevje,  ahd.  chevia  f.,  entlehnt  aus  lat.  cavea  f. 
«Höhlung,  Käfig»,  vom  lat.  Adj.  cavus  «hohl». 
Noch  im  16.  Jh.  Fem.  kefig,  daneben  schon 
im  14.  und  15.  Jh.  Neutr.  und  Mask.  kefig, 
auch  kehig  (1581  bei  Fischart  Bienenk.  87^ 
käfig),  im  15.  Jh.  kefich,  mit  antretendem  t 
kefit  n.  (Teufels  Netz  6460  Anm.),  danach 
im  18.  Jh,  Ke ficht,  Käficht  n. 

Kafiller,  Kayiller,  m.  (-s,  Pl.wieSg.): 
Schinder.  Erst  im  17.  Jh.  (bei  Stieler  1691). 
Aus  der  Gaunersprache,  wo  Caveller,  Gafaller 
m.  «Schinder»  (1510  im  Liber  Vagatorum, 
abgeleitet  von  talmudisch  kephäl,  das  im  Sy- 
rischen «abdecken,  abziehen»  bedeutet;  wohl 
mit  Anlehnung  an  nd.  viller  m.  «Schinder» 
(Hautabzieher)  und  vielleicht  an  bay^r.  Gefill  n. 
«Recht  des  Abdeckers  auf  das  gefallene  Vieh» 
(s.  fillen).  ABL.  Kaflller^i,  f.:  Abdeckerei, 
1691  bei  Stieler. 

Kaftan,  m.  (-s,  PI.  -e):  langes  Ehren- 
oberkleid  der  Türken.  Aus  türk.  kaftan, 
schon  entlehnt  1647  in  Olearius  persian. 
Reisebeschr.  125  Äa/ftow  «lang  niedergehendes 
Unter-,  Morgenkleid». 

Käfter,  n.,  auch  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.): 
kleiner  enger  Wohnraum.    In  Mitteldeutsch- 

Weigand,  Deutsches  Wört€rbuch.    5.  Anfl. 


land  und  Westfalen.  Ahd.  chaftcere,  chaftere 
«Bienenkorb».  Nach  Ehrismann  Btr.  18,  228 
Lehnwort  aus  mlat.  capisteriuni  n.  «Mulde, 
Trog».  Unwahrscheinlich  wegen  der  heutigen 
Verbreitung.  Bei  Goethe  (an  Zelter  1,  252) 
das  Dim.  Käfterchen,  n. 

kahl,  adj.  (Komp.  kahler,  Sup.  kahlst): 
haar-,  federlos;  (bildlich)  unbewachsen,  leer. 
Bei  Luther  kalh,  bei  Maaler  und  Duez  kaal, 
mhd.  kal  (flekt.  kahver),  ahd.  chalo  (flekt. 
chalawer);  dazu  mnd.  kal,  mndl.  kael,  nndl. 
kaal,  ags.  calu,  engl,  callow,  entlehnt  schwed. 
kal.  Wohl  entlehnt  aus  dem  lat.  Adj,  calvus 
«haarlos»  Nach  andern  urverwandt  mit  abg. 
golü  «nackt,  bloß».  Vgl.  Zupitza  Gutt.  144. 
ABL.  Kahlheit,  f.,  im  15.  Jh.  kalheiti.  ZÜS, 
Kahlkopf,  m.,  bei  Luther  kalh-,  kalkopff. 

Kahm,  oberd.  und  md.  Kahn,  m.  (-es): 
Schimmel  auf  gegorner  Flüssigkeit.  Mhd. 
kän  m.,  im  15.  imd  16.  Jh.  auch  kön,  1432 
cham  Diefenb.  nov.  gl.  7*;  dazu  nndl.  kaam  f., 
ferner  Island,  kam  n.  «dünner  tJberzug  von 
Schmutz,  Staub,  Schleim»,  engl,  coom  «Ruß-, 
Kohlenstaub».  Dazu  vielleicht  auch  mhd. 
kadel  m.  «Ruß,  Schmutz».  ABL.  kahmicht, 
kahmig,  oberd.  und  md.  kahuig,  adj.: 
schimmelig.  Mhd.  kämig,  känig,  (Mone  Anz. 
7,  298)  camecht.    . 

Kahu,  m.  (-[e]s,  PL  Kähne) :  muldenartiges 
Wassei'fahrzeug,  Boot.  Mehr  in  Nord-  und 
im  östlichen  Mitteldeutschland.  Bei  Luther 
Kahn,  md.  auch  schwachflekt.Arawe  m.  (14.  Jh.); 
dazu  mnd.  im  13.  und  14.  Jh.  kane  m.,  ndl. 
kaant.  (woraus  afranz.  cawe  f.  «Schiff»,  nfranz. 
cane  f.  «Ente»),  anord.  kcena  f.  «Boot»,  schwed, 
kana  f.  und  däu.  kane  «Schlitten,  Schleife». 
(Nicht  verwandt  mit  Kanu  s.  d.). 

Kai,  m.  (Österreich,  und  bayr.  auch  noch 
Qnai),  (-s,  PI.  -s):  durch  Mauerwerk  usw. 
befestigtes  Ufer,  Hafendaram,  auch  die  daran 
liegende  Straße.  1664  bei  Duez  Kay  f.,  mnd. 
kaje  f.,  ndl.  kaai,  kaaj  f.,  bei  Kilian  kaeye, 
engl,  quay,  mengl.  kei,  (entlehnt  schwed,  kaj, 
^än.kai)  afranz.  ca?/e«Sandbank»,  nfranz.  quaim. 
«Damm»,  span.  cayos  PI.  «Sandbänke,  Riffe», 
wird  von  altir.  cai  «Weg,  Straße»  hergeleitet, 
was  unsicher  ist. 

Kaiser,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Fürst  der 
höchsten  Würde,  Mhd.  keiser,  ahd.  keisar, 
keisur  m.;  dazu  asächs.  kesar,  kesur,  afries. 
keiser,  ags.  cäsere,  got.  käisar  m.,  dem  ei 
für  ae  nach  zu  urteilen  im  Beginn  unserer 
Zeitrechnung  entlehnt  aus  dem  römischen 
Familiennamen  des  julischen  Geschlechts  und 

61 


963 


Kajüte 


Kalb 


964 


Titel  der  römischen  Imperatoi-en  Caesar, 
gr.  Kakap,  woher  auch  abg.  dsari,  cesari, 
russ.  car.  Die  Schreibung  ai  stammt  aus 
der  Kanzlei  der  Kaiser  Friedlich  III.  und 
Maximilian  I,  vgl.  Frankf.  Eeichskorresp.  2, 
135.  160.  232  vom  J.  1457  f.;  bei  Luther  und 
noch  bei  Aler  1727  Reiser.  ABL.  Kaiserin, 
f.,  mhd.  keiserinne,  im  12.  Jh.  keisertn,  ags. 
cäsern  f.  kaiserlich,  adj.,  mhd.  keiserlich, 
ahd.  keisur-,  cheisar-,  chaisarlih,  ags.  cäserlic. 
Kaiserling,  m,,  an  G-eruch,  Geschmack  und 
Farbenpracht  der  edelste  unter  den  eßbaren 
Schwämmen,  amanita  caesarea.  1540  bei 
Alberus  dict.  Dd  3*  keyserling.  Kaisertum, 
n.,  mhd.  keisertuom,  ahd.  cheisertuom  n. ;  dazu 
asächs.  kesurdöm,  ags.  cäserdöm  m.  ZUS. 
Kaiserkrone,  f.,  1581  bei  Fischart  Bienk. 
127^  Keyserskron;  Zwiebelgewächs  mit  einer 
Krone  glockenförmiger  hängender  Blüten, 
fritillaria  imperialis,  aus  Persien  stammend, 
1657  bei  Harsdörffer  Gespr.  2,  199  Kaisers 
Krone.  Kaiserreich,  n.,  mhd.  keyserriche  n. 
Kaiserschnitt,  m.:  Kreuzschnitt  in  die 
Seite  und  Gebärmutter  einer  Schwangern, 
um  das  Kind  herauszunehmen.  1789  in 
Stillings  häusl.  Leben  43.  Übersetzung  von 
Sectio  caesarea,  vgl.  Melber  (1482)  D  6*  Cesar 
keiser,  sie  dictus,  quod  ex  venire  matris  cesics. 

Kajüte,  in  Bayeni  und  Österreich  auch 
KajÜtte,  f.  (PI.  -w):  Schiffszimmer.  Im 
15.  Jh.  bei  Beheim  Kajüte  f.,  aufgenommen 
aus  mnd.  kaiute,  nd.  kajüte,  ndl.  kajuit, 
schwed.  kajuta,  franz.  cajute  f.  Dazu  auch 
afranz.  chahute,  cahuette,  nfranz.  cahute  f. 
«scBaracke»,  aus  denen  sich  erklärt  dän.kahyt, 
vläm.  bei  Binnaert  cahuyte,  cahute  «Kajüte». 
Die  Herkunft  ist  unbekannt.  Literatur  bei 
H.  Schröder  Streckformen  35. 

Kak,m.(-[e]s,  Pl.-e):  Schandpfahl,  Pranger. 
Li  Norddeutschland.  Md.  im  14.  Jh.  kak  m., 
aufgenommen  aus  mnd.  käk,  1420  ndrhein. 
kaeck  m.  (Diefenbach  gloss.  353^).  Der  urspr. 
Begriff  scheint  nach  der  pommerschen  Neben- 
bedeutung bei  Dähnert  212  «Stock,  Pfahl». 
Dazu  ndl.  kaak,  entlehnt  schwed.  käk,  dän. 
kag  «Schandpfahl».  Verwandt  sind  lit.zaginis 
m.  «Pfosten»,  zägre  f.  «Pflug»,  zagaras  m. 
«dürrer  Ast». 

Kakadu,  m.  {-s,  PI.  -s  und  -e):  der  ost- 
indische Schopfpapagei.  Ln  18.  Jh.  aus  ndl. 
kakketoe  f.,  von  dem  malayischen  Namen  käka- 
tilica,  der  den  Schrei  des  Vogels  nachahmt. 

Kakao,  m.  (-s) :  Frucht  des  Kakaobaumes. 
Aus    franz. -ital.-span.-port.  cacao,    das    auf 


gleichbed.  mexikanisch  cacao  zurückgeht.  Bei 
Seb.  Münster  Cosmogr.  1628  S.  1607   Cacao. 

Kake  (spr.  kek),  m.  (-5,  PI.  -s):  Ai't  Ge- 
bäck. Aus  engl,  cake  «Kuchen»,  das  viel- 
leicht dem  Nordischen  entstammt,  schwed. 
kaka  «flaches  Brot»,  dän.  kage,  im  Ablaut 
stehend  zu  d.  Kuchen. 

kakeln,  v.:  gackern;  schwatzen.  In  Nord- 
deutschland. In  eig.  Bed.  mnd.  kakelen,  dazu 
ndl.  kakelen,  bei  Kilian  kaeckelen,  engl,  cackle, 
schwed.  kackla,  dän.  kagle;  in  übertragner 
Bed.  bei  Luther  ..,  68''  Jen.,  1495  in  der 
Kölner  Gemma  •17'^  kakelen,  1477  clevisch 
gakelen.  Lautmalend.  ABL.  Kakelei,  f.: 
Geschwätz,  1588  bei  Ringwaldt  Eckart  K  3. 

Kakerlak,  m.  (-s,  -en,  PI.  wie  Gen.):  licht 
scheue  Schabe;  dann  auch  lichtscheuer  Mensch, 
Albino  (bei  Campe).  Ndl.  kakkerlak  m.  Mit 
dem  Tier  aus  Südamerika,  wo  man  kakerlakki 
sagt.  Als  Schimpfwort  nd.  schon  im  16.  Jh. 
bei  Soltau  Volksl.^  283. 

Kaktus,  m.  (Gen.  und  PI.  wie  Nom.  und 
PI.  Kakfeen):  Fackel-,  Rankendistel.  Aus 
Südamerika  stammend,  benannt  nach  gr.KciKToc 
f.  m.,  eine  stachlichte  Pflanze. 

Kaland,  m.  (-s,  PI.  -e):  Brüder-,  Ge- 
nossenschaft andächtiger  Personen.  Md.  im 
13.  Jh.  kalant  m.  (Konemann  94.  271.  617), 
afries.  kaiende  f.  Der  Name  daher,  daß  sich 
die  Biüderschaft  regelmäßig  am  ersten  Tage 
jedes  Monats  (lat.  calendae,  daher  ahd.  im 
11.  Jh.  kalend  «erster  Monatstag»,  s.  Kalender) 
zur  Fürsorge  für  Begräbnis  und  Seelenheil 
Verstorbner  und  zu  gemeinschaftlichem  Mahle 
zu  versammeln  pflegte,  welches  zum  üppigen 
Schmaus  gewordne  Mahl  selbst  md.  kalant, 
nd.  kaland  benannt  wurde,  daher  dann  Kaland 
überhaupt  s.  v.  a.  «üppiger  Schmaus»  und 
(bei  Stieler  1691)  «gesellschaftliche  Zusammen- 
kunft», kalendern  «schmausen  und  zechen» 
(bei  Frisch  1741  caländem). 

Kalauer,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  schlechter 
Witz.  Wahrscheinlich  in  Berlin  aus  franz. 
calemhour[g)  m.  «Wortwitz»  umgebildet,  das 
von  dem  deutschen  um  1500  erschienenen 
Schwankbuche  Philipp  Franckfürt-ers  zu  Wien 
«der  Pfaff  vom  Kaienberg»  herstammt.  Wohl 
mit  Anspielung  auf  Leder  und  auf  die  ge- 
ringere Sorte  Schuhe  und  Stiefel,  die  das 
Städtchen  Kalau  in  großer  Menge  nach  der 
13  Meilen  entfernten  Reichshauptstadt  liefert. 

Kalb,  n.  {-[e]s,  PI.  Kälher):  Junges  vom 
Rindvieh  und  Rotwild.  Mhd.  kal}),  ahd.  chalp 
n.;  dazu  anfränk.  cälf,  ndl.  kalf  n.,  ags.  cealf 


965 


Ealdauneu 


Kalfakter 


966 


n.  m.,  engl.calf,  anord.kalfr  m..,schyveä.kalf  m., 
dän.  kalv.  Xebst  mhd.  kilber e,  ahd.  chil- 
hurra  f.  «Mutterlamm»,  ags.  cilforlamh  n. 
«weibliches  Lamm»  wohl  ui"v erwandt  mit 
aind.  gärhJuis,  awest,  gardwa-  m.  «Mutter- 
leib, Leibesfrucht»,  und  vielleicht  auch  weiter 
zu  gl".  beXqpüc  f.  «Gebärmutter».  Doch  macht 
der  Guttural  Schwierigkeiten.  Oder  zai  gallo- 
lat.  galba  f.  «Schmerbauch».  Im  Germ,  finden 
wir  auch  die  Bedeutung  «Wade»,  anord.  kälfi 
m.,  engl,  calf,  anord.  kalfdböt  f.  «Lende». 
ABL.  Kalbe,  f.  (PL  -n):  junge  Kuh  bis 
zum  ersten  Kalben.  IMhd.  kalbe,  ahd.  kalba  f. 
«weibliches  Kalb»,  got.  kalbö  f.  «junge  Kuh». 
Auch  Kalbin  f.  bei  Stieler  1691,  im  Yoc.  opt. 
(Leipz.  1502)  Ff  5»  Kalben,  kalben,  v.: 
ein  Kalb  gebären,  mhd.  kalben;  dazu  ndl. 
kalven,  ags.  cealfian,  engl,  calve,  anord. 
kelfa.  kälbern,  v.:  springen  wie  die  Kälber, 
alberne  Possen  machen  (1528  bei  H.  Sachs 
kelbern,  ndl.  kalveren);  sich  erbrechen,  wohl 
mit  Anspielung  auf  das  ähnlich  klingende 
Blöken  der  Kälber  (1797  bei  Heynatz,  ndl. 
bei  Kilian  kalven).  kälbern,  adj.,  mhd. 
kelberm.  ZUS.  1)  mit  Kalb- :  Kalbfell,  n., 
mhd.  kalpvel;  bildlich  «Trommel»  1602  bei 
Kirchhof  Militaris  discipKna  209.  Kalb- 
fleisch, n.,  mhd.  kalpvleisch;  bildlich  von 
ungewitzigter  Jugend,  im  15.  Jh.  bei  Keisers- 
berg  (Euangelia  35).  2)  mit  dem  Gen,  Sg. 
Kalbs-:  Kalbsbraten,  m.,  1561  belMaaler. 
Kalbsbrust,  f.,  im  16.  Jh.  (Anz.  d.  Germ. 
Mas.  1860,  401).  Kalbsfuß,  m.,  mhd.  kalbs- 
fuo^  (Buch  V.  guter  Speise  27,  89).  Kalbs- 
gekröse,  n.,  im  lo.  Jh.  Kalbskroes  (Xürnb. 
Pol.-Ordn.  229).  Kalbskopf,  m.,  Anfang 
des  15.  Jh.  (Germania  28,  371).  3)  mit  dem 
Gen.  Plur.  Kälber- :  Kälberkem,  m.,  wilder 
Kerbel,  chaerophyllum  süvestre,  anthriscus 
silvestris,  auch  Kälberkropf  m.  genannt,  1540 
bei  Alberus  Dict.  DD  2*^  kelberkern,  im  15.  Jh. 
kelbkernen  (Mone  Anz.  8,  103,  40),  gleichsam 
Kernen  d.  i.  Getreide  der  Kälber,  weil  das 
Rindvieh  die  jungen  Blätter  frißt.  Umdeutung 
von  Kerbel  (s.  d.). 

Kaldännen,  PL:  die  Gedärme,  besonders 
die  eßbaren.  Schon  1616  bei  Henisch  nur 
der  PL  Caldau7ien;  der  Sing,  ist  unüblich, 
aber  md.  im  15,  Jh.  caldüne,  koldün  f.  (Diefenb. 
Gloss.  556°),  mnd.  kaldüne,  koldüne,  auch 
kallüne,  kolüne  (noch  md.  Kallaunen).  Ins 
Mhd.  aufgenommen  auch  kaltän.  Aus  dem 
gleichbed.  mlat.  calduna  f.,  woher  auch  afranz. 
chaiidun,  cauldun,  engl,  chawdron,  im  15.  Jh. 


chaudoun,  von  lat.  calidus,  cahhis  «warm», 
urspr.  wohl  «das  noch  dampfende  Eingeweide 
frisch  geschlachteter  Tiere».  Dem  Deutschen 
entlehnt  schwed.-dän.  kallun,  femer  tschech. 
kaldoun,  kaltoim,  poln.  kaldiin  m. 

Kaiebässe,  f.  (PL  -n):  Flaschenkürbis; 
Birnenart.  Über  gleichbed,  franz,  calebasse 
aus  span.  calabaza,  port.  cabaga,  einer  Ent- 
stellung von  lat.  Cucurbita  f.  «Kürbis».  1632 
bei  Kilian. 

Kalekut,  m.  (-s,  -en,  PL  -en),  auch 
KalekÜter,  m.  {-s,  PL  wie  Sg.) :  Truthahn. 
1558  bei  Heußlin  103  kalekuUisch  Hün,  1711 
bei  Rädlein  calekutischer  Hahn,  Calecutsch- 
Hahn,  bei  Voß  Idyll.  13,  125  im  PL  Kalkuten. 
Der  in  Nordamerika  einheimische  Vogel  wurde 
zuerst  von  den  Spaniern  1524  aus  Florida 
nach  Europa  gebracht  und,  da  Amerika  zu 
Anfang  des  16.  Jh.  noch  für  einen  Teil  In- 
diens gehalten  wurde,  nach  der  damals  be- 
kanntesten Handelsstadt  Vorderindiens  Calicut 
benannt,  iranz.  coq  d'Inde,  dindon,  ital.  gallo 
d'  India,  1715  bei  Amaranthes  Türckischer 
oder  Indianischer  Hahn,  engl.  Turkey  cock. 

Kalander,  m.  (-s,  PL  wie  Sg.)-.  Zeit- 
weiser durchs  Jahr.  1482  im  Voc.  theut.  p  S** 
kalender,  sonst  im  15.  Jh.  kolender,  collender, 
aus  den  gleichbed.  spätmlat.  calendarius  m., 
calendarium  n.,  einer  Ableitung  von  dem 
lat.  Plur.  calendae  «erster  Monatstag»,  dann 
«Monat».  Mhd.  hatte  man  die  Form  kalen- 
dencere,  md.  calendenär  m.  RA.  Kalender 
machen  «in  tiefen  Gedanken,  nachdenklich 
sein,  Grillen  fangen».     1664  bei  Duez. 

kalandern,  s.  Kaland. 

Kalesche,  f.  (PL  -n)-.  leichter  offner 
Reisewagen.  1636  bei  Möhner  54  (hgb.  v. " 
Czerny)  Calleche,  bei  Grimmeishausen  Simpl. 
2,  195  (Keller)  Calesch  f.,  301  m.,  1664  bei 
Duez  Cales  f.,  1734  bei  Steinbach  Kaiesse 
und  noch  bei  Goethe  31,  28  Calesse  f.  Aus 
dem  Slawischen,  tschech.  kolesa  (poln.  kolaska, 
niss.  koljdska)  f.  «Räderfuhrwerk»,  urspr. 
Plur.  von  kolo  f.  «Rad».  1604  bei  Colerus 
Hausb.  3,  109  ein  klein  Wegelein  mit  vier 
kleinen  Raden,  da  man  nur  ein  Pferd  vor- 
spannet, in  Polen  nennet  mans  eine  Kolesse. 
Aus  dem  Deutschen  franz.  caleche  f.,  ital. 
calesse,  calesso  m. 

Kalfakter,  m.  (-s,  PL  wie  Sg.) :  Schmeich- 
ler, Aushorcher,  eig.  Stubenheizer.  Im  16.  Jh. 
Calfactor,  von  Lehrern  wie  Schülern  zu 
allerlei  niedrigen  Diensten  gebrauchter  Ein- 
heizer  in   Schulen   (1524   bei  H.  Sachs   vier 

61* 


967 


kalfatern 


Kalmänser 


968 


Dialoge  24,  30  Calefador,  bei  Luther  Haus- 
postill 401  ^  Galfactor,  1572  bei  Fischart  Pract. 
Großm.  9  Kolfador),  aus  mlat.  calefador  m. 
(Warmmacher)  als  Wort  der  Kanzlei-  uiid 
Schulsprache.  ABL.  kalfäkteru,  v.:  an- 
bi'ingen;  den  Pudel  machen, 

kalfatern,  v.:  ein  Schiff  ausbessern,  es 
•wasserfest  machen.  1716  bei  Ludwig  cale- 
fatern,  aber  1709  bei  Hübner  Calfaterung. 
Niederdeutsch.  Ndl.  kalefateren,  kalfateren, 
von  franz.  calafater,  calfeutrer,  span.  cala- 
fatear,  ital.  calafatare,  vielleicht  aus  arab. 
qälafa,  qällafa  «ein  Schiff  verkitten». 

Kali,  n.  (-s):  ein  Salz.  Erst  im  19.  Jh. 
abstrahiert  aus  Alkali  (s.  d.). 

Kaliber,  n.  {-s,  PI.  vsie  Sg.):  Durch- 
messer des  Geschützrohrs;  Kugelmaß  nach 
Größe  und  Schwere;  Art,  Schlag.  Li  erster 
Bed.  1616  bei  Wallhausen  Kriegsmanual  108 
Calibei'  m.  Aus  franz.-prov.-span.  calibre, 
ital.  calihro  m.  «innrer  Durchmesser  einer 
(Geschütz-)  Röhi'e»,  neben  veraltetem  span. 
calibo  m.,  von  arab.  qälah  «Form,  Leisten». 

Kalif,  m.  (-en,  PI.  -en):  Nachfolger  (und 
Stellvertreter)  Mohammeds.  Mhd.  kalif  m., 
aus  arab.  chaltfa  «Nachfolger»,  als  Titel  des 
unmittelbaren  Nachfolgers  Muhammeds  Abu- 
beki',  von  chälafa  «nachfolgen». 

Kaliko,  m.  (-S,  PL  -s):  Baumwollen- 
gewebe. 1773  bei  Amaranthes^  Calicon.  Aus 
engl,  calico,  franz.  calicot  m.,  benannt  nach 
der  ostindischen  Stadt  Calicut  an  der  Mala- 
barküste,   woher  der  Zeugstoff  zuerst  kam. 

Kalk,  m.  (-es,  PL  -e):  Stein  aus  Calcium- 
oxyd,  der  gebrannt  wird  und  mit  Wasser 
begossen  zerfällt;  die  so  zerfallne  Masse. 
Mhd.  kalc,  ahd.  calc,  chalc  und  mit  regel- 
rechter Verschiebung  des  zweiten  c  chalch, 
chalh  m.  (daher  noch  md.  und  oberd.  Kalch, 
auch  bei  Goethe  Br.  4,  125,  126);  dazu  and. 
calc,  ndl.  kalk,  ags.  cealc  m.  (engl,  clialk 
«Kreide»).  Aus  lat.  calx  f.  (Gen.  calcis), 
das  zu  gr.  xäXiS  m.  f.  (Gen.  xö^ikoc)  «Kalk- 
stein» gehört.  ABL.  kalken,  V.:  mit  Kalk 
bearbeiten  oder  bestreichen,  mhd.  kelken, 
kelchen,  ahd.  im  Part.  Prät.  gichald,  gichalht; 
dazu  anord.  kalka.  kalkicht,  kalkig,  adj., 
1562  bei  Mathesius  Sarepta  49^  kalchicht, 
1691  bei  Stieler  kalkicht,  1741  bei  Frisch 
kalkig.  ZUS.  Kalkofen,  m.,  ahd.  chalhovan, 
mhd.  kalcoven.  Kalkspat,  m.  {-es,  PL  -e): 
kohlensaurer  Kalk,  1775  bei  Adelunsr. 

Kalkül,  m.  (-S,  PL-e):  Berechnung.  Im 
18.  Jh.  (Schiller  Wallenst.  Tod  4,  8),  von  lat. 


caleulus  m. «  Steinchen,  Eechenstein  eben».  1727 
bei  Hübner  (aus  der  Kaufmannssprache)  cal- 
eulus. Dazu  kalkulieren,  v. :  berechnen,  aus 
lat.  calculäre  «ausrechnen»,  eig.  mit  Rechen- 
steinchen,  franz.  calculer;  bei  H.  Sachs  Fastn. 
41,  188  calculirn. 

Kalle,  f.:  Liebste  (verächtlich),  im  19.  Jh. 
aus  dem  Judendeutsch,  von  hebr.  kallah 
«Braut,  Geliebte». 

Kalligraph,  m.  {-en,  PL  -en):  Schön- 
schi-eiber.  Im  18.  Jh.  Calligraph,  aus  gr. 
KaWrfpdqpoc  «schön  schreibend»,  von  KotXXoc  n. 
«Schönheit»  und  fpdcpeiv  «schreiben».  Dazu 
Kalligraphie,  f.:  Schönschreibekunst,  im 
18.  Jh.  Calligraphie ,  aus  gr.  KuXKifpacpia  f. 
«das  Schönschreiben,  schöne  Schrift»,  kalli- 
graphisch, adj.:  schön  geschrieben. 

Kalm,  m.  (bei  Stieler  1691;  -es,  PL  -e), 
und  auch  f.  (bei  Schottell663;  PL-ew,  Reisbuch 
des  heil.  Lands  1,  355  vom  J.  1562  Calnien): 
Windstille  zur  See,  Meeresstille;  PL  die 
Kalmen,  Gegend  der  Windstille  am  Äquator. 
Ein  nd.  Schifferausdruck,  dafür  ndl.  kalmte  f. 
Aus  franz.  calme  f.  «Windstille,  Ruhe»,  ital.- 
span.-port.  calma  f.  «Wind-,  Meeresstille»,  wie 
sie  bei  großer  Hitze  einzutreten  pflegt:  wohl 
von  gr.  Kaü|ia  n.  «Hitze». 

Kalmank,  m.  {-s,  PL  -«):  ein  mehr  ge- 
streiftes als  geblümtes  Wollenzeug.  1715  bei 
Amaranthes  Galanmnk.  Aus  engl,  calamanco, 
span.  calamaco,  franz.  calmande,  calemande, 
na..kalamink,  kalmink.  Unbekannter  Herkunft. 
ABL.  kalmanken,  adj.,  bei  Voß  Id.  16,  12. 

Kalmänser,  m.  (-s,  PL  wie  Sg.):  einsam 
in  Nachdenken  und  Giillenfang  für  sich 
Lebender,  Kopfhänger  (1691  bei  Stieler  Kai- 
rneuser):  Geizhals  (1734  bei  Steinbach  KaM- 
mäuser,  noch  bayr.  Kalniauser).  ürspr. 
armer  Schulmeister  (1571  bei  Rot  und  1583 
bei  Mathesius  Luther  136^  Galmeuser),  dann 
Schulfuchs,  Pedant  (1664  bei  Duez).  Unbe- 
kannter Herkunft.  Nach  H.  Schröder  Streck- 
formen 145,  wo  weitre  Literatoi-,  wäre  das 
Verb  kaimausern,  kalmüsem,  auch  klamüsern, 
z.  B.  ndd.  ütklamiisern  Streckform  zu  ndd. 
klüsern  «grübeln».  Aber  möglicherweise 
ein  Ausdruck  der  Studentensprache.  Man 
könnte  ein  calmusarius  von  lat.  calnius  m. 
«Halm»  voraussetzen.  ABL.  Kalmänserei, 
f.:  Kopfhängerei,  Grillenfiingerei  (Lessing  12, 
401);  Geiz  (1734  bei  Steinbach).  Urspr. 
Stand  und  Wesen  eines  armen  Schulmeisters, 
bei  Rot  1571'  (Calmeuserei ,  annethey  und 
fretterey),    dann   Schulfuchserei,   Pedanterie 


I 


969 


Kalmns 


Kamerad 


970 


(Dnez  1664).  kalmäusem,  v.:  stuben- 
hockend studieren,  Grillen  fangen  (1691  bei 
Stieler  kalmeusern),  urspr.  als  armer  Schul- 
meister leben  (1664  bei  Duez  calmensen  «mi- 
serum  scholasticum  agere,  continue  scribere 
et  studüs  ineumbere  in  der  statt  Tierunib 
gellen  die  kinder  in  den  Häusern  zu  lehren^, 
1618  bei  Schönsleder  calmeisen). 

£almn8,  m.  (Gen.  und  PI.  ebenso):  cala- 
mus  aromaticus,  ein  ge-würzhaftes  Schilfrohr, 
bes.  dessen  heilkräftige  Wurzel.  Im  15.  Jh. 
kalmus  (Diefenbach  Gloss.  688°),  mit  ge- 
schwächter Endung  Kalnies  (bei  Luther 
2.  Mos.  30,  23),  Kalins  (1734  bei  Steinbach), 
aus  lat.  calatyius,  gr.  KÖXaiaoc  m.  «Eohr,  Schilf». 

Kalosche,  s.  Galosche. 

Ealpak,  Eolpak,  m.  (-s,  PI.  -e  und  -s) : 
Hut,  Husarenmütze;  (im  deutschen  Heer) 
der  tuchene  Zipfel  an  der  Husarenmtitze. 
Neaire  Entlehnung  aus  t\JLrk.kalpak  «Mütze». 

kalt,  adj.  (Komp.  kälter,  Sup.  kältest): 
empfindlich  der  Wärme  ermangelnd.  Mhd. 
kalt,  ahd.  calt,  ehalt;  dazu  asächs.-afries.  cald, 
mnd.  kalt,  nd.  kold,  nmdl.  cout,  ags.  ceald, 
engl,  cold,  anord.  kaldr,  schwed.  kall,  dän.  kold, 
got.  kalds.  Eine  altertümliche  passiv.  Parti- 
zipialbildung  auf  -t  (entsprechend  lat.  -fus, 
aind.  -tas)  zu  anord.  kala,  ags.  calan  «frieren?, 
urverwandt  mit  lat.  geläre  «gefrieren»,  gelu 
n.  «Eiskälte,  Frost»,  gelidus  «eiskalt»,  gr. 
feXavbpöv  «kalt»  (Hesych),  lit.  gelmenis  m. 
«heftige  Kälte»,  abg.  goloti  m.  «Eis».  Vgl. 
küM.  ABL.  Kälte,  f.,  mhd.  kelte,  kalte, 
ahd.  chalti  f.;  dazu  afries.  kalde,  kelde,  mndl. 
c<nide  f.  kalten,  v. :  kalt  werden,  mhd.  kalten, 
ahd.  ehalten,  and.  kaXdon,  ags.  cealdian. 
kälten,  v.:  kalt  machen,  mhd.  kelten.  ZUS. 
kaltblütig,  adj.:  leidenschaftslos,  1724  im 
Hamburg.  Patriot  19,  3.  Kaltschale,  f. 
(PI.  -n) :  in  einer  Schale  aufgesetzte  kühlende 
Speise  aus  Bier  (oder  Wein,  Milch)  und  Brot, 
Semmel  usw.,  1660  bei  P.  Fleming  148,  31 
KaXte-Schale,  ndl.  1598  bei  Kilian  Äo?d€-scÄa€?. 
KaltSChmled,  m.  {-es,  PI.  -e):  Dengler  und 
Spengler,  der  ohne  Feuer  arbeitet,  Kessel- 
flicker. Mhd.  kaltstnit,  spätahd.  (11.  Jh.) 
chMtsmid  m.  Kaltsinn,  m.,  1691  bei  Stieler. 
kaltsinnig,  adj.,  1650  bei  Moscherosch, 
bei  Krämer  1678. 

Kamarilla,  f.  (PI.  Kamarillen):  einfluß- 
reiche Hofpartei.  Aus  gleichbed.  span.  cama- 
rüla  f.,  eig.  «besondres  Gemach  des  Königs» 
von  lat.  camara  f.  «Kammer».  Um  1820  auf- 
genommen.    Vgl.  ZfdW.  8,  10. 


Kamasche,  s.  Gamasche. 

Kambrik,  s.  Kammertuch. 

Kambüse,  f.  (PL  -«):  Schiff-sküche. 
Nebenform  von  Kahüse. 

Kam-ie,  f.  (dreisilbig,  PI.  -n):  Edelstein 
mit  erhaben  ausgeschnittnem  andersfarbigen 
Bildwerke.  Bei  Lessüig  8,  159  f.  und  Goethe 
44,  369  Camee  m.,  aus  gleichbed.  franz.  camee, 
ital.  cammeo,  mlat.  camoeus  m.,  neben  ft-anz. 
camoÄeu,  span.-port.  camafeo,  mlat.  camayx, 
caniahotus,  eamahutus  m.  «Sardonyx,  der  zu 
geschnittnen Steinen  verwendet  wurde»,  woher 
mhd.  gamahiu  m.  f.,  i.  J.  1410  gamehoe  Frankf. 
EeichsköiT.  1,  806,  gamehee  m.  Mone  Anzeiger 
4,  357,  im  16.  Jh.  bei  Paracelsas  Opera  2,  309 
Ganmhey  m.  «Kamee». 

Kam^l,  n.  {-s,  PI.  -e):  das  asiatisch-nord- 
afrikanische einhöckrige  Lasttier ;  (studentisch) 
keiner  Verbindrmg  angehöriger  Student  (seit 
etwa  1830).  Bei  Luther  Caniel,  Kamel  n., 
das  Weibchen  Cameli/i  f.,  entlehnt  aus  lat. 
camelus  m.,  während  das  auf  der  ersten  Sübe 
betonte  mhd.  kemel,  kemmel,  kenihel  m.,  md. 
auch  kamel,  kammel  m.,  in  den  Kreuzzügen 
aus  gr.  Kd^rjXoc  m.  f.  (bei  den  Byzantinern 
Kd|LiiXoc  gesprochen)  entlehnt  wurde.  Dies 
aus  dem  Orientalischen,  hebr.  gämäl,  arab. 
dzamal  «Kamel».  Ln  Ahd.  hieß  das  Tier 
olbanta  f.,  noch  mhd.  olbente,  olhende  f., 
olhent  m.,  asächs.  ol^bundeo  m.,  ags.  olfend  m., 
got.  ulhandus  f.,  urverwandt  mit  gr.  dXecpac  m. 
(Gen.  dXeqpavTOc)  «Elefant».  ZUS.  Kam^l- 
gam,  n.:  Garn  aus  dem  seidenartigen  Haare 
der  Angora-  oder  Kamelziege,  die  nach  ihrem 
langen  Halse  benannt  ist.  1775  bei  Adelung. 
Kam^lparder,  m.:  die  Girafi'e,  1571  bei 
Heyden  Plinius  127*  Gameelpart,  1482  im 
Voc.  theut.  q3*  kemelpard,  mhd.  kemelopart 
(Voc.  opt.  38,  18),  aus  gleichbed.  lat.  camelo- 
pardus,  -pardalus  m.  und  camelopardalis  f., 
gr.  Ka)ir|\oTrdpbaXic  f. 

Kamelie  (viei-silbig),  f.  (PI.  -n):  eine 
Pflanze,  von  Linne  nach  dem  Jesuiten  CameUi 
benannt,  der  die  Blume  aus  Japan  einführte. 

Kamelott,  m.  (-s) :  Zeugstoff  von  Kamel- 
haar. 1605  bei  Hulsius  Dict.  Camelot  und 
Schamlot,  mhd.  schamlät,  schamhlät,  im  15.  Jh. 
samelott  und  zamlott,  1564  in  den  Script,  rer. 
Siles.  4, 192  Tehamlot  m.,  aus  gleichbed.  franz. 
camelot  m.,  von  lat.  camelus  m.  «Kamel». 

Kamerad,  m.  (-en,  PI.  -en):  Stuben-, 
Mitgenosse,  zum  Umgang  Erkorner.  Bei 
Schiller  rhein.  Thalia  "^1 786  2,  40  und  bei 
Goethe  4,  169  noch  Kamerade,  bei  Lessing 


971 


Kameralist 


Kammer 


972 


1,  28  Kammerade,  dann  S.  521  f.  Kammerad 
(wohl  wegen  Kammer,  schon  1678  beilü-ämer 
Kamnierat,  1663  beiSchuppius816  Cammerad). 
Ndl.  1598  bei  Kilian  camerade,  bei  uns  im 
30jähi-igen  Kriege  dui'ch  die  Soldaten  in 
Übung  gekommen  (1639  bei  Zinkgref  Apophth. 

2,  81  Rott-  oder  Spießgesellen,  die  jetz  auf 
new-teutsch  Gamaraden  heissen,  vgl.  auch 
Lauremberg  3,  224),  aus  gleichbed.  franz. 
camarade  m.,  von  ital.  camerata,  span.-port. 
camarada  m.  «Genosse»  und  (ui-spr.)  «Gesell- 
schaft, Stubengenossenschaft».  Die  Kollektiv- 
bedeutung ging  also  hier  wie  bei  Fra^ien- 
zimmer  u.  Bursch  (s.  d.)  auf  die  Bedeuttmg  der 
einzelnen  Person  über.  ABL.  Kameradin,  f., 
1774  bei  Goethe  19, 11  Kameradin.  Kamerad- 
schaft, f.,  1678  bei  Krämer. 

Kameralist,  m.  {-en,  PI.  -en)-.  Staats- 
wirtschaftskundiger.  1813  bei  Campe,  Aus 
einem  nlat.  cameralista  m.,  von  einem  aus 
lat.  camer a  f.  «Kammer»  (s.  d.)  abgeleiteten 
Adj.  camer alis,  woher  auch  Kamer alwissen- 
schaft  f.,  die  von  der  Verwaltung  der  landes- 
herrlichen Einkünfte  handelt,  dann  s.  v.  a. 
Staatswirtschaftslehre  (1774  bei  Adelung), 
nlat,  camer alia  pl.,  mit  deutscher  Endung 
Kamerälien,  PI.  Schon  1703  im  Zeit.-Lex. 
Cameral- Sachen.  Die  Benennung  daher,  weil 
die  Finanzbehörden  früher  Kammern  hießen. 

Kamille,  f,  (PI.  -n):  die  Arzneipflanze 
chamomilla  mit  Teeblüten,  Mhd,  camille  und 
gamille  f.,  gekürzt  aus  mlat.  und  ital.  cama- 
milla,  camomilla  f.,  von  gr.-lat.  chamaemelon, 
gr.  xaf-ia'Mil^ov  n,  «Erdapfel»  (xa|uai  «an  der 
Erde»,  |Lif|\ov  n,  «Apfel»),  wegen  des  apfel- 
ähnlichen Geruches  der  Blüte  (Plinius). 

Kamin,  m.  und  n.  (-S,  PI.  -e):  Schorn- 
stein, Nebenschomstein ;  Stubenherd.  Mhd. 
kämm,  kemhi  m.,  aus  gi'.-lat.  cammus  m. 
«Feuerstätte,  Zimmerherd»,  gr.  Kdmvoc  f. 
«Schmelz-,  Brennofen»,  das  zu  abg.  kamy  m, 
«Stein»  gehört.  Vgl.  Hammer.  Ins  Lit.-Slaw. 
entlehnt  apreuß.  kamenis  «Feuermauer»,  Ht. 
käminas  m.  «Kamin»,  abg,  kamina  f.  «Ofen». 
Deutsch  im  15.  Jh.  auch  in  kemmich  (Voc, 
1482  q  2^),  kümich,  kömich,  kämet  umgebildet. 
ZUS.  Kaminfeger,  m,:  Essenkehrer,  früh 
im  17.  Jh,  (Scheible  Flieg.  Blätter  116),  dafür 
um  1557  kemmich  feger  (Peter  Lewe  454), 
1510  bei  Keisersberg  Has  im  Pfeffer  Aa7° 
kemmetfeger. 

KamisÖl,  n.  (-s,  PI,  -e):  ünterwaras, 
kurzes  Wams,  1643  im  Sprachverderber  32 
Camisol,    1664   bei   Duez    Camesol   n,,   aber 


auch  noch  1741  bei  Frisch  Gamisole  f.,  auf- 
genommen aus  franz.  camisole  f,  «Unterjacke», 
dies  entlehnt  aus  ital.  camiciola  f,,  von  ital. 
camicia,  span.-port.  und  prov.  camisa,  franz. 
chemise,  mlat.  cardisia  f.  «leinenes  Unter- 
kleid, Hemd  (s.  d.)». 

Kamm,  m.  (-[e]s,  PI.  Kämme):  Zinken- 
werkzeug zum  Reinigen,  Ordnen  und  Schmuck 
der  Haare;  (übertr.)  gezackter  roter  Fleisch- 
auswuchs auf  dem  Kopfe  des  Hühnerviehes, 
dann  obei'er  Hals,  Mähne  (schon  mhd,);  mit 
Rohrstäbchen  versehner  Weberrahmen  (bereits 
mhd,);  Weintraubenstiel  mit  den  Stielchen 
(spätmhd.  14.  Jb.);  gezackter  Grat  eines  Ge- 
birgszuges (1741  bei  Frisch),  In  urspr,  Bed, 
mhd.  kamp,  kam  m.  und  schwachflektiert 
kambe,  kämme  f.  m.,  ahd.  kamp  und  kamho 
m.;  dazu  and.-ags.  camh,  ndl.  kam,  engl,  comb, 
anord.  kambr,  schwed.-dän.  katn  m.  Eig. 
«gezahntes  Werkzeug»,  der  Lautverschiebung 
gemäß  stimmend  mit  gr.  yöfiqpoc  m,  «Zahn, 
Pflock»,  YO|nqpioc  m.  «Backzahn»,  (lit.  gemhe  f. 
«hölzerner  Pflock»?),  abg,  zc^hü  m,  «Zahn», 
Ht.  zambas  m.  «Balkenkante»,  alb.  dq.mp  m. 
«Zahn»,  sänd.  jamhJias  m,  «Fangzahn,  Rachen», 
jamhhäte  «er  schnappt  nach  etwas».  ABL. 
kämmen,  v,,  mhd,  kemhen,  kemmen,  ahd. 
chempen;  dazu  and,  kemhian,  mndl,  kemhen, 
ags,  cemhen,  engl,  comb,  anord,  kemba.  Davon 
Kämmer,  m,,  mhd.  kemmer  «Wollkämmer». 
ZTJS.  Kammgarn,  n.-.  Gam  aus  Wolle, 
die  durch  Kämmen  gereinigt  und  gelockert 
ist  {Kammivolle  f.  1808  bei  Campe),  erst  im 
19.  Jh.  (die  deutsche  Kammgai'n-Maschinen- 
spinnerei  wurde  1815 — 20  von  Weiß  in 
Langensalza  eingeführt).  Kammacher,  m,, 
clev,  1477  cam-meker,  kame-meker.  Kamm- 
rad, n,:  gezahntes  (also  kammartiges)  Rad, 
mhd,  kamprat  (noch  1678  bei  Krämer  und 
1711  bei  Rädlein  Kamprad),  im  15,  Jh,  kamrat, 
mndl,  camrat  n. 

Kammer,  f,  (PI.  -n):  wohnliche  Räum- 
lichkeit in  einem  Gebäude,  insofern  sie  zum 
Nebengebrauche,  wie  zum  Schlafen,  Aufbe- 
wahren u,  dgl.  dient  (bildlich  z,  B,  in  Herz- 
kammer, mhd,  des  herzen  kamer  Trist.  126, 34); 
Raiim  im  Geschütz  oder  Gewehr,  der  die 
Ladung  aufnimmt  (bereits  im  15.  Jh.,  damals 
ein  selbständiges  Stück,  das  geladen  ans  Ge- 
schützrohr befestigt  wurde);  (von  der  ahd, 
und  mhd.  Bed.  «Wohnung  des  Fürsten»  aus- 
gehend) Personal,  das  zur  nähern  Umgebung 
des  Fürsten  gehört  (im  18.  Jh.),  ferner  fürst- 
liche  Schatzkammer   (seit   13.  Jh.),    Fiskus, 


973 


Eammer 


Kampagne 


974 


öffentliclie  Kasse,  sowie  (fürstliche)  Gerichts- 
stube  (14.  Jh.),  Gericht,  endlich  Verwaltungs- 
behörde (bei  Stieler  1691),  einzelne  Abteilung 
einer  Behörde;  (nach  franz.  chanibre  f.  im 
19.  Jh.)  Körperschaft  der  Landes-  oder  Volks- 
vertretong.  Mhd.  kamere,  kamer  f.  «Gemach, 
Schatzkammer,  öiFentliche  Kasse,  Kammergut, 
fürstliche  Wohnung»,  ahd.  camara,  cJiamwa  f. 
«Gemach,  Palast»;  dazu  and.  kamera,  mnd. 
camer e  t  Aus  lat.  camara,  camera,  gr. 
Kandpa  f.  «Gewölbe,  gewölbter  Raum»,  wo- 
her auch  span.-port.  camara,  ital.  camera, 
franz.  cliamhre  f.  (daraus  engl,  chamher),  serb. 
camra,  russ.  kämora.  ABL.  Känunerei,  f.: 
Behörde,  die  die  offentl.  Einkünfte  verwaltet, 
Schatzamt,  1691  bei  Stieler.  Kämmerer, 
m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Kammerhen-,  Schatz- 
meister, mhd.  kamenere,  kamere)*  ahd.  cha- 
maräri,  cameräri  m.  «höherer  Hofbeamter, 
Aufseher  -über  das  Schlafgemach,  über  die 
Schatzkammer,  Kleider,  Waffen»,  aus  mlat. 
carnararius,  camerarius  m.  Vereinzelt  bei 
Goethe  1,  308  für  das  ital.  cameriere  m. 
«Diener  im  Gasthof».  Kämmererin,  ge- 
kürzt Kämmerin  f.  (PI.  -nen),  mhd.  kamercB- 
rinne,  gekürzt  kanierinne,  md.auchÄrawimerere, 
kemmerere  und  kamerle.  kemerle  f.  «Kammer- 
frau, Hofmeisterin».  Kämmerling,  m. 
(-S,  PI.  -e):  Kammerherr,  Kammerdiener, 
mhd.  kemerlinc,  ahd.  cliamarling,  davon  mlat. 
camerlingus,  camerlengus,  ital.  caniarlingo, 
span.  camarlengo,  franz.  chamhellan  m.  ZTJS. 
Kammerdiener,  m.,  bei  Luther  (Judith 
12,  6);  übertragen,  leicht  bewegliches  Tisch- 
chen in  der  Schlafkammer,  im  19.  Jahrb. 
Kammerfrau,  f.:  oberste  Dienerin,  ux-spr. 
des  Schlafgemaches,  im  15.  Jh.  kammerfrowe  f. 
(altd.  Blätter  1,  303).  Kammergericht,  n.: 
oberstes  Gericht,  urspr.in  des  Fürsten  ^rt»imer, 
im  15.  Jh.  kamergericht.  Kammergut,  n. 
(-[ej-s,  V\.  Kammer  guter):  Gut  des  Fürsten  als 
Landesherm,  Domäne,  im  15.  Jh.  kamergut. 
Kammerherr,  m.,  1482  im  Voc.  theut.  q  i* 
kamerher  m.  «oberster Kämmerer».  Kammer- 
jäger, m.:  (vornehm  verhüllend  für)  Ratten- 
und  Mäusefänger  (eig.  füi-stlicher  Leibjäger), 
bei  Hagedom  neue  Fab.  90,  nd,  bereits  im 
17.  Jh.  bei  dem  darüber  spottenden  Laurem- 
berg3,449  kamer jeger.  Kammerjungfer,  f.: 
Dienerin  im  Schlafgemach,  1691  bei  Stieler, 
urspr.  Edelfräulein  im  persönlichen  Dienste  der 
Füi-stin,  so  1664  bei  Vinf^z  Kammer -Jung  fr  auw, 
ndrhein.  im  15.  Jh.  kamerjonffer  (Frommann 
Ztschr.  2,  441  a).     Kammerjunker,   m.: 


junger  Edelmann  im  Hofdienst  um  die  Person 
des  Fürsten,   1639  bei  Zincgref  Apophth.  1, 

106.  Kammerkätzchen,  n.:  (neckend  füi-) 

Kammerjiingfer,  1670  bei  Grimmeishausen 
Spiinginsfeld  Cap.  1  Cammerkätzgen;  aber 
ndL  1598  bei  Kiüan  kamerkatte  f.  «concubina 
quam  amator  sibi  soli  servat  cellae  inclusam». 
Kammerknecht,  m.,  mhd.  kamerkneht 
«niedrer  Hofdiener»,  aber  auch  «Leibeigner 
der  kaiserhchen  Kammer,  Jude».  Kammer- 
lauge,f.:  Lauge  aus  dem  Kammertopf,  Urin,  im 

15.  Jh.  (Fastnachtsp.  92,  7).  Kammermagd, 

f.:  Kammermädchen,  m-spr.  bei  Hofe,  1654 
bei  Logau  1,  8,  80,  nd.  1417  bei  Diefenbach 
nov.  gloss.  122*  kamermaghet.  Kammer- 
musik, f.:  Musik  für  kleinre  Räume,  urspr. 
Mnsik  in  den  füi'stlichen  Gemächern,  so  1629 
(Anz.  d.  Germ.  Museums  1859, 10).  Kammer- 
präsident, m.:  Vorsitzender  einer  fürstlichen 
Finanzkammer  (1678  bei  Krämer  Camm.er- 
President),  im  19.  Jh.  auch  einer  Stände- 
kammer. Kammerrat,  m. :  Finanzrat,  1678 
bei  Krämer.  Kammerton,  m.:  die  gewöhn- 
liche Stimmung  der  Orchesterinstrumente, 
zum  Unterschied  vom  Chorton,  dem  Tone 
der  (frühem)  Orgeln.  1727  bei  Hübner 
Kammerthon  hat  den  Namen  von  großer 
Herren   Kammermusic. 

Kammacher,  s.  Kamm. 

Kammertuch,  n.  i-es)-.  sehr  feine  Lein- 
wand, in  der  Rostocker  Ivleiderordn.  von  1585 
S.  19  Cammertuch,  1664  bei  Duez  Kammer- 
tuch «toüle  de  Cambray»,  1678  bei  Krämer 
Cammerichstuch  oder  Cammerleimvat ,  ndl. 
kamerijksdoek.  Von  der  Fabrikstadt  Camhrai 
im  französischen  Flandern,  vläm.  Kamerijk, 
spätahd.  Kamercha,  zur  Römerzeit  Camara- 
cum.  Daher  im  19.  Jh.  als  Nachahmung  der 
feinen  Leinwand  Kambrik  m.(-s) :  feines  baum- 
wollenes Gewebe,  Batist. 

Kammgarn,  Kammrad,  s.  Kamm. 

Kamp,  m.  (-[e]s,  PI.  Kämpe):  mit  Zaun 
oder  Graben  eingefaßtes  Feldstück.  In  Nieder- 
deutschland. Doch  auch  spätmhd.  kamp  m. 
(14.  Jh.),  in  der  Straßburger  Gemma  1508  t  4^ 
ein  pflantzt  velt  oder  ein  kamp.  Von  lat. 
Campus m.  «Feld»,  im  Mlat.  auch  «Feldstück». 

Kampagne,  f.  (PI.  -n):  Feldzug;  Dauer 
einer  Betriebsperiode  (in  neurer  Zeit).  Das 
franz.  campagne  f.  «freies  Feld»,  dann  «Feld- 
zug», das  zurückgeht  auf  lat.  ca»ipa«üt  «offne 
Fläche,  Flachland»,  eig.  N.  PI.  eines  Adj. 
]  campanius,  von  campus  m.  «Feld».  Zur  Zeit 
des  30jährigen  Kriegs  entlehnt  (Simpl.  323). 


975 


Kämpe 


Kandel 


976 


^Kämpe,  m.  (-n,  PL  -n):  Kämpfer,  Held. 
Bei  Frisch  1741  als  alt  bezeichnet,  aber  von 
Mylius  (1777),  Voß,  Pfeffel  (1783)  erneuert. 
Mnd.  kenipe,  kampe  m.  «Kämpfer,  Krieger», 
bes.  «Zweikämpfer  im  gerichtlichen  Kampf,  den 
man  für  Geld  dazu  mietete»,  auch  md.  kempe, 
ags.  cempa,  afries.  kampa,  kenipa  m.,  anord. 
kempa  f.  imd  kappi  m.  Dafür  mit  Lautver- 
schiebung mhd.  kempfe,  ahd.  chemphjo,  kempfo 
m.  «Zweikämpf er,  Kunstfechter,  Krieger», 
mlat.  (um  600)  campio,  daher  ital.  campione, 
Span,  campeon,  franz.  Champion  m.  «Kampf- 
held».    Zu  lat,  Campus  (s.  Kampf). 

'^ Kämpe,  m.  (-w,  PI.  -n):  zahmer  Eber, 
Zuchteber  (bei  Klamer  Schmidt  kom.  Dicht. 
263  Kempe).  Nd.  im  16.  Jh.  kempe  m.,  im 
engl.  Suifolk-Dialekt  kemp  «Kämpfer,  Eber». 
Wohl,  wenn  man  die  bekannte,  z.  B.  in  Lam- 
prechts Alex.  4505,  im  Lanzelot  3546  hervor- 
gehobne Kampflust  des  wilden  Ebers  erwägt, 
aus  dem  vor.  Wort  hervorgegangen. 

kampeln,  v.  refl.:  sich  hin  und  her  zanken, 
sich  balgen.  Md.,  auch  norddeutsch  1657  in 
Schochs  Studentenleben  A6^  sich  herumh 
kampeln,  mrhein.  kampeln-,  dazu  northum- 
brisch  campte  «hin  und  her  streiten».  Das 
Verbum  scheint  abgel.  von  spätmhd.  (15.  Jh.) 
kempel  m.  «Streitigkeit  Zank»,  ürspr.  wohl 
eins  mit  kabbeln  (s.  d.),  aber  an  Kampf, 
Kämpe  angelehnt.  Davon  Kampelei,  f.: 
Hin-  und  Hergezänk e,  1775  bei  Adelung. 

Kampf,  m.  (-[e]s,  PI.  Kämpfe) :  feindlicher 
Gebrauch  der  Waffen  oder  Kräfte  gegenein- 
ander, dann  überhaupt  gegen  einen  Wider- 
stand. Mhd.  kämpf,  ahd.  camph  m.  Zwei- 
kampf; dazu  mnd.  kamp  m.  n.,  nnd.  kamp, 
ags.  und  mengl.  camp,  afries.  kamp  m.,  ui'spr, 
«der  fechtkunstgemäße  Zweikampf».  Auf- 
genommen aus  lat.  Campus  m.  «Feld»,  dann 
(nach  dem  campus  Martins  in  Rom,  Mainz, 
Trier  usw.)  «Tummelplatz,  Kampfplatz»,  im 
Mlat.  auch  «Zweikampf»,  besonders  der  ge- 
richtliche. ABL.  kämpfen,  v.,  mhd.kempfen, 
ahd.  (nicht  häufig)  chamfan,  chemfan  «einen 
Zweikampf  bestehn»;  dazu  mnd.  und  md. 
kempen,  ags.  campian.  Kämpfer,  m.  (-s, 
PL  wie  Sg.),  spätmhd.  kempfer,  dafür  ge- 
bräuchlicher kempfe  (s.  Kämpe). 

Kampfer,  m.  (-s):  das  destillierte  weiße 
starkriechende  Harz  des  ostasiatisch.  Kampfer- 
lorbeerbaums. Mhd.  (13.  Jahrh.)  gaff  er  und 
campher,  1556  bei  P\-isius  Gampher,  1565  bei 
Paracelsus  Wundartzney  104  Ganffer,  1616  bei 
Henisch  Gapher,  noch  bayr.  Gaffer,  Schweiz. 


Gamfer,  aus  mlat.  cafura  und  camphora, 
neugr.  Kaqpoupd,  ital.  cafura  und  canfora,  span. 
alcanfor,  vom  gleichbed.  arab.  und  pers.  käfür, 
ind.  kanpüra,  kapUr. 

^Kämpfer,  s.  Kampf 

^Kämpfer,  m.  {-s,  PL  wie  Sg.):  Kragstein 
(s.  d.),  Balkenkopf;  Oberschwelle  über  dem 
Türpfosten;  Querbalken  beim  Fensterkreuz. 
Seit  dem  18.  Jh.  umgebildet  aus  Käpfer,  mhd. 
kepfer  (13.  Jh.,  bei  Graff  4,  869).  Dazu  mndL 
keper.  Vermutlich  lat.  Ursprungs,  vgl.  lat. 
capreolus  m.  «hervorragender  Strebe-,  Stütz- 
balken», eig.  «Böckchen»,  zu  lat.  caper  m. 
«Ziegenbock». 

kampieren,  v..-  zu  Felde  liegen,  sich  im 
Felde  lagern.  Aus  dem  gleichbed.  franz. 
camper,  von  camp  m.  «Feldlager»,  aus  lat. 
dimpus  m.  «Feld».  1617  im  teutschen  Michel  8. 

Kanal,  m.  (-s,  PL  Kanäle) :  Wassergraben, 
Kunstfluß.  Schon  md.  im  13.  Jh.  kanäl  m., 
eig.  «Röhre,  Rinne».  Wie  ital.  canale  m. 
(woher  franz.  canal  m.)  aus  lat.  canälis  m. 
«Wasserrinne»,  woher  auch  ahd.  känali,  mhd. 
kanel,  kenel,  kener,  noch  Schweiz.  Kännel,  tirol. 
Kännel,  schwäb.  Känner  m.  «Rinne,  Gosse». 

Kanapee,  n.  (-s,  Pl.-s,  bei  Wieland  Mask.): 
Polsterbank  zum  Widerlehnen  und  Ruhen. 
In  einem  Lied  vom  Anfang  des  18.  Jh.  bei 
Erk  Volksl.  1, 48  Kanapee,  entlehnt  aus  gleich- 
bed. franz.  cayiape,  ital.  canope  m.,  dies  aus 
mlat*.  canapeum,  lat.  cönöpeum  n.  «Mücken- 
netz, Himmelbett»,  gr.  Kujvujireiov  n.  «Mücken- 
netz», dann  «ein  nach  ägyptischer  Weise  mit 
einem  solchen  Netze  versehnes  Ruhebett», 
von  gr.  Kd)viu\\i  m.  f.  «Stechmücke». 

Kanarienvogel,  m.  (-s,  PL  -vögel):  der 

zahme,  gelbe,  von  den  kanarischen  Liseln 
stammende  Singvogel.  1603  bei  Schwenck- 
feld  Theriotroph.  298  Canarienvogel,  1612  bei 
F.  Platter  344  Canarienvögelin,  1616  bei  He- 
nisch auch  Canarienzeißle ,  schon  1555  bei 
Geßner  canaria  avicula  2hickervögele,  span.- 
port.  canario  m. 

Kanaster,  s.  Knaster. 

Kandare,  f.  (PL  -n):  die  Gebißstange 
an  den  Pferdezügeln.  Im  19.  Jh.  aus  dem 
Ungarischen  (kantär  «Zaun,  Zügel»)  entlehnt 
(1839  bei  Immermann  Münchh.  4,  144  das 
abgeleitete  Zeitwort  abkandaren  «die  Kandare 
abnehmen»). 

^  Kandel,  f.  (PL  -w) :  Kanne.  Oberdeutsch. 
Ältemhd.  und  ^pätmbd.  (15.  Jh.)  kandel  f.,  mit 
naturgemäß  eintretendem  d  aus  ahd.  chanala, 
mhd.  chanele,  kanel,  kanl  f.  «Kanne»  (s.  d.). 


977 


Kandel 


Kanker 


978 


-Kandel,  auch  Kännel,  f.  (PI  -w) :  Rinne, 
Dachrinne,  '^hd. Kanel,  Kenel,  Kandel,  Kaner, 
Kener  m.  «Rinne,  Röhret,  ahd.  chdnali  m.  ans 
lat.  canälis,  s.  Kanal. 

Kandelaber,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  hoher 
Armleuchter.  Bei  Campe  1813  CandeJaher. 
Aus  franz.  candelahre  m.  «Armleuchter,  großer 
Ki'onleuchter»,  von  Iskt.  candelähT^m  n.  «Leuch- 
ter», zu  lat.  candela  f.  «Kerze». 

kandeln,  v.:  linnen  ^vie  aus  einer  Röhre 
oder  Rinne.  Bei  Maler  Müller  1,  304  aus 
der  rheinpfälz.  Volkssprache,  1540  bei  Alberus 
kennein  «tröpfeln  wie  der  Regen  aus  der  Dach- 
lönne»,  so  noch  rhein.  neben  handeln  «eine 
Rinne  bilden»,  s.  -Kandel. 

Kandelzncker,  m,  (s):  gereinigter,  kri- 
stallisierter Zucker.  1664  bei  Duez  Kandel- 
zucker,  Kandizucker,  Zuckerkandi,  1575  bei 
Fischart  Gai-g.  298  ^uckerkandel,  nach  mlat. 
sucad-,  suzcercandi  und  bloß  candi  (Diefenb. 
Gl.  564^),  franz.  stiere  candi  oder  bloß  candi 
m.,  ital.  candi  m.,  von  arab.-pers.  qand,  qandid 
«verdickter  ZuckeiTohrsaft,  Kandiszucker», 
aind.  khanda-  m.  n.  «Stück,  Zucker  in  kri- 
stallartigen Stücken». 

Kandidat,  m.  {-en,  PI.  -en):  (geprüfter) 
Amtsbewerber.  1663  bei  Schuppius  467  Candi- 
dat,  aus  lat.  candüläüis  «Weißgekleideter», 
denn  wer  sich  im  alten  Rom  um  ein  Amt 
bewarb,  erschien  im  weißen  Oberkleide,  der 
toga  Candida  (das  lat.  Adj.  candidus  «weiß»). 

kandieren,  v.:  überzuckern;  zu  Kristall 
sich  ansetzen.  1678  bei  Krämer  kandiren 
«mit  Zucker  überziehen»,  aus  gleichbed.  franz. 
candir  (auch  refl.  «sich  kristallisieren»),  ital. 
candire,  von  arab.-pers.  qayid,  s.  Kandelzncker. 

Kandis,  m. :  kristallisierter  Zucker,  siehe 
Kandelzncker.   Bei  Campe  1813  Candiszucker. 

Kaneel,  Kanel,  (so  in  Bayern)  m.  (-5, 
PI.  -e):  Zimtrinde.  Spätmhd,  kanel,  1534 
bei  Seb.  Franck  Weltb.  204^  Caneü,  1425 
nä.caneel  m.  (Diefenbach  Gloss.  119°),  mndl. 
caneel,  ndl.  kaneel  f.,  aus  fi-anz.  gleichbed. 
canelle,  mlat.  canella  f.,  von  franz.  cane,  lat. 
canna  f.  «Rohr,  Schilf»,  weil  sich  die  Zimt- 
rinde rohrartig  rollt. 

Kaneyas  (spr.  kanewa),  m.  (Gen.  u.  PI. 
wie  Xom.  öder  Gen.  -vasses,  PI.  Kanevasse): 
gestreiftes  Leinen-  od.  Baumwollenzeug;  klein- 
gegittei'te  Leinwand.  1646  bei  Moscherosch 
Philander  1,  64  Canafas,  1678  bei  Krämer 
Cannefas,  1715  bei  Amaranthes  Canevas  (aber 
schon  mnd.  im  14.  Jh.  kanives  «grobe  Lein- 
wand aus  Hanf»),  aus  franz.  canevas,  ital. 
Weigand,  Deutsches  Wört«rbuch.    xAufl. 


canavaccio  m.,  von  mlat.  canavaciiim  n.  «grobe 
Leinwand»,  zu  mlat.  canava  f.  «Hanl'»  (s.  d.). 

Kängnruh,  n.  {-s,  PI.  -s):  der  große 
australische  Beutelspringhase,  1770  vom  Welt- 
umsegler  Cook  in  Xeusüdwales  entdeckt  und 
mit  dem  Namen  der  Xeuholländer  für  alle 
Vierfüßler  Kängnru  belegt.  1793  bei  Nem- 
nich  Polyglott.-Lex.  1,  1412;  3,  285. 

Kaninchen,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Erd- 
höhlenhase. Bei  Luther  Caninich.en,  Kani- 
nicken,  md.  1517  bei  Trochus  H2b  caninchen, 
mnd.  konineken  n.,  Dim.  von  md.  canyn, 
canyne  (Diefenbach  gl.  162°  aus  dem  15.  Jh.), 
1595  bei  Rollenhagen  Froschm.  1.  2,  6,79  Kanin 
n.,  clev.  1477  canyn,  mndl.  cu7ivi  (Diutiska 
2,  210*  aus  dem  14.  Jh.),  ndl.  kmijn  n.,  aus 
afranz.  connin,  connil,  ital.  coniglio,  span. 
conejo  m.,  von  gleichbed.  lat.  (urspr.  wohl 
iberischem)  cuniadus  m.  (vgl.  Walde);  woher 
auch  mhd.  küneclin,  küngel  n.,  Anfang  des 
15.  Jh.  chunigel  (Diefenbach  gl.  162°;,  1468 
künlin  (Diefenbach  gl.  nov.  124^),  1561  bei 
Maaler  Kungele,  Künele,  1537  bei  Dasypo- 
dius  276  <^  künelle,  külle,  1539  bei  Serranus 
dict.  fS*  königle,  noch  bayr.-östr.  Königl, 
Könighase,  Schweiz.  Kiillhase,  ei-zgebirg.  Kuh- 
hase; im  östlichen  ^litteldeutschlaud  1729  bei 
Picander  2,  231  Canickelgen,  1711  bei  Räd- 
lein Kanickligen,  um  1700  bei  Chr.  Weise 
(Wackernagels  Leseb.  3,  1,  851)  Carnickelgen, 
heute  in  Norddeutschland  Karnickel  n. 

^Kanker,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  (lang 
beinige)  Spinne;  Spinnewebe,  Li  Mittel 
deutsehland  und  Westfalen.  Md.  1517  bei 
Trochus  H6^  spinne  oder  kanker,  im  14.  Jh. 
kanker  (Hermann  von  Fritzlar  in  Myst,  1 
188,  8).  Nicht  aus  lat.  Cancer  m,  «Krebs», 
sondern  germanischen  Ursprungs,  denn  nord 
fries.  kunker,  in  schwed.  Mundarten  kangro  m. 
norw.  kangro,  känglo  f.,  Island,  köngullö  f. 
anord.  köngurväfa,  köngulväfa  f.  «Spinne» 
ags.  gangel-,  gongehvcefre,  gange-,  gongewifre  f. 
(umgedeutet)  «im  Gehen  webende  Spinne» 
Zugrunde  liegt  ein  Stamm  hang  oder  kank 
«weben»,  wozu  auch  Kunkel,  der  erhalten  ist 
in  den  entlehnten  finnisch  kankuri,  estnisch 
kangur,  kangro  «Webej»,  finn.-estn.  kangas 
«Gewebe». 

^Kanker,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Krebs- 
schaden an  Pflanzen  (Wieland,  Adelung). 
Md.  Cancer  m.  «Krebskrankheit»  (Köpkes 
Passional  504,  8),  ebenso  ahd.  cancher,  cancur, 
ags.  Cancer,  engl,  canker.  Entlehnt  aus  lat. 
Cancer  m.   «Bo-ebs»,    dann    «geschwürartige, 

62 


979 


Kanne 


Kanonier 


980 


um  sich  fressende  Krankheit»,  kaum  aber 
urverwandt  mit  gr,  Y^TTPOC  m,  «Knorren  an 
Bäumen»,  YdTYPaiva  f.  «krebsartiges  Ge- 
schwüi-»  trotz  Kluge  KZ.  26,  86  u.  a. 

Kanne,  f.  (PI.  -n) :  hohles  Gefäß  zu  Flüssig- 
keiten ;  (veralt.)  Maß  für  Flüssigkeiten,  Hülsen- 
früchte, Butter.  Mhd.  kanne,  ahd.  channa  f.; 
dazu  mnd.-mndl.  kanne,  ags.  ca^me,  engl,  can, 
anord.-schwed.  kanna  f.,  dän.  kande.  Daneben 
älternhd.  Kante,  Kande  f.,  noch  schweiz.- 
elsäss.  kante  f.,  mhd.kante,  ahd.chanta  (10.  Jh.), 
canada  (742),  auch  canneta,  später  kannite  f. 
Vielleicht  echt  germanisch  und  mit  Kahn 
verwandt.  Dazu  dann  mii\  gann  «Kanne». 
ZUS.  Kannenbäcker,  m.:  Töpfer,  der 
Kannen  fertigt.  Im  nassauischen  Westerwald 
das  nach  seiner  Tonwarenindustrie  benannte 
Kannebeckerland.  Kannegießer,  m.,  mhd. 
kannen-,  kanneJgieger,  mnd.  kannengeter  m.; 
Kannegießer  in  der  Bed.  «über  Staats-,  über- 
haupt öfiPentliche  Angelegenheiten  nach  seinem 
Verstände  Schwatzender»  erst  im  18.  Jh.  (Ra- 
bener  6,  265  vom  J.  1760  politischer  Kannen- 
gießer) -nach  dem  1742  erschienenen  Lustspiel 
der  Politische  Kanngießer,  unter  welchem  Titel 
Detharding  zu  Altona  ein  1722  zum  ersten- 
mal gespieltes  Stück  des  Dänen  Holberg  über- 
setzte, in  dem  ein  pohtisierender  Zinngießer 
die  Hauptperson  ist.  Davon  kannegießern, 
V.:  politisierend  schwätzen,  1780  bei  Goethe 
Briefe  i,  215.  Kannenkraut,  n.,  lat.  equi- 
setum,  1561  bei  Maaier  Kantenkraut,  im  15.  Jh. 
kafidelkrut  (Voc.  ine.  teut.  m  7  ^),  so  benannt, 
weil  es  zum  Blankscheuern  der  zinnernen 
Kannen  gebraucht  wird. 

Kännel,  s.  Kandel.  ABL.  kannelieren, 
V.:  mit  Rinnen  oder  Riefen  versehen.  1791 
bei  Roth  canelierte  Säulen. 

Kännel,  s.  Kanal. 

Kannibale,  m.  (-%,  PI.  -%):  Menschen- 
fresser; wilder  grausamer  Mensch.  1534  bei 
Seb.  Franck  Weltb.  224  ^  der  PI.  Ganibalen, 
aus  span.  Canibal  m.,  umgebildet  aus  Garibal, 
Caribe,  bei  den  Franzosen  Galibi,  dem  ein- 
heimischen Namen  der  menschenfressenden 
Karaiben  auf  den  kleinen  Antillen;  als  Wohn- 
sitz dieser  Menschenfresser  beschr.  S.  Franck 
221^  die  Insel  Canibali,  jetzt  Dominica.  Noch 
1628  bei  Münster  Cosmogr.  S.  1723  Carihes 
oder  Ganibales.  ABL.  kannibä^lisch,  adj.: 
höchst  roh  und  grausam.  1575  bei  Fischart 
Garg.  68  canibalisch,  Flöhh.  3546  caniblisch. 

KannichtS,  m.  (unflekt.):  Nichtswissen- 
der, Nichtsvermögender.   1669  bei  Grimmeis- 


hausen Simpl.  1, 407  (Kz.)  Kannix,  bei  Luther 
Tischr.  194^  Kan  nicht.  Zusammengefügt 
aus  (er)  kann  nichts. 

Kanoe,  s.  Kanu. 

Kanon,  m.  {-s,  PI.  -s):  Maßstab,  Richt- 
schnur, Vorschrift;  Kirchengesetz;  (römisch- 
katholische) Litanei  der  Heiligen;  Kettenge- 
sang (von  den  Kontrapunktisten  des  16.  Jh. 
Canon  d.i.  «Richtschnur,  Vorschrift»  genannt). 
Aus  gr.-lat.  canon  m.  «Regel,  Richtschnur, 
Verzeichnis  maßgebender  religiöser  Schriften», 
gr.  KaviJüv  m.  «gerade  Stange,  Stab,  Maßstab, 
Norm,  Muster,  kirchliche  Bücher  der  Glaubens- 
regel, Monochord  (ein  einsaitiger  Tonmesser), 
kirchliches  Lied  außer  den  Psalmen». 

Kanonade,  f.  (PI.  -n):  wiederholtes 
Schießen  mit  Kanonen,  1648  bei  Kemnitz 
schwed.  Krieg  1,  308^  Canonade,  aus  gleich- 
bed.  franz.  canonnade  f. 

Kanone,  f.  (PI.  -n):  grobes  Geschütz 
mit  längerm  Rohr.  1558  bei  Rivius  Büxen- 
meisterey  33^  ein  Canon  oder  Karthaunen, 
so  20  pfund  scheusset,  und  8  schuch  lang  ist, 
wigt  das  Ror  2500  pfund,  im   Laufe   des 

16.  und  17.  Jh.  als  Canon  m.  (später  n.)  ein- 
gebürgert, 1691  bei  Stieler  Kanone  f.,  aus 
gleichbed.  franz.  canon,  ital.  cannone  m.,  Ver- 
größerungsform zu  franz.  canne,  lat.  canna  f. 
«Rohr»;  Fronsperger  (1596)  2,  31^  nennt  als 
Geschützart  Kana,  die  wigt  an  jhrem  Bohr 
75  Centner  schwer.  Studentisch  sind  Ka- 
nonen «steife  röhrenförmige  Reiterstiefel» 
(Kluge  Studentenspr.  98,  vom  J.  1813);  im 

17.  Jh.  hießen  Canonen  «leinene  Strümpfe, 
deren  Enden  man  als  Zierat  in  die  über- 
geschlagnen Kappen  der  hohen  Stiefel  legte 
und  ausbreitete»  (bei  Stieler  1691),  bei  Lau- 
remberg  Scherzged.  2,  627  nach  den  Canonici 
benannt,  die  sie  trugen.  RA.  Unter  der 
Kanone  «unter  aller  Kritik,  sehr  schlecht», 
eine  scherzhafte  wortspielende  Umformung 
von  Kanon  (s.  d.),  «Maß».  ZUS.  Kanonen- 
fleber,  n.:  fieberhafte  Aufregung  im  oder 
vor  dem  Kanonendonner  der  Schlacht.  1792 
bei  Goethe  33,  72  f.  Kanonenfutter,  n.: 
scherzhafte  Bezeichnung  für  schlechte  Sol- 
daten. Vgl.  Futter  für  Pulver  bei  Shakespeare 
König  Heinrich  IV  ^  4,  2,  KanonenscMag, 
m.  (PI.  -schlage):  Feuerwerkskörper,  wie  ein 
Kanonenschuß  krachend.  1757  in  Eggers 
Kriegslex.  1,  445. 

Kanonier,  m.  {-s,  PI.  -e):  der  zu  kano- 
nieren  versteht,  Artillerist.  1617  bei  Wall- 
hausen  Corpus   militare  204    Canonir,    1616 


981 


Kanonikns 


Eanton 


982 


im  Kriegsmanual  117  Ca)wnier,  aus  gleich- 
bed,  franz.  canonnier  m.  —  kanonieren, 
V.:  mit  Kanonen  schießen.  1648  bei  Kem- 
nitz  schwed.  Krieg  1,  308^  canoniren,  aus 
gleicbbed.  franz.  canonner. 

Kanönikns,  Kanoniker,  m.  (s,  PI.  wie 
Sg.):  Chor-,  Stiftsherr.  Mlat.  canonicus  m., 
das  als  Subst.  gesetzte  Mask.  des  gr.-lat.  Adj. 
canonicus  (s.  kanonisch),  eig,  «der  nach  einem 
Kanon  (s.  d.),  nach  einer  geisthchen  Vor- 
schrift Lebende».  Daraus  schon  spätmhd. 
kanonike,  ndrhein.  im  Karlmeinet  kanonke, 
1678  bei  Krämer  Canonich. 

kanonisch,  adj.:  dem  Kanon  (s.  d.),  der 
Regel  gemäß,  den  Kirchengesetzen  gemäß, 
als  kirchhch  beweiskräftig  anerkannt.  1709 
bei  Hübner  canonisch.  Nach  dem  gr.-lat. 
Adj.  canonicus,  gr.  kuvoviköc  «regelrecht». 

kanonisieren,  v,:  in  den  Kanon,  d.  i. 
die  (katholische)  Litanei  der  Heiligen  auf- 
nehmen, heiligsprechen.  1605  bei  Hulsius 
Dict.  h2^  canonisiern,  md.  um  1300  canoni- 
zieren,  aus  gleichbed.  mlat.  canonizare,  von 
gr.-lat.  canon  m.  (s.  Kanon). 

Kanonissin,  f.  (PI.  -nen):  Stiftsfrau, 
Stiftsfräulein.  Aus  mlat.  canonissa  f.  «die 
nach  geistlicher  Yorschiift  (dem  Kanon) 
Lebende,  von  gi-.-lat.  canon  m.  (s.  Kanon). 
1709  bei  Hübner. 

Kanonist,  m.  {-en,  PI.  -en):  Kundiger 
und  Lehrer  des  kanonischen  oder  Kirchen- 
rechts. Bei  Luther  J.  8,  64^  Canonist,  aus 
roman.  (ital.)  canonista,  von  gr.-lat.  canon  m. 
(s.  Kanon).    Kanot,  s.  Kanu. 

^Kantate,  f.  (PL  -w):  in  Arien,  Rezita- 
tiven,  Chören,  Chorälen  bestehende  kirchliche 
Singdichtung,  1712  bei  Hübner  Gantata,  aus 
dem  gleichbed.  ital.  cantata  f.  (1688),  von 
mlat.  (1314)  cantata  f.  «Kirchengesang»,  das 
als  Subst.  gesetzte  Fem.  des  Part.  Perf.  Pass. 
von  lat.  cantare  «singen». 

-  Kantate,  m.  n. :  Gesang  (bei  Luther  8, 818  * 
Cantate  n.),  bes.  der  98.  Psalm  (dessen  lat. 
Text  mit  cantäte  beginnt),  dann  der  vierte 
Sonntag  nach  Ostern,  an  dem  dieser  Psalm 
bei  der  Messe  gesungen  wird.  Es  ist  der 
Lnperativ  «singt»  von  lat.  cantäre  «singen». 
^  Kante,  s.  Kanne. 

^ Kante,  f.  (PI.  -n)-.  scharfer  Rand;  scharf 
zulaufende  Ecke.  Ln  17.  Jh.  (Opitz,  Schottel) 
aufgenommen  aus  nd.  kante  f.  «Rand,  Ecke, 
Seeküste»,  kant  m.  «Brodranft»,  mnd.  kante  j 
f.  und  kantm.  «Ecke,  Winkel,  Rand»,  ndrhein. 
im  14.  Jh.  kant  m.  «Schildrand»;  dazu  rondl.  | 


cant  m.  «Rand»,  ndl.  kant  m.  «Ecke,  Seite, 
Küste»,  aMes.  kant  «Seite»  (in  fiuwerkant 
«auf  der  vierten  Seite»),  Island,  kantr  m. 
«Rand»,  von  afranz.  cant  «Ecke»,  ital.-span. 
ca7ito  m.  «Winkel,  Ecke,  Spitze,  Seite»,  lat. 
canthus  m.  «eiserner  Reifen  um  das  Rad» 
(nach  Qrdntilian  urspr.  afrikanisch  oder  hi- 
spanisch), gr.  KavGöc  m.  «Radreif,  Augen- 
winkel», kymr.  cant  «Radschiene,  Kreis,  Um- 
zäunung, Rand»,  abg.  kqiü  m.  «Winkel».  Vgl. 
Walde.  Der  Plur.  in  der  Bed.  «feine,  meist 
am  Rande  gezackte  Spitzen  als  Schmuck» 
im  17.  Jh.  (Ganten  bei  Wigand  Btr.  237, 
aus  Minden  von  1658)  entlehnt  aus  ndl.  kantt, 
PI.  kanten  «Schmuckspitzen»,  die  in  Brabant 
gefertigt  wurden.  ABL.  Kantel,  n.  (-s, 
PI.  wie  Sg.):  vierkantiges  Lineal  (1833  bei 
Jahn  Merke  z.  d.  Volkstum  196).  kauteln 
und  kanten,  v.:  auf  die  Kante  stellen,  um- 
drehen (1775  bei  Adelung;  1691  bei  Stieler 
kanten  «zackicht  machen»),  kantig,  adj.: 
eckig,  1741  bei  Frisch,  aber  1691  bei  Stieler 
kanticht:  ndrhein.  1495  in  der  Kölner  Gemma 
S8^  vie^-cantich.  ZUS.  Kanthaken,  m.: 
eiserner  Haken  der  Auflader,  um  Lasten  an 
der  Kante  fest  anzupacken  und  fortzubewegen. 
1775  bei  Adelung,  nd.  1743  bei  Richey,  ndl. 
kantshaak. 

Kanter,  s.  -Ganter. 

Kautllle,  f.  (PI.  -n):  Gold-  oder  Süber- 
drahtröhrchen ,  in  Stickereien,  Epauletten. 
1715  bei  Amaranthes  Canetille,  aus  gleichbed. 
franz.  cannetille  f., und  dies  aus  ital.  cannettiglia, 
einer  Ableitung  von  lat.  canna  f.  «Rohr». 

Kantine,  f.  (PI.  -n):  Flaschenfutteral, 
Flaschenkeller  (Lessing  ^Minna  3,  7) ;  Soldaten- 
schenke in  der  Kaserne.  Aus  gleichbed.  franz. 
cantine  f.,  von  ital.-span.  cantina  f.  «Keller, 
Winkel»,  zu  canto  m.  «Ecke,  Winkeb  (s.  Kante). 

Kanton,  m.  (-s,  PI.  -e):  Landbezirk,  Aus 
gleichbed.  fi-anz.  eanton  m.,  eig.  «Land^vinkel», 
ital.  cantone  m.,  zunächst  «Ecke»,  abgeleitet 
von  afranz.  cant  (s.  Kante).  Der  schwäb. 
Ritterbund  1422  bestand  aus  fünf  Gantonen. 
In  der  Schweiz  seit  Anfang  des  18.  Jh.  (die 
dreyzehn  Gantons  als  Name  der  Eidgenossen- 
schaft), im  Zeit.-Lex.  1703.  Dafür  früher 
und  noch  bis  Ende  des  18.  Jh.  das  Ort  (s.  d.), 
das  ebenfalls  von  der  Bed.  «Spitze,  Ecke» 
zu  der  Bed.  «Landesabteilung»  überging. 
ABL.  kantonieren,  v.:  in  einem  Land- 
bezirk Einlager  halten,  1703  im  Zeit.-Lex. 
cantoniren,  aus  gleichbed.  franz.  cantonner, 
ital.  cantonare.   Kantonist,  m.  (-en,  PI.  -en) : 

62* 


983 


Kantor 


Kapelle 


984 


Militärpflichtiger.  1813  bei  Campe.  RA.  Un- 
sichrer Kantonist:  unzuverlässiger  Mensch; 
eig.  unsichrer  Militärpflichtiger. 

Kantor,  m.  {-s,  PI.  -en):  Sangmeister  in 
der  Kirche  und  Schule;  Volksschullehrer. 
1571  bei  Rot  Gantor,  von  lat.  cantor  m. 
«Sänger»,  im  Mlat.  «Kirchensänger».  Davon 
Kantorät,  n.  (-s,  PL  -e) :  Amt  des  Kantors, 
aus  gleichbed.  mlat.  cantoratus  m. 

Käntschn,  m.  (-s,  PI.  -e):  aus  Riemen 
geflochtne  kurze  dicke  Peitsche.  Ende  des 
18.  Jh.  bei  Lichtenberg  5,  174  Kantscliuh-, 
westpreußisch  auch  Kantschuk.  Aus  tschech. 
kancuch,  poln.  kanczug  m..,  von  tüi'k.  kantschy 
«lederne  Geißel». 

Kann,  in  Östen-eich  Kanoe  geschrieben, 
n.  (spr.  kanü,  Gen.  -s,  PI.  -s):  Baumkahn 
der  amerikanischen  Wilden.  1710  bei  Nehring 
Canot,  Ganoe,  1720  im  Robinson  1,  325  Ganoe 
m.j  aus  gleichbed.  franz.  canot  m.,  engl,  canoe, 
die  wie  span.-port.-ital.  canoa  f.  dem  karaibi- 
schen  canäoa  entlehnt  sind,  woher  schon  1567 
bei  ülr.  Schmidel  cannao  38, 11,  cannano  47, 8, 
1628  bei  Münster  Cosmogr.  S.  1749  Canoa  m. 

Kanzel,  f.  (PI.  -n):  Predigtstuhl;  Lehr- 
stuhl; etwas  der  Kanzel  ähnliches,  z.  B.  bei 
dem  Anstand  der  Jäger.  Mhd.  kanzel,  ahd. 
chäncella  f.,  aus  lat.  cancellus  m.,  PI.  cancelli 
«Gitter,  umgitterter  Raum»,  kirchlich-mlat. 
«der  vom  Schifi'e  der  Kirche  durch  ein  Gitter 
getrennte  Raum  des  Allerh  eiligsten,  wo  der 
Hochaltar  und  die  Sitze  für  die  Geistlich- 
keit waren»,  auch  «Söller,  Balkon».  ABL. 
kanzeln,  v.:  jem.  von  der  Kanzel  herab  eine 
Strafpredigt  halten,  1778  bei  Hermes  Soph. 
Reise  6,  339,  s.  abkanzeln.  ZUS.  Kanzel- 
Sprnng,  m.:  das  kirchliche  Aufgebot  Ver- 
lobter von  der  Kanzel  herab  (gern  im  Scherze), 
1776  bei  Voß  Id.  6,  104. 

Kanzlei,  f.  (PI.  -en):  Ausfertigungsstube 
einer  Behörde.  Mhd.  kanzelte,  im  15.  Jh. 
kanzli  f.,  eig.  «der  mit  Schranken  umgebne 
Ort,  wo  sich  die  Mitglieder  eines  Gerichtes, 
einer  Behörde  zur  Ausfertigung  gerichtlicher 
Angelegenheiten  versammeln»,  von  lat.  cancelli 
(s.  Kanzel).  ZUS.  Kanzleistil,  m.:  die  in 
Kanzleien  übliche  Ausdrucksweise  (1678  bei 
Krämer  Cantzley-Stilus),  insbes.  die  von  der 
obersächs. Mundart  ausgehende  seit  dem  15.  Jh. 
in  den  Kanzleien  der  hoch-  wie  niederdeutsch. 
Fürsten  angewendete  Schriftsprache,  auch 
Kanzleideutsch  n.  (1541  bei  Franck  Sprichw. 
2,  12*  unser  cantzley  teutsch). 

Kanzler,   m.  (-s,  PL  wie  Sg.):   Vorge- 


setzter einer  Kanzlei,  hoher  Würdenträger 
zur  Ausfertigung  öS'entlicher  Urkunden,  urspr. 
des  Königs  oder  Kaisers.  Bei  Luther  Cantzeler, 
mhd.  kanzelcere,  kanzeler,  ahd.  cancelläri,  kan- 
zeläri  m.,  aus  späterlat.  cancellarius  m.  «Kanz- 
leivorsteher», von  lat.  cancelli  (s.  Kanzel). 

Kanzlist,  m.  (-en,  PL  -en):  Kanzlei- 
schreiber, 1678  bei  Krämer  Gantzlist,  CantzeU 
list,  aus  spätmlat.  cancellista  m. 

Kanzone,  f.  (PL  -»):  lyrische  Dichtart 
provenzalischen  Ursprungs,  bei  den  Italienern 
ausgebildet.  Ende  des  16.  Jahrh.  (1608  bei 
Gödeke  Grundr.  ^  2,  71  Ganzon)  entlehnt  aus 
ital.  canzone  m.  «Lied»,  von  lat.  cantio  f.  «Ge- 
sang, Lied»,  zu  lat.  canere  «singen». 

Kap,  n.  (-S,  PL  -e  u.  -s):  Vorgebirge. 
Im  16.  Jh.  ndl.  cape,  kape  (bei  Kilian  1598), 
daraus  1616  bei  Henisch  Gape,  mit  franz. 
cap  m.  aus  ital.  capo  m.,  von  lat.  caput  n. 
«Kopf,  Haupt». 

kapäl)el,  adj.:  fähig,  tüchtig,  vermögend 
wozu.  1617  bei  WaUhausen  Corpus  militare 
149  capabel,  aus  gleichbed.  franz.  capable, 
mlat.  capabilis,\ on lat.  capere «fangen, fassen». 

Kapaun,  m.  {-s,  PL  -e):  verschnittner 
Hahn.  Mhd.  kappün  m.  (auch  «Kastrat»),  im 
14.  Jh.  cappaun;  dazu  mndl.  cappoen,  ags. 
capün  m.,  engl,  capon,  wie  franz.  chapon, 
ital.  cappone  m.  aus  gleichbed.  gr.-lat.  cäpo 
(Gen.  cäpönis),  gr.  köttujv  m.,  aus  dessen  lat. 
Neb'enform  cäpus  m.  die  im  Mhd.  üblichere 
schwachflekt.  Form  kappe,  ahd.  cappo  m. 
«Hahn,  Kapaun»,  sich  bildete.  Mit  Anlehnung 
an  Hahn  schon  mhd.  kaphan  m.,  bei  Luther 
Gaphan,  bei  Lessing  1,  54  Kapphahn.  ABL. 
kapännen,  v..-  zum  Kapaun  machen,  mhd. 
kappen  und  im  14.  Jh.  kappaunen. 

Kapazität,  f.  (PL  -en):  Aufnahmefähig- 
keit, Tüchtigkeit ;  besonders  begabter  Mensch. 
Unter  Einwirkung  von  frz.  gleichbed.  capacite  f. 
aus  lat.  capacitas  f.,  von  capax  «fassend». 
Im  18.  Jh.,  aber  erst  durch  St.  Simon  zum 
Schlagwort  geworden.     Vgl.  Ladendorf. 

1  Kapelle,  f.  (PL  -n):  kleiner  Schmelz- 
tiegel, Schmelzschale.  1616  bei  Henisch 
Gapelle.  Hervorgegangen  aus  einer  Vermi- 
schung von  mlat.  capella,  franz.  chapelle  f. 
«Helm  eines  Destillierkolbens»,  und  franz. 
coupelle,  ital.  coppella  f.  «Probiertiegel»,  aus 
lat.  cupella  f.  «kleines  Gefäß,  Fäßchen»,  Ver- 
kleinerungsform von  lat.  cüpa  f.  «Küpe,  Kufe» 
(s.  d.).  RA.  Etioas  auf  die  Kapelle  bringen: 
«es  streng  prüfen»  (bei  Lessing  8,  48);  etw. 
auf  die  Gapelle  setzen  (1694  bei  Nehring). 


985 


Kapelle 


Kapitnlar 


986 


-Kapelle,  f.  (PI  -n):  kleine  Xebenkirche: 
die  Gesamtheit  der  beim  Gottesdienst  in  der 
Schloßkapelle  des  Fürsten,  dann  bei  welt- 
lichen Konzerten  mitwirkenden  Musiker,  so- 
dann Musikerschar  überhaupt.  Mhd.  kap- 
pelle,  kappel  (auf  der  ersten  Sübe  betont), 
kapelle,  ahd.  chapeUa,  chappella  f.  c  kleine 
Xebenkirche»,  von  mlat.  capella  f.  «kleinres 
gottesdienstliches  Gebäude,  Gesamtheit  der 
dem  Bischof  bei  heiliger  Handlung  dienen- 
den Geistlichen»,  zuerst  aber  «das  gottes- 
dienstliche Gebäude  der  französischen  Könige», 
in  dem  sie  den  kurzen  Mantel  des  heü,  Martinus 
aufbewahrten;  derm  mlat  capella  bedeutet 
urspr.  ckurzer  Mantel»,  mhd.  kappet  (Parz. 
669,  5),  von  mlat.  capa,  cappa  f.  «das  Haupt 
mitbedeckender  Mantel»  (s.  Kappe).  ZUS. 
Kapellmeister,  m, :  Vorsteher  einer  Musik- 
kapelle.  1605  bei  Hulsius  Dict,  Capelnmeister, 
1616  bei  Henisch  Capellnieister,  aber  schon 
1575  bei  Fischart  Garg.  92  Capeüemeysterei  f. 

^Kaper,  m.  (-s,  PL  wie  Sg.):  privile- 
gierter Seeräuber;  Raubschiff.  1678  beiKrämer 
Kaper,  aufgenommen  aus  ndl.  kaper  m,  (wo- 
her auch  das  gleichbed.  franz,  capre  m.),  von 
ndl.  kapen  «Freibeuterei  zur  See  treiben» 
(kaap  f.  «Seeraub»),  wohl  urspr.  «auf lauem», 
denn  mndl.  kapen,  clev.  capen,  mhd.  köpfen 
«gaffen,  umhersehen».  ABL.  Kaperei,  f.: 
Freibeuterei  zur  See,  1694  bei  Xehring. 
kapern,  v.:  (durch  Seeraubj  erbeuten,  1678 
bei  Krämer  kaperen. 

-Kaper,  f.  (PL  -n):  Blütenknospe  des 
Kapernstrauches.  1482  im  Yoc.  theut.  k2* 
der  PL  gappern,  1561  bei  Maaler  Kappren, 
1495  in  der  Kölner  Gemma  cappres,  1477 
clevisch  caperen.  Aus  gleichbed.  franz.  capre  f., 
ital.  cappero  m.,  von  mlat.  capera,  gr.-lat. 
capparis,  gr.  Kd-n-rrapic  f.,  arab.  kabar,  kdbhär. 

Kapfenster,  n.  (-s,  PL  wie  Sg.):  kleines 
vorspringendes  Dachfenster.  1668  bei  Chr. 
Weise  die  Yerkleinerung  Kappfenstergen.  Zu 
nd.-ndihein.  kapen,  mhd.  kapfen  «blicken, 
spähen,  gaffen». 

Käpfer,  s.  Kämpfer. 

kapieren,  v.:  fassen,  begreifen.  1728  bei 
Sperander  capiren.    Aus  lat.  capere  «fassen». 

Kapital,  n.  (-s,  PL  -e  und  -ien}:  das 
Haupt-,  Grundgeld.  1616  bei  Henisch  Capital, 
aus  gleichbed.  franz.  capital  m.,  von  mlat. 
capitale  n.,  dem  als  Subst.  gesetzten  Neu- 
trum des  lat.  Adj.  capitälis  «den  Kopf,  das 
Leben  betreffend,  vorzüglich»  (daher  Kapltal- 
in  Kapitalverbrechen   u.  a.),   abgeleitet   von 


lat.  cajyut  n.  (Gen.  capitis  « Haupt,  Haupt- 
geld». ABL.  kapitalisieren,  v.:  das  Kapi- 
tal ausrechnen  nach  den  Zinsen;  in  ein  Kapi- 
tal verwandeln,  zum  Kapital  schlagen.  Von 
gleichbed.  franz.  capitalisei:    Kapitalist,  m. 

i  (-e»,   PL  -eil):    Besitzer   eines   Kapitals,   im 

,  17.  Jh.  (1694  bei  Nehring)  nach  franz.  capi- 
taliste  m.  «Rentner»,  Kapitalismus,  m.: 
die  heutige  kapitalistische  Geldwirtschaft  im 

j  Gegensatz    zum.    Sozialismus.      Erst    in    der 

I  2.  Hälfte  des  19.  Jhs. 

I  Kapital,  Kapitell,  n.  (-s,  PL  -e  und 
Kapitaler):  Säulenknauf.  Mhd.  kapitel  n^ 
1482  im  Voe.  theut.  ql^  kaptele,  1561  bei 
Maaler  Capital,  aus  lat.  capitellum  neben  capi- 
tulum  n.  «Säulenkopf»,  eig.  «Köpfchen».  Ver- 
kleinerungsform von  lat.  Caput  n.  «Kopf». 

Kapitän,  m.  {-s,  PL  -e):  Hauptmann, 
das  1843  in  der  preuJjischen  Armee  dafür 
eingeführt  wurde;  Schiffsoberster  (1645  in 
Mandelslö's  Reisebesehi-.  Kap.  14).  Im  15.  Jh. 
kappethen.  cappitenm.  «Anführer»,  aus  gleich- 
bed. franz.  capitaine  m,,  von  mlat.  capitaneus 
m.  «Soldatenbefehlshaber»  (zu  lat.  caput  n. 
1  Haupt»),  woher  schon  spätmhd.  kapitän. 
kapitänius,  capitänje  m,,  1562  im  Reisbuch 
d.  heü.  Lands  1,  358  Capiten,  bei  Opitz  und 
Fleming  Capitein,  Capitain  (:  ein),  nach  ndL 
kapitein,  nd.  kaptein. 

Kapitel,  n.  i  -.s,  PL  wie  Sg.) :  Hauptstück 
einer  Schrift  (1531  bei  Hedio  Josepbus  Vorr. 
4°  Capitel);  Versammlung  der  Herren  eines 
Stifts.  Mhd.  capitel  n.  «feierHohe  Versamm- 
lung, Konvent»,  ahd.  capital,  capitid  n.  «Über- 
schrift», aus  lat.  capitulum  n.  (im  Kirchen- 
latein) «Auf-,  Überschläft,  Hauptstück  einer 
Schrift,  Versammlung  eines  geistlichen  oder 
weltlichen  Ordens»,  weü  in  ihr  die  in  Kapitel 
geteilten  Ordensstatuten  verlesen  wurden  oder 
auf  Grund  derselben  Verhandlungen  statt- 
fanden. Verkleinerungsform  von  lat.  capnit 
n.  «Hauptj;,  dann  «Hauptstück  einer  Schrift». 
ZJJS.  kapitelfest,  adj.:  bibelfest,  1711  bei 
Rädlein. 

kapit^ln,  V. :  durch  scharfe  Worte  strafen, 
eig.  jem.  das  Kapitel  lesen.  So  schon  mhd. 
kapiteln,  aber  ahd.  capitiilön,  capitalön  «über- 
schreiben», aus  mlat,  capiUdare  «kurzes  zu 
Lesendes  laut  vortragen,  in  Worten  strafen, 
Schriftliches  in  Abteilungen  sondern»,  von 
lat.  capitulum  (s.  Kapitel). 

Kapitulär,  m.  (-s,  PL  -e):  Chor-,  Stifts- 
herr. 1728  bei  Sperander,  1710  bei  Behring 
capitulares.    Aus  gleichbed.  mlat  capitularis 


987 


Kapitulation 


kapntt 


988 


m.,  dem  als  Subst.  gebrauchten  Mask.  des 
Adj.  capituläris  «zum  Kapitel  (der  Ordens- 
versammlung) gehörig»,  von  lat.  capituluni 
(s.  Kapitel). 

Kapitulation,  f.  (PI.  -en):  Vergleichung 
auf  Bedingungen.  1577  bei  Henricpetri  Gene- 
ralhistoria  360  und  1616  bei  Henisch  Gapi- 
tulation,  aus  franz.  capitulation  f.  «Vertrag, 
vertragsmäßige  Übergabe  im  Kriege»,  aber 
mlat.  capitulatio  f,  «Verzeichnis  der  Haupt- 
stücke».    (S.  d.  folg.) 

kapitulieren,  v.:  über  gestellte  Haupt- 
punkte verhandeln:  wegen  Übergabe  unter- 
handeln, sich  durch  Vertrag  ergeben  (1703 
im  Zeit.-Lex.).  1571  bei  Rot  capitulirn  «ver- 
handeln». Aus  franz.  capituler,  von  mlat. 
capitulare  «ein  Übereinkommen  treflFen,  einen 
Vertrag  schließen». 

Kaplan,  m.  (-s,  PI.  Kaplans),  in  Öster- 
reich und  Bayern  auch  Kapellan:  ange- 
stellter untergeordneter  Hilfsgeistlicher.  Mhd. 
kap{p)el(l)än  m.,  aus  mlat.  capellanus  m. 
«Geistlicher,  der  den  Gottesdienst  an  einer 
Kapelle  (s.  d.)  zu  versehen  hat». 

kapores:  tot,  entzwei,  zugninde  gerichtet. 
1774  bei  Bürger  185  kapores.  Jüdische  Aus- 
sprache des  rabbinisch-hebr.  kappöreth  f.  «Ver- 
söhnung, Sühnopfer»,  eig.  «Deckel  der  Bun- 
deslade». Unsre  heutige  Bed.  daher,  daß  am 
großen  Versöhnungstage  mancher  Jude  einem 
Mchtjuden  seine  Sünden  auferlegen  wollte 
mit  den  Worten  «Sei  du  meine  kappöreth!-», 
d.  i.  mein  Sühnopfer,  was  dann  den  Sinn 
hatte  «Stirb  du  für  mich  zur  Versöhnung 
mit  Gott!» 

Kappe,  f.  (PI.  -«):  Art  Kopfbedeckung; 
Kutte.  Mhd.  kappe,  ahd.  kappa  f.  «Mantel, 
der  mit  einer  Kapuze  zugleich  den  Kopf 
bedeckte».  Dazu  and.  kappa  f.  «Kappe,  Um- 
hang», mndl.  cappe  f.  «Kopfbedeckung»,  ndl. 
cap  «Kapuze»,  ags.  cceppe  f.  «Kappe,  Mantel», 
engl,  cap  «Mütze»,  anord.  käpa  f.  «Überkleid, 
Mantel»,  aus  mlat.  (um  600)  cappa,  capa  f. 
■  Mantel  mit  Kapuze»,  das  vielleicht  dem 
Keltischen  entstammt.  RA.  Etwas  auf  seine 
Kappe  nehmen:  «die  Verantwortung  oder  die 
Folgen  tragen»  (eig,  «die  Schläge»,  vgl.  einem 
ettvas  auf  die  Kappe  geben).  Es  setzt  Kappen, 
d,  h,  «Schläge,  Zm-echt Weisungen»  (1641  bei 
Scherffer  Ecloga  96), 

^kappen,  v.:  abhauen  {den  Anker  k.,  d,h. 
das  Ankertau);  die  Spitze  abhauen.  1716  bei 
Ludwig,  aus  gleichbed.  nd.  und  ndl.  kappen; 
mndl.  eappen,  mengl.  chappen  «zerschneiden». 


engl,  cliap  «spalten»,  schwed.  kappa,  dän.  kappe 
«die  Spitze  abhauen».    Herkunft  unklar. 

^kappen,  v.:  verschneiden,  kastrieren. 
Mhd.  kappen,  von  mhd.  kappe  m.  s.  Kapaun. 

Kappes,  m.  (Gen.  ebenso):  weißer  Kopf- 
kohl, Weißkraut,  lat.  brassica  capitata.  Um 
1480  im  Voc.  incip.  teut.  f4*'  gabaßkraut, 
mhd.  kappug,  kappi^,  kabeg,  kabag  m.,  spät- 
ahd.  kabug,  capug.  Wie  gleichbed.  franz.  cabus 
m.,  ital.  capuccio  m.  aus  lat.  caput  n.  «Kopf», 
mlat.  caputium  n.  «Kopfbedeckung». 

Kapphahn,  m.,  s.  Kapaun. 

Käppi,  n.  (-S,  PI.  -s) :  niedriger  Soldaten- 
schako.  Seit  etwa  1830  in  deutschen  Büi-ger- 
wehren  eingefülirt,  Schweiz.  Verkleinerungs- 
form von  Kappe  (s.  d,). 

Kappzaum,  m.  (-s,  PI.  Kappzäume): 
Zaum  mit  Nasenband.  1689  bei  Lohenstein 
Ihr.  20  und  1691  bei  Stieler  Kappzaum,  1664 
bei  Duez  Kappezan,  mittels  Anlehnung  an 
Kappe  und  Zaum  aus  gleichbed.  franz.  cavegon, 
ital.  cavezzone  m.,  von  ital.  cavezza  f.  «Halfter», 
afranz.  chevez,  chevece  «Kragen»,  die  auf  lat. 
capitium  n.  «Mieder,  Kopfloch  des  Kleides», 
später  «Haube»,  von  lat.  caput  n.  «Kopf» 
zurückführen. 

Kaprice,  Caprice  (in  Österreich),  f. 
(PI.  -n):  steifsinnige  Laune.  Im  17.  Jh.  aus 
franz.  caprice  m.  «wunderlicher  Einfall»,  ital. 
Capriccio  m.,  span.-portug.  capricho  von  lat. 
caper  m.  «Bock»,  in  Beziehung  auf  das  Be- 
nehmen dieses  Tieres,  kaprizieren,  V.  refl. : 
eigensinnig  auf  etwas  bestehen,  1813  bei 
Campe,  kapriziös,  adj.,  1687  bei  Hohberg 
2,  854^  Capriccios. 

Kapriole,  f,  (PI.  -n):  Bocks-,  Luftsprung. 
1576  bei  Mathesius  Luther  19^  Capreole,  aus 
gleichbed.  ital.  capriola  f.,  von  lat,  caper  m. 
«Bock». 

Kapsel,  f.  (PI.  -n) :  Gehäuse,  etwas,  hin- 
einzutun. Anfang  des  15.  Jh.  kapsei  (Diefen- 
bach  nov.  gloss.  74%  auch  aus  gleicher  Zeit 
nd.  capsel),  and.  kapsiUn  «Kästlein»,  aus  lat. 
Capsula  f.  «Kästchen»,  Dim.  von  lat.  capsa  f. 
«Kiste»,  woher  mhd.  kafse,  kefse,  ahd.  kafsa, 
kefsa  f.  «Reliquienbehälter»,  and.  kaps,  kefsa 
«Behältnis,  Gefängnis».  Ahd.  auch  capselin 
n.  «Kästchen»,  von  mlat.  capsella  f. 

kaputt,  bayr.  auch  kaput,  verloren,  zu- 
grunde gerichtet,  hinfällig,  kraftlos,  tot,  ent- 
zwei. 1648  bei  Kemnitz  schwed.  Krieg  1,  462* 
capot,  bei  Seb,  Bürster  174  (vom  J,  1643) 
caput.  Aus  den  franz,  Kartenspielausdrücken 
(im  Pikettspiel  Duez  1664)  il  est  capot  «er 


989 


Sapuze 


Karbonade 


990 


verliert  alle  Stiche»,  faire  capot  «einen  ab- 
stechen, vollständig  verlieren  machen». 

Kapuze,  f.  (PI.  -n)-.  Mantel  mit  Koppe; 
Mönchskappe.  Im  Anfang  des  16.  Jh.  ent- 
lehnt aus  ital.  cappudo  m.,  wie  franz.  capuce  f. 
von  mlat.  capucw.m,  capiiHuvi  n.  «den  Kopf 
bedeckender  Teil  am  Kleid»,  einer  Ableitung 
von  mlat.  cappa  f.  (s.  Kappe). 

Kapuziner,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Mönch 
des  1528  entstandnen,  Kapuzen  tragenden 
Ordens,  einer  Abzweigung  der  Franziskaner. 
1616  bei  Henisch  Capuciner,  aus  spätmlat. 
capucinus  m.,  von  capucium  n.  (s.  Kapuze). 

Kar,  n.  (-[e].s,  PI.  -e):  Kessel,  Gebirgs- 
schlucht. In  den  Alpen  mit  verschiedner 
Bedeutung  weit  verbreitet.  Vielleicht  zu  dem 
in  den  Mundarten  lebenden  Tcar  «Gefäß», 
mhd.-ahd.  kar  n.  «Geschirr,  Schüssel»,  and. 
har  «Korb»,  got.  kos  n.  «Gefäß,  Krug», 

Karabiner,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  k-urze 
Reiterflinte.  1598  bei  Frischlia  HohenzoU. 
Hochzeit  28  Carpiner,  1650  bei  Moscherosch 
Phil.  2,  820  Karpiner,  1678  bei  Krämer  Cara- 
hiner.  Aus  gleichbed.  franz.  carahine,  ital. 
caräbina  f.,  abgeleitet  von  fi-anz.  carabin  m. 
«Reiter  mit  Feuergewehr  bewaffnet».  Un- 
bekannter Herkunft.  Davon  Karabinier, 
m.  (-s):  mit  einem  Karabiner  bewaffneter 
Soldat.  Bei  Schiller  Wall.  Lager  41,  dafür 
1616  bei  Henisch  Carabin  m.,  1616  bei  Wall- 
hausen Kriegskunst  zu  Pferd  55  Carbiner, 
1664  bei  Duez  1,  111 1>  Carahiner,  1703  im 
Zeit.-Lex.  Carabinirer. 

Kar  äffe,  f.  (PI.  -«):  Tafelflasche.  1714 
bei  Wächtler  Caraffe,  aus  gleichbed.  franz. 
carafe,  ital.  caraffa,  span.-portug.  garrafa  f., 
aus  pers.  ^a/'äbä  «  Flasche  mit  weitem  Bauche». 
Eine  Weiterbildung  ist  Karaffine,  f.:  kleine 
Karafi"e,  bei  Goethe  23,  296  Caravine,  1712 
bei  Hübner  Carovine  f.,  aus  franz.  carafine, 
ital.  caraffina  f.  Noch  in  norddeutschen 
Städten  Karwine. 

karambolieren,  v.:  auf  dem  BiUard 
zwei  Bälle  treffen;  (übertragen)  zusammen- 
stoßen. Im  19.  Jahrh.  aus  gleichbed.  fracz. 
caramboler,  das  vom  span.  carambola  «Ball» 
stammt.      Unbekannter  Herkunft. 

Karat,  n.  {-[e]s,  PI.  -e):  ein  Goldgewicht 
von  12  Gran  ('/.^^  Mark);  ein  Diamanten- 
und  Perlengewicht  von  4  Gran.  1534  bei 
Seb.  Franck  Weltb.204a  Carat,  1477  clevisch 
crait,  1428  krät  TRechenbuch  im  Archiv  zu 
Frankfurt  a.  M.),  aber  mhd.  garät  und  karät 
n.  und  f.,   aus   gleichbed.  franz.  carat,   ital. 


carato,  aijortug.qnirate,  mlat.  (um  600)  cerates, 
von  arab.  qirät,  das  wieder  abgeleitet  ist  von 
dem  gr.  Gewicht  Kepotriov  n.,  eig.  «hömchen- 
förmig  gebogene  Hülse  des  Johannisbrot- 
baums». ABL.  karatieren,  v.:  Gold  mit 
anderm  edeln  oder  einem  unedeln  Metalle 
versetzen.  Dafür  1741  bei  Frisch  graäiren. 
karätig,  adj. 

Karausche,  f.  (PI.  -n):  die  KaqDfenai-t 
cyprinus  carassias.  1664  bei  Duez  Karausche, 
Kariitsche,  1550  bei  Alberus  Fab.  19,  127 
Garuse,  1517  bei  Trochus  Jl*'  carutius  ein 
Karutzschen,  1563  bei  Forer  166^  charax, 
Karaß,  Kariß,  md.  in  Schlesien  kara^  (Hofl- 
mann  schles.  Monatsschr.  1,  71).  Aus  lit. 
karosas  m.,  karüsis  und  dies  aus  poln.-klruss. 
karas,  das  mit  franz.  carassin,  corassin  m. 
wohl  aus  dem  gr.-lat.  Fischnamen  coracinus, 
gr.  KopaKivoc  m,  stammt. 

Karawane,  f.  (PI.  -n):  reisende  Gesell- 
schaft im  Morgenlande,  besonders  von  Kauf- 
leuten und  Pilgern.  1562  im  Reisbuch  des 
heil.  Lands  1,  358  Caruane,  1575  bei  Fischart 
Garg.  352  Garavane  (1582  Gharoana,  1590 
Ghoroatia),  1582  bei  Rauwolff  Reise  28  Car- 
ouane,  1647  bei  Olearius  Garaivane.  Aber 
schon  md.  im  13.  Jh.  carvane  (auch  karban 
Germania  20,  44 j  m.  «Kriegsbagage,  schweres 
Gepäck,  sowie  Ort  und  Haus  der  Aufbe- 
wahrung für  dasselbe».  Aus  ital.  caravana, 
,franz.  caravane  f.,  von  pers.  käncän  «Handels- 
zug,  reisende  Schar  von  Kaufleuten  und 
Pilgern».  Davon  Karawanserei,  Kara- 
wanseräi,  f.  (PI.  -en):  Herberge  füi-  Reise- 
züge oder  Karawanen.  1647  bei  Olearius  366 
Garwansera  und  1645  in  Mandelslos  Reise- 
beschr.  33^  Caravansera.  Wie  ital.  cara- 
vanserai  von  pers.  känvän-säräj  «Kara- 
wanenbui'g,  -behausung», 

Karbätsche,  f.  (PI.  -n):  dicke  Riemen- 
peitsche. 1615  bei  Messerschmid  lust.  Narr- 
heit 173  Garabafschste,  1650  bei  Moscherosch 
Phil.  2, 583  Karbatsche,  aus  gleichbed.  tschech. 
karabdc,  poln.  karbac,  magyar.  korbäcs,  von 
türk.  ki/rbatsch  «Peitsche,  Ochsenschwanz», 
woher  auch  span.  corbacho  m.  «Ochsenziemer», 
franz.  cravache  f.  «Reitpeitsche».  ABL.  kar- 
bätschen,  v.:  durchpeitschen.  1669  bei 
Grimmeishausen  Simpl.  115  karbäitschen,  1678 
bei  Krämer  karbafschen. 

Karbonade,  f.  (PI.  -n):  auf  Kohlen  ge- 
bratnes  Fleisch  stück;  Rippenstück.  1714  bei 
Wächtler,  ndl.  1598  bei  Küian  karbonade, 
über    gleichbed.   franz.  carbonnade   aus  ital. 


991 


£arl)imkel 


karg 


992 


carhonafa  f.,  von  ital,  carhone,  lat.  carho  m. 
«Kohle». 

Karbunkel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  bös- 
artiges Geschwür.  1561  bei  Maaler  Kar- 
funkel, bei  Luther  (Randglosse  zu  4.  Mos. 
21,  6)  Carhuncel,  1536  bei  Heinr.  v.  Eppen- 
dorff  röm.  Historien  Bekürtzung  41  Car- 
bunckel  m.     Eins  mit  Karfunkel  (s.  d.). 

Karch,  m.  (-[e]s,Pl.  -eundKärche) :  Karren. 
Eheinisch.  Mhd.  kamch,  karreck,  karch,  ahd.- 
and.  carruh  m.  «Karren,  Wagen»,  aus  lat. 
(urspr.  keltisch)  carrüca  f.  «vierrädriger  Reise- 
wagen», von  lat.-kelt.  carrus  m.  (s.  Karren). 
ABL.  Kärcher,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Fuhr- 
mann; Karrenschieber.  Am  Rhein,  in  Luxem- 
burg. Älteriihd.  karcher  und  kärcher,  1482 
im  Voc.  theut.  q  1  ^^  karricher,  spätmhd.  ka- 
richer,  kercher  m. 

Kardainom,  m.  (s,  PI.  -e):  Art  mala- 
barischen  Gewürzes,  Mhd.  kardamom  m.  und 
kardamuome  f.,  aus  gr.-lat.  cardamömum,  gr. 
Kapbd|LHju|aov  n.;  zugrunde  liegt  sind,  kardamas 
m.  «eine  Pflanze». 

Kardätsche,  f.  (PL  -n):  Wollkamm  mit 
Häkchen  von  Draht;  Stallbürste  (1742  bei 
Trichter  Reitlex.  Kartätsche).  In  1.  Bed.  1616 
bei  Henisch  Cartetschen  f.,  bei  Fischart  Kar- 
tetsche  (in  Kartetschenniacher  Prakt.  Großm. 
1572  8)  entlehnt  über  franz.  cardasse  f., 
aus  ital.  cardasso,  von  ital.  cardare,  span. 
cardar  «aufki-atzen.  Wolle  kämmen»,  s.  Karde. 
ABL.  kardätschen,  v.:  WoUe  kämmen, 
1678  bei  Krämer  kartätschen,  1605  bei  Hul- 
sius  cardetzschen. 

Karde,  f.  (PL  -w):  Weberdistel.  Mhd. 
karte  f.,  ahd.  carto  m.  und  carta  f.,  and. 
karde  «Kardendistel,  Wollkratze».  Mitgleich- 
bed.  ital.-span.  cardo  m.,  entlehnt  aus  mlat. 
cardus,  lat.  Carduus  m.  «Distel».  ABL. 
karden,  v.:  mit  der  Wollkratze  rauh  machen, 
im  14.  Jh.  und  1561  bei  Maaler  karten. 

^Kardin^,  m.  (-s,  PL  Kardinäle):  vor- 
nehmster Priester  nächst  dem  Papste.  Mhd. 
kardenäl,  md.  auch  cardinäl,  von  gleichbed. 
mlat.  cardinalis  m.  (urspr.  vom  5.  bis  11.  Jh. 
der  Titel  aUer  an  einer  bestimmten  Kirche 
festangestellten  GeistHchen,  dann  auf  das  seit 
1059  den  Papst  wählende  Kollegium  der 
römischen  Bischöfe,  Presbyter  und  Diakonen 
beschränkt),  dem  als  Subst.  gesetzten  Mask. 
des  spätlat.  Adj.  cardinalis  «vornehmst,  haupt- 
sächlichst», eig.  «die  Türangel»  (lat.  cardo  m., 
Gen.  cardinis,  mlat.  auch  bildlich)  «die  Haupt- 
sache angehend».    VgL  auch  Karnöffel. 


"Kardinal,  m.  (-s,  PL  -e):  vornehmstes 
Getränk  aus  weißem  Wein,  Pomeranzen  imd 
Zucker.  1791  bei  Roth,  aus  gleichbed.  engL 
Cardinal.    Vgl.  Bischof. 

Karosse,  f.  (PL  -n):  Liebkosung,  Schmei- 
chelwort. Im  17.  Jh.  Caresse,  entlehnt  aus 
fi-anz.  caresse,  ital.  carezza  f.,  von  mlat.  caritia 
f.,  abgeleitet  von  lat.  cät'us  «Ueb,  teuer». 
Dazu  karessieren,  v.:  liebkosen,  schmei- 
cheln, im  16,  Jh.  (bei  Logau  2,  1,  38  cares- 
siren,  aber  schon  1572  bei  Fischart  Prakt. 
Großm.  12  Caressierer  m.)  aus  gleichbed. 
franz.  caresser,  ital.  carezzare. 

Karfiol,  m,  {-s):  Blumenkohl  (s.  d.). 
Ober-  und  ostmd,  1715  bei  Amaranthes  Gar- 
fiol,  1616  bei  Henisch  Carifior,  1605  bei  Hul- 
sius  dict.  59  Caulifiol.  Wie  engl,  cauliflower, 
coleflower,  franz.  chou-fleur  m.  aus  gleichbed. 
ital.  cavol  fiore  m.,  zgs.  aus  cavolo  m.  (lat. 
caulis  m.)  «Kohl»  imd  fiore  m.  (lat.  flos  m.. 
Gen.  flöris)  «Blume». 

Karfreitag,  m.  {-s,  PL  -e):  Freitag  vor 
Ostern  als  Todestag  Christi.  Mhd.  karfritac 
m.  «Klage-,  Trauerfreitag»,  von  mhd.  kar. 
ahd.  kara  f.  «Wehklage,  Trauer»,  asächs.  cara 
f.  «Leid,  Trauer»,  ags.  cearu,  caru  f.  «Sorge, 
Kummer,  Wehklage»,  engl,  care  «Sorge»,  got. 
kara  f.  «Sorge».  Über  die  Herkunft  vgl. 
Zupitza78.  —  Karsamstag-,  m.  {-s,  PL  -e): 
l)eim  Volke  der  Sonnabend  nach  dem  Kar- 
freitage. Karwoche,  f.:  die  Woche  vor 
Ostern,  in  die  der  Karfreitag  fällt,  spätmhd. 
karwoche  f. 

Karfiinkel,  m.  (-s,  PL  wie  Sg.):  der 
Edelstein  Feuemibin.  ^Ihd.  karfunkel,  kar- 
hunkel  m.  Mit  Anlehnung  an  Funke  aus  lat. 
carJninculus  m.  «kleine  glühende  Kohle,  röt- 
licher Tuf stein,  Feuemibin,  rotes  Geschwür», 
Verkleinerungsform  von  carbo  m.    «Kohle». 

karg,  adj.  (Komp.  karger,  kärger,  Superl. 
kargst,  kärgst):  zähe  zum  Geben  und  Auf- 
wenden. Mhd.  karc  (Gen.  karges,  Komp. 
kerger)  «listig,  klug,  schlau  in  gutem  und 
bösem  Sinne;  streng,  heftig;  enge,  knapp; 
knauserig,  nicht  freigebig».  Ahd.  carag,  charag 
«traurig»;  dazu  asächs.  carag  (in  mödcarag) 
«bekümmert»,  mnd.  karich,  karch  «sparsam, 
geizig»,  ags,  cearig  «besorgt,  traurig,  ängst- 
lich», engl,  chary  «vorsichtig».  Mit  ableiten- 
dem ahd.  -ac  (nhd.  -ig)  von  ahd,  kara  f. 
«Trauer»,  got.  kara  «Sorge»  (s.  Karfreitag); 
die  urspr.  Bed.  ist  «besorgt».  ABL.  kargen, 
V.:  knausern,  mhd.  kargen  «besorgt,  ängst- 
lich sein,  geizen».    Kargheit,  f.:  Sparsam- 


993 


Kargo 


Karnies 


994 


keit,  Knauserei,  mhd.  karkheit,  karckeit  f.  «Klug- 
heit, Schlauheit,  Unfreigebigkeit».  kärglich, 
adj.:  kargend,  ärmlich,  mhd.  charclilich,  kerc- 
lich  «listig,  sparsam»;  dazu  Kärglichkeit, 
f.,  1808  bei  Campe. 

Kargo,  m.  (-S,  PL  -s):  Schiffsladung, 
Frachtzettel;  Saumlast  (von  300  Pfundj;  der 
mit  dem  Verkauf  oder  Einkauf  einer  Schiffs- 
ladung Beauftragte.  Anfang  des  17.  Jh.  Cargo 
m.  «Last»,  aber  schon  am  Beginn  des  15.  Jh. 
karg  f.  «Gewichtslast  von  3  Zentnern»  (Städte- 
chi-.  1, 102, 16;  5, 155,  11).  Aus  span.  cargo  m. 
und  carga  f.  «Last,  Ladung»,  zu  lat.-kelt. 
carrus  m,  «Wagen»  (s.  Karren). 

■^karieren,  v.:  Hungerstrafe  erleiden. 
1728  bei  Sperander  cariren,  aus  lat.  carere 
«nicht  haben,  entbehren». 

"kariereil,  v.:  mit  Würfel-,  Rautenzeich- 
nung mustern,  namenthch  im  Part,  kariert 
von  Kleiderstoffen.  Aus  gleichbed.  franz. 
carrer,  das  aus  lat.  gwoiiräre «viereckig  machen» 
stammt,  von  quadr-  zu  lat.  quattuor  «vier». 

Karikatur,  f.  (PI.  -m)-.  Zerrbild.  Im 
18.  Jh.  (bei  Lessing  6,  382  Carricatur)  aus 
gleichbed.  ital.  carricafura  f.,  eig.  «tJber- 
ladtmg».  —  karikieren,  v.:  bis  zur  Ver- 
zerrung übertreiben.  Aus  ital.  caricare  «be- 
laden, belasten,  überladen  in  Rede  oder 
Zeichnimg»,  von  vulg.-lat.  caricare  «beladen, 
belasten»  (woher  auch  franz.  charger),  ab- 
geleitet von  lat.-kelt.  carrus  m.  (s.- Karre). 

Karkässe,  f.  (PI.  -n):  Tier-,  Schiffs-, 
Drahtgerippe;  Bombe  mit  eisernem  Gerippe 
(1672  erfunden,  1694  bei  Nehring  Carcasse). 
Über  gleichbed.  franz.  carcasse  aus  ital.  car- 
cassa  f.  «Gerippe». 

Karl,  ein  Marmsname.  Mhd.-ahd.  Karl, 
Karel,  mhd.  auch  mit  schwacher  Flexion 
Karle,  latinisiert  Cärolus.  Durch  die  Er- 
hebung der  fi'änkischen  Hausmeier,  von  denen 
Karl  Martell  der  erste  des  Kameus  ist,  auf 
den  Königsthron  der  Franken  und  zumal 
mit  Karl  d.  Gr.  fast  über  ganz  Europa  ver- 
breitet; daher  abg.  krali  «König»,  poln.  kröl, 
mss.  karöli,  lit.  karälius,  magyar.  kiräly, 
alban.  kralj ,  neugi*.  Kpd\ric  «König».  Ur- 
sprünglich Appellativ :  mhd.  karl,  ahd.  charal, 
karl  m.  «Mann,  Ehemann,  Gehebter»;  dazu 
anord.-schwed.-dän.  karl  «Mann,  (freier)  Bauer, 
Greis»,  mit  Ablaut  kerl,  mnd.  kerJe  «freier, 
gewöhnlicher  Mann»,  ndl.  kerel  «Kerl,  Mann», 
fries.  tzerl,  ags.  ceorl  «Mann,  Ehemann,  Ge- 
meinfreier. Mann  niedem  Standes»,  engl,  churl 
«Bauer».    Grdbed.  wohl  «alter,  reifer  Mann» 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


und  daher  zu  gr.  yepyxiv,  arm.  cer  m.  «Greis». 
Vgl.  auch  gr.  -mpaXeoc  «alt»  mit  gleichem 
Suffix  wie  karl,  Kerl  (s.  d.). 

Kamien,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.  oäerKamiina) : 
Gedicht,  besonders  Gelegenheitsgedicht.  1616 
bei  Henisch  Carmen,  aus  lat.  Carmen  n.  «Ge- 
sang, Gedicht». 

karmesin  (auch  karmoisin) :  hochrot.  1586 
in  den  Script,  rer.  Siles.  4,  290  f.  carmesin 
und  kermasin,  im  15.  Jh.  bei  Ehingen  Reisen  28 
karmosin,  1605  bei  Hulsius  cramoisin,  1478 
bei  Nicl.  v.  Wyle  24,  24  cremesin,  aus  ital. 
carmesino,  cremisi,  cremisino  m.,  franz.  cra- 
moisi  m.  «das  Hochrot»,  von  arab.  qirniizi 
«scharlachfarbig»,  eig.  mit  Kermesfarhe  ge- 
färbt (s.  Kernies). 

Karmin,  m.  (-s,  PI.  -e):  kostbares  Hoch- 
rot; hochrote  Tinte.  La  der  1.  Bed.  1712 
bei  Hübner  Carniin,  aus  franz.-span.  carmin, 
ital.  carminio  m.,  gleichen  Stammes  wie  kar- 
mesin (s.  Kermes). 

Karn,  m.  (-[e].s,  PI.  -e):  Butterfaß.  Aus 
dem  Xdd.  käme,  karn.     S.  kernen. 

Karneol,  auch  Kamiol,  m.  (-s,  PI.  -e): 
blutroter,  wachstirtig  glänzender  Edelstein, 
sarda  rubra.  Ln  16.  Jh.  (bei  Paracelsus  Opera 
2,  309)  Carniol,  1616  bei  Henisch  Carneol.  Aus 
ital.  corniola  f.,  von  lat.  comeolus  «homartig» 
(lat.  cornu  n.  «Hom»). 

Karner,  Kemer,  auch  Gerner,  m.  (-S, 
PI.  wie  Sg.):  Beinhaus,  Fleischkanmier;  mhd. 
gerner,  kerner,  karncere  «Beinhaus».  Aus 
mlat.  carnarium  n.  «Fleischkammer»  (von  lat. 
caro  «Fleisch»).     Noch  bayi'isch. 

Karneyal,  m.  und  (veraltet)  n.  (-s,  PI. 
-s,  -e):  Fastnachtslust.  Ln  17.  Jh.  (bei  Grim- 
melshausen  Simpl.  1,  272  Keller)  Garnewal, 
1694  bei  Nehring  Carnaval,  als  ital.  carne- 
vale,  carnovale  m.  «Fastnacht»,  eig.  die  Nacht 
vor  Aschermittwoch,  wo  man  dem  Genüsse 
des  Fleisches  (ital.  carne  f.)  für  die  Fasten- 
zeit Abschied  und  Lebewohl  (ital.  vale  m.) 
sagte.  Dies  ist  aber  nur  Volksumdeutung. 
Das  Wort  scheint  vielmehr  auf  carrus  navälis 
«SchifiFswagen»,  d.  h.  Schiff  auf  Rädern,  we 
es  bei  festlichen  Gelegenheiten  angewandt  zu 
Verden  pflegte,  zurückzugehen.  Oder  es  steht 
für  mlat.  carnelevale  «Entfermmg  d.  Fleisches». 

Karnickel,  s.  Kaninchen. 

Karnies,  n.  (Gen.  Kamieses,  PI.  Karniese) : 
die  Figur  eines  S  bildende  Kranzleiste  am 
Hauptgesimse.  1712  bei  Hübner  Karnieß. 
Aus  gleichbed.  span.  cornisa  f.,  franz.  corniche, 
ital.  cornice  f.,  von  dem  im  Romanischen  mit 

63 


995 


Karnöffel 


Karre 


996 


lat.  comix  f.  «Krähe»  verwechselten  gr.-lat. 
corönü,  gr.Kopujvic  f.  «kleiner  Kranz,  Schnörkel 
als  Schlußzeichen  des  Schreibenden». 

Karnoflfel,  Karnuffel,  m.  (-s,  PI.  wie 
Sg.):  die  Hauptkarte  eines  beliebten  ehe- 
maligen Kartenspiels  von  48  Blättern,  sowie 
dieses  selbst.  Im  15.  und  16.  Jh.  carnöffel  m. 
Mitte  des  15.  Jahrh.  karnöffelin  n.  (Fichard 
Frankf.  Archiv  8,  293  fg.),  1517  bei  Trochus 
D  3^  satelles  der  vnderman,  qui  dedicatus 
sive  insignitus  privilegio  dicitur  ein  karnuffel, 
1546  im  Pasquill  Newe  Zeitung  vom  Teüifel 
A3*  der  vnderman  ist  erstlich  cardinal  ge- 
nennet worden,  die  ainfeltigen  aber  haben  jn 
nit  änderst  dann  carnöffel  nennest  künden, 
Cardinal  aber  ist  nach  Fronspergers  Kriegs- 
buch (1596)  1,  20^  der  Titel  des  Obersten 
eines  Regiments  Landsknechte;  der  Karnöffel 
ist  also  der  Unter  mit  dem  Bilde  des  Lands- 
knechts, der  in  diesem  Landsknechtsspiele 
alle  übrigen  Kai'ten  stach,  ausgenommen  die 
«böse  Sieben»  (s.  d.),  die  teufelsfrei  war  (da- 
her Cyriacus  Spangenbergs  Buch  loider  die 
böse  Sieben  ins  Teuffels  Karnöffelspil  1562), 
Urspr.  bedeutet  Karnöffel  «Hodenbnich  oder 
-geschwulst»,  so  1541  bei  Frisius  735 ^^arwö/eZ, 
1477  clevisch  carnuffel,  bei Paracelsus (Chirurg. 
Schriften  1618  S.  454)  hemia  carnosa,  vulgo 
Karneffel.  Vielleicht  wegen  der  Ahnhchkeit 
der  Gestalt  abgeleitet  von  franz.  coi'tiifle  f. 
(aus  vorauszusetzendem  mlat.  cornifolium  oder 
cornufolium,  wie  franz.  trefle  aus  lat.  trifoliuni) 
«das  Hornblatt,  ceratophyllum,  eine  Wasser- 
pflanze, deren  Früchte  aus  langgeschnäbelten 
Nüssen,  unten  mit  zwei  drüsenförmigen  Hö- 
ckern,   bestehen».       Vgl.    aber    auch    Baist 

ZfdW.  9,  34.     ABL.  kamöffeln,  kar- 

nüffeln,  v. :  das  Karnöfi'elspiel  spielen ;  stoßen, 
quälen,  durchprügeln.  In  der  1.  Bed.  im 
15.  und  16.  Jh.  kamöffeln,  carnöffeln,  noch 
nd.  karnüffeln  (Frommann  Ztschr,  3,  551,  32); 
in  der  zweiten  1691  bei  Stieler  karniffeln, 
noch  md.  und  nd.,  auch  bayr.-österr. 

Karo,  n.  (-S,  PI.  -s)  -.  Raute,  schiefes  Vier- 
eck, bes.  auf  den  französischen  Spielkarten. 
Aus  gleichbed.  franz.  carreau,  das  von  lat. 
quadrum  n.  «Viereck»  abgeleitet  ist.  Im  19.  Jh. 
Im  18.  Jh.  «ein  viereckiges  Stuhlkissen». 

Karolin,  Karlin,  m.  (-s,  PI,  -s):  Gold- 
stück von  11  Gulden  rheinisch  oder  18,85  Mk. 
Augsburgisch  1424  cärlm  und  1421  kärlm  m. 
(Städtechron.  5, 367,  24  und  365,  5)  «eine  Gold- 
münze von  verschiednem  Werte».  Von  dem 
mlat.  Cärolus,  Karins  «Karl»  (s.  d.),   nach 


dem  prägenden  Fürsten  benannt.  1742  ließ 
Kurfüi'st  Karl  Philii^p  von  der  Pfalz  die 
Goldmünze  in  dem  obigen  Werte  prägen. 

Karoline,  Frauenname,  von  mlat.  Cärolus 
«Karl»  (s,  d,).    Gekürzt  Lina^  Dhn.  Linchen. 

Karosse,  f.  (PI,  -n)-.  Prachtwagen.  1694 
bei  Nehring  Carosse  und  Garrosse,  1616  bei 
Albertinus  Narrenhatz  (29, 15  Lihencron)  Ka- 
rotze,  über  franz.  carrosse  m.,  aus  ital.  car- 
rozza  f.  «Kutschwagen».  Schon  mhd.  kar- 
rösche,  karrotsche,  karrutsche,  karräsche  m.  f. 
«Kriegswagen,  auf  dem  das  Feldzeichen  auf- 
gerichtet ist»,  aus  gleichbed.  ital.  carrocciom., 
mlat.  carrocium  n.,  Ableitungen  von  lat.-kelt. 
carrus  m.  (s.  Karren). 

Karotte,  f.  (PI,  -n):  Möhre.  1616  bei 
Henisch  Carote,  aus  gleichbed.  franz.  carotte  f., 
von  gleichbed.  ital.  lat.  caröta  f.,  gr.  Kapuuxöv  n. 

Karpfen,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  der  Fluß- 
und  Teichfisch  Cyprinus  carpio.  Mhd.  karpfe 
m.,  md.  karpe  und  bereits  1470  wie  noch 
jetzt  sächs.-thüring.  mit  angetretnem  n  karpen 
m.  (Diefenbach  mlat.-hochd.-böhm.  Wb.  61), 
ahd.  chatpho,  carfo,  charofo  m.;  dazu  mnd. 
karpe  m.,  nd.  karpe  f.  (brem.  Wb.  2,  743), 
auch  bei  Hagedorn  1,  73  Karpe,  schles.  1734 
bei  Steinbach  Karpe,  Katpfe  f.,  wetterauisch 
kärbe  f.,  ndl.  karper  m.,  anord.  karfi  m.  (der 
Rotfisch,  perca  norvegica).  Zuerst  belegt  als 
mlat.  carpa  f.  (im  6.  Jh.  bei  Cassiodor  als 
Donaufisch),  später  carpus,  carpo,  carpio  m., 
das  Wort  ist  fast  in  ganz  Europa  verbreitet, 
span.  carpa,  franz.  carpe  f.,  ital.  carpione  m., 
i-umän.  crap;  poln.-russ.  kaip,  czech.  kapr, 
lit.  kdrpa  f.  und  karpis  m.,  kymr.  carp,  cerpyn. 
Man  vergleicht  aiud.  gapharas  m.,  gaphari  «eine 
Karpfenart»,  lit,  söpa^as  «cyprinus  dobula»,  die 
vielleicht  durch  Dissimilation  ein  r  verloren  ha- 
ben. Dann  muß  das  german.Wort  entlehnt  sein. 
Auch  gl',  KUTTpivoc  m.  «Karpfenart»  klingt  an. 

Karre,  f.  (PI.  -w)  und  Karren,  m.  (-s, 
PI.  wie  Sg.):  ein-  und  zweü-ädriges  Fuhr- 
werk. Mhd.  karre,  garre  m.,  selten  karre  f., 
md.  auch  karren  m.  (Meister  Eckhart  414,  31), 
ahd.  carra,  garra  f.  und  carro,  garro  m.;  dazu 
mnd.  kare  f.,  mndl.  karre  f.,  anord,  kerra  f., 
engl.  car.  Aus  lat.-kelt.  carrus  m.  «Trans- 
portwagen», mlat.  carra  f.,  kymr.  cär,  bre- 
tonisch Äarr,  gälisch  carr.  Y gl.  Karch.  ABL. 
karren,  v. :  den  Karren  fahren  oder  schieben, 
1494  bei  Brant  Narrensch.  40,  6  karrhen. 
Kärrner,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Karrenfuhr- 
mann, Karrenzieher,  Karrenschieber,  im  15.  Jh. 
kerner,  dafür  mhd.  karrer  m.    Vgl.  Kärcher. 


997 


£arree 


Kartell 


998 


Karree,  n.  (s,  PI.  -s)  -.  Viereck.  Aus  gleich- 
bed.  franz.  carre  m.,  das  auf  lat.  quadrätum  n. 
zui'ückgeht,  von  gwadräre  »viereckig  machen». 
Im  18.  Jh.  entlehnt  (1712  bei  Hübner  Qwarre). 

Karrete,  f.  (PI.  -n)  -.  kleiner  leichter  Wagen. 
1599  im  Inventarium  Marx  Fuggers  285  Car- 
rette  f.,  aus  gleichbed.  ital.-span.  carreta  f. 
mlat.  carrecta,  von  lat.  carrus  m.  (s.  Karren). 
Dagegen  Schweiz.  Karrete  f.  «Karrenladung, 
kleines  Fuder»,  1561  bei  Maaler  Karreten, 
1310  oberrhein.  karrethe  m.  oder  n.,  von  mlat. 
carrata  f.  «Karrenladung»,  zu  lat.  carrus  m. 

Karriere,  f.  (PI.  -n):  Laufbahn;  voller 
Lauf,  Das  franz.  carriere  f.,  das  auf  ein 
mlat.  carraria  f.  «Wagenweg,  Straße,  Bahn» 
zurückgeht,  von  carrus  m.  «Wagen».  1616 
bei  Wallhausen  Kriegskunst  zu  Pferd  8  u.  12 
Carriera,  Carriere  f.  und  m.  In  Österreich 
und  Bayern  auch  Carriere. 

Karriol,  n.  (s,  PI.  -e)  und  Karriole, 
f.  (PI.  -n):  leichte  zweirädrige  Halbkutsche. 
1714  bei  Wächtler  Cariole  f.,  1728  bei  Spe- 
rander  Cariol  n.,  1790  bei  Pfeffel  poet.  Vers. 
3,  165  Karriol  n.  Über  gleichbed.  franz. 
carriole  f.,  aus  ital.  carriuola  f.,  mlat.  car- 
riola  f.  «Frauenwagen»  neben  carriolus  m. 
«kleiner  Wagen»,  von  lat.-kelt.  carrus  m. 
(s.  Karren).  Dazu  karriolen,  v.:  rasch 
fahren  (1780  bei  \oQ  6,  126  karjolen);  davon 
verschieden  karjölen,  krajölen,  v.:  laut 
schreien,  jauchzen,  juchheien,  norddeutsch 
(bei  Musäus  Volksm.  5,  34  kerjöMen).  Vgl. 
darüber  Schröder,  Streckformen  125. 

Karst,  m.  (-es,  PI.  -e):  zweizinkige  Hacke. 
Mhd.-ahd.  karst.  Der  Plural  1691  bei  Stieler 
und  noch  mundartlich  Kärste,  Anfang  des 
.16.  Jh.  kerst  (Michelsen  Mainzer  Hof  18). 
Unbekannter  Herkunft.  Vgl.  aber  Meringer 
Idg.  Forsch.  17,  120.  ABL.  karsten,  V.: 
mit  dem  ^ars^  aufhacken,  1556  beiFrisius  156*. 

Kartätsche,  f.  (PI.  -n)-.  mit  Kugeln  usw. 
gefüllte   Kanonenpatrone.      1691    bei   Stieler  i 
Kartetsche,  1716  bei  Ludwig  Gartetsche,  Kar- 1 
tatsche  und  Kartutsche.    Aus  ital.  cartoccia  f.  | 
«grobes  Papier»,  cartoccio  m.  «Düte,  Flinten- 1 
patrone»,   franz.  cartouche  f.   «Patrone,    La-  , 
düng,  Kartätsche»,  von  ital.  carfa,  lat.  charta  f. 
«Papier»  (s.  Karte).     ABL.  kartätschen, 
V.:  mit  Kartätschen  schießen,  bei  Carape  1808. 

Kartaüne,  f.  (PI.  -n):  gi-oße,  kurze  und 
dicke  Kanone.  Im  16.  Jh.  Kartane,  Kartone, 
Karthaun,  1489  bei  Lilienci-on  Volksl.  2,  259 
kartune,  1502  kartaüne  (ebd.  2,  479),  1490 
bei    Klüpfel    Urk.  d.  schwäb.  Bundes  1,  82 


quarton,  mnd.  und  ndl.  (bei  Kilian)  kartouive, 
aus  ital.-mlat.  quartana  f.  «Viertelsbüchse», 
d.  h.  Kanone,  die  25  Pfund  schoß,  im  Ver- 
gleiche zu  dem  größten  100  Pfund  schießen- 
den Belagerungsgeschütze,  der  Metzickana 
oder  Scharfmetze  (Fronsperger  Kriegsbuch 
1596  2,  31*),  deshalb  schon  im  15.  Jh.  bei 
Behaim  Wien.  377,  10  virtailpüchs. 

Kartaiise,  f.  (PI.  -n):  Mönchskloster  des 
Kartäuserordens.  Im  15.  Jh.  (im  Gedanken 
an  hüs  «Haus»)  karthüß  f.,  aber  zu  Anfang 
des  15.  Jh.  chartusey  f.  (Diefenbach  gl.  103*^), 
aus  mlat.  Gartiisia,  Garthusia  {CJiartreiise  bei 
Grenoble),  wo  der  Geistliche  Bruno  von  Köln 
den  strengen  Orden  1084  stiftete.  Davon 
Kartäuser,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Mönch 
dieses  Ordens,  1346  oben-hein.  karthüser  (Ger- 
mania 20,  45),  md.  im  14.  Jahrb.  kartüsiere 
(Jeroschin  1346),  im  15,  Jh.  kartheuser  m,- 
(Tucher  Baumeisterb.  137,  7). 

Karte,  f.  (PI.  -n):  steifes  Papierblatt 
zum  Spiel,  zur  Kenntnis  der  Erde  oder  des 
Himmels  in  Zeichnungen,  zu  Besuch,  An- 
kündigmig  usw,;  Kartenspiel;  Steifung  des 
Seidenzeuges.  Spätmhd.  karte  f.  «Stück  Papier 
oder  Pergament,  gemaltes  Blatt,  Spielkarte, 
Kartenblatt»,  wie  ital.  carta,  franz.  carte  f, 
aus  lat,  Charta  f.,  gr.  xäp-xr\c  m.  «Papierblatt, 
dünne  Pappe»,  ABL.  karten,  v.:  Karte 
spielen  (1494  bei  Brant  Narr,  95,  27) ;  bildhch 
das  Spiel  lenken,  und  etw,  schlau  eim-ichten 
(Schiller  Pico.  3,  1;  1701  bei  Chr.  Weise 
überflüss,  Gedank,  400),  vgl,  abkarten.  ZUS. 
Kartenhlatt,  n.,  im  15,  Jh,  bei  Rosenblüt 
kartenplat  Spielkartenblatt.  Kartenhaus, 
n,:  Haus  aus  Spielkarten  als  Kinderspiel, 
1691  bei  Stieler,  Kartenkönig,  m,:  einer 
der  vier  Könige  (urspr,  Weltmonarchen)  der 
Spielkai-te,  1639  bei  Zincgref  1,  391  Gharten- 
König.  Karteuleger,  m.:  Wahrsager  aus 
Spielkarten  (im  16.  Jh.  kartenleger  «Spiel- 
halter», aber  schon  im  15.  Jh,  karten  legen 
«aus  Karten  wahrsagen»  Fasnachtsp.  689,  22). 
Kartenschlägeriu,  f.:  Wahrsagerin  aus 
Spielkarten  (Goethe  27,  284).  Kartenspiel, 
n.:  vollständige  Spielkarte,  ]\litte  des  15.  Jh. 
kartenspil  (Städtechron,  4,  325,  25)  und  mnd, 
kardenspel  (ebd,  7,  392,  9);  das  Spiel  mit  der 
Karte  (1482  im  Voc,  theut.  q  1  ^  kartenspil). 

Karten,  n.  (-S,  PI.  -e):  schriftliche  Her- 
ausforderung zum  Zweikampf;  (schriftlicher) 
Vertrag  (urspr.  zwischen  Kriegführenden, 
1669  bei  Grimmelsh.  Simpl.  22j^  Gartel  n.). 
In   der   ersten   Bed.   1664   bei   Duez  1,  113 

63* 


999 


Kartoffel 


Kasematte 


1000 


Cartel,  aus  gleichbed.  franz.  cartel,  ital.  cartello 
m.,  von  mlat.  cartellus  m.  «Zettel»,  zu  lat. 
Charta  f.  «Papier,  Schriftstück»  fs.  Karte); 
1598  bei  rrischlin  liohenzoll,  Hochzeit  87  f. 
Cartell  f.  «schriftliche  Festsetzung  der  Kampf- 
bedingungen im  Turnier  oder  im  Rin  gelrennen». 

Kartoffel,  f.  (PI.  -n):  WurzelknoUe  der 
Pflanze  Solanum  tuberosum,  sodann  die  Pflanze 
selbst.  1775  bei  Adelung  Kartoffel,  vorher 
Tartuffel  (1664  Tartufflen  bei  Hoffmann  schles. 
Monatsschrift  53,  noch  1776  bei  Hübner  Tar- 
tuffeln  neben  Kartoffeln).  Aus  ital.  tartufolo 
m.,  venezian.  tartufola,  piemontes.  tartifla  f. 
«Trüffel  und  Erdapfel»  (d.  h.  Knolle  der 
Kji  ollen  winde  convolvulus  batates),  von 
gleichbed.  ital.  tartufo  m.  Sonach  ist  der 
Name  von  der  Trüffel  (s.  d.)  und  Batate  auf 
die  im  16.  Jh.  aus  Peru  nach  Spanien,  von 
da  nach  Italien  und  dann  nach  Deutschland 
eingeführte  Kartoffel  als  ähnliches  Erdknollen- 
gewächs übertragen  worden.  Dafür  im  Ost- 
fränkischen Patake,  Potakke  f.,  aus  ital.-span. 
patata,  hatata  f.  «Kartoffel,  Batate»,  das  den 
südamerikanisch.  Indiauersprachen  entstammt. 
Auffallend  ist  span.  cotiifa  f.  «Erdapfel»  und 
gleichbed.  sizilian.  catatuffulu  neben  tirituffulu 
mit  dem  noch  unerklärten  co-  und  cata-, 
ZUS.  Kartoffelapfel,  m,:  die  apfelai-tige 
Frucht  aus  der  Kartoffelblüte. 

Kartön,  m.  (-s,  PI.  -s):  steifes  Papierblatt, 
Pappschachtel;  umgedrucktes  Blatt;  (in  der 
Malerei)  eine  Zeichnung  auf  Papier  von  der 
Größe  des  künftigen  Gemäldes  (1791  beiRoth). 
1728  bei  Sperander  Garton,  aus  gleichbed. 
franz.  carton,  ital.  cartone  m.,  von  lat.  Charta  f. 
«Papier»  (s.  Karte).  Davon  kartonieren,  v. : 
in  Pappdeckel  leicht  einbinden. 

Kartusche,  f.  (PI.  -n):  Zierrahmen,  Rand- 
verzierung (1773  im  Orth.  Handb.);  Pulver- 
roUe,  Patrone;  kleine  Patrontasche.  In  den 
beiden  letzten  Bed.  1694  bei  Nehring  Cartouche. 
Aus  franz.  cartouche  m.  «Zierrahmen,  Rand- 
verzierung» und  cartouche  f.,  ital.  cartoccio 
m.  «Papierrolle,  Patrone»,  und  ital.  cartuccia  f. 
«Papierchen»,  von  lat.  charta  f.  (s.  Karte). 

Karussell,  n.  (-s,  PI.  -e):  Ringelrenneu, 
urspr.  ein  Ritterspiel  zu  Pferd,  jetzt  ein  mit 
Pferden  und  Wagen  besetztes  Drehgestell. 
In  erster  Bed.  1694  bei  Nehi-ing  Caroussel. 
Aus  gleichbed.  franz.  carrousel,  ital.  carosello, 
garosello  m.     Herkunft  unbekannt. 

Karwine,  s.  Karaffe. 

Karwoche,  s.  unter  Karfreitag. 

Kasäcke,  f.  (PI.  Kasacks):  kurzer  Reise-, 


Reitrock.  1581  bei  Fischart  Bienenkorb  157^ 
Kasacke  über  franz.  casaque  aus  ital.  casacca  f. 
«lange  Überjacke»,  dazu  das  franz.  Dim.  casa- 
quin  m.  «kui-zer  Überrock»,  woraus  schon 
mhd.  casagän  m.  «Reitrock»,  noch  schwäb. 
gasgäng  m.  «Mannsrock»,  österr.  kasegen 
«Morgenrock».     Unsichrer  Herkunft. 

kascheln,  v.:  auf  der  Eisbahn  schlittern. 
Mundartlich  in  Schlesien.  Hildebrandt  ver- 
gleicht schwed.  kasa  «gleiten». 

kaschieren,  v.:  verstecken,  verbergen. 
Aus  gleichbed,  franz.  cacher.  1791  bei  Roth. 
Nach  Campe  1813  aus  der  Malersprache.  Vgl. 
vertuschen. 

Kaschmir,  s.  Kasimir. 

Käse,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  dicker  fester 
Stoff  der  geronnenen  Milch,  sowie  daraus 
bei'eitete  Speise  in  fester  Form.  Mhd.  k(Bse, 
ahd.  chäsi  m.;  dazu  and.  kesi,  kiesi,  mnd. 
kese,  mndl.  käse,  nndl.  kaas,  kees,  afries. 
kise,  tzise,  nfries.  tzys,  ags,  cese,  cyse  m., 
engl,  cheese,  aus  gleichbed.  lat.  cäseus  m. 
ABL.  käsen,  v.:  zu  Käse  gerinnen,  Käse 
machen,  1691  bei  Stieler.  Käser,  m.  (-s, 
PI.  wie  Sg.):  Käsemacher  auf  der  Alp;  Alp- 
hütte (ahd.  chasari).  käsicht  (bei  Stieler 
1691)  und  käsig  (bei  Krämer  1678),  adj.: 
käse-  oder  quarkartig.  ZUS.  Käsehutsche, 
f.:  kleiner  Kinderschlitten.  In  Sachsen,  Thü- 
ringen, Magdeburg.  S.  Hutsche.  Käsekäul- 
chen,  n.:  länglich  rundes  Gebäck  aus  Käse 
oder  Quark,  im  17.  Jh.  bei  Weise  Cath.  221 
(Kürschner).  Über  den  zweiten  Teil  vgl.  -Kaule. 
Käsekuchen,  m. :  platter  Kuchen  mit  Quark 
oder  Käsekrümeln  bedeckt,  1516  bei  Pinicianus 
promptuar.  D  6  "^  käßkuoch.  Käseluppe,  f. : 
Milch  gerinnen  machender  Stoff  (s.  Lab), 
mhd.  kcesehqjpe,  ahd.  chesiluppa  f.  Käse- 
model,  m.  und  f.:  Käsenapf  als  Form,  1605 
bei  Hulsius  dict.  Käßmodel  m. 

Kasel,  f.  (PI.  -n),  auch  m.  (-s):  Priester- 
gewand mit  einem  Kreuze  darauf,  besonders 
beim  Meßopfer  in  der  römisch-katholischen 
Kirche.  Mhd.  cäsule,  käsele,  käsel,  im  12.  Jh. 
cäsula  f.  «Meßgewand,  Hülle»,  aus  mlat.  ca- 
sula  f.  «Meßgewand».  Wohl  zu  \sA.casula  f. 
«Hüttchen»  (Dim.  von  lat.  casa  f.  «Hütte, 
Zelt»),  wie  auch  die  mhd.  Nebenform  kasu- 
gele,  casukel,  kasuckel,  mlat.  casuJmla,  casu- 
cula,  ndl.  kasuifel,  franz.  chasiihle,  span.  ca- 
sulla  f.  «Meßgewand»  zeigt,  denn  ital.  casi- 
pola,  casupola  f.  bedeutet  «Hüttchen». 

Kasematte,  f.  (PI.  -n):  AVallge wölbe. 
Ende  des  16.  Jh.   (1593  bei  Schwendi  casa- 


1001 


Kaserne 


Eastagnette 


1002 


niatta,  1616  bei  Wallhausen  KJriegsmanual  35 
Gasematte),  avifgenommen  über  franz.  case- 
mate  (span.  casamata)  aus  ital.  casaniatfa  f. 
«unterirdisches  bombenfestes  Festungsge- 
wölbe», früher  auch  «der  gewölbte  Minen- 
gang  in  den  Festungsbastionen,  von  dem  aus 
die  feindlichen  Minen  nebst  den  Minierem  vor- 
zeitig in  die  Luft  gesprengt  werden  konnten3>, 
1709  bei  Hübner  und  1757  in  Eggers  Kriegslex. 
durch  «Mordkeller»  verdeutscht.  Dies  zielt 
auf  Ableitung  von  span.-ital.-lat.  casai.  «Haus, 
Hütte»  und  span.  niatar  «töten»  (von  lat. 
mudäre  «töten,  zugrunde  richten»),  mata 
«Gemetzel».  Das  ist  aber  nicht  richtig.  Die 
Herkunft  ist  unsicher,  vgl.  Körting. 

Kaserne,  f.  (PI.  -n):  Soldatenhaus.  1703 
im  Zeit.-Lex..  aus  franz.  caserne.  Herkunft  un- 
sicher. Kasernenhof  blute,  f.,  Schlagwort 
im  letzten  Viertel  des  19.  Jh.    Vgl.  Ladendorf. 

Kasimir,  m.  (-s,Pl.-e  und  -s):  feines  Halb- 
tuch  von  spanischer  Wolle.  Aus  span.  casimiro 
m.,  von  dem  Lande  Kaschmir,  aind.  kägmiras. 
1813  bei  Campe.    Jetzt  auch  Kaschmir. 

Kasino,  n.  (-s,  PI.  -s):  Gesellschaftshaus. 
Ende  des  18.  Jh.  (1801  bei  Campe,  «seit  einigen 
Jahren  aus  Italien  herübergekommen»,  aber 
schon  1703  im  Zeit.-Lex.  Casonen  oäer  Cassmen 
«habitacula  der  Soldaten,  wie  die  Baraques»), 
von  ital.  casino  m.,  von  lat.  casa  f.  «Häuschen». 

Kaskade,  f.  (PI.  -w):  Wasserfall.  1709 
bei  Hübner  Cascade,  aus  gleichbed..  franz. 
cascade  f.,  von  ital.  cascata  f.  «Fall»,  zu 
ital.  cascare  «fallen». 

Kask^tt,  n.  (-S,  PI.  -e  und  -s):  helm- 
artige Kopfbedeckung;  eisernes  Helmkreuz 
zum  Schutze  gegen  Säbelhiebe.  1617  bei 
Wallhausen  Corp.  mil.  13  Casquett,  aus  gleich- 
bed. franz.  casquette  f.,  ital.  caschetto  m.,  von 
franz.  casqiie,  ital.- span. cosco  m.  «Helm, Pickel- 
haube», im  Span.  eig.  «Scherbe,  Schädel, 
Kopf»,  zu  Span,  cascar  «zerbrechen,  schlagen». 

Kaspar,  Mannsname,  aus  mlat.  Gasparus, 
einer  der  drei  Weisen  oder  Könige  aus  dem 
Morgenlande.  Durch  die  Sternsingenimzüge 
etwa  seit  dem  15.  Jh.,  deren  Wortführer  der 
schwarze  Kasper  aus  Mohrenland  war,  ent- 
stand einerseits  die  Bezeichnung  schwarzer 
Kasper  für  «Teufel»  (1621  bei  Opel  und 
Cohn  dreißig].  Kr.  77),  andrerseits  die  Bed. 
Kasper  für  «lustige  Person»,  weshalb  im 
18.  Jh.  Laroche  in  Wien  seiner  Erneuerung 
des  alten  Hanswurst  den  Namen  Kasper  gab. 
Davon  Kasperl(e),  m.  n.:  Hanswurst.  Kas- 
perletheater, n.:  Puppentheater. 


Kassation,  f.  (PI.  -en):  Vernichtung  eines 
Urteils;  Amtsentsetzung.  Aus  gleichbed.  franz. 
Cassation  f.  von  casser,  s.  kassieren. 

Kasse,  f.  (PI. -w):  Geldkasten;  Geldvorrat. 
1616  bei  Henisch  Cassa  f.,  aus  ital.  cassa  f. 
«Kasten,  Geldkasten»  (von  lat  capsa  f.  «Be- 
hältnis»), woher  schon  im  15.  -Jh.  casse  f. 
«Behälter». 

Kasserolle,  f.  (PI. -w):  Bratpfanne.  1715 
bei  Amaranthes  Gasserole,  Gastrol,  aufge- 
nommen aus  franz.  casserole  f.  (daher  ital. 
casserola  f.),  in  der  Picardie  und  Champagne 
castrole  f.  «Schmoi-pfanne»,  von  afranz.  casse, 
ital.  cazza  f.   «Tiegel  mit  Stiel,  Kochkelle». 

Kassette,  f.  (PI.  -n):  Kästchen  zu  Hand- 
geldern oder  Schmuck.  1773  bei  Amaranthes 
Gassette,  aus  gleichbed.  franz.  cassette,  ital. 
cassetta  f.,  Dim.  von  cassa  (s.  Kasse). 

Kassiber,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  heim- 
liches Schreiben  unter  Gefangnen  oder  aus 
dem  Gefängnis  nach  außen.  Aus  der  Gauner- 
sprache neuerdings  bekannt  geworden.  Vom 
jüd.  kesvüö  =  hehr,  kethihäh  «Geschriebenes, 
Brief». 

Kassier,  m.  (-s,  PI.  -e):  Kassenführer. 
1616  bei  Henisch  Gassier,  aus  gleichbed.  ital. 
cassiere  m.,  von  cassa  f.  (s.  Kasse).  Das 
gleichbed.  Kassierer,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) 
dagegen,  166-4  bei  Duez  Gassier-er,  Kassierer, 
ist  abgeleitet  von  kassieren  (s.  d.). 

^kassieren,  v.:  bare  Gelder  einziehen 
und  verwahren,  1694  bei  Nehring  cassiren, 
1678  bei  Krämer  einkassiren,  aus  ital.  in- 
cassare  «Geld  einnehmen»,  eig.  «in  die  Kiste 
tun»,  von  ital.  cassa  (s.  Kasse). 

^kassieren,  v.:  vernichten,  für  ungültig 
erklären;  des  Amtes  entsetzen  (1617  bei  Wall- 
hausen Corp,  mü.  63  cassiren,  von  Soldaten). 
In  der  ersten  Bed.  1532  in  der  peinl.  Ge- 
richtsordnung Karls  V.  §  135  cassiren,  schon 
1331  kölnisch  casseirn,  aus  gleichbed.  franz. 
casser,  ital.  cassare,  von  lat.  cassus  «leer», 
(bildlich)  «nichtig»,  woraus  im  15.  Jh.  österr. 
cass  «nichtig,  ungültig». 

Kastagn^tte,  f.  (PI.  -n)  -.  die  Tanzklapper, 
ausgehöhltes  rundes  Holzstückchen,  das  durch 
Anschlagen  an  ein  entsprechendes  zum  Klappen 
gebracht  wird.  1678  bei  Ki-ämer  Gastagnete, 
1664  bei  Duez  1,  115  Kastaniet,  1618  in  den 
Spanischen  Prakticken  19  Gastanete  f.,  über 
gleichbed.  franz.  eastagnette,  aus  span.  castor 
Üeta  f.  neben  castaflnela,  wegen  der  Ähn- 
lichkeit der  Gestalt  nach  der  Kastanie  (s.  d.) 
benannt. 


1003 


Kastanie 


Kasns 


1004 


Kastanie,  f.  (PI.  -«),  in  Süddeutschland 
Kästen,  Käste,  f.:  die  Frucht  des  Kasta- 
nienbaumes, auch  der  Baum  selbst.  In  der 
1.  Bed.  bei  Luther  (l.  Mos.  30,  37)  viersilbig 
Gastanee,  mhd.  castäne,  ahd.  castänie  (Stein- 
meyer-Sievers  3,  552,  7),  deutsch  geformt 
mhd.  kestene,  kesten,  ahd.  chestinna,  kestina  f. ; 
daneben  oberd.  im  14.  Jh.  kestenze,  im  15. 
bis  17.  Jh.  kestnitz,  1561  bei  Maaler  der  PI. 
Kestetzen;  dazu  mengl.  chestein,  chastein,  ca- 
stani,  engl,  chestnut  (mhd.  kestennu^).  Aus 
lat.  castanea  f.,  abgeleitet  von  dem  gleichbed. 
gr.  KocTOv^a  f.,  Kdcxavov,  koctciviov  n.,  benannt 
nach  der  Stadt  Kastana  (Kdcxava)  in  der 
Landschaft  Pontus  am  Schwarzen  Meer,  die 
von  Kastanienwäldern  umgeben  war  (Dios- 
korides  2, 407, 145).  ZUS.  Kastanieubaum, 
m,,  bei  Luther  (Hes.  31,  8)  Castaneenhaunn, 
mhd.  castänien-,  kastänen-  und  kestenboum, 
ags.  eisten-,  cystbeam  m.  kastanienbraun, 
adj.,  um  1480  kestprun  Voc.  ine.  teut.  12% 
bei  Luther  castanenhraun. 

Kaste,  f.  (PI.  -n):  erblicher,  dann  über- 
haupt sich  streng  abschließender  Stamm  oder 
Stand.  In  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jh. 
(bei  Wieland  7,  313  vom  J.  1772)  über  franz. 
caste  aus  (span.)-port.  casta  f.  «Rasse,  Ge- 
schlecht, Gattung»,  eig.  «etwas  Unvermisch- 
tes»,  vom  lat.  Adj.  castus  «rein».  ZUS. 
Kastengeist,  m.,  Schlagwort  seit  den  90  er 
Jahren  des  18.  Jh.     Vgl.  Ladendorf. 

kasteien,  v.:  züchtigen,  beschränkend 
quälen,  dui'ch  Fasten  usw.  quälen,  das  Fleisch 
kreuzigen.  Bei  Luther  casteyen,  md,  kastigen, 
kestigen,  kestln,  und  im  15.  Jh.  kastyen, 
kesteyen,  mhd.  kestigen  (weshalb  noch  im 
16.  Jh.  kestigen,  kästigen),  ahd.  castigon, 
kestigon;  dazu  mnd.  kastien,  mndl.  castien. 
Mit  Einführung  des  Christentums  entlehnt 
aus  lat.  castigäre  «zui-echtweisen,  strafen, 
züchtigen,  zügeln».  ABL.  Kast^iong,  f. 
(PI.  -en),  md.  kastiunge  (Jeroschin  25644) 
und  kästigunge,  mhd.  kestigunge,  spätahd. 
chestigunge  f. 

Kastell,  n.  (-S,  PI.  -e):  kleine  Festung. 
Mhd.-ahd.  kastei  n.,  aus  lat.  castellum  n., 
Dim.  von  lat.  castrum  n.  «Festung,  Bui-g», 
woraus  ags.  ceaster,  cester  f.  «Stadt,  Burg». 
Dazu  Kastellan,  m.  (-s,  PI.  -e):  Burg-, 
Schloßvogt,  Hausbeschließer,  mhd.  kastelän, 
mlat.  castellanus  ra.,  von  lat.  Adj.  castellänus 
»zum  Kastell  gehörig». 

Kasten,  m.  (-s,  PI.  Kasten,  Kästen): 
viereckiges  Behältnis  mit  oder  ohne  Deckel; 


(soldatisch)  Gefängnis;  früher  auch  «Schatz- 
kasten» (der  gemeine  Kasten  «Gemeinde-, 
Staatskasse»,  bei  Luther),  der  landesfm*st- 
liche  oder  klösterliche  Speicher,  wohin  die 
Getreideabgaben  eingeliefert  wurden,  und 
dessen  Verwaltung  (schon  Anfang  des  14.  Jh. 
daher  Kastner,  Kästner  m.  «Abgabenver- 
walter, Rentmeister»,  mhd.  im  14.  Jahrh. 
kastener,  kastner,  md.  kestenere,  verschieden 
von  Kästner  m.  «Kastenmacher,  Tischler», 
1420  bei  Diefenbach  gloss.  124^  kestener). 
Mhd.  käste,  ahd.  (7.  Jh.)  chasto,  casto  m. 
(auch  künstliche  Metallhöhle  zur  Einfassung 
des  Edelsteins,  Siegelkapsel,  Getreide-,  Korn- 
behälter), ndl.  käst,  kas  n.  Vielleicht  mit 
ableitendem  t  und  deshalb  haftendem  s  von 
got.  kas  «irdenes  Gefäß»,  ahd.-mhd.  kar  n. 
«Gefäß,  Trog,  aus  Brettern  gemachter  Be- 
hälter». Aus  dem  Germanischen  entlehnt 
ital.  castone  m.  «Metallhöhle  zur  Einfassung 
des  Edelsteins».  Die  ui-spr.  schwache  Dekli- 
nation ist  seit  dem  16.  Jh.  in  die  starke 
übergegangen;  der  Plur.  Kästen  schon  bei 
H.  Sachs  und  Fischart  Garg.  441.  Vgl.  Kiste. 
ZUS.  Kastenmeister,  m. :  Kassenverwalter, 
1541  bei  Frisius  Sß^. 

Kastor,  m,  (-s,  PI.  -s):  der  Biber;  Hut 
von  Biberhaaren  (1664  bei  Duez  1,  115, 
Gastorhut  1678  bei  Ivrämer).  Aus  gr.-lat. 
castor,  gr.  Kdcrujp  m.  «Biber». 

Kasträt,  m.  (-en,  PI.  -en):  Hämling,  Ver- 
schnittner. 1728  bei  Sperander  Gastrat,  1709 
bei  Hübner  Gastratus,  aus  ital.  castrato,  mlat. 
castratus  m.,  zu  ital.  und  lat.  casträre  «ver- 
schneiden», wovon  kastrieren,  1693  bei 
Kramer  ital.  Wb.  castriren. 

Kaströl,  s.  Kasserolle. 

Kasuar,  m.  (s,  PI.  -e):  dem  Strauß 
ähnlicher  Vogel  in  Hinterindien  undAustralien 
(1597  zuerst  bekannt).  1628  bei  Münster 
Cosmogr.  S.  1603  Kasewaris.  1712  bei  Hübner 
Gasuar,  nach  ndl.  casuaris  m.  aus  malayisch 
kasmväris. 

Kasus,  m.  (Gen.  imd  PI.  ebenso):  Fall, 
Vorfall,  Begebenheit ;  grammatische  Biegungs- 
form. Aus  gleichbed.  lat.  casus  m.  Dazu 
kasuäl  und  kasuell,  adj.:  zufällig,  den 
BiegungsfaU  betreffend,  1694  bei  Nehring 
casuel,  aus  franz.  casuel,  lat.  cäsuälis,  Adj. 
zu  lat.  casus.  Kasuälien,  pl.:  gelegentliche 
Amtsverrichtungen  (der  Geistlichen);  Ver- 
gütung dafür,  eig.  Neutr.  Plur.  des  lat.  Adj. 
cäsuälis.  1813  bei  Campe  casualia.  kasu- 
istisch, adj.:  spitzfindig.   Von  Kasufst,  m. 


1005 


Katafalk 


Katharine 


1006 


(-en,  PI.  -eil),  aus  nlat.  camiista  «der  über 
Gewässensfragenliest  oder  schreibt».  Im  17.  Jh. 

Katafalk,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  Leichen-, 
Trauergerüste.  1709  bei  Hübner  Catafalco 
m.,  1773  bei  Amaranthes  Catafalque,  aus  gleich- 
bed.  ital.  catafalco  m.,  (daraus  franz.  catafalque 
m.  echt  franz.  cJuifaud).     Herkunft  unklar. 

Katakombe,  f  (PI.  -n) :  Leichengewölbe, 
Felsenhalle.  1728  bei  Sperander  Catacomhe, 
aufgenommen  aus  ital.  catacomba,  franz.  cata- 
camhe  f ,  von  lat.  catacuniba  f.  «Grabgewölbe». 

Katalog,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  Verzeichnis, 
Bücher-,  Stundenverzeichnis.  Cafalog  1531 
bei  Hedio  Jo^ephus  Titel,  aus  gr.-lat.  cata- 
logus,  gr.  KOTäXo-foc  m.,  ui'spr.  «Aufzählung, 
Aufzeichnung»,  von  gr.  KaTaXifew  «herer- 
zählen, auslesen».  Früher  der  Vlur.  Katalogen 
(noch  bei  Goethe  47,  143).  Dazu  katalogi- 
Siereu,  v.:  ein  Verzeichnis  anfertigen,  erst 
im  19.  Jh.,  dafür  bei  Goethe  33,  255  und 
schon  bei  A.  Gryphius  (1698)  1, 757  katalogiren. 

Katarakt,  m.  (-es,  PI.  -e) :  großer  Wasser- 
fall. 1566  bei  Paracelsus  Baderbüchlin  6,  6 
Cataracten  m.,  aus  gleichb.  lat.  Cataracta  f.,  gr. 
KaTappdKxricm.,  von  Karapctcceiv  «herabstürzen». 

Katarrh,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  Schnupfen, 
Durch  die  Ärzte  des  17.  Jh.  in  Umlauf  ge- 
kommen (Catarr  1616  bei  Albertinus  Lucifer 
367  Liliencr.),  aber  schon  1516  bei  Pinicianus 
prompt.  Gr2^  catarr,  aus  gleichbed.  gr.-lat. 
catarrhus,  gr.  Karäppouc  m.,  eig.  «HerabfluJj», 
von  KCToppeiv  «herabfließen».  Die  einheimi- 
schen Namen  waren:  ahd.  tampho,  dempho, 
mhd.  dampfe  m.  (abgeleitet  von  Dampf), 
mhd.  vlö^e  f.  vmd  struche  f.,  noch  bap-. 
Sträuchen  f.  Vgl.  auch  Pfnüsel.  ABL. 
katarrhalisch,  adj.,  im  18.  Jh.,  dafüi-  1678 
bei  Krämer  catharrisch. 

Kataster,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Steuer-, 
Flui--,  Lagerbuch.  1694  bei  Nehring  Catastrum 
n.,  ital.  catastro  m.  «Zins-,  Steuerregister». 
Herkunft  unsicher. 

Katastrophe,  f.  (PI.  -n):  eintretender 
Wendepunkt  in  etwas;  trauriges  Ereignis 
(meist  elementarer  Art).  1710  bei  Behring 
Catastrophe,  durch  franz.  catastrophe  f.  aus 
gr.-lat.  catastropha  f.,  gr.  Katacrpocpri  f.  «Um- 
kehr, Wendung,  im  Drama  der  Wendepunkt 
der  Handlung  zur  Auflösung  des  geschürzten 
Knotens»,  zsg.  aus  Kard  «nieder,  wider,  um», 
und  cTpoqpri  f.  «das  Drehen,  Wenden». 

Kate,  f.:  Tagelöhnerhütte  auf  dem  Lande, 
in  Norddeutschland,  1652  bei  Lauremberg 
Kate  m.,  (s.  Kote.) 


Katechese,  f.  (PI.  -n)-.  Unten-icht  in 
Frage  und  Antwort,  besonders  solcher  Re- 
ligionsunterricht. 1710  bei  Nehring  Catechesis. 
Aus  gleichbed.  kirchenlat.  catechesis  f,  von 
gl".  KOTrixncic  f.  «Unterricht».  —  Katechet, 
m.  {-en,  PI.  -en):  fragweise  unterrichtender 
Lehrer,  bes.  in  der  EeHgion.  1714  bei  Wächtler 
Katechete,  1728  bei  Sperander  Catechet,  aus 
gr.  Kaxrixrixric  m.  «Untenicht ender,  Lehrer». 
Davon  katechetlsch,  adj.,  kirchenlat.  cate- 
cheticus  «zum  mündlichen  Unterrichte  ge- 
hörig». —  katechisiereu,  v.:  fi-agweise  in 
der  Religion  unterrichten,  1576  bei  Mathesius 
Luther  158^  catechisiren ,  aber  schon  mhd. 
cathezizieren,  aus  kirchenlat.  catechizare,  von 
gr.  KttTrixiceiv  «unterrichten».  Davon  Kate- 
chisatiön,  f.,  mlat.  catechizatio  f.  —  Kate- 
chismus, m.  (Gen.  ebenso,  71  Katechismen): 
Religionsbuch  in  Frage  und  Antwort,  im 
16.  Jh.  aus  kii'cheulat.  catechismus  m.  «Reli- 
gionsbuch zum  ersten  Unterricht»,  gr.  Kaxri- 
Xiciaöc  m.  «Unterricht»,  von  KaxrixiZ^eiv  «unter- 
richten». Allen  diesen  Wörtern  liegt  zugi-imde 
gr.  Koxrixeiv  «wider-,  entgegentönen»,  dann 
(zuerst  bei  den  Stoikern)  «mündlich  belehren, 
unterrichten»,  zsg.  aus  Kaxd  «wider,  ent- 
gegen», und  f]xe\v  «schallen,  tönen»,  wovon 
Echo  (s.  d.). 

Kategorie,  f.  (PI.  -n)-.  der  allgemeinre 
Begriff,  unter  den  etwas  gefaßt  wird,  Begi'iffs- 
fach.  Im  18.  Jh.  aus  gr.-lat.  categöria,  gr. 
KaxiTfopia  f.  «Anklage,  einer  Person  oder 
Sache  beigelegte  Eigenschaft,  Prädikat»,  zu 
KaxTifopeiv  «gegen  jem.  reden,  anklagen», 
von  Koxd  «wider»  und  äyopeüeiv  «reden». 
Dazu  kategorisch,  adj.-.  unbedingt  und 
entschieden,  rund  heraus,  ohne  Umschweif, 
bei  Londorp  1,  459*  vom  J.  1619  categorisch, 
von  gr.-lat.  categoriciis,  gr.  KarriYopiKÖc  «zui- 
Anklage,  zum  Prädikat  gehörig». 

Kater,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  Männchen 
der  Katze.  Mhd.  katere,  kater,  spätahd. 
chater e  m.;  dazu  mnd.  und  ndl.  kater  m., 
anord.  köttr  m.  S.  Katze.  In  der  studenti- 
schen Bed.  «Katzenjammer»  (erst  um  die  Mitte 
des  19.  Jh.)  wohl  umgebildet  aus  Katarrh. 

Katharilie,  Frauenname,  gr.-lat.  Catha- 
rina,  d.  i.  «die  Reinliche,  Sittenreine»,  von 
gr.  KoGapöc  «rein,  unbefleckt,  sittlich  rein». 
Das  Dim.  ist  Katharinchen ,  Kathrinchen 
(Goethe  Faust  3684),  gewöhnhch  aber  Käth- 
chen.  Die  schnelle  Katharina  «der  Dm-ch- 
fall»,  1669  bei  Grimmeishausen  Simpl.  117; 
es  scheint  entstanden  als  Schulwitz  und  ver- 


1007 


Katheder 


Katze 


1008 


hüllender  Ausdruck  im  Gedanken  an  das 
von  KaGapöc  abgeleitete  gr.  Koieapiua  n.  «Rei- 
nigung, Auswui-f». 

Katheder,  m.  und  n.  (-5,  PI.  wie  Sg.): 
erhöhter  Lehrstuhl.  Im  18.  Jh.  auch  Fem. 
(Günther  642,  Lessing  10,  105),  1678  bei 
Krämer  Catheder  m.,  aus  gr.-lat.  cathedra, 
gr.  KoG^bpa  f.  «Stuhl,  Armsessel»,  dann  «Lehr- 
stuhl» und  im  Lat.  büdlich  «Lehramt».  ZUS. 
Kathedersozialist,  m.,  Spottname  für 
Professoren  der  Volkswirtschaft  mit  soziali- 
stischen Anschauimgen.  1871  von  Oppenheim 
gebraucht  und  zum  Schlagwort  geworden. 
Vgl.  Ladendorf. 

Kathedrale,  f.  (PI.  -n):  bischöfliche 
Hauptkirche.  1710  bei  Nehring  Cathedral, 
1541  im  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  3,  Nr.  1422 
Gathedralkirche,  abgeleitet  von  lat.  cathedrälis 
«zum  Sessel»,  d.  h.  «zum  Bischofssitze  ge- 
hörig», zu  lat.  cathedra  f.  (s.  Katheder),  im 
Mlat.  «Bischofssitz». 

Katheter,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  chirur- 
gisches Instrument,  Im  17.  Jh.  (1694  bei 
Nehring)  Catheter,  aus  gr.-lat.  catheter,  gr. 
KaBexrip  m.  «Sonde,  feines  Röhrchen  zum 
Einlassen  in  die  Harnröhre»,  von  KuOidvai 
«herablassen,  einsenken». 

Kathode,  f.  (PI.  -n):  elektrischer  Strom- 
ausführer.  Von  gr.  KctG-oboc  f.  «der  Weg 
hinab».     In  der  neuem  Elektiizitätslehre. 

Katholik,  m.  {-en,  PI.  -en):  Anhänger 
der  katholischen  Kirche  (bei  Goethe  [Egmont] 
8,  204  der  Katholike,  auch  sonst  md.).  1762 
im  Nouv.  dict.  kathÖllsch,  adj.:  allgemein 
christlich,  rechtgläubig.  Von  kii-chenlat. 
catholiciis ,  gr.  Ka9oXiKÖc  «allgemein»,  dann 
«kirchlich  rechtgläubig»,  von  koBöXou,  adv.  «im 
ganzen,  im  allgemeinen»,  zgs.  aus  kutoI  «durch 
hin»  und  öXoc  adj.  «ganz,  ungeteilt».  (1547  in 
der  Zimm.  Chi-on.  ^  3,  377  die  Gatollischen.) 
Katholizismus,  m. :  der  römisch-katholische 
Glaube.     Ende  des  18.  Jh.  aufgekommen. 

Kätuer,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Besitzer 
einer  Kate;  s.  unter  Kote. 

Kattun,  m.  (-S,  PI.  -e):  mit  Mustern 
bedi'ucktes  dünnes  leichtes  Baumwollenzeug. 
Schon  mhd.  cottun  m.  (Walther  von  Rheinau 
31,  30),  1691  bei  Stieler  Kadun,  Kattun,  aus 
ndl.  kottoen  (1598  bei  Kiliaii),  kattoen,  katoen  n. 
«Baumwolle,  BaumwoUenzeug»,  das  wie  franz. 
coton,  ital.  cotone,  span.  alcoton,  algodon  m, 
«Baumwolle»  überkommen  ist  aus  arab. 
{al)-qüton  «Baumwolle,  Kattun».  In  Schlesien 
und  Brandenburg  mit  eingeschobnem  r  (wie 


in  Karnickel)  Kartun,  1699  im  schles.  Helicon 
1,  349  cartun.  ABL.  kattunen,  adj.:  aus 
Kattun,  1647  bei  Olearius  392  cattunen,  ndl. 
1598  bei  Kilian  kottoenen  «baumwollen». 

katzbalj^en,  v.  refl.:  sich  lärmend  halgen 
(s.  d.)  gleich  den  Katzen.  1508  bei  Keisers- 
berg  Predigen  144 '\  abgeleitet  von  Katzbalg 
m.  «lärmender  Zank»  (1531  bei  S.  Franck 
Chron.  12  ^  Katzpalg).  Davon  Katzbalgerei, 
f.:  lärmender  Streit,  1659  bei  Butschky 
Kanzell.  416. 

Kätzchen,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  walzen- 
förmige Baumblüte.  Mrhein.  im  15.  Jh. 
ketzgin  (Diefenbach  gl.  165^),  um  1480  im 
Voc.inc.teut.  p  2^palmketzel;  dazu nd.  kättjen, 
ndl.  katte  und  katteken  bei  Kilian  (sonst  auch 
kattenstaarten  «Katzenschwänze»),  mengl. 
chatt,  engl,  catkin.  Das  Weiche,  Wollige 
der  Blütengestalt  verglichen  mit  dem  zai-ten 
Fell  der  jungen  Katze. 

1  Katze,  f.  (PI.  -n):  Geldgurt.  Erst  1731 
in  der  Insel  Felsenburg  1,  353  Katze,  1,  360 
Geldkatze.  Nd.  katte  f.  «langer  lederner 
Geldbeutel,  den  reisende  Kaufleute  um  den 
Leib  binden»  (1767  im  brem.  Wb.),  mund- 
artlich-schwed.  katt  f.  «Geldbeutel,  gewöhn- 
lich von  Katzenfell»  (Rietz  313^). 

^ Katze,  f.  (PI.  -n):  das  hohe  Werk  des 
Bollwerkes.  Mhd.  katze  f.  «bewegliches 
Schutzdach  der  Belagerer  zum  Untergi-aben 
der  Mauern»  (ebenso  mndl.  catte,  mlat.  cattus 
m.  und  catta  f.,  urspr.  «Kater»  und  «Katze», 
benannt  wohl  nach  der  Gestalt  und  dem 
Heranschleichen  des  Tieres,  s.  Schultz  höf. 
Leben  2, 406 f.),  auch  der  «Sturmbock»  selbst, 
dann  «das  Gerüst»,  worauf  die  Steinschleuder 
(mhd.  hltde)  steht;  daher  übertragen  seit 
Anfang  des  17.  Jh.  eine  besonders  erhöhte 
Schanze  zur  Beherrschung  der  übrigen  Fe- 
stungswerke (1602  bei  Kirchhof  Militaris 
disciplina  11  imd  175). 

^Katze,  f.  (PI.  -n):  das  Haustier  zum 
Fangen  der  Mäuse;  Raubtierart.  Mhd.  katze, 
ahd.  kazza  f.;  dazu  mnd.-mndl.-afries.  katte, 
ndl.  kat,  engl,  cat,  anord.  ketta,  nnorw.  kjetta, 
katta,  schwed.  katta  f.,  anord.  köttr,  schwed. 
1  katt,  dän.  kat  m.  Ein  weitverbreitetes  Wort, 
dessen  Herkunft  unsicher.  Vgl.  lat.  cattus, 
catta,  ir.  cat,  kymr.  cath,  bret.  kaz,  franz. 
Chat  m.,  chatte  f.,  lit.  kate  f.  Vgl.  Sainean 
La  creation  metaphorique  en  fran9ais  et  en 
roman  5  ff.  Die  Form  kater  scheint  r  aus  s 
zu  enthalten,  vgl.  das  ndd.  käz.  RA.  Das 
ist   für    die  Katze:    das    ist    wertlos.      Bei 


1009 


kauchen 


kauen 


1010 


Bm-khard  Waldis  4,  62 ;  Katz  aushalten  (Les- 
sing  Minna  3,  10),  die  Katze  halten  (H.  Sachs 
17,  207):  in  einer  peinlichen  Lage  aushalten. 
Herkunft  unbekannt.  Die  Katze  im  Sacke 
kaufen:  etwas  unbesehens  kaufen,  1741  bei 
Frisch.  ZUS.  katzenäugig,  adj.:  grünlich- 
grau, 1537  bei  Dasypodius.  Ratzenbnckel, 
m,,  bildlich  von  demütigen  schmeichlerischen 
Verbeugungen,  bei  Lessing  Minna  1,3,  Katzeil- 
gold,  n,:  goldglänzender  Glimmer  (1546  bei 
G.  Agricola  473);  ausfließendes  goldgelbes 
Kirschhai-z  (im  15.  Jh,  kaczen  golt  bei  Diefen- 
bach  gloss.  263°,  clev,  1477  cattengolt,  schon 
in  den  altmd.  Glossen  zu  Heinrici  summarium 
9,  22  kazzengolt),  ui'spr.  Bed.  «falsches  Gold». 
Katzenjammer,  m.,  Geheul  der  Katzen 
zur  Laufzeit;  bildlich  Übelbefinden  nach  Lust- 
barkeit (bei  Kluge  Studentensprache  98  vom 
J,  1768).  Katzenkopf,  m.,  übertragen 
Dummkopf'  (Lessing  i,  393);  Ohrfeige;  ein 
kleines  kurzes  Geschütz,  Böller  (1748  im 
westphäl.  Kobinson  240),  wie  es  scheint  Über- 
tragung von  ^Katze.  Katzenkraut,  n.: 
die  wegen  des  GeiTicbs  von  den  Katzen  ge- 
Kebte  Pflanze  nepeta  cataria,  mhd.  im  14.  Jh. 
katzenkrüt  n.  Katzenmusik,  f.:  Katzen- 
geheul (1691  bei  Stieler);  ohrenzerreißende 
Musik  (Goethe  3,  334),  als  Verhöhnung  (Lenz 
1,  215).  Vgl.  Ladendorf.  Katzensilber,  n.-. 
silberglänzender  Glimmer,  1530  bei  G.  Agricola 
Bermannus  134,  eig.  falsches  Silber,  vgl. 
Katzengold.  Katzensprung,  m.,  bildlich, 
kurzer  Weg,  1691  bei  Stieler.  Katzentisch, 
m.:  im  Winkel  abseits  der  großen  Speise- 
tafel stehendes  Tischchen,  1674  bei  Abele 
künstl.  ünordn.  5,  404  Katzentischl  n,,  ähn- 
lich wie  Katzenhänklein  (1646  bei  Moscherosch 
Philander  1, 124).  An  dem  Katzentisch  sitzen 
hieß  im  Klosterleben,  wenn  der  strafver- 
büßende Mönch  im  Konvent  statt  an  der 
Tafel  auf  der  Erde  sitzend  seine  schmale 
Mahlzeit  einnehmen  mußte,  wo  ihm  die  Kloster- 
katzen Gesellschaft  leisteten  (1749  bei  Balth, 
Schäffer  Tanzmeister  18,  s.  Gr.  Wb.  5,  1239). 

^kauchen,  v.:  seinen  Körper  der  Länge 
nach  zusammenziehen,  kauern,  noch  md.  In 
oberd.  und  md.  Mundarten  eine  Nebenform 
Jiauchen,  im  15.  Jh.  in  den  Fastnachtsp.  1349, 
nd.  hüken  (vgl.  hocken). 

^kauchen,  v.:  hauchen;  gepreßt  atmen. 
Mhd.küchen,  im  16. — 18.  Jh. öfter  vorkommend, 
noch  bayr.  katichen,  Schweiz,  ch^'che.  Wohl 
für  hauchen  unter  Einfluß  von  mhd.  kichen, 
s.  keuchen. 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


^kaudern,  v.:  kollern  wie  der  Truthahn 
(1541  beiFrisius  [cucuriol  vom  Haushahn  chu- 
teren  wie  ein  Han,  wenn  er  ein  Hun  decken 
wil,  bei  Calepinus  kautern) ;  undeutüch  reden, 
plappern  (Schiller  1,  213,  vom  J.  1782,  schwäb. 
küdern,  im  15.  Jh.  kaudernetsch  f.  «Plapper- 
mädchen, zu  Schweiz.  Nefsch  f.  «Plauderin», 
von  netschen  «plaudern»).  In  der  urspr.  Bed. 
offenbar  tonmalend. 

^kaudem,  v.:  Zwischenhandel,  wucheri- 
schen Kleinhandel  treiben.  1775  bei  Adelung 
als  oberdeutsch;  1551  in  Petrarcas  Trost- 
büchem  52*  kauderer  m.  «Wucherer».  Noch 
bayrisch-schwäbisch. 

kauderwelsch,  adj.:  durch  Fremdartiges 
unverständlich,  verworren.  1521  bei  Emser 
Quadruplica  C  1^  aiderwelsch,  1566  bei  Mathe- 
sius  Luther  260  kauderwelsch  (aus  Luthers 
Munde),  dann  1577  bei  Fischart  Flöhh.  3111 
Kuderwelschn.  (von  der  macaronischen Sprech- 
weise) und  1572  in  Pract.  Großm.  11  der 
Plur.  Kuderwelschen  (fremdländische,  italie- 
nische Händler,  wie  sie  damals  in  Süddeutsch- 
land häuüg  waren).  Schon  1379  in  Eain 
am  Lech  als  Eigenname  Berchtold  KJiaicder- 
walch  (ZfdA.  4,  578).  Das  Wort  ist  ent- 
weder entstellt  aus  churioelsch  mit  Anleh- 
nung an  kaudern  (1587  bei  Mathesius  Dilu- 
vium 364''  CfiunraUen  wohnen  in  den  Alben, 
die  wir  Cauderwelsche  nennen),  oder  der  erste 
Bestandteil  gehört  zu  kaudern-,  Kauderwelsch 
also  urspr.  die  Sprache  der  fi-emdländischen 
Händler  (s.  welsch). 

Kaue,  f.  (PI,  -n):  Hütte  der  Berg-  und 
Waldleute  mit  kleinen  Löchern  statt  der 
Fenster,  Schachthäuschen.  Im  16.  Jh.  kawe, 
kaue,  im  15.  Jh.  auch  keue,  mhd.  und  md. 
kowe,  kouwe,  nebenbei  köuwe  f.  Mit  ndd. 
Koje  (s.  d.),  zurückgehend  auf  lat.  cavea, 
später  noch  einmal  als  Käfig  entlehnt). 

kauen,  v.:  mittels  der  Zähne  zermalmen. 
Aus  dem  Md.,  mit  schwacher  Flexion,  die 
bereits  im  16.  Jh.  die  übliche  ist;  mrhein. 
im  14.  Jh.  küwen,  Prät.  kmvede,  als  Neben- 
form mhd.  kouwen,  ahd.  couön;  dazu  ndl. 
1598  bei  Kilian  kawen,  kouwen,  kmven,  nndl. 
kaauwen.  Aber  die  urspr.  hochd.  und  noch 
in  wiederkäuen  geläufige  Form  ist  käuen 
(bei  Rückert  11,  276,  bei  Duez  1664  käiven, 
im  16.  Jh.  kewen),  ehedem  starkbiegend:  mhd. 
kiuwen  (Prät.  kou,  Part,  gekomven),  ahd, 
kiuwan;  dazu  ags.  ceowan,  engl,  cheto,  anord. 
tygyja,  tyggva,  schwed. tugga,  dän.  tygge.'ürver- 
wandt  mit  ahg.  z(i)vati  «kauen,  wiederkäuen». 

64 


1011 


kauern 


Kaule 


1012 


kauern,  v.:  liocken.  Erst  1727  bei  Aler 
kaueren,  1734  bei  Steinbach  sich  kauern,  aber 
lange  im  18.  Jh.  als  niedrig  angesehen.  Neben 
der  weit  altern  Form  hauren  (1556  bei  Frisius 
898^),  Schweiz.  1561  bei  Maaler  und  spätmhd. 
küren,  wie  kauchen  (s.  d.)  neben  hauchen, 
die  vielleicht  durch  den  Einfluß  von  hocken 
entstanden  ist.  Dazu  mnd.  kuren  «spähend 
schauen»  (?),  mengl.  couren,  engl,  cotver 
«kauern»,  mundartlich -schwed.  kura  «sich 
kauern,  bes.  um  zu  faulenzen  oder  sich  zu 
verbergen»,  dän.  kure  «still  sitzen  oder  liegen». 
Wohl  urverwandt  mit  gr.  yüpöc  «krumm, 
gebogen»,  yöpoc  m.  «Kreis»,  arm.  c%r  «schief, 
krumm,  gebogen». 

Sauf,  m.  (-[e]s,  PI.  Käufe) :  Ertauschung 
oder  Erwerbimg  gegen  bares  Geld.  Mhd. 
kouf  m.  «Handel,  Geschäft,  Kauf  und  Ver- 
kauf, Ware,  Kaufpreis»  (daher  nhd.  leichten 
Kaufes,  «billig,  ohne  Schaden»,  eig.  «mit  Zah- 
lung eines  geringen  Kaufpreises»),  ahd.  koufm. 
auch  «Tausch,  Wechsel»;  dazu  asächs.  cöp  m., 
mnd.  köp  m.,  ndl.  koop,  ags.  ceap  m.  «Kauf, 
Kaufpreis,  Habe,  Vieh»  (wie  denn  in  ältester 
Zeit  aller  Kauf  ein  Tausch  und  das  Haupt- 
tauschmittel, Vieh,  die  bedeutendste  Habe 
war),  engl,  cheap  «billig»  (eigentlich  good  cheap 
«als  guter  Kauf»),  afries.  käp  m.,  anord.  kaup 
n.  «Ersatz,  Bezahlung,  Preis,  Tausch,  Kauf- 
handel», schwed.  köp,  dän.  kjöh.  Davon  ahd. 
koufo  m.  «Handelsmann,  Aufkäufer  und  Ver- 
käufer», und  weiter  kaufen,  v.,  mhd.  kaufen, 
ahd.  koufon  «Handel  treiben,  erkaufen  und 
verkaufen,  eintauschen»;  dazu  asächs.  cöpon 
«erhandeln»,  got.  käupön  «Geldgeschäfte 
treiben».  Die  noch  in  md.  Mundarten  (kefen) 
übliche  Nebenform  keufen,käufen  (15. — 17.  Jh.) 
beruht  auf  mhd.  keufen,  ahd.  choufan;  dazu 
and. cöpmw,  afries.  käpia,  ags.ceapian  «handeln, 
erkaufen»,  cypan  «verkaufen»,  anord.  kaupa 
(Prät.  keypti).  Die  Herkunft  des  Wortes  ist 
umstritten.  Man  nimmt  jetzt  gewöhnlich  an, 
daß  ahd.  koufo  aus  lat.  caupo  «Schenkwirt, 
Händler»  stammt  (glossiert  mit  KdirriXoc, 
■rravboxeuc,  negotiator).  Davon  wäre  got. 
kaupön  abgeleitet  und  kauf  zurückgebildet. 
Wegen  der  got.  Form,  und  da  das  Wort 
auch  ins  Slavisch-Litauische  gedrungen  ist 
(abg.  kupiti  «kaufen»,  kupü  m.  «Kauf»,  kuplci 
m.  «Kaufmann»,  daraus  wohl  lit.  kvpc'us  m., 
kupc'äuti  «Handel  treiben»,  apreuß.  käupiskan 
«Handel»)  müßte  die  Entlehntmg  sehr  früh 
angesetzt  werden,  und  trotzdem  ist  es  nicht 
sicher,    ob    man    damals    nicht    schon   cö2)0 


sprach.  Außerdem  war  es  ein  niedriges  Wort, 
das  auch  nicht  ins  Romanische  gedrungen 
ist.  Wegen  der  starken  Verbreitung  im 
Germanischen  und  der  Bedeutungsentwicklung 
ist  Hildebrand  DWB.  5,  324  für  deutschen 
Ursprung  eingetreten,  und  Franck  hat  Anz. 
fdA.  21,  299  auf  die  Flexion  als  Stütze  hin- 
gewiesen. Grimm  hat  got.  kaupatjan  «ohr- 
feigen», eig.  «schlagen»  verglichen,  wobei  an 
die  Besiegelung  durch  Handschlag  zu  denken 
ist,  vgl.  mhd.  koiif-slac  m.  «Abschluß  eines 
Kaufs,  Kaufhandel»,  koufslagen  v.,  mnd. 
köpslagen,  anord.  slä  kaupi  «einen  Handel 
abschließen».  ABL.  Käufer,  m.  (-s,  PI. 
wie  Sg.),  bei  Luther  Keuffer,  spätmhd.  keufer, 
mhd.  kouf  er,  ahd.  choufari  m.  «Kaufmann, 
Kleinhändler»;  dazu  Käuferin,  f.,  mhd. 
kouferinne.  käuflich,  adj.,  mhd.  kouflich, 
ahd.  chouflih,  mnd.  köplik;  dazu  Käuflich- 
keit, f.,  1482  im  Voc.  theut.  q  1 ''  kaufflicheit. 
ZUS.  Kaufbrief,  m.:  schriftUche  Urkunde 
über  einen  Kauf,  im  15.  Jh.  bei  Diefenbach 
gl.  hZ^^kauffbriejf.  Kauffahrer,  m. :  Handels- 
schifi'er,  Handelsschiff  (1607  in  Scheible's  flieg. 
Bl.  11),  aus  nd.  köpfarer.  Kauffahrtei,  f.: 
Handelsschiffahrt,  im  17.  Jh.  Govardei,  noch 
1775  bei  Adelung  Kauffahrdey,  aufgenommen 
aus  nd.  köpfärdije,  ndl.  koopvaardij  f.,  einer 
Ableitung  von  mnd.  köpvart  f.  «Kauffahrt, 
Handelsreise»,  md.  1304  koyfvart  (Germania 
20,* 45),  anord.  kaup f er d  f.;  dazu  Kauf- 
fa(h)rteischifiF,  n.,  im  17.  Jh.  Govardei- 
schiff,  1678  bei  Krämer  Kauffahrdey  schiff, 
ndl.  koopvaardij schip.  Kaufhaus,  n.,  mhd. 
koufhüs  «Kaufhalle».  Kaufherr,  m.:  vor- 
nehmer Kaufmann,  mhd.  im  14.  Jh.  kaufherre. 
Kaufladen,  m.,  1494  bei  Brant  Narrensch. 
102,  32  kouf  lad  m.  Kaufmann,  m.  (-S, 
PI.  Kaufleute),  mhd.  und  ahd.  koufman,  mnd. 
köpnian,  afries.  käp-,  köpman,  ags.  ceap-, 
cypynan,  anord.  kaupmadr,  dän.  kjöbmand;  im 
PI.  mhd.  koufliute,  ahd.  choufliute,  mnd.  köp- 
lude,  afries.  käpliude;  dazu  kaufmännisch, 
adj.,  1575  bei  Fischart  Garg.  288,  und  Kauf- 
mannschaft, f.,  mhd.  koufmanschaft,  mnd. 
köpmanschapi.  «Handel,  Handelsware».  Kauf- 
SChilling,  m.  (-s,  PI.  -e):  Drauf-,  Kaufgeld, 
bes.  bei  Ankauf  von  Grundstücken,  im  16.  Jh. 
Zimm.  Chron.  1,  168,  2). 

Kaulbarsch,  s.  -Kaule. 

*  Kaule,  f.  (PI.  -n):  Grube.  Mitteldeutsch. 
Mhd.-(md.)  küle,  im  14.  und  15.  Jh.  rhein. 
küle,  im  16.  Jh.  kaule,  mnd.  küle  f.  Nieder- 
deutsch weit  verbreitet.     Wohl  zu  ^Kaute. 


1013 


£aule 


Eaiiz 


1014 


"Kaule,  f.  (PI.  -n):  Kugel  von  geringem 
oder  mäßigem  Umfange.  Mitteldeutsch,  1540 
bei  Alberus  dict.  kaul,  im  12.  Jh.  küle  (Athis 
105,  87),  auch  süddeutsch  im  15.  Jh.  küle  f. 
Gekürzte  Nebenform  zu  Kugel  (s.  d.),  und 
verwandt  mit  Keule  (s.  d.)  «Stange  mit  kugel- 
förmigem Ende».  Dazu  das  Dim.  Känlchen, 
n.,  bei  Luther  Keulichen,  1517  bei  Trochus 
DS'^  kulchen,  im  15.  Jh.  bei  Diefenbach  Gl, 
265*^  kewlelichin.  ABL.  Käuler,  m.  (-s, 
PI.  wie  Sg.)  oder  KaulhlLhll,  n. :  Huhu  mit 
kugelichtem,  schwanzlosem  Hintern,  kau- 
licht,  adj.:  kugeHcht,  md.  kulecht,  im  15.  Jh. 
keulecht  (Diefenb.  Gl.  628^),  bei  Luther  keulich 
(1.  Kön.  7,  41  f.),  1741  bei  Frisch  kaulig, 
kaulicht.  ZUS.  Kaulbarsch,  m.  {-es,  PI.  -e 
und  Kaulbarsche) :  der  dick-  und  kugelköpfige 
Barsch  perca  cemua.  In  Luthers  Tischi-eden 
224**  Kaulepers,  1540  bei  Alberus  kaulbersch, 
1549  im  Peucers  Vocab.  D  4*^  Kulparsen  pl. 
(noch  bei  Lessing  3,  67  Kuhlparse  pl.,  auch 
rand.  külbars),  im  15.  Jh.  bei  Diefenb.  Gl.  602  «^ 
kulperske.  Kaulkopf,  m.:  der  Gropp,  cottus 
gobio,  ein  Fisch  mit  dickem  kugelförmigen 
Kopfe;  der  unentwickelte  Frosch  mit  kuge- 
Hchtem  Kopfe  (1672  bei  Grimmeishausen  Simpl. 
4,  7  Kz.  Keulkopf,  1664  bei  Duez  1, 86  Kaul- 
frosch); der  Kaulbarsch  (1775  bei  Adelimg). 
Li  der  1.  Bed,  1540  bei  Alberus  dict.  keulkopff, 
dafür  1775  bei  Adelung  Kaulhaupt,  1482  im 
Voc.  theut.  m  8*  kaulhaupt  und  r  6^  kulhaupt, 
im  13.  Jh.  cülhoubit,  cülhouuet  n.  (Steinmeyer- 
Sievers  ahd.  Gl.  3,  369,  32).  Vgl.  Botzkolbe. 
Ebenso  Kaulquappe,  f.:  der  Gropp  (J.  Paul 
Titan  1,105);  Kaulfrosch;  Kaulbarsch  (nd.Zzi/iZ- 
quabbe  1756  bei  Strodtmann  118).  S.  Quappe. 
kaum,  adv.:  mit  Mühe  und  Not,  mit  ge- 
nauer Not;  schwerhch;  eben  erst.  Mhd.-mnd. 
küme,  ahd.  chümo,  mndl.  cume,  das  Adv.  des 
seltnen  mhd.  Adj.  küme,  küm  «schwächlich, 
gebrechlich»  (dafür  ahd.  chümig  «schwach, 
kraftlos,  ki-ank»),  Schweiz,  chüm  «kränklich, 
unbehaglich»,  mnd. kume  «matt,  leidend,  hin- 
fällig», nd.  küm  «schwach  von  Alter,  krank, 
stöhnend;  dazu  ahd.  chüma  f.  «Klage»  imd 
das  Zeitwort  mhd.  kümen  «wehklagen,  trauern, 
sich  nach  etwas  ängstlich  bemühen»,  ahd. 
chünian,  asächs.  kümian  «beklagen»,  wohl  ur- 
verwandt mit  gr.Todeiv  «wehklagen,  jammera». 
Gleicherweise  das  lat.  Adv.  aegre  «verdrießlich, 
schwerlich,  kaum»,  vom  Adj.  aeger  «krank, 
verdrießlich».  Im  16.  Jh.  treten  erweiterte 
Formen  auf:  kaumet,  kaumend  (beide  bei 
Luther),  kaumenden,   noch  fränk.  kaumends. 


Kaupe,  f.  (PI.  -n):  Federbüschel  auf  dem 
Kopfe  des  Vogels;  Grasbüschel  (1746  bei 
Döbel  Jäg.-Pract.  1,  69  a);  kleiner  Erdhügel 
(ostmd.).  In  der  1.  Bed.  1540  bei  Alberus 
dict.  kai4>,  kaupp,  mit  dem  Adj.  keupichi, 
noch  wetterauisch  Kaube  und  keubig,  1517 
obersächs.  bei  Trochus  N  1  ^  kube  f.,  aachenisch 
Kuff,  ndl.  kuif  f.;  desselben  Stammes  wie 
Kuppe  (s.  d.);  damit  ist  aber  wohl  ein  aus 
slav.-abg.  kupü  m.  «Hügel»,  sorb.  kupa  f. 
«Hügel,  Insel»  entlehntes  Wort  zusammen- 
geflossen. 

kausal, adj.:  ursächlich  zusammenhängend. 
Aus  lat.  causälis  «zur  Ursache  gehörend», 
abgel.  von  causa  f.  «Ursache»,  1801  bei  Campe. 
Davon  Kausalität,  f.  (PI.  -eu):  Ursächlich- 
keit.    1791  bei  Eoth. 

kauscher,  s,  koscher. 

kaustisch,  adj.:  beißend,  ätzend.  1791 
bei  Roth,  von  gleichbed.  gr.-lat.  Adj.  caustic-us, 
gr.  KaucTiKÖc,  mit  kouctöc  «brennbar»  zu 
Koieiv  «verbrennen,  verletzen». 

^Kaute,  f.  (PI.  -n):  Grube,  Loch.  Mittel- 
deutsch, schon  im  14.  Jh.  kfite  f.,  nd.  küte  f. 
(bei  Fontane.)  Dazu  gehört  wohl  kaule, 
Kule  mit  Z- Erweiterung  und  Verlust  des 
Dentals.  Vielleicht  ist  gr.  fviir]  f.  «Geier- 
nest, Höhle»  wurzelverwandt. 

"Kaute,  f.  (PI.  -n):  oben  zusammenge- 
di'ehter  Büschel  Flachses.    Mitteldeutsch,  im 

15.  Jh.  kawte  f.,  mlat.  (entlehnt)  cuta  f.  Das 
Wort  stammt  wohl  aus  dem  Slawischen, 
russ.  kudeli  «Flachs  am  Rocken»,  tschech. 
kuzel,  poln.  kqdziel  «Spinnrocken», 

Kautel,  f.  (PI.  -en):  Vorbehalt,  rechtliche 
Verwahrung  bei  einem  Vergleiche.  1571  bei 
Roth  Cautel,  aus  lat,  cautela  f.  «Vorsicht, 
«Sicherstellung»,  von  lat.  caM^MS  «vorsichtig». 

Kaution,  f  (PI.  -en)-.  Bürgschaft,  Haft- 
geld. 1532  in  der  peinl,  Gerichtsordn.  Karls  V 
§  12  Caution,  aus  lat.  cautio  f.  «Sicherstel- 
lung», eig,  «Vorsicht»,  von  cautum,  dem 
Supinum  von  cavere  «vorsichtig  sein,  sich 
oder  einen  sicher  stellen», 

Kautschuk,  m,  und  n.  {-s,  PI.  -e) :  Feder- 
harz, gurami  elasticum.  Erst  im  19.  Jh,  Aus 
franz.  caoutchouc  m.  und  dies  aus  Südamerika, 

Kauz,  m,  (-es,  PI,  -e) :  Art  kleiner  schreien- 
der Eulen;  (bildlich,  mit  dem  PI.  Käuze)  selt- 
sam aulfallender  Mensch;  aufgesteckter  Zopf, 
Neben  der  altern  schwachen  Flexion  seit  dem 

16.  Jh.  die  starke,  die  heute  allein  gilt  (aber 
in  der  2.  Bed.  noch  bei  Maler  Müller  1,  340 
und  Goethe  9,  102  der  schwachbiegende  Akk. 

64* 


1015 


kanzen 


Eehie 


1016 


Sg.  Käuzen).  In  dei*  1.  Bed.  im  16.  Jh.  Kautz, 
md.  im  15.  Jh.  küze,  kütz  m.  (Diefenbach 
Gl.  83*),  als  Eigenname  schon  Anfang  des 
14.  Jh.  Kuiz,  Küze  (Baur  Arasburg.  Ur- 
kundenb.  312;  358);  dazu  das  Dim.  KäUZ- 
leiii;  Käuzeh en,  n,,  im  15.  Jh.  Mtzlin, 
ebenso  bei  Luther  Kützlin,  1687  bei  Hoh- 
berg,  2,  838*  Käutzichen,  1775  bei  Adelung 
Käuzchen,  nd.  kutzke.  In  der  2.  Bed.  im 
16.  Jh.  Kautz  (H.  Sachs,  Frey  Gartenges. 
28,  23,  Lindener  Katziporus  78).  Man  ver- 
gleicht gr.  ßOIa  f.,  ßüac  m.  «Uhu».  Vielleicht 
ist  aber  auch  ags.  cyta  m.  «Eohrdommel», 
engl,  kite  verwandt  und  lit.  gaudz'ü,  gaüsti 
c dumpf  heulen».    Wood  Btr.  24,  529. 

kaiizen,  v. :  sich  ducken,  gekauert  hocken. 
1691  bei  Stieler  (auch  in  der  Bed.  «prügeln»), 
öfter  bei  Goethe;  nd.  küzen.  Nebenform  zu 
kauchen  (s.  d.),  wie  gleichbed.  leipz.  kauxen. 

Kavalier,  m.  (-s,  PI.  -e,  selten  -s,  Goethe 
30,  71):  Ritter,  Mann  von  feinem  Anstände, 
Hofmann.  1617  im  teutschen  Michel  19 
cavallier,  bei  Opitz  2,  216  Cavalier.  Über 
gleichbed.  franz.  cavalier  aus  ital.  cavaliere 
m.  «Reiter,  Ritter»,  von  lat.  cahallärius  m. 
«Pf erde  Wärter»,  im  Mlat.  «Ritter»,  einer  Ab- 
leitung von  lat.  cahallus  m.  «Pferd». 

Kavalkade,  f.  (PI.  -n):  Aufzug  von 
Reitenden.  Über  gleichbed.  franz.  cavalcade 
aus  ital.  cavalcata  f.,  von  ital.  cavalcare,  franz. 
cJievaucher  «reiten»,  abgeleitet  von  ital.  cavallo, 
franz.  cJieval  m.,  aus  lat.  cabalhis  m.  «Gaul, 
Pferd».   1617  im  teutschen  Michel  9  Cavalcada. 

Kavallerie,  f.:  die  Reiterei.  In  der 
zweiten  Hälfte  des  16.  Jh.  (1616  bei  Wall- 
hausen Kriegskunst  zu  Pferd  schon  geläufig 
Gavallerie  und  Gavallerey)  entlehnt  über 
gleichbed.  franz.  cavalerie  aus  ital.  cavalleria 
f.  «Ritterstand,  Reiterei»,  von  ital.  cavallo, 
lat.  cahallus  m.  «Pferd».  Davon  Kavallerist, 
m.  (-en,  PI.  -en):  Soldat  zu  Pferd,  im  18.  Jh. 
(1775  bei  Adelung  Gavallerist). 

Kaviar,  m.  (-s):  eingesalzner  Rogen  des 
Störs.  1628  bei  Hulsius  Schiff.  14, 15  Gaviar, 
aus  gleichbed.  franz.  caviar,  ital.  caviale, 
caviaro  m.  (schon  im  15.  Jh.),  neugr.  Kauidpi, 
türk.  (c)havjar.  Nicht  aus  dem  Russischen 
(dort  heißt  der  K.  ikrä). 

Kebse,  f.  (PI.  -%) :  Nebenweib,  Konkubine. 
Mild,  kebes  und  kebese,  kehse,  md.  auch  kehisch, 
ahd.  kehis,  chebis  und  chebisa  f.;  dazu  and. 
kevis,  mndl.  kefse,  ags.  cyfes  und  cyfese  f. 
Da  das  Wort  im  Ags.  auch  «Magd»  und  im 
Anord,  kefsir  m.  nur  «Sklave,   Knecht»  be- 


deutet, ergibt  sich  als  urspr.  Bed.  «Sklavin, 
Magd».  Die  Kebsweiber  und  Beischläferinnen 
wurden  aus  den  weiblichen  Kriegsgefangnen 
oder  unfreien  Mädchen  genommen;  ähnlich  im 
Griech.  irdWa?  f.  «Mädchen  und  Beischläferin 
als  kriegsgefangene,  geraubte  Sklavin».  Die 
Herkunft  ist  unbekannt,  vgl.  Zupitza  Gutt.  79. 
ABL.  kebseil,  v.:  zum  Kebsweibe  machen, 
nehmen,  mhd.  kebesen,  kehsen,  md.  im  14.  Jh. 
kebeschen,  ndrhein.  kevesen.  ZUS.  Kebskind, 
n.:  uneheliches,  Nebenkind,  mhd.  kebeskint. 
Kebsweib,  n.:   Nebenweib,  mhd.  kebesivip. 

keck,  adj.:  lebensfrisch,  lebensmutig;  leb- 
haft ;  rasch ;  zu  kühn.  Mhd.  keck,  ahd.  check, 
(beiNotker  f  1022),  (eigentlich  Schweiz.)  Neben- 
form von  quec  (s.  qtieck),  mit  geschwundnem 
u.  ABL.  Keckheit,  f.,  mhd.  kecheit  «hisches 
mutiges  Wesen».  kecklich,  adv.,  mhd. 
kecliche  adv. 

keckem,  v.,  lautmalend  vom  Froschge- 
schrei, bei  Bürger  köckern,  wie  Rollenhagen 
Froschm.  2,  4,  2,  33  f.  den  Frosch  kekeck! 
kekecks!  quaken  läßt;  auch  vom  feinen  heisem 
Bellen  des  Fuchses,  wie  schon  mhd.  gekzen. 
Frequentativ  von  älterhd.  kecken  (bei  Luther), 
das  den  kreischenden  Schrei  des  Raben,  der 
Krähe  usw.  ausdrückt. 

Kees,  n.  {-es,  PI.  -e):  Gletscher.  Nur 
bayrisch.    Schon  ahd.  c/tes  «gelu».   Unerklärt. 

^  Kegel,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  uneheliches 
Kind;  in  der  stabreimenden  Wendung  Kind 
und  Kegel  (eheliche  und  uneheliche  Kinder, 
alle  Angehörigen  insgemein),  schon  md.  im 
13.  Jh.  kindes  kekel,  1422  kint  und  kekel, 
spätmhd.  im  15.  Jh.  kegel  m.  «uneheliches 
Kind».  Dunkler  Herkunft.  Verbindung  mit 
^Kegel  ist  nicht  undenkbar,  vgl.  DWB.  5, 390. 
Anders  Detter  ZfdA.  42,  56. 

^ Kegel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  spitzig  zu- 
laufender, einen  Kreis  zur  Grundfläche  haben- 
der Körper.  Mhd.  kegel  m.  «Kegel  im  Kegel- 
spiel», auch  «Knüppel,  Stock»,  ahd.  chegil  m. 
«Pflock,  kleiner  Pfahl»;  dazu  mnd.  kegel, 
mndl.  keghel  m.,  schwed.  kägla  f.  «Kegel  im 
Kegelspiel»,  mndl.  kegghe  und  nndl.  keg  «Keil»; 
aus  dem  Germanischen  entlehnt  franz.  quille  f. 
«Kegel».  Vgl.  Uhlenbeck  Btr.  26,  300  (zu 
abg.  zezlu  m.  «Rute,  Stab»  gestellt).  ABL. 
kegeln,   v.:   Kegel  schieben,   mhd.  kegeleti. 

Kehle,  f.  (PI.  -n):  äußerlich  der  vordre 
gebogne  Teil  des  Halses,  innerlich  die  Luft- 
oder die  Speiseröhre;  (übei'tragen,  schon 
mhd.)  Einbiegung;  die  innre  ofihe  Seite  eines 
Festungswerks  (1678  bei  Krämer);  Hohlkehle 


lor 


Kehraus 


Keiler 


1018 


(s.d.).  In  urspr.  Bed.  mhd.kel,  Jcele,  ahd.kela  f. ; 
dazu  andfrk.  kela,  and.  in  kel-girithi  ^GeüäQig- 
keit»,  mndl.  kele,  ndl.  keel,  ags.  ceole  f.,  und 
weiter  lat.  ffula  f.  «Speiseröhi-e»,  aind.  galas  nu 
cHals,  Kehle».  ABL.  kehlen,  v.:  die  Kehie 
ab-  oder  ausschneiden  (1517  bei  Ti'ochus  R3^ 
kelen);  rinnenartig  höhlen  (1691  bei  Stieler). 
ZUS.  Kehlkopf,  m.:  der  hervorragende 
knoi-pelige  Teil  der  äußern  Kehle,  1775  bei 
Adelung. 

Kehraus,  s.  ^kehren. 

^kehren,  v.:  entgegengesetzte  oder  seit- 
wäi'ts  einbiegende  Richtung  geben  oder  neh- 
men, wenden.  Mhd.  keren  (mitunter  kerren). 
ahd.  keran,  cheiran  und  kerran;  dazu  andfik. 
kerian,  keron,  and.  kierta  «detorsit»,  mndl. 
keren,  ndl.  keeren,  afries.  kera,  ags.  cerran, 
cin-an,  cyrran.  Herkunft  dunkel.  Der  deut- 
schen Form  würde  got.  *kaisjan,  der  ags. 
*karsjan  entsprechen.  Das  Prät.  bei  Luther 
kerete  und  kart,  nach  dem  md.,  ins  Mhd. 
vordringenden  karte,  karte,  Part,  gekärt,  ge- 
kart,  mit  dem  entsprechenden  Inf.  kdren. 
Dazu  das  ältemhd.  Subst.  Kehr  m.,  mhd. 
ker,  ahd.  ker  m.  «Wendung,  Richtung»  (noch 
in  Verkehr  m.),  und  Kehre,  f.:  Wendung 
einer  ansteigenden  Sti-aße,  mhd.  kere,  ker, 
ahd.  kera.  Die  verkürzte  Form  Kehr  noch 
in  Einkehr,  Umkehr.  ZUS.  Kehrreim,  m., 
für  das  franz.  refrain  m.  von  G.  A.  Büi-ger 
354*  (Bohtz)  vorgeschlagen  und  gebraucht. 
Kehrseite,  f.:  Rückseite,  in  der  zweiten 
Hälfte  des  18.  Jh.  aufgenommen  aus  ndl. 
keerzyde  f.  «Revers  (Rückseite)  einer  Münze» 
(1729  bei  Halma  308  c). 

"kehren,  v.:  durch  Streichen  mit  Besen, 
Bürste  usw.  von  ünreinigkeit  befreien.  Mhd, 
keren,  kern,  ahd.  kerjan,  kerren,  and.  kerren, 
zu  ahd.  kara  in  uberkara  f.  «Auskehricht»,  isl. 
Aar  n.  «Schmutz  an  neugebomen  Kälbern  und 
Lämmern».  Vielleicht  zu  Ht.  zeHi  «scharren». 
ABL.  Kehricht,  n.,  auch  m.  (-s):  mit  dem 
Besen  ausgekehi-ter  Unrat,  um  1480  im  Voc. 
ine.  teut.  nl**  keracht,  1482  im  Voc.  theut. 
q  8**  kerecht,  spätmhd.  kerach,  im  16.  Jh. 
Kerich,  1678  bei  Krämer  Kehricht  u.,  bei 
Goethe  8,  120  Kehrig  m.  und  n.  Kehrsel, 
n.  (-s):  Kehricht,  1540  bei  Alberus  dict. 
kersel,  mhd.  kersal  ZUS.  Kehraus,  m.: 
Schluß  tanz,  1734  bei  Steinbach,  aber  schon  im 
15.  Jh.  kerauß  m.  «der  letzte,  kräftigste  Trunk»; 
eine  Imperativbildung.  Kell  rljpsen,  m.,  mhd. 
kerheseme,  ahä.kerhesimo.  Kehrwisch,  m,, 
um  1480  im  Voc.  ine.  teut.  n2*  kenvisch. 


Keib(e),  ni.  {-en,  PI.  -en):  Aas,  Leichnam, 
im  15.  Jh.;  Lump,  Schuft  (1517  bei  Keisers- 
berg  Evang.  213^).    Alemannisch.    Unerklärt. 

Keiche,  keicheu,  s.  Keuche,  keuchen. 

keifen,  v.:  sich  zänkisch  auslassen;  (nhd. 
auch  von  kleinen  Hunden)  Lärm  machend 
kläffen.  Neben  der  vorwiegenden  schwachen 
Flexion  in  Nord-  und  Mitteldeutschland  auch 
die  starke,  1775  bei  Adelung  Prät.  kiff,  Part. 
gekiffen,  1734  bei  Steinbach  (schles.)  kief, 
gekiefen,  mnd.  Prät.  kev,  ndl.  Prät.  keef,  Part. 
gekeven.  Wie  Hafer  statt  Haber,  Hufe  statt 
Hübe,  so  ist  auch  keifen  die  durch  das 
^litteldeutsche  aus  dem  Nd.  aufgenommene 
Form  für  mhd.  kfiben,  aber  auch  schon  kifen, 
kiven,  ältemhd.  keiben.  keifen,  daneben  kifen 
und  kiefen;  dazu  mnd.  kiveyi,  ndl.  kijven,  afries. 
szivia,  tsivia,  anord.  kifa,  schwed.  kif,  kifvas, 
dän.  kiv,  kives.  Weitre  Beziehungen  sind 
unsicher.  ABL.  Keif  er,  m.:  Zänker,  1691 
bei  Stieler  (auch  Keiferin  f.),  nand.  klver  m. 
keifisch,  adj.:  zänkisch,  bei  Stieler,  dafür 
1664  bei  Schottel  keibisch,  1537  bei  Dasy- 
podius  keibig,  mhd.  kibic. 

Keil,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  spitzsäulenartiges 
Werkzeug  zum  Spalten,  Zwischeneinschieben 
usw.,  dem  ähnliches  Stück.  Mhd.-ahd.-mnd. 
Ml  m.  «Pflock,  Keil»,  aus  kidla-  wegen  der 
mhd.  Nebenform  kidel,  ältemhd.  Keidel  (noch 
Schwab. -Schweiz.)  m.;  dazu  anord.  kill  m. 
norw.  kü  «schmale  Bucht»,  schwed.  kil,  dän 
küe  «Keil».  Vgl.  Sievers  Idg.  Forsch.  4,  340, 
Vielleicht  zu  der  Wz.,  die  in  Keim  vorliegt 
ABL.  keilen,  v.:  den  Keil  einschlagen 
mit  Keilen  befestigen  (1482  im  Voc.  theut 
q2%  mnd.  kilen);  schlagen,  piügeln  (nord 
und  md.,  Ende  des  16.  Jh.  bei  Riugwalt  laut 
Warb.  84,  bei  Opel  und  Cohn  31  vom  J.  1620 

dazu  Keile,  PL,  norddeutsch,  und  Keilerei, 
f.,  im  19.  Jh.).    ZUS.  Keilschrift,  f.:  alt- 

!  orientalische  Schi'ift  mit  keiliörmigen  Schi-ift- 
I  zeichen,  gegen  Ende  des  18.  Jh. 
I      Keiler,    Österreich,    auch    Keuler,    m. 
(-S,  PI.  wie  Sg.) :  wüder  Eber.     Ein  Jäger- 
I  ausdruck.      1608    keyler    in    gi-äfl.    Küchen- 
\  Wochenzetteln  zu  Büdingen  in  der  Wetterau, 
I  1631    bei  Opel   und  Cohn  278  Keuler,    1680 
1  bei  Riemer  pol.  Colica  236  Käuler,   1691  bei 
Stieler  Keuler  und  Keller.    Das  Wort  könnte 
I  auf  die   Hauer   oder   Hauzähne   des  kampf- 
mutigen wilden  Ebers  deuten  und  von  keüen 
(s.  d.)   abgeleitet  sein.     Entlehnung  aus  lit. 
kuilis   m.,    lett.   kuilis    «männliches    Zucht- 
schwein» ist  durchaus  unwahrscheinlich. 


1019 


Keim 


Kelch 


1020 


Keim,  m.  {-[e]s,  PI.  -e):  ausbrechende 
junge  Samensprosse.  Mhd.  kirne,  ahd.  kimo, 
daneben  schon  im  12.  Jh.  kmi  m.;  dazu  mnd. 
kime  und  mit  andrer  Ableitung  and.  km 
(m.),  mnd.  kine  m.  und  fränk.-schwäb.  Keid  f. 
«Keim,  Setzpflänzchen»,  mhd.  kide,  kit  n. 
«Schößling»,  ahd.  Mdi  n.  (in  frumikidi  «erster 
Keim,  Erstling»),  asächs.  Md  m..  «Schößling», 
ags.  clp  «Sproß»,  Schweiz,  cheist  m,,  ahd. 
{frumi)-cMst  «primitiae».  Die  unerweiterte 
Wurzel  in  got.  Partizip  us-kijans  «hervor- 
keimen», mit  Präsenserweiterung  keinan,  ahd.- 
as.  klnan  «hervorkeimen»,  ags.  cinan  «bersten, 
offenstehen».  Daneben  die  Bedeutung  «Spalte» 
in  ags.  dnu  f.  «Ritze,  Spalte»,  dän.-dial.  kin 
«Spalte».  Da  dies  alles  zur  Grundbedeutung 
«Spalte»  führt,  kann  Keil  «Werkzeug  zum 
Spalten»  dazugehören.  K.  wird  vom  16. — 18. 
Jh.  auch  Kaum  geschrieben.  ABL.  keimen, 
V.,  mhd.  im  11.  Jh.  klmen,  im  16. — 18.  Jh. 
auch  kminien. 

kein,  adjektiv.  Zahlpronomen:  nicht  ein, 
]VIhd.  kein,  chein,  gekürzt  aus  nekein  oder 
(mit  üblicher  Umstellung  des  ne)  enkein,  ur- 
sprünglicher necliein,  ahd.  nihein  «auch  nicht 
ein»,  zgs.  aus  der  mit  lat.  nee,  neque  in  Laut- 
verschiebung und  Sinn  stimmenden  got.  Par- 
tikel nih  (eig.  ni-uh  d.  i,  die  Verneinungs- 
partikel 7ii,  lat.  ne-,  verbunden  mit  dem  got. 
Anhängsel  -uh,  -h,  entsprechend  lat.  -qiie, 
gr.  T€,  aind.  da  «und»)  und  aus  dem  Zahl- 
wort ein;  dazu  asächs.  nigen,  mnd.  negen, 
gekürzt  gen,  gein,  mndl.  negheen,  engeen,  ndl. 
geen;  im  Ahd.  eine  gleichbed.  Nebenfoi'm 
nohein,  gebildet  mit  ahd.  noh,  unserm  ver- 
neinenden noch  (s.  d.).  Mhd.  kein  bedeutet 
aber  auch  «irgendein»  (nach  dem  Kom- 
parativ noch  im  18.  Jh.  «mehr  als  kein  andrer» 
Goethe  46,  79,  Schiller  Don  Carlos  1,  1);  in 
diesem  Falle  ist  es  gekürzt,  und  zwar  zu- 
erst zu  ichein  aus  mhd.  dekein,  dehein,  ahd. 
dihein  «irgendeiner»,  dessen  erster  Bestand- 
teil dih-  dunklen  Ursprungs  ist;  dazu  die 
ahd.  Nebenform  dohein  «irgendeiner»,  nach 
dem  Vorbilde  von  nohein  und  im  Gedanken 
an  doh  «doch».  Beide  mhd.  Wörter  enkein 
und  dekein  vermengten  sich,  so  daß  auch 
dieses  in  der  Bed.  «nicht  irgendein»,  jenes 
in  der  Bed,  «irgendem»  steht.  Das  Zahl- 
pronomen kein  in  Verbindung  mit  einer  Ver- 
neinungspartikel (kein  nicht  usw.)  ist  von 
alters  her  stärkre  Verneinung  (noch  bei  Lessing 
Nathan  5,  8,  Goethe  9,  23,  Schiller  Wallenst. 
Tod  3,  15)  auch  heute  noch  im  Volksraunde ; 


die  herrschende  Ansicht  dagegen,  daß  zwei 
Verneinungen  sich  aufheben,  also  bejahen, 
rührt  von  der  Schule  aus  der  lat.  Grammatik 
her.  Das  nach  kein  folgende  Adj.  vor  einem 
Subst.  hat  heute  im  Plur.  schwache  Flexion, 
z.  B.  keine  grauen  Haare,  früher  starkbiegend 
keine  graue  Haare  Schiller  Räuber  4, 5.  ZTJS. 
(aneinander  gerückte  Genitive)  keinerlei, 
adv.:  keiner  Art,  mhd.  keiner  leie,  keiner  lei, 
deheiner  leie,  s,  -lei.  keinerseits,  adv., 
1691  bei  Stieler.  keinesfalls,  adv.  keines- 
wegs, adv,,  bei  Luther  keinsweges,  im  15.  Jh. 
enkainswegs  (die  sieben  weisen  Meister  in 
der  Gießener  Hs.  Nr,  104  Bl,  36»),  1378  mhd. 
keins  wägs,  1343  schweh.  deheins  loegs  (Weisth. 
5,  85  u.  87).  keinmal,  adv.,  erst  im  17.  Jh, 
(1618  bei  Schönsleder). 

Keische,  s.  Keusche. 

-keit,  Ableitungssilbe  zur  Bildung  abstrak- 
ter Subst.  von  Eigenschaftswörtern.  Schon 
mhd.  -keit,  mit  Übergaijg  des  ch  in  k  entstan- 
den aus  -ec-heit,  d.  h.  der  mhd.  adjektivischen 
Ableitungssilbe  -ec,  nhd.  -ig,  und  -heit  (s.  d.), 
z,  B,  mhd.  süegecheit  (d.  i,  süegec-heit)  siiege- 
keit,  nhd,  Süßigkeit;  von  da  aus  verbreitete 
sich  -keit  weiter,  z,  B,  mhd.  heilickeit  (My- 
stiker 1,  126,  13),  auch  wo  kein  Adj.  auf  -ec 
vorlag,  z.  B.  mhd.  bitterkeit,  geistlichkeit. 

Keitel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg,):  Fischnetz; 
Schleppnetz;  Sack  im  Netz;  sackförmiger 
Darin  bei  Tieren,  Mitteldeutsch,  ostpreußisch. 
Besser  Keutel  zu  schreiben,  da  es  wohl  zu 
Kaute  gehört. 

^  Kelch,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  bauchiges  Trink- 
gefäß mit  hohem  Fuß.  Mhd.  kelch,  kelich, 
ahd.  chelh,  ehelich  m.;  dazu  asächs.  kelik, 
mnd,  kelk,  kelik,  afries.  tzilik,  tzielk,  ags,  calic, 
ccelic,  anord.  kalkr  m.  Entlehnt  aus  gleich- 
bed, lat.  caVix,  Gen.  calicis,  und  zwar  in 
sehr  früher  Zeit,  als  c  vor  i  im  Lat.  noch 
wie  k  gesprochen  wurde  (vgl.  Kaiser,  Keller). 
ZUS.  Kelchglas,  m.,  1691  bei  Stieler. 

^ Kelch,  m,  (-[e]5,  PI.  -e):  Blütenhülle  am 
Stengel,  Mit  dem  vorwärtsschreitenden  Stu- 
dium der  Pflanzenkunde  erst  in  der  Mitte 
des  17,  Jh.,  gegen  dessen  Ende  (1691)  Stieler 
Kelch  vom  Rosenkelche  und  dem  offnen  Rosen- 
knopfe hat.  Aufgenommen  aus  gr.-lat.  calyx 
m.  (Gen.  calycis),  gr,  koIXuH  f.  «Blumenkelch, 
Rosenknospe»,  urspr.  «Hülle,  Hülse». 

^Kelch,m.(-[e]s,  Pl.-e):  Fetthaut  zwischen 
Kinn  und  Hals,  1540  bei  Alberus  dict,  Q  2* 
kelcklin  n,,  nihd.  kelch,  ahd.  chelch,  ehelich, 
cheluchm.,  anord.  kjalki  m.  «Kinnlade»,  norw. 


1021 


Kelle 


kennen 


1022 


kjelke  «Bandschlitten»,  von  ahd.  cJiela  f. 
«Kehle».  Noch  oberhess.-wetteramsch  Kelch, 
Kalcli,  Kalk,  henneberg.  kelch,  in  Sonneberg 
kälich,  elsäss.  kalk  «gestielte  Geschwulst  am 
Hals,  Art  Doppelkinn»,  Schweiz,  kelchen  «einen 
Kropf  bekommen»,  bayr.  kelch  «Auswuchs  an 
der  Kolilpllanze». 

Kelle,  f.  (PI.  -n):  breiter,  tiefer  Löffel 
mit  langem  Stiele ;  Schöpfgefäß ;  Maurerwerk- 
zeug zum  Auffassen,  Anwerfen  imd  Streichen 
des  Kalkes  usw.  Mhd.  und  mnd.  kelle,  ahd. 
kella.  Unerklärt.  Im  Ags.  cyll,  cylle,  cille  f., 
cylle  m.  «Lederschlauch,  Flasche,  Gefäß»  hat 
Vermischung  des  germanischen  Wortes  mit 
einem  Lehnwort  aus  lat.  cülleiis  m.  «lederner 
Sack,  Schlauch»,  stattgefunden. 

^Keller,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  unter- 
irdischer Aufbewahrungsort  für  Speisen,  Ge- 
tränke usw.  Mhd,  keller,  ahd.  kellari  m,; 
dazu  and.  kelleri,  ndl.  kelder,  anord.  kellari, 
kjallari  m.,  schwed. .  MWare,  dän.  kjelder. 
Entlehnt  in  sehr  früher  Zeit  (vgl.  Kelch) 
aus  lat.  cellärium  n.  «Speisebehältnis»,  von 
lat.  cella  f.  «Wirtschaits-,  Vorratskammer». 
ZTJS.  Kellerassel,  f.:  Assel  (s,  d.),  die  in 
feuchten  Kellern  lebt,  1716  bei  Ludwig  Keller- 
essel.  Kellerhals,  m.:  vorspringender  ge- 
wölbter Eingang  des  Kellers,  spätmhd.  keller- 
hals. Kellermeister,  m.:  (oberster)  Auf- 
seher über  den  Keller,  mhd.  im  14.  Jh. 

^Keller,  m.  (-.s,  PI.  wie  Sg.):  Keller- 
beamter, der  die  heiTschaftlichen  Gefälle  an 
Wein  und  an  Lebensmitteln  erhebt  und  ver- 
rechnet (seit  dem  18.  Jh.  veraltet);  Keller- 
meister^ KeUner  (Schiller  Kabale  1,  2).  Mhd. 
kellcere,  keller  und  kellei-er,  aus  lat.  cellärixis  m. 
«KeUer-,  Küchenmeister»,  von  lat.  cella  f.  «Vor- 
ratskammer». S.  Kellner.  ABL.  Kellerei, 
f.:  Amt,  Amtswohnung  und  Amtsgebiet  des 
Kellerbeamten  (spätmhd.  kellerte,  im  14.  Jh. 
kelnerie  f.);  Gesamtheit  der  Kellerräume  (im 
16.  Jh.  bei  Fischart  Garg.  83,  der  Plm-.  im 
Glückh.  Schiff  898). 

Kellerhals,  m.  {-halses,  PI.  -halse):  die 
■  Holzpflanze  Daphne  mezereum.  Spätmhd.  im 
15.  Jh.  heller-,  kellershals  und  mnd.  kelder-, 
kershals  (Diefenbach  Gl.  321*'),  1482  im  Voc. 
theut.  e5*  kelershalß  nnd  q2^  kelrßhalß;  der 
erste  Bestandteil  ist  dunkel,  vielleicht  zu 
mnd.  kellen  «Qual  oder  Schmerzen  verur- 
sachen», mhd.  quehi,  kein,  kellen  «quälen, 
martern  »,  weil  die  Beeren,  ein  starkes  Purgier- 
mittel, im  Halse  heftiges  Brennen  verur- 
sachen (vgl.  Luther  8,  113^). 


Kellner,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  der  den 
Keller,  d.  h.  das  Getränk  in  einem  Gast-  oder 
Wh'tshause  zu  besorgen  hat.  Mhd.  kelncBre, 
ahd.  kellnäri,  kelnäri  m.  «Kellermeister,  hen-- 
schaftUcher  Steuerbeamter»  (s.  -  Keller),  aus 
gleichbed.  mlat.  cellenarius  m,,  von  lat.  cella 
f.  «Vorratskammer».  Dazu  Kellnerin,  f., 
mhd.  kelncBrinne,  kelnerin  f.  «SchaflFnerin, 
Hausmagd». 

Kelter,  f.  (PI.  -n):  Wein-,  Essig-,  Öl- 
presse. Mhd.  kelteii'  f.  «Weinpresse»,  daneben 
kalter,  kaltur  (noch  in  Franken  Kalter  f.), 
ahd.  calctüre,  calcatüra  f ,  aus  lat.  calcätUra  f. 
«das  Treten»,  von  lat.  calcäre  «treten»,  denn 
urspr.  wui-de  der  Wein  in  der  Kelter  ge- 
treten, später  gepreßt.  ABL.  keltern,  v., 
im  15.  Jh.  (Diefenbach  Gl.  589  a),  davon 
Kelterer,  m.,  im  15.  .Jh.  ZUS.  Kelter- 
bauni,  m.,  mhd.  kelterhoum. 

Keni(e)nate,  f  (PI.  -n):  das  die  Wohn- 
zimmer des  Burgherrn  enthaltende  Wohn- 
gebäude innerhalb  der  Ringmauer  der  Burg, 
flüher  aber  das  heizbare  Wohngemach  am 
Hofe.  Mhd.  kemenate,  kemnäte,  mnd.  keme- 
näde,  ahd.  cheminäta  f.,  aus  altromanisch  und 
(schon  584)  mlat.  {camer a)  cammata  f.  «heiz- 
bares Zimmer»,  ital.  camminata  f.  «Saal», 
von  mlat.  caminare  «mit  einer  Feuerstätte 
(lat.  camimis  m.)  versehen». 

Kengel,  m.  (-s,  PI.  -wie  Sg.):  Einne, 
Röhre,  Röhrenähnliches.  Oberdeutsch.  Mhd. 
kengel  m.  «Röhre,  Stengel,  Federkiel»;  ent- 
weder mundartUche  Nebenform  zu  Kennet  m. 
«Rinne,  Röhre»  (s.  Kanal)  oder  aus  lat, 
cannula  f.  «kleines  Rohr». 

kennen,  v.  (Prät,  kannte,  Konj,  kennte, 
Part,  gekannt,  älterahd,  bis  ins  18.  Jh.  Prät. 
auch  kennete,  kennte,  Part,  gekeyinet,  gekennt) : 
im  Bewußtsein  haben,  Mhd.  wenig  gebräuch- 
lich kennen  (Prät,  des  Ind.  und  Konj.  kante, 
kande,  md.  auch  kente,  Part,  gekant,  kant 
und  kennet),  ahd,  nur  in  Zusammensetzungen 
bichennen,  irkennen  und  Part,  unchennento 
«nicht  erkennend»,  asächs.  in  antkennian  «er- 
kennen», afries.  kenna,  kanna  «anerkennen, 
untersuchen,  bekennen»,  anord.  Ärewwa  «kennen 
lernen,  erkennen,  gewahr  werden,  kennen 
lehren,  zurechnen,  benennen»,  schwed.  känna, 
dän.  kjende  «kennen,  erkennen»,  ags.  cennan 
und  got.  kannjan  «bekanntmachen,  kundtun», 
eig.  «wissenmachen»,  urspr.  Faktitivum  zum 
got,  Prät,  Präs.  kann,  Inf.  kunnan  «wissen» 
(s.  können).  ABL.  Kenner,  m.,  md.  im 
14.  Jh.    kenner    «Erzeuger,    Erkenner»,    im 


1023 


kentern 


Kern 


1024 


16.  Jh.  «der  etwas  kennt»,  namentlich  im 
18.  Jh.  verbreitet,  kenubar,  adj.,  1691  bei 
Stieler,  ndl.  1599  kenbaer;  dafür  im  17.  und 
18.  Jh.  kenntbar,  im  16.  und  17.  Jh.  kantbar, 
zgs.  mit  dem  Part,  von  kennen  (s.  oben),  ebenso 
wie  die  beiden  folgenden  Ableitungen:  kennt- 
lich, adj.,  md.  im  14.  Jh.  kentlich,  1537  bei 
Schaidenreißer  Odyss.  Vorr.  S.  7  unkantlich, 
neben  mhd.  kennelicJi,  kenlicJi,  und  Kenntnis, 
f.,  mhd.  und  zumal  md.  kantnusse,  kentnisse  f., 
im  17.  u.  18.  Jh.  auch  Neutr.  und  bisweilen,  z.B. 
bei  Herder,  Kännttiiß  geschriehen.  Kennung, 
f.,  frühmhd,  cliennunge  f.  «Erkennung,  Er- 
kenntnis». ZTJS.  Kennzeichen,  n.,  I58i 
bei  Fischart  Bienenkorb  135^,  ndl.  1599  bei 
Kilian  kenteycken;  davon  kennzeidinen,  v., 
bei  Herder  1,  400. 

kentern,  v. :  auf  die  Seite  legen  oder  sich 
umlegen.  Nd.  Seemannsausdruck,  ndl.  kan- 
teren,  kenteren,  auch  ins  Skandinavische  ge- 
drungen, schwed.  kantra,  dän.  kantre,  käntre. 
1741  bei  Frisch  kentern  «den  Walfisch  auf  die 
andre  Seite  legen,  um  dem  toten  Fisch  dort 
den  Speck  abzuschneiden».   Von  Kante  (s.  d.). 

Kerbe,  f.  (PI.  -n):  spitzwmkliger  Ein- 
und  Ausschnitt.  Mhd.  kerbe  f.  und  kerp  m., 
md.  im  14.  Jh.  kerbe  f.  und  karp  m.,  ahd. 
nicht  nachweisbar,  ndrhein.  im  14.  Jh.  kerpli 
m.,  nd.  im  15.  Jh.  kerve,  karf  t,  daneben 
kerf  n. ;  dazu  (entlehnt  afries.  kerf)  ags.  cyrf 
«Einschnitt»;  aus  dem  Nd.  auch  hd.  schon 
im  15.  u.  16.  Jh.  Kerfe,  Kerfi.  Zu  kerben, 
v.:  einschneiden,  spätmhd.  kerben,  auch  «aufs 
Kerbholz  einschneiden»,  seit  dem  15.  Jh.  auch 
kerfen  nach  dem  mnd.  kerven;  dazu  ndl. kerven, 
afries.  kerva,  ags.  ceorfan,  engl,  carve.  Das 
Verb  ist  in  die  schwache  Biegung  überge- 
gangen, die  urspr.  starke  Hegt  noch  vor  in 
dem  mnd.  Part,  gekorven,  im  Ndl.  (Prät.  korf, 
Part,  gekorven),  Ags.  (Prät.  cearf,  curfon,  Part. 
corfen)  und  Afries.  (Pai-t.  kurven).  Urver- 
wandt gr.  Ypoi9eiv  «schreiben»,  eig.  «einritzen», 
lett.  grebt  «schrapen,  aushöhlen,  eingraben 
mit  einem  Grabstichel»,  apreuß.  girbin  «Zah\:i>, 
ahg.zrebiji  m.  «Loos».  .^?7(Sf.  Kerbholz,  n.: 
Hälfte  eines  zugeschnitzten,  der  Länge  nach 
gespaltnen  kurzen  schmalen  Stäbchens,  um  m 
dessen  beide  Hälften,  zusammengelegt,  Kerben 
zur  Zählung  und  Abrechnung  zu  schneiden, 
im  15.  Jh.  kerbholz,  im  14.  Jh.  md.  kerveholz. 
Kerbstock,  m.:  Kerbholz,  besonders  in 
Niederdeutschland,  1477  clevisch  und  um  1400 
mnd.  kervestock.  Kerbtier,  n.,  von  Campe 
gegen  1794  für  Insekt  gebildet. 


Kerbel,  m.  (s):  die  Suppenpflanze  an- 
thriscus  cerefolium.  Mhd.  kervele,  kervel  f., 
ahd.  kervüa  f.  und  andere  Schreibungen  (vgl. 
ZfdW.  6,  183);  dazu  mnd.  kervele,  kervole, 
im  15.  Jh.  carvel,  jetzt  meist  karwel,  ndl. 
kervel,  ags.  cerfille  f.,  engl,  chervil.  In  früher 
Zeit,  wie  das  anlautende  k  zeigt,  entlehnt 
aus  dem  gleichbed.  lat.  cerefolium,  caere- 
folium  n.  (von  gr.  xciP^tP'J^^ov  n.),  woher 
auch  gleichbed.  franz.  cerfeuil,  ital.  cerfoglio. 

kerben,  Kerbholz  usw.,  s.  Kerbe. 

Kerf,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  Insekt,  Kerbtier, 
Kerflai-ve,  zuerst  1833  bei  Jahn  Merke  z.  d. 
Volksth.  253  und  1835  bei  Oken  Naturgesch. 
5, 10.     Künstliche  Neubildung  für  Kerbtier. 

Kerker,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  hartes  Ge- 
fängnis. Mhd.  karkcere,  kerkcere,  karker, 
kerker,  auch  karkel,  kerkel,  ahd.  charchari, 
karkari  m.;  dazu  asächs.  karkari  m.,  ags. 
carcern,  cearcern  n.,  got.  karkara  f.  Wie 
das  zweite  k  zeigt,  in  sehr  früher  Zeit  ent- 
lehnt aus  gleichbed.  lat.  carcer  m.,  woher 
auch  air.  carcar  und  ital.  carcere  m.,  span. 
carcel  f.,  afranz.  chartre  f. 

Kerl,  m.  (-S,  PI.  -e):  derbe  Mannsperson; 
Geliebter.  Md.  kerl  m.  «Mann»,  auch  schon 
mit  vei'ächthchem  Nebensinne,  mnd.  kerel, 
kerle,  1477  clevisch  kerle  m.  «Dorfmann», 
mndl.  keerle  m.  «Bauer»,  im  Ablaut  zu  mhd. 
karl,  ahd.  charal  m.  «Mann,  Ehemann,  Ge- 
heilter», welche  sich  im  Mannsnamen  Karl 
(s.  d.)  erhalten  haben.  Es  entspricht  weiter 
nmd.  kerle  «Mann  von  niedrigem  Stand, 
kräftiger  Mensch,  Herrscher»,  ndL  kerel, 
afries.  tzerl,  ags.  ceorl  m.  «Unfreier»,  engl. 
churl  «Bauer,  Kerl,  Tölpel».  K.  ist  md.-ndd. 
und  im  Oberdeutschen  Lehnwort.  Der  im 
16.  und  17.  Jh.  gebräuchliche  Nom.  Sg.  Kerles, 
Kerls  (noch  Schweiz,  kerlis,  schwäb.  kärles, 
thüring.  kerls)  ist  wohl  aus  Karlus  hervor- 
gegangen, der  Plur.  Kerls  ist  nd.  (auch  bei 
Goethe  8,  104). 

Kermes,  m.  (Gen. u. PI.  ebenso):  hochrotes 
Farbeninsekt,  Scharlach-Schildlaus;  Farbstofi' 
daraus.  1712  bei  Rühner  Kermes,  Älkernies, 
aus  gleichbed.  span,  alquei'mes,  von  arab. 
qirmiz  (mit  dem  Artikel:  al-)  nach  pers.  kirtn, 
aind.  kpnis  m.  «Wurm»,  krmijas  «wurmer- 
zeugt».    Vgl.  Karmin,  karmesin. 

Kern,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  Fruchtkörper  der 
Pflanzen  im  Gegensatz  zur  Schale;  festes 
Holzinneres;  (bildlich,  schon  mhd.)  Innerstes 
und  Stoffhai tiges;  Hauptsache,  Bestes,  Vor- 
züffliehstes.  Mhd.  kern  neben  älterm  schwach- 


1025 


kernen 


Kette 


1026 


biegenden  kerne,  ahd.  kerno  m.;  dazu  and. 
kerno  m,,  nind.  kerne  f.  (wie  1691  bei  Stieler 
121  und  1663  bei  Schottel  508  *  Kern  f.,  abd. 
nugcherna  f.),  anord.  kjarni  m.,  schwed.  kärna, 
dän.  kjeme.  Kern  und  Kam  (s.  d.)  sieben 
im  Ablaute  zueinander.  Oberd.  mit  bewahrter 
schwacher  Form  Kern  (Gen.  -en)  oder  Kernen 
m.  «ausgedroschnes  und  gereinigtes  Getreide», 
bes.  «Spelz»,  wie  schon  xnhd.keme  m.  ABL. 
kernen,  v.:  die  Kerne  ausmachen,  mhd. 
kirnen,  kernen,  auch  c<  Kerne  ansetzen,  Kern 
bilden»,  ahd.  kirnan  «auskernen,  dreschen». 
kernicht,  kernig,  adj.,  1556  bei  Frisius  610^ 
kernächtig,  1576  bei  Mathesius  Luther  151* 
kirnig,  1691  bei  Stieler  kernicht.  ZUS.  Kern- 
beißer, m.:  der  Kh'schfink,  1517  bei  Trochus 
H5^  kernbyßer,  1556  bei  Frisius  935''  kern- 
heyß.  kerngesund,  adj.,  seit  der  zweiten 
Hälfte  des  18.  Jh.  kernhaft,  adj.,  1549  in 
der  Beraer  Tragödia  Job.  d.  Tauf.  D  5  *.  Kern- 
haus, n.:  Samenbehälter  im  Kernobst,  in 
Yokab.  des  15.  Jh.  kernhus,  1422  kernhaivs. 
Kernobst,  n.,  im  Gegensatz  zum  Steinobst 
1709  bei  Dentzler  Kernobs;  im  Gegensatz  zu 
gepropftem  Obst  1731  im  Öconom.  Lex. 
Kernschuß,  m.:  Schuß  in  gerader  Richtung 
auf  das  Ziel,  unterschieden  vom  Bogenschuß, 
1741  bei  Frisch.  Kernspruch,  m.,  1663 
bei  Schottel  508^. 

kernen,  v.:  zu  Butter  rühren.  1616  bei 
Henisch  573,  23  u.  1581  bei  Apherdianus,  sowie 
oberpfälz.-mrhein.  kernen,  westfäl. - ndrhein. 
kirnen,  nd.  kamen,  ndl.  kernen,  kamen,  ags. 
cernan,  engl,  churn,  schott.  kirn,  anord.  kirna, 
schwed  kärna  (dial.  kjorna),  dän.  kjerne 
«buttern».  Vielleicht  (vgl.  oberpfälz.-nümb. 
Kern  m.  «Milchrahm  zum  Buttermachen»,  j 
mndl.  kerne,  Island,  kjarna  «Milchrahm»)  eig. 
Kern,  d.  h.  «Fettes,  Bestes  der  Müch»  (s.  Kern). 
Doch  kann  auch  ganz  etwas  andres  darin 
stecken.  Dazu  Kerne  f.  «Butterfaß,  1616  bei 
Henisch  574,  Kirne  bei  Kramer  1719,  west- 
fäl. kirne,  mi-hein.  kern,  kirn,  ndrhein.  im 
14.  Jh.  kirn,  nd.  käme,  kam,  mnd.  kerne, 
käme,  ndl.  kern,  kam,  ags.  ceren,  cyrin,  engl. 
churn,  anord.  kirna,  schwed.  kärna  f.,  dän. 
kjerne  «Butterfaß».  ZTJS.  Kernmilch,  f.: 
Rührmilch  Buttermilch,  im  15.  Jh.  kerne-, 
kerenmüch,  ndrhein.  im  14.  Jh.  kirnmilch,  nd. 
kammelk,  mnd.  käme-,  kememelk,  ndl.  kerne- 
melk,  schott.  kirnmilk,  schwed.  kämmjölk, 
dän.  kjernemelk. 

Kerner,  s.  Karner. 

Kerze,  f.  (PL  -n):  gerades  Wachs-,  Talg- , 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


licht  usw.  Mhd.  kerze,  ahd.  cherza  f.  «Kerze», 
charza  f.  «Docht»,  charz  m.  «Docht,  Werg, 
aus  dem  der  Docht  der  Kerze  gedreht  wurde»; 
and.kerzia  f.  «Kerze»,  md.  im  15.  u.  lö.Jh.kirze, 
kirz,  nd.  kers,  kars,  mnd.  kerte,  kerse,  karse, 
kersche,  ndl.  kaars,  mndl.  keersse  f.,  entlehnt 
anord.  kerti  n.,  dän.  kerte.  K.  ist  Ableitung 
von  ahd.  karz  «Docht,  Werg»,  für  das  Kluge 
Entlehnung  aus  lat.  Charta  f.  «papyrus»  an- 
nimmt. Doch  ist  dies  noch  nicht  in  der  Be- 
deutung «Docht»  gefunden,  und  die  Ver- 
mutung daher  sehr  unsicher,  karz  kann  auch 
einheimisch  sein. 

Kescher,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  kleines 
Beutelnetz,  Handfischnetz.  Ein  in  Ostdeutsch- 
land namentlich  an  der  Küste  verbreitetes 
Wort.  1562  bei  Mathesius  Sar.  78^  und  ost- 
preuß.-schles.  kescher,  pomm.-mecklenb.  und 
mnd.  kesser,  holstein.-hamburg.  ketscher,  alt- 
märk.  ketzer  m.  Daneben  dän.  ketser,  schwed. 
katsa  f.  «Fischerzaun  am  Flußufer,  um  Fische 
zu  fangen»,  engl,  catcher  «Ketscher,  Reuse». 
Letztres  von  to  catch  «greifen».  Wie  die  Worte 
zusammenhängen,  ist  nicht  klar. 

Kessel,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  rundbauchiges 
Koch-  oder  Braugefäß  aus  dünnem  Metall 
und  ohne  Füße;  dem  ähnliche  Vertiefung. 
Älhd.  keggel,  ahd.  (nui-  in  urspr.  Bed.)  cheg^il, 
chegil  m.;  dazu  and.  *ketel  in  ketelari  «Kessel- 
macher», ketelköp  m.  «Kesselkauf»,  ndl.  ketel, 
ags.  cytel,  eitel,  cetel  (engl,  kettle),  anord. 
ketill,  schwed.  kettel,  kittel,  dän.  kjedel,  got. 
katils  m.  Mit  Übergang  des  n  in  l  (vgl.  Esel) 
aus  lat.  catrnus  m,  «Topf,  Tiegel,  Schüssel, 
Windkessel  am  Druckwerk,  Höhlung».  Aber 
auch  ohne  jenen  Übergang  aus  lat.  caiinum 
n.  im  Ahd.  cheggin,  che^^i,  chegge,  mhd.  (bes. 
alemann.)  keg^i  n.  «Kessel»,  noch  Schweiz. 
chessi,  elsäss.  kessi  n.  Aus  dem  Deutschen 
entlehnt  abg.  kotilü,  lit.  kätilas  m.  «Kessel». 
ABL.  Keßler,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Kupfer- 
schmied; Kesselflicker  (bei  Frisch  1741),  mhd. 
keg^elcere,  keggeler,  and.  ketelari  m.  «Kessel- 
schmied». ZUS.  Kesseljagen,  n.:  Jagd, 
wobei  das  Wild  in  einen  rund  eingeschlossnen 
Platz  zusammengetrieben  wird,  1719  bei  Fle- 
ming Jag.  2, 108.  Gleichbed.  Kesseltreiben, 
n.     In  neurer  Zeit  auch  übertragen. 

Ketsche,  f.  (PI.  -n):  Kernhaus  der  Äpfel, 
1781  bei  Jung-Stilling,  mfränk.,  auch  westfäl. 
kitsche  f ,  aachen.  ketsch,  kitsch  f. 

'  Kette,  f.  (PI.  -n):  Volk  jagdbarer  Hühner 
(die  Jungen  samt  den  Alten).  Ein  Jäger- 
wort, 1775  bei  Adelung Ze^e,  in  ^ Kette  (s.d.) 

65 


1027 


Kette 


keusch 


1028 


umgedeutet,  bei  Heppe  1763  Kitte  f.,  1753 
bei  Döbel  1,  50^  Kitt  n.  von  Feldhühnern, 
1538  bei  Herr  Columella  85^  kütte  f.  und 
1517  bei  Keisersberg  Brösami.  2,  89^  kütt  n. 
von  einer  Vogelschar,  ahd.  cutti  n.  Herde», 
afries.  kedde  «Schar,  Haufe»,  mnd.  kudde  n. 
f.  «Herde»,  ndl.  kudde  f.  «Herde  Kleinvieh» 
(ebenso  ndrhein,  1507  bei  Diefenbach  gl,  270^), 
noch  bayr.-elsäss.  kütt  f.  n.  und  schles.  kütte, 
kitte  f.  «Rebhühner Volk»,  Schweiz,  chütt  n. 
«Schar,  Rudel»,  kämt,  kutte  f.  «Viehherde». 
Man  vergl.  ]it.güotasm.  und  gaujäf.  «Rudel». 

^ Kette,  f.  (PI.  -w):  Reihe  zusammen- 
hängender Metall-  oder  StofFgüeder;  bei  den 
Webern  der  Aufzug.  Bei  Luther,  selbst  bei 
Schuppius,  wie  noch  bayr.  Ketten  f.,  mhd. 
ketene,  keten,  ahd.  chetinna,  ketina,  chetenna  f. ; 
dazu  mndl.  ketene,  ndl.  keten,  schwed.  kedja, 
dän.  kjäde  «Kette».  Aus  dem  gleichbed.  lat. 
catena  f.  Davon  ein  Diminutiv  Kettel,  m.  f. : 
eisernes  Band  an  Tm-en  und  Fenstern  zum 
Einhängen  der  Haspe.  Ostmd.  —  ketteil,  v.: 
mit  einer  Kette  binden,  fesstln,  mhd.  ketenen, 
im  15.  Jh.  gekürzt  keten,  ahd.  chetennön,  aus 
gleichbed,  lat.  catenäre.  Dazu  das  Dimin. 
ketteln,  v.,  I69i  bei  Stieler.  ZTJS.  Ketten- 
hund, m.,  1517  bei  Trochus  H  1^  ketenhund. 

Kettich,  m.  (-s):  Hederich,  sinapis  ar- 
vensis,  nd,  köddik,  kiddik,  küdik,  ags.  cedelc  f,, 
dän,  kiddike. 

Ketzer,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Irrgläubiger. 
Mhd.,  im  12,  Jh,  aufgekommen,  ketzer  m,, 
auch  «verworfner  Mensch,  unnatürlicher  Wol- 
lust Ergebner»,  md.  auch  katzer,  mnd.  und 
ndl.  ketter  (daraus  entlehnt  schwed,  kättare, 
dän.  kjätter),  aus  gr.  KoGapöc  «rein»,  An- 
gehöriger der  manichäischen  Sekte  der  Ka- 
tharer,  die  sich  im  11.  u.  12.  Jh.  im  Abend- 
lande verbreitete  und  von  der  rechtgläubigen 
Kirche  verfolgt  wurde;  die  Italiener  nennen 
sie  Gazari.  ABL.  Ketzerei,  f.  (PI.  -en): 
Irrgläubigkeit,  mhd.  ketzerte,  auch  «unnatür- 
liche Wollust»,  ketzerisch,  adj.,  im  15.  Jh. 
(Fastnachtsp.  9,  24;  13,  4),  dafür  mhd.  ketzer- 
lich, ketzern,  v.,  in  verketzern,  im  15,  und 
16.  Jh.  ketzern  «zum  Ketzer  machen»,  im 
16.  Jh.  «martern,  quälen»,  eig.  «wie  einen 
Ketzer  behandebi»,  noch  bayr.-rhein.-schweiz. 
ketzern  «das  Leben  sauer  machend  kleinlich 
quälen»,  elsäss.  verketzern  «verderben,  bös- 
willig beschädigen». 

Keuche,  Keiche,  f.  (PI.  -n):  dumpfes 

Gemach;  Kerker.  Bayr.-östr.,  1594  bei  Frisch- 
lin  Nom,  Cap.  155  Keuch,  in  Augsburg  Keuche 


und  Kauche,  ältemhd.  Keiche,  mhd.  kiche  f.; 
von  keuchen  (s,  d,),  eig.  «Ort,  der  den  Atem 
benimmt», 

keuchen,  v,:  schwer  atmen.  Bei  Fischart 
Garg.  455  keuchen,  1537  bei  Dasypodius  keu- 
chen, aber  älternhd.  bis  ins  18.  'Jh.  keichen 
(bei  Wieland,  d.  j,  Goethe  3,  243,  noch  bei 
Rückert  2, 140),  mhd,  ktchen  «keuchen»  neben 
küchen  «stark  hauchen»  (älternhd.  hauchen, 
1517  bei  Keisersberg  Brösamlin  2,  88^  küchen); 
dazu  mndl.  kichen,  kuchen,  engl,  cough  «husten», 
schwed.  kika,  kikna  «nach  Luft  schnappen», 
älterdän.  kigen  «husten».  ZUS.  Keuch- 
husten, m. :  ansteckender  Husten  mit  Atem- 
not, 1775  bei  Adelung  Keichhusten,  dafür 
älternhd.  Keuchen,  Keichen  n.,  Keuche,  Keiche 
f.,  mhd.  kiche  m.  f.,  ndl.  1599  kichhoest  (und 
mit  Nasal  kinckhoest,  mnd,  kinkhöste,  holst. 
kinkhösten,  engl,  kinkhaust,  chincov^h),  schwed, 
kikhosta,  dän,  kighoste. 

Keule,  f,  (PI.  -n):  einem  Stabe  vergleich- 
bares unten  kugelknopfartiges  Schlagwerkzeug 
usw.,  Hinterschenkel,  Oberschenkel  (1517  bei 
Trochus  N4^  kule).  In  1,  Bed.  mhd.  kiule 
(urspr,  wohl  mehr  das  dicke,  kugelknopfartige 
Ende,  z,  B,  des  Kolbens  Parziv.  570,  6),  md. 
kule  und  ans  Nd,  anklingend  im  14,  Jh.  kuile 
(Jeroschin  23692),  1470  keul.  Verwandt  mit 
Kaule  (Kugel),  s.  d. 

Keuler,  s.  Keiler. 

keulich,  s.  kaulicht. 

Keuper,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Buntmergel- 
sandstein der  obersten  Triasschicht.  Nach  der 
im  Koburgschen  volkstümlichen  Benennung 
dieses  Sandsteins  von  Leop,  v.  Buch  in  der 
ersten  Hälfte  des  19.  Jh.  wissenschaftlich  ein- 
geführt,  vgl.   bayi-.  kiefer  m.  «Sand,   Kies». 

keusch,  adj.:  sittenrein,  besonders  in  An- 
sehung des  Geschlechtsverhältnisses.  Mhd. 
kiusche  und  alem.  mit  Nasal  kiunsch  (noch 
im  16.  Jh.  künsch),  md.  kusche,  ahd.  chüsk 
chüski,  chiuske,  im  Adv.  chüsco,  chiusko  «ent 
haltsam,  mäßig,  sittsam»;  dazu  asächs,  Adv, 
cüsco  (and.  kusgi  «venustas»,  cuskitha  «pudor») 
ndl.  kuisch,  afries.  küsk,  ags,  cüsc.  Die  Grund 
bedeutung  scheint  «rein»  zu  sein,  vgl.  ndl 
kuisch  «reinlich,  saiiber»,  kuischen  «säubern, 
putzen»,  ahd.  unküski  f.  «Schmutz»,  aprov, 
cusc  «rein,  sauber».  Dunkler  Herkunft, 
Kaum  mit  Berneker  Idg.  Forsch,  10,  161  zu 
lit.  z'auksoti  «mäßig  sein».  ABL.  Keusch- 
heit, f.,  mhd.  kiuscheheit,  kiuscheit  und  alem. 
mit  Nasal  künschait  (Mone  Sehausp.  1,  150, 
bei   Maaler  1561    Künschheit),    md.  kUscheit, 


1029 


Keusche 


Kieke 


1030 


wofür  gewöhnlich  mhd.  kiusclie,  mhd.  cMski, 
chiuski,  älternhd.  Keusche  f.  ZUS.  Keusch- 
lamni,  n.  (s):  der  süditalische  Keuschbaum, 
agnus  castus,  dessen  erstes  Wort  irrig  als  das 
lat.  agnus  m.  «Lamm»  gefaßt  wurde,  es  ist  viel- 
mehi*  ä-fvoc  m.,  der  gr.  Name  dieses  Baumes, 
den  man  fälschlich  zu  gr.  ä-fvöc  «unbefleckt, 
rein»  stellte  und  mit  castus  übersetzte.  Schon 
im  14.  Jb.  bei  Megenberg  311, 14  käusch  lamp. 

Keusche,  Keische,  f.  (PI.  -w):  kleines 
Bauernhaus,  in  den  östeireich.  Alpen.  Wohl 
aus  dem  Slawischen,  slov.  kajza  f.  «Keusche», 
tschech.  chyse,  abg.  chyza  f.  «Hütte»,  die 
dem  deutschen  Haus  entstammen.  Davon 
Keuschler,  Keischler,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.) : 
Kleinbauer,  Häusler,  slov.  kajzar. 

Keutel,  s.  Keitel. 

kibheln,  v. :  sich  in  kleinen  Zänkereien 
auslassen.  Mhd.  kibelen,  kivelen,  Diminutiv 
oder  Freqnentativ  zu  kihen,  kiven  «keifen». 

Kihitka,  Kibitke,  f.  (PI.  ken  und  kas). 
Aus  russ.  kibitka  «halbverdecktes  Fuhrwerk, 
Eeiseschlitten». 

Kicher,  f.  (PI.  -n),  gewöhnlich  Kicher- 
erbse, f.,  mhd.  kicher  f.  m.,  ahd.  chichera, 
chichirra,  chichura  f.  (s.  ZfdW.  6,  184).  In 
sehr  früher  Zeit,  als  das  lat.  c  noch  wie  k 
klang,  entlehnt  aus  lat.  dcer  n.  (PI.  cicera) 
«Kichererbse»  und  cicera  f.  «Platterbse,  Wicke», 
mit  Anklang  an  das  ganz  verschiedne  roman. 
cicoria  f.  «Zichorie». 

kichern,  v.:  mit  feinem  Ton  in  sich  hin- 
ein lachen.  1517  bei  Trochus  QS''  kichern, 
1482  im  voc.  predic.  c7^  kecherlich  lachen; 
dazu  mhd.  kach  m.  «lautes  Lachen»,  kachen 
«laut  lachen»,  woneben  gleichbed,  ahd.  kah- 
hazzen,  mhd.  kachzen;  dazu  ags.  ceahhettan. 
Lautnachahmend  wie  lat.  cachinnus  m. 
«heUes  Lachen»,  cachinnäre  «laut  auflachen», 
gr.  Kcxci^eiv,  Ka-fxaZeiv  «laut  lachen,  hohn- 
lachen», aind.  kakhati  «lacht».  Nebenform 
kickern,  v.:  kichern  (Gotter  Schausp.  276), 
1711  bei  Rädlein  kickern  «höhnisch  lachen», 
1727  bei  Aler  gickeren  «cachinnäre»,  ndl. 
1599  kekeren,  schon  mhd.  gickeln  «hohn- 
lachen» (Renner  16109),  1477  clevisch  kickein, 
1616    bei   Henisch   gichlen,   gicheln,   gachlen. 

Kickerling,  s.  Kinkerlitzchen. 

Kicks,  m.  (Gen.  Kickses,  PI.  Kickse): 
Fehlstoß  (im  Billardspiele),  Fehlschuß,  Fehl- 
gi-ifif.  In  1.  Bed.  Kicks  1775  bei  Adelung, 
1732  bei  Picander  3,  357  Gix  «Fehlschuß». 
Aus  engl,  kick  «Stoß,  Fußstoß». 

Kickskacks,  s.  Gicksgacks. 


Kiebitz,  m.  (-es,  PI.  -e):  der  Sumpfvogel 
vanellus.  1664  bei  Duez  Kifitz,  Kibitz,  Kiivitz, 
1615  bei  Colerus  5, 201  Kybitz,  Kübitz,  Kybit, 
Kybelit,  Kybelitz,  1562  bei  Mathesius  Sarepta 
68''  Kibitz  (als  Scherzname  für  «Chorschüler- 
lein»), mnd.  kivit,  kiivit,  ndl.  kievit.  Aber 
obd.  mit  G  im  Anlaut,  z.  B.  bajr.  Geibitz, 
1419  geybitz,  1445  gratüfeic^  (SchmeUer^  1,  868), 
1482  im  voc.  theut.  k6*  gebytz,  bei  H.  Sachs 

4,  280  Geubitz,  1598  bei  Helber  37  geiwiz, 
mhd.  giu'iz,  gtbig,  gübitz-,  älternhd.  auch  Gl/ fitz 
(Maaler  1561,  PI.  Gifitzen  bei  Fischart  Gai-g. 
376),  Geifitz  (1594  bei  Frischlin  Nom.  Cap.  40). 
Der  Name  stimmt  mit  dem  Rufe  des  Vogels. 

^Kiefer,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Kinnbacken; 
Fischkieme  (1716  bei  Ludwig,  aber  schon 
1476  keuffer  bei  Diefenbach  nov.  gl.  58**). 
In  1.  Bed.  1691  bei  Stieler  Kifer,  mhd.  kiver 
und  kivel  m.,  später  kiffel  und  kiefel  (im 
15.  und  16.  Jh.  kyfel  auch  «Fischkieme»); 
dazu  asächs.  kaflos  PI.  m.,  ndl.  kevels  PI.  f., 
ags.  ceafl  m.  «Kiefer»,  anord.  kjaptr,  kjöptr  m. 
«Kinnbacken»,  schwed.  käft,  dän.  kjäft.  Zu 
mhd.  kifen,  ki feien  «nagen,  kauen»,  wovon 
auch  Kiefe  f.,  1462  kieffe,  Äz/f  «Fischkiefer» 
(Mone  Anz.  7,  307^;  SOI*'),  nd.  kiffe  «Kinn- 
backen», keve  «Fischkieme»,  während  mhd. 
kiive,  kewe,  kiuwe,  kouwe,  ahd.  chiuwa,  chiwa, 
cheiva  f.  «Kiefer»  von  ahd.  chiuwan  «kauen» 
abgeleitet  ist.  Außerhalb  des  Germanischen 
entspricht  wohl  awest.  zafar-  n.  «Mund». 

"Kiefer,  f.  (PL  -n):  die  harzreiche  Nadel- 
holzart pinus,  oberdeutsch  Föhre,  Kienbaum. 
Zuerst  bei  Luther  Jes.  41,  19  kyfer  f.  aus 
der  obersächs.-schles.  Volkssprache,  gekürzt 
aus  Kienföhre  (dem  volkstümlichen  Namen 
des  Baums  in  Böhmen,  Österreich  und  Bayern, 
im  Adj.  mhd.  kienvorhin,  um  1480  im  voc. 
ine.  teut.  g3*  und  1562  bei  Mathesius  Sar. 
80^  kinforen),  wie  die  Übergangsformen  fränk. 
Kinfir  (Schmeller^  1,  1256  vom  J.  1771)  und 
nordböhm.  Kimfer  zeigen.  ABL.  kiefern, 
adj.,  1544  in  Leipz.  Ordn.  N2a  kyfern,  1562 
bei  Mathesius  Sar.  80^  kiefern;  das  Adj.  in 
den  Zuss.  Kiefernholz,  Kiefermvald. 

Kieke,  f.  (PI.  -n):  durchlöchertes  Blech- 
gefäß, in  das  ein  Topf  mit  glühenden  Kohlen 
gesetzt  wird,  zum  Wärmen  der  Füße.  1667 
in  dem  Anekdotenbuch  «Gepflückte  Fincken» 

5.  11  Kiecke,  1711  bei  Rädlein  Kicke,  Gicke, 
1729  bei  Picander  2,  249  Giecke,  aus  gleich- 
bed. nd.  (1785  bei  Voß  2,  275  Feuerkieke), 
mnd.  Mke  f.,  wofür  dän.  ildkikkert  «Feuer- 
kieke».    Dunkler  Herkunft. 

65* 


1031 


Kiel 


Kiepe 


1032 


*Kiel,  m.  (s,  PL  -e):  der  untre  hohle 
Teil  der  Flügelfeder  des  Vogels;  Schreib- 
feder; Pflanzenstengel  (im  18.  Jh.).  Mhd. 
kil  m.  n. «Federkiel»,  jedoch  ndrhein.  im  15.  Jh. 
keil,  kijl  (Diefenbach  gl.  277*'),  elsäß.  1579 
bei  Golius  288  keil,  schwäb.  1646  bei  Weck- 
herlin  2,  307  federkeil,  1663  bei  Schottel  Kejl 
und  federkeil,  1691  bei  Stieler  Kiel,  Keil  et 
Kengel  (wie  Stiel  neben  Stengel)]  daneben 
ein  Fem.  obersächs.-thüring.  kiele,  auch  schles. 
1734  bei  Steinbach  Kiele  f.,  schon  1587  bei 
Soranus  Federkile  f.  Nebenform  westfäl. 
quidle  f.,  entsprechend  engl,  quill  «Fedei'kiel, 
Stengel».  Dunklen  Ursprungs.  J_Biy.  kielen, 
V.:  Ansatz  zu  Federn  haben,  md.  im  17.  Jh., 
dagegen  bei  Luther  Tischr.  242^  und  1691 
bei  Stieler  keilen. 

^Kiel,  m.  {-es,  PI.  -e):  der  lange  Grund- 
balken des  Schiffes.  1691  bei  Stieler  Kiel, 
Kehl,  1784  bei  Steinbach  Kiel,  Keel,  aus 
dem  Nd.,  mnd.  kil,  kiel,  kel,  1594  bei  Chyträus 
keel,  ndl.  kiel,  ags.  cele  m.,  anord.  kjölr  m., 
schwed.  köl,  dän.  kjöl  «Schiffskiel»,  auch 
«Gebirgsinicken»;  aus  dem  Germanischen 
entlehnt  das  gleichbed.  franz.  quille,  ital. 
chiglia,  span.  quilla  f.  Man  nimmt  Verwandt- 
schaft mit  Kehle  an,  was  aber  nicht  sicher 
ist.  K.  wurde  vermengt  mit  dem  urspr. 
verschiednen  Kiel  m.  «Schiff»,  mhd.  kiel, 
ahd.  kiol  m.  «groß res  Schiff»;  dazu  and.  kiol, 
ags.  ceol,  clol  m.  «Langschiff»,  anord.  kjöll 
m.  «Schiff».  Man  hat  gi*.  y^öXoc  «Kauf- 
fahrteischiff», ya\)\6c  m.  «Melkeimer»  ver- 
glichen, doch  sind  diese  eher  aus  dem  Se- 
mitischen entlehnt,  vgl.  Lewy  die  semitischen 
Fremdwörter  151.  Außerdem  stimmt  der  Vo- 
kalismus nicht.  Auch  aind.  gölas  m.  «Kugel» 
bleibt  besser  fem.  Lu  letzten  Grunde  könnten 
germ.  *kela,  falls  aus  idg.  g{w)elä  und  *keula 
durch  Ablaut  verbunden  sein.  Vgl.  noch 
Btr.  23,  227.  ZUS.  kielholen,  V.:  ein  Schiff 
zum  Ausbessern  auf  die  Seite  legen;  einen 
zur  Strafe  unter  dem  Schiffskiele  durch  das 
Wasser  ziehen  (herumholen),  nd.  und  ndl. 
kiel-halen.  Entlehnt  schwed.  kölhala,  dän. 
kjöUiale,  engl,  keelhaul,  keelhale.  Kiel- 
schwein, n. :  schwerer  Holzblock  am  Schiffs- 
kiel, worauf  der  Mast  steht.  1734  bei  Stein- 
bach Kielschwin,  aus  dem  Nd.,  wo  auch 
kolswinn,  gekürzt  kolseni,  wohl  entlehnt  aus 
dem  Nord,,  schwed.  kölsvin,  dän.  kjölsviin, 
die  aus  kjölsvill  (svill  zu  d.  Schwelle)  um- 
gewandelt sind.  Kielwasser,  n.:  Wasser- 
furche hinter  dem  Schiff,  1775  bei  Adeluncr. 


aber  ndl.  1599  kielwater  n.  «AVasser  im  Kiel- 
raum des  Schiffes». 

•  Kielkropf,  m.  (-[e]s,  PI. Kielkröpfe) :  groß- 
köpfiges,  dickhalsiges  Kind,  das  man  als  von 
Zwergen  untergeschoben  ansah,  Wechselbalg 
Bei  Luther  Kilkroh,  PL  Kilkroppe  (8,  90^  J., 
in  den  Tischr.  210 '^  Kilekröpffe,  213  *  Kil- 
kröpff),  zgs.  wohl  aus  Kropf  (s.  d.)  und 
Kiel  m.  «Quell»  (1562  bei  Mathesius  Sar. 
96^;  165^),  ältermd.  quil  f.  «Quelle»,  denn 
man  glaubte  wohl,  solche  mißgestaltete  Kinder 
seien  aus  Wasser  oder  Wellen  hervorgegangen. 
Urspr.  westmd.  und  nd.  Wohl  mit  Anlehnung 
an  Kaul  in  Kaulkopf  (s.  d.)  1550  bei  Alberus 
Fab.  39,  101  kolkropff  m. 

Kieme,  f.  (PL  -n):  Fischkiefer.  Erst  im 
17.  Jh.  in  den  spätem  Ausgaben  des  Soranus 
und  1716  bei  Ludwig  ^ieme,  1663  bei  Schottel 
Kimme  f.;  dafür  fräher  1482  im  voc.  theut. 
q4^  kinlein,  1462  kieffe  (s.  ^Kiefer),  An- 
fang des  15.  Jh.  kiwe  (Diefenbach  nov.  gL 
58 1'),  1666  bei  Comenius  Sprachenthür  163 
Kibe,  1716  bei  Ludwig,  1734  bei  Steinbach 
Kiepe  f.,  1558  in  Eber-Peucers  Vocab.  rei 
num.  H2^  kampffm.;  dazu  and.  kio  m.,  kian 
PL  «branchia»,  ags.  ciun,  ceon.  Die  Herkunft 
ist  unsicher.     Grundform  ist  wohl  *kimno-. 

Kien,  m.  (-es):  das  harzvolle  Holz  der 
Kiefer  zum  schnellen  Feueranmachen  oder 
Leuchten,  sowie  das  Harz  selbst.  Mhd.  kien 
m.  n.,  ahd.  cMen  m.  «Kiefemharz,  Kienspan, 
Harzfackel,  Kienbaum»,  im  15.  Jh.  auch  «Kien- 
apfel»; dazu  mnd.  ken,  ags.  cen  m.  «Harz- 
holzfackel, Kiefer».  Im  17.  und  18.  Jh.  in 
Mitteldeutschland  Kühn  geschrieben,  1574  bei 
Fischart  Onomast.  89''  Kün.  Dunkler  Her- 
kunft. Vgl.  Wiedemann  BB.  29,  314.  ABL. 
kienig,  adj.,  um  1480  im  Voc.  ine.  teut. 
n2*'  kinig.  ZUS.  Kienapfel,  m.:  Samen- 
zapfen der  Kiefer,  1501  im  Leipziger  Voc. 
opt.  V  8**  kinapfel,  später  auch  Kühnapfel 
(1613  bei  Golems  421*').  Kienbaum,  m.: 
Kiefer,  mhd.  kienboum.  Kienruß,  m.:  Euß 
von  Kienholz,  1618  bei  Schönsleder  Kienrueß. 
Kienspan,  m.,   1711  bei  Rädlein. 

Kiepe,  f.  (PL  -n)-.  langer  geflochtner 
Rückentragkorb.  1595  bei  Helvig  178  Kipe, 
1482  im  Voc.  theut.  q4*  kype,  aufgenommen 
aus  mnd.kipe,  nnd.  küpe,  clevisch  1477  kyppe  f. ; 
dazu  mndl.  cüpe  f.,  ndl.  kiepekorf  m.  «großer 
Tragkorb»,  kih  «Fischreuse  von  Flechtwerk», 
ags.  cypa  f.  «Korb»,  in  engl.  Mundarten  kipe 
«Fischreuse»,  norw.  kipe  «Weidenkorb  zum 
Trasren  auf  dem  Rücken».    Wohl  verwandt 


1033 


Eies 


Kimme 


1034 


mit  anord.  kom-kippa  «Behälter  für  Saatkorn», 
mhd.  keibe  f.  «Mastkorb».  Zugleich  scheint 
aber  lat.  cüpa  f.  «Tonne,  Faß,  Getreidemaß»  mit 
darin  zu  stecken.  Bei  den  obersächs.  Winzern 
an  der  Elbe  auch  in  der  Bed.  «Faß,  Bütte», 
in  Nordböhmen  «hohes  Faß  der  Färber». 

Kies,  m.  (Gen.  Kieses,  PI.  Kiese):  grober, 
steiniger  Sand;  im  Bergbau  geringhaltiges 
metallisches  Erz  (im  15.  Jh.  kys,  «antimonium» 
bei  Diefenbach,  mhd.  kis  «schlechtes  Metall», 
bei  Berthold  v.  Regensburg  1,  147,  27),  In 
1.  Bed.  mhd.  kis,  schon  bei  Luther  gedehnt 
Kies  (Jes.  48,  19),  aber  noch  in  md.  Mund- 
arten kiss;  dafür  in  Xorddeutschland  Grand 
(s.  d.).  Dazu  ndl.  kei  «Kiesel».  Zupitza  Gutt. 
194  vergleicht  weiter  lit.  z'iegzdros  f.  PI. 
«Grand»,  apreuß.  sixdo  «Sand»,  Hierher  auch 
phryg.  -ficca  «Stein»?  ABL.  Kiesel,  m, 
(-S,  PI,  wie  Sg.j:  sehr  fester  Stein  aus  Kiesel- 
erde, mhd.  kisel,  auch  in  der  Bed,  «Hagelstein, 
Schloße»  (wie  noch  fränk.-hess.-rhein.  Kiesel 
m,  «Hagel»),  ahd.  kisil  m.,  ags.  cisil,  ceosel  m, 
«Kieselstein»,  in  weitrer  Ableitung Kieseling, 
Kiesling,  m,,  bei  Luther  Spr.  20, 17  kiseling, 
mhd.  kiselinc,  ahd.  chisüing  m.;  dazu  mnd. 
keser-,  kesser-,  kiser-,  keselink  m.,  ndl.  kese- 
linge.  Kieselgur,  f.:  Bergmehl,  Lifusorien- 
erde.  Zgs.  mit  Chir  (s.  d. ).  Kieselstein,  m. 
erst  nhd.,  1501  Leipziger  Yoc.  opt,  Bb  4^. 
kiesig,  adj.,  bei  Luther  5.  Mos.  21,  4  kiesicht, 
1562  bei  Mathesius  Sar,  156*  kisig.  • 

kiesen,  v.  (Prät,  kor,  Konj.  köre,  Part. 
gekoren):  prüfend  ausersehen,  auswählen,  er- 
wägend wählen.  Seit  dem  17.  Jh,  nur  noch 
in  poetischer  Sprache.  Mhd,  kiesen  (Prät, 
kos,  Plur.  kurn,  Prät,  gekorn  und  schwäb.- 
aleman,  gekosen),  auch  «prüfend  kosten»,  ahd, 
cMosan;  dazu  asächs,  kiosan,  mnd,  kesen, 
keisen,  mndl,  kiesen,  ndl,  kiezen,  afries,  kiasa, 
sziasa,  ags,  ceosan,  engl,  choose,  anord.  kjösa, 
got,  kiusan.  Verwandt  sind  gr.  feuecBai 
«kosten»,  aind,  jusäte  «hat  gern,  findet  Ge- 
fallen, hebt,  kostet»,  awest,  zaoia-  m.  «Ge- 
fallen», apers,  dausta  (2.  Sg,  Aor,  Med,)  «liebe- 
voll behandeln»,  alban,  desa  (Aor.)  «ich  liebte», 
ir.  to-gu  «Wahl»,  lat,  gustäre  «schmecken», 
degüno  «koste».    Vgl,  küren,  kosten. 

Kiez,  m,  (-s) :  Ort,  wo  die  Fischer  bei- 
sammen wohnen,  Li  Nordostdeutschland, 
Bei  Haltaus  1073  der  kytz  als  Gerichtsstätte 
vor  der  Stadt  Brandenburg,  vom  J.  1249, 
Wahrscheinlich  slawischen  Ursprungs. 

Kieze,  f.  (PI.  -«):  Rindengefäß  zu  Erd- 
beeren  usw.;    Korb;    Starkasten.     1741    bei 


Frisch  Kieze,  1562  bei  Mathesius  Sar,  274» 
Kitze  f,,  bei  dem  Schlesier  Czepko  (t  1660) 
Kiez  m,,  Nebenform  zu  Kötze  (s.  d,), 

Kikeriki,  der  Hahnenschrei,  1787  bei 
Schubart  Ged,  2,  253  Kikriki,  bei  Gleim  Kikri, 
dafür  1595  bei  RoUenhagen  Froschm,  1,  2,  2, 
73  guck  guck  curith. 

Kilber,  f.  (PI,  wieSg,):  weibliches  Lamm, 
Mutterlamm,  noch  thüring,  -  fränk,  -  österr.- 
schweiz.  Mhd.  kübere,  ahd,  chilburra,  kühira 
f.  «Lamm»,  ags,  cilforlamh  n.     S,  KäW. 

Kilogramm,  n,  (-s,  PI.  -e):  lOOO  Gramm 
(2  Pfund),  und  Kilometer,  n,  iind  m,  {-s, 
PI,  wie  Sg,):  1000  Meter,  1868  gesetzlich  auf- 
genommen aus  franz.kilogramme  m,  (s.Gramm) 
und  kilometre  m,,  deren  Mio-  aus  gr.  xi^ioi 
«tausend»,  in  Zusammensetzungen  xi^io-- 

Kilt,  m,  {-es,  PI,  -e):  Nachtbesuch  des 
Jünglings  bei  dem  Mädchen.  Schweizerisch, 
elsässisch,  eig.  Abendtätigkeit,  besonders  im 
geselligen  Beisammensein.  Aus  Quilt,  wie 
keck  aus  queck,  noch  elsässisch  quelte.  Ahd. 
817  chtviltiwerch  n.  «Abendwerk»,  d.  h,  «Ar- 
beit am  Abend  bei  Licht»,  anord.  kveld  n., 
schwed.  qväll  m.,  dän.  kveld  «Abend»,  ags, 
cwyldseten  f.  «Abend»,  cwyldtld  «Abendzeit». 
Das  Wort  gehört  zu  ags.  civield  «Zerstörung, 
Tod»,  lit,  gälas  m,  «Ende»,  Die  idg,  Wg, 
g'"''el-  ist  in  ihren  Bedeutungen  außerordent- 
lich weit  verzweigt.  Vgl,  noch  Zupitza 
Gutt,  85.  ZUS.  Kiltgang,  m.,  wie  Kilt. 
Kiltgänger,  m.:  nächtlicher  Besucher. 

^ Kimme,  f,  (PI.  -n):  Kerbe  in  den  Dauben, 
am  Gewehr  usw.  In  Nord-  und  Mitteldeutsch- 
land, 1557  bei  Agricola  Bergwerk  135  kimme, 
1716  bei  Ludwig  Xetwe,  holstein.  ^?eme.  Vgl. 
ags,  cimbing  f.  «Fuge»,  ABL  kimmen,  v, : 
die  Kimme  einschneiden,  1741  bei  Frisch. 
Davon  Kimmer,  m.:  Böttcher,  nord-  und 
z.  T.  mitteldeutsch,  mnd.  kimmer,  kiemer  m. 

^  Kimme,  f.  (PI.  -n):  vor-,  übertretender 
scharfer  Rand.  An  Fässern  1663  bei  Schottel, 
Aufgenommen  aus  nd,  kimni  m.,  kimm^  f. 
«äußerster  Rand,  den  Faßboden  überragender 
Faßdaubenrand,  auch  «Horizont»,  ndl.  kirn, 
kimme  f.,  1599  bei  Kilian  kirne,  kimme,  kieme; 
schwed.  kim  m.  «Faßdaube»,  engl,  chimh, 
chime,  mengl,  chimhe  «überstehendes  Faß- 
daubenende», Wie  es  nach  dem  Englischen 
scheint,  eins  mit  dem  vorigen  Kimme,  zumal 
da  jener  Rand  von  der  Kerbe  anhebt,  in 
welcher  der  Boden  sitzt.  Vielleicht  ablautend 
zu  Kamm.  Anders  Zupitza  Gutt,  144,  Dazu 
Kimmung,  f.:  Horizont,  Luftspiegelung,  nd. 


1035 


Eiud 


Kinn 


1036 


Kind,  n.  (-es,  PI.  -er):  dm-ch  Zeugung 
Entstehendes,  der  oder  die  Erzeugte  im  Ver- 
hältnisse zu  den  Eltern  oder  auch  bloß  im 
frühen,  unreifen  Alter.  Mhd.  kint  (Gen. 
kindes),  ahd.  kind  n.;  dazu  asächs.-afries. 
kind  (auch  in  norw.  und  schwed.  Mundarten), 
mnd.  und  mndl.  kint  (ags.  cild  n.,  engl.  cMld 
gehöi-en  zu  got.  kilßeif.  «Mutterleib»);  ferner 
anord.  kind  f.  «Geschlecht,  Nachkomme»  (lat. 
gens).  Alte  Partizipialbildung  auf  -t  (vgl. 
alt,  kalt)  zur  Wurzel  kun,  ken,  kan  « ei-zeugen, 
gebären»,  wozu  anord.  kundr  m.  «Sohn»,  got. 
-kunds,  ags.  -cund  «entstammend»,  mhd.  künne, 
ahd.  kunni,  got.  kuni  n.  «Geschlecht»,  ags. 
cennan  «erzeugen»  und  gr.  y^voc  n.  «Ge- 
schlecht», YÖvoc  m.  «Geburt,  Abkömmling, 
Nachkommenschaft»,  yevvov  «zeugen»,  fiyve- 
cöai  «geboren  werden»,  lat.  gigner e  (Prät. 
genui)  «erzeugen»,  genus  n.  «Geschlecht», 
gens  f.  «Geschlecht,  Stamm»,  awest.  zan- 
« erzeugen,  gebären»,  aind.  jfanati  «erzeugt», 
Janas-  n.  «Geschlecht»,  Janas  m.  «Geschöpf, 
Mensch».  Im  Plural,  den  mhd.  Formen 
(Nom.  kint,  Gen.  kinde,  Dat.  kinden)  gemäß, 
noch  mitunter  die  Kind  (Goethe  2, 36).  ABL. 
kindern,  v.:  ein  Kind  gebären  (schon  im 
16.  Jh.,  dafür  mhd.  kinden,  ahd.  chindön, 
cMndan,  noch  Schweiz,  chinden);  kindisch  tun 
(1691  bei  Stieler,  davon  Kinderei,  f.,  1648 
bei  Zesen  Ibrahim  115  Kinderey).  kindisch, 
adj.,  mhd.  kiiidisch,  kindesch,  ahd.  chindisc, 
kindisc,  asächs.  kindisk  (ags.  dldisc  «kindlich, 
jugendlich»),  im  tadelnden  Sinne  schon  mhd. 
(Passional  262,  36  Köpke).  Kindlein,  n.: 
kleines  Kind,  mhd.  kindelin,  ahd.  kindilin, 
cliindilin,  im  Plur.  auch  Kinderlein,  1482  bei 
Melber  K5^  kinderlin,  daneben  mhd.  kindel, 
ahd.  chindili,  noch  oberd.  Kindel  n.:  dafüi- 
md.  kindekln,  kindichln,  nhd.  Kindchen  n., 
im  Plur.  gewöhnlich  Kinderchen  (schon  im 
16.  Jh.),  nd.  kinderken  (ühland  Volksl.  81). 
kindlich,  adj.,  mhd.  kintlich,  ahd.  chindlih, 
im  Adv.  mhd.  kintliche,  ahd.  chindlihho.  ZUS. 
1)  eigentliche:  Kindbett,  n.:  Wochenbett, 
mhd.  kinthette  (daneben  kindelbette) ,  ahd. 
chintpette,  chindebette  n.,  woneben  ältemhd. 
und  noch  Schweiz,  ein  Fem.  Kindbette;  da- 
von Kindbetterin,  f :  Wöchnerin,  mhd. 
kintbetterinne,  -betterin,  auch  kindelbetterin  f. 
Kindelbier,  n.:  Kmdtaufsschmaus,  1691  bei 
Stieler,  dafür  bei  Luther  4,  117^  Kinderbier. 
Kindheit,  f.,  mhd.  kintheit,  ahd.  cindheit  f. 
(ags.  cildhäd)  m.  Kindschaft,  f.,  bei  Luther. 
Kindtaufe,  f.,  mhd.  kinttoufe,  daneben  im 


15.  Jh.  kindeltouf  m.,  im  16.  Jh.  kindtteufete  f. 
Zimm.  Chron.'^  4,  47,  13.  —  2)  un eigentliche 
a)  mit  dem  Gen.  Plur.:  Kinderfrau,  f.: 
1691  bei  Stieler.  Kinderfreund,  m.:  Zeit- 
schrift für  Kinder.  Chr.  F.  Weiße  gab  1775 
die  erste  unter  diesem  Namen  heraus.  Kinder- 
garten, m.:  Erziehungsanstalt  für  kleine 
Kinder.  Von  Fröbel  1840  begründet  und 
benannt,  kinderhaft,  adj.,  1775  bei  Adelung. 
Kinderlehre,  f.,  beiDiefenbach-Wülcker  697 
vom  J.  1611,  mnd.  kener  lare  ebd.  kinder- 
leicht, adj.,  1800  bei  Langbein  Ged.  2,  75. 
kinderlos,  adj.,  1664  bei  Duez.  Kinder- 
mädchen, n.,  1691  bei  Stieler,  dafür  bei 
Luther  Kindermagd.  Kindermuhme,  f, 
1691  bei  Stieler,  in  Thüringen  und  Ober- 
sachsen. Kinderschuh,  m.,  1535  bei  Luther 
6, 292^  die  Kinderschuch  ausziehen.  Kinder- 
spiel, n.,  in  der  Bed.  leichtes  Tun  im  Gegen- 
satz zu  ernstem  schon  mhd.  chindispil,  kinde- 
spil,  kintspil,  auch  kindes  spil,  1561  beiMaaler 
Kinderspill  n.;  im  gemeinen  Leben  auch 
«Menge  von  Kindern».  Kinderstube,  f., 
1618  bei  Schönsleder  kinderstuben ,  «pgeda- 
gogium»,  aber  schon  vom  J.  1496  bei  Kriegk 
Deutsches  Bürgert.  364  kinder stöbe  f.  «Schule» 
(des  Lieb fi'auen Stifts  in  Frankfurt  a.  M.). 
Kindertaufe,  f.:  an  Kindern  voUzognes 
Sakrament  der  Taufe,  früh  im  16.  Jh.,  1525 
bei  Zwingli  Kindertoufm.  Kiuderzucht,  f., 
bei  Luther  6,  433''.  —  b)  mit  dem  Gen.  Sing.: 
Kindesbein,  n.,  ahd.  vona  chindes  peine, 
mhd.  von  kindes  heine,  bei  M.  Rinckart  (f  1649) 
V071  Kindesbeinen  an.  Kindeskind,  n.,  mhd. 
kindeskint  n.  Kindesnot,  f. :  Geburtswehen, 
bei  Luther  in  Kindesnöten  sein,  mhd.  in  noeten. 
Kindesteil,  m.  und  n.:  der  gesetzliche  An- 
teil eines  Kindes  an  der  Erbschaft,  1691  bei 
Stieler.  Kindskopf,  m.:  Dummkopf,  1776 
bei  Wagner  Kindermördeiin  37. 

Kinkerlitzen,  Plur.  (in  Bayern)  mit  dem 
Dimin.  Kinkerlitzchen  (Gotter  Schausp. 
216) :  Flitterkram,  Flunkereien.  Md.  Der 
erste  Teil  des  Wortes  berührt  sich  mit  md. 
Kickerling  m.  «schlechtes  Geldstück,  ver- 
krüppelte Pflaume,  verwachsnes  Kind»  (auch 
Kinkerling)  «unausgewachsne  Feder  beim 
Federschleißen»,  nordital.  chiccheri,  chichera 
«Flitterstaat»,  engl,  kick  «neues  Putzstück», 
der  zweite  Teil  entspricht  bayr.  litz,  litzen, 
mhd.  Uz,  litze  m.  «Laune,  Grille»,  ahd.  liz  m. 
«Vorwand»,  got.  Uta  f.  «Verstellung». 

Kinn,  n.  (-[e]s,  PI.  -e):  vorstehender  Kopf- 
teil  unter   der  Unterlippe.     Älternhd.  auch 


1037 


Kiosk 


Kirche 


1038 


Kien,  Kihn,  aber  lahd.  kinne,  ahd.  kinni  n. 
«Kinn,  Kinnlade»;  dazu  asächs.  A'inm' n.  «Kinn- 
backen», ndl.  kinne,  kin  f.,  ags.  cinn  f.,  engl. 
chin  «Kinn»,  anord.-schwed.  Ä:?wn  f.,  däja..kind, 
got.  kinnus  f.  «Backe».  Im  16.  und  17.  Jb. 
auch  Kinn  m.  (1517  bei  Trocbus  X  2''),  ebenso 
and.Ärin,  -mnd.kin,  kinne  m.,  obersäcbs.-thüring. 
auch  Kinne  f.  Es  gehört  zu  lat.  gena  f. 
«Wange»,  kymr.  geii  «Wange,  Kinn»,  gr.  fevvc 
f.  «Kinnbacken»,  -fivexov  n.  «Kinnlade,  Kinn, 
Kinnbart»,  lit.zändas  m.  «Kinnbacken,  Kaefer», 
arm.  cnaut  «Kinnbacke,  Wange»,  aind.  hänusi. 
«Kinnlade».  ZUS.  Kinnbacken,  m.,  bei 
Luther  Kinbacke,  mhd.kinnehacke,  ahd.  chinni- 
pacho  m.:  dazu  andfrk.  kinnehako  m.,  mnd. 
kenne-,  kinnehacke  f.,  ndl.  1599  kinnehacke, 
afries.  kinhaka,  kenhak.  Kinnbein,  n.: 
Backenknochen,  mhd.  kinnebein,  ahd.  chinni- 
pein,  ags.  cinhän,  anord.  kinnbein  n.  Kinn- 
kette, f. :,  Kette  am  Pferdegebiß  unter  dem 
Kinne,  im  17.  Jh.,  dafür  mhd.  kinnereif,  spät- 
ahd.  chinne-,  chiniraif  m.  Kinnlade,  f., 
1768  bei  Moerbeek:  Lade  ist  das  Gestell, 
worauf  oder  worin  etwas  befestigt  ist,  z.  B. 
Gestell  des  Hakenpflugs,  Lafette  des  Ge- 
schützes (schon  im  15.  Jh.),  Schaft  der  Arke- 
buse (1664  bei  Duez),  die  Schalen  des  Basier- 
messers (1539  bei  Braunschweig  Chirurg.  43), 
1658  bei  Corvinus  fons  lat.  1,  590^  die  Laden. 
darinnen  die  Zeene  stehen. 

Kiosk,  m.  [-es,  PI.  -e):  tüi-k.  Gartenzelt 
oder  Gartenhaus  auf  Säulen,  1787  bei  Goethe 
17,  38,  1791  bei  Eoth.  Aus  türk.  k{j)ösk 
«Gartenhaus». 

Kipfe,  f.:  Spitze,  bei  Luther  Hiob  39,  28 
kipffe,  s.  Kippe. 

Kipfel,  n.  (-S,  PL  wie  Sg.,  bayr.  auch  Kipf 
m.):  hornfönniges  Weizenbrötchen.  Bayr.- 
österreich.  (bei  Abraham  a  S.  Clara),  vom 
Österreich,  kipfe  m.  «feines  Gebäck»  (13.  Jh.). 
Vielleicht  verwandt  mit  spätmhd.  kipphel  n. 
und  chipf  n.  f.,  ahd.  kipfa  f.  « Runge,  Stemm- 
leiste am  Rüstwagen». 

Kipparsch,  m.(-es,  Fl. Kippärsche):  wund 
geriebne  Stelle  am  After  vom  Reiten  oder 
Gehen  in  der  Hitze.  Zunächst  vom  Reiten: 
wohl  zsg.  mit  kippen  «auf-  und  abschnellen», 
wie  dies  bei  unfesten  und  unsichern  Reitern 
vorkommt.  Md.  1340  und  mnd.  1424  kipars  m. 

^  Kippe,  f.  CPl.  -n):  Punkt  des  Schwankens 
undUmschlagens  (1734  bei  Steinbach);  die  jähe 
Spitze  (s.Kipfe);  Goldwage  (1768  bei  Moerbeek). 
Aus  Nord-  und  Mitteldeutschland  ins  Hoch- 
deutsche aufgenommen,  thüring.  Kipfe,  Kepfet 


in  l.Bed.,  1711  bei  Rädlein  Kippet  «Schaukel». 
Von  kippen. 

"Kippe,  f.:  Gemeinschaft  (Kippe  machen), 
aus  der  Juden-  und  Gaunersprache. 

kippeln,  v.:  kleinlich  zänkisch  sein,  mhd. 
kipeln,  noch  Oberdeutsch-Hessisch.  Neben- 
form zu  kibbeln  (s.  d.). 

kippen,  v.:  intr.  wie  auf  einer  Spitze 
umschlagen,  das  Gleichgewicht  verlierend 
umschlagen:  trans.  die  Spitze  {Kippe)  oder 
Spitzen  abhauen,  abschneiden;  leicht  anhauen. 
In  1.  Bed.  1663  bei  Schottel;  in  2.  Bed.  1540 
bei  Alberus  dict.  Qq  4^,  aber  1508  bei  Alten- 
steig 61*^  kipfen.  Bei  Lessing  8,  23  kuppen, 
in  der  Insel  Felsenburg  2,  314  aufküpfen, 
in  der  1,  Bed.,  als  wenn  das  Wort  von 
Kuppe  (s.  d.)  käme,  was  falsch  ist.  Das  Wort 
gehört  vielmehr  zu  anord.-schwed,  kippa, 
dän.  kippe  «rücken,  wippen»  und  weiter  zu 
anord.  keifr  «schief». 

Kipper,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.j:  Münz- 
fälscher; wucherischen  Münzwechsel  Treiben- 
der. Zuerst  1619,  von  kippen  «mittels  Auf- 
und  Abschnellens  der  Wage  die  voll-  und 
überwichtigen  Münzen  ausscheiden»  (dann 
aber  auf  kippen  «am  Rande  beschneiden  und 
verstümmeln»  1711  bei  Rädlein  bezogen), 
zumal  da  in  Kipper  und  Wipper  ^<  wucherischer, 
betrügerischer  Münzwechsler,  Münzfälscher» 
der  letzte  Ausdi-uck  auf  wippen  «wägen, 
schnellen»  (s,  Wippe)  zurückgeht.  Man  legte 
den  Schlag  der  Wachtel  als  Kipp  die  Wipp 
aus,  und  deshalb  hatte  eine  Flugschrift  von 
1621  den  Titel  Kippediwipp  oder  Wachtel- 
gesang. ABL.  Kipperei,  f.,  1691  bei  Stieler 
Kipperey. 

Kirb,  s.  Kirchweih. 

Kirche,  f.  (PI.  -n):  christliches  Gottes- 
haus; Gesamtheit  der  Christen;  christUcher 
Gottesdienst.  Mhd.  kirche,  am  ObeiThein 
küche,  ahd.  kirihha,  chirihha  (841  bei  Wala- 
fiid  Strabo  Liber  de  exordiis  cap.  7  kyrica 
i.  e.  dominica  a  Domino  mmcupatur),  bei  Isidor 
(8.  Jh.)  chiriihha  (d,  i.  chirihha),  bei  Xotker 
chiliclia  (noch  schweiz.-oberrhein.  Chilche)  f.; 
dazu  and.  kirika,  kerika,  mnd.  kerke,  karke, 
mndl.  kerke,  afries.  kerke,  tzerke,  ags.  cyrice, 
cirice,  engl,  church,  anord.  kirkja  f.,  schwed. 
kyrka,  dän.  kirke;  ebenso  abg.  crüky.  Noch 
vor  der  ahd.  Zeit  mit  Genuswechsel  ent- 
lehnt aus  gr.  KupioKÖv  n.  «Gotteshaus,  Haus 
des  Hen'n»  (während  des  4.  Jahrh.  ge- 
bräuchlich, zur  selben  Zeit  als  die  Goten 
von    arianischen   Griechen    das   Christentum 


1039 


Kirche 


Kirsche 


1040 


annahmen),  eigentlich  Adj.  in  der  Bed,  «dem 
Herrn  gehörig»,  von  gr.  KÜpioc  m.  «HeiT»; 
das  Fem.  KupioKr)  dagegen  kommt  nicht  in 
Betracht,  denn  es  bedeutete  bis  ins  10.  Jh. 
«Tag  des  Herrn,  Sonntag»,  erst  im  11.  Jh. 
«Gotteshaus».  Der  Schwund  des  a  findet 
darin  sein  Analogen,  daß  auch  der  Name 
Gyriacus  schon  früh  als  Cyricus  vorkommt. 
ABL.  Kirchlein,  n.,  mhd.  kirchelin,  da- 
neben kircliel,  ndrhein.  im  15.  Jh.  kircheigen, 
nhd.  Kirchelchen,  kirchlich,  adj.,  mhd, 
kirchlich,  alemann,  kilchlich,  ahd.  chirlich  (d.  i. 
chirchlich),  ags.  cyricUc.  Kirchner,  m.: 
Küster,  Meßner,  mhd.  kirchener  m.  ZUS. 
1)  mit  Kirch-:  Kirchfahrt,  f.:  Wallfahrt, 
Bittfahrt  (mhd.  kirchvart,  mnd.  kerkvart  f.); 
Kirchspiel  (1741  bei  Frisch).  Kirchgang,  m., 
mhd.  kirchganc,  mnd.  kerkgank  m.  Kirch- 
hof, m. :  eingefx'iedigter  Raum  um  die  Kii'che, 
zugleich  als  öffentliche  Begräbnisstätte,  dann 
bloß  diese,  mhd.  kirchhof,  kirchof,  frühmhd. 
chirichhof,  alemann,  kilchhof,  mnd.  kerkhof. 
Kirchspiel,  n.:  zu  einer  Kirche  gehöriger 
Bezirk  von  Gemeinden,  mhd.  kirchspei,  alemann. 
Michael,  kilchspil,  md.  kirspil,  kirspel,  köln. 
1275  kirspell,  afries.  kerspel  n.,  eig.  «Bezirk, 
soweit  die  Verkündigung  (Rede)  der  KJrche 
reicht»,  zsg.  mit  ahd.  spei,  afries.  spei,  spil, 
got.  spill  n.  «Rede,  Sage,  Verkündigung» 
(vgl.  Beispiel).  Kirchtag,  m.:  Kirchweih- 
fest, in  Österreich  und  Bayern,  schon  in  mhd. 
Zeit  dort  kirchtac  m.  Kirchturm,  m., 
mhd.  kirchturn  m.  Kirchweg,  m.,  spät- 
mhd.  kirchivec,  alemann,  kilchwec  m.  Kirch- 
weih(e),  f.,  ahd.  chirihwiht,  mhd.  kirchwihe, 
kirwihe,  geküi-zt  im  15.  Jh.  kirwe,  kirhei, 
1540  bei  Alberus  dict.F2^  und  mm 3^  kirh, 
wie  noch  mundartUch  in  Süd-  und  Mittel- 
deutschland Kirhe,  Kirh,  alemann.  Kilbe  f. 
«jährliches  Fest  mit  Musik  und  Tanz,  das 
sich  an  die  Einweihung  einer  Kirche  knüpft» 
(vgl.  Kirmes),  schon  im  15.  Jh.  Kirchwey 
«Fest»  überhaupt  (Fastnachtsp.  1344).  —  2)mit 
Kirchen-:  Kirchenbuch,  n.,  1562  bei  Ma- 
thesius  Sarepta  194^;  ags.  cyricböc  f.,  engl. 
church-book.  Kirchendiener,  m.:  Auf- 
wärter in  der  Kirche,  bei  Keisersberg  und  noch 
im  18.  Jh.  Prediger.  Kirchengeschichte, 
f.,  1691  bei  Stieler.  Kirchenlicht,  n.: 
ausgezeichneter  Kirchenlehrer,  1576  bei  Ma- 
thesius  Luther  211'',  noch  kirchenlat.  lumen 
ecclesiae  (13.  Jh.).  Kirchenmaus,  f.:  in 
einer  Kirche  wohnende  Maus,  die  dort  keine 
Vorräte  findet,  im  18.  Jh.    Kirchenstaat, 


m.:  das  päpstliche  Landesgebiet,  1678  bei 
Krämer.  Kirchentum,  n.,  erst  am  Ende 
des  18.  Jh.  gebildet.     Kirchenvater,  m.: 

Kirchenlehrer  der  altchristlichen  Zeit,  1711 
bei  Rädlein,  nach  mlat.  patres  ecclesiae  «Väter 
der  Kirche;  Kirchenältester  als  Ehrentitel», 
1691  bei  Stieler. 

Kirmes,  Kirmesse,  Kirmeß,  f.  (PI. 
Kirmessen  und  Kirmsen):  Kirchweih.  Ge- 
kürzt aus  md.  (14.  Jh.)  kirmesse  f.  «zur 
Einweihung  einer  Kirche  gelesne  Messe,  mit 
Musik  und  Tanz  begangnes  Gedächtnisfest 
der  Einweihung  einer  Kirche,  Jahrmarkt. 
Im  15.  Jh.  md.  kirmeß,  im  16.  kirmes,  ndr- 
rhein.  14.  Jh.  kirmisse  f.  Erst  Ende  des 
15.  Jh.  die  volle  Form  Kirchmesse;  dazu 
mnd.  kerkmisse,  ndl.  1599  kerkmisse,  kerkmis, 
norden  gl.  kirkmass. 

kirnen,  s,  kernen. 

kirre,  adj.:  aller  natürlichen  Furchtsam- 
keit benommen,  zutraulich.  1691  bei  Stieler 
kirre,  1664  bei  Duez  kirr,  kürr,  bei  Luther 
körre,  1482  im  Voc.  theut.  pp  S''  kurre,  md. 
kurre,  im  Renner  kürre,  ein  ostmitteldeutsches 
Wort  mit  k  aus  qu,  denn  nd.  quir,  quir,  quer, 
mnd.  quere  «kirre»,  got.  qairrus  «sanftmütig», 
qairrei  f.  «Sanftmut»,  anord.  kvirr,  kyrr, 
schwed.  qvar,  dän.  kvär  «ruhig».  Nicht  er- 
klärt. Denn  die  Vergleiche  mit  lit.  gurus 
«bröckelig,  locker»  oder  geras  «gut»  (Btr.  23, 
352)-  sind  nur  Notbehelfe.  ABL.  kirren, 
V.:  kirre  machen,  1691  bei  Stieler  kirren,  1719 
bei  Fleming  Jäger  243^  körren,  bei  H.  Sachs 
kern,  kerrn. 

kirren,  v.  (Prät.  kirrte,  Part,  gekirrt): 
einen  scharfen,  schneidenden,  seufzenden  Ton 
von  sich  geben.  Schweizerisch.  Spätmhd. 
kirren,  Nebenform  des  gleichbed.  starkbiegen- 
den mhd.  kerren  (Prät.  kar,  Plur.  kurren),  ahd. 
kerran,  cherran,  zu  lat.  garrire  «schwatzen», 
garrulus  «geschwätzig»,  gr.  yhP'Jc  f.  «Stimme, 
Ton,  Schall».     Vgl.  Zupitza  Gutt,  78. 

Kirsche,  f.  (PI.  -n):  Die  Frucht  des 
Kirschbaums.  Im  16.  Jh.  Kirse  und  Kirsche, 
schon  im  mrhein.  Voc.  ex  quo  von  1469 
kirsche,  um  1470  kersch,  mit  seh  aus  s  (vgl. 
Birsch,  Hirsch),  mhd.  kerse,  kirse,  bei  dem 
Schweizer  Boner  8,  33  kriese  (noch  schweiz.- 
oberrhein.  Chriesi  n.),  ahd.  kirsa  f.  In  sehr 
fiiiher  Zeit  durch  Vermittlung  des  Lateinischen 
(cerasum  und  mlat.  cerasium  n.  «Kirsche», 
cerasus  und  mlat.  cerasius  «Kirschbaum») 
entlehnt  aus  gr.  Kepdciov  n.  «Ivirsche»,  Kepac^a, 
Kepacia  f.  «Kirschbaum»,  d.  h.  wohl  «Baum 


1041 


Kirsei 


Kitz 


1042 


mit  homhartem  Fruchtkerne»  (gr,  K^pac  n. 
«Hörn»,  vgl.  Hornkirsche,  Kornelbauni),  mit 
Steinfrucht,  der  besonders  um  die  westlich 
von  Trapezunt  am  Schwarzen  Meer  gelegne 
Stadt  Kerasunt  (gr.  KepacoOc,  lat.  Cerasus) 
wuchs  und  dieser  nach  Eustathius  (zu  Hom. 
Bias  2,  853  und  zu  Dionys  456)  den  Namen 
gab,  nicht  umgekehrt.  Aus  vorauszusetzendem 
mlat.  cerasia,  ceresia  stammt  auch  franz.  cerise, 
prov.  serisia,  ital.  driegia  f.  «Kirsche»,  sowie 
abg.  cresinja  f.  «Kirsche».  ZUS.  Kirsch- 
baum, m.,  mhd.  kerse-,  kers-,  kirshoum, 
alem.  krieshoum,  ahd.  cherse-,  kirs-,  chresi-, 
chriesiboum ,  and.  kirsikhöm  m.;  davon  das 
Adj.  kirschbaumen,  ahd.  im  ll.  Jh.  kirse- 
houmin,  1664  bei  Duez  kirschhäumen.  Kirsch- 
blüte, f.,  1691  bei  Stieler  Kirschhlüt  Kirsch- 
geist, m.:  Kirschbranntweia,  1775  bei  Ade- 
lung. Kirschkern,  m.,  1540  bei  Alberus 
di(3t.  Ff  3^.  kirschrot,  adj.,  1670  bei 
Grimmeishausen  Springinsfeld  1  kirschenroth. 
Kirschwasser,  n.:  Kirschbranntwein,  1741 
bei  Frisch,  aber  bei  H.  Sachs  Kirschenwasser. 

Kirsei,  m.  (-s,  PI.  -e):  grobes  geköpertes 
WoDenzeug.  1716  bei  Ludwig  Kirsey,  1664 
bei  Duez  Kirschey,  1616  bei  Henisch  Carisey, 
schon  vom  J.  1404  bei  Schirrmacher  Urkunden- 
buch  V.  Liegnitz  267  kirsey  als  Handelsware 
der  ostpreiißischen  Kaufleute,  1482  im  Voc. 
theut.  q4^und  5*  kyrsat,  kirsat;  dazu  gleich- 
bed.  engl,  kersey,  ndl.  karsaai  n.,  1599  bei 
Kilian  karseye,  franz.  carise  m.,  ital.-span. 
carisea  f.     Dunkler  Herkunft. 

Kismet,  n.  (-s):  unabwendbares  Schicksal. 
Türkisch.     Aus   arab.  qisma   «Anteil,  Los». 

Kiß,  m.  n.  (Eisses,  PI.  Kisse)  und  Kisse,  f. 
(PI.  -n) :  langgestielte  hölzerne  Scharre,  die 
Kohlen  aus  dem  Backofen  zu  schaiTen,  auch 
wohl  Frucht  auf  der  Tenne  zusammenzu- 
scharren. In  Westfalen,  im  Westerwald,  in 
der  Wetterau.  Ahd.  chissa,  amd.  kissa  f. 
Unerklärt.  ABL.  kissen,  v.:  mit  dem  Kisse 
heraus-,  zusammenscharren. 

Kissen,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Art  Polster 
zum  Daraufliegen,  Im  18.  Jh.  noch  häufig 
Küssen  (Adelung,  Schiller  Teil  4,  2J;  Kissen 
taucht  1462  in  houptkissen  Mone  Anz.  7,  157, 
114  auf,  bleibt  aber  bis  ins  18.  Jh.  vereinzelt 
und  wird  erst  in  diesem  nach  und  nach  vor- 
wiegend, Mhd.  küssen,  küssin,  ahd.  chussin, 
cussin,  gekürzt  mhd.  küsse,  ahd.  chussi  n. 
(noch  1716  bei  Dentzler  Küsse);  dazu  ndl. 
küssen,  mndl,  cussin.  Überkommen  aus  afranz. 
cuissin,    nfranz,  coussin    (woher   auch   engl, 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


cushion,  älter  quishin),  ital.  cuscino,  span. 
cojin  m.,  von  spätlat.  coxinus  m.  «Kissen 
für  die  Hüfte,  Sitzkissen».  ZUS.  Kissen- 
zieche,  f.:  Kissenüberzug,  1616  bei  Henisch 
669,  aber  md.  1410  küssenzieche  f, 

Kiste,  f.  (PI.  -n):  trag-  und  verschließ- 
barer Kasten  zum  Aufbewahren  oder  Ver- 
senden. Mhd.  kiste,  ahd.  kista  f.;  dazu  mnd. 
kiste,  keste,  mmdl.  kiste,  ndl.  kist,  ags.  cyst, 
eist,  cest  f.,  engl,  ehest  Wie  das  anlautende 
k  zeigt,  sehr  früh  entlehnt  aus  gleichbed. 
gr.-lat.  cista,  gr.  KicTr)  f.  Nebenform  seit  dem 
15.  Jh.  Küste,  noch  bei  Lessing  12,  170. 

Kitt,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  fettes  Bindemittel 
zum  Zusammenkleben.  1598  bei  Rollenhagen 
Froschm.  1,  2,  17  Kyt,  daneben  bei  Hulsius, 
Duez  und  1734  bei  Steinbach  Kiet,  aber  ur- 
sprünglich Kütt,  so  noch  Rädlein  1711  und 
Kramer  1719,  im  15.  Jh.  küt  m.,  spätahd, 
cuti,  quiti  n.  «Leim,  leimartiger  Klebstoff»; 
dazu  ags.  civudu,  cwidun.  «Baumharz»,  mengl. 
Code  «Pech»,  anord.  kväda  f.  «Harz».  Ver- 
wandt mit  lat.  hitümen  n.  «Erdpech»,  amd.jätu 
n.  «Gummi,  Lack».  Eine  Nebenform  Kitte  f. 
bei  Rückert  2,  296,  bei  Krämer  1678  Kütt  f. 
ABL.  kitten,  v.:  mit  Kitt  leimen,  1605  bei 
Hulsius  kitten,  1562  bei  Mathesius  Sar.  81* 
und  noch  bei  Goethe  6,  230  kütten. 

Kittel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  hemdartiges 
Oberkleid.  ]Mhd.  kitel,  kittel,  auch  kietel, 
md,  kidel,  1477  clev.  kedel,  mnd.  kedele  m., 
ndl.  keel.  Im  15.  bis  18.  Jh.  mitunter  Küttel 
mit  falscher  Ableitung  von  Kutte.  Dunklen 
Ursprungs.  Man  hat  an  Zusammenhang  mit 
gr.  xiTUJv  «Leibrock»  gedacht,  was  unmittel- 
bar nicht  möglich  ist,  aber  vielleicht  indirekt? 

kittern,  v.:  heimlich  lachen,  Anfang  des 
15.  Jh.  kittern,  kyttern,  noch  thüring.-fränk., 
hessisch-oberdeutsch. 

Kitz,  n.  (-[e]s,  PI.  -e):  junges  Reh  im 
ersten  Jahre,  mhd.  {rech)kitze,  ahd.  rechkizzi  n. 
Eigentlich  identisch  mit  Kitze,  f.  (-w) :  junge 
Ziege,  mhd.  kiz,  kitze  n.  «Junges  von  der 
Ziege»  (auch  vom  Reh,  der  Gemse),  ahd. 
kiz,  kizzi  «hoedus».  Das  Wort  ist  n- Ab- 
leitung von  anoi'd.  kiä  n.,  schwed.-dän.  kid 
«Zicklein».  Dazu  ein  Diminutivum  norw.-dial. 
kidla,  nhd.-tirol.  kittete,  mhd.  cÄe^eZe«capella», 
anord.  kidlingr  m.,  schwed.  kidling,  dän.  killing. 
Engl,  kid  «Ziege»  ist  entlehnt.  Eigentlich 
wohl  «Junges»  zu  as.  kfd,  ags.  (nd  «Spröß- 
ling», s.  u.  Keim.  Vgl.  Palander  D.  ahd.  Tier- 
namen 118.  ABL.  Kitzlein,  n.  {-s,  PI,  wie 
Sg.),  im  16.  Jh.  kitzlin,  kützlin,  mhd.  kitzelin. 

66 


1043 


Kitze 


Klafter 


1044 


Kitze,f.  (Pl.-n):  weibliche  Katze,  Kätzchen. 
1716  bei  Ludwig  Kitze,  Kitz,  1729  bei  Pi- 
cander  2,  206  Kietze,  im  15.  Jh.  das  Adj. 
kitzin  (Diefenbach  gl.  107^),  nd.  kitte  t,  im 
Ablaut  zu  Katze  gebildet.  Engl,  chit  und 
kitten  «Kätzlein»,  von  cat  «Katze». 

Kitzel,  m.  (-s):  wie  zitternde  Bewegung 
empfundner  Nervenreiz  zu  Lachen,  Husten 
u.  a.  Erst  frühnhd.,  1498  bei  Braunschweig 
Chirurgie  IH*'  Kützel  (in  der  Ausgabe  von 
1539  auch  Kitzel),  bei  Luther  Kutzel,  Kützel, 
noch  bei  GeWert  Kützel;  dazu  mnd.  kettel  m. 
Von  kitzeln,  v.:  zum  Lachen  stacheln,  zu 
Lust  oder  Übermut  reizen,  mhd.  kitzeln  und 
kützeln,  kutzeln,  ahd.  chizilon  und  chuzilön; 
dazu  ndrhein.  im  11.  Jh.  chitilön,  and.  kitilon, 
mnd.  kettelen,  ags.  citelian,  engl,  kittle,  anord. 
kitla,  schwed.  kittla,  dän.  kildre.  Wohl  laut- 
nachahmend. ABL.  kitzlich,  adj.,  im 
15.  Jh.  kitzelicli,  kitzlich  (Diefenbach  gl.  586^), 
1482  im  Voc.  theut.  r8*  kutzlich,  daneben 
seit  dem  17.  Jh.  kützelicht,  kitzlicht. 

klabästern,  v.:  schmieren;  schlagen, 
prügeln;,  polternd,  störend  laufen.  In  Mittel- 
und  (namentlich  in  der  2.  Bed.)  in  Nord- 
deutschland. Aber  auch  elsäss.  klawasteren 
«mit  Lehm  verschmieren».  Li  der  1.  Bed. 
1781  bei  Kindleben.  Dunklen  Ursprungs. 
Vgl.  H.  Schröder  Streckformen  150. 

Klabautermann,  m.  {-s,  Fl.  -männer); 
Schiifskobold.  Nach  Schröder  Streckformen 
S.  161  steckt  im  ersten  Teil  ndl.  klauteren 
«klettern».     LTnsicher. 

Klack,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  Riß,  entzwei 
geborstne  Stelle ;  (nd.)  Flecken,  Fehler.  Mhd, 
klac  (Gen.  klackes)  m.  «Riß,  Schall,  lautes 
Bersten,  Knall,  Krach»;  dazu  ndl.  1599  klack 
«Krach,  Riß»,  anord,  klakkr  m.  «Klecks, 
Wölkchen,  Klumpen»,  dän.  klak  «Flecken», 
schwed.  klack  «Hacken  an  Schuhen»,  dialekt. 
auch  «Klumpen,  Anhöhe».  Dazu  noch  Kleck, 
Klecks,  klecken  (s.  d.)  und  eine  Reihe  andrer 
Worte  in  den  germanischen  Sprachen.  Die 
Grundbedeutung  und  weitre  Verwandtschaft 
ist  unsicher.     Vgl.  Falk-Torp. 

Kladde,  f.  (PI.  -n):  flüchtiger  Entwurf 
zur  Reinschrift;  Schmutzbuch,  Buch  der  Ge- 
schäftsleute zum  vorläufigen  Eintragen.  In 
1.  Bed.  1779  bei  Lessing  13,  631,  in  2.  Bed. 
1710  bei  Nehring,  1663  bei  Schuppius  2,  29 
Kladdebuch.  Aus  nd.  kladde  f.  «Schmutz, 
ünreinigkeit»,  dann  «erstes  unsaubres  Nieder- 
schreiben», endlich  die  obigen  Bedeutungen; 
mndl.  kladde,  ndl.  klad  f.  «Schmutz,  Konzept- 


papier», kladboek  n.  «Schmutz-,  Konzeptbuch». 
Dazu  wohl  auch  Schweiz,  chlot  m.  «Klecks, 
Kotfleck»,  chloten  «sudeln,  schmieren»,  und 
Formen  mit  t  mnd.  Matte  «Lappen»,  nhd.- 
dial.  klatz  «Schmutzfleck»  u.  a.,  vgl.  klatrig. 

Kladderadatsch,  interj.  zur  schaUn  ach- 
ahmenden Bezeichnung  eines  krachenden  Falles 
oder  Zusammenbruchs,  norddeutsch;  dann  als 
m.  Name  eines  breiten  Gebäcks  wie  Maul- 
schelle, sowie  Titel  des  1848  gegründeten 
Berliner  Witzblattes;  Zusammenbnich.  Vgl. 
Ladendorf.  Lautnachahmend  wie  klatsch, 
kladatsch.     Vgl.  Schröder  Streckformen  173. 

Klaff,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  Krach,  Schall; 
Geschwätz  (schon  mhd.);  Spalt,  schmale  Öff- 
nung (Goethe  Pandora  512).  In  1.  Bed. 
mhd.  klaf,  klapf  m.,  ahd.  claph  in  anaclaph 
m.  «Anprall».  —  klaffen,  V.:  sich  spaltend, 
ofl'en  ohne  Schluß  voneinanderstehen;  klätt'en, 
V. :  wortreich,  aber  gehaltlos  sprechen,  bes. 
lärmend  bellen  (von  Hund  und  Fuchs).  Mhd. 
klaffen  «schallen,  klappern,  schwätzen»,  üf 
klaffen  «auseinanderbrechen»,  älternhd./cZap/ew 
«klappern»,  Ä;Ze^/e?i  «knallen»,  Ä;Ze/fe/i « schwät- 
zen» (Zimm.  Chron.^  4,  218,  25),  ahd.  chlaphon, 
claffon  «klappern,  knallen»;  dazu  ags.  clappan, 
engl,  clap  «klappen,  klopfen,  schlagen».  Dazu 
auch  Klappe,  klappen  (s.  d.).  Die  Grund- 
bedeutung der  Sippe  ist  «Knall,  Klatsch», 
woraus  sich  «mit  einem  Knall  schließen  oder 
ötfnßn»  entwickeln  konnte.  Die  Wurzel  ist 
wohl  lautnachahmend  wie  abg.  klopotü  m. 
«Lärm».  ABL.  Kläffer,  m.:  Schwätzer; 
bellender  Hund,  bes.  kleiner  (1775  bei  Adelung), 
mhd.  klaff cere,  kleffcere  m.  «Schwätzer,  Ver- 
leumder, Verräter». 

Klafter,  f.  (PI.  -n),  auch  n.  (Goethe  34,  1, 
269):  das  Maß  der  weit  ausgespannten  Ai-me; 
drei  Ellen  langer  und  ebenso  breiter  Haufen 
gesetzten  Scheitholzes.  Jetzt  mit  kurzem  a, 
aber  mhd.  kläfter  f.  n.  (noch  1556  bei  Frisius 
Dictionariolum  134*^  Klaafftef),  ahd.  im  9.  Jh. 
cläfdra  f.  «Längenmaß  der  ausgebreiteten 
Arme»  als  Holzmaß  1477  in  den  Städtechron. 
4,  17;  dazu  mnd.  in  beiden  Bed.  klachter  n., 
ndrhein.  im  15.  Jh.  glafter,  zerdehnt  gelafter 
(Weist.  2,  797).  Verwandt  mit  ags.  clyppan, 
engl,  clip  «umarmen»  und  weiter  mit  ht.  glebis 
«Armvoll»,  gUbti,  globti,  lett.  glebt  «umfassen, 
umarmen»,  a^prenQ.  poglabü  «umarmte».  Vgl. 
Lachter.  ABL.  klaftern,  v. :  in  Klafter-maß 
setzen,  nach  (^er  Klafter  messen,  elsässisch 
1529  in  den  Weisth.  1,  725  (ge)klaftern  «mit 
weit  ausgespannten  Armen  messen». 


1045 


Klage 


Klapp 


1046 


Klage,  f.  (PI.  -n):  hörbarer  Ausdruck  des 
Schmerzgefühles;  (gerichtliche)  Beschwerde. 
Mhd.  klage,  ahd.-and.  klaga  f.  üiTerwandt 
mit  aind.  garhä  f.  «Tadel»,  awest.  gdrdzä-  f. 
«Klage»,  aind.  gärhati  «klagt,  klagt  an,  be- 
schuldigt, tadelt»,  awest.  gdrdzaiti  «klagt», 
kaum  aber  mit  gr.  ßXrixn  f.  «Geblök  der 
Schafe».  Davon  klagen,  v.:  sein  Schmerz- 
gefühl äußern;  vor  Gericht  als  Kläger  auf- 
treten, mhd.  klagen,  ahd.-and.  klagon  und 
klagen,  wovon  weiter  Kläger,  m.,  mhd. 
klager,  kleger,  spätahd.  ciagare  m.  ZUS.  mit 
Klage:  klagbar,  adj.,  mhd.  klage-,  klaghcere 
«beklagenswert,  Klage  erhebend».  kläg- 
lich, adj.,  mhd.  klegelich,  klagelich  «klagend, 
beklagenswert»,  ahd.  chlagalih.  klaglos, 
adj.,  1315  md.  clagelos  «gerichtlicher  Klage 
überhoben»,  im  18.  Jh.  in  der  Bed.  «keine 
Klage  hören  lassend».  Klagelied,  n.,  mhd. 
klageliet  rr. 

^Klamm,  m.  (-[e]s,  PI. -e):  Krampf,  Luft- 
röhr enki-arapf.  Mhd.  klam  (Gen.  klammes)  m. 
«Krampf,  Klemme,  Klammer»;  dazu  ags.  dam, 
dorn  m.  «Fessel».  Weiter  sind  wohl  ver- 
wandt lat.  glomus  m.  «Kloß,  Knäuel»,  aind. 
gulma-  m.  n.  «Strauch,  Busch,  Trupp  Soldaten, 
Geschwulst  im  Unterleib».  Weitres  bei  Walde. 
Schweizerisch.     Vgl.  klemmen. 

^Klamm,  f.  (PI.  -en):  Bergspalte,  Berg- 
schlucht mit  Gießbach.  Oberdeutsch,  1517  im 
Teuerdank  dämme  f.,  im  15.  Jh.  klam,  glam 
«Schlucht»,  mhd.  wuofklamme  f.  «Jammertal». 
Zu  ^Klamm. 

klamm,  adj.:  eng  zusammengedrückt, 
drückend  eingeengt  (1663  bei  Schottel);  allzu 
spärlich,  knapp  (Voc.  von  1429).  Anders  1562 
bei  Mathesius  Sarepta  51*  dam  gold  «dichtes» 
d.h.  «gediegenes,  lauteres  Gold»,  schon  mhd. 
bei  Heinrich  v.  Meißen  200,  6  klamer  morgen 
«lautrer,  d.  h.  klarer  Morgen»;  erstarrt,  kalt 
und  feucht  (norddeutsch).  Zum  vorigen.  Vgl. 
klemm  und  verklemmen. 

Klammer,  f.  (PL  -n)-.  Gegenstand  zum 
Festklemmen.  Mhd.  klamere,  klamer,  md. 
auch  klammer  f.;  daneben  das  gleichbed. 
mhd.  klampfer,  noch  bayr.  Klamper,  kämt. 
Klamper,  Klampfer  f. ;  dazu  anord.  klömbr  f. 
«Klemme»,  neunorweg.  klomber  «Klemme, 
enge  Felsschlucht».  Davon  klammern,  v., 
1589  bei  Eoth  christl.  Hausmütter  ABC  J5% 
dafür  mhd.  klamhen,  klampfern,  klemheren. 
Vgl.  Klamm,  klemmen,  Klempner. 

Klampe,  f.  (PI.  -n)-.  an  beiden  Enden 
festhaltendes  Bindeholz.     Aus  dem  Nd.  auf- 


genommen, mnd.  klampe  f.  «Haken,  Spange», 
bildl.  «Steg  über  einen  Graben»,  nd\.Jdampi. 
«Klammer,  zumal  hölzerne»,  1477  clevisch 
clamp  «Klemmwerkzeug  zum  Halten»;  dazu 
dän.  klampe,  schwed.  klamp  «Klotz,  Holz- 
stück». Die  echt  hochdeutsche  Form  bietet 
bayr.  Klampfe  f.  «Klammer  der  Zimmer- 
leute». Dazu  Schweiz.  Chlempe.  Vgl.  Klemme. 

^ Klang,  m.  (-[e]s,  PI.  Klänge),  mhd.  klanc 
(Fl.  klenge),  ahd.  bei  Notker  cÄZawcÄ;  daneben 
mhd.  klinc(g)  und  klunc{g)  m.  Dazu  ndl.  klank 
m.  «Klang,  Laut»,  engl,  dank  «Gerassel,  Ge- 
klirr», wie  ahd.  mit  k  aus  gn.  Zu  klingen  (s.  d.). 

"Klang,  m.  (-[eis,  PI.  Klänge):  seichte  von 
plätscherndem  Wasser  überfloßne  Stelle  im 
Flusse  (göttingisch,  1642  in  Hessen);  (in 
und  um  Gießen)  offne  Stelle  im  Flußeise. 
Eins  mit  dem  vor.  Wort,  denn  md.  klanc  m. 
«das  Plätschern  des  Baches».     Vgl.  -Klinge. 

Klapp,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  Schall,  Krach, 
1663  bei  Schottel,  1616  bei  Henisch  Donner- 
klapp, Donderklapp,  1590  bei  Ringwaldt  laut. 
Warb.  70  Klapp  m.  «Schlag,  Schlappe,  Un- 
glücksfall», nd,  klapp,  ndl.  klap  m.,  engl,  clap, 
anord.-schwed.  klapp  n.,  dän.  klap.  Dafür 
mhd,  klapf  (s.  Klaff).  Wie  die  folgenden 
Wörter  (mit  Ausnahme  vielleicht  von  klappern) 
aus  dem  Nd.  aufgenommen,  klapp!  interj,, 
1600  bei  Adrian  Mittheil,  371  klip  und  klap, 
nd.  klapp,  engl,  clapl  Klappe,  f.  (PI  -n): 
auf-  und  abschlagender  Gegenstand  woran, 
beweglicher  Deckel  oder  Verschluß  (1741  bei 
Frisch);  Aufschlag  am  Rock  (1775  bei  Ade- 
lung); Fliegenklatsche  (bei  Voß),  Peitsche  (1691 
bei  Stieler).  Nd.  klappe  f.  «auf-  und  nieder- 
schlagender Deckel»,  mnd.  klape  f.  «Klapper», 
ndl.  klap  f.,  eins  mit  mhd.  klaffe  f.  «Klapper, 
das  Klappern, Schwätzen».  Damit  zgs.  Klapp- 
horn,  n,:  Hom  mit  beweglichen  Klappen 
zum  Regulieren  der  Töne,  eine  Erfindung  des 
19,  Jh.  (1814);  daher  Klapphornvers  ra., 
scherzhafter  Vers  nach  dem  Muster  einer 
Vierzeile,  die  einen  das  Klapphorn  blasen- 
den Knaben  schildert,  erst  im  letzten  Viertel 
des  19.  Jhs.  klappen,  v.:  schallend  auf- 
schlagen (bei  Luther);  gleichlautend  zuein- 
ander passen,  sich  zueinander  fügen  (es  klapt 
bei  Luther  3,  442**).  Die  md,  und  nd.  Form 
für  klaffeti  (s.  d.),  nd.  klappen  «klatschend 
schlagen,  passen»,  mnd.  klappen  «plappern, 
laut  schwatzen»;  dazu  mndl.  dappen  «schwat- 
zen», ndl.  klappen  «laut  widerschlagen»,  ags. 
clappan,enci\.dap,sdr\es.-'a.noYd..-SQh.vfedi.klappa 
«  schlagen,  klatschen  »,  dän.  klappe,  entsprechend 

66* 


1047 


klar 


Klatsch 


1048 


ahd.  Map  fön  «zusammenschlagen».  Klapper, 
f.:  Werkzeug  zum  Klappern,  im  15.  Jh.  rhein. 
clapper  und  nd.  clappir  bei  Diefenbach  gl. 
125°.  254*»,  dafür  mhd.  klepfer,  klaffe,  md. 
(bei  Eilhart  7029  L.)  klepper  f. ;  davon  Freund 
Klapperbein:  der  Tod.  Im  18.  Jahrb. 
Klapperschlange,  f.:  mit  einer  Klapper 
am  Schwänze  versehne  giftige  Schlange  in 
Amerika,  1741  bei  Frisch,  klappern,  v., 
mhd.  klappern,  auch  kleppern,  kiepfern,  md. 
und  nd.  klappern.  Mittels  -s  abgeleitet,  wie 
Klecks,  Knicks,  schnapps:  Klaps,  m.  (Gen, 
Klapses,  PI.  Klapse  und  Klapse) :  schallender 
Schlag,  1734  bei  Steinhach Klaps  m.;  RA.  einen 
Klaps  haben:  etwas  dumm  sein.  Sächsisch- 
Norddeutsch;  klaps!  interj.,  nd.  1767  im 
brem.  Wbch.  2,  788;  klapsen,  v.:  (intr.) 
klatschen,  knallen  (1778  bei  Hermes  Sophiens 
Reise  1,  242);  (trans.)  schlagen,  md,  und  nd. 
.  klar,  adj.  (Komp.  klarer,  Superl,  klarst): 
das  Licht  in  allen  Teilen  durchlassend,  hell, 
deuthch;  fertig  (aus  der  Seemannssprache). 
Mhd,  klär,  dar  «hell,  lauter,  glänzend»,  mnd. 
dar,  mndl.  ciaer,  spätanord.  klärr,  schwed.- 
dän.  klar,  aufgenommen  aus  lat.  clärus  «hell, 
leuchtend»  (von  dessen  Fem.  dära  auch  der 
weibl.  Eigenname  Klara).  Der  Komp.,  mhd. 
dar  er,  bisweilen  mit  Umlaut,  im  16.  Jh. 
klerer,  bei  Wieland,  Lessing,  Herder,  Goethe 
klärer,  der  Superl,  klärst  bei  Goethe,  klärest 
bei  Schiller.  ABL.  Kläre,  f.,  mhd,  klcere  f. 
«Klarheit»,  klären,  V.:  klarmachen,  mhd, 
kloRren,  md.  kleren  und  klären,  dagegen  mhd. 
klären  «hell  werden,  sich  klären».  Klarheit, 
f.,  mhd.  klärheit  f.  klärlich,  adj,,  mhd. 
klär-,  klcBrlich,  bei  Luther  klerlich,  galt  gegen 
1800  veraltet,  als  Adverb  aber  wieder  auf- 
genommen, Klärung,  noch  nicht  bei  Campe. 

klarieren,  v. :  ein  Schiff,  die  SchiflFsgüter 
verzollen.  1791  bei  Roth.  Nd,  een  schip  kla- 
reeren;  entspr.  Ausdrücke  sind  dän,-schwed.- 
engl.-span.-portug.   Von  klar  «fertig»  s,  o, 

Klarinette,  f.  (PI,  -n):  1690  erfundnes 
Holzblasinstrument.  1791  bei  Roth  Clarinett 
(1813  bei  Campe  Clarinettist  m.).  Aus  gleich- 
bed.  franz.  darinette  f.,  ital.  darinetto  m,, 
dem  Dim,  des  ital.  clarino  m,  «hellgellende 
Trompetenart»,  von  lat.clärus «hell  schallend», 

Klasse,  f.  (PI.  -n)  -.  ordnende  Abteilung. 
1610  bei  Gödeke  Gr,^  2,  61,  18  und  1616 
bei  Henisch  Claß  f.,  aus  lat.  classis  f.  «Ab- 
teilung», woraus  auch  das  gleichbed.  franz. 
classe  f.  ZUS.  Klassenkampf,  m.,  1848 
von  Marx  gebraucht,      klassifizieren,    v,: 


in  ordnende  Abteilungen  bringen.  Von  nlat. 
dassi-ficatio  f,  «Einteilung  in  Klassen»,  aus 
classis  und  -ficatio,  einer  Ableitung  von  facere 
«machen»,  Goethe  Br,  8,  3.  79.  Klassiker, 
m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  mustergültiger  Schrift- 
steller. Im  18.  Jh.  nach  dem  franz.  (auteur) 
dassique,  von  lat.  dassicus  m.  «Bürger  ersten 
Ranges»  (civis  dassicus),  dann  Schriftsteller 
vom  ersten  Range  (scriptor  dassicus  bei 
GeUius  19,  8,  15),  klassisch,  adj,:  ersten 
Ranges  seiner  Art,  mustergültig,  nach  gleich- 
bed, franz.  dassique  vom  lat.  Adj.  dassicus 
«die  (ersten)  Bürgerklassen  betreffend».  Be- 
leg von  1748  bei  Danzel  Gottsched  230. 

klat(e)rig,  adj.:  unsauber,  kläglich,  er- 
bärmhch,  schmutzig.  Im  18.  Jh.  (bei  Hermes 
Soph.  Reise  6, 587,  Wieland  18,  233  vom  J,  1776) 
aufgenommen  aus  dem  nd.  kläterig,  klatterig 
«schmutzig,  zerlumpt,  verwirrt  in  den  Haaren», 
dann  «übel,  wenig  Erfolg  versprechend»,  von 
nd,  kläter  m.  «Fetzen,  zerlumptes  Kleidungs- 
stück, angespritzter  Schmutz,  Kotklunker, 
Klunker  von  Augenbutter»,  zu  mnd.  klatte 
f,m,  «Kleiderfetzen,  Verworrenes,  verwickelter 
Rechtshandel»,  das  vielleicht  mit  Kladde  zu- 
sammenhängt. Das  Wort  ist  auch  schweizerisch,' 

Klatsch,  m.  (-es,  PI.  -e):  klatschender 
Schall  oder  Schlag,  Fleck  (1711  bei  Rädlein); 
Geschwätz  (bei  Goethe  5,  133).  In  1.  Bed. 
ndl,  1599  Mets,  kletse.  klatsch!  interj,,  1803 
bei  Kosegarten  Jucunde  155,  vgl.  klitsch.  Laut- 
nachahmend, klatschen,  v,:  intr.  schallen, 
schallend  schlagen  (1691  bei  Stieler,  klatzschen 
1651  bei  P.  Fleming  1, 23  L.,  glatschen  1668  bei 
Prätorius  Anthropod,  Plutonicus  499  und  1674 
bei  Abele  künstl.  Unordnung  5,  29) ;  schwatzen 
(1663  bei  Schottel).  Hervorgegangen  aus 
älterm  Matzen  in  1.  Bed.  (bei  Luther  Tischr. 
327  ^  vgl.  1562  bei  Mathesius  Sar,  208*  Matz- 
niühle,  aber  1578  Matzschmühle  146*^),  mhd, 
kletzen  in  hekletzen  «beschmieren,  beschmut- 
zen», ndl.  1599  kletsen  «klatschend  schlagen» 
(vgl.  klitschen).  Davon  Klatsche,  f.:  Werk- 
zeug zum  jK7afec/iew  (1691  bei  Stieler);  klatsch- 
haftes Weib  (1663  bei  Schottel):  Klatscher, 
m.:  der  Klatschhafte,  1691  bei  Stieler,  Klat- 
scher 1734  bei  Steinbach,  und  hiei-von  Klat- 
scherei, f.  bei  Stieler,  Klatscherei  bei  Stein- 
bach, klatschhaft,  adj,:  schwatzhaft,  bei 
Stieler.  ZUS.  Klatschhase,  f.:  schwatz- 
hafte Person.  Erst  im  19.  Jh.  Klatsch- 
hüchse,  f.:  Knallbüchse  von  ausgehöhltem 
Fliederholz  (1691  bei  Stieler);  schwatzhafte 
Person  (1775  bei  Adelung),    Klatschrose,  f. : 


1049 


klauben 


Kleck 


1050 


Feldmohn,  1691  bei  Stieler,  von  dem  Schalle, 
den  gegen  die  Stirn  zersprengte  Blätter  der 
Blume  geben. 

klauben,  v.:  mit  den  Fingern  stückweise 
lösend  woran  arbeiten.  Mhd.  Mühen,  auch 
klouben,  ahd.  clübön  (vgl.  klieben).  ABL. 
Klauber,  m.,  äpätmhd.  klüber,  klouhoere  m. 
Davon  Klauberei,  f. :  kleinliches  Versteifen 
auf  etwas.     Um  1780. 

Klaue,  f.  (PI.  -n) :  Hornteil  des  gespaltnen 
TierfuÜes:  (scherzhaft)  Hand,  schlechte  Hand- 
schrift. ^Ihd.  klä,  kläwe,  selten  klö,  ahd. 
cMäwa,  chlöa  f.;  dazu  andfrk.  cläwa,  nmd. 
klouwe,  klauwe,  kläwe,  ags.  cid,  cleo,  cläuni  f., 
engl,  claw,  anord.  klö  f.,  schwed.-dän.  klo 
«Klaue».  Grundformen  *klewä-  und  klöwä-. 
Dazu  auch  Knäuel  (s.  d.).  Weiter  sind  ver- 
wandt aind.  gläus  m.  « Ballen >,  ir.  glö-snäthe, 
glao-snäthe  «Hnea,  norma»,  wörtUch  «Ballen- 
draht», gr..T^o"TÖc  m.  «Hinterbacke».  Weitres 
bei  Walde  s,  v.  gluo.  ABL.  klauen,  v.: 
kratzen,  krauen,  krabbeln,  1591  bei  Rollen- 
hagen Postreuter  F  3*  und  1641  bei  Weck- 
herlin  1,  505  F.  klawen,  ahd.  kläwen,  mnd. 
klouwen,  klawen,  daneben  kleien.  klauig, 
adj.:  mit  Klauen  versehen,  bei  Voß. 

Klaus,  gekürzt  aus  Nikolaus  (s.  d.). 

Klause,  f.  (PI.  -n):  abgeschloßne  Kloster- 
zelle: Einsiedelei;  Gebirgspaß.  Mhd.  klüse, 
ahd.  chlüsa  f.;  dazu  ags.  düse  f.  Aus  mlat. 
dusa  f.,  vom  Part,  dusus  für  clausus  in 
den  Zusammensetzungen  von  daudere  «ver- 
schließen»; das  gleichbed.  mhd.  klöse  f.  da- 
gegen aus  mlat.  clausa  f.  ABL.  Klausner, 
m.:  Einsiedler,  mhd.  klüsencere  und  klösencere, 
ahd.  klosinäri,  mnd.  klüsenere,  mndl.düsenäre, 
mit  Umlaut  spätmhd.  kleusener,  kleusner, 
noch  1789  bei  Bürger  Ged.  2,  152  Klausner. 

Klausel,  f.  (PL  -n):  Schlußsatz;  Ein- 
schränkung, Vorbehalt.  1398  im  Cod.  dipl. 
Siles.  10,  246  dausel.  Von  lat.  clausula  f. 
«Schluß,  bedingende  Gesetzesformel»,  zu 
daudere  «schließen». 

Klauster,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Vorhänge- 
schloß. Am  Mittelrhein,  aach.  Muster  f, 
auch  bayr.  kloesfer  n.  «Schloß»,  1477  clevisch 
duyster,  ndl.  kluister  f.  «eiserne  Bande  mit 
Schlössern»,  XZaws^er  1719  bei  Kramer  1,  151 '', 
schon  asächs.  klüstar  n.  «Verschluß»,  klüstar- 
hendi  PI.  f.  «Fesseln»,  ags.  clüstor  n.  «Ver- 
schluß», aus  lat.  daustrum  n.  «Riegel,  Ver- 
schluß».   Vgl.  Kloster. 

Klausur,  f.  (PI.  -en):  Ab-  und  Ein- 
schließung (1711  bei  Rädlein);  Klosterzwang; 


Buchschloß,  Gesperr  (Janssen  Reichskorr.  2, 
249  vom  J.  1465);  Eselsohr  im  Buche.  Aus 
mlat.  dausura  f.,  zu  lat.  daudere  «schließen». 

Klaye,  f.  (PI.  -n):  Griffsteg,  Taste  des 
Klaviers  oder  der  Orgel,  1796  in  den  Xenien 
Nr.  219.  Von  mlat.  clavis  f.,  PI.  daves  «die 
Griffstege  der  Orgel»,  deren  Windlade  durch 
sie  geöffnet  und  geschlossen  wii-d,  lat.  dävis 
f.  «Schlüssel».  ABL.  Klayiatür,  f.:  Griff- 
brett für  zwei  Hände.  KlaTier,  n.  (-s, 
PI.  -e):  Musikinstrument  mit  Metallsaiten 
und  Tasten,  1711  bei  Rädlein  Ciavier,  eig. 
«die  Tastenreihe»,  zunächst  der  Orgel  (1616 
bei  Henisch  Clavir,  ndl.  1577  bei  Junius 
davieren  PI.),  dann  des  Spinetts  (1664  bei 
Duez  Ciavier),  aus  franz.  clavier  m.  «Tasten- 
reihe, -brett»;  für  das  Instrument  bei  dem 
Brieger  Organisten  ScherÖer  (f  1674)  Claver- 
sing  n.  aus  dem  Nd.,  von  gleichbed.  franz. 
davecin,  davessin  m.  Klavizimbel ,  n.: 
Saiteninstrument  mit  Metallsaiten  und  Griff- 
brett, Anfang  des  15.  Jh.  davicimbel,  daff- 
cimhel  (Diefenbach  gl.  126*^),  aus  mlat.  davi- 
cinibalum  n.;  dafür  1472  im  Heldenbuche 
Kaspars  v.  d.  Ron  davor  n. 

kleben,  v.  intr. :  durch  zähen  Stoff  haftend 
anhangen.  Mhd.  Mehen,  ahd.  kleben;  dazu 
asächs.  kliion  «festhaften»,  nmd.  ndl.  kleven, 
ags.  clißan,  deofian,  engl,  deave  «kleben», 
anord.  klifa  «schwatzen  mit  steter  Wieder- 
holung des  Gesagten».  Mit  e  aus  i  zu  mhd. 
kliben,  ahd.  Miban  «haften»  (s.  kleiben).  Da- 
gegen das  trans.  kleben  «haften  machen»  gehört 
urspr.  der  md.  Volkssprache  an  für  hochd. 
trans.  kleiben  (s.  d.)  und  ist  in  der  neuem 
Schriftsprache  an  die  Stelle  desselben  ge- 
treten, etwa  seit  Mitte  des  18.  Jh.,  doch 
findet  sich  andrerseits  schon  im  15.  Jh.  kleben 
(im  Voc.  ine.  teut.  d  6*J  und  sogar  ahd.  cMepen 
in  trans.  Bed,  «kleben  machen».  ABL. 
Kleber,  m.  (-s,  PL  wie  Sg.) :  klebender  Stoff, 
Gummi,  Baumharz,  1420  cliMr  n.  «Gummi», 
md.  im  14.  Jh.  kliber  «Schleim»,  mnd.  clever, 
mndl.  clebber,  clibher.  Im  Mhd.  das  Adj. 
kleber  «klebrig»,  ahd.  depar,  ags.  dibbor; 
davon  kleb(ejrig,  kleb(e)richt,  adj.,  bei 
Fischart  Garg.  66  kleberig,  bei  Keisersberg 
klebrecht,  uhd.  debirik. 

Kleck,  m.  (-[e]s,  PL  -e):  an-  oder  auf- 
geworfner kleiner  Teil  einer  weichen  Masse; 
verunreinigender  Fleck  (1562  bei  Mathesius 
Sar.  ni*»).  Nebenform  zu  Klack  (s.  d.); 
erst  im  16.  Jh.  kleck  m.  «Riß  durch  Auf- 
springen, Flecken»,  ^vonehen  Klecke  f.  «Spalt» 


1051 


kleckeu 


klein 


1052 


(1663  bei  Schottel);  noch  fränk.  Kleck  m. 
«Riß,  Sprung  in  Glas  usw.».     Vgl.  Klecks. 

klecken,  v.:  weiche  Masse  wohin  werfen 
oder  fallen  machen;  verunreinigende  Flecke 
machen;  (übertragen)  wozu  ausreichend 
förderlich  sein.  Mhd.  klecken,  ahd.  kieken 
«laut  reißen,  platzen,  ausreichen,  genügen, 
wirksam  sein»,  im  Md.  auch  «Klecke  werfen, 
einen  Fleck  machen».  ABL.  Klecker,  m.: 
Schmierer,  1691  bei  Stieler.  kleckern,  v.: 
in  einzelnen  Klecken  fallen  lassen,  bei  Stieler. 

Klecks,  m.  (Gen.  Kleckses,  PI.  Kleckse): 
wie  Kleck.  1734  bei  Steinbach,  Klex  1727 
bei  Stoppe  Ged.  1,  207,  Klecksgen  bei  Günther 
217.  ABL.  klecksen,  v.,  erst  nach  der 
Mitte  des  18.  Jh.  bei  Hölty,  Voß,  Claudius. 

Klee,  m.  (-5,  PI.  -e,  besser  Kleearten): 
die  Futterpflanze  Trifolium;  Trefle,  Treif  im 
franz.  Kartenspiel,  entsprechend  Eicheln  im 
Deutschen  (1591  bei  Fischart  im  Kloster  10, 
920,  aber  s.  v.  a.  Grün).  Selten  Fem.,  1652 
bei  Eist  Parnaß  694  Klee  f ,  aach.  klie  f. 
Mhd.  kle  m.,  Gen.  klewes,  ahd.  chleo  m.  n.. 
Gen.  chliwes  «mit  Kleeblumen  untermischter 
Rasen»,  and.  de;  dafür  mnd.  klever,  kläveren, 
nnd,  klever,  klaver  (auch  kleve)  m.,  ndl.  klaver 
f.,  ags.  clcefre  m.,  engl,  clover,  entlehnt  schwed. 
klöfver,  dän.  klever,  klöver.  Echt  nordisch  ist 
norw.-schwed.  smäre,  isl.  smäri.  Die  Her- 
kunft von  K.  ist  unklar.  Vgl.  Björkmann 
ZfdW.  2,  227  f.  ZUS.  Kleeblatt,  n.,  im  15.  Jh. 
der  PI.  klehleter  und  das  Dim.  klehletelein; 
bildlich,  Verbindung  von  dreien  (bei  H.  Sachs 
12,  370  und  Opitz  1,  440).  Kleesalz,  n.: 
aus  Bitter-  oder  Sauerklee  bereitetes  Salz, 
1776  bei  Hübner  2323  Sauerkleesalz. 

Klei,  m.  (-es,  PI.  -e):  der  zäheste  Ton. 
1691  bei  Stieler  Kley,  1557  bei  G.  Agricola 
90  roter  kle  m.,  bei  Voß  tausend  und  eine 
Nacht  6,  1  flf.  Klei  f.,  bisweilen  auch  Klei, 
Klai  n.  Aus  nd.  klei  m.  f.,  im  14.  Jh.  cley  n.; 
dazu  ndl.  klei,  klai  f,  1598  kleye,  afries.  klai, 
ags.  clceg,  engl,  clay,  dän.  klag,  mit  Ablaut 
norw.-dial.  kli  «Schlamm,  aufgespülter  Kot, 
zäher  Lehm».  Nebenformen  Kleit  (1574  bei 
Fischart  onomast.  44**),  wie  engl,  clayt  (in 
Kent),  und  ditmars.  klen  m.  Urverwandt 
mit  lat.  glus  und  glüten  n.  «Leim»,  glis 
«humus  tenax»,  gr.  T^ivri,  yXia  und  ^Xoid  f. 
«Leim»,  yX-oiöc  m.  «klebrige  Feuchtigkeit», 
abg.  glina  f.  «Ton»,  glenü  m.  «Schleim».  Des- 
selben Stammes  sind  ahd.  chleimen  «aus  Ton 
oder  Lehm  formen»,  ahd.  klenan,  mhd.  klenen 
«kleben,  schmieren»,  ags.  cZ^wian  «schmieren». 


ferner  kleihen  und  Kleister  (s.  d.).  Vgl.  noch 
Zupitza  Gutt.  147  und  Walde  s.  v. 

kleiben,  v.  trans.:  aufstreichend  haften 
machen  (jetzt  verdrängt  durch  kleben,  s.  d.). 
Mhd. -ahd.  kleihen  mit  schwacher  Flexion; 
Kausativ  zum  starkbiegenden  intrans.  mhd, 
kliben  «fest  anhangen,  haften»  (Prät.  kleip, 
PI.  klipen,  Part,  gekliben),  noch  älternhd. 
kleiben  und  bekleihen  (s.  d.),  ahd.  kliban,  ags. 
clifan  «haften».  Zu  dem  gleichen  Stamm 
wie  Klei.  ABL.  Kleiber,  m.:  Lehmwand- 
macher, Tüncher;  Spechtart.  Mhd.  im  13.  Jh. 
kleiber  m.  ZTJS.  Kleibscheibe,  f.:  Maurer- 
kelle, 1663  bei  Schottel,  noch  in  Nassau  und 
der  Wetterau. 

Kleid,  n.  (-[e]s,  PI.  -er):  was  der  Mensch 
zur  Bedeckung  des  Körpers,  insbesondre  des 
Rumpfes  anhat.  Mhd.  seit  Mitte  des  12.  Jh. 
kleit  (PI.  kleit  und  kleider);  dazu  ndl.  1598 
kleed,  mnd.  Med,  afries.  Math,  kleth,  ags.  seit 
8.  Jh.  cläp,  engl,  cloth,  (entlehnt)  anord. 
klcedi  n.  «Tuch,  Zeug,  Kleid»,  schwed.-dän. 
Made.  Die  älteste  Bed.  ist  «Zeug,  Tuch», 
daher  noch  siegerländ.  wöschklead  «Taschen- 
tuch», eig.  «Wischtuch».  Im  Ablaut  dazu 
steht  d.g%.clläa  m.  «Pflaster,  Salbe,  Geknetetes», 
so  daß  K  eigentlich  «Gewalktes,  Gestampftes» 
bedeutet  und  mit  kleiben,  Klei  usw.  zu- 
sammenhängt. ABL.  kleiden,  v.:  an  dem 
Körper  oder  einem  Teile  desselben  mit  einem 
Anzüge  versehen;  putzen,  schmücken,  einem 
gut  stehen.  Mhd.  kleiden;  dazu  mnd.  kleden, 
ndl.  kleeden,  engl,  clothe,  anord.  klceda.  kleid- 
sam, adj.,  neuere  Bildung  aus  der  ersten 
Hälfte  des  19.  Jh.  Kleidung,  f.:  Kleidungs- 
stücke, die  zu  einem  Anzug  gehören,  im  15.  Jh. ; 
damit  zgs.  Kleidungsstück,  n.,  nach  1770. 
zus.  Kleidermacher,  m.,  1678  bei  Krämer. 

Kleie,  f.  (PI.  -n):  abgemahlne  Getreide- 
hülsen. Mhd.  klie,  klige,  älter  kliwe,  ahd. 
kliwa,  klia  f.;  dazu  mnd.  kUe,  kllge  f.,  ent- 
lehnt schwed.-dän,  kli  n.  Wohl  desselben 
Stammes  wie  Klei  (s.  d.),  vgl.  lett.  gllwe 
«Schleim»,   gr.  T^ia,  '^\\vr\  «Leim». 

klein,  adj.:  nach  Ausdehnung  oder  Maß 
nicht  viel.  Bei  Goethe  3,  303  noch  kleine, 
mhd.  kleine,  klein,  mit  den  Nebenformen  klin 
und  klin  «rein,  zierlich,  niedlich,  fein»,  dann 
«dünn,  schmächtig,  mager,  schwach,  gering, 
nicht  viel,  fein-,  scharfsinnig»,  ahd.  Meint, 
cMeini,  chleni,  im  Adv.  Meino,  clüeino  «sauber, 
glänzend,  zierlich,  genau,  sorgfältig,  gering»; 
dazu  and.  cleni  «klein,  scharfsinnig»,  mnd. 
klene.  Meine  «dünn,  zierlich,  wenig»,  afries. 


1053 


Klein 


klemm 


1054 


kleri,  klein  «unansehnlichj  gering»,  ags.  clcßne, 
clene  «rein,  lauter,  hell,  unschuldig,  keusch», 
engl,  clean  «rein».  Die  ui-spr.  Bed.  dürfte 
«glänzend»  gewesen  sein,  so  daß  man  k.  zu 
abg.  glenü  m.  «Schleim»,  glina  f.  «Ton,  argilla» 
und  weiter  zu  den  unter  Klei  behandelten 
Worten  stellen  kann.  ABL.  Kleine,  f.: 
Kleinheit,  mhd.  kleine,  ahd.  kleini  f.  Klein- 
heit, f.,  mhd.  kleinheit  Kleinigkeit,  f.: 
etwas  Kleines,  1716  bei  Ludwig,  mhd.  klai- 
nichait  f.  «Kleinheit»,  md.  kleinkeit i.  «Scharf- 
sicht»; dazuKleinigkeitskrämer,m.  Ende 
des  18.  Jhs.  kleinlich,  adj.:  klein,  gering, 
schwach  (1508  in  der  Straßburger  Gemma 
xl*>);  in  sittlicher  und  geistiger  Bed.  «an 
Kleinigkeiten  hangend,  niedrig»,  seit  dem 
18.  Jh.  (bei  Lessing  10,  320),  mhd.  kleinlich 
«fein,  zart,  zierlich,  mager,  scharfsehend, 
genau»,  ahd.  im  Ady.  chleinlihho<si  auf  feine, 
zarte  Weise»,  ags.  cZ®w?fc«rein».  ZUS.  Klein- 
bahn, f.:  schmalspurige  Xebenbahn.  Durch 
Gesetz  1892  festgelegter  Ausdnick.  Klein- 
geld, n.:  Scheidemünze.  Bei  Voß:  1765  bei 
Rondeau  Klein  geld.  kleingläubig,  adj.,  bei 
Luther  Matth.  6,  30.  kleinlaut,  adj.:  leise 
redend  (im  15.  Jh.  bei  Diefenbach  gl.  563 '^ 
kleynlute  stym);  mutlos,  niedergeschlagen  (bei 
Liliencron  4,  369^  klainlaut,  vom  J.  1546). 
Kleinmeister,  m.:  (im  18.  Jh.j  ein  Mensch, 
der  die  kleinen  Künste  der  französ.  Gesell- 
schaft betreibt,  um  sich  angenehm  zu  machen; 
dann  einer,  der  sich  mit  Wissenschaft  oder 
Literatur  in  kleinlicher  Weise  befaßt.  Eine 
Übersetzung  des  gleichbed.  franz.  petit-niaitre 
m.  Jetzt  «kleiner  Handwerker».  Kleinmut, 
m.,  1688  in  neues  Dictionarium  Für  einen 
Reisenden  S.  177'',  früher  und  bis  gegen  Ende 
des  18.  Jh.  fem.  (1577  bei  Fischart  Flöhhaz 
BZ^  V.  606  Klainmut  f.),  mhd.  dafür  klein- 
muotikeit  f.  kleinmütig,  adj.,  mhd.im  14.  Jh. 
bei  Megenberg  45,  2  klainmiietig,  von  dem 
mhd.  Adj.  dmnmuote  (12.  Jahrh.j.  Klein- 
SChmied,  m.:  Schmied  in  feiner  Arbeit, 
bes.  Schlosser,  im  Gegensatz  zu  Grobschmied, 
ndrhein.  im  14.  Jahrh.  der  PI.  cleyne  sniyde, 
1395  cleinsmed,  1215  als  Beiname  Cleinesmid 
(Böhmer  Urkundenbuch  von  Frankfurt  a.  M. 
S.  23j.  Kleinstädter,  m.,  1787  bei  Kramer 
deutsch -holl.  AVb.  kleinstädtisch,  adj., 
1673  bei  Chr.  Weise  Erznarren  219.  Klein- 
staaterei, f.,  1814  bei  Jahn.  Vgl.  Ladendorf. 
Klein,  n.  (-[e].s),  namentlich  in  Gänse- 
klein (s.  d.),  Hasenklein,  aber  schon  1775  bei 
Adeluncr  Klein. 


Kleinod,    n.  (-s,   PI.  -e,   üblicher  Klei- 
nodien):    Schmucksache     höchsten    Wertes, 
Gegenstand   ausgezeichneten   Wertes.     Mhd. 
kleinöt  n.  und  mit  I'mlaut  kleincete,  kleinoede 
n.,  in  der  Endimg  geschwächt  kleinät,  Meinet, 
mnd.  kienöde,   klenäde  n.,   mittels   der   ahd. 
Ableitungsendung  -odi  (vgl.  Heimat,  Einöde) 
von  dem  Adj.  klein,  dessen  ältrer  Bedeutung 
j  gemäß  eig.  «zierlich,  fein  gearbeitete  Sache», 
'  dann  «zierliches  Geschenk,  Ehrengabe»,  end- 
'  Hch    «Gegenstand   ausgezeichneten   Wertes», 
auch  «Kleinigkeit,  kleines  Hausgerät».     Der 
PI.  Kleinodien    nach    dem   PI.  clenodia   des 
j  von  dem  deutschen  Worte  gebildeten  mlat. 
I  clenodiuM,  clinodium  n.,  1685  bei  Grimmels- 
'  hausen  Simpl.  3,126  (Kz.) Kleinodien,  im  16.  Jh. 
in    der   Zimm.  Chron.  -  1,  245,  24  klinodien, 
sonst  im  16.  Jh.  auch  der  PI.  kleinoter. 
I       Kleister,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  aus  feinem 
■  Mehle  gekochtes  Klebmittel,    Md.  klister  m. 
«anhangender    Gegenstand»   (Passional  490*^, 
65  Köpke),  im  15.  Jh.  wassercleister  m.  und 
clisterschüm   m.    «Asphalt»    (Rothe    düring. 
I  Chron.  Cap.  14^  und  21),    1587   bei  Soranus 
Kleister  m.   «Klebmittel»,    1577   bei   Junius 
i  220^  gleister:    nd.   im    14.  Jh.   cUstere   «an- 
I  klebende   Pflanze,  Efeu»,  1582  bei  Chyträus 
klyster    «aus    Mehl    gekochtes    Klebmittel». 
Mittels    der    Ableitungsendung    -ster    (vgl. 
!  Laster,  Polster)   von  derselben  Wurzel  wie 
;  Klei,  kleiben  (s.  d.),    Friihmhd,  chlenster  m, 
'<  «angestrichnes  Klebmittel»  (Anegenge  23,  26) 
!  ist  abgeleitet  von  ahd.  klenan,   mhd.  klenen 
«kleben,  schmieren».      Sonst  mhd.   und  ahd. 
i  dafür  klep  m.  (noch  Schweiz.  Kleh  m.),  daneben 
1  kleip  m.  ( s.  kleiben).  ABL.  kleisterig,  adj., 
1691   bei  Stieler  kleistericht.  kleistern,  v., 
!  bei  Luther,  mnd.  klisteren. 

Klemens,    Mannsname.      Aus    dem   lat. 
Adj.  Clemens  (Gen.  clemeniis)  «mild».    Dazu 
I  der  Frauenname  Klementine. 

klemm,  adj.,  wie  klamm  (s.  d.).  Bei 
Wieland,  Hebel,  Pestalozzi,  1 424 fcZeww «knapp» 
(Städtechron.  2,  39,  25),  1337  als  Personen- 
i  name  Frederich  Clemme  (Baur  hess.  Urk.  1, 
534).  Dazu  Klemme,  f.  (PI.  -n)-.  einengen- 
1  der  Ort,  beengter  Zustand,  Einengung  (im 
14.  Jh.  mhd.  klemme,  chlemme  f.):  Werkzeug 
zum  Klemmen  (1691  bei  Stieler j;  Kratt, 
Nachdruck  (nd.).  Im  Mhd.  auch  klamme, 
klame,  klamhe  f.  «Klemme,  Fessel,  Klammer». 
klemmen,  v.,  mhd.  klemmen,  ahd.  chlemman 
in  picklemman:  dazu  asächs.  clemmian  in 
ant-  und  biclemmian,  mnd.  klemmen.    Davon 


1055 


klemperu 


klieben 


1056 


Klemmer,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Augenglas. ' 
Diese  Bedeutung  erst  im   19.  Jh. 

klempern,  v. :  Metall  (Blech)  hämmern, 
einen  Blechton  hervorbi-ingen  (vgl,  klimpern). 
1691  bei  Stieler  klemperen.  Mhd.  klemheren 
neben  klampfern  «fest  zusammenfügen,  ver- 
klammern». ABL.  Klempner,  m.  {-s, 
PI,  wie  Sg.):  Blechschmied,  1734  bei  Stein- 
bach. Umgestaltet  aus  Klemperer  m.  (1691 
bei  Stieler,  auch  bei  Rädlein  und  Ludwig) ; 
dafür  obd,  Klamperer  (schon  im  16.  Jh., 
rischart  Pract.  Großm,  1572,  8),  bayr.-östr. 
Klampferer  (schon  im  17.  Jh.,  aber  im  15.  Jh.  | 
bei  Behaim  Wiener  312,  6  clampfer  m).  1 

klenkeu,  v,:  (bei  Fichten-,  Tannenzapfen 
usw.)  durch  Hitze  die  Samenhülsen  sprengen 
und  so  den  Samen  ausfallen  machen.  In 
Mitteldeutschland.  Eig.  «Klingen  machen», 
was  mhd.  klenken  neben  Mengen. 

kleppen,  v,:  in  kurzem  Tone  läuten.  In 
Norddeutschland ;  dazu  ndl.  kleppen  «klappern, 
die  Glocke  anschlagen»,  von  Map  m.  «Schlag» 
(s.  Klapp) ;  dafür  mit  pf  oberdeutsch  klepfen 
«knallen»    (vom   Schuß   usw.,    schon    1432). 

Klepper,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Lauf- 
pferd geringer  Art;  Reise-,  Paßgänger.  Ur- 
sprünglich ohne  üblen  Nebensinn,  1561  bei 
Maaler,  aufgenommen  aus  dem  Md.,  wo  Ende 
des  15.  Jh.  klepper  m.  «Reitpferd»  (Michelsen 
Mainzer  Hof  in  Erfurt  82),  im  16.  u.  17.  Jh. 
Klöpper,  aber  auch  kleppJier  m.  «sehr  kleines 
Pferd»,  1517  bei  Trochus  G  ß^  und  Klöpffer, 
1611  bei  Colei-us  Haußbuch  4,  109.  Benannt 
entweder  von  der  besondern  Gangart  des 
kleinen  schnell  laufenden  Pferdes  (dem  Mop 
bei  Fischart  Garg.  203),  oder  nach  dem  kurzen 
Anschlag  der  Schellen,  die  dies  Pferd  am 
Geschirr  trug.     Vgl.  Buschklepper. 

kleppern,  v.:  (Eier)  mit  dem  Rührlöffel 
schlagen,  zerquirlen.  In  Mitteldeutschland, 
Nebenform  von  klappern,  im  14.  Jh.  cläppern 
vom  Klappern  des  Storches  und  kleppern 
von  Schmiedearbeit,  Hämmern,  dafür  spät- 
mhd.  kiepfern  «klappern». 

Kleptomanie,  f,:  krankhafte  Neigung 
zum  Stehlen.  Aus  gr.  kX^tttciv  «stehlen» 
und   laavia  f,  «Hang».     In  neurer  Zeit. 

klerikal,  adj,:  streng  kirchlich,  päpstlich 
gesinnt.  Von  nlat.  clericälis,  abgeleitet  von 
clerus  s.  u.  In  neurer  Zeit.  Kleriker,  m, 
(-S,  PI.  wie  Sg.):  Geistlicher,  Priester.  Mhd. 
cleric,  Merke  m.,  mnd.-mndl.  Merk  n.  Aus 
gleichbed,  kirchlich -mlat.  clericus  m.,  dem 
als  Subst.   gesetzten  Mask.   des  kirchlich-gr. 


Adj.  KXripiKÖc  «zur  Geistlichkeit  gehörig»,  von 
mlat.  clerus  m.  «Geistlichkeit»,  gr.  KXfipoc  m. 
«Los,  zugelostes  Besitztum»,  im  PI,  biblisch 
die  zur  Leitung  der  Christen  Vorerwählten 
(1,  Petr.  5,  8).  Dazu  Klerlsöl,  f.  (PI.  -en): 
Priesterschaft,  1562  bei  Mathesius  Sarepta 
216^,  234^  Glerisei  f.,  1541  im  Cod.  dipl, 
Saxon.  reg.  II,  3  Nr.  1428  clerisey,  aus  roman. 
(span.)  clerecia,  mlat.  clericia  f.;  auch  mnd. 
Meresye,  klerikie,  klerkesie  f. 

Klette,  f.  (PI.  -n):  Pflanze  mit  sich  an- 
häkelndem Fruchtknopfe,  sowie  dieser  selbst. 
Mhd.  Mette  f.,  ahd.  chletta,  cMedda  f.  und 
chletto,  cMeddo  m. ;  dazu  and.  kleddo,  clevisch 
1477  clette  neben  clesse  f.,  nndl.  klis,  Misse  f., 
ags.  cläte  f.,  engl,  clothur.  Urverwandt  mit 
lat.  glüten  n.  «Leim».  In  der  Wurzel  muß 
der  Begriff  des  Anhaftenden,  Klebrigen  liegen, 
was  dadurch  bekräftigt  wird,  daß  die  Klette 
im  Ahd.  noch  kliba,  cMipa,  amd.  Miva,  ags. 
clife  f.  heißt  (s.  kleben,  Klei).  Aus  dem 
Germ,  stammt  franz.  glouteron,  afranz.  gleteron. 
ZUS.  Klettenkraut,  n.,  1540  bei  Alberus. 

klettern,  v. :  woran  haftend  (klebend)  auf- 
oder  absteigen.  1482  im  Voc.  theut.  q7^, 
dann  bei  Keisersberg  und  Luther;  nd.  Mattem, 
nndl.  Mauteren.  Frequentativum  zu  älter- 
nhd.  Meten  (Zimm.  Chron.  ^  4,  208,  37),  noch 
Schweiz,  Metten,  von  derselben  Wurzel  wie 
Kletfe  (s.  d.),  was  dadurch  bestätigt  wird, 
daß  im  Voc.  theut.  von  1482  und  Schweiz, 
zugleich  klebern  «klettern»  (von  mhd.  kleber 
«klebrig»,  s.d.)  vorkommt.  ABL.  Kletterer, 
m.,  1691  bei  Stieler.  ZUS.  Kletterstange, 
f.,  1775  bei  Adelung;  bei  den  Vogelfängern 
ist  sie  nach  Frisch  1741  eine  10  Fuß  lange, 
oben  mit  Leimruten  besteckte  Stange. 
I     Kietze,  s.  Klötze. 

Klicker,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Schnell- 
!  kügelchen.  1549  im  Renner  Bl,  75  und  1664 
!  bei  Duez  Klicker,  1575  bei  Fischart  Garg.  265 
I  der  PI.  Kluckern  «Schnellkugeln»,  spätmhd. 

1429  Mucker  neben  gluckern  «mit  Kugeln 
i  spielen»,  1540  bei  Alberus  klick  m.  «Schneller 
I  mit  den  Fingern,  Schnippchen».  Vielleicht 
1  zu  ahd.  cliuweli,  clueli,  glueli  n.  «Kügelchen» 

von  ahd.  Miuwa  f.  «Knäuel, Kugel».  S. Knicker. 

klickern,  mundartlich  neben  kleckern. 
I      klieben,  v.  (Prät.  kloh,  Konj.  klöhe,  Part. 

geklohen) :  intr.  sich  gewaltsam  voneinander 
'geben:  tr.  voneinander  hauen.    Mhd.  klieben 

(Präs.  kliube,   Prät.  kloup,  PI.  Muhen,  Part. 

gekloben),  ahd.  chliopan,  clioban;  dazu  asächs. 

klidban,  ndl.  klieven,  ags.  cleofan,  engl,  cleave, 


1057 


KUent 


klingen 


1058 


I 


anord.  kljüfa  und  das  Faktitivum  dän.  klöve, 
nnorw.  klöyva,  mit  Ablaut  klauben  (s.  d.). 
Vgl.  noch  Kloben,  Knoblauch,  Kluft,  Kluppe. 
Vei-wandt  mit  lat.  glübere  «abschälen»,  gr, 
f\\}(pe\v  «eingraben,  schnitzen,  aushöhlen». 

Klient,  m,  (-en,  PI.  -en):  Schutzbefohlner 
in  Rechtsangelegenheiten.  1605  bei  Alber- 
tinus  Lustgarten  231.  Von  lat.  cliens  m.  (Gen. 
clientis)  «Schutzbefohlner».  Dazu  Klientel, 
f.:  das  Verhältnis  des  Schutzbefohlnen  zu 
seinem  Vertreter  Schutzgenossenschaft,  1714 
bei  Wächtler,  aus  gleichbed.  lat.  clientela  f. 

kliffen,  v.:  kläffen,  im  Ablaut  zu  klaffen 
(s.  d.)  entstanden,  bei  Bürger  231  aus  der 
Göttinger  Mundart. 

Klima,  n.  (-s,  H.  Klimate):  Witterangs- 
beschaffenheit einer  Gegend.  1534  bei  Herr 
Die  new  Welt  52*  Clima.  Aus  gr.-lat.  clinia 
(Gen.  diniatis),  gr.  K\i|na  n.  «die  nach  dem 
Grade  der  Neigung,  welche  die  Erde  vom 
Äquator  an  gegen  die  Pole  zu  hat,  sich 
richtende  Wärme  oder  Witterung»,  eig.  «die 
Neigung  selbst»,  von  gr.  KXiveiv  «sich  neigen». 
ABL.  klimatisch,  adj.,  erst  spät  im  18.  Jh. 

Klimbim,  m.  n.  (-s):  das  unwesentliche 
Drum  und  Dran,  unnützes  Beiwerk.  Erst 
in  neurer  Zeit  lautnachahmend. 

klimmen,  v.  (Prät.  klomm,  Konj.  klömme, 
Part,  geklommen,  seit  Ende  des  18.  Jh.  auch 
schwachbiegend  ^rätMimmte,  Fart.  geklimmt): 
sich  fest  andrückend  zur  Höhe  odel-  Tiefe 
steigen.  Mhd.  klimmen  (Prät.  klam,  PI.  Mum- 
men, Part,  geklurnmen),  selten  klimben,  ahd. 
chlimban:  dazu  mndl.  climmen,  ags.  clirnban, 
engl,  climb.  Wegen  anord.  klifa,  mengl.  cllven 
«klettern»  stellt  man  es  gewöhnhch  zu  ahd. 
kliban  «haften»  (s.  kleiben).  Es  könnte  aber 
auch  zu  klemm  (s.  d.),  oder  lit.  glebti  «mit 
den  Armen  umfassen»  gehören. 

klimpern,  v.:  Klang  machen  mit  einem 
Tonwerkzeug,  ohne  eigentlich  zu  spielen.  Im 
15.  Jh.  bei  Wolkenstein  36,  25  klumpern,  d.  i. 
klümpern,  1697  Schelmuffsky  108  klimpern. 
Im  Ablautsverhältnis  stehend  zu  klempern 
(s.  d.),  obd.  klampern.  Davon  Klimperei, 
f.,  bei  Günther  938.  klimperkleiu,  adj.: 
winzig  klein,  1709  bei  Paulini  philosoph.  Lust- 
stunden 1,  380,  1691  bei  Stieler  klümper- 
klein,  dafür  1650  bei  Moscherosch  PhU.  1,'63 
klintzerliklin.  Klimpimpimperlied,  n., 
bei  Goethe  16,  4. 

Klimse,  s.  Klinse. 

Kling,  m.:  heller  Ton  in  feinem  Laut, 
Kling  und  Klang  Goethe  2,  211,  mhd.  Mine 
We  i  g  a  n  d ,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


m.  «heller  Schall».  Zu  klingen,  kling,  interj. 
zm-  Bezeichnung  eines  hellen  Schalles,  schon 
mhd.  klinga  Mine!,  1650  bei  Moscherosch 
Phil.  1, 170  kling  kling,  1774  bei  Bürger  Lenore 
13  kling  ling  ling.  Mit  Ablaut  kling!  klang! 
(Goethe  Faust  3634),  in  Schlemmerliedern  des 
15.  bis  17.  Jh.  gling  glang  gloria!  (ühland 
Volksl.  576).    Vgl.  Kingklang. 

^Klinge,  f.  (PI.  -n):  langer  schmaler 
Stahl  zu  Hieb,  Stich,  Schnitt.  !Mhd.  klinge. 
um  1480  im  Voc.  ine.  teut.  d6*  clingke,  nd, 
im  15,  Jh.  clinge  und  clinke  f.,  von  klingen, 
welche  Ableitung  durch  der  {swerte)  klingen 
alsus  klungen  und  da  bi  von  swerten  klinga 
Mine  (Parzival  69,  14  f.)  bekräftigt  wird. 

■^Klinge,  f.  (PL  -n):  Talbach,  schmaler 
Bach;  schmale  Schlucht.  ÄIhd.  klinge  f.,  ahd. 
cMinga,  klinka  f.  und  chlingo,  klinco  m,  «rau- 
schender Bach,  Wildbach,  Talschlucht»,  von 
klingen,  im  Mhd.  das  Rauschen  und  Rieseln 
des  Gewässers  bedeutend.     Vgl.  '^Klang. 

Klingel,  f.  (PI.  -n)-.  kleine  Schelle,  Glöck- 
chen,  1624  bei  Opitz  Poeterey  44.  Von 
klingeln,  v.,  Diminutiv  und  Frequentativ 
zu  klingen  (s.  d.),  mhd,  klingelen  «hell  klingen, 
rauschen,  plätschern,  einen  Klang  hervor- 
bringen», ahd.  cMingilon  «hell  erklingen»;  die 
Bed.  «die  Glocke  schellen»  erst  1691  bei 
Stieler.  ZUS.  Klingelbeutel,  m. :  mit  einer 
Klingel  versehner  Beutel  an  einem  langen 
Stabe,  mit  dem  der  Küster  während  des 
Gottesdienstes  den  Kirchenpfennig  einsam- 
melte, im  17.  Jh.  (Schuppius  589)  neben  dem 
dissimilierten  Klingebeutel. 

klingen,  v.  (Prät.  klang,  Konj.  klänge, 
Part,  geklungen) :  einen  Laut  in  stetiger  Aus- 
dehnung von  sich  geben;  (seltner)  den  Klang 
hervorrufen,  musizieren  (schon  mhd.).  In 
1.  Bed.  mhd.  klingen  (Prät.  klanc,  PI.  klungen, 
Konj.  klünge,  Part,  geklungen,  Imp.  Mine), 
selten  Minken,  ahd.  klingan;  dazu  clevisch 
1477  clyngen  neben  clyncken,  1495  in  der 
Kölner  Gemma  E4*  clincken,  engl,  clink 
«klingen,  klirren»,  ferner  schwachflekt.  afries. 
Minna,  ags.  clynan  «erklingen»,  (entlehnt) 
anord.- seh wed.  klingja  «mit  einer  kleinen 
Glocke  läuten»,  dän.  klinge.  Anklingend,  aber 
wegen  des  Fehlens  der  Lautverschiebung 
nicht  urverwandt,  lat.  clangere,  um  400  n.  Chr. 
auch  clingere «.ertönen,  erschallen»,  clangor  m.. 
«Klang»,  gl".  KXaYTH  f-  «Getön»,  KXciZ;eiv  (Fut. 
kXciyEuu,  Perf.  K^KXoYfa)  «erklingen,  tönen». 
In  der  Bed.  «klingen  machen,  zumal  durch 
Anstoßen  mit  Gläsern  beim  Trinken»  (1716  bei 

67 


1059 


Kliugklang 


Klischee 


1060 


Ludwig,  klincken  1678  bei  Krämer)  schwach- 
biegend  Prät.  klingte,  Part,  geklingt  (im  18.  Jh., 
bei  Voß  lyr.  Ged.  1,  120,  59,  IdyUen  16,  31, 
geklinckt   1734  bei  Steinbach),   s.  anklingen. 

Klingklang,  m.  (-s) :  Geklinge,  bei  Klop- 
stock,  Herder,  im  16.  Jh.  bei  Schweinichen 
2, 136,  ein  Ansatz  dazu  schon  im  mhd.  klingen 
klank  (Gesamtabenteuer  Nr.  90,  238),  s.  kliiig. 

Klinik,  f.  (PI.  -en):  die  ausübende  Heil- 
kunde; der  Unterricht  am  Krankenbette; 
Heilanstalt  zum  Unterricht  in  der  Heilkunde 
(früher  Klinikum  n.);  dazu  das  Adj.  klinisch, 
1791  bei  Roth  klinisches  Institut  Aus  gr. 
KXiviKr)  f.  (zu  ergänzen  xexvn  «Kunst»)  «die 
Heilkunde  am  Krankenbette»,  Fem.  des  Adj. 
kXiviköc  «bettlägerig»,  von  KXivti  f.  «Lager». 

Klinke,  f.  (PI.  -n):  Drücker  am  Tür- 
schloß (1691  bei  Stieler),  fiüher  der  Fall- 
riegel an  der  Tür.  Md.  im  14.  Jh.  clinke  f. 
«einfallender  schließender  Türriegel»,  mrhein. 
im  Voc.  ex  quo  1469  clinck  «Falleisen  an  der 
Tür»,  Anfang  des  15.  Jh.  oberrhein.  klinke  f. 
«Schlagbaum»;  dazu  mnd.  klinke,  klenke  f. 
«der  einfallende  Türriegel»,  clevisch  1477 
clynck  f.  «Tür-,  Fensterriegel».  Wahrschein- 
lich zu  klingen  (s.  d.),  Zweifel  bei  Falk- 
Torp.  ABL.  klinken,  v.:  auf  die  Klinke 
dmcken,    1691    bei  Stieler   auf-,   zueklinken. 

klinken,  s.  klingen. 

Klinker,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  kleiner 
sehr  hart  gebrannter  Mauerstein,  der  einen 
hellen  Klang  gibt,  wenn  man  daran  schlägt, 
bes.  glasierter  Ziegel,  Fliese.  Nd.  1767  im 
Brem.  Wbch.,  1775  bei  Adelung,  ndl.  klinkert, 
1598  klinckaerd  m.     Zu  klingen  (s.  d.). 

Klinse,  Klinze,  f.  (PI.  -n):  Riß,  Ritz, 
Spalt.  Älter  Klinise,  1466  klynims  bei  Diefen- 
bach  nov.  gl.  319%  1469  bei  Wyle  278,  22 
klimse,  ebenso  1561  bei  Maaler,  dann  bei 
Schottel,  Stieler,  noch  oberdeutsch.  Dafür 
md.  Klinse  1775  bei  Adelung,  Klinze  1797 
bei  Schlegel  Shaksp.  Sommern  3, 1.  Daneben 
Klunse  (s.  d.).     Zu  klamm,  klemm  (s.  d.). 

^ klipp!  Ablautsform  zu  klapp  (s.  d.), 
1600  bei  Adrian  Mitteilungen  371  klip  vnd 
Map,  bei  Luther  3,  180  als  Verb  hie  klipts, 
da  klapts,  verbunden  klippklapp!  in  der 
zweiten  Hälfte  des  18.  Jh.,  1663  bei  Schottel 
klipklap  spielen,  als  Subst.  1691  bei  Stieler 
Klipp-Klapp  m.,  1648  imHarnisch  aus  Flecken- 
land 229  das  Klippklappen. 

"klipp,  in  der  Formel  k.  und  klar,  zu 
klippen,  Ablautsform  von  klappen  «stimmen». 

Klippe,  f.  (PI.  -n):  hervorstehender,  spitz 


ausgehender  schroffer  Fels.  Bei  Luther  Judith 
5,  1  Klippen  PI.  «Felsspalten,  Felsschluchten, 
Felsenpässe»,  aufgenommen  aus  ndrhein.  im 

14.  Jh.  und  nd.  im  16.  Jh.  klippe  f.  «spitzer 
Fels»,  1495  in  der  Kölner  Gemma  U6^  eyn 
clip  in  die  zee;  dazu  clevisch  1477  clyppe, 
mndl.  clippe,  clip,  ndl.  klip  f.,  (entlehnt)  dän. 
klippe,  schwed.  klippa  f.  Dafür  obd.  im  15.  Jh. 
bei  Behaim  cliffe  f.,  im  16.  u.  17.  Jh.  neben 
Klippe  auch  Kluppe  f.,  1588  bei  Fischart 
Bienenkorb  111  *  Kluppe  m.  (Var.  Klippe  m.), 
1664  bei  Duez  Klipp  m.,  1588  bei  Taber- 
nämontanus  1230  der  PI.  Klüpfe.  Daneben 
die  gleichbed.  Wortsippe  ahd.  clep,  chlep  n. 
«Vorgebirg»,  d.  i.  «ins  Meer  vorragender  Fels», 
asächs.-mnd.  klif  n,  «Fels,  Berg»,  ndrhein.  im 

15.  Jh.  kly ff  «das  hohe  Ufer  längs  dem  Strom» 
(Wierstraat  157  u.  1751),  ags.  clif  n.  «KHppe, 
Anhöhe,  Vorgebirg»,  engl,  cliff,  anord.  klif  n. 
«Bergrücken,  Klippe»,  kleif  i.  «Bergrücken», 
so  daß  also  das  pp  auf  n- Assimilation  be- 
i'uht.  Weitre  Verwandtschaft  fehlt.  ABL. 
klippig,  adj.,  1691  bei  Stieler  klippig,  klip- 
picht, 1477  clevisch  clippich.  ZUS.  Klipp- 
fisch, m.:  der  Bandfisch  mit  borstenartigen 
Zähnen,  chaetodon  (1563  bei  Forer  Fisch- 
buch 63  Klipfisch,  1798  bei  Schüler  Taucher 
Str.  20  Klippenfisch  m.);  der  Stockfisch  (1775 
bei  Adelung),  ndl.  klipvisch,  (entlehnt)  dän.- 
norweg.  klipfisk,  angeblich  weil  er  auf  den 
Klippen  gedörrt  wird. 

Klippkram,  m.:  Kram  mit  geringen 
(hölzernen  usw.)  Waren,  1666  bei  Comenius 
Sprachentür  492,  davon  Klippkrämer,  m., 
im  17.  Jh.,  nd.  1652  bei  Lauremberg  3,  451 
KUpkramersFl.,  mnd.  klippekraniers;  Klipp- 
SChenke,  f.:  geringe  Schenke,  1775  bei  Ade- 
lung, wie  Klippkrug  m.  1741  bei  Frisch; 
Klippschuld,  f.,  wie  Klipper-,  Klapper- 
schuld:  kleiner  Schuldposten,  bei  Campe,  da- 
gegen mnd.  clepschulde,  afi-ies.  klep-,  klip- 
sÄeWe  «Abgabe  in  klingendem  Gelde»;  Klipp- 
schule, f.:  Winkelschule,  Elementarschule», 
1663  bei  Schupp  917 ;  Klippwerk,  n. :  geringe 
hölzerne  usw.  Ware,  Klapperware,  1741  bei 
Frisch.  Diese  norddeutschen  Wörter  sind 
Ableitungen  von  klippen  (s.  klipp),  klippern 
(im  16.  Jh.,  Luther  8,  11  ^  Goethe  1,  208), 
die  »im  Ablaut  stehen  zu  klappen,  klappern. 

klirren,  v.:  einen  hellen  zitternden  Klang 
von  sich  geben.  1697  im  SchelmuflFsky  11. 
Schallnachahipend.  1787  bei  Schubart  2,  119 
von  einer  Taube,  wie  girren. 

Klischee,    n.    {-s,    PI.   -s):    Abguß    von 


1061 


Klistier 


Klöpfel 


1062 


gesetzten  Lettern,  Holzschnitten,  Abklatsch. ' 
Aus  gleichbed.  franz.  cliche  von  clicher,  einer 
Nebenform  von  cliquer,  cliqueter  «klatschen». 
In  neurer  Zeit  entlehnt. 

Klistier,  in  Bayern  und  Österreich  auch 
Klystier,  n.  (s,  PI.  -e):  Ausspülung  des 
Afters  durch  Einspritzen.  1494  bei  Brant 
Narrenschiif  81,  46  klystier,  mhd.  Mister,  klie- 
stiern.  Daneben  im  14:.Jh..kriestiere,  cristiern. 
Aus  gr.-lat.  clysterium,  gr.  kXuctjipiov  n.,  dem 
Diminutiv  von  gr.-lat.  clyster,  gr.  KXucxrip  m. 
«Klistier  und  Klistierspritze»,  von  gr.  KXuZeiv 
«an-,  abspülen,  mittels  Einspritzung  in  den 
After  reinigen».  ABL.  klistieren,  v.,  mhd. 
klistieren  und  kristieren,  1508  in  der  Straß- 
burger Gemma  e4*  cly  stier  671.  .Z'C'S.  Klistier- 
spritze, f.,  1678  bei  Krämer  Clistierspritze, 
dafür  bei  Duez  1664  Clistierstock  m.  oder 
Clistierpfeiffe  f.  (letzres  schon  1582  bei  Fi- 
schart Garg:  347),  Ende  des  15.  Jh.  kristierysen 
bei  Diefenbach  gl.  127°,  1577  bei  Junius  194» 
nui-  Clistir  n.,  1482  im  Voc.  theut.  q  8^  Mister. 

Klitscll,  m,  (-es,  PI.  -e):  Stück  weicher 
Masse,  z.  B.  Butter,  Teig  usw.;  klitschender 
Schall  oder  Schlag.  Md.,  in  der  1.  Bed.  1739 
bei  Schnabel  Felsenburg  3,  425.  klitsch! 
interj.,  bei  Campe,  in  der  Verbindung  klitsch 
klatsch  1795  bei  Hupel  117,  wo  auch  Klitsch- 
klatsch m.  klitschen,  v.,  bei  Luther  klitschen 
und  klitzschen  «die  flachen  Hände  hell  er- 
schallend widereinanderschlagen,  im -16.  Jh. 
auch  klitzen,  schon  1420  uribeklitzet,  wie 
klatschen  (s.  d.)  aus  älterm  Matzen  hervor- 
gegangen ist.  klitschig,  adj . :  unausgebacken 
weich  und  teigig,  nd.  klitzig,  klitsig. 

^klittern,  v.:  klecksen,  unsauber,  nach- 
lässig schreiben,  vorläufig  (ungeordnet)  ein-, 
aufschreiben.  1534  bei  Frank  Weltbuch  Vorr. 
aö*  klitteren,  1517  bei  Keisersberg  Brösamlin 
2,  77°  Müttern.  Zu  älterahd.  Elitter  m. 
«Fleck,  Klecks»  (Fischart  Garg.  386),  md. 
im  13.  Jh.  klüter  m.  «Schmutz,  Fleck»,  nd. 
klwider  m.,  die  im  Ablautsverhältnis  stehen 
.  zu  nd.  Mater,  md.  Moder  m.  «Schmutz»  (s. 
klaterig  und  Kladde).  ABL.  Klitterung, 
f.:  schnell  hingeschriebne  Erzählung,  in  Ge- 
schichtklitterung  1590  bei  Fischart  Gai*g.  Titel 
(dafür  in  der  1.  Ausgabe  1575  Geschicht- 
schrift). ZUS.  Klitterbnch,  n.:  Buch  zu 
vorläufigem  Einschreiben,  Kladde  (s.  d.),  1642 
bei  Duez  Klitterhuch,  1561  bei  Maaler  und 
noch  Schweiz.  Kliitterhuch. 

^klittern,  v.:  klappern,  rasseln,  im  17.  Jh. 
klittern,  bei  Luther  3,  441  **  Müttern,  im  Ab- 


laut (zu  md.  klattern  «klappern,  prasseln»). 
ZVS.  Klitterschuld,  f.:  kleiner  Schuld- 
posten, 1691  bei  Stieler,  vgl.  Klipp  er  schuld. 
Klitterwerk,  n.:  geringe  Ware,  Klappei'- 
werk,  im  16.  Jh.  bei  Fischart  Nachtrab  66, 
Klütterwerck  1713  bei  Dentzler. 

Kloake,  f.  (PI.  -«):  Abzugskanal.  Im 
16.  Jh.  bei  Franck  Chronica  32^  cloack  f., 
im  17.  Jh.  auch  Cloac  n.,  aus  gleichbed.  lat. 
cloäca  f.  ZUS.  Kloaken tier,  n. :  niedrigste 
Ordnung  der  Säugetiere.    Bildung  des  19.  Jh. 

Klohen,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  gespaltner 
Stock  usw.,  zunächst  zum  Vogelfang;  (an  der 
Wage)  Gabel,  in  der  der  Wagebalken  hängt 
und  die  Zunge  sich  bewegt  (schon  mhd.); 
greifender  Haken,  Klammer  (1488);  Türangel 
(1663  bei  Schottel);  Gebund,  z.  B.  Flachs, 
ui-spr.  Stock  mit  klemmendem  Spalt,  in  dem 
die  Büschel  usw.  befestigt  sind  (bereits  mhd.) ; 
Tabakspfeife  ndt  dickem  Kopf  (studentisch, 
erst  1837  zu  belegen).  In  1.  Bed.  mhd.  klohe, 
ahd.  cloho,  chlöbo  m.;  dazu  andd.  fugulklovo 
m.  «Kloben  zum  Vogelfang»,  mnd.  klof,  klove, 
klave  m.  «gespaltner  Stock,  Spalt,  Wag- 
gabel, Gebund»,  ndl.  kloof  f.  «Spalte,  Riß», 
anord.  klofe  m.  «Felsspalte,  Türfuge»,  klof  n. 
«Spalt,  Riß,  Schnitt»,  dän,  klov  «gespaltner 
Huf  des  Hornviehs»,  klove  «Halsjoch  für 
Kühe»,  älter  auch  «Bügel,  Klammer»,  schwed. 
klofve  «Schraubstock,  Zange».  Zu  Miehen 
(s.  d.).  ABL.  klohig,  adj.:  klotzig,  unge- 
schlacht, erst  in  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jh. 

klönen,  v.:  fortgesetzt  klagen,  jammern. 
Norddeutsch  (1743  bei  Richey),  dafür  Schweiz. 
Manen,  auch  klönen.  Wohl  verwandt  mit 
ags.  chjmian  «tönen». 

Klöpfel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  unten  dickes 
Werkzeug  zum  Klopfen  oder  Widerschlagen, 
z.  B.  der  Glockenschwengel.  1482  im  Voc. 
theut.  q  8*  klupffel,  md.  1470  klöpfel  und 
Moppel,  1540  bei  Alberus  dict.  u3»  Klöppel, 
mhd.  klüpfel  und  klopfet  m.,  1664  bei  Duez 
Klupffel  und  noch  schweizerisch.  Von  klopfen 
Vgl.  Klöppel  und  Knüppel.  In  Klöpfel  auf 
gegangen  ist  mhd.  Meffel,  Mepfel  m.  «Glocken 
Schwengel,  mnd.  Meppel  m.,  ndl.  klepel  f. 
abgeleitet  von  mhd.  klaff,  klapf  m.  (s.  Klapp) 
Dazu  Klöpfelsnacht,  Klöpfleinsnacht, 

f.:  in  Bayern  und  Schwaben  der  Abend  des 
letzten  Donnerstags  vor  Weihnachten,  dann 
die  letzten  drei  Donnerstage  in  der  Advents- 
zeit, in  Schwaben  auch  alle  Nächte  von  Weih- 
nachten bis  zum  Dreikönigstag  (6.  Jan.),  wo 
arme  Leute  und  Kinder  an  die  Türen  klopfen 

67* 


1063 


klopfen 


£lotze 


1064 


und  unter  Hersagen  von  gereimten  Sprüchen 
um  Geschenke  bitten.  Das  Anklöpfeln  ge- 
schieht meist  mit  hölzernen  Hämmerchen. 
Im  15.  Jh.  in  den  Fastnachtspielen  1346 
klofflis  nechte;  die  Eeimspiüche  oder  Neu- 
jahrs^vünsche  hießen  im  15.  Jh.  nach  den 
Anfangs  Worten  Klopf  an  n. 

klopfen,  V.:  mit  kurzem  Ton  antreffend 
schlagen.  Mhd.  klopfen,  selten  kloffen,  ahd. 
clophön,  clofon,  md.  und  mnd.  kloppen,  mndl. 
cloppen.  Im  Ablautsverhältnis  zu  klapfen, 
klappen  (s.  d.)  stehend.  ABL.  Klopfer,  m. : 
der  Klopfende  (mhd.  klopfoRre  ra.);  Klopfring 
an  der  Türe  (1561  bei  Maaler).  ZUS.  Klopf- 
fechter, m.:  zum  Klopfen  (Schlagen)  um- 
herwandernder Fechter,  1691  bei  Stielei',  im 
17,  und  18.  Jh.  unter  die  Landstreicher  ge- 
rechnet, schon  mhd.  beim  Teichner  S.  167 
vehter  m.  «umherziehender  Edler,  der  die 
Eitterkünste  erwerbshalber  übt»;  dann  gegen 
Ende  des  18.  Jh.  büdlich,  Raufbold  im  lite- 
rarischen Streit.  Klopf hengst,  m.:  nicht 
völlig  entmannter  Hengst,  dessen  Samenstrang 
durch  Klopfen  mit  einem  hölzernen  Hammer 
von  außen  zerquetscht  ist,  worauf  die  beiden 
Hoden  oder  nur  eine  vertrocknen,  1741  bei 
Frisch,  nd.  Klopphengst,  in  der  Uckermark 
daneben  Klopper  m. 

Kloppe,  s.  Kluppe. 

Klöppel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  an  einem 
Ende  kugelig  gedrechseltes  Stäbchen  zum 
Schlingen  der  Spitzen,  Kanten  usw.,  die  md. 
Form  für  oberd.  Klöpfel  (s.  d.),  1741  bei 
Frisch  Klöppel  und  Klippel,  1715  bei  Ama- 
ranthes  Kleppel,  1691  bei  Stieler  Klöpfel, 
Kliipfel,  Klöpel,  nd.  knuppel  m.  ABL. 
klöppeln,  v.:  Spitzen  schlingen  oder  wirken, 
bei  Goethe  neben  klöppeln  auch  klippein  (30, 
145),  1715  bei  Amaranthes  und  1616  bei 
Henisch  kleppeln,  1691  bei  Stieler  klopf  ein, 
nd.  knüppeln,  1718  im  Accademischen  Frauen- 
zimmerspiegel 27  Spitzen  knüppeln.  Das  Spitzen- 
klöppeln wurde  1561  im  Erzgebirge  durch 
die  Annaberger  Patrizierin  Barbara  Uttmann 
nach  Brabanter  Vorbild  eingeführt. 

Klops,  m.  (Gen.  Klopses,  PI.  Klopse): 
Braten  aus  dünnen,  mit  hölzernem  Hammer 
mürbe  geklopften  oder  statt  dessen  fein  ge- 
hackten Fleischstücken,  1759  bei  Bock  preuß. 
Wb.  Klops,  1775  bei  Adelung  Klopps  m. 
Vielleicht  identisch  mit  schwed.  kalops  n. 
«dünn  geschnittne  Scheiben  Rindfleisch»,  engl. 
collop  «Fleischschnitte»,  mengl.  collope  «Ge- 
röstetes, Karbonade». 


Klosett,  n.  (-[e].s,  PI. -e):  verschließbares 
Gemach,  Kabinett  (1778  bei  Musäus  physiogn. 
Reisen  1,  151  Kloset);  Abtritt.  Diese  Bed. 
erst  in  neurer  Zeit.  Das  gleichbed.  engl. 
doset,  in  2.  Bed.  besonders  water-closet,  zu  close 
«verschließen,  verschlossen»,  von  afranz.  clos, 
lat.  clausus  (Part,  von  claudere  «schließen») 
«geschlossen». 

Klo£,  m.  (-es,  PI.  Klöße) :  sich  zusammen- 
ballende oder  zusammengeballte  Masse,  rund- 
licher Klumpen.  Mhd.  klog  m.  n.,  ahd.  cld§ 
m.  «geballte  Masse,  Ball,  Kugel,  Kreisel»,  im 
Mhd.  auch  «Schwei-tknauf,  Keil  zum  Ver- 
sperren der  Türe  von  außen,  Knebel»;  dazu 
mnd.  klöt  und  klüt,  Mute  m.  «Klumpen,  Kugel, 
Ball»,  mndl.  clöt,  engl,  cleat  «Keil».  Ab- 
lautend mit  Klotz  (s.  d.)  imd  weiter  wohl 
mit  aind.  gudäs  m.  «Kugel»  (aus  *grudas), 
Bartholomae  Idg.  Forsch.  3,  175.  Der  Plur. 
Klöße  erst  nhd.  (Klößer  bei  Steinbach  1734 
vom  Neutr.),  dafür  mhd.  kloge,  ahd.  chloga, 
noch  im  16.  Jh.  Kloß  (Soltau  Volksl.  2,  108). 
Als  Speise  schon  ahd.  clog.  ABL.  kloßig, 
adj.,  1775  bei  Adelung,  aber  schon  1420  kloschig 
«kugelartig»,  1691  bei  Stieler  klößig. 

Kloster,  n.  (-s,  Fl. Klöster)-,  abgeschloßnes 
Ge  bände  zurWohnung  für  Mönche  und  Nonnen. 
Mhd.  kloster,  ahd.  chlöster,  afries.  Master  n., 
aus  lat.  claustrum,  alt-  imd  volkslat.  clostrum  n. 
«Riegel,  Verschluß»,  im  Mlat.  Kloster,  von 
lat.  claudere  «schließen,  verschließen».  Vgl. 
Klauster.  ABL.  klösterlich,  adj.,  mhd. 
klösterlich.  ^?7/S.  Klosterbruder,  m.:  Mönch, 
md.  im  14.  Jh.  clostirhruder  m.  Klosterfrau, 
f.:  Nonne,  mhd.  Mostervrouwe  f. 

Klotz,  m.  (-es,  PI.  Klötze):  fest  zusammen- 
hängende unförmliche  Masse ;  abgetrenntes  un- 
förmliches Holzstück ;  (bildlich) roher, plumper 
Mensch  (bei  Keisersberg,  Luther).  Mhd.  und 
md.  kloz  m.  n..  Gen.  klotzes,  Ablautsform  von 
klog  (s.  Kloß);  im  14.  Jh.  klotz  «Kugel,  Ge- 
schützkugel», und  zwar  als  Neutr,  mit  dem 
PI.  Motzer,  hliklotzer  (Böhmer  Urkundenb,  von 
Frankfurt  a.  M.  766  f.  von  1391).  im  15.  Jh. 
bei  Behaitn  Wiener  378,  15  puchsenklocz  PI, 
«Geschützkugeln».  1691  bei  Stieler  als  Neutr., 
ebenso  bei  Lessing  1,  194,  7,  200,  mit  dem 
PI.  Klötzer  (Günther  426).  ABL.  klotzig, 
adj.:  plump,  grob,  im  16.  Jh.  bei  Fischart  Pract. 
(Kloster  587)  klotzig,  1691  bei  Stieler  klotzicht, 
1711  bei  Rädlein  Mötzicht:  aber  schon  Ende  des 
15.  Jh.  kloczig  ^kngeUg»  (Diefenbach  gl.  265^). 

Klotze,  Kietze,  f.  (Pl.-w):  gedörrte  Birne, 
Bayrisch.     Unerklärt. 


1065 


Klub 


Klüngel 


1066 


Klub,  m.  (-S,  PI.  -s):  geschloßne  Gesell- 
schaft. In  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jh.  (1774 
bei  Gotter  Ged.  1,  63  Cluh  und  Schubart  2, 80 
Klubb)  aufgenommen  aus  gleichbed,  engl,  club, 
von  altengl.  club,  cZw&be  «Keule,  Kolbe»,  anord. 
klubha  f.  «Keule».  Die  Bedeutung  stammt 
von  dem  Stock  oder  der  Kolbe,  die  zur  Einla- 
dung herumgeschickt  wurde.  ABL.  Klubist, 
Klubbist  (Bayi-isch)  m.  (-ew,  PI.  -en):  Mit- 
glied eines  Klubs  (bei  Goethe  33,  289  Clubbist, 
vom  J.  1793),  aus  gleichbed.  engl,  clubbist, 
franz.  clubiste  m. 

Klucke,  s.  Glucke. 

^  Kluft,  f.  (PI.  Klüfte),  meist  das  Dim. 
Klüftchen,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  leichtes 
Kleid.  Aus  gaunerdeutschem  Kluft  m.,  rot- 
welsch  1510  claffot  n.,  um  1450  klabot  «Ge- 
wand, Kleid»,  abgeleitet  von  hebr.  kaliföt 
« Feier kleider»,  daher  noch  schles.  Klaft  f., 
1652  bei  &cherffer  Ged.  597,  612  Klofft  f. 
neben  Klaffot  (Ged.  424):  am  Ende  des  18.  Jh. 
Klüftchen  studentisch. 

-Kluft,  f.  (PI.  Klüfte):  klaffender  Spalt; 
abgespaltnes  großes  Holzstück;  lange  Feuer- 
zange. Mhd.  kluft  f.  «Spalte,  Felsenkluft, 
Höhle,  Gruft,  Klotz,  Zange»,  ahd.  cluft,  chluftf. 
«Zange,  Schere,  Lichtschere;  dazu  mnd.  kluft, 
klucht  f.,  clevisch  1477  clucht  «Zange,  Yogel- 
falle»,  ndl.  kluft  f.,  engl,  cleft,  clift  «Spalte». 
Zu  klieben  (s.  d.  und  vgl.  Kluppe).  ABL. 
klüftig,  kluftig,  adj.:  spaltig,  r562  bei 
Mathesius  Sar.  48^  klüfftig,  um  1480  im  Yoc. 
ine.  teut.  de**  duftig,  ahd.  duftig;  dazu  mnd. 
kluftich  «klug,  schlau,  gewandt». 

klug,  adj.  (Komp.  klüger,  Sup,  klügst): 
geistig  fein,  ein-  und  umsichtsvoll.  Mhd. 
(seit  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jh.)  kluoc 
«fein,  zierlich,  schmuck,  nett»,  dann  «geistig 
fein,  höfisch,  mit  dem  Verstände  durchdringend 
und  gewandt,  listig»,  auch  «weichlich,  üppig», 
md.  klüc;  dazu  mnd.  klök  «klug,  listig,  schlau, 
gewandt,  behende»,  ndl.  kloek  «klug,  tapfer, 
groß»,  aus  dem  Nd.  entlehnt  anord.  klökr 
«klug,  listig»,  schwed.-dän.  klog.  Entweder 
zu  ir.  glicc  «weise»  (Zupitza  KZ.  36,236)  oder 
zu  gr.  -f^iwxivec  «Spitzen»,  was  der  ursprüng- 
lichen Bedeutung  «fein»  noch  mehr  gerecht 
wird.  ABL.  klügeln,  v.:  klug  tun,  überfein 
ausdenken,  bei  Luther;  davon  Klügelei,  f., 
1691  bei  Stieler,  Klügler,  m.  und  Klüg- 
ling,  ra.  bei  Luther.  Klugheit,  f.,  mhd. 
kluocheit  (d,  i.  kluoc-heit),  kluokeit  f.  «Fern- , 
heit,  Zierlichkeit»,  dann  «Kunstgeschick,  Ver- 
standes-,   Geistesfeinheit,   Schlauheit»,    auch 


«Weichlichkeit»,  mnd.  klökheit  «Klugheit». 
klüglich,  adj.,  mhd.  kluoclich,  und  Adv. 
kluocliche,  md.  klücUch,  mnd.  klökliken. 

Klumpen,  m.  (-s,  PI.  vne  Sg.):  unförm- 
liche Masse.  Eig.  Klumpe,  wie  noch  bei 
Goethe  6,  16,  Faust  5943,  aber  schon  im 
16.  Jh.  bei  Fischart  Ehezuchtb.  E  7  Klumpen, 
md.  im  15.  Jh.  clumpe  (Diefenbach  gl.  350''), 
1410  klumpe  (Elsen  von  Holczhusen  Liventar 
im  Ai'chiv  zu  Frankfurt  a.  M.),  1495  klompe 
in  der  Erfurter  Freizinsordnung  (Thüiing. 
Rechtsdenkm.  316),  hochd.  1542  bei  Alberus 
(der  Barfuser  Münche  usw.  Nr.  262)  klumpffe 
m.  Die  starkbiegende  Form  ist  Klump  m. 
(-[e]s,  PI.  Klumpe,  md.  und  nd.  volkstümlich 
Klümper),  md.  1482  bei  Melber  Q  1*  dump 
m.,  bei  Luther  4,  270^  und  noch  bei  Lessing 
2,  477  Klump,  1517  bei  Trochus  D  3*  klumph 
m.  (Kegelkugel),  im  17.  Jh.  bei  Opitz  1,  33 
und  Logau  2,  10,  24  Klumpff.  Das  Wort  ist 
ins  Hochdeutsche  dm-ch  Mitteldeutschland  aus 
dem  Niederdeutschen  vorgedrangen ,  mnd. 
klumpe,  klompe  m,,  1420  klom  «Holzschuh» 
(Diefenbach  gl.  91^),  ndl.  klomp  m.  «Masse, 
Elotz,  Holzschuh»,  engl,  dump  «Klumpen, 
Kloß,  Klotz»,  anord.  klumha,  kluhha  f.  «Keule», 
schwed.-dän.  klump  «Klumpen,  Kloß».  Dazu 
ohne  Nasal  norw.  klub  «Blutkloß,  Mehlkloß», 
adän.  kluh  «Erdklumpen».  Weitre  Verwandt- 
schaft ist  unsicher.  ABL.  Klumper,  f.: 
Klümpchen,  1719  bei  Kramer;  davon  klüm- 
pern,  v.  refl.,  1716  bei  Ludwig,  aber  sich 
klumpe)-n  1719  bei  Kramer,  und  klümperig, 
adj.,  1691  bei  Stieler  klümpericht.  klumpig, 
adj.,  1678  bei  Krämer.  ZUS.  Klumpfuß, 
m.,  1719  bei  Kramer  1,  150^,  ndl.  klompvoet, 
entlehnt  engl,  dubfoot,   vgl.  isl.  klumbufötr. 

^Klüngel,  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Kugel 
von  gewickelten  Fäden.  1540  bei  Alberus 
dict.  P  1  ^  klüngel,  1537  oberrhein.  bei  Dasy- 
podius  87  "^  klungele,  Schweiz.  1541  bei  Fiisius 
glomus,  klungle  n.,  1410  klungel  und  klüngel  n. 
(in  Elsen  von  Holczhusen  Inventar  im  Archiv 
zu  Frankfurt  a.  M.);  daneben  als  Fem.  Schweiz. 
Klungel,  Klungele,  als  Mask.  1711  bei  Rädlein 
Klüngel,  1719  bei  Kramer  Klungel.  Mhd. 
klungelinn.,  md.klongelm{'Diefenha.ch  gl.  266*), 
Dim.  von  ahd.  dunga  f.  «Knäuel».  Noch 
schweiz.-elsass.-bayr.  Dazu  schwed.  klunga, 
dän.  klynge  «gedi'ängter  Haufe»,  und  weiter 
ags.  ciiw^an  «sich  zusammenziehen»,  engl,  ding 
«sich  klammem».      Weitres   bei  Falk-Torp. 

-Klüngel,  f.  (PI.  -n):  Klunker;  Troddel, 
Quaste.  Am  Mittelrhein,  auch  JEZM«^e?.  Bildlich 


1067 


Klunker 


Knack 


1068 


Klüngel  m.  (-s):  Anhang,  Clique  (oder  dies 
zum  vorigen).  Verwandt  mit  Klunker  (s.  d.), 
Klunker,  f.  (PI.  -n)  auch  m.  (-5,  PI.  wie 
Sg.):  hangendes,  schwebendes  Klümpchen, 
Zottel;   hangende  Quaste,   Troddel.     In  der 

1.  Bed.   1678  bei  Krämer  Kluncker;   in    der 

2.  Bed.  1771  bei  WeLße  kom.  Opern  1,  20,  nd. 
1743  bei  Richey,  als  Mask.  1774  bei  Claudius 
1,  108.  Das  md,  und  nd.  Wort  ist  verwandt 
mit  mhd.  glungeler  m.  «Troddel»  (Renner 
12561),  glunke  f.  «baumelnde  Locke»,  ahd. 
glonko  m.  «rund  geballte  Masse,  Klumpen». 
Dazu  klunkern,  v.:  baumeln,  schlenkern, 
schlendern,  mhd.  und  noch  bei  H.  Sachs 
glunkern,  im  17.  Jh.  bei  Grimm  eishausen  Simpl. 
3, 98, 31  Kz.  klunckern.  klunkerig,  adj.,  1678 
bei  Krämer  klunckerigt  ZUS.  Klunker- 
niilch,  f.:  Buttermilch,  nd.  klunkermelk. 

Klunsch,  m.  {-es,  PI.  -e):  nicht  ausge- 
backnes  Gebäck.  Ostmd.  und  ndd.  Unerklärt. 

Klunse,  f.  (PI.  -n):  Riß,  Ritz,  Spalt. 
Schon  mhd.  (14.  Jh.)  klunse  neben  chlumse, 
klümse,  1432c/tZwnsen(Diefenbach  nov.gl.319^), 
1482  kluntz  im  Voc.  theut.  qS'^,  noch  oberd. 
Klurnse,  Klunis.  Ablautsform  zu  Klinse  (s.  d.). 

Kluppe,  f.  (PI.  -n):  zum  Klemmen  ge- 
spaltnes  Holz,  Zwangholz,  Klemme ;  klemmende 
Zange;  in  zwei  geklemmte  Stock chen  zum 
Verkaufe  (an  den  Hälsen)  aufgereihte  Zahl 
von  4 — 5  gerupften  Vögeln,  dann  bildlich 
Verein  loser  Vögel,  liederlicher  Gesellen  (im 
16.  Jahrh.  bei  Murner  Schelmenzunft,  noch 
bayrisch),  Mhd.  in  1.  und  2.  Bed.  kluppe, 
spätahd.  kluppa  f.  «Zange».  Im  16.  und  17.  Jh. 
auch  Kluppe  m.  «Bündel,  Schlüsselbund», 
ferner  im  16.  Jh.  mit  Übergang  des  kl  in  kn 
Knuppe  f.  «Nasenklemme  der  Pferde»  (bei 
Dasypodias  191^  und  Serranus  t  4*^).  Zu 
klieben  (s.  d.  und  vgl.  '^ Kluft).  Vgl.  auch 
diuor di.klypa,  norw.klype  «kneifen,  klemmen». 
RA.  Jem.  in  die  Kluppen  kriegen  «in  die 
Klemme»  (Goethe  5,  96),  schon  im  16.  Jh. 
in  die  Kluppen  bringen  usw.  (bei  H.  Sachs  usw., 
1618  bei  Schönsleder  er  ist  in  der  Kluppen 
«captus  est»),  dann  umgeändert  in  die  Kloppe 
kriegen  (1690  bei  Chr.  Weise  betrogn.  Be- 
trug 20).  ZUS.  Klupphengst,  m.:  Klopf- 
hengst (s.  d.,  gebildet  im  Gedanken  an  Kluppe, 
weil  dem  Hengste  vor  dem  Entmannen  die 
Hoden    in    eine   Kluppe   gezwängt   werden). 

Klüyer,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  das  vorderste 
dreieckige  Segel  eines  Schiffes,  1793  bei  Rö- 
ding,  ndl.  kluiver.  Entlehnt  schwed.  klyfvare, 
dän.  klyver.    ZUS.  Klüverbaum,  m.:  die 


I  Stange,  womit  das  Bugspriet  (s.  d.)  verlängert 
'  wird,  um  das  Klüversegel  auszusetzen,  1793 
bei  Röding,  ndl.  kluiverhoom. 
j     knabbern,  knappern,  ndd.  auch  knab- 

i  belu,  V.:  mit  Geräusch  nagen.  1741  bei 
i  Frisch,  Diminutiv  zu  knaben  «nagen»  (1604 
I  bei  Colerus  Hausbuch  3,  175),  engl,  knah 
\  «nagen,  knabbeln».  Obersächs.  knabbern,  auch 
I  «belfern,  mürrisch  reden»  (1711  bei  Rädlein 
knebbern).    Ablautend  mit  knuppern. 

Knabe,  n.  [-n,  PI.  -n):  Kind  männlichen 
Geschlechts  bis  zum  Jünglingsalter,  bis  zur 
Mannbarkeit;  (fast  nur  noch  bei  Dichtern) 
junger  Mensch  auch  im  Jünglingsalter,  Jung- 
geselle, dann  Dienstbursche.  Mhd.  knabe  m. 
«Knabe,  Jüngling,  Bursche,  Diener,  Page, 
Knappe,  Handwerksgesell»,  zu  Anfang  des 
12.  Jh.  chnabe,  ahd.  nur  einmal  im  11,  Jh. 
knabo  m.  «kleiner  Knabe»,  md.  auch  knave, 
knafe;  dazu  andfrk.  knapo,  ags.  cnapa,  cnafa 
m.  «Knabe,  Jüngling,  Knappe»,  engl,  knave 
«Schurke,  Bube».  Daneben  Knappe  (s.  d.). 
Die  Lautverhältnisse  sind  schwierig.  Man  stellt 
es  gewöhnlich  zur  Wz.  gen  «erzeugen»  (vgl, 
Kind),  wobei  aber  die  Ableitung  unklar  bleibt. 
Eher  dürfte  es  gehören  zu  norw.  knabb,  knabbe 
«Bergkuppe»,  schwed.-dial.  knabb  «Pflock», 
knabbe  «KnoUen,  Klumpen»,  norw.-dial.  knape 
«Pflock,  kleiner  Riegel»,  schwed.-dial.  knape 
«Knoten,  Pflock»,  dän.  knap  «Knopf,  Knauf», 
älter  auch  «Klumpen,  Testikel»,  ags.  cncepp 
m.  «Spitze,  Berggipfel»,  d.  knöpf  (s.  d.).  Die 
Bedeutungsentwicklung  hat  zahlreiche  Par- 
allelen, vgl,  Stift,  Bengel  und  selbst  knöpf 
hat  die  Bedeutung  «dicker  Mensch»  u,  a. 
Der  bei  Luther  und  noch  im  18.  Jh,  öfter 
erscheinende  Gen.  Sg.  Knabens  (Geliert  Fa- 
beln 1,  118)  ist  wieder  außer  Gebrauch  ge- 
kommen, ABL.  Knäbcben,  n.,  zu  Anfang 
des  16,  Jh,  md,  knebiclien.  Kuäblein,  n., 
mhd.  knebelin  n.  ZUS.  knabenhaft,  adj., 
1691  bei  Stieler.  Knabenkraut,  n.:  einhei- 
mische Orchidee  mit  hodenähnlichen  Wurzel- 
knollen, im  Anfang  des  15.  Jh.  knabenkrüt 
(Diefenbach  gl.  644*),  nach  Bock  Kräuter- 
buch 1546  S.  141  so  benannt,  weil  man  das 
Kraut  zur  Heilung  der  Brüche  gebrauchte, 
vgl.  Voc.  theut.  1482  Bl,  q8''  knab  «hernia», 
Knack,  m,  (-[e]s,  PI.  -e) :  Laut  des  Bruches, 
Bruch,  Riß,  entzwei  geborstne  Stelle,  Im 
17.  und  18.  Jh.  geläufig  geworden,  md.  im 
15,  Jh,  gnackß  m,  (Diefenbach  gl,  245^);  dazu 
nndl.  knak  m.,  engl,  knack,  Island,  knakkr  m. 
.  Verstärkt  Knacks,   m.,    1775  bei  Adelung, 


1069 


Knagge 


Knappsack 


1070 


auch  schon  Schaden  an  der  Gesundheit.  Vgl. 
Knick,  knack!  interj.,  lauten  Bruch  nach- 
ahmend (bei  Lessing  2,  554),  im  Ablaut  knick 
knack!  (der  Verfasser  der  Floiade  von  1593 
nennt  sich  KnickkncLckius ,  Goedeke  Grund- 
riß -  2, 511).  Verstärkt  knacks!  1788  bei  Lang- 
bein Ged.  64.  knacken,  v.:  brechen  mit 
Geräusch,  intr.  md.  im  15.  Jh.  gnacken  (Fast- 
nachtsp.931, 30,  oberd.  im  15.  Jh.  knacken  (Anz. 
d.  German.  Mus.  1859  S.  416),  mnd.  knaken; 
trans.  erst  1716  bei  Ludwig,  ndl.  schon  1598 
bei  Kilian  knacken.  ZUS.  Knackmandel, 
f.:  Krachmandel,  1775  bei  Adelung.  Knack- 
imrst,  f.:  aus  Schweinefleisch  und  -fett  be- 
reitete Wurst,  deren  dünner  Darm  leicht 
knackt,  eig.  in  Xorddeutschland  heimisch, 
aber  schon  im  16.  Jh.  in  Süddeutschland  be- 
kannt (bei  H.  Sachs  Fabeln  142,  56). 

Knagge,  f.  (PI.  -n)  -.  knie-,  winkelförmiger 
Trager;  Knorren  im  Holz;  hölzerner  Fenster- 
wirbel. Im  Bau-  und  Maschinenwesen.  Aus 
Norddeutschland  vorgedi-ungen.  Xd.  hiagge 
f.  m.  «Knorren  im  Holz,  Leiste,  um  ein  Brett 
darauf  zu  befestigen,  Pflock  zum  Aufhängen», 
oberd.  knocke  m.  «Knöchel  am  Gelenk  (bei 
H.  Sachs),  Knorren»  (davon  das  Adj.  knocket 
«knorrig»  bei  H.  Sachs).  Dazu  mengl.  knagge 
«Pflock,  Knori'en  am  Baum»,  engl,  knag, 
schwed.  knagg  «Knoten,  Knorren,  Ast»,  dän. 
knag(e)  «Nagel  zum  Aufhängen  von  Sachen» 
und  auch  wohl  anord.  knakkr  m.  «Fuß  (unter 
Stühlen),  Schemel».  Wohl  gleichen  Stammes 
wie   die   unter   Knabe   behandelten   Wörter. 

Knall,  m.  {-[e\s,  PI.  -e):  plötzlicher  starker 
Schall.  1540  bei  Alberus  dict.  b  4^,  1541 
bei  Frisius  (crepitus),  bei  Liliencron  4,  56,  12 
vom  J.  1532.  Zu  dem  noch  im  15.  und  16. 
Jh.  üblichen  starkflektierten  Zeitwort  knellen 
«knallen,  krachen»  (Präs.  knillet,  Prät.  knal), 
mhd.  in  er-  und  zerknellen.  Dazu  ags.  cnyll 
m.  «Ton  einer  Glocke»,  cnyllan  «mit  der 
Glocke  läuten»,  entlehnt  ndl.  knal,  schwed. 
knall,  dän.  knald  «Knall».  Weitres  bei  Falk- 
Torp.  RA.  Knall  und  Fall,  eig.  «gleich- 
zeitig Schuß  und  Niederfallen  des  Getroöhen» 
(1663  bei  Schuppius  21  da  Knall  und  Fall 
ein  Ding  ist),  plötzlich  (Lessing  2,  290). 
ABL.  knallen,  v.,  mit  schwacher  Flexion, 
bei  Liliencron  3,  233,  18  vom  J.  1519.  ZUS. 
Knalleffekt,  m.,  vom  Feuerwerk  entlehnt, 
dann  auf  die  Malerei  usw.  übertragen,  Beleg 
von  1824  ZfdW.  8,  379.  Knallerbse,  f.:j 
mit  Knallsilber  gefüllte  kleine  Papierhülse, 
die  auf  die  Erde  geworfen  knallt,  und  knall- 


rot, adj.:  grellrot,  sind  Wortbildungen  des 
19.  Jh. 

Knan,  Knän,  m.  (-s):  Vater,  1669  bei 
Grimmeishausen  Simplicissimus  7  f.  Knän,  aus 
der  Volkssprache  des  westlichen  Mitteldeutsch- 
lands. Die  richtige  Form  ist  gnenn,  wie  noch 
in  Oberhessen,  im  14.  und  15.  Jh.  in  Franken 
und  Westthüringen  gnenne,  gnanne  als  An- 
rede an  den  Vater,  1312  schwäb.  bei  Mone 
Zeitschr.  9,  322  genanne  «Großvater»,  mhd. 
genanne,  gnanne  und  gename  m.  «Gleich- 
namiger», ahd.  chinamno,  kenammo  und  gnanno 
m.  «einer  desselben  Namens». 

knapp,  adj.:  eng,  mit  Not  zureichend; 
genau  und  sorgfältig;  nett  und  zierlich;  (als 
Adv.)  kaum  (1663  bei  Schottel).  Im  16.  Jh. 
(bei  Fischart  1575  im  Garg.  177  knap,  1581 
im  Bienenkorb  114  knapp)  aufgenonamen  aus 
nd.  knapp,  ndl.  knap  «nett,  hurtig»;  dazu 
dän.  knap,  schwed.-norw.  knapp  «eng,  knapp, 
sparsam,  kurz,  schnell,  nett»,  Adv.  norw. 
knapt  «kaum».  Eine  Nebenform  in  anord. 
hneppr  ^eng,  knapp»,  aschwed.  näpper,  nappe^', 
dän.  neppe,  zu  anord.  hneppa  «klemmen».  Dazu 
ht.  knebenii  «klaube».  ABL.  Knappheit,  f., 
1691  bei  Stieler,  nd.  im  16.  Jh.  knapheit. 

Knappe,  m.  {-n,  PI.  -7i):  im  Dienste  eines 
Ritters  stehender  junger  Mann  nahe  der  Ritter- 
würde; Lehrling  und  Gehilfe  bei  Müllern,  im 
Bergbaue.  Mhd.  knappe,  auch  knape,  knap  m. 
«Knabe,  Jünghng,  Junggeselle»,  dann  «dem 
Ritterstande  sich  widmender  Diener  eines 
Ritters,  Junker,  Diener  zu  Leibdienst  und 
Schutz,  Kriegsknecht,  Handwerksgesell,  Berg- 
knappe», spätahd.  knappo  m.  «Knabe,  Jüng- 
hng»;  dazu  afries.  knappa  neben  knapa  m. 
«Knabe,  Junggesell,  Knecht»,  mnd.  knape. 
Nebenform  von  Knabe  (s.  d.).  ABL.  Knapp- 
schaft, f.:  Zunft  der  Bergknappen,  Gesamt- 
heit der  auf  einem  Bergwerk  beschäftigten 
Bergarbeiter,  schon  in  der  ersten  Hälfte  des 
16.  Jh.,  aber  mhd.  knappeschaft  f.  «Ai't  und 
Weise  eines  Knappen». 

knappen,  v.:  kurz  zufahrend  beißen, 
schnappen  (bei  Goethe  39, 122,  schon  1573  bei 
Fischart  Flöhhaz  V.  1611,  aus  ndl.  knappen 
«knacken,  essen,  hurtig  zugreifen);  heimüch 
Wild  schießen  (in  der  Wetterau  Nassau,  nd. 
af knappen).  Dazu  norw.  knabbe  «mausen, 
wegraflen»,  dial.  auch  «schnell  und  gierig 
fressen»  und  auch  wohl  knabbern. 

Knappsack,  m.  {-s,  PI.  -sacke):  Reise- 
sack zu  Speisen,  Zehrsack.  Im  16.  Jh.  nd. 
und  ndl.  knapsack  m.  «Zehrsack,  Quersack», 


1071 


knarpeln 


knautschen 


1072 


zu  ndl.  knappen  «knacken,  essen,  hurtig  zu- 
greifen». In  dieser  Bed,  erst  im  17.  Jh.  ins 
Hochd.  aufgenommen  (1669  im  SimpHcissi- 
mus  138),  aber  in  der  Bed.  «Warensack  beim 
Wandern»,  schon  im  16.  Jh.  (1548  bei  Waldis 
Esop  4,  51,  4  Knäbsack,  1562  bei  Mathesius 
Sare^pta  224^  knapsack),  insb.  «der  mit  seinem 
Warensacke  wandernde  Krämer»  (1517  bei 
Trochus  F6^  und  öfter  im  16.  Jh.  Knap- 
sack  m.).    Vgl.  Schnappsack. 

knarpeln,  v.:  nagend  mit  wiederholtem 
Krachen  beißen.  Im  16.  und  17.  Jh.  knarpeln, 
knarheln,  aber  md.  im  14.  Jh.  knarpeln  «mit 
den  Zähnen  knirschen».  Einer  Wurzel  mit 
knarren  (s.  d.). 

Knarre,  f.  (PI.  -n):  knarrender  Ton; 
knarrendes  Werkzeug  (1775  bei  Adelung); 
Gewehr  (bei  den  Soldaten);  zänkische  Frau 
(1691  bei  Stieler).  In  der  1.  Bed.  1690  bei 
Wiedemann  Gefangenschaften  Mai  65  Räder- 
knarr f.,  1460  nd.  gnarre  f.  «Knurren  des 
Hundes»  (Freidank,  2.  Ausg.  S.  254,  138,  14). 
Von  knarren,  v.:  dm-chdringend  hart  und 
zitternd  lauten,  mhd.  knarren,  md.  im  14.  Jh. 
gnarren;  eine  Weiterbildung  istknarzen,  v.: 
knarren,  schon  in  den  Fastnachtsp.  des  15.  Jh. 
60,  28,  noch  fränk. -bayrisch.  Lautnachahmend. 

^Knaster,  auch  Kanaster,  m.  (-s,  PI. 
wie  Sg.) :  feinster  gewürzhaftester  Tabak.  1700 
im  Schlesischen  Helicon  2, 135  Canaster,  1703 
Knaster,  gekürzt  aus  Canaster tohac,  Knaster- 
tobak (noch  1741  bei  Frisch),  wie  ndl.  knaster, 
kanaster  m.  «Knastertabak»,  auch  «eine  Art 
indischer  Kiste  zum  Überführen  von  Tabak, 
Tee  usw.».  Aus  span.  canastro,  ital.  canestro 
(entlehnt  franz.  canastre)  m.  «Rohrkorb»,  von 
gr.  KoivacTpov  n.  «aus  Rohr  geflochtner  Korb». 
Der  Tabak  von  Varinas,  als  der  beste,  feinste 
und  gewüi-zhafteste  geschätzt,  wurde  geroUt 
in  Rohrkörben  verpackt  und  versandt. 

^Knaster,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  brum- 
miger, mürrisch  er  "Tadler,  bei  Bürger  Ged.286, 
dafür  bei  Stieler  1691  Knasterer,  m.  Von 
nd.  knast  m.  «Knorren,  Knorz;  gi'ober  Kerl»; 
dazu  schwed.-dän.  knast  «Knoten,  Knorren», 
dän.  auch  «harter  alter  Mann»,  norw.-dial.  knas 
«tüchtiger  oder  mächtiger  Mann«,  schwed.  knös 
«mächtiger  Mann«.  ABL.  knastern,  v.: 
rasseln,  auch  zornig  knurren,  zanken,  schon  im 
16.  Jh.  ZUS.  Knasterbart,  m.,  wie  Knaster, 
1691   bei  Stiel  er.     Ursprünglich   burschikos. 

knatschen,  knätschen,  v. :  eine  weiche 
Masse  zerdrücken.  Md.  und  obd.  Lautnach- 
ahmend, ablautend  mit  knutschen  (s.  d.). 


knattern,  v.:  wiederholt  platzend  rau- 
schen. 1691  bei  Stieler.  Ygl.knittern.  Laut- 
nachahmend. 

Knäuel,  m.  n.  (-s,  PL  wie  Sg.):  kugel- 
artig gebildete  Masse,  z.  B.  von  Zwirn,  Brot 
usw.  (1663  bei  Schöttel  JEweM?  m.),  aber  früher 
Neutrum,  um  1480  im  Voc.  ine.  teut.  n3'' 
knoil,  kneil  und  Dim.  kneulelein,  mhd.  im 
14.  Jh.  knüel  (Buch  v.  guter  Speise  8,  21), 
im  15.  Jh.  in  Teufels  Netz  10544  und  bei 
Diefenbach  gl.  266*^  knüli,  femer  im  15.  Jh. 
knuilin,  knuhlin  bei  Diefenbach  a.  a.  0.,  da- 
neben md.  1446  knaivel,  tirol.  1411  bei  Vintler 
7864  knaul,  wie  noch  heute  in  Mitteldeutsch- 
land. Durch  Dissimilation  (vgl.  Knoblauch) 
hervorgegangen  aus  Kleuel,  Kleul  n.,  wie 
noch  obd.,  1581  bei  Fischart  Bienenkorb  36^ 
Kleiwel  n.,  bei  Luther  Klauwel  (Tischr.  136*) 
und  Klewel  n.  (1,  485  ^  Eisl.),  1482  im  Voc. 
theut.  q  7**  klewl,  im  12.  Jh.  chliwel,  im  11.  Jh. 
cliuweli  n.  neben  chliwelin,  Diminutiv  von 
mhd.  kliuwe  n.,  ahd.  chliuwi  n.  und  chlimva, 
cliuwa  f.  «Kugel,  Knäuel»,  inengl.  clewe,  engl. 
clew,  woneben  die  Weiterbildung  md.  klüwen 
n.,  mnd.  kluwen  n.,  ags.  cliwen,  cleowen  n. 
«Knäuel».  Wahrscheinlich  urverwandt  mit  lat. 
gluere  «  zusammenziehen  »,  aind.  gläus  «Ballen  ». 

Knauf,  m.  (-5,  V\. Knäufe):  Knopf,  Knoten. 
Mhd.  knouf  m.  «Knopf  am  Schwertgriff,  auf 
dem   Turm».    Verwandt   mit  Knopf  (s,  d.). 

knaupeln,  v. :  mit  spitzen  Fingern  woran 
herumarbeiten  (1768  bei  Kram  er);  wiederholt 
und  in  kleinen  Bissen  nagen  (1696  im  Schel- 
muffsky  10  abknaupeln).  Bei  Chr.  Weise 
Catherina  221  knäubeln,  wie  noch  schlesisch. 
Wohl  zu  klauben  mit  kl  aus  kn  wie  in  Knäuel. 

Knauser,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  kleinhch 
geiziger  Mensch.  Zuerst  1660  schlesisch  bei 
A.  Gryphius  Dornrose  S.  93,  15.  Unsicher, 
ob  abgeleitet  von  dem  mhd.  Adj.  knü§  «keck, 
vermessen,  hochfahrend»  (gegen  den  armen 
ist  er  knüg  ZfdA.  8,  557, 243),  im  16.  Jh.  knaus 
«hochfahrend»  bei  Keller  Erzähl.  18,  29,  wozu 
die  ahd.  Eigennamen  Chnü^  (Knaus),  Hart- 
chnü§  (Hartknaus)  und  Chnügari  (Knauser), 
oder  ob  es  eine  Weiterbildung  von  knauen 
«nagen»  (nd.,  aber  auch  md.  1691  bei  Stieler), 
wie  mrhein.  Knauseler  m.  «genauer  Handels- 
mann», Schweiz,  knauseln  «behaglich  in  kleinen 
Bissen  essen».  ABL.  Knauserei,  f.,  1775 
bei  Adelung,  knauserig,  adj.  knausern, 
V.,  beide  1767  im  Brem.  Wb.,  knaustem  1734 
bei  Weber  teutsch-lat.  Wb.  350 ^ 

knautschen,  s.  knutschen. 


1073 


Knebel 


kneipen 


1074 


Knebel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  kurzes  dickes 
Querholz,  insbesondre  zum  Sperren  des  Mun- 
des (1512  bei  Murner  Narrenbeschw.  24,  54) 
oder  in  Verbindung  mit  einem  gescblungnen 
Strick  als  Fessel  des  Halses,  der  Hände  usw. 
(Weisth.  4,  749  vom  J.  1400);  kurzer  dicker 
Holzschoß,  Gerte  (1537  bei  Dasypodius),  ßeb- 
schoß  (1561  bei  Maaler,  noch  Schweiz.);  Knö- 
chel, Knorren  an  den  Fingergelenken  (so 
Zelter  an  Goethe  1,  311,  im  15.  Jh.  knebel  bei 
Diefenbach  gl.  140^);  im  15.  und  16.  Jh.  auch 
«grober,  plumper  Mensch»,  vgl.  Knöhel.  In 
1.  Bed.  mhd.  knebel,  ahd.  chenehü,  im  11.  Jh. 
knehil  «fesselndes  Querholz,  Art  Pferdekum- 
met»; dazu  nd.-ndl.  knevel  m.  «Ejiebelholz», 
anord.  knefill  m.  «Stock,  Pfahl»,  (entlehnt) 
dän.  knebel,  knevel,  echt  einheimisch  schwed.- 
dial.  knavel  «dünner  Pfahl,  Stange,  Sensen- 
griff»; ferner  hess.  Knabe  m.  «Stift,  Bolzen» 
(Pfister  186).  Vielleicht  urverwandt  mit  gr. 
TÖ|Liq)oc  m.  «Pflock,  Bolzen»,  lit.gembei.  «Haken, 
Nagel»,  die  genauer  zu  ahd.  kembil  m.  «Art 
Fessel,  Block»,  anord.  kimbull  m.  «Bündel» 
stimmen.  ABL.  knebeln,  V. :  mit  dem  Knebel 
schnüi-en,  fesseln,  1617  in  der  Limbui-ger 
Chron.  56  Rössel,  knobeln  bei  Geliert  1,  159. 
Knebelbart,  m.:  gedrehter  Querbart  der 
Oberlippe,  Schnurrbart,  1530  knebelpart  (Die- 
fenbach gl.  363<=),  1534  knebelbart  bei  Franck 
Weltb.  80*»,  1595  bei  Rollenhagen  Froschm. 
3,  1,  11,  31  Knebel  m.  «der  doppelte  Flügel 
des  Schnurrbarts»;  man  verbindet  dieses  mit 
afries.  kenep,  kanep,  knep,  ags.  cenep  m.,  anord. 
kanpr,  kampr  m.  «Schnuirbart»,  doch  ist  dies 
unsicher.  Knebelspieß,  m.:  Spieß  mit  einem 
Querholz,  später  mit  einem  Quereisen  unter 
der  Spitze  zum  Saufange,  1561  bei  Maaler, 
aber  sicher  älter,  da  1540  Alberus  dict.  x  4^ 
den  mit  einem  Riemen  umwickelten  Knebel 
am  Spieß  beschreibt. 

Knecht,  m.  (-es,  PI.  -e):  in  Lohndienst 
Stehender,  besonders  zu  niedriger  Arbeit. 
Mhd.  kneht,  ahd.  kneht,  cheneht  m.  «Knabe, 
Jüngling,  Diener,  Edelknabe,  Kriegsknecht, 
sich  zum  Ritter  bildender  Adeliger,  Kriegs- 
mann, streitbarer  Held»;  dazu  afries.  kniucht, 
knecM  m.  «Dienender»,  ags.  cniht,  cnyht,  cneoht 
m.  «Knabe,  Jüngling,  Diener»,  engl,  knight 
«Ritter»,  entlehnt  dän.  knegt  «Dienstknecht», 
schwed.  knekt  m.  «Soldat»,  im  Kartenspiel 
«Bube».  Ableitung  von  der  Wz.  gen  «er- 
zeugen» (s.  Kind)  ist  kaum  wahrscheinlich,  da 
das  Suffix  nicht  erklärt  werden  kann.  ABL. 
knechten,  v.:  zum  Knechte  machen,  zuerst 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Anfl. 


1833  bei  Heyse  1,  889,  wie  es  scheint  aus 
den  Aufständen  vom  Herbst  1830  herrührend, 
dagegen  in  der  Bed.  «Knecht  sein,  knechtisch 
denken  und  handeln»  zuerst  1808  bei  Campe 
als  von  ihm  gebildet,  jedoch  in  dieser  Bed. 
schon  1691  bei  Stieler  in  über-,  ver-,  ent- 
knechten  mit  Bezeichnung  des  einfachen  knech- 
ten als  ungebraucht,  knechtisch,  adj.,  um 
1500  bei  S.  Brant  160^  Zarncke.  Knecht- 
schaft, f.,  bei  Luther  (Gal.  4,  24). 

Kneif,  m.  (-s,  PI.  -e) :  kurzes,  gekrümmtes 
Messer.  Um  1640  bei  Finckelthaus  Deutsche 
Gesänge  D6^  Kieiffm.  «Stechmesser  mit  ge- 
krümmter Spitze»,  1530  Gneiff  m.  «Messer 
des  Sauschneiders»  (Ein  antwort  Katherinen 
Homung  auf  D.  M.  Luthers  notbrief  A2^), 
md.  1517  bei  Trochus  R2^  knifft  m.;  aufge- 
nommen aus  mnd.  knlf  va..,  im  14.  Jh.  ndrhein. 
knyf;  dazu  mndl.  cnijf  m.  «langes  spitzes 
Messer»,  ags.  cnlfm.,  engl,  knife,  anord.  km  fr 
m.,  schwed.-dän.  kniv  «Messer»,  woher  franz. 
canifm.  «Federmesser».  Daneben  in  Mittel- 
und  Oberdeutschland  Kneip,  m.  (-es,  PI.  -e), 
1691  bei  Stieler  Kneip  neben  Kneif,  1540  bei 
Alberus  dict.  aa  4^  kneip  m.  «Taschenmesser», 
1482  im  Voc.  theut.  15^  gneyp  «Schuster- 
kneip», um  1480  im  Voc.  incip.  teut.  h4^  gn^p, 
1419  kmp  m.  «Messer»  (Malagis268*),  aber  auch 
mnd.  km})  m.  «Rebmesser,  Schustermesser»; 
dazu  mhd.  (md.)  gnippe,  knipe  f.  «Stech- 
messer, Dolch»,  Schweiz,  gnippe  f.  «Schuster- 
kneif», wie  Kneipe  f.  «Schustermesser»  bei 
Goethe  16,  123  und  schon  im  17.  Jahrh.  bei 
Comenius  orbis  pictus  1,  129. 

kneifen,  v.  (Prät.  kniff,  Part,  gekniffen): 
zwischen  zusammengehende  Spitzen,  Schärfen 
usw.  diücken,  zwicken ;  (stud.)  sich  einer  Sache 
entziehen.  Im  16.  Jh.  (1581  bei  Ringwaldt 
Evangelia  Kk  7**)  auftauchende  Nebenform 
von  kneipen  (s.  d.). 

Kneip,  s.  Kiäf 

Kneipe,  f.  (PI.  -«):  Klemme,  Zange  (1734 
bei  Steinbach);  gemeine  Schenke  (1775  bei 
Adelung,  Kneipschenke  bei  Lessing  8, 203  vom 
J.  1769);  daher  studentisch  Bierschenke  (1781 
bei  Kindleben),  seit  Ende  des  18.  Jh.  auch 
studentische  Wohnung,  Bude.  Aufgenommen 
aus  nd.  knipe  f.  «Klemme,  Kloben  zum  Vogel- 
fang», dann  bildlich  (1755  bei  Richey).  Vgl. 
ZfdW.  3,  114;  362. 

^kneipen,  v.:  zwicken,  kneifen  (s.  d.), 
mit  starker  Flexion  Prät.  knipp,  Part,  ge- 
knippen,  daneben  mit  schwacher,  zuerst  1734 
bei  Steinbach,   namentlich  bei  obd.  Schrift- 

68 


1075 


kneipen 


Knie 


1076 


stellern  (bei  Goethe  immer),  Prät.  kneipte, 
Part,  gekneipt.  Aus  dem  Niederdeutschen 
(mnd.  kmpen,  Prät.  knep,  Part,  knepen)  ins 
Mitteldeutsche  (1420  kneypen  bei  Schröer 
Vocab.  Nr.  2753  und  daraus  im  16.  Jh.  ins 
Hochdeutsche  vorgedrungen,  bei  Luther  ab- 
kneipen  (3.  Mos.  1, 15;  5,  8);  dazu  1477  clevisch 
knyppen  und  nippen,  mengl,  nipen,  engl,  nip 
«kneipen».  Urverwandt  mit  gleichbed.  lit. 
gnibti,  znthti,  aber  auch  knebti  «kneifen»  und 
knibti  «klauben»,  ZUS.  Kneipzange,  f.: 
Zange  mit  scharfen  Backen,  1664  bei  Duez. 

"^kneipen,  v.:  zum  Zechen  eine  Kneipe 
(s.  d.)  besuchen,  mit  schwacher  Flexion  (Pi'ät. 
kneipte,  Part,  gekneipt,  im  Scherz  starkflektiert 
knipp,  geknippen).    1795  studentisch. 

knellen,  s.  Knall. 

Kueller,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  schlechter 
Rauchtabak.  1798  bei  Nemnich  3,  308.  Von 
älternhd.  knellen  (s.  Knall),  knallen,  auf  das 
platzende  Öß'nen  des  Mundes  zum  Auslassen 
des  Rauches  beim  Pfeiferauchen  deutend. 

Knepner,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Storch, 
1673  bei  Weise  Erznarren  220,  in  der  Mittel- 
mark Knäppner,  ukermärk.  Knapper.  Wohl 
Ableitung  von  knabbern^  knappen  (s.  d.).  Vgl. 
dän.  knebre,  besonders  von  dem  vom  Storche 
mit    dem   Schnabel   hervorgebrachten   Laut. 

Knes,  m.  (-en,  PI.  -e) :  Hochadliger,  Fürst. 
Li  neurer  Zeit  aus  rass.  knjazi  m.,  das  dem 
altdeutschen  kuning  «König»  entstammt. 

kneten,  v.:  mittels  der  Hände  oder  der 
Füße  durch-  und  bearbeiten.  Im  altern  Nhd. 
in  schwache  Biegung  übergegangen,  Prät, 
knetete  (bei  Luther  knettet),  Part,  geknetet. 
Aber  mhd.  kneten,  Prät.  knat,  PL  knäten, 
Part,  gekneten,  ahd.  knetan;  dazu  and.  knedan, 
ndl,  kneden,  ags,  cnedan,  engl,  knead,  anord. 
knoda,  schwed.  knäda.  Urverwandt  mit  abg. 
gnesti  (Pr.  gnetq)  «zusammendrücken,  kneten». 

^  Knick,  m.  (-es,  PI,  -e):  lebendiger  Zaun, 
der  jedes  dritte  oder  vierte  Jahr  gekappt 
und  geknickt  wird.  In  Norddeutschland,  mnd, 
knick  m,,  als  Landwehr  der  Nervier  bereits 
von   Cäsar   de  belle   gaU,  2,  17  beschrieben, 

^Knick,  m,  (-[e]s,  PI,  -e):  lauter  feiner 
Bruch,  überhaupt  halber  Bruch,  Bruch  ohne 
völlige  Ablösung,  1691  bei  Stieler,  mnd. 
knick,  ndl,  knik,  engl,  knick;  in  der  Bed, 
von  Knicks  (s,  d,)  schon  1663  bei  Schottel. 
knick!  interj,,  1775  bei  Adelung  (s,  knack). 

knicken,  v, :  intr,  in  feinem  Laute  brechen 
(1734  bei  Steinbach);  halb,  d.  h,  ohne  Ablö- 
sung brechen  (1719  bei  Kramer,  mnd.  knicken); 


in  den  Knien  wanken  oder  brechen  (in  der 
ersten  Hälfte  des  15,  Jh,  bei  Muskatblut  75,  8 
knycken);  in  aufrechter  Haltung  höflich  die 
Knie  einbiegen  (1586  bei  Ringwaldt  War- 
heit  369,  s,  Knicks);  geizen,  knausern  (1691 
bei  Stieler,  1685  bei  Grimmelsh.  Simpl.  1,  521 
Klr.  abgnicken  «abzwacken»);  trans.  knickend 
brech  en,zerdrücken  (Ungeziefer  mit  den  Finger- 
nägeln) 1577  bei  Fischart  Flöhhaz  C  5^,  da- 
gegen knicken  (Hasen,  Vögel)  «durch  Ein- 
drücken des  Genickes  töten»,  bei  H.  Sachs 
5,  157  und  1678  bei  Krämer,  gehört  urspr. 
zu  Genick) ;  einen  Knick,  Zaun  machen  (mnd. 
knicken).  Zu  knicken  stehen  knacken  (s.  d.) 
und  nd.  knucken  (dumpf  knacken)  im  Ablaut. 
ZUS.  Knickebein,  n.  und  m.  (-s,  PI.  -e, 
norddeutsch):  Mensch,  dessen  Knie  beim  Gehen 
knicken  (1777  bei  Bode  Tristram  Schandi  4,  27 
Knickbein,  nd.  knikkebeen  1767  im  Brem.  Wb.) ; 
Getränk  aus  Likör  mit  Eigelb,  wie  es  scheint 
von  Mecklenburg  ausgegangen. 

^Knicker,  m.(-s,  PI, wie  Sg,):  ein  Knicken- 
der (1575  bei  Fischart  Garg.  104  Laußknicker) ; 
Geizhals,  Knauser  (1663  bei  Schottel);  billiges 
zusammenklappbares  Taschenmesser;  kleiner 
Sonnenschirm  mit  einzuknickendem  Stiel. 
ABL.  Knickerei,  f,:  Knauserei,  1691  bei 
Stieler,  knick(e)rig,  adj,:  geizig,  1775  bei 
Adelung,  dafür  1781  bei  Kindleben  knicke- 
richt,  1691  bei  Stieler  knickicht,  1741  bei 
Frisch  knickig.  knickern,  v,:  knausern,  bei 
Lessing  Nathan  5,  1,  nd,  knikkern  1767  im 
Brem.  Wb.,  früher  knicken  (s.  d.). 

^Knicker,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  SchneU- 
kügelchen.  Schusser.  1664  bei  Duez,  aufge- 
nommen ans  gleichbed.  nd.-ndl.  knikker  m., 
benannt  vom  knickenden  Tone  beim  An- 
schlagen, wie  Klicker  (s.  d.)  von  klicken  oder 
aus  diesem  entstanden.  ABL.  knickern,  v. : 
mit  Schussei-n  spielen,1664  bei  Duez. 

Knicks,  m,  (Gen,  Knickses,  PI,  Knickse): 
Riß,  Bruch  (1734  bei  Steinbach);  bei  auf- 
rechter Körperhaltimg  Einbiegung  der  Knie 
zum  Gruße  (1691  bei  Stieler  Knicks,  1776  bei 
Hölty  Knix,  das  Dim,  Knixchen  bei  Goethe 
50,  253,  Mit  ableitendem  -s  von  -Knick  (s,  d,). 

Knie,  n,  (Gen,  Knies,  PI.  Knie):  Gelenk 
inmitten  des  Beines,  dem  ähnliches,  Mhd. 
knie  (Gen.  kniewes,  knies,  PI.  kniewe,  knie) 
mit  den  Nebenformen  kniu,  knü,  ahd.  cniu, 
cneo  n.  (Gen.  cniwes,  cneives);  dazu  asächs. 
cnio,  cneo,  afries.  kniu,  kni,  kne,  ags.  cneo, 
cneoio,  engl,  knee,  anord,  kne  u,,  schwed.- 
dän,  knä,  got,  kniu  n,  (Gen.  kniwis)  «Knie». 


1077 


knietschen 


knistern 


1078 


Urverwandt  mit  gleichbed.  lat.  genu  n.,  gr. ' 
YÖvu  n.  «Knie»,  fvüt  adv.  «mit  gebognem 
Knie»,  "ftJDvia  f.  «Winkel»,  amä.jänun.  «Knie», 
jniibädh  «kniend»,  arm.  cunr  «Knie».  ABL. 
knien,  v.,  mhd.  kniewen,  knien,  ahd.  chniuwen,  < 
mnd.  kneen,  knien;  daneben  mit  ableitendem 
l  ndrbein.  im  14,  Jh.  knielen  «knien»,  mnd. 
knelen,  kntlen,  ndl.  knielen,  engl,  kneel,  Schweiz. 
chnüwlen,  chnülen.  ZUS.  Knieband,  n.: 
Hosenband  an  Kniehosen  (1664  bei  Duez) ; 
Strumpfband  (1715  bei  Amaranthes),  Knie- 
geige, f.:  große  Geige,  die  man  zwischen 
den  Knien  hält,  ital.  viola  di  ganiba,  im  17.  Jh. 
bei  Zesen.  Kniekehle,  f.,  mhd.  kniekel  f, ' 
Knieriemen,  auch  Knier iem,  m.:  Riemen, 
womit  der  arbeitende  Schuster  den  Schuh 
auf  dem  Knie  befestigt  (1691  bei  Stieler  Knie- 
rieme),  dann  als  Züchtigungsmittel  Ochsen- 
ziemer (1756  im  Leipziger  Avautm-ier  1, 117). 
Kniescheibe,  f.,  mhd.  knieschibe  f.  Knie- 
stück,  n.:  Gemälde,  worauf  eine  Person  bis 
zum  Knie  dargestellt  ist,   1775  bei  Adelung. 

kni(e)tschen,  v.,  s.  knutschen. 

Kni£f,  m.  (-es,  PI.  -e):  heimlicher  ver- 
letzender Kunstgriff.  In  der  ersten  Hälfte 
des  18.  -Jh.  (bei  Lessing  1,  32)  von  kneifen  ge- 
bildet, nach  nd.  knep  m.  «Zwick»,  dann  «listiger 
Kunstgriff  oder  Anschlag»,  urspr.  vom  be- 
trügerischen Kneifen  oder  Kneipen  der  Würfel 
und  Spielkarten  (vgl.  Schiller  Fiasko  5,  16, 
betrügerisch  die  Würfel  kneipen  1664-  bei  Duez 
1,  756  a  und  1586  bei  Ringwaldt  Warheit  81). ; 

Knipp,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  der  Schneller' 
mittels  des  von  der  Daumenspitze  auswärts 
gleitenden  Mittelfingers,  tupfender  Schlag.  Im  | 
16.  Jh.  (1567  bei  Milichius  Schrapteufel  X  2*>, 
Knipp  f.  bei  Fischart  Garg.  98)  aufgenommen 
aus   nd.-ndl.  knip  m.    «Schneller,    Schnalzer,  i 
Nasenstüber»,  mnd.  knippe(n)  «Schnellen  mit , 
dem  Finger»;   dazu  das  Dim.  Knippchen, 
n.:  Schnippchen,  1517  bei  Trochus  D  3^,  mnd. 
knipkenn.  knipp!  interj.  schnipp!  von  kleinem 
knackenden  Tone  (z.  B.  der  Knippschere  1601 
bei  Eyering  1,  754).     knippen,  v.:   laut  mit 
den  Fingern  schnellen,  1775  bei  Adelung,  nd. ' 
knippen  «Schnellkügelchen  schnellen,  mit  der 
Schere  oder  Zange  zwicken.  Wohl  zu  kneifen, 
kneipen.     ZUS.  Knippkngel,   f.:    Schnell- 
kügelchen, Schusser,  1789  bei  Klamer  Schmidt 
Erzähl.  136,  dafür  Knippküulchen  n.  1741  bei 
Frisch.     Knippschere,   f.:    kleine    Schere, 
md.  knipschere  1501  im  Leipziger  Voc.  opt., 
ndrbein.  kiiijjscheer  1495  in  der  Kölner  Gemma 
J  5  ^,  mnd.  knipschere  f. 


Knips,  m.  (Gen.  Knipses,  PI.  Knipse): 
Schnippchen  (1691  bei  Stieler);  leichter  Schlag 
(1775  bei  Adelung);  Branntwein,  Schnaps 
(schlesisch  im  Anfang  des  18,  Jh,  bei  Günther, 
Steinbaoh) ;  Folterknecht,  Henker  (bei  Bürger 
183);  Zwerg,  Knirps  (1691  bei  Stieler).  Neben- 
form von  Knipp  (s.  d.).  knipsen,  V.:  mit  einer 
Schere  oder  Zange  zwicken,  1691  bei  Stieler. 

Knirps,  m.  (Gen.  Knirpses,  PI.  Knirpse): 
kleiner  unausgewachsner  Mensch.  Md.,  1716 
bei  Ludwig  Knirhs,  1729  bei  Picander  2,  204 
Knirps,  bei  Tieck  Knurps,  bei  Salzmann 
Conr.  Kiefer  2  Knürps,  obersächs.  knorps 
(auch  kleiner  verkrüppelter  Apfel),  schwäb. 
knorp,  hess.  knirhes,  ndrhein,  knirwes;  dazu 
nd,  Knirfiks  (1778  bei  Hermes  Soph.  3,  122 
Knirrfix),  auch  Knörfix.     Herkunft  unklar, 

knirren,  v.:  einen  Laut  wie  den  eines 
harten  Eeibens  hören  lassen.  Md.  1540  bei 
Alberus  dict.  cc3^  knirn,  1557  bei  Waldis 
Esop  3,  95,  7  knirren;  dazu  nd.  gnirren,  ags. 
gnyran,  schwed.Ä;?«VÄ;a,dän.Ä;«irÄ;e.  Lautmalend 
wie  die  mhd.  Interjektion  knir  (beim  Zerbeißen 
eines  Würfels).    Vgl.  knarren  und  knirschen. 

knirschen,  v.:  bei  hartem  Reiben  rauschen. 
Vom  Aufeinanden'eiben  der  Zähne  1605  bei 
Hulsius  dict.  84 '^  knirschen,  1517  bei  Trochus 
Q  3^  knirsen,  1508  in  der  Straßburger  Gemma 
A4*  wie  1510  in  der  Hagenauer  knorsen,  aber 
bereits  im  14.  Jh.  knyrschung  mit  den  czenen 
Diefenbach  gl.  556*;  vom  knirrenden  Ton 
andi-er  geriebner  Dinge  1596  bei  Fronsperger 
Kriegsb.  1,  123*  knürschen,  1643  bei  Hars- 
dörffer  Gesprächspiele  3,  293  gnirschen ;  in  der 
Bed.  «hart  rauschend  zermalmen»  1578  bei 
Fischart  Flöhhaz  V,  1240  knirschen  (dafür 
1577  knitschen,  1573  zerknischen) ,  1618  bei 
Schönsleder  kniersen;  dazu  mnd,-mndl,  kner- 
sen,  knarsen.  Von  knirren  (s,  d,),  deshalb  bei 
Adelung  1775  knirr sehen.   Vgl,  zerknirschen. 

knistern,  v.:  Funken  sprühen  und  so 
rauschen,  brechend  rauschen,  wie  z.  B.  bren- 
nendes Reisig,  Salz  im  Feuer,  Flittergold  usw. 
1562  bei  Mathesius  Sarepta  77^.  168*  knistern; 
aber  mnd.  gnisteren,  knisteren  «knirschen», 
ebenso  ndl.  1598  gnisteren,  md.  1414  gnisterunge 
der  zene  (Diefenbach  gl.  556*),  anord.  stark- 
flekt.  gnesta  (Prät.  gnast)  «knallen,  schallen», 
norw.-dial.  knistra  «leise  kreischen,  pfeifen, 
kichern»,  schwed.-dial.  gnistra  «winseln»  (von 
Hunden)  u.  a.  Vgl.  Falk-Torp.  Verschieden 
davon  ist  mhd.  knüsten,  knisten  und  knüssen, 
ahd.&nwfew  und  cÄnwssan, ags. cwyssa»  «stoßen, 
schlagen,  quetschen». 

68* 


1079 


knitschen 


Knollen 


1080 


knitschen,  s.  knutschen. 

Knittel,  Knittelyers,  s.  Knüttel  usw. 

Knitter,  m,  (s,  PI.  wie  Sg.):  fehlerhafte 
Falte.  Bei  Campe  mit  Beleg  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  18.  Jh.  Eückbildung  aus  knittern, 
V.:  intr.  wie  mit  wiederholtem  Platzen  in 
feinerem  Tone  rauschen  (1663  bei  Schottel, 
nd.  knittern  «knistern»);  trans.  in  fehlerhafte 
Falten  zusammendrücken  (bei  Goethe  4, 184 
[1.  H.]  vom  J.  1818),  gewöhnlich  zerknittern. 
Im  Ablaut  zu  knattern  (s.  d.). 

Knobbe,  s.  Knuhhe. 

Knöbel,  Knobel,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.): 
Knöchel  am  Finger.  Mehr  im  gemeinen  Leben, 
bayr.,  md.  und  nd.  Bei  Ludwig  1716  Knöhel, 
1664  bei  Duez  Knübel,  mhd.  knilbel,  älter 
chnubil,  mrhein.  im  15.  Jh.  knöbel  (Diefen- 
bach  gl.  304 <^),  mnd.-mndl.  knovel  m.  Wohl 
mit  Knebel  ablautend.  Dazu  knobeln,  v.: 
knöcheln,  würfeln. 

Knoblanch,  m.  {-{e]s):  Zwiebelgewächs 
mit  einem  in  sogen.  Zehen  gespaltnen  Wurzel- 
knopfe. Im  14.  Jh.  bei  Megenberg  knohlauch, 
mhd.  knöbeloucli  (zuerst  im  12.  Jh.,  im  alten 
Meraner  Stadtrecht  ZfdA.  6,  418  wie  noch 
heute  tirol.  knoflach),  meist  aber  mit  noch 
nicht  in  n  übergegangnem  l  klobelouch,  ahd. 
klobelouh,  cMovalouh,  clüovolouc,  dofolauh  m.; 
dazu  and.  kluflok,  mnd.  kluf-,  knuflök,  mndl. 
knofloec,  ndl.  knoßook,  knuflook  m.  Noch  1715 
bei  Amaranthes  Klohlauch  neben  Knoblauch. 
Zgs.  roxi  Kloben  (s.d.),  ahd.  chlobo;  dazu  ags. 
clufe,  engl,  clove  «Zehe  des  Knoblauchs»,  in 
gleicher  Bed.  mhd.  im  12.  Jh.  cluft  f.  (Mone 
Anz.  7,  609),  nd.  1582  bei  Chyträus  klöve  f. 

Knöchel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  hervor- 
stehender Knochen  zu  beiden  Seiten  des 
Fußgelenkes  und  am  mittlem  Fingergelenke; 
Würfel  aus  Knochen  gemacht  (1808  bei 
Campe).  In  1.  Bed.  1470  im  mlat.-hochd.- 
böhm.  Wb.  195  knöchel,  1482  im  Voc.  theut. 
q8^.  rl*  knuchel,  md.  im  12.  Jh.  knügel, 
ältemhd.  vereinzelt  Knüchel  m. :  dazu  clevisch 
1477  knoyckel,  mnd.  knokel,  hamburg.  knückel, 
nnld.  knokkel,  afries.  knokele,  knokle,  ags. 
cnucel  m.,  engl,  knuckle.  Abgeleitet  von 
Knochen  (s.  d.).  ABL.  knöcheln,  v.:  wür- 
feln, 1808  bei  Campe. 

Knochen,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.);  fester 
harter  fleisch-  oder  hauttragender  Teil  des 
Menschen-  und  Tierkörpers.  Ins  Hochd.  auf- 
genommen aus  dem  Mitteid.,  wo  zuerst  bei 
Frauenlob  (f  1318)  236, 15  auftauchend  knoche 
m.,  Mitte  des  14.  Jh.  knucke  (Buch  von  guter 


Speise  26,  86  f.),  1482  im  Voc.  theut.  q  8^  und 
r  1^  knoch  m.  (Knöchel,  Knoten  im  Flachs, 
Flachssamenknopf,  auch  mrhein.  im  15.  Jh. 
knoche  «Fußknöchel»,  älternhd.  Knocke  m. 
«Knöchel  Holzknon-en,  grober  Mensch»);  dazu 
mnd.  und  mndl.  knoke  (auch  in  Mitteldeutsch- 
land im  15.  Jh.  knoken),  nnd.  knake,  clevisch 
1477  knaicke  (oberpfälz.  Knacken)  m.,  norw. 
knoke  «Knöchel  an  Fingern,  Knie  und  Ell- 
bogen», schwed.  knoka,  dän.-dial.  knoge,  anord. 
knoka  «mit  den  Knöcheln  schlagen»,  ags. 
cnucian  «an  eine  Tür  klopfen,  im  Mörser 
stoßen».  Ablautend  dazu  anord.  knjükr  m. 
«hoher  und  steiler  Fels  von  rundlicher  Form», 
norw.-dial.  knjiika  «Fingerknöchel».  Dazu  lit, 
gn'üste,  gn'austei.  «Bündel,  Handvoll»,  gnäusti 
«die  Hand  fest  schließen».  Luther  gebraucht 
in  der  Bibelübersetzung  K.  nur  dreimal,  sonst 
dafür  Bein,  Gebein,  ABL.  Knöchelchen, 
Knöchlein,  n.,  mhd.  (md.)  knuchelin  n. 
knöchern,  adj.:  aus  Knochen  bestehend,  1767 
im  Brem.  Wbch.  2,  817;  dafür  1741  bei  Frisch 
knöchen,  1784  bei  Steinbach  knocken,  nd.  knä- 
ken.  knochicht,  adj.,  1734  bei  Steinbach, 
knöchicht  1121  bei  Aler.  knochig,  adj.,  1482 
im  Voc.  theut.  q  8^.  ZC7;S.  Knochenfraß, 
m. :  knochenzerstörendes  Geschwür,  1801  bei 
Nemnich  Lexicon  nosologicum  3^,  dafür  früher 
Beinfraß.  Knochenhaner,  m.:  Fleisch- 
hauer, norddeutsch,  um  1500  knochenliawer, 
mnd.. knoken-,  knakenhower  m.;  in  einem  Stu- 
dentenlied der  Tod.  Knochenmann,  m.: 
der  Tod  als  Knochengerippe,  1642  bei  Eist 
himlische  Lieder  4,  220. 

Knocke,  f.  (-n,  PI.  -n),  auch  m.:  gleich- 
lang zusammengebogner  und  -gedrehter  Zopf 
gehechelten  Flachses.  Im  17.  Jh.  aufgenommen 
aus  gleichbedeut.  nd.  knokken  m.,  hamburg. 
knuck,  livl.  knucke  f.,  mnd.  knucke,  knocke  m. 
«zusammengedi-ehtes  Bündel  Flachs»;  dazu 
mengl.  knoche,  knicche  «Bündel».  Wohl  iden- 
tisch mit  Knochen. 

Knödel,  m.  (-.s,  PI,  wie  Sg.):  gekochter 
Mehlkloß  mit  verschiednen  Zutaten.  In  Öster- 
reich und  Bayern.  Im  16.  Jh.  knödel,  1530 
der  PI.  knodle,  urspr.  Dim.  zu  Knoten  (im 
14.  und  15.  Jh.  knödel  «Knoten»),  das  auch 
die  Bed.  «Kloß  aus  Mehlteig  mit  Zutat»  hat 
(1716  bei  Ludwig). 

Knollen,  m.  (s,  PL  wie  Sg.):  zusammen- 
hängende runde  Masse.  Mhd.  knolle  m.  «Erd- 
scholle, Klumpen,  grober  plumper  Mensch»; 
dazu  nd.  knüll,' knüllen  m.,  ags.  cnoll m.  «Berg- 
spitze, Gipfel»,  engl,  knoll  «Hügel,  Spitze», 


1081 


Knopf 


Knoten 


1082 


anord.  knoUr  m.  «Bergkuppe»,  dän.  knold  «Aus- 
wuchs an  Bäumen,  Knoten»,  Aus  knuMa- 
(Sievers  Idg.  Forsch.  4,  339)  und  daher  zum 
vorigen.  ABL.  knoUicht,  adj.,  1428  knollet, 
1588  bei  Tabernämontanus  knoUichf,  knoUecht. 
knollig,  adj.,  in  der  1.  Hälfte  des  18.  Jh., 
nd.  knullig.  In  der  Umgangssprache  auch 
als  Adverb  in  dem  Adverb  «sehr». 

Knopf,  m.  (-[e]s,  PI.  Knöpfe):  runder 
dichter  Körper  woran  (am  Kleide,  1541  bei 
Frisius  {nodus),  aber  schon  mhd.  knöpfeUn  n.). 
Mhd.  knöpf  m..  «KnoiTen  an  Gewächsen,  Knospe, 
Knoten,  Knauf»,  ahd.  chnoph,  chnopf  m.  «Kno- 
ten» und  dann  «Knotenartiges»;  dazu  mnd., 
mndl.  und  afries.  krwp  m.,  engl,  kmp,  schwed. 
knopp,  dän.  knop  «Knospe»  und  mit  Ablaut 
knauf,  mnd.  knöp  m.  «Knoten,  Knopf,  Knauf, 
Knospe»,  ndl.  knoop  «Knopf,  Knoten».  Vgl. 
Knuhbe  xmd  knüpfen.  ABL.  knöpfen,  v., 
1482  im  Yoe.  theut.  q8b  knopffen. 

Knopper,  f.  (PI.  -n)  -.  Gallapfel  am  jungen 
Kelche  der  Eichel.  In  Osterreich  und  Ungarn. 
Eine  Weiterbildung  von  Knopf  (s.  d.). 

Knorpel,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.) :  fester  gallert- 
artiger Knochenansatz.  Bei  Luther  Knörhel, 
Knorhel,  im  15.  Jh.  knorpel-,  knorhel-,  gnarpel- 
hein  (Diefenbach  gl.  103  °j,  1495  in  der  Kölner 
Gemma  D  3*  knerhelbeyn,  in  der  Straßburger 
IbOSknorfelhein, dagegen  in  letztrerv 3^ Ar« orpet 
«das  knoUige  Muskelfleisch».  Verwandt  mit 
Knorren  (s.  d.)  und  spätmhd.  knorfvc^.  «Knorz» 
(inj?aMre«Avia/-/f  BeheimWiener216,22 ).  Neben 
Knorpel  ä^t^Tühd.  Knor spei,  Knospel,  Knöspel 
m.,  sowie  in  gleicher  Bed.  Krospel,  Kröspel 
m.  n.  f.,  ahd.  crospel,  und  Krostel,  Kröstel, 
mhd.  krostel,  kröstel  m.  f.,  krustel  f.,  ahd. 
crostela,  crustula  f.  ABL.  knorpelicht, 
knorpelig,  adj.,  1664  beiDuez  1,  Wi^knorp- 
licht,  knorpelicht. 

Knorren,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  harter  Kno- 
tenauswuchs ;  knotenverwachsener  Körper : 
Knöchel;  Hahn-,  Rohrknoten  oder  -gelenk. 
Ältenrhd.  Knorre  (-/?,  PI.  -n),  daher  noch  bei 
Lessing  Nathan  2,5  Knorr,  mhd.  knorre,  knurre 
m.  «Knotenauswuchs,  hervorstehender  Kno- 
chen, Knorpel,  kurzer  dicker  Mensch»,  und 
knüre,  knür  m.  «Knoten,  Fels,  Klippe,  Gipfel», 
spätmhd. /waur  «grober  Mensch»,  ahd.  nur  im 
Adj,  chniurig  «knotig  derb,  fest  und  stark»; 
dazu  mnd.  und  ndl.  knorre  m.,  mengl.  knarre, 
knorre,  engl.  knar.  Mundartliche  Formen 
wie  schwäbisch  knaus  m.  «knopfichter  An- 
satz am  Brot,  Brotanschnitt»,  Schweiz,  knüs 
m.  «Knorren,  Auswuchs»,  nd,  knüst,  knaustm. 


«knotiger  Auswuchs,  Brotecke»,  weisen  auf 
eine  ursprünghch  auf  -s  ausgehende  Wurzel. 
ABL.  kuorricht,  adj.,  mhd.  knorroht,  knor- 
rot.  im  15.  Jh.  knorr eht,  1540  bei  Alberus  dict. 
Q  4*'  knörricht.  knorrig,  adj.,  um  1480  kno- 
rig  im  Voc.  incip.  teut.  n3^. 

Knorz,  m.  (-es,  PI.  -e,  Knorze):  Astknopf 
im  Holze:  knotenverwachsner  Körper,  bes. 
solches  Holz.  1482  imVoc,  theut.  ff  8*  knortz, 
ahd.  chnorz  (erhalten  im  Dat.  PI.  chnordn). 
ABL.  knorzig,  adj.,  1440  knortzig  bei  Die- 
fenbach gl.  589^,  ahd.  chnorzig  (in  nianac- 
chnorzig  «vielknotig»). 

Knospe,  f.  (PI.  -n):  unentfalteter  Blätter-, 
Blütenknopf.  Mhd.  im  14.  Jh.  knospe  m. 
«Knorren  am  Steine»  und  noch  im  16.  Jh. 
«knorriger  Auswuchs»,  md.  um  1350  das  Dim. 
knospechin  n.  «kleine  Pflanzenknospe»  (Fundgr. 
1,379'')  1558  bei  Eber-Peucer  B.  8^  knospe  m 
der  heutigen  Bed.,  1664  bei  Duez  284  Knospen 
m.  und  411  Knosp  m.  Man  stellt  es  entweder 
zu  Knorren  (s.  d.),  mit  Bewahrung  des  \vurzel- 
haften  s,  besser  aber  (aus  knopse  wie  Wespe 
aus  Wepse)  zu  Knopf.  Der  ältere  Aufdruck 
für  den  Blätter-  oder  Blütenknopf  war  Auge, 
Knopf,  im  Mhd.  bolle  f.,  hroz  n.,  ahd.  proz, 
woher  noch  hess.  brospe  f.  ABL.  knospen, 
V.:  Knospen  treiben,  im  18.  Jh.,  aber  1691  bei 
Stieler  Knospung  f. 

Knote,  m.  (-»,  PI,  -n) :  roher  plumper  Kerl 
(1707  bei  Schmidt  RockenpMlosophie  2,  190); 
(student,)  Handwerksbursche  (1781  bei  Kind- 
leben Gnoten,  1786  bei  Miller  Walther  148 
Knoten).  In  der  1.  Bed,  bUdhche  Anwendung 
des  folg.  Wortes,  in  der  studentischen  viel- 
leicht aber  nur  Anlehnung,  denn  gnote  (Be- 
nennung der  Handlungsdiener  in  Königsberg 
und  Stettin)  ist  das  nd.  genöte  «Genosse». 

Knoten,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  durch  feste 
Verschlingung  entstandner  Knopf;  harter  Aus- 
wuchs; hartes  Stengel-, Halmgelenk,  Ältemhd, 
Knote  (-W,  PI,  -n),  so  noch  bei  Schiller  Turan- 
dot  4,  6,  1664  bei  Duez  Knot,  Knoft,  1678  bei 
Krämer  Knotte,  mhd,  knode,  md,  knote,  ahd. 
chnodo  (Riemenknopf,  Knöchel,  Bauraknospe), 
zerdehnt  kinoto  m. ;  dazu  clevisch  1477  knode, 
mnd.  ctiode,  knutte,  nnd.  knudde,  knutte,  ags. 
cnotta  m.,  engl,  knot,  anord.  knütr  m.  «Knoten, 
Knori'en»,  schwed. knut,  dän.knude  «Knoten»; 
dazu  auch  anord.  knyte  m.  «ein  mit  den 
vier  Ecken  zusammengeknotetes  Tuch».  Das 
Wort  erweist  sich  durch  seine  Vokal-  und 
Konsonantenverhältnisse  als  uralt,  sichere  An- 
knüpfungen fehlen.  Über  Verwandtschaft  mit 


1083 


Knöterich 


Knust 


1084 


lat.  nödus  s.  Walde.  Eine  Ableitung  ist  Knödel 
(s.  d.).  Aus  dem  Skandinavischen  entlehnt  ist 
russ.  knut,  s.  Knute.  ABL.  knoten,  v.: 
knüpfen,  l4:62knoden  neben  stricken  (Mone  Anz. 
7,  301^,  326),  md.  im  13.  Jh.  knoten  in  ent- 
knoten. Vgl.  knütten.  knotig,  knoticht,  adj., 
um  1480  im  Voc.  incip.  teut.  n  8^  knotig,  mhd. 
knoticht,  knodecht,  knodoht,  ahd.  chnodoht. 
ZUS.  Knotenpunkt,  m.  -.  Punkt,  wo  mehi-ere 
Fäden  oder  Linien  sich  vereinigen,  im  19.  Jh. 
Knotenstock,  m.,  1775  bei  Adelung. 

Knöterich,  m.  (-s,  PI.  -e):  Ackerspergel, 
sperg-ula  arvensis,  benannt  nach  den  zahlreichen 
Knoten  (Stengelgelenken).  1486  knöterich,  1600 
Knöderich,  Knödrich,  schles.  Knörig. 

Knotte,  f.  (PI.  -w) :  Flachssamenknopf.  Md. 
und  nd.  Bei  Luther  2  Mos.  9,  31  und  1540 
bei  Alberus  dict.  A  A3*  Knote  f.,  md.  im  15.  Jh. 
Knodde  f.,  mnd.  knutte,  ndl.  knut,  knot,  clevisch 
1477  knote,  noch  schles.  Knotte  f.,  oberhess. 
Knodd  f.     Nebenform  zu  Knoten  (s.  d.). 

Knuhbe,  f.  (PI.  -n)  und  Knubben  m.: 
Knoten  im  Holze  usw.,  knorriger  Klotz  (Lessing 
Nathan  2,  5),  das  nd.  knuhbe  «Knorren,  Knospe» 
(daher  1687  bei  Zesen  Knubbe  m.  «Knospe»), 
mnd.  knobbe  m.,  gleicher  Abstammung  wie 
Knopf  (s.  d.).  ABL.  knühheln,  v.:  fest  zu- 
sammenstricken.    Norddeutsch. 

Knuff,m.  (-g,Pl.Knüffe):  heimlicher Faust- 
stoß,  1808  bei  Campe.  Von  knuffen,  v.:  mit 
Faust  oder  Ellenbogen  stoßen,  in  der  2.  Hälfte 
des  18.  Jh.  aus  dem  Nd.  ins  Hoch-  und  Ober- 
deutsche vorgedrungen.  Dazu  knüffeln,  v.: 
derbe  Fauststöße  geben,  1716  bei  Ludwig,  ndl. 
knuffelen,  knoffelen.  Verwandt  mit  nd.  knüvel 
m.  «Knöchel»  (s.  KnöbeV). 

knüfflich,  adj.:  knaupelig,  mit  viel  klein- 
licher Mühsehgkeit  verknüpft,  1833  bei  Jahn 
Merke  z.  deutsch.  Volkstum  239  knifßich.  Zum 
nd.  Zeitwort  Äww^eZ«  «eine  mit  vielerlei  Kleinig- 
keiten und  viel  Überlegung  verbundene  Arbeit 
verrichten». 

knüll,  adj.:  stark  betrunken.  Studentisch 
1825.  Vielleicht  derb  scherzhaft  zu  dem  fol- 
genden Verb.    Vgl.  ZfdPh.  38,  523. 

knüllen,  v.:  in  Falten  übel  zusammen- 
drücken, eig.  faltig,  bruchig  schlagen.  Im 
17.  Jh.  bei  Lauremberg  und  Stieler.  Ältemhd. 
Tind  mhd.  knüllen  «mit  der  Faust  schlagen, 
puffen,  stoßen,  (den  Kopf)  eindrücken»,  z.  B. 
Tauben  (Hadloub  20,  3,  11),  noch  schweiz.- 
schles.-nd.  knüllen,  schwäb.  knüllen  «prügeln». 
Zu  Knollen  m.  «Knöchel  an  Händen  und 
Füßen». 


knüpfen,  v. :  zum  Knopf  ineinander  schlin- 
gend verbinden.  Mhd.  knüpfen,  ahd.  aiuphjan, 
knupfe7i,  knuffen,  md.  im  15.  Jh.  knuppen, 
knüppen,   nd.  knuppen.      Von  Knopf  (s.  d.). 

Knüppel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  knotiger 
Holzschoß,  Stock  zum  Schlagen;  armsdicker 
Holzschoß.  Wie  es  scheint,  sind  hier  zwei 
gleichbed,  Wörter  zusammengeflossen:  1482  im 
Voc.  theut.  r  1*  knuppel,  mnd.  u.  nndl.  knuppel 
m.,  hochd.  zu  Anfang  d.  15.  Jh.  knüpf l  (Diefen- 
bach  gl.  254^),  abgeleitet  von  Knopf  (s.  d.,  eig. 
«Knorren,  Knoten»),  u.  anderseits  mhd.  klüpfel, 
md.  klüppel,  kluppel,  mnd.  u.  nndl.  kluppel  m., 
nhd.  Klöpfel,  md.  Klöppel  (s.  d.),  abgeleitet 
von  klopfen  (s.  d.).  RA.  Da  liegt  der  Knüppel 
(Knüttel)  beim  Hunde,  «Die  Sache  ist  ge- 
hemmt» (1542  bei  Waldis  Streitged.  1,  66) ;  um 
den  Hund  am  Jagen  zu  verhindern,  befestigte 
man  lose  an  seinem  Halse  einen  Holzknüttel, 
der  ihm  beim  Laufen  an  die  Beine  schlug. 
ZUS.  Knüppeldamm,  m.:  aus  quergelegten 
Knüppeln  hergestellter  Weg  durch  einen  Mo- 
rast, im  18.  Jh.  (bei  Göckingk  [1818]  1,  103), 
in  gleicher  Bed.  1595  bei  Hennenberger  preuß. 
Landtafel  425  Knütteltham. 

knuppern,  v. :  an  Hartem  laut  nagen.  Aus 
nd.  knuppern,  das  zu  knabbern  im  Ablaute 
steht.  Bei  Goethe  30,  84  knopern.  ABL. 
knupperig,  adj.,  bei  Goethe  Briefe  3,  248. 

knurren,  v.:  hart  im  Tone  das  r  durch 
die  Zähne  brummen.  1663  bei  Schottel  knurren 
neben  knorren,  S.  1144^  Gnurrenn.,nä.  gnurren 
(so  auch  1777  bei  Göckingk  Lieder  zweier 
Lieb.  92).  Wie  knarren  im  Ablaute  zu  knirren 
stehend.  ABL.  Knurr  er,  m.:  laut  murren- 
der Mensch,  kuurrisch,  adj.,  bei  Goethe 
39,  53.  knurrig,  adj.,  bei  Musäus  Volksni. 
5,  241.  ZUS.  Knurrhahn,  m.:  der  Seefisch 
trigla  hirundo.  Meerschwalbe,  bei  den  Eömern 
corvus  m.  (Rabe);  er  läßt  einen  knurrenden 
Ton  hören,  wenn  man  ihn  aus  dem  Wasser 
zieht.    S.  Seehahn. 

knuspern,  v.r  an  Hartem  mit  Geräusch 
nagen  (Goethe  17,  99).  Md.  im  14.  Jh.  knus- 
pern in  zuknuspern  «zerschmettern,  zermal- 
men», eine  Fortbildung  von  ahd.  chnussan, 
cnusen,  mhd.  knüsen,  knüssen  «stoßen,  schla- 
gen», noch  nd.  knusen  «quetschen»,  ags.  cnyssan 
«zusammendräcken,  quetschen»,  anord.  knosa 
«zerschlagen,  zerbrechen».  Im  Schlesischen 
finden  sich  die  drei  im  Ablaut  zueinander 
stehenden  Formen  knispern,  knaspern,  knus- 
pern (Weinhold  44^). 

Knust,  m.,  s.  Knorren. 


1085 


Knute 


Kobel 


1086 


Knute,  f.  (PI.  -n) :  (russische)  Riemen-  und  ' 
Knotenpeitsche.  1620  bei  Weller  Lieder  des 
dreißigjähr.  Kriegs  70  Knute,  1741  bei  Frisch 
Knutte  f.,  bei  Jobs.  v.  Müller  allgem.  Gesch. 
(1817)  3,  413  Kirnt  m.,  aus  gleichbed.  russ. ' 
knut  m.  Dafür  1593  bei  Heinr.  Jul.  v.  Braun- 
schweig 737  KnottpeitzscJie,  1734  bei  Steinbach 
Knuttpeitsche  (zu  nd.  Knutt  m.  «Knoten») 
«Knotenpeitsche».  Das  russische  Wort  stammt 
aus  dem  Xord.     S.  Knoten. 

knutschen  (mit  u)  auch  knietschen, 

knütscheyi,  v.:  anfühlend  zusammendrücken; 
(Tücher  usw.)  durch  Zusammendiücken  aus 
der  Glätte  bringen.  Ende  des  15.  Jh.  bei  Brant 
u.  Keisersberg  knützschen,  knutschen,  knützen, 
md.  im  13.  Jh.  knutschen  fin  zurknutschen)  und 
knutzen  «zusammendrücken,  zermalmen»,  noch 
1663  bei  Schottel  knützen,  bayr.  knauzen  «knut- 
schen».   Die  Form  mit  u  ist  ndd. 

Knütte,  f.  (PI.  -n):  Strickzeug.  Bei  Yoß 
Luise  1,546,  schon  1639  bei  Micrälius  Pommern 
3,  389.    Ton  knütten  (s.  d.). 

^Knüttel,  m.  (-s,Pl.wie  Sg.):  starker  Holz- 
schoß, knotiger  Stock  zum  Schlagen.  Mhd. 
knütel,  knüttel,  md.knutel,  knuttel,  auch  knottel, 
ahd.  chnutil,  chnuttil,  mnd.  knutel,  ndrhein.  im 
14.  Jh.  knutzel  m.  Abgeleitet  von  Knoten 
(s.  d.),  noch  deutlich  in  ahd.  chnutil  m.  «Kno- 
ten», aleman.  im  16.  Jh.  (bei  Frisius,  Maaler, 
Dasypodius)  bis  heute  knüttel  m.  «geschwüri- 
ger Auswuchs,  harte  Drüse»,  1515  im  Eulen- 
spiegel Kap,  92  knittel  «Handknöchel».  Vgl. 
Knüppel.  ABL.  knütteln,  v.:  mit  einem 
Knüttel  schlagen,  md.  1289  knuttiln. 

'^Knüttel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.) :  harter  aus- 
geworfner  Klumpen  Tier-,  Menschenkotes. 
Wetterauisch,  oberhessisch  usw.  Mit  einge- 
schobnen  n  aus  gleichbed.  md.  küttel  (bei 
Alberus  Fab.  31,  78  Pferdtsküttel,  dict.  y  1^ 
Pferdsküddel),  mnd.  kotel,  nnd.  kötel  m.,  nndl. 
keutel  f.  «Auswurf  des  Mastdarms,  Kot»,  schles. 
kuttel,  kottel  f.  «Pferdemist», 

Knüttelvers,  m.  (-es,  PI.  -e):  ungeregelte 
holperige  Reimzeile  mit  vier  Hebungen,  dann 
überhaupt  ungeregelt  erscheinende  Reimzeile. 
1566  in  Mathesius  Luthers  Leben  153*,  im 
18,  Jh,  Knittelvers;  dafür  1599  bei  Hamelraann 
Oldenburg.  Chron.  100  Knüppelvers,  beiFischart 
Garg.  254  Klippelverß,  Bienenkorb  lll^  Klip- 
pelverßUn.  Ursprünglich  eine  Ü^bersetzung  des 
lat.  versus  rhopalicus,  dann  auch  Bezeichnung 
der  versus  leonini,  der  in  der  Mitte  und  am 
Ende  gereimten  mlat.  Hexameter,  noch  1712 
bei  Hübner  und  1676  bei  Balthas.  Schnurr  (am 


Schlüsse  des  Kunst-,  Haus-  u.  Wunderbuches) 
Knittelhardi  PL,  im  17,  Jh,  bei  Schuppius 
Knüppelhardusse  genannt.  Knüttel-  scheint 
eig,  den  Refrain  des  Tanzliedes  und  in  den 
Schulen  den  von  allen  wiederholten  Memorier- 
vers zu  bedeuten,  vgl.  Junius  nomenclator 
(1577)  9*:  in  vulgaribus  rhjthmis  versum  iden- 
tidem  repetitum  scipionem  aut  haculum  appel- 
lant,  helgice  de  stock  oft  stockregel,  gall.  refrein 
de  hailade.    Vgl,  Feldmann  ZfdW.  4,  277. 

knütten,  v, :  (Knoten  schlingend)  stricken ; 
(bildlieh)  fein  einleiten  [Pößchen  [Possen]  knüt- 
ten Michaelis  poet.  Werke  1,  231),  1741  bei 
Frisch,  aus  mnd.  -  nnd,  knütten  «knüpfen, 
stricken»;  dazu  ags,  cnyttan,  engl,  knit.  Von 
nd,  knutte  m,  «Knoten»,    Vgl,  Knütte. 

Koalition,  f.  (PI.  -en):  Verbündung,  im 
18.  Jh.  (bei  Wieland,  Goethe)  aus  gleichbed. 
franz.  coalition  f.,  von  lat.  coalitus  m.  «Ver- 
einigung» und  coalescere  (Part.  Pass.  coalitus) 
«zusammenwachsen,  sich  fest  verbinden». 

koax,  vom  Froschgeschrei,  1628  bei  Opitz 
1,126  coax  coax,  1595  bei  RoUenhagenFroschm. 
2,  5,  3,  66  u.  f,  als  Froschname,  nach  dem 
griech.  ßpeKCKCKeE  koöE  koöE  in  den  Fröschen 
des  Aristophanes,  Davon  koaxen,  v,,  1595 
bei  Rollenhagen  coachsen,  nach  lat,  coaxäre. 

Kobalt,  m,  (-e[s],  PI.  -e):  Halbmetall  und 
Erz,  zur  Bereitung  blauer  Farben  (Smalte, 
Eschel  usw.)  benutzt.  Bei  Paracelsus  (f  1541) 
koholet,  1546  bei  G,  Agricola  476  Kohelt,  lati- 
nisiert cohaltum,  1562  bei  Mathesius  Sarepta 
154^  f,  Cohalt,  Cohelt,  Cobel,  im  16.  .Jh.  auch 
Koholt.  Eins  mit  Kobold  (s.  d,).  Das  Kobalterz 
ist  nach  dem  kleinen  Berggeist  benannt,  weil 
es  nach  altem  Bergmannsglauben  das  Silber 
heimtückisch  raubte  und  verzehrte  (Mathesius 
155*)  und  als  unnützes  Metall  die  Bergleute 
betrog  (denn  zur  Blaufarbenbereitung  be- 
nutzte man  es  erst  im  17,  Jh,),    Vgl,  Nickel. 

^Kobel,  m.  (-S,  PI,  wie  Sg,):  geringes 
Wohngebäude;  Höhlung,  Wohnbehälter  für 
Tiere.  1462  kobel  m.  «schlechtes  Haus»,  im 
15.  Jh.  «Stall»,  im  13.  Jh,  «Kasten  eines  Kutsch- 
od.  Kammerwagens»,  Abgel.  von  Koben  (s,  d.). 

-Kobel,  f.  (PI.  -n) :  Frauenhaube.  Im  Elsaß 
u.  der  Schweiz.  1741  bei  Frisch  Kobel,  clevisch 
1477  covel,  mndl.  covel,  coueZe  «Kapuze»,  nndl. 
kovel,  keuvel  f.  «Mönchskappe,  Haube»;  dazu 
ags.  cuffie  f.  «Kapuze»,  anord.  kufl  ra.  «Kappe 
mit  Kapuze».  Zu  ahd.  kuppha  f.  «Haube», 
woher  auch  mlat,  (5.  Jh,)  cofea,  später  cuphia, 
ital,  cuffia,  span.  cofia,  franz.  coiffe  f.  «Haube». 
ZUS.  Kobelente,  f.,  anas  clangula,  wegen 


1087 


Koben 


Kockelskörner 


1088 


ihrer  Kopffedem  {Raupe).  Kobellerche,  f. : 

Haubenlerche,  1 557  bei  Heußlin  Vogelbuch  1 70  * 
Kohellerch.  Kol)elmeise,f.:  Hauben-,  Strauß - 
meise,  1561  bei  Maaler  Kobelmeiß  f.,  1557  bei 
Heußlin  179^  Kobelmeißlin  n. 

Kolben,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  kleines 
schlechtes  Gemach;  kleines  enges  Gebäude; 
Schweinestall.  Schon  1482  im  Voc.  theut.  r  1  ^ 
kohen,  mnd.  koven,  1477  clev.  coeven  «Schweine- 
stall»; aber  älternhd.  Kohe  (1517  bei  Trochus 
0  4^),  mhd.  hohe  m.  «Stall,  Käfig»,  md,  kove 
«Ofenhöhlung»;  dazu  nd.  kave,  kaven  «Vieh- 
verschlag, Viehstall»,  ags.  eofa  m,  «Gemach, 
Schlafgemach»,  engl,  cove  «Obdach,  Tauben- 
schlag», anord.  kofi  m.  «Kammer».  Die  Neben- 
form Kofen  m.  (bei  Rollenhagen,  Voß)  stammt 
aus  dem  Nd.  In  der  Wurzel  wohl  zusammen- 
gehörig mit  ahd.  chubisi  «Hütte»  und  weiter 
zu  gr.  fVTiY].  KoiXuuua  ^f\c.  QaXdjjLT]  (Hesych). 
Vgl.  Brugmann  Idg.  Forsch.  11,  111. 

Kober,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  langer,  ge- 
wöhnlich viereckiger  geflochtner  Korb  zum 
Tragen  auf  dem  Rücken.  Im  östlichen  Mittel- 
u.  Norddeutschland,  in  der  aUgem.  Bed.  «Korb» 
auch  in  Schwaben,  1562  bei  Mathesius  Sarepta 
134^  der  PI.  Köher  (Tragkörbe),  1422  md. 
Kober  m.  «Korb  zu  Speise».  Wohl  mit  dem 
vorigen  wui'zelverwandt.  Dagegen  ist  ags. 
ceofi  «Korb»  wohl  aus  lat.-gr.  cophinus  m. 
«Korb»  entlehnt. 

Kobold,  m.  {-[e]s,  PL  -e):  unheimlicher 
dienender  Hausgeist;  unheimlicher,  übermütig 
lustiger Neekegeist;  die  Grubenai-beiter  necken- 
der kleiner  Berggeist.  Bei  Luther  Jes.  34,  14 
Kobold  m.  «böser  umherschwärmender  Geist», 
bei  Lessing  Kobold  und  Kobolt,  bei  Rädlein, 
Ludwig,  Voß  Kobolt,  mhd.  im  13.  Jh.  kobolt 
m.  «neckischer  Hausgeist  und  dessen  Bild»,  md. 
1422  kobolt,  kobult,  kobolt  als  Name  eines  Met- 
getränkes, mndl.  coubout  «Kobold».  Älternhd. 
und  noch  im  Volksmund  Kobelt,  im  16.  Jh. 
Kobel;  aus  deutschem  kobel,  kobelin  entlehnt 
franz.  gobelin,  mlat.  gobelinus  m.  «Kobold». 
Gewöhnlich  abgeleitet  von  Koben,  -old  wäre 
entstanden  aus  -iüalt,e\g.  «des  Hauses  waltend», 
(oder  hold,  got.  unhulpa  «Teufel»),  noch  deut- 
lich 1517  bei  Trochus  A  5^  boni  lares  foci  sunt 
vulgo  kobelte;  dazu  ags.  cof-godas  pl.  m.  «Haus- 
götter, penates».  Die  mhd.  Nebenform  oj^poZcZ, 
opold  leitet  Kluge  aus  ahd.  6t  «Reichtum,  Gut» 
und  walt  her,  eig.  «des  Reichtums  waltend», 
daran  erinnert  noch  heute  die  volkstümliche 
Wendung  er  hat  den  Kobelt  (Kobold),  wenn 
einer  in  unbegi'eiflicher,  unheimlicher  Weise 


reich  wird.  Falk-Torp  dagegen  leiten  es,  wie 
schon  früher  andre  aus  gr.  KÖßaXoc  m.  «Kobold, 
Possenreißer,  Schmarotzer,  Gauner»  her.  Nach 
Schi-öder  Streckformen  168  soll  es,  aus  kold 
durch  Streckung  entstanden,  zu  koldern,  kol- 
tern  «ungestüm  sein,  zanken,  lärmen»  gehören. 

Kobölz,  nur  in  der  RA.  Kobolz  schießen 
«einen  Purzelbaum  machen».  1741  bei  Frisch 
cobold  schießen.  Vielleicht  zu  Kobold  oder  um- 
gestaltet aus  irz. faire  la  culbute.  Norddeutsch. 

^Koch,  m.  (-es,  PI.  Köche):  Kundiger  in 
künstlicher  Zubereitung  der  Speisen.  Mhd. 
koch  (PI.  koche  und  koche),  ahd.  coch  m. ;  dazu 
and.,  ndl.  kok,  ags.  coc,  engl.  cook.  In  früher 
Zeit  entlehnt  aus  gleichbed.  lat.  coquus,  später 
cocus  m.  ABL.  Köchin,  f.  (PI.  -nen),  1539 
bei  Alberus  widder  Witzeln  J.  2^  küchin,  K  1  ^ 
küchen,  Anfang  des  15.  Jh.  küchin  (Diefenbach 
nov.  gl.  298  a),  1482  im  Voc.  theut.  r  1^  kochin, 
1370  köchinne  f. 

^Koch,  n.,  auch  m.  [-es,  PI.  -e):  Brei.  In 
den  Alpen,  mhd.  koch,  n.,  von  kochen  (s.  d.). 

kochen,  v. :  tr.  in  einer  von  Hitze  wallenden 
Flüssigkeit  erweichend  zubereiten ;  intr.  wallen, 
sieden  (Flüssigkeiten  und  Speisen,  bei  Luther). 
In  1. Bed.  mhd.  kochen,  ahd. cochön,  mnd.koken, 
afries.  koka.  In  früher  Zeit  aus  gleichbed.  lat. 
coquere.  Der  eig.  deutsche  Ausdruck  war  sieden 
(s.  d.).  ABL.  Kocher,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.): 
der  Kochende,  in  Zssetz.;  Kochtopf  bei  Campe, 
nd.  kaker  m.  Davon  Kocherin,  f.  Köchin, 
mhd.  kocherin,  u.  Kocherei,  f.,  mhd.  kocherte, 
köcherie,  bei  Goethe  3,  239  Köcherei.  ZUS. 
Kochbnch,  n.,  1582  bei  Fischart  Garg.  275. 
Kochknnst,f.,  1561  beiMaaler.  Kochlöffel, 
m.,  im  14.  Jh.  Kochlöffel. 

Köcher,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  langer  hohler 
Behälter  zum  Tragen  der  Pfeile,  Bolzen,  Schreib- 
federn usw.  Mhd.  kocher,  kochcere,  im  15.  Jh. 
auch  köcher,  kucher  (Diefenbach  gl.  225^),  ahd. 
cohhar,  chochar  und  chochari  m.;  dazu  anfränk. 
kokar,  mnd.  koker,  kaker,  ags.  cocer,  cocur  m., 
dän.  kogger  «Behälter,  Futteral».  Entlehnt  aus 
mlat.  cucurmn  (afranz.  cuivre,  quivre  m.,  woher 
wiederum  engl,  quiver),  byzant.  KoiJKoupov, 
russ.  kokorü  «Patronentasche». 

Kocke,  s.  Kogge. 

Kockelskörner,  PI.:  die  giftigen  Samen 
des  ostindischen  Strauches  menispermum  coc- 
culus,  zum  Betäuben  der  Fische  verwendet. 
1741  bei  Frisch  Kockel -Körner,  1677  bei 
Butschky  Patljmos  582  Kukels-Körner,  1546 
bei  Bock  51^  Kokilienkörner,  aus  gleichbed. 
mlat.  cocculae  orientales  oder  cocculi  indici. 


1089 


Kodak 


Kohl 


1090 


Kodak,  m.  (-5,  PI.  -s):  photographischer 
Apparat.  In  neuerer  Zeit  aus  dem  Englischen, 
wo  es  als  Schutzwort  für  photographische 
Artikel  frei  erfunden  ist. 

^KÖder,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.) :  in  die  Kappe 
des  Schuhes  oder  Stiefels  eingestochner  schma- 
ler abgeschärfter  Sohllederstreifen,  um  daran 
den  Absatz  zu  befestigen.  Um  1480  im  Voc. 
ine.  teut.  1  3^  koder,  1482  im  Yoc.  theut.  r  1  *  f. 
koder,  korder,  querde,  im  15.  Jh.  köder,  cor  der, 
querder,  querdel,  quirdel  (Diefenbach  gl.  324^, 
488'^).  Eine  bildliche  Anwendung  des  folgen- 
den Wortes,  indem  man  den  schmalen  gebog- 
nen Sohllederstreifen  einem  «Regenwurme», 
dem  gebräuchlichsten  Köder,  verglich,  ähnlich 
wie  im  16.  und  17.  Jh.  Kerdel,  Kärder  m,  «die 
als  Verzierung  auf  Kleider  genähten  schmalen 
(wui-mförmigen)  farbigen  Tuchstreifen»  und 
wie  ahd.  querdar  m.  «Docht». 

^KÖder,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Lockspeise. 
Im  17.  und  selbst  bis  ins  18.  Jh.  (Steinbach 
UM)  Kedei;  wie  spätnhd.  keder  n.,  im  13.  Jh. 
vereinzelt  köder,  älternhd.  Kerder,  Querder, 
mhd.  chorder,  korder,  kerder,  querder  u.  querdel 
n.  m.,  ahd.  querdar  m.  «Lockspeise».  Herkunft 
unklar.  Kaum  zu  gi\  biXeap  n.,  äol.  ßXfip 
«Köder».  Vgl.  Zupitza  86.  ABL.  ködern,  v,, 
1691  bei  Stieler  ködern,  1618  bei  Schönsleder 
ankedern,  im  16.  Jh.  querdeln,  spätmhd.  kedern. 

Kodex,  m.  (PI.  Kodize  u.  Kodizes):  alte 
Handschrift;  Gesetzbuch,  hat. codex  m. «Baum- 
stamm», dann  «Buch»  (urspr.  aus  beschriebnen 
Holztafeln).  —  Kodizill,  n.:  Testamentsan- 
hang; testamentartige  letztwilliofe  Verfüsruncf. 
Aus  lat.  cödicillus  m.  «Handschreiben,  Testa- 
mentsanhang», dem  Dim.  von  lat.  codex.  In  der 
Rhetorik  (15.  Jh.),beiHenischl616  verzeichnet. 

Kofen,  s.  Koben. 

Kofent,  m.,  auch  seltener  n.  (-[e]s,  PI.  -e): 
Halb-,  Dünnbier.  Eingebürgert  mit  Betonung 
auf  der  ersten  Silbe,  aber  noch  bei  Rachel 
Sat,  2,  101.  4,  125  und  in  nordd.  Mundarten 
auf  der  zweiten  betont.  Spätmhd.  im  14.  und 
15.  Jh.  covent,  cofent,  eig.  «Konventsbier»,  wie 
es  die  Klosterbiüder  tranken,  zum  Unterschied 
von  dem  stärkern  Biere  der  Obern  ia  den 
Klöstern.  Aus  mlat.  coventus  (daher  franz. 
couvent  m.),conventus  m.  «Kloster,  Stift»,  urspr. 
«Zusammenkunft»  (s.  Konvent). 

Koffer,  m.,  auch  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  mit 
einem  gewölbten  Deckel  versehener  verschließ- 
und  tragbarer  kastenartiger  (Reise-)  Behälter. 
1691  bei  Stieler  Koffer,  Kuffer,  1577  bei  Junius 
184*  Koffer,  hochd.  im  16.  Jh.  auch  Kopfer 

Weigand,  Deutsches  Wörterbach.    5.  Aufl. 


(noch  bayr.-kärnt.  kupfer  n.),  1561  bei  Maaler 
Koffran,  1541  bei  Frisius  (arca)  koffren;  dazu 
1477  clev.  cofferen,  ndrhein.  im  14.  Jh.  coffer, 
cuffer,  mndl.  koffer  m.  Noch  im  18.  Jh.  coffre. 
Entlehnt  aus  afranz.-prov.  cofre,  nfranz.  coffre 
m.  «Kiste,  Kasten»  m.,  diese  nebst  ital.  cofano 
m.  «Kiste,  Korb»  und  span.  cuebano  m.  «Korb» 
aus  gr.-lat.  cophinus,  gv.  KÖcpivoc  m.  «Korb». 

Kog,  m.  (-[e]s,  PI.  Köge):   eingedeichtes, 

der  See  abgewonnenes  Land.  In  Dithmarschen, 

lim  15.  und  16.  Jh.  koch  m.  (Schiller -Lübben 

2,  509),  1755  bei  Richey  Koog,  mndl.  cooch, 

entlehnt  dän.  kog.     Unerklärt. 

Kogel,  f.  (PI.  -n),  auch  n.  (s,  PI.  wie  Sg.): 
Kapuze  an  einem  Rock  oder  Mantel,  die  über 
den  Kopf  gezogen  wei'den  kann;  Mantel  mit 
einer  solchen  Kapuze;  über  den  Kopf  hängende 
hohe  Frauenmütze;  Bergkuppe.  Auch  Kugel, 
Gugel.  Mhd.  gugele,  gugel,  kugel,  kogel  f.,  seit 
der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jh.  auch  von  der 
Frauenmütze,  ahd.  cucula,  cugula,  cugela  f., 
entlehnt  aus  mlat.  cuculla  f.,  lat.  cucullus  m. 
«Kapuze,  Kopf  hülle».     Vgl.   Gugelhopf. 

Kogge,  f.  (PI.  -n) :  breites,  hinten  und  vorn 
rundliches  Schiff.  Die  niederdeutsche  Form  füi* 
hd.  Kocke,  mhd.  kocke  m.,  vereinzelt  kucke, 
koche,  gocke,  spätahd.  kocho  m.,  md.  und  mnd. 
kogge  m.,  Anfang  des  15.  Jh.  bei  Schiltberger 
159  kock  f.:  dazu  ndl.  1598  bei  Kilian  kogghe, 
koghschip,  anord.  kuggr,  Island,  kuggi  m.  «klei- 
nes Fahrzeug»,  meng],  cogge,  engl,  cog,  cock 
I  «Beischiff».  Aus  afranz.  coque,  nfranz.  choque, 
coche  m.  «Schiff»,  span.  coca,  ital.  cocca  f. 
«kleines  Wasserfahrzeug».  Dazu  kymr.  cwch 
«Nachen,  Kahn». 

Kognak,  m.   {-s,  PI.  -e  und  -s):  Franz- 
I  branntwein,  nach  der  französisch.  Stadt  Gognac 
benannt.     Im  19.  Jh.  entlehnt. 

^Kohl,  m.  (-S,  PI.  -e),  die  Pflanzenart 
brassica.  Mhd.  köl  (PI.  -e),  auch  kol,  ahd.  cöl  m. 
Daneben  älterahd.  Köl,  Kohl  (noch  mundart- 
lich), mhd.kcele,  koel,anch  köl,  eihä.-and.kölim.; 
ferner  ahd.  chölo,  mhd.  kole  m.  und  ahd.  chola  f. 
Der  Name  ist  mit  der  Pflanze  aus  dem  Süden 
überkommen,  lat.  caulis,  cölis  m.,  gr.  kouXöc  m. 
«Stengel»,  besond.  «Kohlstengel»,  dann  «Kohl»; 
woher  auch  ags,  cawel,  cawl  m.,  engl,  cole, 
anord.  kdl  n.,  schwed.  käl,  dän.  kaal,  ebenso 
afranz.  chol,  nfranz,  chou,  ital.  cavolo  m.  und 
k3'mr,  caivl.  RA.  aufgewärmter  Kohl  «alte, 
abgetane  Geschichten  als  Neuigkeiten  vorge- 
bracht», bei  Günther  778,  nach  lat.  cramhe 
repetita  bei  Juvenal  Sat.  7, 154.  ZUS.  Kohl- 
garten, m.:  Gemüsegarten,  bei  Luther,  spät- 

69 


1091 


Kohl 


Eokon 


1092 


mhd.  (Schweiz.)  köllgarten,  anord.  kälgarär  m. 
Kohlrabi,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.  und  -s):  Kohl- 
art mit  dicker  oberirdischer  Knolle,  im  16.  Jh. 
aus  Italien  eingeführt.  1691  bei  Stieler  Z'o^ra&i, 
1715  bei  AmaranthesZb/iZraH,  Cauliravi,  1731 
bei  Zinck  öcon.Lex.  KauUrahi,  KoJil-Rahi  oder 
Buben-Kohl,  entlehnt  aus  ital.  cavolo  rapa, 
Plur.  cavoli  rape  (cavolo  m.  «Kohl»,  rapa  f. 
«Eübe»),  woher  auch  frz.  chou-rave  m.  Kohl- 
rübe, f.:  Erdrübe  mit  kohlartigen  Blättern, 
1775  bei  Adelung;  in  Thüringen  JS^ame  des 
Kohlrabis,  1678  bei  Krämer  Kohlrübe.  Kohl- 
Strunk,  m.:  Kohlstenge],  spätmhd.  im  14.  und 

15.  Jh.  Jcolstrunk,  kolstrunke  m. 

^Kohl,  m.  (-s):  langweiliges,  dummes  Ge- 
schwätz. Studentisch  (1790  bei  Bahrdt  Lebens- 
geschichte 1, 250),  gaunerisch  1753  Kohl  «blauer 
Dunst»,  1814  Kohl  «Erzählung»,  von  hebr.  qöl 
m.  «Stimme,  Gei-ücht,  Schalb.  ABL.  kohlen, 
V.:  Kohl  machen,  viel  durcheinander  sprechen. 

Kohle,  f.  (PI.  -w):  schwarz  geschweltes 
Holz  usw.,  ähnliches  Mineral  als  Brennstoff. 
Mhd.  kol  m.  n.  (PI.  -en  -n,  im  Neutr.  köler), 
selten  kole  f.,  ahd.  chol  n.  und  cholo  m. ;  dazu 
mnd.  kol{e),  1477  clevisch  coil,  ags.  col  n.,  engl. 
coal,  anord.  schwed.  kol  n.,  dän.  kul.  Vielleicht 
uiTerwandt  mit  amd.  jvälati  «brennt,  glüht», 
air.  gUal  «Kohle».  ^J5I/.  kohlen,  v. :  tr.  Kohlen 
brennen,  mhd.  im  14.  Jh.  kolen;  intr.  schwelen, 
glimmen,1562  beiMathesiusSareptaSOl  ^ÄroZew. 
Köhler,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Kohlenbrenner, 
mhd.  koler,  im  15.  Jh.  köler  m. ;  davon  Köhler- 
glaube, m.:  treuherzig  fester  Glaube,  dann 
unbedingter  Kirchenglaube,  blinder  Glaube 
(anschließend  an  eine  Anekdote  bei  Luther 
6, 107^  „einDoctor  hab  einen  Köler  zu  Präge 
auff  der  Biücken  gefragt:  Lieber  man,  was 
gleubstu?  Der  Köler  antwortet:  Das  die  Kirche 
glaubt.  Der  Doctor:  Was  gleubt  denn  die 
Kirche?     Der  Köler:  Das  ich  gleube."),  im 

16.  Jh.  bei  Agricola  Sprichw.  Nr.  234  des  Kolers 
Glaub,  1575  bei  Fischart  Garg.  251  des  Kölers 
Glauben,U54.  bei  Logau  3,2,85  Köhler-Glaube. 
ZUS.  1)  mit  Kohl-.  Kohlapfel,  m.:  (kohl)- 
schwärzliche  rotbäckige  Apfelart,  1691  bei 
Siieler  Kolajjfel.  Kohlfeuer,  n.:  Feuer  von 
Kohlen,  urspr.  Holzkohlen,  im  1 5.  Jh.  kollefüer  n. 
(Altd.  Blätter  1, 125),  mnd.  kölvür,  bei  Luther 
Joh.  18,  18  Kolfeiver,  noch  bei  Schiller  4,  78, 
jetzt  Kohlenfeuer.  Kohlmeise,  f.:  Schwarz- 
meise d.  h.  Meise  mit  kohlschwarzem  Scheitel, 
mhd.  kolemeise,  ags.  colmäse  f.  Kohlrabe,  m. : 
der  gemeine  schwarze  Rabe,  1775  bei  Adelung. 
kohlschwarz,  adj. :  schwarz  wie  eine  Kohle, 


mhd.  kolsivarz,  anord.  kolsvartr;  verstärkt 
kohlrabenschwarz  (Maler  Müller  1,  128),  kohl- 
pechschivarz  ( 1 644  bei  Klaj  Anferst.  Jes.  Chr.  1 6), 
kohlpechrabenschwarz  (in  Mitteldeutschland), 
kohlrußrabenpechschwarz  (1745  bei  Schwabe 
Tintenfäßl,  Titelbl.).  2.  mit  Kohlen- -.Kohlen- 
brenner,  m.:  Köhler,  1691  bei  Stieler  Kol- 
brenner,  1508  in  der  Straßburger,  1510  in 
der  Hagenauer  Gemma  d2^  kolenbrenner,  aber 
1518  in  der  Straßburger  kolbrenner,  mnd. 
1277  kolebernere,  ndl.  1598  kolenberner  m, 
Kohlensäure,  f.:  die  übliche  Benennung  für 
Kohlendioxyd.  Kohlenstoff,  m.,  in  der 
Chemie  ein  zuerst  ans Kohleti  gewonnener  Stoif, 
beide  1808  bei  Campe  als  neugebildete  Worte. 

Kohlrabi,  s.  ^Kohl. 

Koje,  f.  (PI.  -n):  Schiffsverschlag  zum 
Schlafen;  enge  mit  Brettern  abgeschloßne 
Winkelschlafstelle  überhaupt.  In  1.  Bed.  um 
1600  bei  Hulsius  Schiff.  3,  70  und  1691  bei 
Stieler  Koye,  aus  mnd.  koje,  mndl.  koye  f.  «Ver- 
schlag, Stall»,  nndl.  kooi  f.  «Schiffsbettstelle», 
Nebenform  von  Kaue  (s.  d.). 

Kokarde,  f.  (PI.  -n):  Hutzeichen  als  Ab- 
zeichen, Feldzeichen.  Im  spätem  18.  Jh. 
(Schiller  11,  143,  Goethe  17,  269)  entlehnt  aus 
gleichbed.  franz.  cocarde  f.,  urspr.  bonnet  ä  la 
cocarde  «Mütze  mit  einer  hahnekammähnlichen 
Schleife»,  von  coq  m.  «Hahn». 

kokeln,  v.,  md.  und  nrhein.  Form  von 
gaukeln  (s.  d.),  schon  im  16.  Jh.  beiMelanchthon 
kokeln  und  kökeln,  1495  in  der  Kölner  Gemma 
S  4*^  cokelen;  daher  obersächs.  kökeln  «kindisch 
mit  Licht  oder  Feuer  spielen»,  kekeln  «mit  dem 
Stuhle  kippeln,  einen  Kopfsprung  (kekelpurz) 
machen». 

koken  und  köcken,  v.:  laut  rülpsen;  sich 
erbrechend  von  sich  geben.  In  der  letzten  Bed. 
bei  Luther  köcken,  göcken,  1566  bei  Mathesius 
Historien  120^  koken;  1517  bei  Trochus  QS'» 
köcken  «inilpsen».  Noch  md.  koken,  käken, 
sthweh.goeggen  in  beid.  Bed.  Dazu  engl,  to  keck 
«Brechreiz  empfinden».  Wohl  lautnachahmend. 

kokett,  adj. :  gefallsüchtig.  1 694  bei  Neh- 
ring  coqvet,  aus  gleichbed.  franz.  coquet,  von 
franz.  coq  m.  «Hahn»,  eig.  «sich  brüstend  wie 
ein  Hahn».  Dazu  Kokette,  f.  (PI.  -n):  gefall- 
süchtiges, buhlerisches  Weib,  1694  bei  Nehring 
Coqvete,  franz.  coquette  i.  kokettieren,  v.: 
sich  kokett  zeigen,  im  18.  -Jh.  aus  franz.  coquetter. 
Koketterie,  f.:  Gefallsucht,  im  18.  Jh.  aus 
franz.  coquetterie  f. 

Kokon,  m.  (-S,  PI.  -s):  Gehäuse  der  Seiden- 
raupenpuppe.  Das  franz.  cocon  m.,  abgeleitet 


1093 


EokosniLß 


Kollation 


1094 


von  franz.  coque  f.  «Gehäuse,  Schale,  Raupen- 
gespinst», das  vielleicht  aus  gi\-lat.  conclia,  gr. 
KÖTxi  f-  «Muschel,  Muschelschale»  stammt. 
1801   bei  Campe. 

Kokosnuß,  f.:  hartschalige,  Milch  enthal- 
tende Frucht  der  Kokospalme.  1595  bei  Hul- 
sius  Schilf.  1,  22  Cocos,  1628  bei  Münster  Cos- 
mogr.  S.  1605  Cocosbaum,  S.  1697  Cocobaum. 
Aus  span.-port.-frz.-engl.  coco  m.     Unerklärt. 

Koks,  m.  (PI.,  meist  aberSg.):  abgeschwe- 
felte Steinkohle.  Aus  dem  PI.  (cokes)  des  engl, 
gleichbed.  coke  (in  schlechter  Schreibg.  coake). 
Dialektisch  bedeutet  das  Wort  auch  «Asche» 
und  «Mark  von  etwas,  Kernhaus».  Die  ältere 
Form  ist  colke,  das  mit  schwed.-diah  kalk 
«Mark  in  Knochen»  zu  gr.  -fe^Tic  «Kern  im 
Knoblauchskopf»  gehört.     1813  bei  Campe. 

Kolben,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  Stiel,  Stab 
mit  dickem  Knopfe,  im  Mittelalter  als  Waffe 
des  gemeinen  Mannes  und  Abzeichen  (urspr. 
Wafle)  des  Narren;  kolbenähnlicher  Pflanzen- 
stengel (mhd.  um  1400  in  louchkolb  m.);  der 
kupferne  oder  gläserne  Destillierkolben  (1650 
bei  Moscherosch  Philander  1,  222);  das  dicke 
Ende  des  Gewehrs  (bei  Lessing  8,  121,  wie  es 
scheint  schon  mhd.  im  Erec  5387  f.  kolbe  m. 
«die  Kuppe  des  Streitkolbens»);  an  Dampf- 
maschinen der  im  Treibzylinder  sich  hin  und 
her  bewegende  K.  am  Ende  der  Kolbenstange, 
im  19.  Jh.  benannt  nach  dem  K.  der  alten 
Wasserkunst,  der  an  der  Kolbenstange  befestigt 
und  in  der  Pumpenröhre  auf  und  ab  steigend 
das  Wasser  dinickt  und  hebt;  nur  als  Fem. 
Kolbe  «Kopf  des  Menschen»  (bei  Luther  3, 
408*'),  «kurzgestutzter  Haarschopf»  (Birlinger 
Augsburger  Wb.  286*  vom  J.  1508,  mnd.  1559 
kolve  f.),  «Glatze»  (1517  bei  Trochus  Xl'' 
kulbe  f.,  noch  md. ).  In  1.  Bed.  älternhd.  Kolbe 
(noch  bei  Schubart  2,  65),  Kalb,  mhd.  kolbe, 
ahd.  kolbo  m.,  md.  im  12.  Jh.  colvo  m.  und 
colva  f.  (Germ.  9,  25,  "S'');  dazu  and.  kolvo  m., 
nnd.  kulft.,  ndl.  kolve,  kolft,  woneben  stark- 
biegend anord.Ä;o//rm.  «Wurfspieß  mit  kolbiger 
Spitze,  Klöpfel  der  Glocke»  u.dieAbltg.fci/^/a  f., 
dän.kölle  «Keule».  Urverwandt  entweder  mit 
ir.  gulban,  kymr.  gylfin  «Stachel»  oder  mit  lat. 
globus  m.  «Kugel,  Haufe,  Klumpen».  RA.  Jeni. 
mit  Kolbe7i  lausen  «mit  dem  Knüppel  behan- 
deln (eig.  scheren)  und  dadurch  zur  Vernunft 
bringen»,  aus  der  Baderstube  entlehnt,  mhd. 
narren  mit  kolben  lüsen. 

Kolibri,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.  und  -s):  das 
amerikanische  Blumenvöglein.  1727  bei  Hüb- 
ner Kolibri,    1774   bei  Adelung   Colibrit  m. 


(-en,  PI.  -en)  (so  schon  Fidibus  Lpz.  1769  S,  9), 
Colibritchen  n.     Aus  span.  colibri  m. 

Kolik,  f.  (PL  -en):  Bauchgrimmen,  Darm- 
gicht. 1664  bei  Duez  Colick,  1616  bei  Henisch 
Colica  f.,  1591  bei  Decimator  Sylva  vocabu- 
lorum  HhS'^  Xb^c/t,  mnd.  1424  kolk  f.  Aus  gr.- 
lat.  cölica,  gr.  kiuXikti  f.  (zu  ergänzen  vöcoc  f. 
«Krankheit»),  eig.  Adj.  von  küjXov,  köXov  n. 
«Grimmdarm». 

Kolk,  m.  (-es,  PI.  -e):  tiefes  Wasserloch 
von  Ausdehnung;  Strudel,  Wirbel.  In  Nord- 
deutschland. In  der  1.  Bed.  bei  Luther  8.  Mos. 
11,  36,  mnd.  kolk,  kulk,  auch  afries.  kolk  m. 
«Grube,  Loch,  Augenhöhle»;  in  der  2,  Bed. 
1691  bei  Stieler  und  1668  bei  Schottel  S.  959, 
md.  1517  bei  Trochus  T  4^  und  schon  im  14.  Jh, 
bei  Jeroschin  kolk,  mnd.  kolk,  kulk,  ndrhein. 
1188  colc  m.  (Lacomblet  Urkdb.  1,  358):  dazu 
nndl.  kolk  f.  «Abgrund,  Strudel».  Vielleicht  mit 
den  unter  Koks  behandelten  Worten  verwandt. 

Kolkrabe,  m.  (-«,  PI.  -n):  der  gemeine 
gi'oße  Rabe.  In  Xorddeutschland.  1604  bei 
Decimator  Gewissensteufel  73  Kolchrabe,  1691 
1  bei  Stieler  Kolkrabe,  benannt  nach  Frisch  1741 
I  von  seiner  Stimme,  die  er  im  Halse  macht,  d.  h. 
von  kolken  «dumpf  gurgeln»  (1691  bei  Stieler 
kolken,  gulken,  golkeren,  um  1480  im  Voc.  ine. 
teut.  k  1  ^  golkatzen,  Var.  golkotzen). 

KoUaborätor,  m.  (-s,  PI.  -en)-.  Schul- 
gehilfe. Im  18.  Jh.,  aus  mlat.  collaborator  m. 
von  colldböräre  «mitarbeiten». 

Kollaps,  m.  {-ses,  PI.  -se):  Zusammen- 
bruch; schnelle  Abnahme  der  Kräfte.  Aus 
gleichbed.  mlat.  coUapsus  von  colläbäri  «zu- 
sammenstürzen». Aus  der  Sprache  der  Medi- 
zin in  neuerer  Zeit. 

Kollation,  f.  ( PI. -ew) :  Vergleichung  zweier 
Schriften ;  Zwischenmahlzeit.  In  der  1 .  Bed.  1531 
bei  Hedio  Josephus  Vorr.  5'^  Collation  f.,  1616 
bei  Henisch  gekürzt  Collatz  f.  «Vergleichung», 
In  der  2.  Bed.  urspr.  «Vortrag  über  Tisch 
abends  in  einem  Kloster»  (mhd.  colläcie  f.), 
dann  «kalte  Mahlzeit,  Trunk  nach  derselben» 
mhd.  collation,  colläcie  f.,  verallgemeinert  im 
16.  Jh.  Collation,  gekürzt  Collatz  f.  (1575  bei 
Fischart  Garg.  418)  mit  dem  Zeitwort  collatzen 
(Grimmeishausen  Simpl.  2,  598  Klr.),  franz. 
collation  f.  «Imbiß».  Aus  lat.  collätio  f.  «das 
Zusammentragen,  Zusammentreffen,  Vereini- 
gung, Vergleichung»;  in  den  Klöstern  wurden 
beim  gemeinsamen  Abendessen  die  Collationes 
patrum  des  Joh.  Cassianus  vorgelesen.  Dazu 
kollationieren,  v. :  vergleichen,  1571  bei  Rot 
collationirn,  franz.  collationner. 

69* 


1095 


EoUeg 


Kolonialwaren 


1096 


Kolleg,  n.  (-[e]s,  PI.  -im),  auch  Kolle- 
gium: Amtsgenossenschaft  und  deren  Ver- 
sammlung; Vorlesung  an  einer  Universität 
(1639  bei  Zincgref  Apophth.  1,  165  Collegien). 
Aus  lat.  collegium  n.  «Amtsgenossenschaft, 
Verbindung  zu  gemeinsamem  Zweck,  Innung, 
Zunft»,  im  Neulat.  auch  «Hörerschaft  einer 
Vorlesung,  Universitätsvorlesung  vor  ständiger 
Hörerschaft».  KoUöge,  m.  (-n,  PI.  -n):  Amts- 
genosse, 1562  bei  Mathesius  Sarepta  164^  Col- 
lege, aus  lat.  collega  m.  «Amtsgenosse,  Genosse». 
Dazu  kollegiälisch,  adj.:  amtsbrüderlich 
(Goethe  5,  1,  176),  aus  glbd.  mlat.  collegiälis. 

Kollektäneen,  PI. :  Lesefrüchte,  Sammel- 
schrift. Im  18.  Jh.  (noch  1714  bei  Wächtler 
Collectanea)  aus  lat.  colledänea,  PI.  von  collectä- 
neum  n.  «Zusammengelesnes»,  demNeutr.  des 
Adj.  collectäneus,  abgeleitet  von  collectus,  dem 
Part.  Pass.  von  colligere  «zusammenlesen». 

Kollekte,  f.  (PI.  -n):  Beisteuersammlung 
(bei  Liliencron  3, 26*  vom  J.  1508  koUec(e);  ein 
Altargebet  (mhd.  collecte  f.).  Aus  mlat.  collecta  f. 
«Zusammengetragnes,  Almosensammlg.  usw.», 
eig.  Fem.  zum  lat.  Part,  collectus  (s.  vor.  Wort). 

kollektiy,  adj.:  das  Einzelne  zusammen- 
fassend, sammelnd  (Wieland  Aristipp  2,  26, 
Schiller  14, 12),  aus  lat.  collectlvus  «zusammen- 
gelesen», von  Part,  collectus  (s.  Kollektaneen). 
Kollektiv,  n.  (-5,  PI.  -e) :  Sammelname,  Sam- 
melwort, aus  gleichbed.  lat.  (nomen)  collec- 
tivuni  n. 

^Koller,  n.,  seltner  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.): 
Halsbekleidung  als  Teil  der  Rüstung  oder  Klei- 
düng; am  Halse  schließender  Lederharnisch 
füi- Brust  u.  Rücken  (im  16. — 18.  Jh.);  Manns- 
jacke, Wams  (1482  bei  Melber  0  2^,  noch 
bayr.);  Halskragen  (1716  bei  Ludwig),  Hals- 
krause. Auch  Goller  (Schiller  Teil  3,  3  als  m.), 
bei  Luther  Koller  mhd.  gollier,  kollier,  spät. 
goller,  koller  n.  «Halsbekleidung»;  auf  mhd. 
collir,  im  15.  Jh.  gollir,  beruhen  die  um- 
gelauteten  Formen  Koller  (bei  Alberus  dict. 
1540  und  Stieler  1691,  auch  nd.  im  16.  Jh.), 
keller  (im  15.  Jh.  bei  Diefenbach  gl.  132^^)  und 
Schweiz.  Goller  n.  (bereits  im  16.  Jh.).  Ent- 
lehnt aus  franz.  collier  m.,  von  lat.  eolläre  n. 
«Halsband»,  mlat.  collarium,  collerium  n.  «Hals- 
rüstung», abgeleitet  von  lat.  collum  n.  «Hals». 

^Koller,  m.  (-es,  PI.  wie  Sg.):  krankhafte 
Wunderlichkeit  aus  innerm  Zorn  oder  innerer 
Wut.  Im  15.  Jh.  koler  (Diefenbach  gl,  1313'), 
mhd.  um  1300  kolre  m.  «stille  od.  ausbrechende 
Wut»,  nd.kuller.  Entlehnt  aus  gr.-lat.  cholera  f. 
«Galle,  Gallensucht»  (s.   Cholera),   dann  im 


Mlat.  (wo  auch  colera)  «innere  Hitze  und  er- 
hitztes, verbranntes  Blut  im  Körper»,  ferner 
«Aufbrausen  im  Gemüte,  Zorn»,  woraus  auch 
ital.  collera,  früh,  colera,  franz.  colere  f.  «Galle», 
dann  «Zorn,  Groll,  Grimmigkeit».  Aus  gr.-lat. 
cholera  aber  ist  schon  entlehnt  ahd,  cholaro, 
choloro,  im  11.  Jh.  cholere,  mhd.  kolre  m. 
«Bauchgrimmen,  heftiger  Schmerz  in  Gedär- 
men». ABL.  kollerig,  adj.,  1582  bei  Fischart 
Garg.  348  gallenkollerig.  kollern,  v.:  aus 
innerm  Zorn,  innerer  Wut  unsinnig  sein,  von 
Menschen  bei  Luther  1  Sam.  21,  13,  närrisch 
tun  (Werke  8,  67  "^  J.),  bei  Pferden  (6, 145*  J.), 
dann  im  17.  Jh.  voll  Zorn,  lärmend  zanken, 
ungestüm,  lärmend  reden;  zorn-,  wuterfüllte 
tiefe  Töne  ausstoßen  (1562  bei  Mathesius  Sa- 
repta 302*),  vom  Truthahn(Simpl.  1,1019  Klr). 
Davon  KoUerer,  m.:  kollernder  Mensch;  kol- 
lerndes Pferd  (in  beiden  Bed.  1691  bei  Stieler). 

kollern, V.:  kugeln,  rollen,  sich  fortwälzen; 
rollende  Laute  hören  lassen,  z.  B.  im  Bauche. 
1716  bei  Ludwig,  nd.-md.  kullern,  schles.  kullen 
«rollen»,  abgeleitet  von  md.  Koller,  Kuller  f., 
schles.-kurhess.  Kulle  f.  «Kugel»,  schles.  auch 
«Walze,  Rolle»,  aus  mhd.  kugele  f.  «Kugel». 

KoUMt,  n.  (-[e]s,  PI.  -e,  auch  -s):  Reitjacke. 
Im  17.  Jh.  (1694  bei  Nehring  Collef)  aus  franz. 
collett,  ital.  colletto  m.  «Halskragen»,  von  lat. 
Collum  n.  «Hals». 

Kolli,  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.  oder  -s),  eigent- 
lich PI.  von  Kollo,  n.:  Warenballen,  Fracht- 
stück. 1712  bei  Hübner  Colli,  aus  ital.  colli, 
PI.  von  collo  m.  «Ballen  Ware». 

kollidieren,  v.:  in  feindliche  Berührung 
kommen.  1694  bei  Nehring,  von  lat.  collldere 
«zusammenschlagen,  -stoßen,  feindlich  anein- 
ander kommen.  Dazu  KollisiÖn,  f.  (PI.  -en): 
Widerstreit,  1694  bei  Nehring,  von  lat.  colllsio 
f.  «das  Zusammenstoßen», 

Kollier  (spr,  kolje),  n,  (-s,  PI.  -s):  Hals- 
kette als  Schmuck.  Im  19.  Jh.  aus  gleich- 
bed, franz,  collier.    Vgl,  ^Koller. 

Kolon,  n,  (-S,  PI,  -5  und  Kola):  der 
Doppelpunkt,  1694  bei  Nehring  CoZo».  Ausgr,- 
lat.  Colon,  gr.  küuXov  n.  «Glied»,  dann  «Glied 
einer  Periode»  (gegliederten  Satzverbindung), 
in  welcher  Bed.  um  1522  Ickelsamer  46  die 
PI.  Cola,  Colen  ebenso  wie  Commata,  Commaten 
gebraucht  und  dabei  als  Trennungszeichen 
dieser  Satzglieder  :  und  /  angibt. 

Kolonialwaren,  PI.  f.:  Aus  den  über- 
seeischen Kolonien  bezogne  Waren.  Zgs.  mit 
kolonial  aus  nlat.  colöniälis  «zu  den  Kolonien 
gehörig».    Anfang  des  19.  Jh.  aufgekommen. 


1097 


Kolonie 


Komfort 


1098 


Kolonie,  f.  (PI.  -[ejn):  Pflanzort,  Ansiede- 
lung. 1617  bei  Hulsius  Schiff.  13,  7  Colonie. 
Aus  lat.  colönia  f.  «Ansiedelei»  (wovon  in  j 
alter  Zeit  Köln),  von  lat.  colönus  m.  «Land- 
wirt, Pflanzer».  Dazu  Kolonist,  m.  (-en, 
PI.  -en):  Ansiedler,  1741  bei  Fiisch.  koloni- 
sieren, V. :  eine  Kolonie  gründen,  bei  Goethe 
15, 1,  300,  aber  schon  1575  bei  Fischart  Garg. ' 
17  colonisiren  «ansässig,  einheimisch  machen». 

Kolonne,  f.  (PI.  -n)-.  Säule,  Heersäule, 
Aufstellung  in  Ordnung  von  größrer  Tiefe. 
1710  beiNehiing  Colonne  in  militärischer  Bed. 
Aus  gleichbed.  franz.  colonne,  ital.  colonna  f. 
«Säule»,  von  lat.  colunma  f.  «Säule».  Dazu 
Kolonnade,  f.  (PI.  -n)  -.  Säulengang,  Säulen- 
halle (bei  Herder  z.  Philosophie  1, 165  Colon- 
nade),  aus  gleichbed.  franz.  colonnade  f.,  da- 
für 1712  bei  Hübner  Colonnata  f. 

KolophÖninm,  n.  (-s):  Geigenharz,  be- 
nannt nach  der  Stadt  Kolophon  in  Kleinasien, 
1565  bei  Paracelsus  Wundartzney  55  Colo- 
fonie,  1678  bei  Krämer  Golofonien,  Colfonien  n. 

Koloqninte,  f.  (PI  -n):  Bitter-,  Papier- 
gui-ke.  Bei  Luther  (2.  Kön.  4.  39)  der  PI. 
Colochinten,  Kolquinten,  1536  bei  Wicel  An- 
notationes  1,  126^  Kolokinten,  aus  mlat.  im 
15.  Jh.  coloquintis,  gr.-lat.  colocynthis,  gr. 
KoXoKuvGic  f. 

kolorieren,  v.:  mit  Farbe  ausmalen, 
färben  (1571  bei  Rot  colorim,  1562  bei  Ma- 
thesius  Sar.  49'',  78*  coloriren);  nrit  künst- 
lichen Tonverzierungen  singen  (1571  bei  Rot, 
colerieren  1551  bei  Scheidt  Grobianus7).  Aus 
lat.  colöräre  «färben»,  von  color  m,  «Farbe». 
Dazu  Koloratur,  f.  (PI.  -en):  künstliche 
Tonverzierung,  1571  bei  Rot  Coloratur,  in  eig. 
Bed.  «Färbung»,  1562  bei  Mathesius  Sar.  265*'. 
Kolorit,  n.  {-[e^s,  PI.  -e):  Farbeugebung, 
im  17.  Jh.  (1712  bei  Hübner  Colorit  n.,  1678 
bei  Krämer  der  PI.  Coloriten),  aus  gleichbed. 
ital.  colorito  m, 

Koloß,  m.  (Gen.  Kolosses,  PI.  Kolosse): 
Riesensäule,  Riesengestalt.  Im  17.  Jh.  bei 
Lohenstein  Hyacinthen  56  der  Plur.  Kolossen, 
mit  schwacher  Flexion  neben  der  starken  noch 
bei  Wieland,  Goethe,  Schiller.  Aus  gr.-lat. 
colossus,  gr.  KoXoccöc  m.  «Riesenbildsäule», 
insbesondre  die  70  Ellen  hohe,  dem  Sonnen- 
gott geweihte  eherne  auf  der  Lisel  Rhodus. 
Dazu  kolÖSSisch,  adj.:  riesenmäßig,  über- 
groß, ungeheuer,  bei  Wieland  Idris3,58,  Herder 
z.  Philosophie  5,  67,  von  gr.-lat.  colossicus, 
gr.  KoXocciKÖc.  kolossal,  adj.  (Goethe  31,  72), 
aufgenommen  aus  franz.  colossal  «riesig-,  über- 


groß»; davon  kolossäliscll,  adj.,  bei  Lessing 
6,  454,  Wieland  Suppl.  4,  89,  Schiller  7,  8. 
kolportieren,  v,:    von  Haus  zu  Haus 

tragen,  im  18.  Jh.  aus  franz.  colporter,  eig. 
«am  Halse  (lat.  collum  n.)  tragen»  (lat.portäre). 
Dazu  Kolporteur,  m.,  1712  bei  Hübner  Col- 
porteur  «mit  italienischen  und  französischen 
Galanteriewaren  umherwandemder  Tablett- 
träger», aus  franz.  colporteur  m.  Kolpor- 
tage (spr.  -äze),  f.  (PI.  -n):  Hausierhandel, 
besonders  mit  Büchern. 

Kolster,  m.  (-s):  zäher  Schleim,  bei  Les- 
sing 1,  203,   entstanden   aus  Qualster  (s.  d.). 

■"Kolter,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  abgenähte 
(Bett-)  Decke,  Steppdecke.  Bei  Luther  2.  Kön. 
8,  15  Kolter,  obd.  im  16.  Jh.  und  noch  heute 
meist  Golter.  Mhd.  kolter,  golter,  üblicher 
kulter,  gulter  m.  (noch  bayr.  Chilter),  nd.  kolter 
«Polster,  Decke,  worauf  man  sitzt  oder  liegt», 
zuweilen  auch  «Bettdecke».  Aus  afranz.  colstre, 
coltre,  coutre  f.,  von  lat.  culcitra  f.  «Polster, 
Matratze».  Dagegen  entspringt  aus  der  ein- 
fachem lat.  Form  culcita  f.  das  gleichbed. 
md.  kulte,  kolte  f.,  mnd.  kolte  f.,  mndl.  culct  f. 

^Kolter,  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Pflugmesser, 
Sech.  Norddeutsch.  1640  bei  Colerus  Hausb. 
4,  60  Kolter,  mrhein.  im  16.  Jh.  kolter,  kolffter 
(Weisth.  2,  538.  597),  mehr  ndrhein.  1413  kolter 
(ebd.  2,  726, 10).  Aus  gleichbed.  afranz.  coltre 
m.,  nfranz.  coutre,  ital.  coltro  m.,  von  lat.  culter 
m.  «^lesser,  Pflugmesser». 

Kolumne,  f.  (PI.  -n):  bei  den  Buch- 
druckern die  Spalte  (eig.  Schriftsäule)  einer 
Buchseite,  1774  bei  Adelung  Columne,  1694  bei 
Nehring  Columna,  aus  lat.  colunma  f.  «Säule», 

Kombination,  f.  (PI.  -en):  berechnende 
Verbindung  (fmh  im  18.  Jh.),  aus  mlat.  combi- 
nätio  f.  kombinieren,  v. :  berechnend  ver- 
binden; zusammenfügen  (1703  im  Zeit.-Lex.). 
;  Aus  spätlat.  conibinäre  (woher  auch  franz. 
comhiner  «je  zwei  verbinden»),  zusammen- 
gesetzt aus  lat.  com-  «mit,  zusammen»,  und 
einer  Ableitung  von  lat.  &m  «je  zwei». 

Kom^t,  m.  {-en,  PI.  -en):  Schweif-,  Haar- 
stem,  (1579  bei  Calepinus)  Strobelstern.  1482 
im  Voc.  theut.  r2*  komet,  mhd.  comete  m.; 
dazu  ags.  cometa  m.  Aus  gr.-lat.  cometa,  gr. 
KoiariTric  m.,  eig.  «langes  Haar  tragender», 
von   gr.  KÖuri  f.  «Haar». 

Komfort,  m.  {-s,  PI.  -s):  Behaglichkeit, 

Bequemlichkeit,  um  1800  entlehnt,  bei  Goethe 

Naturw.  Sehr.  4,  142  der  PI.  Comforts.    Aus 

!  glbd.  engl,  com  fort,  mengl.  comfort  «Stärkung, 

I  Trost»,  durch  afranz.  confort  m.  «Stärkung», 


1099 


Komiker 


Kommentar 


1100 


von  lat.  confortäre  «sehr  stärken»,  za  lat.  fortis 
«stark».  Dazu  komfortabel,  adj.:  behaglich, 
früher  auch  bekömmlich  (Schiller  an  seine 
Frau  vom  10.  3.  1801).    Vgl.  Ladendorf. 

Komiker,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Schau- 
spieler füi-  lustige  Bollen  (erst  im  19.  Jh.). 
kömisch,  adj.:  Lachen  erregend  (bei  Gott- 
sched und  Geliert  1,  281);  närrisch,  wunder- 
Hch  (bei  GeUert  4,  66).  Jenes  von,  dieses  nach 
gr.-lat.  cömicus,  gr.  kuj|uiköc,  als  Adj.  «witzig, 
scherzhaft,  lächerlich»,  als  männl.  Subst.  «ko- 
mischer Schauspieler,  Lustspieldichter»,  von 
Küüiuoc  m.  in  der  Bed.  «Umzug  voll  Mutwillen 
und  Ausgelassenheit»  (s.  Komödie). 

Komitee,  n.  (-s,  PI.  -s):  leitender  usw. 
Ausschuß.  Bei  Norddeutschen  öfters  Fem., 
vereinzelt  auch  wohl  Mask.  Im  17.  Jh.  auf- 
genommen (1703  im  Zeit.-Lex.)  aus  gleichbed. 
franz.  comite  m.,  und  dies  aus  engl,  committee, 
eig.  «Untersuchungsausschuß  von  und  aus 
dem  Parlament»  (so  bei  Schiller  M.  Stuart  1,  7 
Komniittee),  von  engl,  commit  «übergeben, 
anvertrauen».  Letztres  aber  aus  franz.  com- 
mettre  «(zu  einem  Amt)  bestellen,  abordnen», 
von  lat.  committere  «anvertrauen». 

Komma,  n.  (s.  PI.  -s  und  Kommata): 
als  Interpunktionszeichen  der  Beistrich,  bis 
ins  18.  Jh.  von  längi-er  Gestalt  /.  Bei  Nehring 
1694  Comma,  aus  gr.-lat.  comma,  gr.  KÖ)x\xa  n. 
«Ein-,  Abschnitt,  Glied  einer  Periode»  (wie 
noch  um  1522  Ickelsamer  den  PI.  Commata, 
Commaten  gebraucht,  s.  Kolon),  von  gr.KÖirreiv 
«schlagen,  abhauen». 

KommandltgesellSCliaft,  f.:  Handels- 
gesellschaft mit  stillen  Teilnehmern.  Zgs. 
mit  dem  glbd.  aus  franz.  commandite  ent- 
lehnten Kommandite  (1801  bei  Campe). 

Kommando,  n.  (-s,  PI.  -s):  Befehl,  im 
17.  Jh.  (bei  Grimmelsh.  Simpl.  8  Conimando, 
1639  bei  Micrälius  Pommern  1,  79  gekürzt 
Command  n.)  entlehnt  aus  gleichbed.  ital.-span. 
comando  m.,  von  dem  aus  lat.  commendäre 
«empfehlen»  (zusammengesetzt  aus  com-  «mit», 
numdäre  «auftragen»)  gewordnen  ital.  coman- 
dare,  span.  comandar,  franz.  Commander  «be- 
fehligen, gebieten»,  woher  im  16.  Jh.  kom- 
mandieren, V.:  befehlen,  befehligen  (1571 
bei  Rot  commendirn,  1617  bei  Wallhausen 
Corp.  mil.  10  commandiren).  Kommandant, 
m.  (-en,  PI.  -en):  Befehlshaber  (1617  im  teut- 
schen  Michel  10,  1642  bei  Homburg  Clio  R  8 
und  1646  bei  Moscherosch  Philander  4,  222 
Coiyimendant ,  1664  bei  Duez  Cotumandant), 
aus  gleichbed.  ital.-span.  comandante  m.,  dem 


als  Subst.  gesetzten  Part.  Präs.  jenes  ital.  und 
span.  Zeitworts.  Davon  Kommandantur,  f. 

kommen,  v.(Pv&s.komme,  kommst,  kommt, 
Prät.  kam,  Konj.  käme,  Part,  gekommen):  sich 
wohin  bewegend  gegenwärtig  werden.  Bei 
Luther  komen,  mhd.  komen,  auch  kumen  (be- 
sonders md.),  ahd.  queman,  dann  coman,  kuman, 
chomen;  dazu  asächs.-ags.  cumun,  engl,  come, 
afries.  kuma,  anord.  koma,  schwed.  komma, 
dän.  komme,  got.  qiman.  Urverwandt  mit  aind. 
ga.mati«ge\\X,  gehen»,  awest.j'awaifü< kommt», 
lat.  venio  (aus  *gvenio)  «ich  komme»,  gr.  ßaiviu 
(aus  *ßavji'uu)  «ich  gehe»,  arm.  ekn  «er  kam», 
ir.  fohenat  «subveniunt»,  der  alte  qu-haut  hat 
sich  in  bequem  (s.  d.)  erhalten.  Das  Präs.  lautet 
im  Sg.  bei  Luther  kome,  kompst,  kompt  und 
selten  kömpt  (die  umgelaut.  Formen  kömmst, 
kömmt  oft  im  17.  und  18.  Jh.,  vgl.  Lessing 
10,  225,  noch  im  19.  Jh.  bei  Chamisso,  Heine, 
Rückert),  mhd.  kume  (md.  kome),  kumest, 
kumet,  zuweilen  kiimet,  kümt  (andrhein.  quimit, 
kummit),  ahd.  quimu  (dann  cumu),  quimist 
(dann  cumist,  chomest),  quimit  (dann  cumit, 
chumit  noch  im  18.  Jh.  schles.  qvimmt,  quimt); 
das  Prät.  bei  Luther  kam,  mhd.  kom,  kam 
(md.  quam),  PI.  komen,  kämen  (md.  quämen), 
Konj.  koeme,  kceme  (md.  queme),  ahd.  quam, 
Cham,  PI.  quämumes,  Konj.  quämi;  das  Part. 
Pass.  bei  Luther  und  vorwiegend  älternhd. 
komen,  mhd.  komen,  kumen,  zuweilen  gekomen, 
ahd.' queman,  quoman,  dann  cuman,  chomen, 
noch  heute  im  Volkston  dichterisch  oder  alter- 
tümelnd  kommen.  In  der  Weise  eines  Hilfs- 
zeitwortes erscheint  kommen  dem  Part.  Prät. 
eines  anhaltende  Bewegung  ausdrückenden 
Verbums  zugesellt,  in  welcher  Verbindung 
dies  Part,  aktiven  Sinn  hat,  z.  B.  er  kommt 
geflogen  usw.,  oft  im  IMhd. 

Kommende,  f.  (PI.  -n):  Ordenspfmnde. 
1581  bei  Fischart  Binenkorb  223^  Commeiide, 
aus  mlat.  cojumenda  f.,  von  lat.  commendäre 
«anvertrauen,  übertragen».    Vgl.  Komtur. 

Kommönt,  m.  (-s,  -s-,  spr.  Komniq):  der 
Brauch  des  Burschenlebens  und  das  Gesetz- 
buch darüber,  1795  belegt.  Eigentlich  das 
«Wie»,  aus  franz.  cojnment  «wie». 

Kommentar,  m.  {-s,  PI.  -e  und  -arien): 
Erläuterung,  Erläuteningsschrift.  Bei  Lessing 
3,  20  vom  J.  1750  Commentar,  aber  schon 
1531  bei  Hedio  Josephus  Vorr.  S,  2  der  PI. 
Commentarien,  dafüi*  im  16.  u.  17.  Jh.  (1508 
bei  Altenstaig,  95^,  bei  Luther  und  Duez) 
Comment  m.  Aus  gleichbed.  lat.  commentärius 
m.  (eig.  Adj.,  zu  ergänzen  liher  m.  «Buch»). 


1101 


Kommers 


Komödiant 


1102 


kommentieren,  v.:  erläutern,  leQ-iXehi-ing 
coynmentiren,  aus  gleichbed.  lat.  commentäri. 

Kommers,  m.  (Gen.  -es,  PI.  -e):  student.  | 
Trinkgelage.    1781  bei  Kindleben  Kommersch, ' 
bei  Campe  1813  Commerce,  aus  franz.  commerce 
m. «Verkehr» (s.  Kommerz).  ZUS. Kommers- 
buch, n.:  Trinkliederbuch  der  Studenten. 

Kommerz,  m.  (-es):  Handelsverkehr-,  aus  j 
gleichbed.  franz.  commerce  m..,  von  lat.  com- 
mercium n.  «Handel».  1678  bei  Krämer  der 
PI.  Commercien  (und  schon  in  den  schles. 
Acta  publica  vom  J.  1618  S.  225  Commertien) 
« Handelschaft».  ZUS.  Kommerzienrat, 
m.:  Titel,  der  an  Großkaufleute  verliehen  wird. 

Kommis  (spr.  Kommi),  m.  (Gen.  u.  Plui-. : 
ebenso,  aber  mit  gesproch.  s):  Handlungs- 
diener. Das  gleichbed.  franz.  commis,  eig. 
«Beauftragter»,  von  commettre  «beaufti-agen», 
aus  dem  gleichbed.  lat.  committere,  dessen 
Part,  Perf.  Pass.  commissus  lautet.  Im  altem 
Nhd.  ist  K.  s.  V.  a.  «Beauftragter,  Stellver- 
treter» (so  noch  bei  SchiUer  14,  192),  dafür 
jetzt  Kommissar;  die  jetzige  Bed.  erscheint 
bei  Campe  1813. 

Kommiß:  zm-  regelmäßigen  Lieferung 
an  Soldaten  Zugerichtetes,  im  16.  u.  17.  Jh. 
(1596  bei  Fronsperger  Kriegsb.  1,  31^  in  die 
Commiß  greiffen,  aus  der  Commiß  gehen,  1617 
im  teutschen  Michel  38,  1650  bei  Moscherosch 
2,  702.  812,  aber  schon  1555  bei  Wickram  Koll- 
wagenb.  71,  22  Commißmetzger  für  Lands- 
knecht), aus  franz.  commis,  lat.  commissus, 
Part.  Pass,  von  lat.  committere  «anvertrauen», 
franz.  comtnettre  «beauftragen».  ZUS.  Kom- 
mißbrot, n.:  Soldatenbrot,  schon  im  16.  Jh. 
(bei  Hörn  Soldatensprache  26  ein  Beleg  von 
1598;  1648  bei  Kemnitz  schwed.  Krieg  1,  160^ 
Commishrot). 

Kommissär,  Kommissar,  m.  i-s,  PI.  -e)  -. 
in  amtlicher  Sendung  Betrauter,  amthcher 
Geschäftsbetrauter.  Im  15.  Jahrb.  (1447  im 
Henneberg.  Urkdb.  7,  Nr.  252  der  Sg.  com- 
missari,  bei  Janssen  Reichscorr.  2,  106  vom 
J.  1449  der  PL  commissarien)  entlehnt  aus 
mlat  commissarius  m.  «mit  Besorgung  eines 
Geschäfts  Betrauter,  Vollzieher  der  Testa- 
mente», woher  franz.  commissaire  m.  und  hier- 
aus früh  im  18.  Jh.  Commissär.  Davon  Kom- 
missariat, n.  {-es,  PI.  -e),  1564  in  den  Script. 
rer.  Siles. 4,  202.  Kommission,  f.  (PI.  -en): 
Auftrag;  Untersuchungsausschuß.  In  der  1. 
Bed.  1495  in  den  Reichsordn.  18^  Commission, 
auch  bei  Hermann  v.  Sachsenheim  Mörin  2390; 
in  der  2.  Bed.  1447  im  Henneberg,  ürkdb.  7, 


Nr.  252,  aus  lat.  commissio  f.  «Begehung»,  im 
spätem  Latein  «Vollmacht»,  im  Mlat.  «Auf- 
trag». Kommissionär,  m.  {-s,  PI.  -e):  Ge- 
schäftsbevollmächtigter, 1775  bei  Adelung,  aus 
franz.  commissionnaire  m.,  von  mlat.  commis- 
sionarius  m.    Vgl.  Kommis. 

kommlich,  adj.:  bequem,  passend,  dien- 
lich, zuträglich.  Schweiz.-elsässisch,  daher 
bei  Schiller  Teil  4, 1  (V.  2128).  :Mhd.  komlich, 
Schweiz,  im  15.  Jh.  kumlich.  Zgs.  mit  kommen. 

kommöde,  adj.:  bequem.  Im  17.  Jh. 
commode,  aus  gleichbed.  franz.  commode,  von 
lat.  commodus  «bequem».  KommÖde,  f. 
(PI.  -n):  Schiebkastenschrank.  Im  18.  Jh. 
Commode  (Zachariä  Phaeton  1,  33,  Hermes 
Soph.  Reise  1,  532)  aus  gleichbed.  franz.  com- 
mode f.,  dem  substantivischen  Fem.  des  Adj. 
commode.  Kommoditat,  f.:  Bequemlich- 
keit; (verhüllendj  Abtritt.  In  der  1.  Bed. 
bei  Grimmeishausen  Simpl.  1,  868  Klr.  Commo- 
dität,  aus  franz.  commodite  f.,  von  lat.  com- 
moditas  f.  «Bequemhchkeit». 

Kommune,  f.  (PI.  -n):  Gemeinde.  Schon 
spätmhd.  kommüne  f.,  aus  franz.  commune  f., 
das  auf  lat.  commünio  f.  «Gemeinschaft»  zu- 
i-ückgeht,  von  communis  «gemein»,  kom- 
munal, adj.:  was  zur  Gemeinde  gehört.  Aus 
gleichbed.  lat.  cömmünälis.    Im  19.  Jh. 

Kommunikant,  m,  (-en,  PI.  -en):  Emp- 
fänger des  heiligen  Abendmahls.  Bei  Luther 
4,  316^  J.  Communicanten,  aus  lat.  commüni- 
cans  (Gen.  communicantis) ,  Part.  Präs.  von 
co/»wi«?»'cäre  «gemeinschaftlich  machen,  etwas 
mitteilen»,  woher  kommunizieren,  v. :  dui-ch 

Mitteilung  gemeinschaftlich  machen  (1616  bei 
Henisch  communiciren):  gemeinschaftlich  zum 
heil.  Abendmahle  gehen  (bei  Luther  5,  82* 
communiciren).  Kommunion,  f.:  Empfang 
des  heil.  Abendmahls,  bei  Luther  5,  96''  Com- 
munion,  aus  lat,  commünio  f.  «Gemeinschaft», 
im  4.  Jh.  «das  heil.  Abendmahl»,  von  lat. 
communis  «gemeinschaftlich».  Kommunis- 
mus, m.:  Gütergemeinschaft.  Aus  nlat.  com- 
munismus.  Ebenso  wie  Kommunist,  m.,. 
politisches  Schlagwort  seit  1840.  VgL  Laden- 
dorf und  ZfdW.  8,  18. 

Komödis'int,  m.  (-en,  PI.  -en):  Schau- 
spieler. 1617  im  teutschen  Michel  25  und 
1620  bei  Albertinus  Lustgarten  265  Gomediant, 
1689  bei  Zincgref  1,  304  Comoediant,  1691  bei 
Stieler  Komödiant  neben  Komediant  und  Kom- 
mediant,  nach  gleichbed.  ital.  commediante  m., 
dem  als  Subst.  gebrauchten  Part.  Präs.  von 
comtnediare  «Lustspiele  aufführen»,   zu  ital. 


1103 


Kompagnie 


Kompliment 


1104 


commedia  f.  «Lustspiel»,  aus  gr.-lat.  comoedia  f. 
Daher  komödiantisch,  adj.,  1712  bei  Hübner 
comödiantisch,  1694  bei  Nehring  coniediantisch. 
—  Komödie,  f.  (PI.  -n):  Lustspiel  (im  17. 
und  18.  Jh.  Schauspiel,  Theater  überhaupt, 
nach  franz.  comedie  f.).  Im  15.  Jh.  mrhein. 
coniedie  (bei  Diefenbach  gl.  IB4:'^),  1517  comedi 
f.  (vocabula  pro  juventute  Bl.  23*),  1639  bei 
Zincgref  1,  304  Comoedie,  1691  bei  Stieler  Ko- 
mödie neben  Komedie  und  Kommedie,  aus  gr.- 
lat.  comoedia,  gr.  Kuu.uoibia  f.  «Lustspiel»,  im 
Griechischen  eig.  wohl  «Festgesang»,  zgs.  aus 
KuJuoc  m.  «festlicher  Aufzug  mit  Musik,  Ge- 
sang und  Tanz»,  zunächst  zu  Ehren  des  Gottes 
Dionysos,  und  üjbr)  f.  «Gesang»  (s.  Ode).  Vgl. 
komisch,  Komiker. 

Kompagnie,  Kompanie  (spr.  Kompani), 
f.  (PI.  -w):  zu  etwas  verbundne  Gesellschaft; 
Abteilung  Soldaten  unter  einem  Hauptmann. 
Das  franz.  cotnpagnie  f.,  das  zurückgeht  auf 
ein  mlat.  companium  n.  «Gesellschaft»,  eig. 
«Brotgenossenschaft»,  zgs.  aus  lat.  com-  «mit» 
und  einer  Ableitung  von  pänis  m.  «Brot». 
Schon  mhd.  kompanie,  kumpanie  f.  «Gesell- 
schaft», dann  im  16.  Jh.  in  der  Bed.  «Handels- 
gesellschaft»; alsHeeresabteilung  1617bei  Wall- 
hausen Corp.  mil.  12. —  Kompagnon  (spr. 
kompanJQ),  m.  (-s,  PI.  -s):  Geschäftsteilhaber. 
Das  franz.  compagnon,  ital.  compagnone  m.,  eig. 
«Genosse».  Schon  1515  im  Eulenspiegel  Kap. 
39  companion  in  der  Bed.  «(Handwerks-)  Ge- 
nosse, Mitgesell».    Vgl.  Kumpan. 

kompakt,  adj.:  dicht,  gedrängt.  1716  bei 
Ludwig  compact,  aus  franz.  compacte,  von  lat. 
compacfiis  «gedrungen». 

Kompanie,  s.  Kompagnie. 

KomparatiT,  m.  (s,  PI.  -e):  Vergleichs- 
stufe, höhre  Stufe  des  Adjektivs  und  des  Ad- 
verbs in  der  Grammatik.  Aus  lat.  (gradus) 
comparätivus  m,,  eig.  Adj.  von  comparätus, dem 
Part.  Perf.  Pass.  von  comparäre  «vergleichen». 

Kompaß,  m.  (Gen.  Kompasses,  PI.  Kom- 
passe): Magnetnadel  mit  Büchse  (im  17.  und 
18.  Jahrb.  auch  «Taschensonnenuhr»  für  die 
Keise,  1678  bei  Krämer  «Zirkel»,  daher  die 
sprichwörtliche  RA.  Einem  den  K  verrücken 
«seine  Pläne  vereiteln»,  (1605  bei  Hulsius). 
Ln  frühen  15.  Jh.  compas,  daneben  compast, 
1540  bei  Albenis  dict.  ee3''  Compaß  (aber 
bereits  1253  bei  Heinrich  von  Krolewiz  Vater- 
unser 1468  f.  und  um  1190  im  Gedicht  La 
Bible  des  Guyot  de  Bercy  aus  Provins  be- 
schrieben). Aus  ital.  compasso  m.  «Kompaß, 
Zirkel»,  nebst  ital.  compassare  «abschreiten,  ab- 


messen» abgeleitet  von  \ai. passus  m.  «Schritt». 
Jetzt  betont  Kompaß,  aber  bei  Opitz,  A.  Gry- 
phius,  Hoffmannswaldau,  Canitz  usw.  Compaß. 

Kompendium,  n.  (-s,  PI.  -dien):  kurz 
gefaßtes  Lehrbuch,  Abriß.  Aus  lat.  compen- 
dium  n.  «Ersparnis»  (an  Arbeit).    Im  17.  Jh. 

Kompensation,  f.  (PI.  -en):  Ausgleichung, 
Entschädigung,  Aufrechnung.  Aus  gleichbed. 
franz.  compensation  f.  und  dies  aus  lat.  com- 
pensatio f.  von  com-pensäre  «gegeneinander 
abwägen»,  wovon  kompensieren,  v.:  auf- 
rechnen.    Beide  im  17.  .Ih. 

Kompetent,  m..{-en,  Pl.-en):  Mitbewerber 
um  ein  Amt,  1678  bei  Krämer,  kompetent, 
adj.:  zuständig,  befugt,  1714  bei  Wächtler 
competente,  von  lat.  competens  (Gen.  compe- 
tentis,  in  der  mlat.  Rechtssprache  «gebühr- 
lich, zuständig»),  dem  Part.  Präs.  von  compe- 
tere  «zusammentreffen,  gemeinsam  erstreben». 
Kompetenz,  f.:  Mitbewerbung,  Zuständig- 
keit (1678  bei  Krämer  Competentz),  aus  lat. 
competentia  f.  «Zusammentreffen»,  im  Mlat. 
«Mitbewerbung». 

Kompilation,  f.  (PI.  -en):  Zusammen- 
stoppelung  aus  Büchern,  kompilieren,  v.: 
(aus  Büchern)  zusammenstoppeln.  Erst  im 
18.  Jh.  aus  lat.  compüäre  «plündern»,  com- 
pilätio  f.  «Plünderung». 

komplett,  adj.:  vollständig,  1678  Krämer 
complet,  aus  gleichbed.  franz.  complet,  von 
lat.  completus  «vollgefüllt,  vollständig»,  dem 
Part.  Perf.  Pass.  von  lat.  complere  «an-,  voll- 
füllen». Davon  komplettieren,  v.:  ver- 
vollständigen, ergänzen,  1703  im  Zeit. -Lex. 
completiren,   aus  gleichbed.  franz.  completer. 

Komplex,  m.  {-es,  PI.  -e):  Zusammen- 
fassung, Zusammengefaßtes.  Oft  bei  Goethe 
(3,  368;  naturw.  Sehr.  6,  9).  Aus  lat.  com- 
plexus  m.  «das  Umfassen». 

Komplice,  m.(-?i,  Pl.-w):  der  Mitschuldige, 
Helfershelfer.  Ende  des  17.  Jh.,  aus  gleich- 
bed. franz.  complice  m.,  von  lat.  complex  m. 
(Gen.  compUcis)  «Verbündeter,  Teilnehmer». 

kompliziert,  adj. :  verwickelt.  Bei  Campe 
1801.  Das  Part.  Perf.  Pass.  von  komplizieren, 
lat.  complicäre   «zusammenfalten,   -wickeln». 

Kompliment,  n.  {-es,  PI.  -e):  Verbeu- 
gung; Empfehlung;  Höflichkeitsbezeigung, 
Artigkeit.  Im  17.  Jh.  (1615  bei  Albertinus 
Landstörzer  255  der  PI.  Gomplimenten),  aus 
gleichbed.  franz.  compliment  und  dies  aus  ital. 

complimento  m. '  Davon  komplimentieren, 

V.,  1669  im  Simplic.  217  complimentiren,  aus 
franz.  complimenter,  ital.  complimentare. 


1105 


Komplott 


Konferenz 


1106 


Komplott,  n.  {-[e]s,  PL  -e):  geheime  Yer- 
bindung  zu  Schlimmem;  Meuterei.  Im  17.  Jh. 
(1686  bei  Liebe)  aus  dem  in  seinem  Ursprung 
dunklen  franz.  complot  m.  «heimlicher  böser 
Anschlag  unter  Mehrem»  (in  der  ersten  Hälfte 
des  16.  Jh.  «Verabredung,  Übereinkunft»). 
Davon  komplottieren,  v.,  im  17.  Jh.  aus 
franz.  comploter. 

komponieren,  v.:  eine  Tondichtung  schöp- 
ferisch zusammensetzen.  1571  bei  Eot  com- 
ponirn,  aus  lat.  compönere  «zusammensetzen». 
Komponist,  m.  {-en,  PI.  -en):  Tonsetzer, 
bei  Luther  Briefe  4,  586  und  bei  Rot  1571 
Componist  Komposition,  f.  (PI.  -en):  Zu- 
sammensetzung (um  1522  bei  Ickelsamer  32 
Coniposition  der  Wörter);  Metall-  oder  Erd- 
mischung (Zimm.-Chron.-  4,  139,  8);  Ton- 
dichtung (1571  bei  Rot).  Aus  lat.  compositio 
f.,  «Zusammensetzung». 

Kompost,  m.  (-[e'ls,  PI.  -e):  gemengte 
Düngererde.  Neures  Lehnwort  der  Gärtner 
und  Winzer  aus  gleichbed.  franz.  compost  m., 
mlat.  compostum  n.  «Dünger»,  von  lat.  com- 
positum «Zusammengesetztes»   (s.  Kompott). 

Kompott,  n.  (-[e].s,  PI.  -e):  eingemachtes 
gedämpftes  Obst,  bei  Campe  1801,  aus  gleich- 
bed. franz.  compote  f.,  ital.  composta  f.,  aus 
lat.  composita,  dem  Fem.  des  Part.  Perf. 
Pass.  compositus  von  compönere  «zusammen- 
setzen». Dafür  im  16.  bis  18.  Jh.  Compost  m. 
(1567  bei  Junius  111%  Schlehenkompost  1575 
bei  Fischart   Garg.  210). 

kompreß,  adj.:  zusammengedrängt,  enge. 
Im  17.  Jh.,  aus  lat.  compressus  «knapp,  enge», 
dem  Part.  Perf.  Pass.  von  comprimere  « zu- 
sammen dnicken,  -pressen».  Davon  Kom- 
presse, f.  (PI.  -n):  Umschlag  um  eine  Wunde, 
Beule  und  ähnliches.     1813  bei  Campe. 

Kompromiß,  m.  und  n.  (Gen.  -sses,  PI. 
-sse):  gegenseitige  Übereinkunft,  besonders 
streitiger  Personen;  Urteil,  dem  sie  sich  unter- 
werfen. Im  15.  Jh.  compromiss  n,  (Öheim 
154,  13),  aus  lat.  cotnprömissum  n.  «gegen- 
seitiges Versprechen»,  dem  substantivischen 
Neutr.  von  comprömissus ,  Part.  Perf.  Pass. 
von  compromittere  (s.  d.  folg.). 

kompromittieren,  v.:  (dem  Schimpfe) 
bloßstellen.  Im  17.  Jh.  compromittiren  (1694 
bei  Nehring),  aus  gleichbed.  franz.  compro- 
mettre,  von  lat.  compromittere  «gegenseitiges 
Versprechen  geben». 

Komtur,  m.  (-s,  PI.  -e)  -.  Ordenspfründner ; 
Vorgesetzter  eines  Ordenshauses  oder  Oi-dens- 
gebietes.  Mhd.  kommentiur,  commendür,  kome- 
Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


dür,  kumtürm..,  aus  afvajiz.com}n€nd€or  (nfranz, 
commandeur),  von  mlat.  commendator  m.  «Be- 
fehlshaber eines  geistlichen  Ordensgebietes 
oder  Ordensgutes»,  von  lat.  commendäre  «emp- 
fehlen», im  Mlat.  «befehlen».  Vgl.  Kommende. 

kondensieren,  v. :  eindämpfen,  eindicken. 
Xach  lat.  condensäre  «dicht  machen,  zusammen- 
pressen».    1791  bei  Roth. 

Kondition,  f.  (PI.  -eyi):  Bedingung;  Zu- 
stand; Dienst.  Im  16.  Jh.  Condition  f.  «Be- 
ding, Vorschlag»  (1580  bei  Schwartzenbach 
Syn.  14*),  «Dienst,  Stelle»  (bei  Luther  Briefe 
5,  528),  aus  lat.  conditio  f.  «Bedingung,  be- 
dungene Übereinkunft»,  von  condere  «zu- 
sammengeben». ABL.  konditionieren,  v.: 
in  Diensten  stehen.     Im  17.  Jh. 

Konditor,  m.  {-s,  PL  wie  Sg.):  Zucker- 
bäcker. 1716  bei  Ludwig  Conditor,  1728  bei 
Sperander  Conditer,  aus  lat.  conditor  m.,  von 
condire  «durch  Zutaten  lecker  machen, Früchte 
einlegen»  (1616  bei  Henisch  Co/iJ?'^« Konfekt», 
ebenso  mhd.  condiment  n.  aus  lat.  condlmentum 
n.).    ABL.  Konditorei,  f.:  Zuckerbäckerei 

Kondolenz,  f.:  Beileidsbezeugung.  Im 
17.  Jh.  ibei  Schuppius  617  Condolentz),  aus 
gleichbed.  ital.  condolenza  f.  kondolieren, 
V.:  sein  Beileid  bezeugen,  1694  bei  Xehring 
coTidoliren,  von  lat.  condolere  «sehr  leiden», 
dann  «Mitleid,  Beileid  bezeugen». 

Kondor,  m.  (-s,  PL  -e)  -.  südamerikanischer 
Greii'geier.  1721  bei  Jablonski,  über  span. 
condor  m.  aus  peruanisch  cuntur. 

Kondottiere,  m.  (-s,  PL  -w  und  Km- 
dottieri):  Führer  einer  Söldnerbande.  Aus 
gleichbed.  ital.  condottiere  (14.  Jh.),  abgeleitet 
von  ital.  Part.  Perf.  Pass.  condotto,  lat.  con- 
ductus,  zu  ital.-lat.  condücere  «führen». 

Kondukteur,  (spr.  -ör),  m.  {-s,  PL  -e): 
Begleiter,  Schaffner.  Aus  franz.  conducteur 
«Leiter»,  von  conduire  «führen».  1728  bei 
Sperander. 

Konfekt,  n.  (-5,  PL  -e):  Zuckergebacknes. 
!Mhd.  im  14.  Jh.  confect  n,,  aus  gleichbed.  mlat. 
confectum  n.,  urspr.  Xeutr.  des  Part.  Perf.  Pass. 
von  conficere  «verfertigen».  Konfektion,  f. 
(PL  -en) :  Anfertigung  von  Kleidern  usw.  Aus 
gleichbed.  franz.  confection  f ,  nlat.  confectio  f. 
Im  19.  Jh.  Davon  Konfektionsgeschäft,  n. 

Konferenz,  f.  (PL  -en):  Beratschlagung, 
1678  bei  Krämer  Conferentz,  aus  mlat.  con- 
ferentia  f.  «Unterredung»,  von  lat.  conferre 
«zusammentragen,  mitteilen»,  konferieren, 
V.:  gemeinschaftlich  beraten;  (ein  Amt)  über- 
tragen.   Früh  im  16.  Jh.  (bei  Fischart  Garg. 

70 


1107 


Konfession 


König 


1108 


274  conferieren  in  der  1.  Bed.),  aus  gleich- 
bed.  franz.  conferer,  von  lat.  conferre  «mit- 
teilen, zuwenden». 

Konfession,  f.  (PI.  -e») :  Bekenntnis  (mhd. 
confession  f.);  Eeligions-,  Glaubensbekenntnis 
(nacb  der  confessio  Augustana  von  1530,  bei 
Rot  1571  Confession),  aus  lat.  confessio  f.  «Be- 
kenntnis», von  confiteri  «bekennen». 

konfirmieren,  v.:  rechtskräftig  bestä- 
tigen (mhd.  im  13.  Jh.  confirmiren  Geimania 
28,  363);  zur  Bestätigung  des  Tauf  bundes  ein- 
segnen (1534  bei  Franck  Weltb.  127  **  con- 
firmieren),  aus  lat.  confirmäre  «festmachen, 
bestätigen».  Konfirmand,  m.  (-en,  PI. -e?i): 
der  als  Mitglied  der  christlichen  Kirche  be- 
stätigt und  eingesegnet  werden  soll,  aus  lat. 
confirmandus,  dem  Part.  Perf.  Pass.  von  con- 
firmäre. Konfirmation,  f.  (PI.  -en) :  rechts- 
kräftige Bestätigung  (1487  im  Stadtrecht  von 
Gera  Einleit.  confirmacion) ;  Investitur  (im 
15.  Jh.  confirmaz  f.);  Einsegnung  zui'  Be- 
stätigung des  Tauf  bundes  (1534  bei  Franck 
Weltbuch  127*'  Confirmation);  aus  lat.  con- 
firmätio  f.  «Befestigung,  Bestätigung». 

konfiszieren,  v.:  gerichtlich  einziehen. 
1507  bei  Janssen  ReichscoiT.  2,  738  confisciren, 
aus  lat.  confiscäre  «füi-  die  kaiserliche  Schatz- 
kammer (lat.  fiscus  m.)  einziehen».  Kon- 
fiskation, f.:  Verfallserklärung,  aus  lat.  con- 
fiscätio  f.  «Vermögenseinziehung».  Im  17.  Jh. 

Konfitüren,  PI.:  Eingemachtes;  Zucker- 
gebäck. Aus  gleichbed.  franz.  confiture  f.,  das 
auf  lat.  confectüra  f.  von  conficere  (s.  Konfekt) 
zumckgeht.     1711  bei  Eädlein, 

Konflikt,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  feindlicher  Zu- 
sammenstoß. Im  18.  Jh.,  aus  gleichbed.  lat. 
conflictus  m.,  von  confligere  «feindlich  zu- 
sammenstoßen». 

Konföderation,  f.  (PI.  -en)  -.  Verbindung 
(im  17.  Jh.).  konföderieren,  v.:  verbünden, 
im  17.  Jh.  (bei  Nehring)  aus  lat.  confoederäre 
«durch  Bündnis  vereinigen»,  davon  (um  400 
n.  Chr.)  lat.  confoederätio  f.  «Bündnis». 

konform,  adj.:  gleichförmig,  überein- 
stimmend. Im  17.  Jh.  (bei  Xehring  con  form), 
aus  glbd.  späterlat.  conformis,  von  lat.  forma  f. 
«Form». 

konfrontieren,  v.:  zum  Verhöre  Stirne 
gegen  Stirne,  d.  h.  gegenüberstellen,  1616  bei 
Henisch  confrontiren,  aus  mlat.  confrontare^ 
von  lat.  frons  f.  «Stirne».  Konfrontation,  f., 
mlat.  confrontatio  f.     1728  bei  Sperander. 

konfus,  adj.:  verwirrt,  im  16.  Jh.  in  der 
Zimm.  Chron.  -  1,  529,  23  confus,   aus   glbd. 


lat.  confUsus,  Pai't.  Perf.  Pass.  von  confundere 
«zusammengießen,  verwiiTen».  Konflisiön,  f. 
(PI.  -en):  Verwirrung,  Durcheinander.  1571 
bei  Rot  Confusion,  aus  glbd.  lat.  confusio  f. 

Kongreß,  m.  (Gen.  -sses,  PI.  -sse):  Zu- 
sammenkunft von  Abgeordneten  in  Staats- 
angelegenheiten. 1703  im  Zeit.-Lex.  Congreß, 
aus  lat.  congressHS  m.  «Zusammenkunft». 

König,  m.  (-S,  PI.  -e):  Fürst  der  höchsten 
Würde  nach  dem  Kaiser.  Bei  Luther  Konig, 
König,  md.  im  15.  Jh.  konig.  mhd.  künec,  ahd. 
kuning,  (mit  Auswerfung  des  jS'asals  wie  in  Ho- 
nig, Pfennig,  verteidigen)  kunig  m.;  dazu  asächs. 
cuning,  mnd.ko7iink,  mnd]. coninc,  afries.kining, 
ags.  cyning,  cyng,  engl,  king,  anord.  konungr, 
köngr  m.,  schwed.  konung,  kung,  dän.  ko7ige 
(got.  dai^ürßiudans  m.).  Mittels  der  Ableitungs- 
silbe -ing  von  got.  kuni,  ahd.  cunni,  mhd.künne, 
asächs.  cunni,  ags.  cyn,  anord.  kyn  n.  «Ge- 
schlecht» (s.  Kind),  also  eig.  «Mann  von  edlem 
Geschlecht».  Doch  scheint  neben  ahd.  chuning, 
ags.  cyning  ein  aus  ahd.chuniriche,  ag&.cynerice 
n.  (Königreich),  cynecyn  n.  (Königsgeschlecht), 
cynelic  (königlich)  sich  ergebendes  ahd.  chuni, 
ags.  cyne  «König»  vorhanden  gewesen  zu  sein, 
von  dem  jene  alten  Formen  für  König  abge- 
leitet sein  könnten,  bekräftigt  durch  die  Ab- 
leitimg  des  anord.  konungr  von  konr  m.  «Mann 
vornehmer  Abkunft»,  demnach  eig.  «Sohn  eines 
Mannes  von  edlem  Geschlecht».  Nach  Tacitus 
Germania  7  wählten  die  Germanen  die  Könige 
nach  edler  Geburt.  Mit  einem  unmittelbar 
dahinterstehenden  Eigennamen  bleibt  König, 
das  man  mit  diesem  als  eins  ansieht,  unver- 
ändert und  wird  nur  jener  Name  dekliniert, 
z.  B.  mhd.  künec Ärtüses  hof,  nhd.  König  Fried- 
richs Macht;  hat  aber  K.  den  bestimmten 
Artikel  vor  sich,  so  bog  mhd.  nur  der  Name, 
z.  B.  des  künic  Günther  es  man,  oder  auch 
zugleich  künec,  z.  B.  von  des  küneges  Sige- 
bandes  wihe  (Gudnin  156,  4),  doch  biegt  heute 
nur  König,  z.  B.  des  Königs  Karl.  Mit  einem 
Beinamen  dekliniert  man  z,  B.  König  Fried- 
richs des  Großen,  aber  des  Königs  Friedrich 
des  Großen.  ABL.  Königin,  f.  (PI.  -neu), 
bei  Luther  Königin,  mhd.  küniginne,  küne- 
ginne  und  künigin,  künegln,  md.  küniginne, 
ahd.  kunninginna  und  kunningin,  mnd.-mndl. 
koninghinne  f.  königisch,  adj.,  bei  Luther 
und  Goethe,  ahd.  chuningisc,  jetzt  veraltet. 
königlich,  adj.,  mhd.  küniclich,  küneclich, 
ahd.  kuninglih,  kimiglih,  anord.  konungligr, 
engl,  kingly,  aber  ags.  cijnellc.  Königtum, 
n.,   1691   bei  Stieler  verzeichnet  als  frühres, 


1109 


Konjektur 


Konnetal)el 


1110 


nicht  mehr  gebrauchtes  Wort  für  Königreich; 
nach  Heynat^  Antibarb.  2,  195  von  Wieland 
für  franz.  royaute  f.  aufgebracht;  aber  asächs. 
cuningdörn  m.,  mndl.  koninkdom,  ags.  cyning- 
dorn  m.,  engl,  kingdom.  anord.  konungdömr  m. 
ZUS.  Königreich,  n.,  mhd.  kUnicnche,  ahd. 
kuningnchi,  ags.  cyningrice  und  cynerlce  n. 
Königskerze,  f.:  die  schöne  gelbe  Twie  Gold 
der  Königskrone  blinkende)  Wollblume  mit 
kerzengeradem  hohen  Stengel,  im  15.  Jahrh. 
konigis  kercz  (Diefenbach  gl.  573^).  KÖnigS- 
SChnß,  m.:  bester  Schuß  beim  Scheiben- 
und  Vogelschießen,  der  zum  Schützenkönig 
macht,  1691   bei  Stieler. 

Konjektur,  f.  (PI.  -en):  Vermutung,  Mut- 
maßung, 1571  beiPiot,  aus  glbd.lat. co?n'ecf«ra  f. 

konjugieren,  v.:  das  Zeitwort  biegen, 
in  der  kursächs.  Schulordnung  von  1580  con- 
jugiren,  aus  lat.  co/aw^äre«  verbinden».  Kon- 
jugation; f.  (PI.  -en):  Zeitwortbiegung,  bei 
lj\ither8,lBö^  Coniugation,  aus  lat.  coniugätio  f. 
«Verbindung»,  bei  den  lat.  Grammatikern  «die 
Biegung  des  Verbums»,  wofüi-  Schottel  1641 
Zeitwandehing,  Gottsched  1748  Abwandelung. 

Konjunktion,  f.  (PI.  -en):  Verbindung 
(bei  SchiUer  WaU.  Tod  1,  5  V.  401);  Binde- 
wort (1690  bei  Bödiker  233  f.  Conjunction), 
aus  lat.  coniunctio  f.  «Verbindung»,  bei  den 
lat.  Grammatikern  «Bindewort»  (von  lat.  con- 
jungere  «verbinden»),  dafür  1641  bei  Schottel 
Fügewort,  1691  bei  Stieler  Fügwort,  l'i AS  bei 
Gottsched  Bindeicort. 

konkäy,  adj.:  hohlrund.  1728  bei  Spe- 
rander,  aus  lat.  concavus  «gewölbt». 

Konklave,  n.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  ver- 
schloßnes  Papstwahlgemach ;  Papstwahlver- 
sammlung, 1703  im  Zeit.-Lex.  Aus  lat.  con- 
cläve  n.  «Verschluß». 

Konkordanz,  f. (PI. -en):  Findeverzeichnis 
der  Bibelspiüche  nach  ihrer  Übereinstimmung. 
Im  16.  Jh.  (1571  bei  Rot  Concordantz),  aus 
glbd.  mlat.  fl3.  Jh.)  concordantia  f.,  von  lat. 
concordäre  «übereinstimmen».  Schon  iml5.Jh. 
bei  Wolkenstein  concordantz  f.  «Einklang». 

Konkordat,  n.  {-s,  PI.  -e):  Vertrag  eines 
weltlichen  Fürsten  mit  dem  Papst  in  Kirchen- 
sachen. Aus  gleichbed.  mlat.  concordatum  n., 
von  lat.  concordäre  «zusammenstimmen,  in 
Eintracht  bringen». 

Konkubine,  f.  (PI.  -»):  Beischläferin, 
Kebsweib,  spätmhd.  concubine,  aus  gleichbed. 
lat.  concuMna,  dem  Fem.  von  lat.  concuhmus 
m.  «Beischläfer»,  zu  lat.  concumhere  «be- 
schlafen».     1572  bei  Rot.    Konkubinat,  n. 


{-[e]s,  PI.  -e):  wilde  Ehe,  aus  lat.  concu- 
Mnätus  m.  «außereheliche  Geschlechtsverbin- 
dung».    1728  bei  Sperander. 

konkurrieren,  v. :  sich  mitbewerben,  im 
17.  Jh.  (aber  1571  bei  Rot  concurrirn  in  der 
eig.  Bed.  «zusammen-  oder  mitlaufen»),  aus 
\dX.  concurrere  ^xmi-,  zusammenlaufen».  Kon- 
kurrent, m.  {-en,  PI.  -en):  Mitbewerber,  im 
17.  Jh.  aus  lat.  concurrens,  Part.  Präs.  von 
concurrere.  Konkurrenz,  f.  (PI.  -en) :  Mitbe- 
werbung, im  17.  Jh.,  aus  mlat.  concurrentia  f. 

Konkurs,  m.  (Gen.  -es,  PI.  -e) :  Zusammen- 
lavtf,  besonders  der  Zusammentritt  der  Gläu- 
biger zur  gerichtlichen  Teüung  des  für  ihre 
Fordeningen  unzureichenden  Vermögens  eines 
Schuldners.  Im  17.  Jh.  (bei  Xehring)  Concurs 
m.  «Zusammenlauf,  Zusammenkunft,  Ver- 
sammlung der  Gläubiger»,  aus  lat.  concursus 
m.  «Zusammenlauf».    Vgl.  Gant. 

können,  v.  (Präs.  kann,  PI.  können,  Prät. 
konnte,  Konj.  könnte,  Part,  gekonnt):  geistig 
innehaben  und  ausüben;  Fähigkeit,  Möglich- 
keit wozu  haben.  Mit  ö  aus  dem  Md.,  mhd, 
kunnen,  künnen,  ahd.  kunnan,  in  ältester  Zeit 
nur  «geistig  innehaben»;  dazu  asächs. -ags. 
cunnan,  afries.  kunna,  konna,  anord. -schwed. 
kunna,  dän.  kunne,  got.  kunnan  «kennen, 
wissen».  Daneben  ahd.  cnäan  (in  den  Kompos. 
int-,  ir-,  hicnäan)  «kennen»,  entsprechend  ags. 
cnäwan,  engl,  know  «kennen,  erkennen»,  anord. 
k)iä  «können,  vermögen».  Urverwandt  mit 
lat.  nöscere  «kennen»,  co-gnöscere  (Perf.  co- 
gnövi)  «erkennen»,  nötus  «bekannt»,  gnäi'us 
«kundig,  bekannt»,  gr.  fiTviücKciv  «erkennen», 
Yviücic  f.  «Erkenntnis»,  ir.  od-^ewsa  «erkannte», 
gnäth  «bekannt,  gewohnt»,  abg.  znati  «er- 
kennen», lit.  zinoti  «kennen,  einsehen»,  aii-. 
gnäth  «bekannt»,  aind.  jäwäw?  «ich  erkenne», 
aw.  zan-  «kennen»,  arm.  caneay  «kannte», 
alb.  riok  «kenne».  Das  Präs.  lautet  mhd.  kan, 
PI.  kunnen  (künnen,  können),  ahd.  chan.  kan, 
PI.  kunnun,  ags.  can,  cunnon,  got.  kan,  kunnum: 
das  Prät.  noch  ältemhd.  kunte  \kunt  d.  j. 
Goethe  3,  494,  kunnt  H.  Heine  1,  18),  mhd. 
künde,  konde  (Konj.  künde,  künde),  ahd  konda, 
auch  konsta,  got.  kunpa;  das  Part,  älternhd. 
gekonnt,  gekönnt,  mhd.  gekunnet  und  kunnen 
(noch  nhd.  bei  einem  Inf.,  z.  B.  er  hat  es  tun 
können ),  ags. cvT^,  ainnen,  got. kunps  f  vffl.kwid). 

Konnetäbel,  m.  (-s.  PI.  -s):  Kronfeld- 
herr. Im  17.  Jh.  Connefable,  aus  gleichbed. 
franz.  connetahle,  ital.  contestabüe,  connestabüe, 
Span,  condestable  m.,  urspr.  «Oberstallmeister», 
von  mlat.  constabulus  m.,  zgs.  aus  comes  stabidi 

70* 


1111 


Konnexion 


Konstabel 


1112 


«Stallmeister»  (lat.  comes  m.  «Begleiter»,  im 
Spätlat.  «Inhaber  eines  Hof-,  Staatsamtes», 
und  lat.  stabulum  n.  «Stall»). 

Konnexion,  f.  (PI.  -en):  einflußreiche 
Verbindung.  Im  17.  Jh.  Connexion  (bei  Neh- 
ling),  aus  franz.  connexion  f.  «Verbindung», 
von  lat.  connexio  f.  «Verknüpfung»,  zu  lat. 
connectere  «zusammenknüpfen». 

Konrad,  Mannsname.  Mhd.-ahd.  Kuonrät, 
ags.  Cenred.  Zgs.  aus  kühn  und  Rat.  Dazu 
die  Koseformen  Kurt,  nd.  Kord,  und  Kunz, 
mhd.  Kuonze,  Kunze,   ahd.  Ohuonzo,   Cunzo. 

Konrektor,  m.  {-s,  PI.  -en):  Mitrektor 
(zweiter  Lehrer)  einer  Schule.    Neulateinisch. 

konsekrieren,  v.:  weihen,  einweihen. 
Mhd.  consacrieren,  md.  consecriren  (Germania 
18,  266),  aus  lat.  consecräre. 

Konsens,  m.  (Gen.  -es,  PI.  -e):  Zustim- 
mung. Im  15.  Jh.  (1411  bei  Janssen  Reichs- 
corr.  1,  217  consensbrief),  aus  lat.  consensus 
m.  «Übereinstimmung». 

konsequent,  adj.:  folgerecht.  Im  18.  Jh. 
aus  lat.  consequens  (Gen.  consequentis),  dem 
Part.  Präs.  von  lat.  consequi  «nachfolgen, 
logisch  folgen».  Konsequenz,  f.  (PL  -en): 
Folge,  bei  Luther  7,  253^  Consequentz,  aus 
gieichbed.  lat.  eonssquentia  f. 

konseryatlV,  adj.:  erhaltend.  Aus  engl. 
conservative  von  einem.  lAat.  conservativiis  «er- 
haltend»  zu  lat.  conserväre,  s.  konservieren. 
Seit  1831  in  England  als  politisches  Schlag- 
wort belegt  und  bald  danach  als  Name  einer 
bestimmten  Partei  auch  in  Deutschland  ver- 
breitet.   Vgl.  Ladendorf. 

Konservatorium,  n.  (-s,  PL  -rien):  höhre 
Schule  für  Musik.  Latinisiert  nach  gieich- 
bed. franz.  conservatoire  (so  noch  1813  bei 
Campe)  von  lat.  conserväre,  s.  d.  folg.,  also 
eig.  «Ort  zur  Erhaltung  (der  wahren  Musik)». 

konservieren,  v.:  erhalten,  bewahren. 
1571  bei  Rot  conservirn,  aus  gieichbed.  lat. 
conserväre.  Konserve,  f.  (PL  -n):  einge- 
machte Früchte,  Gemüse  usw.  1580  bei  Sebiz 
Feldbau  70  Gonserf  f.,  1616  bei  Henisch  Gon- 
serv  f.  (eingezuckerte  Blumen  und  Kräuter), 
1546  bei  Bock  2,  20^  Gonserva  f.,  aus  mlat. 
conserva  f. 

konsistent,  adj.:  dicht,  dauernd,  haltbar. 
Aus  lat.  consistens  (Gen.  consistentis) ,  dem 
Part.  Präs.  von  consistere  «sich  hinstellen, 
seinen  Stand  haben,  feststehen,  bestehen». 
Davon  Konsist^nz,  f.:  Bestand,  Dichtheit, 
Dauer,  1716  bei  Ludwig  Gonsistenz,  franz. 
consistance,  ital.  consistenza  f. 


Konsistorium,  n.  {-s,  PL  -rien):  Ver- 
sammlung; zusammengesetzte  geistliche  Be- 
hörde (1562  bei  Mathesius  Sarepta  193^  Gon- 
sistorium).  Mhd.  consistorium  n.  «Sitzung 
unter  Vorsitz  des  Papstes»  (Ottokar  19471), 
aus  lat.  consistorium  n.  «Versammlungsort», 
von  lat.  consistere  «sich  hinstellen». 

konskribieren,  v. :  Mannschaft  ausheben 
zum  Soldatendienste.  Im  17.  Jh.  conscribiren 
(aufschreiben,  viel  Schi-eibens  machen),  um 
1800  in  der  Bed.  «zum  Kriegsdienst  auf- 
schreiben und  ausheben»,  aus  gieichbed.  lat. 
conscrihere.  Konskription,  f.  (PL  -en): 
Aushebung  zum  Kriegsdienst.  Bei  Goethe 
7,  22.  Nach  gieichbed.  franz.  conscription  f. 
(1798),  aus  lat.  conscriptio  f.  «Aufzeichnung». 

Konsöle,  f.  (PL  -n):  Kragstein,  Wand- 
gestell, Träger  für  Statuetten  u.  a.  Aus  glbd. 
franz.  console  f.,  das  vielleicht  von  consoler 
«trösten»  stammt.  Bedeutungsentwicklung: 
Trost,  Stütze,  Stützbänkchen.    1791  bei  Rot. 

Konsöls,  pL:  Staatspapiere.  Aus  engl. 
consols.     Im  19.  Jh. 

Konsonant,  m.  [-en,  PL  -en):  Mitlauter. 
1478  bei  Nicl.  v.  Wyle  350,  30  consmant,  352,  6 
consonanten,  um  1522  bei  Ickelsamer  11 
Konsonant  Mitstymmer.  Aus  gieichbed.  lat. 
(litera)  consonans  f.,  eig.  Part.  Präs.  von  con- 
sonäre  «mitertönen».  Davon  konsonan- 
tisch, adj.,  1593  bei  Helber  5  consonantisch. 
Konsonanz,  f.  (PL  -en):  Einklang,  im  18.  Jh. 
Gonsonanz,  aus  gieichbed.  lat.  consonantia  f. 

Konsorte,  m.  {-en,  PL  -en):  Mitgenosse, 
Teilnehmer,  jetzt  meist  in  anrüchigem  Sinne. 
1562  bei  Mathesius  Sarepta  60''  der  PL  Gon- 
sorten,  aus  lat.  consors  m.  (Gen.  consortis) 
«Teilhaber». 

konspirieren,  v.:  übereinstimmen,  sich 
verschwören.  Bei  H.  Sachs  Fab.  359,  100. 
Aus  gieichbed.  lat.  conspiräre.  Konspira- 
tion, f.  (PL  -en):  Übereinstimmung,  Ver- 
schwörung, 1509  bei  Brant  Layenspiegel  C  6^ 
Gonspiration ,  im  15.  Jh.  bei  Öheim  112,  8 
conspiraz  f.,  aus  gieichbed.  lat.  conspirätio  f. 

Konstäbel,  m.  (-s,  PL  wie  Sg.):  Feuer- 
'.  werker,  Stückmeister,  Kanonier,  1617  im  teut- 
schen  Michel  18.  Aber  Voc.  ex  quo  von  1469 
constahel  m.  «adelicher  Fürstenbote»,  mhd.  con- 
stabel  m.  «Anführer,  Befehlshaber»,  aus  mlat. 
constahulusis.Konnetabel);  spätrahd,  cowstouei, 
kunstdbel  m.  «Mitglied  der  patrizischen  Gelags- 
genossenschaft  in  den  Reichsstädten,  Junker». 
Konstäbler,  m.  {-s,  PL  wie  Sg.):  Stück- 
meister, Kanonier;  (englischer)  Polizeidiener. 


1113 


konstant 


Kontinent 


1114 


1650  bei  Moscherosch  Phil.  1,  170  Constäbler, 
aber  mhd.  kunstofeler  m.  «Koimetable»  (s.  d.), 
aus  mlat.  constahularius  m.  «Heerführer,  Be- 
fehlshaber zur  Lager-  od.  Festungsbewachung». 

konstant,  adj. :  behan-lich,  unveränderlich, 
1728  bei  Sperander,  aus  gleichbed.  lat.  constans. 

konstatieren,  v.:  feststellen,  ISOl  bei 
Campe  constatiren,  aus  gleichhedjrz.constater. 

konsternieren,  v. :  bestürzt  machen,  ver- 
blüffen. Im  17.  Jh.  (1694  bei  Nehring,  bei 
Weise  Cath.  135),  aus  gleichbed. lat.  consternäre. 

konstitnieren,  V. :  feststellend  zusammen- 
ordnen, 1571  bei  Rot  constituirn,  aus  lat.  consti- 
tuere  «feststehen  machen».  Konstitution,  f. 
(PI.  -en):  Leibesbeschaffenheit;  Staatsverfas- 
sung. 1495  in  den  Reichsordn.  28^  Constitu- 
tion f.  «Verfassung»,  iQh.d.constitucion  f.  «päpst- 
liche, bischöfliche  Satzung»  (Ottokar  13437. 
28076),  aus  lat.  constitütio  f.  «Feststellimg, 
EinrichtuAg».  konstitutionell,  adj.:  eine 
Staatsverfassung  habend;  verfassungsmäßig. 
Spät  im  18.  Jh.  Constitutionen  (Goethe  5,1, 151), 
aus  hsixa.  constitutionnel  «verfassungsmäßig». 

konstruieren,  v.:  zusammenordnen,  bei 
Luther  7, 20  ^  Jen.  construirn,  aus  lat.  construere 
«zusammenschichten»,  dann  «gi-ammatisch  ver- 
binden». Konstruktion,  f.  (PI.  -en):  Zu- 
sammenfügung, Zusammenordnung,  gramma- 
tische Verbindung  (um  1522  bei  Ickelsamer  45 
und  bei  Luther  8,  135*  Gonstrudion) ,  aus 
gleichbed.  lat.  construdio  f. 

Konsul,  m.  (-S,  PI.  -nj:  höchste  Magistrats- 
person, Bürgermeister  (spätmhd.  im  15.  Jh. 
consul,  kunsel);  beglaubigter  Handelsbevoll- 
mächtigter (1562  im  Reisbuch  des  heil.  Lands 
1,  359,  sowie  1582  bei  Rauwolff  Reise  23  u.  33). 
Aus  lat.  consul  m.  «höchste  Magistratsperson». 
Konsulat,  n.  (s,  PI.  -e)-.  Konsulwüx-de  (im 
16.  Jh.,  Sallust  D  2):  Gerichtsbarkeit  und  Woh- 
nung eines  Handelskonsuls.  Aus  lat.  consu- 
latus  m.  «Konsul würde».  Kousul^ut,  m, 
(-en,  PI.  -en):  Berater, Rechtsberater,  im  17.  Jh. 
Consulent,  aus  lat.  consulens,  Part.  Präs.  von 
consulere  «zu  Rate  gehen,  überlegen,  um  Rat 
fragen»,  im  Mlat.  auch  «Rat  geben»,  woher 
konsulieren,  v.:  um  Rat  fragen,  im  17.  Jh. 
consuliren  (bei  Nehring).  Konsultation,  f. 
( PI.  -en):  Beratschlagung,  Ratfragung,  1571  bei 
Rot  Consultation,  aus  gleichbed.  lat.  consul- 
tätio  f.,  von  lat.  consultäre  «beratschlagen»  (ab- 
geleitet von  consulere),  woher  konsultieren, 
V.,  im  17.  Jh.  consultiren  (bei  Nehring). 

konSuniieren,v.:  verbrauchen,  verzehren. 
1663  bei  Schuppius  54  cons-iimiren,  aus  gleich- , 


'  bed.  lat.  consumere.  Davon  Konsum,  m. 
(-[e]s):  Verbrauch.  Im  19.  Jh.  Kousüm- 
j  verein,  m.:  Genossenschaft  zum  gemeinsamen 
Einkauf  und  Verkauf.  1851  von  K.  Bürkli  ge- 
prägte Bezeichnung,  vgl.  ZfdW.  9,  283.  Kon- 
sumtion, f.:  Verbrauch,  1716  bei  Ludwig 
Consumtion,  aus  lat.  consumptio  f.  Aufzehmng. 

kont^nt,  adj.:  zufrieden.  1551  bei Scheidt 
Gi-obianus  52  V.  1578  content,  aus  lat.  con- 
tentus  «zufrieden»  eig.  «sich  beschränkend,  be- 
gnügend», dem  als  Adj.  stehenden  Part.  Perf. 
Pass.  von  continere  «zusammenhalten»,  woher 
auch  franz.  content,  koutentieren,  V.:  zu- 
friedenstellen, befriedigen,  insbesondere  in  Be- 
zahlung (SchiUer  Pikk.  1, 1).  1616  beiHenisch 
contentieren,  nach  franz.  contenter  «dm-ch  Be- 
zahlen vergnügen,  zufriedenstellen». 

Konteradmiral,  m. :  Gegenadmiral,  d.  i. 
der  dem  Vizeadmiral  zunächst  stehende  Ad- 
miral,  1728  bei  Sperander  Contre-Ädmiral,  aus 
franz.  contreadmiral  m.  (franz.  contre,  von  lat. 
contra  «gegen».) 

Konterbande,  f.  (PI.  -n):  Schleichhandel; 
verbotene,  geschmuggelte  Ware.  1562  bei 
Mathesius  Sarepta  9**.  78*  Gontrdbant  m.,  1555 
bei  Wickram  Rollw.  190,  7  Kontrebando.  Aus 
franz.  contrabande  f.,  ital.  contrdbhando  m. 
«Handel  gegen  öffentliche  Vei'kündigung  oder 
Gesetz,  Schleichhandel»  (ital.-lat,  contra  «ge- 
gen», hando  m.  «Verkündigung  eines  Befehls»). 

Konterfei,  n.  {-s,  PI.  -e):  Abbild.  1651 
bei  P.Fleming  35  Oonterfei,  1618  bei  Schöns- 
leder Conterfech  (1663  Conterfeh),  1616  bei 
Henisch  und  1716  bei  Ludwig  Gonterfeit,  bei 
Luther  6,  543*  Gontrofect  («Ebenbild»),  aus 
mhd.  kunterfeit  adj.  «nachgemacht»,  von  franz. 
contrefait,  mlat.  contrafactus,  dem  Part.  Perf. 
Pass.  von  franz.  contrefaire,  mlat.  contrafacere 
«nachbilden».  Daher  2L\xQhTa\id.kunter-,gunter-, 
conterfeitn.  «künstlich  vermischtes,  verfälsch- 
tesGold  od.Silber»,  Gonterfey  1616  beiHenisch. 
konterfeien,  v.:  abbilden,  1618  bei  Schöns- 
leder con^er/e/te?i,  1517  belTrochus  L&^konter- 
feyn,  1616  bei  Henisch  conterfeyten  und  ab- 
conterfeyten,  1477  clevisch  contrafeyten. 

Kontertanz,  m.  (-es,  PI.  tanze):  ein  Ge- 
sellschaftstanz. Aus  engl,  countrydance,  eigent- 
lich «ländlicher  Tanz»,  1813  bei  Campe. 

Kontext,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  Redever- 
bindung, 1703  im  Zeit. -Lex.  Gontext,  aus  lat. 
contextus  m.  «Zusammenhang»,  von  lat.  con- 
texere  «zusammenweben». 

Kontinent,  m.  (-[e]s,  Pl.-e):  Festland.  Im 
18.  Jh.  Continent,  nach  sleichbed.  franz.  con- 


1115 


Kontingent 


Kontur 


1116 


tinentm.  auslat.  {terra)  continens  «zusammen- 
hangendes Land,  Festland»,  eig.  Part. Präs.  von 
lat.  continere  «zusammenhalten»,  (im  Passiv) 
«  zusammenhangen  ». 

Kontingent,  m.  {-\e]s,  PI.  -e):  der  zu  stel- 
lende Pflichtteil  an  Truppen  usw.  (in  der 
Schweiz  „der  Auszug");  der  den  einzelnen 
treffende  Beitrag  zu  einer  Sache,  nach  franz. 
contingent  m.  «zukommender  Teil»  aus  lat. 
contingens  (Gen.  contingentis),  dem  Part.  Präs. 
von  contingere  «hernhren,  angehen,  betreffen». 

Konto,  n.  (-S,  PI.  -s  und  Konten):  zahl- 
bare Rechnung.  Das  ital.  conto  m.  «Rechnung» 
zu  contare  zählen,  aus  lat.  coniputäre  «zu- 
sammenberechnen». Um  1600  entlehnt  und  bei 
Henisch  1616  verzeichnet,  der  Plur.  Conten  bei 
Grimmeishausen,  4,  381,  24  Kurz  (vom  J.  1673). 

Kontor,  auch  noch  Comptoir,  n.  {-[e]s, 
PI.  -e):  Schreib-,  Geschäftsstube  des  Kauf- 
manns. Aus  franz.  comptoir,  ital.  contore  m. 
«Zahlstube»,  von  franz.  compter,  ital.  contare 
«zählen»,  aus  lat.  computäre  «zusammenberech- 
nen». Um  1500  zunächst  aus  dem  Ital.  als 
Contor  entlehnt  (1515  im  Eulenspiegel  Cap.  62 
kontor  «Rechnungstisch»,  wie  noch  1616  bei 
Henisch);  im  17.  Jh.  drang  die  franz.  Form 
Comptoir  ein  (bei  Xehring  1710  neben  Gontor.). 

Kontral)aß,  m.  {-sses,  PI.  -hasse):  der 
Gegen-  d.  i.  groi3e  (tiefste)  Baß,  große  Baß- 
geige. 1678  bei  Krämer  Gontrahaß,  aus  gleich- 
bed.  ital.  contrahhasso  m. 

kontrahieren,  v.:  zusammenziehen  (im 
grammatischen  Sinne  1609  bei  Quad  v.  Kinkel- 
bach Teutscher  Nation  Herhgk.  146  contra- 
hiren);  zu  einem  Vertrage  sich  einigen  (1536 
in  Egenolffs  Instituta  3,  53  ^  contrahiren,  daher 
die  Gontrahentenhei FischsiriGaxg.9ii);  (stud.) 
zumDuell  herausfordern  (1831);  dazuKontra- 
häge  (spr.  -aze),  f.  (PI.  -n) :  Herausforderung 
zum  DueU.  1814.  Eine  Schuld  k.  «sie  mit  je- 
mand zu  Geldentleihung  abschließen.  Aus 
lat.  contr allere  «zusammenziehen». 

Konträltt,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  Vertrag.  In 
der  Reichsordn.  36^  vom  J.  1500  contract,  aus 
lat.  contractus  m.  «Zusammenziehung,  Ver- 
trag», von  lat.  contrahere  «zusammenziehen». 

konträkt,  adj.:  verki-ümmt,  gichtisch  ge- 
lähmt, gliederlahm.  Im  16.  Jh.,  bei  Tschudi 
(t  1572)"Chron.  1,  447 ^  und  1582  bei  Fischart 
Garg.  135  contract,  aus  lat.  contractus  «zu- 
sammengezogen», im  Mlat.  «gliederlahm»,  dem 
Part.  Perf.  Pass.  von  contrahere  (s.  kontra- 
hieren). 

Kontrapunkt,  m.  [-es) :  Kunst  des  Ton- 


satzes und  Stimmenwechsels.  1571  bei  Nas 
Pract.  A  4^  Gontrapunct,  aus  mlat.  contr a- 
punctum  n.  «mehrstimmiger  Satz  zu  einer  ge- 
gebnen Melodie»  eig.  «Gegenpunkt»,  indem 
man  ehemals  Punkte  statt  der  Noten  machte. 

kontri''r,  adj.:  entgegengesetzt,  ungünstig. 
1773  bei  Amaranthes  contraire,  aber  1678  bei 
Krämer  contrar.  Aus  gleichbed.  franz.  con- 
traire, lat.  contrarius. 

Kontrast,  m.  (-es,  PI.  -e) :  Gegensatz,  Ab- 
strich; Gegenbild.  Im  18.  Jh.  (bei  Lessing  4, 
154  Contr ast,  bei  Wieland  Suppl.  4,  S  Kontrast), 
aus  gleichbed.  frz.  contraste,  ital.  contrasto  m., 
Verbalsubst.  von  ital.  contr astare  «im  Gegen- 
satz stehen»  (aus  lat.  contra  «gegen,  gegen- 
über», stare  «stehen»),  woher  kontrastieren, 
V.:  abstechend  machen  und  sein,  1782  bei  Wie- 
land Horazens  Br.  1,  42  contrastiren. 

Kontrayentiön,  f.  (PI.  -en) :  Übertretung. 
1716  bei  Ludwig  Contr avention,  aus  gleichbed. 
mlat.  contraventio  f. 

kontribuiereu,  v.:  mit  beitragen.  1507 
in  den  Reichsordn.  58^  contribuieren,  aus  lat. 
contribuere  mit-,  zuteilen.  Kontribution,  f. 
(PI.  -en):  erhobner  Beiti'ag,  Steuer  (1581  in 
den  Script,  rer.  Siles.  4,  271  Gontribution) ; 
Brandschatzung  (im  17.  Jh.,  bei  Nehring).  Aus 
lat.  contribUtio  f.  «Beitrag». 

Kontrolle,  f.  (PI.  -n):  die  vergleichende, 
nachprüfende  Aufsicht.  Bei  Lessing  7,  141 
Controlle,  aus  franz.  contröle  m.,  älter  controlle, 
contrerolle «-GegenroWe»  d.i.  «Gegenrechnung, 
Gegenregister»,  von  fx'anz.  role,  älter  rolle,  ital. 
rotolo,  rullo  m.  «etwas  Zusammengewickeltes, 
Rolle  Papier»,  abgeleitet  aus  lat.  rotulus  m. 
«Rädchen»,  später  «Rolle».  Kontrolleur  (spr. 
-ör),m.(-s,Pl.  -e) :  das  Gegenregister  oder  nach- 
prüfende Aufsicht  führender  Beamter,  Gegen- 
schreiber, Aufseher,  1694  bei  Nehi'ing  Gontro- 
leur,  1618  bei  Schönsleder  Gontralor.  kon- 
trollieren, V.:  Gegenregister  führen,  über 
jemand  vergleichende  Aufsicht  führen,  1601 
bei   Alber tinus   Kriegsleut  Weckuhr  2,  168. 

Kontumaz,  f.:  Nichterscheinen  vor  Ge- 
richt aus  Widerspenstigkeit;  Quarantäne  (so 
1694  bei  Nehring  contumace).  Wie  glbd.  franz. 
contumace  f.  aus  lat.  contumacia  f.  «Wider- 
spenstigkeit», kontumazieren,  v.:  wegen 
Nichterscheinung  verui-teilen,  1694  beiNehring 
contumaciren,  aus  franz.  contumacer. 

Kontür,  f.  (PI.  -en),  seltner  m.  (-[e]s, 
PI.  -e):  Umriß.  Im  18.  Jh.  (1712  bei  Hübner 
der  PI.  Contours),  aus  gleichbed.  franz.  contour 
m.  und  dies  aus  ital.  contorno  m. 


1117 


konyeniereu 


Kopf 


1118 


konTenieren,  v.:  passen,  sich  schicken, 
1694  bei  Xehnng  conveniren,  aus  lat.  convemre 
«zusammenkommen,  zusammen-,  wozu  passen». 
KonTent,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  (feierliche)  Yer- 
sanunlung,  mhd.  conventm.  «geistliche  Gesell- 
schaft eines  Klosters»,  mit  Ausstoßung  des  n 
auch  covent,  mnd.  1332  kovent  m.  (s.  Kofent), 
aus  lat.  conventus  m.  «Zusammenkunft,  Ter- 
sammlung».  Konyentlkel,n.  (-s,Pl.  wieSg.): 
Winkelversamralung,  heimliche  Versammlung, 
besonders  religiöser  Sekten  (Goethe  Faust  4389), 
aus  lat.  conventiculum  n.  «Zusammenkunft». 
KonyentiÖn,  f.  (PI.  -e??) :  Übereinkunft,  Ver- 
trag, früh  im  18.  Jh.  Convention,  aus  gleichbed. 
lat.  conventio  f.;  dazu  KoilTentiönsgeld,  n.: 
nach  der  Übereinkunft  von  1753  geprägte 
Münze.  KonTentionälstrafe,  f :  ^  ertrags- 
strafe.  Erst  im  19.  Jh.  konTentionell,  adj. : 
vertragsmäßig,  auf  Übereinkunft  benahend,  im 
18.  Jh.  (d.  j.  Goethe  2,  460),  aus  gleichbed. 
franz.  conventionel,  von  lat.  conventiönälis 
«den  Vertrag  betreffend». 

KonTersatiÖn,  f.  (PI.  -en):  mündlicher 
Verkehr,  Unten-edung.  1565  in  den  Script. 
rer.  Siles.  4,  225  Conversation,  aus  lat.  con- 
versätio  f.  «Umgang,  Unterhaltung».  Davon 
KonTersatiÖnslexikoil,  n. :  Handbuch  des 
allgemeinen  Wissens.  1709  in  Hübners  Eeal-, 
Staats-,  Zeitungs-  und  Conversationslexikon. 
konrersiereu,  v.:  sich  unten-eden,  unter- 
halten. 1615  bei  Albert inus  Landstörzer  820, 
aus  lat.  conversäri  «Umgang  haben». 

konyex,  adj.:  gewölbt,  linsenförmig.  Im 
17.  Jh.  convex  (bei  Xehring),  aus  lat.  convexus 
«gewölbt». 

KonyolÜt,n.  (-[e]s,  Pl.-e):  Pack  Schriften, 
Papier  usw.  1562  bei  Mathesius  Sarepta  147*" 
Convolut,  aus  Isit.  convolütum,  Neutr.  Part.  Perf 
Pass.  von  convohere  «zusammenrollen». 

Konyulsiön,  f.  (PI.  -e?i):  Gliederzucken, 
Gliederkrampf.  1716  bei  Ludwig,  aus  glbd. 
\sA.convulsio  f.  konyulsiyisch,  adj.:  krampf- 
haft, krampfhaft  angestrengt.  Bei  Lessing  4, 
180,  aus  mlat.  convulsivus  «reißend,  renkend», 
zu  lat.  convulsus,  dem  Part.  Perf.  Pass.  von 
convellt're  «aus  seiner  Lage  reißen». 

kouzediereu,  s.  Konzession. 

konzentrieren,  v.:  in  einen  Punkt  zu- 
sammendrängen. 1714  bei  Wächtler  concen- 
triren,  aus  gleichbed.  franz.  concentrer,  dessen 
centrer  aus  mlat.  centrare,  abgeleitet  von  lat. 
centrum  (s.  Zentrum).  Davon  Konzentra- 
tion, f.  (PI.  -eti):  Sammlung,  Vereinigung 
(eig.  um  einen  Mittelpunkt;.     Im  18.  Jh. 


Konzept,  n.  {-es,  PI.  -e) :  erster  Entwuif. 
In  der  Rhetorik  (15.  Jh.)  Concept,  aus  lat. 
conceptiim,  dem  Neutr.  des  Part.  Perf.  Pass. 
von  concipere  (s.  konzipieren). 

Konzert,  n.  [-es,  Pl.-e) :  Übereinstimmung; 
Musikaufführung.  1650  bei  Moscherosch  Phil. 
1,  879  Concert.  Aus  franz.  concert,  ital.  con- 
certo  m.,  von  lat.  concertäre  «Wettstreiten», 
dann  im  Ital.  «zusammen  verabreden». 

Konzession,  f.  (PI.  -en):  Bewilligung, 
Erlaubnis.  1571  bei  Rot  Concession,  aus 
gleichbed.  lat.  concessio  f.,  von  lat.  concedere 
«einräumen»,  von  dem  konzedieren,  v.: 
einräumen  stammt.      Im   17.  Jh. 

Konzil,  n.  (-[e]s,  PI.  -e):  beratende  Ver- 
sammlung. Mhd.  cojidlje  n.,  im  15.  Jh.  concili 
n.,  aus  lat.  concilium  n.  «Versammlung». 

konzipieren,  v.:  abfassen,  aufsetzen.  Spät- 
mhd.  concipieren,  aus  \a.i.concipere<!^z\isamuien- 
fassen».  Konzipient,m.  (-en,P\.-en):  Schrift- 
abfasser,  1703  im  Zeit.-Lex.  Concipient,  aus  lat. 
concipiens  (Gen.  coticipientis),  dem  Part.  Präs. 
von  concipere.  Konzipist,  m.  (-en,  PI.  -en): 
Schriftabfasser,  1605   bei   Hulsius   Concipist. 

konzis,  adj.:  kurz,  bündig,  1714  bei  Wächt- 
ler concis,  aus  lat.  conclsus  «kurzgefaßt». 

Kopeke,  f.  (PI.  -n):  russische  Scheide- 
münze, ^\f^^j  Rubel  geltend.  Das  russ. kopeika  f., 
von  kopje  n.  «Lanze»,  weü  das  Gepräge  einen 
Lanzenreiter  darstellte. 

Köper,  m.  {-s):  Webeart  und  Zeugstoff, 
worin  sich  die  Fäden  des  Einschlags  mit  denen 
der  Kette  schräg  durchkreuzen.  1741  bei  Frisch 
Keper  Taus  dem  Niederländischen),  mnd.  keper 
m.  Bildlich  benannt  nach  mnd.  kepere  m. 
«Balken,  Stoß-,  Rammbalken»,  nndl.  keper 
«winkelhakenartig  zulaufende  Sparren  im 
Wappen»,  im  16.  Jh.  (bei  Kilian)  «Rehbock», 
dann  «Balken-,  Sparrenkopf»,  im  Mndl.  auch 
«Balken,  Felderdecke  eines  Zimmers».  Eins 
mit  mhd.  kepfer  m.  «Käpfer»  (s.  d.),  wahr- 
scheinlich entlehnt  aus  lat.  caper  m.  «Bock», 
Ähnhch  franz.  chevron  m.  «Sparren,  Balken  im 
Wappen»,  abgeleitet  von  clievre  f.  (lat. capra f.) 
«Geiß».  Davon  köpern,  v.:  köperartig  weben, 
1741  bei  Frisch  kepern,  mndl.  keperen  «aus 
Balken  zusammenfügen». 

Kopf,  m.  (-[e]s,  PI.  Köpfe):  der  mittels  des 
Halses  mit  dem  Rumpfe  verbundene  Teü  des 
menschlichen  und  tierischen  Körpers:  Oberstes 
in  Kugelform.  Gewöhnlich  als  Fremdwort  aus 
dem  Romanischen  angesehen :  mlat.  cuppa,  ital. 
coppa,  Span,  copa,  franz.  coupe  f.  «Becher,  Trink- 
schale», prov.  coha  f.  «Schädel»,  lat.  cüpa  f. 


1119 


Kopf 


Koppel 


1120 


«Kufe,  Tonne».  Andere,  wie  Franck  u.  Falk- 
Torp,  halten  das  Wort  wegen  andrer  ver- 
wandter Wörter  im  Germanischen  für  echt- 
deutsch und  nehmen  nur  Beeinflussung  durch 
das  Romanische  an.  Doch  werden  Gefäßnamen, 
wie  Kopf  einer  war,  sehr  häufig  entlehnt.  Eine 
sichere  Entscheidung  ist  nicht  möglich,  doch 
ist  Entlehnung  wahrscheinlicher.  Zunächst  ahd. 
chuph,  chopph,  chopf  m.  « hohlrundes,  kugel-, 
halbkugelförmiges  Trinkgefäß, Becher»,  ebenso 
mhd.  kopJi,  köpf  m.,  mnd.  kop  m.  und  koppe  f., 
ags.  cuppe  f.  und  copp  m.  «Becher»,  anord. 
koppr  m.  «becherartiges  Gefäß,  einem  umge- 
stürzten Becher  ähnliche  Helmerhöhg.,  Augen- 
höhle», schwed.  koprp,  dän.  kop  «Tasse»,  nhd. 
noch  erhalten  in  Tassen-,  Pfeifen-,  Schröpf  kopf 
(vgl.  Köpfchen).  Daneben  taucht,  zumal  da 
nach  alter  deutscher  roher  Sitte  die  Hirnschalen 
erschlagner  Feinde  den  Siegern  als  Trinkbecher 
dienten,  auch  aus  Schädeln  Heüiger  zu  trinken 
gereicht  wurde,  in  Glossen  des  11. — 12.  Jh. 
chopf  m.  in  der  Bed.  «Hinterhaupt»  auf  (Mone 
Anz.  7,  589,  40),  häufiger  im  13.  Jh.  köpf  m. 
«Hirnschale,  Schädel».  Auf  Ausgang  zu 
dieser  von  jener  Bed.  «Becher»  deutet  mhd. 
hirnkoph  m.  «Hirnschale»,  nd.  im  15.  Jh. 
hregenkop  (hregen  n.  «Gehirn»),  afries.  hrein- 
kop  m.  Im  16.  Jh.  endlich  ist  kopff,  Kopf  das 
gewöhnliche  Wort  und  hat  das  echtdeutsche 
Haupt  (s.  d.)  in  die  edle  Sprache  verdrängt. 
Ähnlich  ging  das  lat.  testa  f.  «Gefäß,  Topf, 
Stürze»  usw.  im  ital.-span.  testa,  franz.  tete  f. 
völlig  in  den  Begi-iffÄKopf»  über.  Vgl.  Kuppe, 
Kufe,  Küpe.  ABL.  Köpfchen,  n. :  (becher- 
artige) Obertasse,  im  18.  Jh.  Köpfgen.  köpfen, 
V.:  enthaupten,  spätmhd.  köpfen,  köpfen,  mnd. 
koppen,  ist  an  die  Stelle  des  gleichbed.  mhd. 
houbeten,  houpten  getreten,  köpfig,  adj.: 
eigensinnig,  hartköpfig,  1664  bei  Duez,  wie 
köpflsch  bei  Luther  (wo  auch  seinen  Kopff 
aufsetzen),  köpflings,  adv.:  kopfüber,  bei 
Bürger  II.  5,  585,  wie  kopf  längs  bei  Zachariä 
Lagosiade  3.  ZUS.  Kopfhänger,  m.:  der 
Kleinmütige,  Demütige,  Frömmler,  1775  bei 
Adelung,  kopf  los,  adj.:  ohne  Verstand,  ohne 
Überlegung,  bei  Campe.  Kopfnnß,  f.  (PI. 
-nüsse):  Schlag  auf  den  Kopf  (s.  ^Nuß),  1593 
bei  Heinr.  Julius  v.  Braunschw.  Susanna  4,  7 
der  thüring.  Plur.  kopffnös.  kopfscheu,  adj., 
eig.  von  Pferden,  die  sich  nicht  gern  an  den 
Kopf  greifen  lassen,  dann  (in  Norddeutschland) 
dui'ch  Schaden  vorsichtig  geworden,  1775  bei 
Adelung;  in  den  bayr.-östr.  Alpen  kopfscheuh, 
kopfschiech  «schwindlicht».   Kopfstück,  n.: 


Münze  im  Werte  von  20  Kreuzern  rheinisch, 
benannt  nach  dem  aufgeprägten  Kopf  des 
Landesherm,  im  17.  Jh.  bei  Schuppius  252, 
später  auch  bloß  gedachte  ßechnungsmünze  in 
Mitteldeutschland  u.  Schwaben.  Kopfweh,n., 
1572  bei  Fischart  Prakt.  Großm.  28  kopffwe. 
Kopfzerbrechen,  n.:  anstrengendes  Nach- 
denken, dafüi'  im  17.  Jh.  (Olearius  pers.  Kosen- 
thal7, 13)  noch  bei  Lessing  3,  382  Kopfbrechen. 

Kopie,  f.  (PI.  -n):  Abschrift,  Nachbildung. 
Spätmhd.  copie  f.  (1380  in  den  Mon.  Boic.  43, 
431),  1495  in  den  Reichsordn.  16^  Copei,  aus 
lat.  cöpia  f.  «Haufe,  Vorrat»,  im  Mlat.  (den 
Vorrat  an  Exemplaren  vermehrende)  «Ab- 
schrift», kopieren,  v. :  abschreiben,  nach- 
bilden. Spätmhd.  1439  copieren,  aus  gleich- 
bed. mlat.  copiare.  Kopist,  m.  (-en,  PI.  -en) : 
Abschreiber,  Nachbildner.  1521  in  den  Reichs- 
ordn. 96  ^  Copisf,  aus  gleichbed.  mlat.  copista  m. 

Koppe,  f.,  in  schles.  Bergnamen,  hess.  im 
15.  Jh.  koppe  (Weisth.  3,  340),  s.  Kuppe. 

Koppel,  f.,  in  der  1.  und  2.  Bed.  auch  n. 
(PI.  -n):  Doppelkette,  an  der  zwei  Jagdhunde 
nebeneinander  gehen  müssen,  dann  diese  Hunde 
selbst;  Lederriemen  zum  An-  oder  Umhängen 
einer  Hieb-  oder  Stichwaffe  (1711  bei  Räd- 
lein); ein  Joch  (Paar)  Ochsen  oder  Pferde 
(1664  bei  Duez),  dann  eine  Anzahl  oder  Reihe 
durch  Strick  oder  Kette  verbundner  Tiere 
(1581  bei  Fischart  Bienk.  216^  Kuppel  f.),  nd. 
Menge,  Haufen;  Bodenfläche,  woran  zwei  oder 
mehr  Personen  gleichen  Anteil  oder  gleiches 
Recht  haben;  (in  Norddeutschland)  einge- 
friedigtes Stück.  Feld  von  mittlerer  Größe, 
bes.  wenn  es  abwechselnd  zum  Getreidebau 
und  zur  Weide  benutzt  wird,  (bei  Voß)  auch 
gemeinsame  Bearbeitung  eines  Ackers  durch 
eine  Schar  Arbeiter.  Mhd.  kuppet,  kupel, 
koppel,  kopel  f.,  auch  m.  n.  (md.  koppel  f.  und 
kopil  m.)  «Band,  Verbindung,  Leitriemen  für 
Jagdhunde,  durch  einen  solchen  verbundne 
Hunde»,  dann  «Haufe,  Schar»,  1303  ndrhein. 
coppele  und  1222  mrhein.  cuppelle  «Revier 
mit  Gleichberechtigung  für  jeden  Teilhaber». 
Aus  franz.  couple,  afranz.  auch  cople  f.  «Leit- 
riemen, verbundnes  Paar  Jagdhunde,  Land  als 
Tagewerk  für  ein  Joch  (Paar)  Ochsen»,  von 
mlat.  (879)  cupla  f.  «Jagdhundepaar  an  Leit- 
riemen», lat.  cöpula  f.  «Band,  Riemen,  Leine», 
im  Mlat.  «Leitriemen  eines  Jagdhundepaares». 
ABL.  koppeln,  V.,  mhd.  kuppeln,  kupelen, 
koppeln,  kopelen  «binden,  vereinigen,  an  die 
Koppel  legen»,  mndl.  koppelen,  aus  dem  von 
cöpula    abgeleiteten    lat.    Verbum    cöpuläre. 


1121 


koppen 


Koriander 


1122 


S.  '^Kuppel,  Kuppelei.  ZUS.  Koppeljagd,  f.: 
Jagd,  zu  der  zwei  oder  mehr  berechtigt  sind, 
1732  bei  Picander  3,  358,  dafür  bei  Steinbach 
1734  Kuppeljacht.  Koppelweide,  f.:  Ge- 
meintrift, gemeinschaftliche  Weide  und  das 
Kecht  dazu,  mhd.  kuppelweide,  ndrhein.  im 
11.  Jh.  copeleiveide  f. 

koppen,  V. :  (von  Pferden)  nach  Luft  heftig 
schnappen,  zunächst  aus  dem  Magen  aus- 
stoßen, beim  Rindvieh  zum  Wiederkäuen 
(Schmeller  -  1,  1272),  rülpsen  (1537  bei  Dasy- 
podius),  mhd.  koppen  «plötzlich  steigen  oder 
fallen».  ABL.  Kopper,  m.:  koppendes  Pierd, 
1691  bei  Stieler,  aber  bei  Maaler  1561  «der 
Rülpsende». 

Kopnla,  f. :  das  das  Subjekt  und  Prädikat 
verbindende  Wort.  1781  bei  Adelung  Lehr- 
gebäude 1,  273,  aus  lat.  cöpula  f.  «Band» 
(s.  Koppel),  kopulieren,  v.:  verbinden  (1562 
bei  Mathesius  Sarepta  162^  copuliren);  ehe- 
lich zusammenfügen  (ebd.  195^).  Aus  lat. 
cöpuläre  .  «verbinden,  vereinen».  Kopula- 
tion, f.  (PI.  -en):  Verbindung,  bes.  eheliche. 
Im  16.  Jh.  aus  lat.  cöpulätio  f.  «Verknüpfung». 

Koralle,  f.  (PI.  -n)-.  steinhartes  baum- 
artiges Gebilde  aus  Gehäusen  kleiner  Weich- 
tiere auf  dem  Meeresgnmde,  sowie  ein  Kügel- 
chen  davon.  Mhd.  koralle,  koral  m.,  aus 
mlat.  corallus  m.  und  fiüher  corallum  n.,  von 
lat.  coraliuni,  curalium  n.,  gr.  KopdXXiov, 
ionisch  KoupdXiov,  sizilianisch  KuupdXi'ov  n.  «die 
rote  Koralle».  Vielleicht  aus  dem  Semiti- 
schen, hebr.  göräl  «Steinchen»,  vgl.  Lewy 
Sem.  Fremdw.  im  Griech.  18.  Bis  ins  17.  Jh. 
GoraXle  f.,  ältemhd.  zugleich  Goral,  Kor  all  m., 
aber   auch   noch  1716   bei  Ludwig   Coral  n. 

koram  in  einen  k.  nehmen:  zur  Rede  setzen, 
studentisch,  von  lat.  cöram  «angesichts,  vor». 
ABL.  koramieren,  v.:  persönlich  zurecht- 
weisen. Beide  1781  bei  Kindleben,  letztres 
in  der  Bed.  «herausfordern», 

Koran,  m.  (-[e]s,  PI.  -e),  s.  Älkoran.  Mit 
richtiger  Betonung  Koran  (Goethe  6,  32),  jetzt 
auf  der  ersten  Silbe  betont  ( Goethe  6,  35  usw.). 

koranzen,  s.  kuranzen. 

Korb,  m.  (-[e]5,  PI.  Körbe):  geflochtner 
Behälter.  Mhd.  korp  (Gen.  korhes),  ahd. 
chorh,  churp,  in  Vocab.  des  15.  Jh.  karh,  karp; 
dazu  köln.  im  15.  Jh.  kurf,  and.  korvilin  n. 
«Körblein»,  mnd.  und  ndl.  Ärar/,  ndrhein.  1420 
kaerf,  karf,  m.,  anord.  korf  f.,  schwed.  korg, 
dän.  kurv.  Entlehnung  aus  gleichbed.  lat. 
corhis  f.  (selten  m.)  ist  wegen  des  ablautenden 
mhd.  krehe  m.  (s.  Krippe)  nicht  ganz  sicher. 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


RA.  einem  einen  Korb  geben  «einen  Liebes-, 
Heiratsantrag  zurückweisen»,  von  dem  im 
16.  bis  18.  Jh.  bei  abweisenden  Mädchen  statt 
einer  Antwort  vorkommenden  wirklichen 
Übersenden  eines  Korbes  ohne  Boden  (vgl. 
Ringwaldt  Warb.  173,  Günther  Ged.  431),  was 
daher  inihrt,  daß  im  Mittelalter  die  Geliebte 
dem  Liebhaber,  den  sie  nicht  wollte,  zum 
nächtlichen  Aufziehen  in  ihr  Gemach  ur- 
sprünglich einen  Korb  herabließ,  an  dem  in 
einer  gewissen  Höhe  der  Boden  durchbrach, 
so  daß  der  darin  Sitzende  hindurch-  und  her- 
unterfiel (DW.  5,  1800  f.). 

Korde,  f.  fPl.  -n)-.  Schnur,  Bindfaden. 
Xiederrheinisch.  Mhd.  und  im  14.  Jh.  ndrhein. 
korde  f.  «Schnur,  Seil»,  mnd.  corde,  ndl.  koord  f., 
aus  franz.  corde  f.  «Strick,  Saite»,  von  gleichbed. 
mlat.  corda,  gr.-lat.  chorda,  gr.  xopbr]  f.  «Darm 
Darmsaite».  Kordel,  f.,  (PL  -n):  Bindfaden. 
Westmitteldeutsch.  1540  bei  Alberus  dict. 
P  1^  u.  Y  1^  kurdel  f.,  R4a  cordel,  Ende  des 
15.  Jh.  kordel  (Diefenbach-Wülcker  711 ),  mnd. 
(1407)  kordeel.  Entlehnt  aus  afranz.  cordelle  f. 
«Strick»,  ital.  cordella,  von  mlat.  cordeUa  f., 
dem  Dim.  des  mlat.  corda  (s.  o.).  1768  bei 
Moerbeek  Mask.,  in  der  Wetterau  Xeutmm. 

kordiäl,  adj.:  herzlich.  1616  bei  Henisch 
cordial  und  cor  dialisch,  aus  dem  mlat.  Adj. 
cordialis  von  lat.  cor  n.  (Gen.  cordis)  «Herz». 

Kordon  (spr.  -q),  m.,  (-s,  PI.  -s):  Schnur; 
kettenartige  Grenzbesatzung;  Absperrung. 
1791  bei  Roth.  Aus  glbd.  franz.  cordon,  von 
corde,  s.  Korde. 

Korduän,  m.  (s,  PI.  -e)  -.  Ziegenleder  von 
der  Fabrikstadt  Cordova  (lat.  Corduba)  in 
Spanien.  ^Ihd.  corduwän,  kurdeicän  m.  (schon 
im  10.  bis  11.  Jh.  mlat.  ««rdMaweZii  «Korduan- 
schuhe»,  Ruodlieb  13,  118).  Aus  glbd.  franz. 
cordouan  m.  (davon  cordonnier  m.  «Schuh- 
macher»), ital.  cordovano,  span.  cordoban  m., 
vom  mlat.  Adj.  corduanus,  cordoanus  «aus 
Cordova  stammend». 

kören,  v.,  niederdeutsche  Form  für  küren 
(s.  d.).  Bei  der  Pferdezucht  üblich.  Daher 
auch  Körhengst  m. 

Koriander,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.):  Pflanze 
mit  gewürzhaftem  Samen  (Schwindelkörner), 
Wanzendill,  Wanzenkraut;  deren  Samen.  In 
der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jh.  coriander,  core- 
ander,  nd.  1425  corrander  (Diefenbach  gl.  151  **), 
aus  lat.  coriandrum  n.  von  dem  gleichbed. 
gr.  Kopiavvov  n.,  abgeleitet  von  gr.  KÖpic  m. 
«Wanze»  wegen  des  dem  Kraute  eignen  Wan- 
zengeruchs.  Dafür  mhd.  koliander,  cholinder, 

71 


1123 


Korinthe 


Korporal 


1124 


kolander,  kuUander,  ahd.  chullantar,  chullintar, 
and.  kullundar  aus  mlat.  coliandrum  n. 

Korinthe,  f.  (PI-  -'0*  kleine  kernlose 
Rosine.  1495  in  der  Kölner  Gamma  carentken, 
ndl.  1500  corentken  (Diefenbach  nov.  gl.  387  a), 
1596  bei  Colerus  Hausb.  3,  224  Gormihen, 
1691  bei  Stieler  ^om^ew,  aus  gleichbed.  franz. 
corinthe  f.,  benannt  nach  dem  Ausfuhrhafen 
Korinth  in  Griechenland. 

Kork,  m.  {-\e\s,  PI.  -e  und  Korke) :  die 
elastische  schwammige  Rinde  der  südeuro- 
päischen Korkeiche:  der  Stöpsel  daraus  (bei 
Ludwig  1716  Gorck).  In  der  1.  Bed.  nd.  1589 
kork,  ndl.  1598  korck,  aber  schon  1513  bei 
Murmellius  pappa  B  6^  Korckhoem,  1591  bei 
Decimator  Sylva  Hhd^  Korckhawm,  1616  bei 
Henisch  Korchhaum;  1663  bei  Schottel  und 
selbst  noch  bei  Kirsch,  Steinbach  usw.  Gork, 
1691  bei  Stieler  Gork  und  Gurk.  Der  Name 
dieser  wohl  zuerst  aus  den  Niederlanden  und 
dem  westlichen  Norddeutschland  eingeführten 
Ware  stammt  aus  span.  corcho  m.  «Korkholz, 
Korkpfropf»,  mittelbar  von  lat.  cortex  m.  (Gen, 
corticis)  «Rinde»,  dann  insbesondre  die  des 
Korkbaumes  (der  1561  bei  Maaler  Panfofflen- 
holtz  heißt). 

^Korn,  n.  (-[e]s,  Fl. Körner):  Kernfnicht; 
(ohne  PI.)  der  Roggen  als  die  üblichste  Brot- 
frucht (aber  auch  «Dinkel»  in  Franken, 
Schwaben,  Elsaß,  Schweiz,  «Weizen»  in  Sieben- 
bürgen, «Hafer»  in  Westfalen  usw.) ;  rundhches 
Fruchtkörperchen  einer  Pflanze,  überhaupt 
kleiner  rundlicher  harter  Körper;  daher  K. 
am  Gewehr,  nach  der  Gestalt  (davon  die  RA. 
aufs K.  nehmen  eig.  «genau  zielen»);  (bildlich) 
Gehalt  (der  Münze),  vom  Aussehen  des  Metall- 
bruchs hergenommen.  Yg\.  Schrot.  Mhd.  körn, 
ahd.  körn  n.  «Kernfrucht,  Getreide,  Getreide- 
kem»,  im  Mhd.  auch  «Roggen,  Getreidepflanze, 
Konifeld,  Gold- oder  Silbergehalt  einer  Münze»; 
dazu  asächs.-ags.  com  n.  «Samenkorn»,  and. 
körn  n.  «Korn,  Roggen»,  engl,  com,  afries.- 
anord.-schwed.-dän.  körn  n.  «Getreide»,  got. 
kaürnn.  «Getreide»  (daneben  schwachbiegend 
kaürno  n.  «Fruchtkern  der  Pflanze»).  Im  Ab- 
laut zu  Kern  (s.d.)  stehend;  urverwandt  mit 
lat. gränum  n.,  vc.grän,  «Korn,  Kern»,  lit.  zirnis, 
lett.  zirns  «Erbse»;  apreuß.  syrne;  abg.  zrünö 
n.  «Korn».  ABL.  körnen,  v.:  anlocken, 
eig.  durch  Streuen  von  Körnerfutter;  (Metall) 
in  Kömern  darstellen.  Mhd.  körnen,  kürnen, 
md.kornen.  körnicht,  adj.,  1579  bei  Golius, 
kornechtig  1537  bei  Dasypodius.  körnig,  adj., 
1562  bei  Mathesius  Sar.  2^  kürnig  in  der  bild- 


lichen Bed.  von  Schrot  und  Korn  «  kernhaft». 
ZC7/S.  Kornblume,  f.:  (die  im  Korn  wachsende 
blaue)  Cyane,  Tremse,  mhd.  kornhluome  m.  f. 
Koruhranntwein,  m.,  1734  bei  Steinbach. 
Kornkammer,  f.,  1561  bei  Maaler.  Korn- 
rade, f.,  1775  b.  Adelung  Kornraden  m.,  s.  Rade. 

-Korn,  m.  (-[e]s,  PI.  -e),  gekürzt  für  Korn- 
hrannticein.     Erst  in  neuerer  Zeit. 

Kornelhaum,  n. :  der  Strauch  oder  Baum 
coi-nus  mascula.  Cornellhaum  1556  bei  Frisius, 
Cornelhaum  1542  bei  Gesner  Namenbuch  aller 
Erdgewächse,  1502  kürnelbom  (Diefenbach  nov. 
gl.  343^),  ahd.  chuirnilboum,  cornul.  Kornel- 
kirsche,  f.:  die  Frucht  des  Koi-nelbaumes, 
auch  Kornelle,  f.  (PI. -w):  1711  bei  Rädlein, 
fiiiher  Kornelheere,  1502  kurnelher  (Diefen- 
bach a.  a.  0.),  ahd.  cornulberi,  chumelbere; 
umgebildet  Korneliuskirsche  f.,  1793  beiNem- 
nich.  Wie  franz.  cornouille,  comoüle  f.,  ital. 
corniolo  m.  «Kornelkirsche»  von  lat.  comeolus 
«hornartig».     S.  Hornkirsche. 

Kornett,  m.  {-[eis,  PI.  -e) :  Reiterfähnrich, 
Standartenjunker.  1616  bei  Wallhausen  Kriegs- 
kunst zu  Pferd  47  Gornet,  aus  gleichbed.  franz. 
cor  nette  m.,  urspr.  «kleine  Reiterstandarte» 
(daher  1664  bei  Duez  Gornet  n.  «Reiterfahne, 
eine  Kompagnie  Reiter»)  ähnlich  wie  franz. 
enseigne  f.  <i.Fah.ixe»,  dann  m.  «Fähnrich».  Viel- 
leicht nach  der  Form  des  Fahnentuchs  von 
franz.  cornet  m.  «Hörnchen,  Düte»,  Dimin.  von 
corne  f.  «Hörn»,  zu  lat.  cornu  n.  «Hora». 

Körper,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Menschen-, 
Tierleib;  Stoffmasse,  Raum  Einnehmendes;  zu 
einem  Ganzen  vereinigte,  im  Begriffe  zusam- 
mengefaßte Menge.  Mhd.  korper,  körper,  kör- 
pel  m.,  im  13.  und  14.  Jh.  noch  spärhch  neben 
mhd.  lip  m.  «Leib»  vorkommend.  Entlehnt 
durch  die  Kirchensprache  aus  lat.  corpus  n. 
(Gen.  corporis).  ABL.  körperlieh,  adj., 
1593  bei  Heinr.  Julius  v.  Braunschweig  Su- 
sanna 4,4  cörperlicher  Eydt  «leiblicher,  per- 
sönlicher Eid».  Körperschaft,  f.,  1808  bei 
Campe  als  neues  Wort. 

Korporal,  m.  (-s,  PI.  -e):  Unteroffizier. 
1616  bei  Henisch  Gorporal.  Aus  franz.  corporal 
(unter  Anlehnung  an  corps)  von  caporal  m. 
«Rottmeister  der  Soldaten»  und  dies  aus  ital. 
caporale  m.  «Anführer»,  von  ital.  ca2)0  m., 
lat.  cajmt  n.  «Haupt».  Daher  1694  bei  Nehring 
Gaporal,  1631  bei  Seb.  Bürster  15  Gaprall, 
noch  beim  Volk  in  Deutschland  Gaporal, 
Gapral.  ABL.  Korporälschaft,  f.:  unter- 
gebene Mannschaft  und  Rang  eines  Korporals, 
1664  bei  Duez   Gorporalschafft. 


112Ö 


Korps 


kosmisch 


1126 


Korps  (spr.  kör),  n.  (Gen.  u.  Plur.  ebenso, 
spr.  körs):  Heerhaufen,  Truppenkörper;  Stu- 
dentenverbindung (zuerst  1826—29  in  Bonner 
Verbindungsstatuten).  Im  17.  Jh.  aus  glbd. 
franz.  corps  m.,  von  lat.  corpus  n.  «Körper». 

korpulent,  adj.:  wolübeleibt.  1616  bei 
Henisch  corpulent,  aus  gleichbed.  lat.  corpulen- 
tus.  Korpulenz,  f.:  Beleibtheit,  1716  bei 
Ludwig  Corpulentz,  aus  glbd. lat. corpet/en/i'a  f.; 
dafür  1 582  bei  Fiscbart  Garg.  168  Corpulentitet  f. 

korrekt,  adj.:  fehlerfrei,  regelrecht.  1714 
bei  Wächtler  correct,  aus  lat.  corredus,  dem 
Part.  Perf.  Pass.  von  corrigere  «gerade  machen, 
berichtigen,  verbessern»;  davon  Korrekt- 
heit, f.,  1801  bei  Campe.  Korrektor,  m. 
(-S,  PI.  -en):  Druckberichtiger,  im  16.  Jh. 
(1571  bei  Rot  und  1566  bei  Mathesius  Luther 
316, 10  Neudr.  Corredor),  aus  lat.  corredor  m. 
«Berichtiger,  Verbesserer».  Korrektur,  f. 
(PI.  -en)r  Druck-,  Schriftberichtigung,  1571 
bei  Rot  Corredur,  aus  lat.  corredüra  f.  in 
der  neulat.  Bed.  «Verbesserung». 

Korrespondenz,  f.  (PI.  -en);  Brief- 
wechsel. 1610  bei  Sattler  Phraseologey  386 
Correspondenz  (in  der  Bed.  «Zusammenkunft» 
schon  im  16.  Jh.  in  der  Zimm.  Chi-on.  1, 14,  l), 
aus  mlat.  correspondentia  f.  «Mitantwort».  Da- 
von Korrespondenzkarte,  f ,  um  1868  auf- 
gekommen, korrespondieren,  v.:  ent- 
sprechen (kursächs.  Schulordnung  von  1580 
correspondieren);  Briefe  wechseln  {1610  bei 
Hainhofer  Briefe  an  Phil.  v.  Pommern  S.  4 
korrespondieren),  aus  mlat.  correspondere 
«mit-,  wiederantworten»,  ital.  corrispondere. 

Korridor,  m.  (s,  PI.  -e)-.  abgeschloßner 
Vorplatz  zwischen  Zimmern.  1791  bei  Roth. 
Bei  Goethe  30,  169  der  PI.  Corridors,  aus  ital. 
corridore  m.,  eig.  «Laufgang», 

korrigieren,  v.:  berichtigen,  verbessern; 
verbessernd  zurechtweisen.  Mhd.  corrigieren, 
aus  lat.  corrigere  «recht  machen,  verbessern». 

korrupt,  adj.:  verderbt,  verschroben, 
liederlich.  1478  bei  Nicl.  v.  Wyle  349,  16 
corrupt,  aus  lat.  corruptus,  dem  Part.  Perf. 
Pass.  von  corrumpere  «verderben,  verfälschen», 
daher  korrumpieren,  v.,  1534  bei  Franck 
Weltbuch  22^  corrupieren.  Korruptel,  f. 
(PI.  -en):  Verderbnis,  1562  bei  Mathesius 
Sarepta  136^  Gorruptel,  aus  lat.  corruptela  f 
cVerderben,  Verführung».  Korruption,  f 
(PL  -en):  Sittenverderbnis,  Bestechlichkeit. 
Im  17.  Jh.  (bei  Nehring). 

Korsär,  m.  {-en,  PI.  -en):  kreuzender  See- 
räuber; Raubschiff.    Im  17.  Jh.  Gorsar,  aus 


ital.  corsaro,  älter  corsare,  span.-portug.  cor- 
sario,  zurückgehend  auf  lat.  curs^ls  m.  «Lauf». 

Korsett,  n.  (-s,  PI.  -s,  -e) :  Schnürleib.  1715 
bei  Amaranthes  Carsette  f.  (1773  Corset  n.), 
aus  gleichbed.  franz.  corset  m.,  von  franz. 
Corps  m.,  lat.  corpus  n.  «Leib». 

Korvette,  f.  (PI.  -n):  kleinres  leichtes 
schnelles  Kriegsschiff.  1721  bei  Jablonski  Cour- 
vette,  aus  glbd.  franz.  corvette,  port.  corveta, 
span.  corbeta  f.,  von  lat.  corhita  f.  «Trans- 
port-, Lastschiff»,  von  lat.  corhis  f.  «Korb». 

Koryphäe,  m.  {-n,  PI.  -7i):  der  Oberste, 
Erste,  an  der  Spitze  Stehende.  1799  bei 
Wieland  Agathodämon  7,  3  Koryfäe  m.,  im 

17.  Jh.  Xehring  Coryphceus,  aus  gleichbed. 
gr.  Kopuqpaioc  m.,  von  Kopuqpri  f.  «der  oberste 
Teil,  Gipfel». 

Koschenille  (spr.  -ilje),  f.  (PI.  -n):  die 
südamerikanische  Kermesschildlaus  zum  Fär- 
ben von  Kai-mesin  und  Scharlach.  1774  bei 
Adelung  Cochenille,  1628  bei  Münster  Cosm. 
S.  1688  vom  J.  1581  Cochinili.  Aus  frz.  Coche- 
nille und  dies  aus  span.  cochinilla  f.,  von  gr.- 
lat.  coccus,  gr.  kökkoc  m.  «Scharlach,  Kermes». 

koSCher,adj.:  nach  den  jüdischen  religiösen 
Gesetzen  recht;  rein,  echt,  wie  es  sein  soll. 
Das  Wort  ist  das  späthebr.  koscher  «recht, 
tauglich»;  nach  der  Aussprache  der  aschke- 
nazischen  Juden  kauscher.  (1781  bei  Kind- 
leben.) 

kosen,  V.:  Liebes  schwatzen,  anschmiegsam 
zärtlich  behandeln.  Schon  mhd.  kosen,  ahd. 
kösön  «im  traulichen  Zwiegespräch  plaudern», 
im  15.  Jh.  «schmeicheln»  Diefenbach  gl.  14°; 
«verliebt  tändeln»  1654  bei  Logau  2,  2,  74.  Im 

18.  Jh.  (1711  bei  Rädlein  und  noch  1781  bei 
Kindleben)  als  veraltetes  Wort  verzeichnet,  in 
den  70er  Jahren  d.  18.  Jh.  neu  aufgekommen 
(bei  Mylius,  Bürger  usw.;  Heynatz  1797  «unsre 
Modeschi-iftsteller  haben  das  Wort  in  Gunst 
genommen»).  Die  urspr.  Bed.  ist  älternhd. 
«reden,  erzählen,  schwätzen»,  1664  beiDuez  und 
1678  bei  Krämer),  mhd.  «sprechen,  plaudern», 
auch  von  plätschernden  Bächen,  ahd.  «reden, 
plaudern».  Mit  ahd.  kösa  f.  «Rechtshandel, 
Gespräch,  Erzählung»,  entlehnt  aus  lat.  causa  f 
«Rechtssache»,  causäri  «einen  Rechtshandel 
führen,  vor  Gericht  sprechend  verteidigen». 

kosmisch,  adj.:  das  Weltganze  betreffend 
(Goethe  Natw.Schr.  9, 234),  aus  gr.-lat.  cosmicus, 
gr.  KocuiKÖc,  von  gr.  köc|uoc  m.  «Welt».  KOS- 
mographie,  f:  Weltbeschreibung,  1534  bei 
Franck  Weltbuch  225^  Cosmographie,  aus  gr. 
Koc^ofpaqpia  f.,  von  KÖc^oc  und  einer  Ableitung 

71* 


1127 


Eossat 


kostspielig 


1128 


von  gr.  Ypdqpeiv  «schreiben».    Kosmopolit,! 

m.  {-en,  PI.  -en):  Weltbürger  (Lessing  1,  249 
vom  J.  1747),  aus  gleichbed.  gr.  Koc|aoiro\iTric 
m.,  von  KÖciuoc  und  iroX-irric  m.  «Bürger»;  dazu 
kosmopolitisch,  adj.:  weltbürgerlich,  und 
Kosmopolitismus,  m.-.  Weltbürgersinn, 
nach  frz.  cosmopolitisme  m.,  beide  1801  Campe. 

Kossät,  Kossäte,  m.  {-en,  PI.  -en):  auf 
Wohnhütte,  Gärtchen  und  Weideplatz  be- 
schränkter Ansässiger.  In  ostmitteldeutschen 
Vokabularien  des  15.  Jh.  kossat,  kussat,  kassate, 
1604  bei  Colerus  Hausb.  1,  11  Kossete  (Var. 
Cossäte),  aus  mnd.  kotsete,  kotsate,  hochd.  1691 
bei  Stieler  Kotsaß,  zgs.  aus  Kot  n.  «Hütte» 
u.  Sasse  m.  «Ansässiger».  Auch  vläm.  kossaat, 
ndl.  1598  kossate,  ags.  cotsceta,  cotsetla  m. 
Vgl.  Gärtner,   -Kot,  Sasse. 

Kost,  f.  (ohne  PI.):  Speise,  Speisung; 
Lebensunterhalt.  Im  16.  Jh.  auch  schwach- 
flektiertes Masc,  mhd.  koste,  kost  f.  Eins  mit 
dem  folgenden  Kosten,  indem  in  der  gastfreien 
mhd.  Zeit  die  Bed.  Aufwand  für  Bewirtung 
und  Vei-pflegung  in  die  Bed.  Bewirtung,  Spei- 
sung überging  (vgl.  DW.  5,  1849).  Im  Anord. 
dagegen  hat  Mischung  des  Fremdwortes  kostr 
m.  (Speise,  Lebensunterhalt,  Aufwand)  mit 
einheimischem  kostr  m.  (Wahl,  Gelegenheit, 
Bedingung,  Lage)  stattgefunden,  das  sich  zu 
got.  kustus  m.  «Prüfung»,  mhd.-ahd.-asächs. 
kust,  ags.  cyst  f.  «Wahl,  Auserwählung»  usw. 
stellt  (s.  kiesen). 

kostbar,  adj.:  Kosten  verursachend,  kost- 
spielig (nochl804  Schiller  an  Körner  4,  362); 
viel  kostend,  wertvoll;  (im  18.  Jh.)  sich  kost- 
bar machend,  geziert  sich  benehmend,  affektiert 
(Lessing  7,  265,  nach  iraBz.  precieux).  In  den 
beiden  ersten  Bed.  mhd.  koste-,  kosthcere,  ge- 
kürzt kosper,  zu  Anfang  des  15.  Jh.  kostpar. 
S.  Kost  und  -har.  ABL.  Kostbarkeit,  f., 
im  15.  Jh.  bei  H.  Folz  (Fastnachtsp.  1315) 
cosperkeit,  im  Vocab.  predicantium  s4^  kost- 
harlichkeit,  Var.  kostharkait  (Diefenb.gl.452^). 

Kosten,  PI. :  wofür  verausgabtes  oder  zu 
verausgabendes  Geld.  Bei  Luther  der  jetzt 
veraltete  Sg.  Kost  f.  und  (schwachbiegend)  m., 
mhd.  koste,  kost  f.  und  (stark-  u.  schwachflekt.) 
m,  «Wert,  Preis  einer  Sache,  Geldmittel  zu 
einem  bestimmten  Zwecke,  Geldausgabe  wo- 
für, Aufwand»,  ahd.  cJiosta  f.;  daneben  älter- 
nhd.  und  noch  mundartlich  Koste  f.  Aus 
gleichbed.  mlat.  costa  f.  und  costus  m.,  woher 
span.  costa  f.,  ital.  costo  m.,  afranz.  couste,  coste, 
nfranz,  coüt  m.,  abgeleitet  von  mlat.  costare, 
lat.  constäre  (s.  ^kosten). 


^kosten,  v.:  im  Preise  zu  stehen  kommen. 
Urspr.,  wie  noch  bei  Luther  und  im  17.  Jh., 
mit  Akk.  der  Person,  aber  in  der  2.  Hälfte  des 
18.  Jh.,  z.  B.  bei  Lessing,  Goethe,  Schiller, 
Wieland  usw.,  Schwanken  zwischen  Dat.  und 
Akk.,  der  Dat.  vielleicht  durch  Einfluß  des 
lat.  constat  mihi  («es  kostet  mir»).  Mhd.  kosten 
«(an  Geld)  aufwenden,  aufwenden  machen,  zu 
stehen  kommen»,  mit  Akk.  der  Person  und  nur 
einmal  mit  Dat.  (Konrad  v.  Haslau  Jüngling 
459);  dazu  mnd.  kosten  mit  Akk.  oder  Dat., 
anord. -schwed.  kosta,  dän.  koste.  Aus  mlat. 
costare  (daher  afrz.  coster,  couster,  nfrz.  coüter), 
lat.  constäre  «im  Preise  zu  stehen  kommen». 

hosten,  V. :  prüfend  kennen  lernen,  unter- 
suchen ;  beschmecken.  Mhd.  kosten,  ahd.  kostön 
«prüfend  untersuchen,  versuchen»,  mhd.  auch 
«schmeckend  präfen,  beschmecken»;  dazu 
asächs.  koston,  ags.costian  «prüfen,  versuchen», 
anord.  kosta  «versuchen,  sich  anstrengen».  Ur- 
verwandt mit  (oder  entlehnt  aus)  lat.  gustäre 
«wovon  genießen,  beschmecken».   Vgl.  kiesen. 

kostfrei,  adj.:  frei  von  Unkosten,  auch 
mit  Bezug  auf  Beköstigung,  1515  im  Eulen- 
spiegel 133.  Im  16.  und  17.  Jh.  häufig  in 
der  Bed.  «freigebig  mit  Aufwand»  (1516  bei 
Altenstaig  kostfry),  reichlich  Kost  gebend  (bei 
Luther  Sir.  31,  28).     Vgl.  Kost. 

Kostgänger,  m.:  wer  wohin  in  die  Kost 
zu  gehen  pflegt.  1505  in  der  Straßburger 
Gemma  f2*  kostgenger  «Tischgenoß». 

köstlich,    adj.:    viel   kostend,   wertvoll, 

I  prächtig;  durch  Annehmlichkeithochgeschätzt, 

!  entzückend.   In  der  1.  Bed.  mhd.  koste-,  kost-, 

kostenlich,  im  15.  Jh.  köstlich  (Nürnb.  Polizei- 

'  Ordn.  75,  Brant  Narr.  71,  21),  in  der  2.  Bed.  bei 

Luther.   ABL.  Köstlichkeit,  f.,  im  15.  Jh. 

kostlichkait,  köstlichait  (Nürnb.  Pol.-Ord.  75  f.), 

im   14.  Jh.  kostelicheit  (Karlmeinet  386,  38). 

kostspielig,  adj.:  sich  allzuviel  in  Kosten 
belaufend.  1775  bei  Adelung,  zuerst  bei  Haltaus 
1125  aus  einem  1729  niedergeschriebnen  Akten- 
stücke der  Gegend  von  Frankfurt  a.  M.  ange- 
führt. Eig.  «an  Aufwand  verschwenderisch», 
Zusammensetzung  aus  Kost  und  -spillig  (1790 
bei  J.  G.  Müller  Siegfr.  v.  Lindenberg  3,  42 
kostenspillig),  mit  Lautangleichung  hervorge- 
gangen aus  -spildig,  mhd.  (12.  Jh.)  und  ahd. 
(10.  Jh.)  spildeg  «verschwenderisch»;  noch  in 
einer  bayreuthischen  Verordnimg  von  1743 
kommt  Kostenspilterung  «Kostspieligkeit»  vor, 
wie  im  16.  und  17.  Jh.  Geltspildung  (Haltaus 
635,  Zincgref  1,  159).  Dieses  spildeg  aber 
stammt  von   ahd.  spild  «verschwenderisch»; 


1129 


Eostüm 


Kotze 


1130 


dazu  ahd.  spildan  «vergeuden,  verscliwenden», 
ags.  spildan,  spülan  und  anord.-schwed.  spilla, 
dän.  spilde  «verderben,  zugrunde  richten», 
asächs.  spildian  «töten»,  nd.  und  ndl.  spülen 
«verschwenden»,  verwandt  mit  spalten  (%.  d.). 
Wahrscheinlich  dachte  man  bei  der  Schreibung 
kostspielig  an  Kostenspiel  (Menge  der  Kosten 
in  ihrem  Belaufe),  vgl,  Geldspiel  n.  in  der 
Bed.  «Geldmenge»  bei  Goethe,  8,  77. 

Kostuni,  n.  (-[e].s,  PI.  -e):  Kleidertracht 
nach  Zeit  und  Brauch.  Im  18.  Jh.  [Costume 
bei  Lessing  7, 190,  Herder  1,279)  aus  gleichbed. 
franz.  costume  m.  und  dies  von  ital.  costume  m. 
«Gewohnheit,  Sitte»  (daher  auch  mnd.  kostfan 
m.  «Gewohnheit»,  1782  bei  J.  G.  Müller  Siegfr. 
V.  Lindenb.  3,  41  Kustühm),  aus  lat.  consue- 
tüdo  f.  «Gewohnheit». 

''Kot,  m.  ([e].s) :  ekelhafte  Unreinigkeit.  In 
Luthers  Bibel  Kot  statt  des  oberd.,  noch  im 
17.  Jh.  vo'rkommenden  Kat  m.,  älternhd.  auch 
n.,  mhd.  quät,  kät,  quöt,  im  15.  Jh.  köt  n.,  ahd. 
quät  (in  quätgag^a  f.  «Kotgasse»,  codex  Laures- 
bam.  2,  346,  1976  vom  J.  776);  dazu  ndrhein, 
um  1200  quait  n.,  mnd.  quät  n.,  ags.  cwead  n., 
vielleicht  urverw.  mit  aind.  güfha-  m.  n.  «Ex- 
kremente», aw.gütha-  n.  «Kot,  Schmutz»,  und 
mit  mnd.  und  ndrhein.  Adj.  qtiät,  mndl.  qiMet 
cböse,  schlecht»,  nndl.  kwaad  «böse,  häßlich», 
afries.  quad,  qwad  «böse».  Nach  Bmgmann 
Idg.  Forsch.  5,  375  gehören  diese  zu  lit.  gida  f. 
«Schande,  Unehre»,  apreuß.  gldan  "«Scham», 
poln.  zadny  «häßlich,  garstig»,  russ.  gadif  «be- 
schmutzen», so  daß  man  die  Verbindung  mit 
den  arischen  Wörtern  aufgeben  müßte.  ABL. 
kotig,  adj.,  spätmhd.  quätig,  quötig,  kotig, 
md.  quädig,  im  15. — 17.  Jh.  obd.  katig,  bei 
Luther  Hiob  7,  5  kötticht,  1540  bei  Alberus 
kötirht.  ZUS.  Kothahn,  m.:  Wiedehopf 
(1510  in  der  Hagenauer  Gemma  i  1^  kathati), 
weil  er  nach  dem  Volksglauben  sein  Nest 
mit  Kot  verdichtet  und  sich  von  Kot  nährt. 

^Kot,  n.  (-[e]s,  PI.  -e),  Kote,  f.  (PI  -n), 
auch  Kotten,  m.  (-s):  kleines  schlechtes 
Haus;  Wohnhütte,  kleines  Bauernhaus.  Bei 
nordd.  SchriftsteUem.  Mnd.  kote,  kate  m.  f.,  I 
md.  kote  (schon  im  12.  Jh.),  kot  m.,  spätmd. 
1424  kot  n.,  1562  bei  Mathesius  Sar.  178*  Köt  n. 
(vgl.  Salzkote):  dazu  ndl.  kot  n.,  ags.  cot  n.  und 
cote,  cyte  f.,  engl,  cot,  anord.  kotn.  und  kytja  f. 
(in  hüskytja),  norw.  kot  «kleines  Haus»,  dän. 
fco(Z  «schlechte  Hütte».  Dazu  mit  Ablaut  norw. 
(dial.)  köyta  «Waldhütte  von  Zweigen»,  nhd. 
Kötze  (s.  d.).  Aus  dem  von  kot  abgeleiteten 
engl,  cottage  stammt  franz.  coffa^e  «Landhaus». 


Ebenso  ist  abg.  kotici  m.  «Kammer»  entlehnt. 
ABL.  Köter,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Inhaber 
oder  Bewohner  einer  Kote.  Kossat  (s.  d.), 
Kleinbauer,  mnd.  koter  und  koterer,  westfäl. 
im  14.  Jh.  kotter,  gegen  1500  kötter,  md.  1455 
koder:  Nebenform  KÖtner,  hess.  1560  kodener, 
1600  ködener,  ditmarsisch  1546  kötener. 

Kotau,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  aus  demChines. 
köu-tou  «Verbeugung  des  Untergebnen  vor  dem 
Höhergestellten».  Jetzt  beiuns«Demütiguncr, 
Unterwerfung».  In  der  neusten  Zeit  Schlagwort. 

^KÖte,  f.  (PI.  -n):  unterstes  Gelenk  am 
Pferdefuße.  Mnd.Äofe,  knie,  1501  im  Leipziger 
Voc.  opt.  0  4*^  kote  «Knöchel»,  in  den  Fast- 
nachtsp.  des  15.  Jh.  459,  16  koßte,  1562  bei 
Mathesius  Sar.  80^  Käthe:  dazu  mnd.  kote,  kute 
«Huf,  Klaue,  Knöchel,  Würfel»,  ndl  im  16.  Jh. 
kote,  ndl.  koot  f.,  afries.  kate  f.  «Knöchel,  Ge- 
lenkknochen». Weil  man  aus  Knochen  Würfel 
schnitt,  schon  mhd,  kcete  f.  «Würfel»,  1582  im 
Voc.  theut.  q7''  u.  zl^  pickelkot  «Würfel» 
(auch  bickel  m.  bedeutet  «KJnöchel,  Würfel»), 
1470  md.  pickelkutte. 

"KÖte,  f.  (PI.  -n):  Schrank.  In  Obersachsen, 
Bei  Geliert  Lustsp.  346  Köthe,  schon  1501  im 
Leipziger  Voc.  opt.  E  e  1  ^  koete.  Wohl  das- 
selbe Wort  wie  Kote  f.  «Häuschen»,  s.  "Kot. 

Kotelette,  f,  (PI  -w):  auf  dem  Roste  ge- 
bratnes  Rippenstückchen.  1715  bei  Amaranthes, 
aus  glbd.  franz.  cötelette  f.  «Rippchen»,  Dim, 
von  franz.  cote  f.  «Rippe»,  aus  glbd.  lat.  costa  f. 

■'Köter,  m.  (-S,  PI.  wieSg.):  kleiner  bissiger 
Hund,  Dorfhund.  In  Norddeutschland.  Mnd. 
koterhunt,  1566  hess.  kotter,  bei  Rollenhagen 
Froschm.  (1598)  3,  3, 12,  30  haicrköter.  Nieder- 
deutsche Dialekte  weisen  auf  altes  *köt-,  so  daß 
das  Wort  nichts  mit  ~Kot  zu  tun  hat.  Die 
Wurzel  kaut  (vgl,  rheinfrk,  katizen,  ganzen 
«bellen,  kläffen»,  norw,  kyte,  dän.kyde  «prah- 
len») vielleicht  zu  gr.  fodw  «klagen».  Vgl. 
Feist  Btr.  40,  402. 

^Köter,  KÖtner,  s.  -Kot. 

Kotze,  f.  (PI.  -n):  gi-obes  Kleid,  grobe 
zottige  Wolldecke,  sehr  grobes  Oberkleid; 
grobes  Wollentuch.  Obd.  Kotzen  m.  (-s  und 
wie  Nom.),  mit  schwacher  Flexion  bei  Bren- 
tano Goldfaden  284.  Mhd.  kotze  m.,  ahd.  chozzo 
und  starkbiegend  clioz  m.,  chozza  f.  «grober 
wollner  Mantel,  grobes  zottiges  Wollenzeug, 
grobe  wollne  Decke»,  asächs.  cot  m.  «woUner 
Mantel,  wollner  Rock».  Daneben  mhd.  kütze  f. 
«Oberkleid»,  ahd.chizit  (in  umhicMzi  f. lOher- 
gewand  als  Umwurf»).  Fick  BezzBtr.6,211  hat 
es  zu  gr.  ßeüboc  n.  «kostbares  Kleid»  gestellt. 


1131 


Kötze 


Kraft 


1132 


Entlehnt  afrz.  cote  f.  «langes  Oberkleid»,  nfrz, 
cotte  f.  «Kleid»,  prov.  cota,  auch  in  redingote 
(=  engl,  riding-coat   «ßeitrock»),    s.  Kutte. 

Kötze,  f.  (PI. -w):  geflochtner  Eückentrag- 
korb,  länglicher  beiderseits  vom  Rücken  eines 
Tieres  hangender  Tragkorb.  In  Mitteldeutsch- 
land, Pranken.  Md.  im  15.  Jh.  kotze  (Rothe 
Dür.  Chron.  Cap.  437),  rheiia.  im  15.  Jh.  kötze 
(Diefenb.  gloss.  127^),  mrhein.  im  16.  Jh.  kütz  f. 
(Weisth.  2,  528),  vgl.  Kieze.  Mit  ^Kot  zu- 
sammenhängend. 

kotzen,  v.:  hustend  ausspeien,  sich  er- 
brechen. 1482  im  Voc.  theut.  r  1  *  kotzen,  1466 
koczen  (Diefenb.  nov.  gl.  385^,  wo  auch  sich 
hekotzen  aus  dem  Anf.  des  15.  Jh.),  rhein.  im 
15.  Jh.  kiitzen.  Lautnachahmend  wie  das  glbd. 
koken  (s.  d.).  ABL.  kotzeril,  v.  impers.: 
zum  Erbrechen  reizen,  1537  bei  Dasypodius. 

Kral)äte,  m.  (-n,  gewöhnlich  nur  im  PI. 
-n),  gekürzt  Krabat:  muntres,  wildes  Kind. 
Im  Scherze.  Älternhd.  und  noch  mundartlich. 
Krabate  statt  Kroat,  abg,  Chriihatinü.  Im 
30  jähr.  Krieg  aufgenommen.   Vgl.  Krawatte. 

Kral)l)e,  f.  (PI.  -n):  kleiner  runder  See- 
krebs; (bildlich)  regsames  muntres  Kind,  reg- 
sames muntres  kleines  Tier.  Im  18.  Jh.  auch 
Mask.  nnd  Neutr.,  im  16.  Jh.  krähe,  kr  ab  f., 
1505  in  der  Straßburger  Gemma  t5^  krdbbe 
und  1513  verhochdeutscht  krappe  f.,  aufge- 
nommen aus  mnd.  krabbe  f.  (Diefenb.  gl.  445^ 
vom  J.  1420);  dazu  ndl.  krab  f.,  ags.  crdbba  m., 
engl,  crab,  anord.  krabbi  m.,  schwed.  krabba, 
dän.  krahbe,  verwandt  mit  Krebs,  krabbeln 
(s.  d.).  Anklingend,  aber  nicht  verwandt  gr.- 
lat.  cärabus,  gr.  Kotpaßoc  m.  «Meerkrebs». 

krabbelig,  adj.:  mit  Händen  und  Füßen 
ungemein  regsam,  1691  bei  Stieler  krabelicht. 
Von  krabbeln,  v.:  woran  viel  tasten  oder 
regsam  greifen;  die  Füße  regend  kriechen. 
Im  15.  und  16.  Jh.  (z.  B.  bei  H.  Sachs  Fab. 
330,  54)  und  selbst  noch  mitunter  bei  Goethe 
krabeln,  mhd.  krappein  (Megenberg  193,  35), 
1482  im  Voc.  theut.  m7*  grappeln,  um  1480 
im  Voc.  ine.  teut.  h  4^  graplen,  in  der  Schrei- 
bung bb  (1675  bei  Weise  klug.  Leute)  aus  dem 
Nd.  aufgenommen,  mnd.  krabbeln,  nd.  grab- 
beln; dazu  ndl.  grabbelen,  engl,  grabble,  anord. 
und  schwed. Ära^a,  norweg.kravla,  dän.kravle, 
norw.  krabba  «krabbeln,  kriechen».  S.  kribbeln. 
Ob  Krabbe  von  dem  Verb,  oder  dieses  von 
jenem  stammt,   läßt   sich  nicht  entscheiden. 

Krach,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  erschütternder 
Schall,  lauter  Bruch,  Zusammenbruch.  Mhd. 
krach,  ahd.  chrac  m,;  dazu  mndl.  crac,  nndl. 


und  nd.  krak  m.  Davon  entlehnt  franz.  crac 
m.  «Krach»,  craquer  «krachen».  Als  Schlag- 
wort erst  seit  dem  großen  Krach  von  Wien 
1873  durchgedrungen,  krach!  interj.  erst  im 
18.  Jh.  belegbar,  aber  schon  bei  Fischart  Garg. 
153  vom  Schnarchen.  Ygl. krack,  krachen, v.: 
erschütternd  schallen,  laut  schallend  brechen, 
mhd.  krachen,  ahd.  chrachön;  dazu  mnd.  und 
mndl.kraken,  ags.cracian,  cearcian,  engl.crack. 
Vielleicht  urverwandt  mit  aind.  gärjati  «brüllt, 
brummt,  rauscht»,  lit,  girgzdeti  «knaiTend», 
oder  «lautnachahmend».  Kracher,  m.:  alter 
schwacher  Mann,  1669  bei  Grimmelsh.  Simpl. 
481,  auch  Krachwedel  m.  Simpl.  383,  Krach- 
wadel  46,  bildlich  wie  grober  Wedel  (Lümmel) 
bei  H.  Sachs,  nach  Wedel  (Tierschwanz)  und 
mhd.  wadelen,  wedeln  «schwanken».  ZUS. 
Krachmandel,  f.:  Mandel  mit  Schale.  1775 
bei  Adelung.   Jetzt  gewöhnlich  Knackmandel. 

krächzen,  v.:  heiser  schreien  (vom  Raben 
usw.);  aus  tiefer  Brust  schmerzvoll  seufzen. 
In  der  1,  Bed.  1537  bei  Schaidenreißer  Odyssee 
83^  krachitzen,  im  15.  Jh.  grachkiczen  (Diefen- 
bach  nov.  gl.  120»»),  in  der  2.  Bed.  1582  bei 
Fischart  Garg.  154  krächtzen,  1691  bei  Stieler 
krechzen.  Abgeleitet  von  krachen  (stöhnen, 
ächzen,  bei  H.  Sachs),  schon  mhd.  chrachen 
(hohes  Lied  44,  21  Haupt),  wie  ags.  cracetung, 
cearcetung  «Krächzen»  von  cracian,  cearcian. 
Im  Ablaut  dazu  steht  das  gleichbed.  älter- 
nhd. Ä;rocÄ2'e>i,  kröchzen,  mhd.krochzen, kratzen, 
ahd.  croccezan,  chrockezan,  groccezan.  Laut- 
nachahmungen, wie  lat.  cröcire  und  cröcitare, 
gr.  KpmZeiv  u,  KpdSeiv  «ki'ächzen»  (vom  Raben). 
Vgl.  aber  das  nach  der  Lautverschiebung 
stimmende  ahg.grajati  «krächzen»  und grakati. 

krack!  interj.  wie  krach!  (s.  Krach),  aber 
härtern  Ton  ausdrückend.  Im  18.  Jh.,  da- 
gegen bei  Fischart  Garg.  385  von  den  Tönen 
eines  sich  Erbrechenden,  als  Übersetzung  der 
franz.  Interj,  crac  bei  Rabelais  (von  den  Zügen 
eines  Trinkenden). 

Kracke,  f.  (PI.  -n):  schlechtes  abge- 
magertes Pferd.  Verächtlich,  in  Mittel-  und 
Niederdeutschland,  1691  bei  Stieler,  ndl.  im 
16.  Jh.  kraecke.  Desselben  Stammes  wie  anord. 
kraki  m.  «dünne  magre  Person»,  krakligr 
«schmächtig,  schwächlich»,  engl.  cracÄ; «Knirps». 
Wohl  zu  der  in  krank  vorliegenden  Wurzel. 

Kraft,  f.  (PI.  Kräfte):  was  wirkt,  daß 
etwas  ist  oder  geschieht;  Rechtsgültigkeit 
(schon  mhd.,'Augsb.  Stadtrecht  von  1276 
Art,  84).  Mhd.  kraft,  ahd.  kraft  (PI.  krefti) 
f.  «Wirkungsfähigkeit,   Wirkungstüchtigkeit, 


1133 


Kragen 


Krakelwerk 


1134 


Heeresmacht,  Menge,  Fülle»,  md.  Tcraft  und 
auch  (nach  dem  Nd.)  kracht,  mit  abgestoßnem 
t  kraf:  dazu  asächs.  craft  m,  f.,  ndl.  kracht  f., 
afries.  krecht,  ags.  croRft  m.  in  jenen  beiden 
ersten  Bedeutungen  und  dann  «Wissenschaft, 
Kunst»  (dann  engl,  craft  «Fertigkeit,  Kunst, 
Handwerk,  List»),  anord.  kraptr,  kröptr,  krapti 
m.  «Kraft»,  schwed.-dän.  kraft.  Dazu  wohl 
norw.-dial.  kräv  «tüchtig,  stark»,  isl.  krcefr 
«stark,  tapfer».  Weitre  Beziehungen  fehlen. 
Vgl.  aber  KZ.  37,  389.  Aus  dem  Dat.  Sing. 
die  Präp.  kraft,  als  urspr.  Subst.  den  Gen. 
regierend,  durch  den  Kanzleistil  im  16.  Jh. 
eingeführt  (Augsb.  Reichsabschied  1566 BI. 4^), 
aber  bereits  im  17.  Jh.  auch  bei  guten  Schi'ift- 
stellern  gebraucht,  gekürzt  aus  älterm  in,  aus, 
mit  Kraft  (15.  Jh.),  wie  statt  für  anstatt,  auch 
im  PI.  1385  in  kreften  (Städtechron.  1,  240,  25). 
ABL.  kräftig,  adj.,  mhd.  kreftic,  kreftec, 
ahd.  kreftig;  dazu  mnd.  kr  achtig,  ags.  crceftig, 
anord.  kröptugr.  Davon  kräftigen,  v..  mhd. 
kreftigen,  a.hd. ehre ftigon,  danehenmhä. kreften. 
ZUS.  Kraftbrot,  n.,  1548  bei  Ryff  Apothek 
258^.  Kraftbrühe,  f.,  bei  Goethe  20,  405. 
Kraftgenie,  n.  Schlagwort  des  letzten 
Viertels  des  18.  Jh.  Vgl.  Ladendorf,  kraft- 
los, adj.,  mhd.  krefte-,  kraftlös.  Kraftmehl, 
n.,  1517  bei  Trochus  KA^  krafftmel. 

Kragen,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  Hals  [einen 
heim  Kragen  nehmen) :  Kleidungsstück  od.  -teil 
um  den  Hals.  In  beiden  Bed.  mhd.  schwach- 
biegend krage,  um  1100  chrage  (Schlund,  Gen. 
15,  6);  dazu  mnd.  krage,  nndl.  kraag  m.,  engl. 
crag  «Hals,  Nacken».  Urverwandt  vielleicht 
gr.  ßpö-fxoc,  ßpöxöoc  m.  «Kehle,  Gurgel»,  air. 
hräge  «Nacken»,  lit.  gurklis  m.,  serb.  g^lo  n. 
«Kehle».  Der  PI.  obd.  schon  im  16,  Jahrh. 
Kragen  (Fischart  Garg.  816).  Im  Mhd.  auch 
Scheltwort,  z.  B.  ein  löser  krage  Renner  349, 
noch  nhd.  Geizkragen  m.  «Geizhals»,  Neid- 
kragen m.  «neidischer  Mensch».  Die  Dimi- 
nutiva  Krägelchen,  Kräglein,  n.,  mhd. 
kregelin  «Hälschen»,  kragel  «Halsbekleidung». 

Kragstein,  m. :  aus  einer  Mauer  hervor- 
ragender Stein  (dann  auch  Eisenstab)  als  Träger 
eines  Balkens.  Mhd.  1325  kragstein,  thür.  im 
14.  Jh.  kraitistein  (verkürzt  aus  kragenstein), 
wie  1427  im  Frankf.  Bauraeisterb.  30**  kragen. 
Bildliche  Anwendung  von  Kragen  (Hals). 

Krähe,  f.  (PI.  -n):  Name  eines  Vogels 
vom  Rabengeschlechte.  Mhd.  krä,  älter  kräe, 
kräwe,  mit  den  Nebenformen  krowe,  krö, 
krceje,  kreige,  krege,  kreie,  ahd.  kräja,  kräwa, 
kräa,  krä  f.;  dazu  and.  krä(J)a,  mnd.  kreie, 


kreige,  mndl.  craie,  nndl.  kraai,  ags.  cräioe  f., 
engl,  crow  «Krähe»  (dafür  anord.  kräka  f. 
«Krähe»,  kräkr  m.  «Rabe»).  Ableitung  von 
krähen.  ZUS.  Krähenauge,  n.:  Leichdom 
(1537  bei  Dasypodius  Kreenaug);  Fruchtkorn 
der  Brechnuß  (1618  bei  Schönsleder  das  Dim. 
Kraineugl).  Beides  nach  Ähnlichkeit  mit 
einem  Auge  der  Krähe.  Krähenfuß,  m.: 
(im  Plur.)  ki-akehge  Schrift,  im  16.  Jh.  bei 
Schweinichen  1,  28  Krohnfüße.  Krähen- 
hütte, f.:  Hütte  zum  Schießen  der  Krähen. 
1763  bei  Heppe  Wohlred.  Jäger. 

krähen,  v.:  singen,  vom  Hahn  oder  wie 
dieser.  Mrhein.  1469  krehen,  mhd.  kroRJen, 
krcen,  mit  den  Nebenformen  kraigen,  kreigen, 
krewen,  ahd.  chräjan,  kräican,  kräen,  krähen; 
dazu  and.  kräen,  mnd.  kregen,  kreigen,  kreien, 
ndl.  kraaien,  ags.  cräwan  (starkflekt.  Prät. 
creow),  engl,  croiv,  dafür  got.  hrükjan.  Ver- 
wandt mit  abg.  grajati,  lit.  groti  «krächzen», 

Krähwinkel,  Dorfname  in  Baden,  Schwa- 
ben und  Westfalen,  wegen  des  wunderlichen 
Klanges  1803  von  Kotzebue  als  Schauplatz 
seines  Lustspiels  „Die  deutschen  Kleinstädter" 
gewählt  und  dadurch  zum  Musterbild  klein- 
städtischen Spießbürgertums  geworden.  Schon 
ahd.  Chräwinchil,  eig,  «abgelegne  Waldstelle, 
wo  Krähen  nisten». 

Krake(n),  m.  {-n[s],  PI.  -n):  sagenhaftes 
nordisches  Seeungeheuer,  zu  dem  wahrschein- 
lich die  gi'oße  Tintenschnecke  Sepia  octopodia 
Anlaß  gegeben  hat.  1775  bei  Adelung,  aus 
norweg.  krakje  m. 

Kraköel,  m,  (-[e]5,  PI,  -e)-.  der  Hader,  das 
Händelsuchen.  1629  bei  Diefenbach-Wülcker 
714  crackel,  1663  bei  Schottel  Krakehl  m,, 
aufgenommen  aus  mnd.  krakele,  ndl.  krakeel. 
Herkunft  unklar.  Vgl.  Schröder  Streckformen 
126.  Davon  krakeel en,  v.  und  Krakeeler, 
m.,   1691   bei  Stieler  krackehlen,  Krackehler. 

krakelig,  adj.:  unsicher  auf  den  Füßen. 
Auch  von  unsichrer  Schrift  gebraucht.  Nd.  und 
nnd.  Wohl  zu  Kracke,  das  urspr.  «etwas  Unan- 
sehnliches, Schwaches»  bedeutete,  krakeln, 
V.:  krakelig  schreiben,  kritzeln.    Md.  und  nd. 

krakeln,  s.  krickeln. 

Krakelwerk,  n.:  -wmnderlich  wirres  Bau- 
werk, bei  Goethe  33, 145.  Zu  Krakel  f.  «dürrer 
Baum  mit  Zweigen»  (1754  bei  Döbel  Jäger- 
practica  2,  217 '^  Kracket),  «sperriges  Geäst» 
(1561  bei  Maaler  die  Graglen),  s,c\i\e?,.  grägel  f. 
«dürrer  gabelförmiger  Zweig»,  grägelwerk 
«Sperrwerk  des  Daches»,  oberd.  grageln  «die 
Beine  spreizen». 


1135 


krall 


Kran 


1136 


krall,  adj. :  grell  (Lessing  6,  509,  Herder 
z.  Lit.  u.  K.  11,  357).  Nd.  von  den  Augen 
das  Adj.  krall  «lebhaft,  durchdringend  hell», 
groll  «scharfsichtig». 

Kralle,  f.  (PI.  -w) :  hakenförmig  gebogner 
scharfer  Xagel  der  Tierzehe.  Im  16.  Jh.  Krale 
(1576  bei  Mathesius  Luther  101*,  106^)  und 
Ereile  f.,  1663  bei  Schottel  Kralle,  1691  bei 
Stieler  Grolle.  Vgl.  mhd.  grelle  f.  «Stech- 
gabel beim  Fischfang  und  als  Waffe».  Nach 
Detter  ZfdA.  42,  56  aus  *kradlo-  zu  kratzen. 
ABL.  krallen,  v. :  mit  hakenförmigen  Spitzen 
kratzen.  1691  heiQüelergrellen, grollen, kralleii, 
im  18.  Jh.  bei  Rädlein  krellen,  bei  Ludwig,  Aler, 
Steinbach  und  Adelung  nur  krallen,  1482  im 
Voc.  theut.  r  B^krellen,  mhd.  um  1100  chrellen 
(in  Uchrellen).  krallicht,  krallig,  adj.: 
mit  Krallen  versehen,  1691  bei  Stieler  grallicht. 

Kram,  m.  {-[e]s,  PI.  Krame):  Warenbude 
zum  Feilhalten;  Kleinhandel;  Klein-,  Kurz- 
waren. Mhd.  u.  mnd.  kram  m.  «ausgespannte 
Zeltdecke,    Bedachuncr    eiaes    Kramstandes, 

7  o  7 

Kaufbude,  Kaufmannsware,  Handelsgeschäft, 
einzelnes  erkauftes  Stück»,  mhd.  auch  krame, 
kram  f.  «Krambude,  Ware»;  dazu  clevisch 
1477  crame  «ausgespannte  Decke,  Vor-,  Um- 
hang, Kindbett»,  in  letzter  Bed.  auch  mnd. 
kr  am  m.,  ndl.  kraom  f.,  eig.  «die  Gardine, 
hinter  der  die  Wöchnerin  liegt».  Abg.  gramü 
m.  «Weinladen,  Schenke»,  könnte  verwandt 
sein.  Daneben  steht  abg.  cremü  «Zelt»,  dessen 
Verhältnis  zu  unserm  K.  nicht  klar  ist.  Wahr- 
scheinlich ein  altes  Handelswort.  Vgl.  noch 
Johansson  Idg.Forsch.8, 171.  Davon  kramen, 
v.,  urspr.  kaufen  (noch  ia  Süd  Westdeutschland), 
jetzt  s.  V.  a.  waren  artig,  dann  suchend  hin-  und 
herlegen.  Mhd.  kramen  «Kramhandel  treiben, 
einkaufen»,  bes.  «ein  Geschenk».  Krämer,  m. 
(-S,  PI.  wie  Sg.) :  Kleinhändler,  früher  Kramer 
(noch  vielfach  in  Kromerinnung),  mhd.  krä- 
niCBre,  krämer,  kro&mer,  ahd.  kramari  m. 
Krämeryolk,  n.,  verächthche  Bezeichnung 
der  Engländer  seit  Ende  des  18.  Jh.,  zuiück- 
gehend  auf  Ad.  Smiths  Ausdruck  nation  of 
shopkeepers.  Vgl.  Ladendorf.  Kramerei,  f., 
mhd.  krämerie,  kroemerie  f.  Krämerin,  f., 
mhd.  krämerinne. 

Krambämbuli,  m.:  Danziger  Wachol- 
der- oder  Kirschbranntwein  (vgl,  Lochs).  Li 
der  ersten  Hälfte  des  18.  Jh.;  dazu  schwäb.- 
westfäl.  kromhamhel  «Schnaps».  Nach  Schrö- 
der Streckformen  208  aus  *krambel,  das  zu 
krammet,  s.  Krammetsvogel,  eig.  «Wacholder» 
gehört,  also  «Wach holderschnaps». 


krammen,  v.:  mit  sich  zusammenziehen- 
den Klauen  empfindlich  und  verletzend  fassen 
(Goethe  17, 94. 50,164).  Mhd. umliOO krammen, 
noch  Schweiz. -elsäss.  und  nordfränkisch.  Ln 
Ablaut  zu  krimmen  (s.  d.). 

Kram(me)tsTOgel,  m.  {-s,  PI.  -vögel): 
Wacholderdrossel.  1691  bei  Stieler  Krommets- 
vogel,  im  IQ.. Jh. Kr ommet-,  Kramat-,  Kramats- 
vogel,  im  15.  Jh.  krambit-,  kranbitvogel,  1482 
im  Voc.  theut.  r3*  kranwidfogel,  mhd.  im 
13.  Jh.  kranwitvogel.  Von  mhd.  kranewite  m. 
(spätmhd.cÄranbiY,  chramhid,  cramut,  chromud), 
ahd.  kranowitu  n.  (auch  chranpoum  m.)  «Wa- 
cholderstaude», noch  bayr.  kranewett,  krane- 
wittn  f.,  eig.  «Kranichholz»,  zgs.  aus  der  alter- 
tümlichen Form  von  Kranich  (md.  kröne, 
krön,  s.  Kran)  und  ahd.  loitu  n.  «Holz». 

Krampe,  f.  (PI.  -n):  Türhaken,  in  den 
der  Riegel  des  Schlosses  einschnappt;  Buch- 
haken, das  Buch  zuzuhalten  (1775  bei  Adelung 
«im  gemeinen  Leben»).  Li  der  1.  Bed.  1647  bei 
01eariusl34  Krampe,  aufgenommen  aus  gleich- 
bed.  md.  und  mnd.  krampe  f.,  and.  krampo 
(auch  ndl.  kram,  kramme  f.,  engl,  cromp); 
dafür  mit  hochd.  ^/"  1517  bei  Trochus  R2* 
kromphe,  ahd.  chramph  m.  «Haken»,  neben 
dem  ahd.  Adj.  chramph  «gekrümmt»  (daher 
entlehnt  afranz.  cran^«zusammengekiümmt», 
franz.  crampon  m.  «Klammer»,  ital.  grampo  f. 
«Kralle»).  Zu  ahd.  chrimplian,  mhd.  krimpfen 
«krurüm  oder  krampfhaft  zusammenziehen». 
Vielleicht  urverw.  mit  lett.  grumba  «Runzel, 
Falte;  ausgefahmes  Wagengeleise»,  grumht 
«Runzebi  bekommen».  ABL.  krampen,  v.: 
festklammern,  1785  bei  Voß  Ged.  1, 171. 

Krampf,  m.  (-[e]s,  PL  Krämpfe):  krank- 
haftes Zusammenziehen  der  Muskeln.  Mhd. 
kramp f  m.,  aber  spätahd.  schwachbiegend 
chrampho  m.  wie  noch  1469  mrhein.  krampffe 
m.  (Voc.  ex  quo);  dazu  and.  crampo  m., 
mnd.  krampe  m.,  ndl.  kramp  f.,  engl,  cromp. 
Eins  mit  Krampe.  Vgl.  noch  krumm.  ABL. 
krampfen,  v.:  in  Krampf  zusammenziehen 
(Goethe  19,  48  u.  15, 1, 18),  spätmhd.  krempfen. 
krampfhaft,  adj..  Kramer  1787.  krampfig, 
adj.,  1482  im  Voc.  theut,  r3^  krampfig,  um  1480 
im  Voc.  theut.  n  6^  krempfig  «krampfsüchtig». 
ZUS.  Krampfader,  f.,  1561  bei  Maaler. 

Kran,  m.  (-[e]s,  auch  -en,  PI.  -e,  -en, 
Kräne;  die  schwachflektierten  Formen  sind 
im  Veralten):  Hebezug  für  Waren;  Zapfröhre 
mit  einer  senkrecht  durchgesteckten  dreh- 
baren kleinem,  zu  Öffnung  und  Verschluß. 
In   der  1.  Bed.   spätmhd,   im  15.  Jh.  kröne, 


113- 


Kranewitt 


Kräpfel 


1138 


hran  und  kranch,  krauche,  mnd,  im  14.  Jh. 
kran;  in  der  2.  Bed.  1664  bei  Duez  Kran, 
aber  bereits  cleviscb  1477  craen.  Benannt  nach 
dem  Kranich  (s.  d.)  wegen  der  Ähnlichkeit 
mit  dem  Halse  und  Schnabel  dieses  Vogels. 
Schon  gr.  T^pavoc  f.  «Kranich»  und  «Kran». 

Kranewitt,  s.  unter  Krammetsvogel. 

Kranich,  m.  (-[e]s,  PI.  -e):  großer  asch- 
grauer Sumpfvogel  mit  langem  spitzigen 
Schnabel.  ^Ihd.  kranech,  kranich,  kranch, 
auch  schwachbiegend  kraneche,  kranche,  bis- 
weilen mit  Umlaut  krench,  PI.  'krenche,  ahd. 
chranuh,  chranoh,  chranih  m.,  mittels  der  Ab- 
leitungssilbe -uh  (vgl.  ahd.  habuh  m.  «Habicht», 
got.  ahaks  f.  «Taube»)  von  spätmd.  krane, 
kröne,  and.  crani(^),  mnd.  krane,  kr  an,  krön 
m.,  1477  clevisch  craen  (vgl.  Kran) ;  dazu  ags. 
C7'an  u.  cornoch  m.,  engl,  crane,  anord.  trana  f. 
und  trani  m.,  schwed.  trana,  dän.  träne.  Ur- 
verwandt.mit  glbd.  gr.  fepavoc  f.,  kelt.-kymr. 
garan,  abg.  zeravl  m.,  lit.  gerve  f.,  arm.  krunk, 
lat.  grus  f.  (Gen.  gruis),  das  sich  mit  ahd. 
ckreia,  kfeia  «Kranich»  beiührt.  Dazu  auch 
lit.  garnis  m.  «Storch,  Reiher». 

krank,  adj.(Komp.kränker,  ^nip. kränkest): 
leidend  schwach.  Mhd.  krane  «schwach  (zu- 
nächst körperhch,  dann  auch  geistig),  arm- 
selig, schlecht,  schmal,  schlank»;  erst,  nachdem 
im  13.  Jh.  bei  md.  cranc  die  Bed.  «gebrech- 
lich, leidend»  (der  sunden  iciderstrit  V.  1257, 
Gießener  Hdschr.  von  1278)  auftauchte,  ent- 
wickelte sich  und  tritt  auf  im  14.  Jh.  die  Bed. 
«leidend  schwach»,  die  dann  im  15.  Jh.  so 
geläufig  wird,  daß  im  16.  Jh.  das  in  dieser 
Bed.  übliche  siech  (s.  d.)  in  eine  engre  Be- 
deutung verdrängt  ist.  Ahd.  nui-  in  krankolon 
«schwach  werden,  straucheln»  erhalten.  Dazu 
rheinfränk.  im  11.  Jh.  crank  «gebrechlich,  ge- 
lähmt», mnd.  krank  «schwach,  ohnmächtig, 
schlecht,  gering»,  mndl.  cranc  «schwach, 
schlecht»,  afries.  kronk  «zum  Tode  leidend 
schwach»,  ags.  (selten)  cranc  «gebrechlich, 
hinfällig»,  anord.  krangr  «schwächlich»  und 
(aus  dem  Deutschen  entlehnt)  krankr,  schwed.- 
dän.  krank  «krank».  Gleichen  Stammes  wie 
ags.  cringan,  crincgan,  crincan  (Prät.  crang, 
cranc,  Part,  crungen,  cruncen)  «hinsinken,  im 
Kampfe  fallen»,  engl.  cra«Ä;  «Krümmung»,  das 
za  lit.  grazil  «wende,  drehe»  gehört.  ABL. 
Kränke,  f.:  Krankheit,  dann  Krämpfe,  be- 
sonders aber  die  fallende  Sucht,  ein  Fluch- 
wort, mhd.ÄTeH/ce f.  «Schwäche»,  kränkeln, 
V.,  1639  bei  Zincgref  Apophth.  310  krünckelen. 
kranken,  v.,  mhd.  Äranfcen  «schwach,  leidend 

Weigand,  Deutaches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


.werden  oder  sein»,  kränken,  v.:  geistig 
!  empfindhch  wehe  tun,  mhd.  kranken  «schwach, 
gering,  leidend  machen,  schwächen,  mindern, 
erniedrigen,  herabsetzen,  in  Kummer  ver- 
setzen»: dazu  Kränknng,  f.,  1691  bei  Stieler. 
krankhaft,  adj.,  1691  bei  Stieler,  kranck- 
hafftig  1664  bei  Duez.  Krankheit,  f.,  mhd. 
krancheit,  krankeit  f.  «Schwäche»,  aber  dann 
im  14.  Jh.  wie  heute,  kränklich,  adj.,  mhd. 
krane-,  Are«  cZzcÄ  «schwächlich,  armselig»,  1508 
in  der  Straßburger  Gemma  C  8  '^  krancklich 
in  der  heutigen  Bed.  «dauernd  leicht  krank»; 
Kränklichkeit,  f.,  1734  bei  Steinbach.  ZUS. 
Krankenhaus,  n.,  1678  bei  Krämer,  aber  schon 
um  1480  im  Yoc.  ine.  teut.  n6*  kranckhuß. 

Kranz,  m.  {-es,  VI. Kränze):  reifförmiges 
Ziergeflecht ;  umfangender  Kreis.  Mhd.  kränz, 
ahd.  im  lO.Jh.kratizm.  (zunächst  schmückende 
Binde  des  Hauptes,  Lockenkranzj;  eigentüm- 
lich hochdeutsch,  in  andre  german.  Sprachen 
entlehnt.  Entweder  nach  Liden  Stud,  16  zu 
,  ]it.grandis  m.,  graiidele  f.  lArmh&nd^,  apreuß, 
grandis  «Ring»,  lett.^öcfe  «starkgedreht,  drall» 
oder  aus  *krangz-  (vgl.  Lenzi  zu  Kringel  (Btr. 
29,  502).  Tgl.  'Krätze.  ABL.  Kränzchen, 
Kränzlein,  n.,  mhd.  krenzelin,  krenzel,  md. 
im  15.  Jh.  krenzchen  n.;  in  der  Bed.  «reihum- 
gehende Gesellschaft»  1691  bei  Stieler  Kränz- 
lein, 1616  bei  Albertinus  Lucifers  Königreich 
199  L.  Krantzmahl  und  Kräntzebnahl  der 
Weiber,  kölnisch  im  15.  Jh.  krentzgen  (Diefen- 
bach-Wülcker  715)  und  1513  krenzlin  (Lilien- 
cron  3,  110^)  von  geheimen  politischen  Ge- 
sellschaften, urspr.  benannt  nach  dem  Königs- 
kränzchen, das  bei  Schützenfesten  den  Sieger 
schmückte,  aber  dem  Ort  des  Gewinners  die 
Verpflichtung  auferlegte,  das  nächste  Schießen 
zu  halten  (von  ort  zu  ort  ein  kränz  halten 
ZfdA.3,243  vom  J.  1602),  auch  bei  den  Mtisik- 
kränzchen  des  16.  und  17.  Jh.  ging  ein  Kranz 
reihum  (Grimm  DW.  5,  2058),  ebenso  bei  den 
Schmauskränzchen  des  16.  Jh.  (Gargantua  74). 
kränzen,  v.,  1512  bei  Murner  Narrenbeschw. 
94,  62  krentzen,  ahd.  Part,  kachranzta^,  ahd. 
Glossen  2,  398,  37. 

Kräpfel,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  in  Fett 
gebackne  kleine  Kuchenart.  In  der  Wetterau 
Fem.  (kräppel),  in  Thüringen  Mask.,  bayr.- 
österr.  krapft  n.,  mhd.  krepfelin  n.,  im  15.  Jh. 
krepfil,  um  1480  im  Voc.  ine.  teut.  1  ö^krapffel; 
dazu  md.  im  12.  Jh.  und  mnd.  kreppelen,  jetzt 
Kreppel,  obersächs.  Kreppelchen  n.,  Dim.  zu 
^Krapfen,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  eine  Art 
Kuchen  in  Fett  gebacken.     Nur  noch  obd., 

72 


1139 


Krapp 


Eräuel 


1140 


mhd.  krapfe,  ahd.  kräpfo  m.  Benannt  nach 
der  urspr.  hakenförmigen  Gestalt,  eins  mit 
^Krapfen,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg.):  Krüm- 
mung (umgebognes  Ende)  zum  Fassen  und 
Einhängen,  Haken,  Klammer.  Älhd.  krapfe, 
md.  kräpe,  ahd.  cräpho,  chräpfo,  cräpo  m. 
(auch  in  der  Bed.  «gebogne  Klaue,  Kralle»). 
Ins  Romanische  entlehnt:  ital.  graffio  m. 
«Haken,  Kralle»,  grappat  «Klammer»,  grappo 
m.  «Traubenkamm»,  franz.  agrafe  f.  «Klam- 
mer», grappe  f.  (afranz.  eraj?e)  «Traube», ^rop^m 
m.  «kleiner  Anker  mit  vier  Haken»,  span. 
grapa  f.  «Haken».  Gleichen  Stammes  mit 
Nasalierung  ist  Krampe  (s.  d.). 

Krapp,  m.  (-[e]s,  ohne  PL):  die  Färber- 
röte, Färberwurzel,  eig.  das  gemahlne  Mark 
der  Wurzel.  1712  bei  Hübner  Krapp,  Grapp,  \ 
Grappe  f.,  aus  ndl.  krap,  im  16.  Jh.  krappe  f., 
woher  auch  franz.  grappe  f.  Angeblich  be- 
nannt nach  den  hakenähnlichen  Dornen  der 
Pflanze  und  dann  eins  mit   ^Krapfen.  ; 

Krapüle,  f.:  Völlerei;  gemeines  Gesindel. 
Aus  gleichbed.  fi-anz.  crapule  f.  von  lat.  cräpula 
f.  «heftiger  Rausch».  Im  19.  Jh.  Bei  Campe 
1813  crapulös  «trunken,  weinbegeistert». 

kraspelll,  v.:  wie  hartes  Reiben  in  wieder- 
holten Tönen  gehört  werden.  Bei  Klamer 
Schmidt  kom.  Dicht.  82.  Mhd.  kraspeln. 
Derselbe  Stamm  erscheint  in  anord.  krespa 
«krachen»,  engl.  Crash,  im  Ablaut  schott. 
crisp  «knacken».     Lautnachahmend. 

kraß,  adj.:  dick,  grob;  plump,  roh.  1714 
bei  Wächtler.  Nach  lat.  crassus  «dick»,  aus 
der  Studentensprache,  aber  vermengt  mit 
graß,  gräßlich. 

Krätenwagen,  s.  Kräften. 

Krater,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Becher- 
schlund eines  Vulkans.  Im  18.  Jh.  (Goethe  30, 
59)  aus  gr.-lat.  cräter,  gr.  Kpaxrip  m.  «Misch- 
kessel», auch  «Öffnung  eines  feuerspeienden 
Berges»,  von  gr.  Kepdwu.ui  «mische». 

Kratten,  m.  (-s,  PL  wie  Sg.):  tiefer 
Handkorb,  Wagenkorb,  (in  den  bayr.-tirol. 
Alpen)  zweirädriger  Karren.  Daher  Kräten-, 
Krattenwagen,  m.  «Korbwagen».  Ober- 
deutsch. Mhd.  kratte,  gratte,  ahd.  cratto,  m. 
«Korb»;  dazu  ags.  cradel,  cradol  m.,  engl. 
er  adle  «Wiege».  Daneben  Formen,  die  auf 
t  weisen,  vgl.  ^Krätze. 

Kratz,  m.  {-es,  PL  -e):  einmaliges  Kratzen: 
Schramme  davon.  Mhd.  kraz  m.,  Gen.  kratzes. 

Kratze,  f.  (Pl.-w):  Werkzeug  zum  Zrafeew; 
Scharre.  Erst  im  15.  Jb.  (Tucher  Baumeisterb. 
256,  28),  aber  im  Bergbau  schon  mhd.  kratze  f. 


^Krätze,  f.  (PL  -n):  geflochtner  Korb, 
Korbgeflecht.  Mhd.  kretze  f.  und  m.  (auch 
im  frühesten  Nhd.  noch  Kretze  m.),  mit  Nasal 
krenze,  krinze,  ahd.  crezzo  m.  Nebenform  zu 
kratten.  Dazu  ags.  erat,  erat  n.  «Wagen». 
Weder  mit  lat.  crätes  f.  «Flechtwerk»,  noch 
mit  gr.  KdpTaXoc  m.  «unten  spitz  zulaufender 
Korb»  verwandt,  da  die  Lautverschiebung 
fehlt.    Vielleicht  entlehnt.    Vgl.  Kratten. 

'Krätze,  f.  (ohne  PL):  Kratzen  verur- 
sachende kleine  Milbenblattern  am  Körper; 
schuppichter  Abfall  vom  Metalle  beim  Be- 
arbeiten. In  der  1.  Bed.  mhd.  kratz  (voc. 
opt.  40^,  6,  bei  Megenberg  kratzen  n.),  im 
15.  Jh.  kretze,  kretz;  in  der  2.  Bed.  im  15.  Jh. 
kretze  (Frankf.  Bürge  rmeisterb.  v.  1450),  kretz 
(Nürnb.  PoUzeiordn.  150,  14  vom  J.  1488). 
ABL.  krätzig,  adj.:  die  Krätze  habend,  im 
15.  Jh.  kretzec,  mhd.  in  ankretzig  «räudig», 
woneben  1347  krezoht  «schäbig»  (Pfeiflers 
Übungsb.  154,   129). 

kratzen,  v. :  mit  Spitzem  od.  Scharfem  ein- 
dringend fassen  oder  reiben ;  reibend  scharren. 
Mhd.  kratzen,  kretzen,  ahd.  chrazzon;  dazu 
mnd.  kratzen,  krassen,  mndl.  cretten  «kratzen», 
anord.-nnorw.  krota  «ausschneiden»,  schwed.- 
dial.  kräta.  Aus  dem  Germanischen  ent- 
lehnt ital.  grattare,  franz.  gratter  «kratzen». 
Eine  nasalierte  Wurzel  könnte  in  lit.  grändau 
«schabe»  stecken.  ABL.  Krätzer,  m.:  im 
Halse  kratzender  Wein,  1691  bei  Stieler,  dafür 
1600  (bei  Melander  3  ocoseria)  Kr  atzeyibergerm. 
kratzig,  adj.:  rauh,  unfreundlich,  1808  bei 
Campe  als  nd.  ZUS.  Kratzbürste,  f.: 
(bildlich)  unfreundlicher  Mensch,  bereits  im 
17.  Jh.  (Bechstein  Museum  2,  252).  Kratz- 
fuß, m.:  höfliche  Verbeugung,  wobei  man 
mit  dem  linken  Fuße  ein  wenig  nach  hinten 
aufkratzte.  1775  bei  Adelung,  nd.  Kratz foot 
1767  im  Brem.  Wb.,  dafür  1734  bei  Steinbach 
Scharrfuß.  Die  Sitte  selber  bestand  bereits 
am  Anfang  des  17.  Jh. 

Krätzgarten,    m.:    Gemüsegarten.      Im 

östlichen  Mitteldeutschland,  1580  im  kursächs, 

General- Articul  §  22.     Benannt  nach  der  Be- 

;  arbeitung  mit  der  Kratze  d,  i,  «Krauthacke, 

Karst»   (md.  1517  bei  Trochus  Q  5^  kratze). 

krauchen,  v.,  ostmd.  Nebenform  von 
kriechen  (s.  d.),  1586  bei  Ringwaldt  Warb.  21. 

Kräuel,  m.  (-s,  PL  wie  Sg.):  Gabel  mit 

Haken  zum  Fassen.    Bei  Luther  kreuel  und 

krewel,  mhd.  kröuwel,  krewel,  kröul,  kriul, 

kreul,  ahd.  chrawil,  crewil,  chrowil,  crouwil  m, 

I  «dreizinkige    Gabel,    Dreizack,    Hakengabel, 


1141 


kraus 


£rant 


1142 


Klaue,  Kralle»;  dazu  and.  krauwü  m.  «drei- 
zackige Gabel»  afries.  kraivel,  mndl.  kramvel, 
nndl.  kraauwel  m.  «Hakengabel,  Kralle». 
Ton  krauen,  v.  (Prät.  kraute,  Fart.  gekraut): 
kratzen;  zu  Wohlgefuhl  gelinde  kratzen.  Mhd. 
krouK'en.  kraiven,  kreincen,  im  15.  Jh.  krauen^ 
ahd.  chrouicon:  dazu  mnd.  kraiven,  afries. 
kraica,  ndl.  krauwen  «kratzen».  Wohl  wurzel- 
verwandt mit  kratzen  oder  mit  lit.  gräuziu 
«nage».  ABL.  krauelu,  v.:  sanft  streicheln. 
Im"l5.  Jh. 

kraus,  adj.:  viel  ins  Runde  gekrümmt  oder 
geringelt.  Mhd.  (nicht  häufig)  und  mnd.  krüs, 
ndl.  1599  bei  Kilian  kruys,  mndl.  kroes,  ahd. 
noch  nicht  nachzuweisen.  Dazu  mit  Ablaut 
Gekröse  und  auch  wohl  Krolle  (s.  d.),  also 
aus  *krütto-.  Davon  Krause,  f.  (PI.  -»):  ge- 
fältelter Halski-agen,  1673  bei  Weise  Erzn.32 
Krause  f.,  aber  1644  bei  Moscherosch  Philan- 
der 1,  263  f.  Krause,  Kräuß  n.,  gegen  Ende 
des  16.  Jh.  Kraus  n.,  mit  Anlehnung  an  das 
Adj.  kraus  umgedeutet  aus  dem  im  16.  und 
17.  Jh.  üblichen  gleichbed.  Kraß  n.,  bei  Fisch- 
art Garg.  172  Kalhskröß,  nach  der  Ähnlichkeit 
mit  einem  Kalbsgekröse  benannt,  wie  noch 
ditmars.  kahverkrüsen  «gefalteter  Kragen», 
dän.  kalvekrös  «Busenstreif»,  franz.  fraise  f. 
«Kalbsgeki'öse»  und  «gefalteter  Hemdkragen». 
Kräusel,  m.:  fortlaufender  Kingel  (bei  Goethe 
an  Fr.  v.  Stein  1,  260);  Halskrause  (Goethe 
[Werther]  19,40).  kräuseln, v.:  fcmwsmachen, 
fälteln,  1572  bei  Fischart  Garg.  171  gekräuselet, 
1562  bei  Mathesius  Sar.  79^  sich  derkreuseln, 
mndl.  im  15.  Jh.  cruselen.  krausen,  v.:  kraus 
werden  (Goethe6,61).  krausen,  krausen, v.: 
kraus  machen,  1628  bei  Münster  Cosmogr. 
S.  1731  kraussen,  1510  in  der  Hagenauer 
Gemma  c8*  gekrußt,  md.  im  15.  Jh.  crusen 
(Diefenbach  gl.  158''),  im  17.  Jh.  krausen 
(Schupp  712);  dazu  mnd.  und  mnld.  krusen. 
ZUS.  Krauseminze,  f ,  zusammengeschoben 
aus  krause  Minze,  Anf.  des  15.  Jh.  crusemyntze 
(Diefenbach  gl.  66^),  1482  in  Yoc.  theut.  v2^ 
krawsmintz.  kraushaarig,  adj.,  1 664  bei Duez 
kraußhaarigt,  1477  clevisch  cruysshayrich,  wie 
wie  auch  das  Subst.  kruushaer  n,  KrauS- 
kopf,  m.,  bei  Luther  W.  8,  23  Kraußkopff. 

^Krause,  f.,  s.  kraus. 

-Krause,  f  (PI.  -n):  eine  Art  (Deckel-) 
Krug.  Oberdeutsch,  hessisch,  Alternhd. 
auch  Krause  m.  {-n,  PI.  -n)  und  Kraus  m. 
(PI.  Krause).  Mhd.  krüse  f.  mit  dem  schon 
im  12.  Jh.  erscheinenden  Dim.  crüselin  n.: 
dazu  mnd.  krüs  und  krös  m.  n.,  ndl.  kroes  m. 


Da  Gefäßnamen  häufig  entlehnt  werden,  hat 
man  auch  hier  an  Entlehnung  gedacht :  etwa 
aus  gl".  Kpujccöc  m.  «Wasser-,  Ol-,  Aschen- 
krug» (so  wieder  Falk-Toi-p);  nach  Weigand 
aus  mlat.  cruci-,  crusibulus  m.  «Becher»  (urspr. 
in  Kreuzesform),  lat.  crucihuhim  n.  «Nacht- 
lateme  in  Kreuzesform),  Lampentiegel»,  dar- 
auf weisen  auch  die  ältemhd.  Formen  und 
Bed.  (krusel,  krüsel,  krausei,  kreusel,  m.  f. 
«breitbauchiger  Krug,  Xapf,  Tiegel»,  noch 
Schweiz,  chrüsel  m.  f.  «Henkelknig  mit  brei- 
tem Bauch,  starkbauchige  Kasserole,  gedeckte 
tiefe  Schüssel  mit  Handhaben»,  nd.  krüsel  m. 
«hangende  Lampe  geringer  Leute,  worin 
meistenteils  Tran  gebrannt  wird»  (bi-em.  Wb. 
2,  888),  mnd.  krusel,  krnc^el,  o-usele,  andfrk. 
crüsul  «crucibulum»,  md.  Kreusel  m.,  «han- 
gende tragbare  Arbeitslampe  der  Bäcker»  usw. 
Doch  könnte  das  Wort  auch  echt  deutsch  sein 
und  mit  kraus  in  der  Bedeutung  «drehend» 
zusammenhängen.    Vgl.  Kreisel. 

Kraut,  n.  (-[e]s,  PI.  Kräuter):  Blattge- 
wächs, das  keinen  Holzstengel  hat;  Häupter- 
kohl; das  grüne  Blattwerk  einer  nicht  über 
Winter  dauernden  Pflanze  (im  16.  Jh.  bei 
Paracelsus);  (nordwestdeutsch)  eingekochter 
Fnichtsaft;  (heute  veraltet)  Schießpulver. 
^Ihd.  krfd,  ahd.  chrüt  n.  «kleinere  Blätter- 
pflanze, Gemüse,  Kohl»;  dazu  asächs.  crüd 
«Unkraut»  mnd.  krüt,  krüd  (auch  Gewüi*z) 
ndl.  kruid  n.  In  der  Bed.  Schießpulver  schon 
im  14.  Jh.  am  NiedeiThein  kmyt  n.,  nhd.  auch 
Büchsenkraut,  Zündkraxit  (Grimmeishausen 
Simpl.  229),  dann  in  Kraut  und  Lot  «Pulver 
und  Blei»  (Liliencron  Volksl.  2,  324,  12  vom 
J.  1493),  mnd.  krüt  unde  löt.  Vielleicht  zu 
gr.ßpOo)  ithervoi'sprossen»,  ßpüov  n.  «Moos, See- 
moos, Kätzchen,  Blüte».  RA.  Das  geht  mit 
Kräutern  zu:  mit  unrechten  Dingen,  Zauber- 
kräutern (Wickram  Rollwagen  17,  22).  ABL. 
kräuteln,  v.:  Kräuter  sammeln,  1691  bei 
Stieler  kreutelen  (1556beiFrisius  483*  kreütlen, 
«ausjäten»):  daher  Kräutler,  m.:  Kräuter- 
sammler, fiühnhd.  krüteler  (Anf.  d.  15.  Jh.), 
kreutler  und  krüdener,  kretvtener  (Diefenbach 
gl.  275%  nov.  gl.  202^);  Gemüsehändler,  1582 
bei  Golius  355,  noch  heute  in  Wien,  krau- 
ten, V.:  Unkraut  jäten  (Fastnachtsp.  d.  15.  Jh. 
610,  2),  mhd.  krüten  «Kraut  holen»,  mnd. 
kreiden  (auch  wüi-zen).  kräutern,  v.:  Kraut 
holen  oder  jäten  (in  der  ersten  Hälfte  des 
15.  Jh.  kreytren),  Kräuter  suchen.  Kräu- 
ticht,  n.:  Kräuterblätter,  Unkraut,  md.  im 
15.  Jh.  crüdech,  crüdecht,  crewtecht,  im  14.  Jh. 

72* 


1143 


Krawall 


Kreide 


1144 


crüteht  n.  ZTJS.  Krailtfeauer,  m. :  Häuptei-- 
kohl  Bauender,  mit  Häupterkohl  handelnder 
Bauersmann  (bei  Kramer  1787).  Kraut- 
haupt,  n.  und  Krautkopf,  m.:  Kohlkopf, 
im  17.  Jh.  Krautehauht,  Krauthaupt,  mhd. 
krütes  Jwuhet:  1581  beiFischartBienenkorb84'' 
Krautkopff.  Krautjunker,  m.:  (spöttisch) 
unwissender  Landedelmann,  im  17.  Jh.  bei 
Moscherosch  Patientia  26. 

Krawall,  m.  {-s,  PI.  -e) :  vorübergehender 
Aufi'uhr  ohne  Ausdehnung.  Von  den  großen- 
teils rat-  und  tatlosen  Aufständen  des  Herb- 
stes 1830  aus  rasch  im  westKchen  Mittel- 
deutschland verbreitet.  Doch  vereinzelt  schon 
vom  J.  1557  aus  dem  Archiv  zu  Rotweil 
«Cratvallen  halben  uff  wasser  und  land  be- 
treten oder  angreiffen  würde»  (Herrigs  Archiv 
38,  343).  Aus  franz.  charivalli  (14.  Jh.,  ralat. 
charavalliuni),  der  Nebenfonn  von  charivari 
«Straßenlärm,  Katzenmusik»,  prov.  caravil 
(s.  Charivari).  Davon  1830  krawällen  v. 
und  Krawäller,  m. 

Krawatte,  f.  (PI.  -n)-.  steife  Halsbinde. 
Fräh  im.  18.  Jh.  aus  franz.  cravate  f.,  in 
der  ersten  Hälfte  des  17.  Jh.  gebildet  aus 
dem  Volksnamen  Cravate  «Kroate»  (s.  Kra- 
bate),  als  Nachahmung  der  leinenen  Halstücher 
der  Kroaten,  daher  ita\. croatta  neben  cravattaf. 

Kraxe,  f.  (PI.  -n):  Traggestell.  Bayr.- 
schwäbisch.  Mhd.  (österr.)  chrechse  f.,  1421 
kräxen  (Diefenbach  nov.  gl.  97*).  Vielleicht 
mit  ^Krätze  zusammenhängend. 

kraxeln,  v.:  klettern,  mühsam  gehen. 
Bayi-.-östr.,  eine  Weiterbildung  des  schon  im 
17.  Jh.  bezeugten  österr.  krägeln  «strampeln, 
klettern».  In  der  neuem  Zeit  dui'ch  den 
Bergsport  bekannt  gewoi'den. 

Kreatur,  f.  (PL  -en):  Geschöpf.  Mhd. 
creatiure,  md.  creatüre  f.,  aus  gleichb.  lat. 
creätUra  f.,  von  creäre  «erschaffen».  ABL. 
kreaturlich,  adj.,  mhd.  creatiurlich. 

Krebs,  m.  (Gen.  -es,  PI.  -e):  hartschaliges 
Wassertier  mit  zwei  Scheren;  (von*  der  Ähn- 
lichkeit der  Krebsschale,  im  15.  und  16.  Jh.) 
blecherner  Brustharnisch;  um  sich  fressendes 
Geschwür  (schon  im  14.  Jh.  aus  dem  Alter- 
tum übernommen,  lat.  Cancer  m.).  In  urspr. 
Bed.  mhd.  krebeg,  krebg,  im  14.  Jh.  auch  krebs, 
spätahd.  crebi^,  md.  im  12.  Jh.  criug,  später 
kreug,  kreuze,  krou^,  mit  schwacher  Flexion 
mhd.  krebege,  krebse,  ahd.  chrepap  m;  dazu 
mnd.  krevet,  kreft,  mndl.  krevet,  krevitse, 
krevisse,  nndl.  kreeft  m.  Entlehnt  afranz. 
escrevisse  (auch  Brustharnisch),  nfranz.  ecre- 


visse  f.  «Krebs»  und  crevette  f.  «kleiner  Krebs», 
gleichen  Stammes  wie  Krabbe  (s.  d.).  ABL. 
krebsen,  v.:  Krebse  fangen,  mhd.  krebegen, 
krebsen.  ZTJS.  Krebsauge,  m.,  im  15.  Jh. 
krebyß-,  kreffißauge  (Diefenbach  gl.  490°),  so 
heißen  zwei  im  August  zur  neuen  Schalen- 
bildunof  im  Magen  des  Krebses  befindliche 
halbkugelige  Steinchen.  Krebsgang,  m.; 
Gang  mckwärts  wie  der  eines  Krebses,  bei 
Luther  3,  332 *>  Jen.  Krebsschaden,  m.: 
Krebsgeschwür,  1678  bei  Krämer.  Krebs- 
schere, f.,  früh  im  15.  Jh.  md.  krebe§schere. 
Krebssuppe,  f.,  im  15. — 16.  Jh.  krebssuppe 
(Germ.  9,  206). 

kredenzen,  v. :  vorkosten,  vorkostend  dar- 
reichen. Spätmhd.  credenzen,  von  ital.  cre- 
denza  f.  «Glaube,  das  Vorkosten»  zu  «Treu 
und  Glauben»  d.  h.  zum  Zeichen  der  Un- 
schädlichkeit, der  Giftlosigkeit,  mlat.  cre- 
dentia  f.,  zu  lat.  credere  «glauben».  ABL. 
Kredenzer,  m.,  spätmhd.  credenzer.  ZUS. 
Kredenztisch,  m.:  Schenktisch,  1540  bei 
Alberus  dict.  r2%  1586  in  den  Script,  rer. 
Siles.  4,  290  Credentz  m.    Jetzt  Kredenz,  f. 

Kredit,  m.  {-[e]s,  PI.  -e):  Treue  und 
Glauben  zu  Borg,  Leihvertrauen.  Zu  Anfang 
des  17.  Jh.  (1601  bei  Albertinus  Kriegsleut 
Weckuhr  118^  Credit  m.,  als  Neutr.  1663  bei 
A.  Gryphius  Horrib.  11)  entlehnt  aus  gleichbed, 
franz.  credit,  ital.  credito  m.,  von  lat.  creditum  n. 
«Darlehn»,  dem  Neutrum  von  creditus,  Part. 
Perf.  Pass.  von  credere  «glauben,  borgen». 
Dafür  kaufmännisch  im  16.  Jh.  Glauben  (1548 
bei  Agricola  Sprichw.  Nr.  733).  kreditieren, 
V. :  auf  Borg  geben,  im  17.  Jh.  creditiren,  aus 
franz.  crediter.  Kreditor,  m.  (-5,  PI.  Kredi- 
toren): Gläubiger,  1510  im  Cod.  dipl.  Siles.  20, 
178  Creditor,  aus  gleichbed.  lat.  creditor  m. 

Kreditiv,  n.  {-s,  PI.  -e):  Beglaubigungs- 
schreiben. 1607  bei  Sattler  Orthogi'.  32  Creditiff- 
schreiben.  Vom  mlat.  Adj.  creditivus  «Glauben 
zu  schenkend»,  zu  lat.  credere  «glauben». 
Dafür  im  15.  und  16.  Jh.  credenz  f.  n.,  mnd. 
credencie  f.,  aus  ital.  credenza  f.  (s.  kredenzen). 

kregel,  adj.:  munter,  lebhaft  (Tieck  Nov. 
7, 130).  Nd.und  md.,  aber  mnd.  kregel  «immer 
fertig  zum  Kampfe,  hartnäckig»,  ndl.  kregel 
«störrisch»,  1599  bei  Kilian  krijghel,  ent- 
sprechend ahd.  widarcregilin  «hartnäckig». 
Verwandt  mit  Krieg  (s.  d.). 

Kreide,  f.  (PI.  -n):  weiße  Kalkerde  zum 
Schreiben  usw. ,  Mhd.  kride,  spätahd.  crtda,  f. ; 
dazu  and.  crtda,  mnd.  krite  f.  Aus  gleichbed. 
unerklärtem   lat.  creta  f.   «Kreide».     ABL. 


1145 


Kreis 


Krempel 


1146 


kreiden,  v.,  spätmlid.  knden  (15.  Jh.).  krei- 
dicht,  adj.,  1691  bei  Stieler.  kreidig,  adj., 
1618  bei  Schönsleder.  Kreidlinsr,  m..  von 
Campe  1801  für  Kretin  (s.  d.j  vorgeschlagen, 
jedoch  mit  falscher  Ableitung.  ZUS.  kreide- 
weiß, adj.,  1575  bei  Fischart  Garg.  113 
kreidemveiß. 

Kreis,  m.  (Gen.  -es,  PI.  -e):  um  einen 
Punkt  laufende,  überall  gleicbweit  von  diesem 
entfernte  Linie;  Landbezirk;  Verkebrskreis. 
Mhd.Ä:re?5  m.  «Ki-eislinie,  L^mkreis,  eingehegter 
Kampfplatz,  Landeski-eis»,  spätahd.  crei^  m. 
(noch  im  18.  Jh.  Kreiß,  Kraiß);  dazu  ndrhein. 
im  14.  Jh.  kreytz  und  krijt,  mnd.  kret,  krete, 
kreit,  krU  m.,  mndl.  crlt  n.  Xebst  mhd.  (md.) 
kri^en  «eine  Kreislinie  machen»,  hekrigen  «mit 
einer  Kreislinie  umziehen»,  hekrei^en  «den 
Grundi'iß,  die  Umrisse  zeichnen»,  entweder  zu 
kritzen  «kritzen,  ritzen»  (s.  Kritz)  oder  zu  alb. 
fep  m.  «Reif  eines  Fasses,  Rades,  Ringest.  ABL. 
kreisen,  v.:  sich  kreisförmig  bewegen,  mhd. 
kreiden.  ZUS.  Kreislauf,  m.,  1741  bei  Frisch. 

'kreischen,  v.:  laut,  grell  aufschreien. 
Mit  schwacher  Biegung  Pi'ät.  kreischte,  Part. 
gekreischt,  aber  in  der  Volkssprache  und 
ältemhd.  starkflekt.  Prät.  krisch,  Part,  ge- 
krischen, um  1200  ndrhein.  und  md.  krischen 
(Prät.  kreisch,  PI.  krischen,  Part,  gekrischen), 
spätmhd.  im  15.  Jh.  kreischen  (deutsch  Passion, 
Frankf.  Hds.  Bl.  61^);  dazu  mnd.  krischen, 
krisken,  mndl.  arischen,  crijschen  (Prät.  cresc), 
nndl.  krijschen  (Prät.  kreesch,  Fart.  gekreschen, 
aber  auch  schwachflekt.  krijschte,  gekrijscht). 
Nebenformen:  kröschen  (oberd,  und  nd.), 
kreuschen  fFischart  Garg.  169,  Stieler  1691, 
Musäus  Volksm.  3,  278),  mit  Dental  obersächs. 
krietschen,  vgl.  kreißen  und  kreisten. 

■^kreischen,  v.:  kochendes  Öl,  Schmalz  usw. 
durch  ein  hineingelegtes  Brotstück  oder  ein- 
gespritztes Wasser  reinigen,  bratend  auslassen. 
Im  17.  Jh.  (bei  KirchhoflF)  kreuschen,  bei 
Adelung  1775  kröschen.  Schwachbiegendes 
Faktitiv  zu  kreischen,  urspr.  «aufschreien 
machen»,  wie  mhd.  erkreischen;  im  16.  und 
17.  Jh.  kreischen  «quälen,  peinigen». 

Kreisel,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  kleines 
trichterförmiges  Spielgerät,  das  auf  dem 
spitzen  Ende  sich  drehend  läuft.  Angelehnt 
an  Kreis  und  kreisen  1691  bei  Stieler  Kreisel, 
aber  urspr.  «Topf,  Krug»  (s.  "^Krause,  wie 
mhd.  tind  noch  oberd.  topfm.  «Kreisel»),  daher 
noch  bei  Voß,  Goethe,  Lichtenberg  usw. 
Krauset,  bei  Freyer  1722,  Duez  1664  und 
Soranus  1587  Kreusel,  1421  crußel  (Diefenb. 


nov.  gl.  372*),  md.  im  13.  Jh.  krüsel  m. 
(hl.  Elisabeth  3610);  dazu  mnd.  1424  crusel 
(Hör.  belg.  7,  29^),  bei  Chyträus  krüsel,  nnd. 
krüselding,  in  Anlehnung  an  nd.  küsel  «Wirbel, 
Stnidel-^  (brem.  Wb.),  mnd.  cusel  Diefenbach 
nov.  gl.  372^. 

kreisen,  v.,  s.  Kreis. 

kreisten,  v.:  stöhnend  ächzende  Töne  aus- 
stoßen. Mhd.  kristen.  Noch  bayr.-östr.,  dafür 
in  der  Wetterau  und  in  Nassau  kresten. 
Vgl.  kreißen  und  kreischen. 

kreißen,  v.:  in  Gebui-tswehen  schi-eien 
(und  stöhnen);  Wehen  haben.  Schwachbiegend 
Prät.  kreißte,  Part,  gekreißt,  aber  mit  starker 
Flexion  mhd.  kri^en  (Prät.  kreiß)  «scharf  rufen, 
scharf  schreien,  stöhnen»,  im  15.  Jh.  kreysen 
(Hätzlerin  1,  25,  68  u.  30,  9),  in  der  heutigen 
ßed.  zuerst  1691  bei  Stieler  (kreußen).  Dazu 
mnd.  kriten  «schi-eien,  heulen»  (Prät,  kret) 
kreten,  kriten  «streiten,  zanken»,  1477  elevisch 
crijten,  mndl.  criten  «grell  aufschreien»,  nndl. 
krijten  [Prsit.  kreet,  Fart.  gekreten)  «schreien». 
Vgl.  kreischen  und  kreisten. 

Krematorium,  n.  (s,  PI.  -rien) :  Anstalt 
zur  Leichenverbrennung.  Von  lat.  cremäre 
«verbrennen»  in  neurer  Zeit  gebUdet. 

Kremortärtari,  m.:  gereinigter  Wein- 
stein. Von  lat.  cremor  m.  «dicker  Saft,  Brei», 
und  dem  Gen.  von  nlat.  tartarus  «Weinstein». 
1801  bei  Campe. 

Krempe,  f  (PI.  -en)-.  aufwärts  gebogner 
(geschlagner)  Hutrand  usw.,  1673  bei  Weise 
Erzn.  26  Krempe.  Aus  dem  Nd.,  Nebenform 
von  Krampe  (s.  d.),  1691  bei  Stieler  Krampe, 
Krempe  «übula»  und  Krempe  auf  dem  Hut 
«spinther»  (die  Agraffe  an  der  Hutkrempe), 
a\i(}L.chramphm.<iRan(i,l\vaTnj>,xcidirgichrampht 
«zurückgebogen»,  krempen,  V.:  den  Rand 
wovon  aufwärts  biegen,  1741  bei  Frisch  gi-em- 
pen  (aus  dem  Niedersächsischen). 

^Krempel,  f  (PI.  -n):  Wollkamm.  Zu- 
fällig erst  1734  belegt  bei  Steinbach  G-rampel  f.; 
md.  im  15.  Jh.  krempel  m.  n.  «gekrümmter 
Zacken,  Häkchen  (1404  bei  Cersne  Minne  Regel 
2713),  KraUe»,  mit  hd.  pf  ältei-nhd.  krempfei 
«Hakengabel,Fleischgabel»(Schmeller- 1, 1370). 
Abltg.  V.  a\idi.chramph  m. «Haken»  (s. Krampe). 
Davon  krempeln,  V.:  um  1480  im  Voc.  ine.  teut. 
1 1  ^  kemmen,  vulgariter  grempeln.  Krempler, 
m.,  ebenda  kemmer,  grempler.  Kreniplerin, 
f ,  1429  bei  Diefenbach  nov.  gl.  283^  kemmer  in, 
gramplerin. 

^Krempel,  m.  (-s):  geringwertige  Sachen, 
eig.  Trödelware.  Zu  älternh^.greiyipel  m.«Kauf- 


1147 


Kremser 


Kreuz 


1148 


handel  im  Kleinen,  Trödelhandel»  (16.  Jh.), 
grempelmarkt  m.  « Platz  zum  Feilhalten  alter 
gebrauchter  Sachen,  Trödelmarkt»  (Voc.  von 
1429  bei  Schmeller,  1537  bei  Dasypodius), 
grempelwerk  n.  «Trödelware»  (1594  bei  Frisch- 
lin  Noni.  c.  155).  krempeln,  v.:  Kleinhandel 
treiben,  trödeln.  1669  bei  Grimmeishausen 
Simpi.  317  krämpeln,  mhd.  grempeln,  grempen, 
vielleicht  von  ital.  comprare  (im  Volksmund 
crompare)  «kaufen»,  das  dem  gleichbed.  lat. 
cornpäräre  entstammt.  Krempler,  m. :  Tröd- 
ler, Höke.  Mhd.  im  1 3.  Jh.  grempler,  gremper  (um 
1500  kremper  Straß b.  Verordn.  256  Brucker), 
1413  grempner,  im  14.  Jh.  grempe,  grenip 
(Straßb.  Verordn.  249). 

Kremser,  m.  (-es,  PI.  wie  Sg.):  leichter 
Omnibus,  benannt  nach  dem  Berliner  Hof- 
agenten Kremser,  der  1825  die  ersten  der- 
artigen Wagen  in  Berlin  aufstellte, 

Kren,  m.  (-s,  PI.  unüblich):  Meerrettich. 
In  Bayern,  Osterreich,  Nordfranken,  Schlesien. 
Mhd.  kreti,  krene  m.,  im  15.  Jh.  auch  krien 
(1482  im  Voc.  theut.  r  4^),  schles.  Krien  (bei 
Günther  974  und  Steinbach).  Aus  dem  Slawi- 
schen, abg.  russ.  chrenü,  tschech.  kfen. 

Krengel,  s.  Kringel. 

Kreole,  m.  (-».,  PI.  -?i):  von  einem  Weißen 
mit  einer  Mestize  erzeugter  (bräunlicher)  Ame- 
rikaner; aber  auch  in  den  Kolonien  Geborner 
von  rein  europäischem  Blut.  1728beiSperander 
Criole,  nach  franz.  creole  m.  aus  gleichbed, 
span.  criollo  m.,  von  span,  criar  «erzeugen, 
ernähi'en»,  lat,  creäre  «erschaflfen». 

krepieren,  v,:  verrecken;  bersten  (von 
Granaten).  1617  im  teutschen  Michel  crepiren, 
aus  ital.  crepare  «bersten,  verrecken»,  von 
lat.  crepäre  «krachen,  platzen». 

Krepp,  m.  (-es,  PI.  -e):  Krausflor.  Im 
16.  Jh.  bei  Kiechel  161  Crepp,  1650  bei  Mosche- 
rosch  Philander  1,  44  Kreppe  (in  den  altern 
Ausgaben  Crespe),  ndl.  1599  bei  Kilian  crespe, 
kerspe,  aus  gleichbed.  franz.  crepe  m.,  früher 
crespe,  von  lat.  crispus  «kraus». 

Kreppel,  m.  (-s,  PI.  -n  und  wie  Sg.): 
Krapfen,  s.  Kräpfel. 

^Kresse,  f.  (PI.  -n):  die  bitterliche  Salat- 
pflanze an  und  in  süßen  Wassern,  auch  ver- 
wandte Pflanzen  ähnlichen  Geschmacks.  Mhd. 
kresse  m.  f.,  ahd.  cresso  m.  und  cressa  f.  (vgl. 
ZfdW.  2,  229);  dazu  andfrk.  cressa  f.  (rhein.  im 
11.  u.  12.  Jh.  crasse),  mnd.  kerse,  karse  f., 
nndl.  kers,  kors  f.,  ags.  coerse,  cerse  f.,  engl. 
cress.  Unerklärt.  Aus  dem  Germanischen 
entlehnt  franz.  cresson,  ital.  crescione  m. 


-Kresse,  f.  (PI.  -n)  -.  der  Gründling,  cy- 
prinus  gobio.  Das  Fem.  scheint  in  Mittel- 
deutschland aufgekommen,  mhd.  kresse  m., 
ahd.-and.  cresso  m.,  (noch  bayr.  Kressen  m.); 
dazu  rhein.  im  11.  und  12.  Jh.  grasse,  1477 
clevisch  crasse.  Vielleicht  zu  ahd.  chresan 
«kriechen»;  der  Fisch,  auch  Kreßling,  m. 
(-S,  PI. -e)  genannt  (1429  kressUng),  hat  näm- 
Hch  in  seinem  Bewegen  auf  dem  Grunde  des 
Wassers    etwas   Schleichendes,   Kriechendes. 

Krethl  und  Plethi:  Hack  und  Mack, 
Gesindel,  eig.  Scharfrichter  und  Läufer  (nach 
andren  Erklärern  Kreter  und  Philister),  der 
hebräische  Name  dei  Leibwache  Davids 
(2.  Sam.  8,  18  usw.) 

Kretin  (spr.  kret{),  m.  (-s,  PI.  -s):  Stumpf- 
und  Blödsinniger  mit  mißgestaltetem  Körper, 
bes.  in  Alpentälern.  Am  Anfang  des  19.  Jh. 
(1801  bei  Campe)  aus  franz.  cretin  m.,  und 
zwar  aus  Wallis  (woher  auch  ital.  cretino  m.), 
von  lat.  christiänus  «Christ,  Christenmensch, 
armer  Mensch,  der  mit  andern  Menschen  eben 
nur  die  Taufe  gemeinsam  hat».  Vgl.  Kreidling. 

Kretscham,  m.  (-s,  PI.  -e)  -.  Dorfschenke. 
In  Posen,  Schlesien,  der  Lausitz.  Md.  1340 
kreczym,  im  14.  Jh.  kretschem  m.,  aus  sorb. 
korcma,  tschech.  krcma,  poln.  karczma  f. 
«Schenke».  ABL.  Kretschmer,  m.  (-S,  PI. 
wie  Sg.):  Schenkwirt.  Md.  1340  krecimer, 
1421  creczemer,  aus  gleichbed.  sorb.  korcmar, 
tschech.  krcmär,  poln.  karczmarz  m.  Im  15. 
bis  17.  Jh.  kretzschmar  auch  die  «Dorfschenke». 

Kreuz,  n.  (-es,  PI.  -e):  Balken  mit  Quer- 
holz alsMartei--  und  Todespfahl  für  Verbrecher, 
dann  überhaupt  eine  solche  Figur;  (bildlich, 
biblischen  Ursprungs  nach  Marc.  8,  34  usw.) 
bittres  Leid,  beschwerendes  Übel  (schon  mhd. 
Mühsal,  Not);  Ordenskreuz  (Anfang  des  15.  Jh., 
ausgehend  von  dem  Abzeichen  der  Kreuzfahrer 
und  der  Ritterorden  während  der  Kreuzzüge) ; 
das  Rückgrat  zwischen  den  Schultern  (1664  bei 
Duez)  oder  am  untern  Ende  (1682  bei  Chr. 
Weise  Opf.  Isaacs  3,  11);  in  der  Spielkarte 
das  franz.  trefle  m.  «Kleeblatt»  (daher  Kreuzas, 
-buhe,  -dame).  Mhd.  kriuze,  kriuce,  kriuz,  ahd. 
krüzi  n.  (bei  der  Christianisierung  im  8.  und 
9.  Jh.  zunächst  vom  Kreuze  Christi);  dazu 
asächs.  crüci  f.  n.,  mnd.  und  mndl.  crüce,  nnd. 
krüze,  krüz,  nndl.  kruis,  afries.  crioce,  kriose, 
krüs  n.  Aus  dem  Akk.  crücefn  von  gleichbed. 
lat.  crux  f.,  mit  regelrechtem  Umlaut.  Ebenso 
entlehnt  anord.  kross  m.,  schwed.-dän.  kors, 
aber  aus  andrer  Quelle  (dafür  got.  galga  m. 
«Galgen»,   ags.   röd   f.   «Rute»).      Die   ältre 


1149 


kribbeln 


kriechen 


1150 


unverkürzte  Form  das  Kreutze,  Kreuze  noch 
bei  Opitz,  Fleming,  Günther,  Lessing  1,  186, 
Rückert  1,  111.  RA.  zu  Kreuze  kriechen 
(urspr.  zum  Crucifix  bei  der  Kirchenbuße) 
«sich  demütigen»  (bei  Luther  zum  Creiitze 
kriechen).  ABL.  kreuzen,  v.:  das  Zeichen 
des  Kreuzes  machen  (schon  mhd.) ;  kreuzweise 
herumfahrend  und  aufpassend  auf  der  See 
sich  bewegen  (von  Schiffen,  1678  bei  Krämer 
kreutzen,  creutzen) ;  kreuzweise  durchschneiden 
oder  sich  schneiden  (18.  Jh.).  Mhd.  kriuzen 
«ans  Kreuz  schlagen,  mit  dem  Zeichen  des 
Kreuzes  versehen»,  ahd.  krüzön  «kreuzigen», 
lat.  crüciäre  «kreuzigen,  peinigen».  Kreuzer, 
m.  (-S,  PI.  wie  Sg.) :  kleine  Silber-  oder  Kupfer- 
münze, urspr.  mit  aufgeprägtem  Zeichen  des 
Kreuzes  (X,  deshalb  die  Kürzung  xr.,  dann 
auch  kr.),  mhd.  kriuzer,  mlat.  denarius  cru- 
datus  oder  cruciger  (zuerst  als  Silberpfennige 
im  13.  u.  14.  Jh.  in  Verona  und  Merau  geprägt); 
kreuzendes  Schiff,  Kaper  1716  bei  Ludwig 
Greutzer).  kreuzigen,  v.:  ans  Kreuz  schla- 
gen, mhd.  kriuzigen,  md.  crüzigen,  ahd.  crü- 
cigon:  dazu  Kreuzigung,  f.,  mhd.  kriuzi- 
gunge,  ahd.  chrücigunga  f.  ZUS.  Kreuz- 
band, n. :  kreuzweis  umgelegtes  Band,  bes. 
für  Postsendungen.  In  diesem  Sinne  erst  im 
19.  Jh.  kreuzbray,  adj. :  durchaus  brav,  1756 
im  Leipz.  Avanturier  1,  109  creutzprav,  wie 
schon  bei  Fischart  Garg.  231  u.  240  kreutzgut, 
eine  Verstärkung  nach  dem  Vorbilde  vonKraft- 
wöi'tern  wie  Kreuzdonnerivetter  usw.  Kreuz- 
fahrt, f.:  Kreuzzug,  mhd.  kriuzevart  f.  Kreuz- 
gang,  m.:  Umzug  mit  dem  Kreuze,  Wallfahrt; 
für  diesen  Umzug  Säulengang  oder  Halle  an 
Kirchen  und  Klöstern;  Leidensweg  im  mensch- 
lichen Leben  (nach  Christi  Leidensgang,  1578 
bei  Spangenberg  Ehespiegel  84^).  In  den  bei- 
den ersten  Bed.  mhd.  kriuze-,  kriuzganc  m. 
Kreuzschnabel,  m.:  der  Christvogel  mit  ge- 
kreuztem Schnabel,  1557  h. Reußlin  168^ Krütz- 
vogel  oder  Krumhschnahel.  Kreuzspinne,  f. : 
Spinne  mit  einem  weißpunktierten  Kreuz  auf 
dem  Rücken,  1691  bei  Stieler,  Kreuzweg, 
m.,  1640  bei  Comenius,  bei  Spe  Trutzn.  34 
(Balke),  1598  bei  Kilian  kruysweg.  kreuz- 
weise, adv.,  mbd.  kriuzewise,  -wis.  Kreuz- 
WOChe,  f.:  die  zweite  Woche  vor  Pfingsten, 
in  der  die  kathoUsche  Kirche  Bittgänge  mit 
vorgetragnem  Kreuz  hält,  mhd.  kriuze-,  kriuz- 
woche  f.,  and.  krüzewika  f.  Kreuzzug,  m., 
am  Anfang  des   18.  Jh.  bei   Günther  132. 

kribbeln,  V.:  vielfüßig,vielfingerig  sich  be- 
wegen, wimmeln;  wimmelnd  jucken,  prickeln. 


Gedehnt  kriebeln  (im  16.  Jh.  Weim.  Jahrb.  5, 
224).  In  der  1.  Bed.  1540  bei  Alberus  dict. 
y  1  ^  kribeln,  in  der  Reimformel  kribbeln  und 
tvibbeln  1455  bei  Lüiencron  Volksl.  1,  483^ 
in  der  2.  Bed.  md.  im  13.  Jh.  kribeln;  dazu 
nd.  kribeln  und  kribbeln,  ndl.  1599  bei  Kilian 
krevelen  und  kribbelen.  Im  Ablaut  stehend 
zw  krabbeln  {?,.  di)  ABL.  kribb(e)lig,  adj.: 
unruhig.  Niederd.  Im  16.  Jh.  kryblecht. 
ZUS.  Kribbelkopf,  m.:  reizbarer  Mensch, 
norddeutsch,  1748  im  westfäl.  Robinson  265. 
Kribbel-,  Kriebelkrankheit,  f.:  unauf- 
hörliches Jucken,  vom  Genuß  mutterkornhalti- 
gen Brotes  stammend,  bei  Musäus  Volksm.  2, 1 92 
Kribelkrankheit,  1741  bei  Frisch  Griebelsucht. 

Kribskrabs,  m.  n. :  ein  Durcheinander  von 
Zügen  im  Ritzen,  Schreiben  usw.  sinnlosen  oder 
zauberhaften  Charakters;  wunderliches  Durch- 
einander (Goethe  Faust  3268).  Bei  Schuppius 
502  Kribbes  Krahbes,  1573  kribiß  kr  abaß,  ein 
Ablautgebilde  wie  Schnickschnack,  Krikel- 
krakel,  ripsraps  usw.,  von  ndl.  krabben  «krat- 
zen», kribben  «kritzeln»  (1599  bei  Kilian). 

krick(e)lig,  adj.:  mit  allem  unzufrieden 
und  tadelsüchtig  wie  zänkisch  (Goethe  22,  249, 
1.  H.) ;  leicht  zu  Zank  und  Streit  führend.  Von 
krickeln,  v.:  zanken,  streiten.  Mundartlich 
kreckeln,  nd.  krakeln  «rechthaberisch  wider- 
sprechen, unzeitig  und  mürrisch  tadeln».  Da- 
von Krickelei,  f.,  Goethe  Briefe  3,  247. 

Krieche,  f.  (PI.  -n)-.  die  Pflaumenschlehe. 
Mhd.  krieche  f.,  ahd.  chriehboum,  krichboum 
m.;  dazu  1477  clevisch  criecke,  mnd.  kreke, 
krike  f.  «Schlehenpflaume»,  ndl.  kriek  f.  «Vogel- 
kirsche», ins  Französische  entlehnt  creque  f. 
«Krieche»,  ins  Skandinavische  schwed.  krikon, 
dän.  krcege.  Wahrscheinlich  zu  mhd.  Krieche 
m,  «Grieche»,  vgl.  1517  bei  Trochus  Kl** 
prunum  grecum,  greculum,  krichen.  Vgl.  E. 
Schröder  Anz.  fdA.  23,  158. 

kriechen,  V.  (Prät.Ä;roc/t,Konj./i;röc/te,  Part. 
gekrochen):  niedorliegend  sich  fortbewegen. 
Mhd.  kriechen  (Prät.  krouch,  PI.  kruchen),  ahd. 
chriocJian,  engl,  crouch  «sich  niederbücken», 
norw.  kruka  «sich  niederhocken»,  sonst  mit 
labialem  Auslaut  anfrk.  criepan,  mnd.  krupen 
(auch  md.  krüfen  neben  krichen),  ndrhein. 
krüfen,  kruifen,  mndl.  arufen,  nndl.  kruipen, 
ags.  creopan,  engl,  creep,  afries.  kriapa,  anord. 
krjüpa,  schwed.  krijpa,  dän.  krybe.  Man  ver- 
gleicht (mitÄ-Auslaut)air. grrMC  {nM'n'^grunko-) 
«Runzel»  und  (mit  j?- Auslaut)  gr.  TPÜ^röc 
«krumm».  Vgl.  Btr.  26,  301.  Älternhd.  im  Präs. 
kreuchst,   kreucht,  Imp.  kreuch,    nach  mhd. 


1151 


Krieg 


Krimskrams 


1152 


kriuchest,  kriuchet,  kriuch.  Vgl.  krauchen. 
ABL.  Kriecher,  m.:  Schleicher,  1691  bei 
Stiel  er.    Kriecherei,  f.,  im  18.  Jh. 

Krieg,  m.  {-{e)s,  PI.  -e):  tätliche  Feind- 
seligkeit; Kampf  zwischen  Staaten.  Mhd.  kriec 
(Gen.krieges)  m.  «eifrige  Anstrengung,  Streben 
wogegen,  Feindseligkeit,  Widerstreit,  Rechts- 
streit, fortgesetzter  Kampf  zwischen  Parteien 
und  Staaten»,  md.  kr^c,  krlg  m.;  dazu  mnd. 
krich  (Gen.  krighes)  m.  «Zank,  Zwist,  Recht- 
haberei, Eigenwille,  Watfenstreit  (für  letztres 
meist  orloch),  mndl.  crijch,  nndl.  krijg  m.  Im 
Ahd,  kreg  «Hartnäckigkeit,  Trotz»,  einchrigi- 
Itcho  adv.  «eigenwillig»,  mhd.  einkriege  adj. 
«eigensinnig,  zänkisch»;  für  «Krieg»  sagte  man 
ahd.  ivic  m.  n.  und  urliugi  n.  (vgl.  Orlogschiff). 
Wohl  urverwandt  mit  air.  hrlg  «Kraft,  Macht», 
gr.  ßpiapöc  «stark,  heftig»,  gr.  ö-ßpic  f.  «Über- 
mut». Vgl.  Boisacq  Dict.  Dazu  kriegeil,  v.: 
Krieg  führen,  mhd.  kriegen,  md.  krtgen  «sich 
anstrengend  streben,  ringend  streben,  kämpfen, 
streiten,  mit  Worten  streiten,  Krieg  führen, 
bekämpfen»;  dazu  mnd.  krigen  «streiten,  einen 
Rechtsstreit  führen,  Krieg  führen»,  im  Grimde 
eins  mit  dem  folgenden  kriegen  (s.  d.) ;  davon 
Krieger,  m.,  mhd.  krieger  m.  «Kämpfer», 
Kriegeriu,f.  (bei  Luther)  und  kriegerisch, 
adj.,  1538  bei  Frank  Germaniae  chron.  291% 
kriegisch  bei  Luther,  mhd.  kriegisch  «wider- 
setzlich, trotzig,  streitsüchtig».  ZUS.  Kriegs- 
fuß, m.:  völlige  Kriegsbereitschaft.  1808  bei 
Campe.  Kriegsherr,  m.,  nicht  bei  Adelung 
und  Campe,  aber  schon  mhd.  kriegesherre, 
Schlagwort  seit  1851.  Vgl.  Ladendorf.  KriegS- 
knecht,  m.,  bei  Luther.  Kriegskunst,  f., 
1561  bei  Maaler.  Kriegsmann,  m.,  im  15.  Jh. 
Kriegspfad,  m.,  nach  engl,  warpath  bes.  in 
der  RA.  denK.  betreten  «den  Krieg  beginnen» 
aus  der  Sprache  der  Indianer  Nordamerikas. 
In  neurer  Zeit.  Vgl.  Hirt  Indogermanen  699. 
Kriegsschiff,  n.,  1507  bei  Wilwolt  V.  Schaum- 

burgii.  Kriegsschule,f.Imi8.Jh.  Kriegs- 
spiel, n.:  der  Krieg  selbst;  Nachahmung  des 
Krieges,  jetzt  im  Heere  sehr  üblich.  Im  18.  Jh. 
kriegen,  v.:  strebend  fassen;  in  die  Ge- 
walt bekommen,  erhalten.  Mit  schwacher 
Flexion  wie  das  vorhergehende  kriegen  (s.  d.) ; 
in  md.  Mundarten  kreien,  kreigen.  Aber  urspr. 
starkbiegend  md.  krigen  (Prät.  kreic,  Part,  ge- 
krigen),  mnd.  krigen  (Prät.  krech,  Part,  ge- 
kregen)  «erlangen,  erwerben»,  nnd.  krigen 
(Prät.  kreg,  Part,  kregen),  mndl.  crijen  (crech, 
gecreghen),iind\.krijgen  (kreeg,  gekregen).  Auch 
ältemhd.,  z.  B.  bei  Luther,  Prät.  kreig,  Part. 


kriegen,nehen  schwachflekt.  Prät.  kriegte,  Part. 
krieget.  Geht  auf  die  urspr.  Bedeutung  von 
Krieg  zurück. 

Kriekente,  f.,  die  zwei  kleinsten  Arten 
der  wilden  Enten,  anas  crecca  und  anas  quer- 
quedula.  1557  bei  Heußlin  34^  Kriche^itlin, 
Krigente,  Kruckentle,  nd.  krikente,  krikant  und 
krikke,  kreke  f.,  schwed.  (westerbottnisch) 
kräcka.  Kriek-  bedeutet  im  Nd.  «klein»,  vgl. 
Kriek-,  Krukälster  (d.  h.  «kleine  Elster,  der 
Neuntöter»  Nemnich,  2,  323),  mecklenb.  kriek- 
ar/ife»« niedrige  Erbsen»,  mnd.  (1383)  krickef. 
«kleine  Erbse»,  krickelmore  f.  «kleine  Rübe». 

krieschen,  v.:  norddeutsch  vulgär  für 
kreischen  (s.  d.). 

kriminal,  kriminell, adj.:  peinlich  d.h. 
Leib  und  Leben  angehend.  1711  bei  Rädlein 
criminal,  im  18.  Jh.  auch  criminel,  aus  franz. 
criminel,  lat.  crlminälis  «ein  Verbrechen  be- 
treffend», von  lat.  crimen-  n.  «Verbrechen». 
Kriminal,  n.  {-s,  PI.  -e):  Zuchthaus.  In 
Österreich.  Kriminälrichter,  m.:  Richter 
des  peinlichen  Gerichts,  1711  bei  Rädlein; 
Kriminalist,  m.  [-en,  PI.  -en):  Kenner  oder 
Lehrer  des  Strafrechts,    1714  bei  Wächtler, 

krimm  ein,  v.,  md.  Nebenfoi-m  von  kribbeln 
(s.  d.),  bes.  in  krimmein  und  loimmeln,  bei 
Luther  3,  239%  Rückert  W.  2,  216. 

krimmen,  v. :  mit  Krallen,  kratzend,  knei- 
pend fassen.  Jetzt  mit  schwacher  Biegung,  aber 
mhd.starkflekt.Ärmmen,  grimmen  (Prät./craw, 
PI.  krummen,  Vartgekruinmen),  ahd.  krimman. 
Dazu  ags.  crimman  «zerbröckeln»,  mit  schwa^ 
eher  Flexion  anord.  kremja  «drücken,  quet 
sehen».  Dazu  vielleicht  lat.  gremium  n.  «Schoß, 
Armvoll».  Vgl.  krammen  und  Bauchgrimmen 
ABL.  Krimmer,  Krümmer,  m.  (-s,  PI 
wie  Sg.):  Habicht;  Pflugart  (beide  ostmd.) 
Erst  im  19.  Jh.,  aber  sicher  älter. 

Krimmer,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.) :  das  zarte 
FeU  ungeborner  Lämmer  (im  Pelzhandel). 
Eig.  «Lammfelle  aus  der  Krim»,  wie  Per- 
sianer «Felle  aus  Persien». 

krimpen,  v.:  intr.  Zusammenschrumpeln 
(1716  bei  Ludwig);  tr.  einschi'umpfen  lassen, 
bes.  Tuch  durch  Wasser  (1755  bei  Richey). 
Aus  dem  Nd.  Urspr.  mit  starker  Flexion 
mnd.  krimpen,  clevisch  1477  crympen  in  beiden 
Bed.;  dafür  mhd.  krimp fen  «sich  krumm  zu- 
sammenziehen» (s.  Krampf). 

Krimskrams,  m.:  Gerumpel,  Geschwätz, 
nordd.  Nebenform  von  Kribskrabs  (s.  d.),  an- 
gelehnt an  krimmein  (s.  d.)  und  Kram.  1795 
bei  Hupel. 


1153 


Krimstecher 


Kritik 


1154 


Krimstecher,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.)-.  kleines 
Doppeltaschenfernrohr.  Im  Krimkrieg  be- 
nutzt und  daher  benannt. 

Kringel,  Krengel,  m.  {-s,  PI.  wie  Sg. ) : 
Kreis,  Kreisgewinde;  einen  großen  Ring  bil- 
dendes plattes  Gebäck,  besonders  zu  Festlich- 
keiten. 1462  md.  cringel  fMone  Anz.  7,  299, 
118),  mnd.  kringel  m,  «Brezel»,  von  md.  und 
nd.  kring  m.  «Kreis»  (s.  Kringen).  Krengel 
ist  nur  mundartlich.  Daher  die  Schreibung 
Kringel  vorzuziehen.  Dazu  anord.  kringla  f., 
schwed.  kringla,  dän.  kringle  «Kreisring,  Zirkeb. 

Kringen,  m.  (s,  PI.  wie  Sg.) :  Kreis ;  Ring- 
artiges, z.  B.  gepolsterter  Tragring  (d.  j.  Goethe 
3,  239,  Briefe  4,  54).  An  der  Lahn,  auf  dem 
Westerwalde  usw.  Im  15.  Jh.  schwachbiegend 
kringe  m.  neben  starkflekt.  krinc  m.  (Gen. 
kringes)  «Kreis»  u.  mä.kranc  m.  (Gen.kranges) 
«Kreis,  Umkreis»;  dazu  mnd.  krink,  kring, 
nndl.  kring,  anord.  kringr  m.  (s.  Kringel). 
Dazu  lit.  grazil  «drehe,  wende»,  apreuß. 
granstis  «Bohrer»,  air.  do  gres  «beständig» 
eig.  «im  Kreis». 

Krinitz,  m.  (-es,  Pl.-e):  der  Kreuzschnabel, 
loxia  curvirostra:  auch  Ginster.  Im  östlichen 
Mitteldeutschland.  Im  18.  Jh.  bei  Ludwig, 
Kirsch  und  Steinbach  ^nnz'fe,  1763  bei  Heppe 
Jäger  Crinitz,  Grinitz,  1664  bei  Duez  G-rienitz, 
G-rünitz,  angelehnt  an  grün,  bei  Adelung  auch 
Krünitz,  im  15.  Jh.  crinis  (Germania  6,  99), 
schlesisch  im  14.  Jh.  grinis.  Lehnwort  aus 
dem  Slawischen,  oberlaus.  -  wendisch  skr  jene 
«Kreuzschnabel»,  vgl.  auch  poln.  krzywonos 
«Krinitz»,  eig.  «Krummnase».  Die  amtliche 
Schreibung  ist   Grünitz. 

Krinoline,  f.  (PI.  -n):  Frauenunterrock 
mit  Stahlreifen.  Aus  franz.  crinoline  f.,  auf- 
gekommen in  den  50  er  Jahren  des  19.  Jh.,  eig. 
«ein  Zeugstoff  von  Garn  imd  Pferdehaar»,  von 
lat.  crmis  m.  «Haar»  rmd  linum  n.  «Flachs, 
Lein».  Die  französischen  Damen  trugen  schon 
im  16.  Jh.  Reifröcke  nach  spanischer  Mode 
{vertugalles  od.  vertugadins  ^Tugeudwardeine»). 

Krippe,  f.  (PI.  -n):  erhöhter  Futtertrog 
für  Pferde,  Rindvieh  usw.;  Flechtzaun  an 
Ufern  (spätmhd.  im  15.  Jh.  krippe,  kreppe, 
kruppe,  kroppe  f.);  Kleinkinderbewahranstalt 
(in  neurer  Zeit,  nach  der  Krippe  Christi,  diese 
Bedeutung  zuerst  in  Frankreich  entwickelt.  In 
der  1.  Bed.  mhd.  krippe,  alemannisch  kripfe 
(schweiz.  jetzt  krüpfli),  ahd.  crippa,  im  8.  Jh. 
cripia  (ZfdA.  3, 462^),  bei  Tatian  5, 13  crippea 
u.  bei  alemannischen  SchriftsteUem  krippha  f.; 
dazu  asächs.  crihbia,  cribba,  afries.  krihbe,  nndl. 

Weigand,  Deutsches  Wörterbach.    5.  Aufl. 


kribbe,  krib.  Auch  mit  ablautendem  u  in  der 
Stammsilbe :  ältenihd.  Krupf  (Franck  Weltb. 
174 '^),  1469  mrhein.  kruppe  im  Voc.  ex  quo, 
nd.  krühbe,  mnd.  krubbe,  rmdl.h-ub,  ags.  cryb  f., 
schwed.  krubba,  dän.  krybbe.  Urspr.  wohl  aus 
Holz  geflochten,  da  K.  zu  mhd.  krebe  m.  f. 
«Korb»  gehört  {?>.Korb\  Aus  dem  Germanisch, 
entlehnt  ital.  greppia,  prov.  crepia,  crepcha  und 
crupia,  franz.  er  ecke  f.  «Krippe»  (daher  engl. 
cratcli  neben  crip).  Der  got.  Ausdruck  war 
uzeta  m.  (eig.  «woraus  gefressen  wird»).  ABL. 
krippen,  v.:  ein  Ufer,  eine  Deichstelle  durch 
einen  Flechtzaun  festigen.  1741  bei  Frisch. 
ZUS.  Krippenheißer,  m.:  Pferd,  das  beim 
Fressen  und  Atemholen  die  Vorderzähne  aiif 
die  Krippe  aufsetzt  und  bei  jedem  Schlucke 
grolzt  (1691  bei  Stieler);  zänkischer  Mensch, 
mürrischer  Tadler  (bei  Aler  1727  Krippen- 
bisser).  Krippenreiter,  m.-.  armer  Land- 
junker, der  bei  wohlhabenden  Edelleuten 
gleichsam  von  Krippe  zu  Krippe  reitet,  im 
östlichen  Mitteldeutschland  seit  dem  30jähr. 
Kriege  (bei  Logau  3.  Zugabe  47).  Krippen- 
setzer,  m.,  dasselbe  wie  Krippenbeißer. 

Krips,  s.  Gn-iebs. 

Krise,  f.  (PI.  -n):  Entscheidungspunkt  in 
einer  Sache.  Im  18.  Jh.  (bei  Goethe  Br.  4,  11, 
Bürger),  aus  franz.  crise  f.,  von  gr.  Kpicic  f. 
«Entscheidung»,  zu  xpiveiv  «scheiden,  ent- 
scheiden». ABL.  kriseln,  V.  In  neui-er  Zeit. 

Kristall,  m.  {-[e]s,  PI. -e):  ein  von  ebnen 
regelmäßig  liegenden  Flächen  begrenztes  ^Mine- 
ral; wasserheUe  glasartige  Masse,  Bergglas. 
Nhd.  seit  dem  17.  Jh.  auch  Xeutr.  (Lessing  8, 
156,  jetzt  stets  in  der  Bed.  «Glaswaren»),  im 
15.  u.  16.  Jh.  auch  Fem.,  mhd.  kristalle,  kristal 
m.  f.,  ahd.  im  11.  Jh.  christalla  f.,  aus  gr.-lat. 
crystallus,  gr.  KpücraWoc  m.  f.  «Eis,  Berg- 
kristall, durchsichtiger  Edelstein»,  neben 
Kpucxaiveiv  «durch  Kälte,  Frost  (kpuoc  n.)  ge- 
rinnen machen».  ABL.  kristallen,  adj.:  von 
Kristall,  im  15.  Jh.  und  mrhein.   schon  im 

13.  Jh.  cristallen,  mhd.  kristallin,  aus  gr.-lat. 
crystallinus,  gr.  KpucxdWivoc.  kristallinisch, 
kristallisch,  adj.:  Kristall gehalt  habend, 
kristallhell,  erstre  Form  im  18.  Jh.,  letztre  im 

14.  Jh.  bei  Megenberg  kristallisch,  kristalli- 
sieren, V. :  in  Kristall  verwandeln,  aus  franz. 
cristalliser,  dafür  mhd.  sich  cristallen.  ZUS. 
Kriställöl,  n.:  geläutertes  Öl,  wegen  seiner 
Helle  und  Durchsichtigkeit,  im   19.  Jh. 

Kritik,  f.  (PI.  -en):  Beurteilung;  Beur- 
teilungskunst. Im  17.  Jh.  Gritique,  im  18. 
Critic,  Critik,  aus  franz.  critique  f.,  von  gr. 

73 


1155 


kritteln 


£rone 


1156 


KpiTiKri  (x^xvri)  f-  «Beurteilungskunst».  Kri- 
tiker, m.  (-S,  PI.  wie  Sg.) :  Kunstrichter,  im 
17.  u.lS.Jh.  noch  Criticus,  aus  dem  gr.-lat.  Adj. 
criticus,  gr.  kpitiköc  «zum  Beurteilen  gehörig», 
zu  Kpiveiv  «entscheiden»,  kritisch,  adj.: 
entscheidend,  bedenklich,  gefährlich;  kunst- 
richterheh.  Im  17.  Jh.  (1664  bei  Duez  1,  219*' 
critisch)  gebildet  nach  dem  gleichbed.  franz. 
Adj.  critique,  lat.-gi'.  criticus.  RA.  kritischer 
Tag,  1885  von  Rudolf  Falb  gebraucht  und  seit- 
dem Schlagwort.  Vgl.  Ladendorf,  kritisie- 
ren, V.:  beurteilen;  musternd  besprechen, 
musternd  durchnehmen.  1650  bei  Moscherosch 
Phil.  1,  154  critisiren,  aus  älterfranz.  critiser 
(1664  bei  Duez  dict,  fran^.-allemand). 

kritteln,  v.:  sich  verdrießlich  kleinlich 
tadelnd  äußern.  Im  17.  u.  18.  Jh.  noch  grittelen 
(Stieler  1691),  gritteln  (Frisch  1741)  «zanken, 
kleinlich  tadeln»,  nd.  kriddeln  eig.  «zanken». 
An  Kritik  usw.  angelehnt.  Davon  Krittel, 
m.:  das  kleinliche  Mäkeln,  1808  bei  Goethe 
(Faust  1559).  Krittelei,  f.,  in  der  2.  Hälfte 
des  18.  Jh.  (bei  Herder,  Lessing  usw.),  nd. 
kriddelijet  Kritt(e)ler,  m.,  1727  bei  AI  er 
Gritteler  «kleinlicher  Tadler»,  1575  bei  Fischart 
Garg.  253  Tagkritler,  1691  bei  Stieler  Gritteler 
«Zänker»,  nd,  kriddeler  «Zänker»,  kritt(e)lig, 
adj.,  1691  bei  Stieler  grittelicht  und  kritlich, 
1681  bei  EHs.  Charl.  v,  Orleans  2,  15  gritlich, 
2,  5  kritlich,  2,  279  gridlich,  anders  1510  bei 
Keisersberg  irrig  Schaf  G  2  '^  grüdlig  (Var.  grüd- 
lecht)  «grübelnd»  von  grüdeln  «giübeln,  sto- 
chern» (Keisersb.  Eschengrüdel  aS**). 

Kritz,  m.:  eingeritzter  Strich,  1343  md. 
kritz  m.  kritzeln,  v.:  kratzend  fein  schrei- 
ben, 1420  kritzeln  «durchritzend  streichen,  um- 
ritzen»(Diefenbach  gl.  94**),  Dim.  von  älternhd. 
kritzen,  mhd.  kritzen,  ahd.  krizon  «einritzen». 
Vielleicht  mit  Kreis  verwandt,  aber  schwerlich 
zu  kratzen,  kritzlich,  adj.,  im  15.  Jh.  cricz- 
licht  (Diefenbach  nov.  gl.  368*^),  im  14.  Jh. 
bei  Megenberg  853,  32  kritzlot. 

kröchsen,  kröchzen,  s.  krächzen. 

Krocket,  österreichisch  Kroquct  (spr. 
kröket)  n,  (-s):  Kugelspiel,  Aus  gleichbed. 
engl,   croquet  um   1864  übernommen. 

Kroki,  n.  (-S,  PI.  -s),  österreichisch  Kro- 
<|llis:  Skizze,  Aufnahme  einer  Gegend  nach 
dem  Augenmaß.  1813  bei  Campe.  Aus  gleich- 
bed. franz.  croquis  m.  ABL.  krokieren, 
v.:   eine   Skizze  entwerfen. 

Krokodil,  n.  ([e]s,  PI.  -e);  die  größte  Art 
der  Rieseneidechsen.  Älternhd.  Mask.  (wie 
noch  bei  Herder  zerstr.  Bl.  4,  103,  Lichtwer 


Fab.  3,  3).  Mhd.  kokodräle,  kocatrille  m., 
aus  mlat,  cocodrillus,  gr.-lat.  crocodilus,  gr. 
KpoKÖbiXoc  m.  (vgl.  Idg.  Forsch,  15,  IfiF.).  Im 
Ahd,  übersetzt  durch  nihhus  n,  «der  Nix» 
(s.  d,).  ZUS.  Krokodilsträne,  f.  (gew.  im 
PI,):  heuchlerische  Träne,  1628  bei  Münster 
Cosmogr.  S.  1726  Crocodil-Trähnen,  1574  bei 
Horscht  Geheimnisse  der  Natur  4,  0  6  *  Gro- 
codilszeeren,  nach  dem  Glauben,  daß  das  Kro- 
kodil die  Stimme  eines  weinenden  Kindes  nach- 
ahme, um  Menschen  anzulocken  (vgl.  Fischart 
Flöh.  163  Kz.). 

Krokns,  m,  (Gen.  wie  Sg.,  PI.  -sse):  die 
Safranpflanze.  1628  bei  Opitz  1,  265  Grocus. 
Aus  gleichbed.  crocus,  gr.  KpÖKoc  m,,  woher 
schon  ahd.  cruogo,  m.  «Safran»,  an or d.  Ä;rogr  n. 

Krolle,  f.  (PI.  -»):  Haarlocke.  Im  west- 
lichen Mittel-  u.  Norddeutschland.  Md.  krolle 
f.  und  Dim.  crullil  n,,  spätmhd.  krülle  f,,  1477 
clevisch  crolle  und  crulle,  nd.  krulle,  nndl, 
kruli.;  aber  md.  auch /broZ,  fer^Z m.  «das  ganze 
Lockenhaar».  Zum  Adj.  spätmhd.  krol,  mndl,- 
mengl.  crul  «kraus,  lockig».  Vielleicht  aus 
*kruäla  u,  mit  Arratts  verwandt.  ^-BL.  krollen, 
V.:  (Haar)  ringeln,  in  der  Kölner  Gemma  von 
1495  ghecrult  «gekräuselt»,  von  1507  gecrolt, 
nd.  und  ndl.  krullen  «kräuseln»,  mhd.  krüllen 
(auch  an  den  Haaren  reißen).  kroUicht, 
krollig,  adj,:  lockig,  gekräuselt,  1742  bei 
Lindenborn  Diogenes  2,  454  krollicht,  ndl, 
krullig.  ZUS.  Krollhecht,  m.:  (beim  Auf- 
tragen) ringförmig  biegbarer  oder  gebogner 
kleinrer  Hecht,  1775  bei  Adelung  aus  nd, 
krullheked.  Krolltabak,  m.:  Kraustabak, 
geschnittner  krauser  Rauchtabak,  bei  Hölty 
136  H,  Krolltoback,  nndl.  krultabak. 

Krone,  f.  (PI.  -n):  Kranz  ums  Haupt; 
Hauptschmuck  als  Zeichen  des  Herrschers; 
Baumgipfel  mit  seinen  umgebenden  Ästen 
(Goethe  8,  281,  Schiller  Spazierg.  20);  Kopf 
(in  den  RA.  etwas  in  der  K.  haben,  es  ist  ihm 
etwas  in  die  K.  gefahren) ;  Kronleuchter  (schon 
mhd.  und  mnd,);  Goldmünze  mit  eingeprägter 
Krone  (zu  Anfang  des  16,  Jh,  bei  Keisersberg 
und  Gengenbach,  seit  1873  im  Werte  von 
10  M,);  in  Österreich  seit  1892  Silbermünze 
im  Werte  von  85  Pfg.,  abgeküi'zt  K.  In  den 
zwei  ersten  Bed.  mhd.  kröne,  ältermhd,  coröne, 
ahd.  Corona  f.;  dazu  mnd.-mndl,  cröne,  crüne, 
mittelengl.  corüne,  croune,  engl,  crown,  anord. 
köröna,  körön,  krüna  f.,  schwed.  kruna,  dän. 
kröne.  Entlehnt  aus  gr.-lat.  coröna,  gr.  KopiOvri 
f.  «Kranz,  Schmuck  des  Hauptes»,  urspr.  ring- 
förmig Gebognes.  ABL.  Krönchen,  Krön- 


1157 


Kronfleisch 


Krng 


1158 


lein,  n.,  1437  md.  krönechin  (Anz.  18,  44), 
mhd.  kroenlm  n,  krönen,  v.,  mh.  kroenen, 
vom  Subst.  kröne  gebildet,  während  ahd.  coro- 
nön,  chrmön,  aus  lat  corönäre  «bekränzen, 
umkränzen»  entlehnt  ist:  dazu  Krönung,  f., 
mhd.  kroenunge,  kronunge  f.  ZUS.  Kron- 
leuchter, m.,  1775  bei  Adelung,  dafür  mhd. 
und  mnd.  kröne  f.  Kronprinz,  m.,  1716  bei 
Ludwig.  Kron(en)taler,  m.:  Taler  mit 
einer  Krone.  Im  18.  Jh.  Kronzeuge,  m.: 
jetzt  soviel  als  Hauptzeuge,  eig.  aber  ein 
Verlyecher,  den  die  Krone  (der  Staatsanwalt) 
als  Zeugen  benutzt.  Aus  England  im  19.  Jh. 
überkommen. 

Kronfleisch,  n.:  Zwerchfell  beim  Rind- 
vieh, Fleisch  davon.  Bayrisch-österreichisch. 
Nicht  zu  Krone  gehörig. 

Kronsbeere,  f.:  Preißelbeere.  Nordd. 
1691  bei  Stieler.  Von  nd.  krön  m.  «Kranich». 
Die  ähnliche  Moosbeere  heißt  nach  dem  Kra- 
nich, der  sie  gern  frißt,  auch  Kranich-,  Kran- 
heere, im  15.  Jh.  chranichper,  engl,  cranherry. 

Krop,  n.  (-s):  geringes  Volk,  Pack  (bei 
Friedrich  d.  Gr.  Oeuvi-es  27,  147  Teufelskrop, 
bei  Tieck  in  Musäus  Straußfedern  4, 4  Bilrger- 
kroop  n.).  Aufgenommen  aus  nd.  krüj),  kröp  n., 
womit  verächtlich  zunächst  kleine  Kinder  und 
unansehnliche  Menschen  bezeichnet  werden, 
eig.  «Vieh  einer  Bauernhofstätte»,  besonders 
«das  kleine,  das  Federvieh,  kurzbeiniges  Feder- 
vieh», vandi.krrq),  kröp  n.  «Vieh»,  bes.  «Rind- 
vieh», auch  «kleines  kriechendes  Tier»,  vom 
starkflekt.  ndi.krupen  (Prät.  kröp,  Fart.krapen), 
mnd.  krupen,  asächs.  criopan,  mndl.  crupen, 
nndl.  kruipen,  ags.  creopan,  afries.  kriopa  «ki-ie- 
chen».  ZTJS.  Kroppzeug,  n.:  Pack,  Ge- 
sindel, zur  Zeit  des  siebenjähr.  Krieges  im 
preuß.  Heere  aufgenommen  aus  nd.  kröptüg, 
krüptüg  n.,  das  ebenfalls  zunächst  als  ver- 
ächtliche Bezeichnung  kleiner  Kinder,  unan- 
sehnlicher Menschen  gebraucht  wird.  1781 
bei  Kindleben  Krobzeug;  mit  falscher  Be- 
ziehung auf  groh  auch  Grohzeug  geschrieben. 
Ähnliche  Zusammensetz,  sind  nd.  krüphön  n. 
«Zwerghuhn»,  krüpbone  f.  «Buschbohne». 

Kröpel,  m.:  Niederdeutsch  für  Krüppel 
(s.  d.).  ZUS.  Kröpelstuhl,  m.:  niedriger 
Armsessel,   1775  bei  Adelung,  aus  dem  Nd. 

Kropf,  m.  {-[e]s,  PI.  Kröpfe):  häutiger 
Halssack  körnerfressender  Vögel,  ähnliche 
Halsdrüsengeschwulst.  Mhd.kropf, ahd. chroph, 
chropf  m.;  dazu  clevisch  1477  crop,  nd.  und 
ndl.  krop,  ags.  crop,  cropp  m.  «Kropf»  (auch 
Kuppe,  Wipfel,  Traubenbüschel,  Ähre),  engl. , 


!  crop  «Spitze,  Kornähre,  Ernte»,  anord.  kroppr 
m.  «aufgeschnittnes  Schlachtvieh,  Körper», 
krof  m.  «aufgeschnittner  Köi-per,  Körper», 
auch  mnd.  krop  m,  «Rumpf».  Auf  m-spr. 
Bed.  «geballte  runde  Masse,  hervorstehende 
Rundung»  weisen  die  roman.  Lehnwörter: 
ital.  groppo  m.  «Klumpen,  Knoten,  Haufen», 
groppa  f.  «Hinterkreuz  des  Pferdes»,  franz. 
groupe  m.  «Klumpen,  Gruppe»,  Croupe  f. 
«Kreuz  des  Pferdes.  Bergkuppe,  Gipfel»;  doch 
ist  es  zweifelhaft,  ob  aUe  diese  Wörter  zu- 
sammengehören. Vgl.  Zupitza  77,82,  Schroeder 

I  Btr.  29,  493.  531.  Vielleicht  ui-verwandt  mit 
gr.  -fpuTTÖc  «geki-ümmt».  ABL.  kröpfen,  v.: 
den^rop/" füllen  (mhd.  krüpfen);  krumm  biegen, 
bei  Handwerkern  (ältemhd.Ä;r«j;/ew,  noch  bayr. 

:  sich  krüpfen  «sich  krümmen»,  vgl.  Krüppel). 

kröpfig,  kropfig,  adj.,  mhd. /froj?/bÄ^,  kropfot, 

md.  kropfecht,  dagegen  1537  bei  Dasypodius 

kropffig,  1541   bei  Frisius  81 7 '^  kröpfig. 

Kroppzeug,  s.  Krop. 

Kroquet,  s.  Kroket.  Kroquis,  s.  Kroki. 

1      Kröte,  f.  (PI.  -n):  dem  Frosch  ähnliches 

'  Tier  mit  Wärzchen.  Bei  Luther  Kröte,  mhd, 
krote,  krotte,  krot  (noch  obd.  Krot  f.),  auch 
kröte,  alem.  krate,  md.  krade  und  krede,  krete, 
clevisch  1477  crade,  ahd.  chrota  und  chreta  f. 
Vielleicht  stammverwandt  mit  gr.ßdTpaxoc,ion, 
ßpöraxoc,  ßäGpoKoc  m.  «Frosch».  Als  Schelte 
für  einen  kleinen  bösartigen  (giftigen)  Men- 
schen schon  mhd.  krot  f.  ZUS.  Kröten- 
balsam,  m. :  die  Bachminze,  lat.  mentha 
aquatica,  rheinisch  (1794  bei  Nemnich  2,  550); 
der  bitter-aromatische  Saft  der  Pflanze  gilt 
als  heilsam  sowohl  gegen  Bienen-  und  Wespen- 
stich als  gegen  das  (vermeinte)  Gift  der  Kröte, 
Krücke,  f.  (PI.  -n):  Stab  mit  Querholz 
zum  Stützen  usw.  Mhd.  krücke,  krucke,  ahd, 
chruckia,kruckai.;  dazu. and. krucka  f.  «Kiücke, 
Krummstab»,  mnd.  krucke,krocke  (auch  Werk- 
zeug zum  Zusammenscharren  oder  Umwenden), 
ndl.  kruk,  bei  Kilian  krucke,  ags.  cricc,  crycc  f., 

I  engl,  ertlich  «Kiücke»,  wohl  verwandt  mit 
anord.  krökr  m.  «Biegung,  Bucht,  Ecke, 
Haken»,  schwed.  krok,  dän.  krog  und  mit 
Ablaut  ahd.  kräko  m.  «hakenförmiges  Werk- 
zeug». Entlehnung  aus  lat.  crMc(ewi)  «Kreuz» 
wäre  nur  unter  sehr  verwickelten  Voraus- 
setzungen möglich.  In  das  Romanische  ent- 
lehnt ital.  crocaa  f.  «Krücke»,  crotco  m,  «Haken», 
franz,  Crosse  f,  (afranz.  croce)  «Krummstab», 
croc  m,  «Haken». 

^Krug,  m.  {-[e]s,  PI.  Krüge):  steinernes, 
irdenes,   hölzernes  Gefäß  zum  Aufbewahren 

73* 


1159 


Krug 


Krumpel 


1160 


und  Versenden  von  Flüssigkeiten.  Mhd.  kruoc 
(Gen.  kruoges,  PI.  krüege),  md.  krüg  (Pl.krüge), 
ahd.  kruog,  kruag  (PI.  kruaga  und  kruagi); 
dazu  clevisch  1477  croych,  croeghe,  ndrhein.  im 
15.  Jh.  kroch  (Diefenbacb  gl.  630*),  ags.  croc, 
crog  m.    Vgl.  Kruke. 

^Krug,  m.  (-[e]s,  PI.  Krüge):  Bierschenke, 
Dorf  Wirtshaus,  in  dem  die  Gemeindeversamm- 
lungen stattzufinden  pflegen.  Norddeutsch, 
nur  hier  und  da  nach  Mitteldeutschland  vor- 
geiückt.  Aus  nd.  krög,  kroch  m.,  latinisiert 
1260  crogo;  im  16.  Jh.  ndl.  kroegh  m.  «Bier- 
und  Wein  Wirtshaus».  Gegen  die  Annahme, 
die  Benennung  stamme  daher,  daß  ehedem 
ein  wirkUcher  oder  geschnitzter  Krug  als 
Zeichen  des  Bierschanks  ausgehangen  war 
(vgl.  Frisch  1,  551^),  bleibt  das  starke  Be- 
denken, daß  man  in  Norddeutschland  das  Ge- 
fäß nicht  Krug,  sondern  Kruke  (s.  d.)  nennt, 
doch  liegt  die  Möglichkeit  nahe,  daß  das  Wort 
vom  Niederrhein  ausgegangen  ist  (vgl.  ^Krug). 
ABL.  Krüger,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  Wirt 
oder  Pächter  eines  Kruges.  Nd.  kröger,  mnd. 
kroger,  kruger,  1316  als  Zuname  Krüeger, 
1358  in  einer  obersächsischen  Urkunde  crüger 
(Germania  20,  47),  ndl.  im  16.  Jh.  kroeger. 

Kruke,  f.  (PI.  -n)-.  großer  Ki-ug;  irdne 
Flasche.  Im  18.  Jh.  aufgenommen  aus  nd. 
krüke,  and.  crUka  f.;  dazu  ndl.  kruik,  bei 
Kilian  1599  kruycke,  clevisch  1^17  cruyke,  md. 
und  im  14.  Jh.  auch  am  Oberrhein  krfiche 
(daher  schles.  Krauche  f.  «Tonkrug»),  afries. 
krocha  f.,  ags.  cruce  f.  und  crocca  m.,  engl. 
crock,  anord.  krukka  f.  Desselben  Stammes 
wie  ^Krug  (s.  d.).  Aus  dem  Germanischen 
entlehnt  franz.  cruche  f.  (afranz.  auch  crue, 
cruie)  «KJrug»,  kymr.  crwc  «Eimer»,  crochan 
«Topf».  Wahrscheinlich  alte  Entlehnung  aus 
unbekannter  Quelle.  Vgl.  gr.  Kpuuccöc  m. 
«Kruke»,  abg.  krugla  f.  «Becher»,  alb.  karoUe  f. 
«Krug».    Vgl.  noch  Krause. 

krüUen,  v.:  aus  den  (dürren)  Schoten 
lösen,  z.  B.  Erbsen,  Bohnen  usw.  Nd.,  von 
waldeck.  XruWe  f.  «Erbsenschote».  Wohl  ver- 
wandt mit  Krolle  (s.  d.). 

Krume,  f.  fPl.  -n):  weicher  inwendiger 
Teil  des  Brotes;  die  obre  weiche,  lockre  Erde 
des  Ackers  (1775  bei  Adelung).  In  der  l.Bed. 
1616  bei  Henisch  516  Grumen,  einmal  mhd. 
krume  (in  tischkrume  f.).  Ins  Hochdeutsche, 
wo  Brosame  das  eigentliche  Wort  ist,  auf- 
genommen aus  md.  im  14.  Jh.  krume  f.  (ZfdA. 
9, 275),  mnd.  krame,  1420  auch  krume  (Diefen- 
bach   gl.  360^),   nnd.  kröm,   kröme  f.,   1477 


clevisch  croeme,  im  13.  Jh.  mrhein.  der  PI. 
crumene  (gl.  Jun.  308  Nyerup);  dazu  ndl. 
kruim  f.,  bei  Kilian  kruyme,  ags.  cruma  m., 
engl,  crumb,  crum,  isl.  krumr,  kraumr,  schwed. 
kram,  inkräm  «das  Innre,  Weiche  von  etwas, 
Eingeweide  von  Vögeln  und  Fischen,  Krumen». 
Wohl  verwandt  mit  lat.  grümus  m.  «Erdhaufe, 
Hügel»,  gr.  jpv}iia  «Gerumpel,  Tischüber- 
reste». Vgl.  Walde.  ABL.  Krümchen,  n., 
md.  1590  Krömichen,  1616  bei  Henisch  Zro- 
michen,  1620  Krümigen  (engl.  Comedien  Cc  5**), 
nd.  krömken  n.  Krümel,  f.,  1740  bei  Lessing 
1,  330  Brodgrümel,  1691  bei  Stieler  Krümel, 
1664  bei  Duez  Krümel  und  Krümmel  f.,  um 
1480  im  Voc.  ine.  teut.  n  7*'  kromel,  nd.  krömel, 
ndl.  kruimel  f. ;  davon  krümeln,  v. :  in  Krü- 
meln (Krumen)  zerreiben,  1505  in  der  Straß- 
burger Gemma  z7*'  krumelen,  1495  in  der 
Kölner  Gemma  W  3^  crumelen,  1414  grum- 
meln  (Diefenb.  gl.  537*',  auch  1551  bei  Scheidt 
Grob.  3300  zergrümeln),  nd.  krömeln,  ndl. 
kruimelen,  und  das  Adj.  krüm(e)lig,  1691 
bei  Stieler  krümelicht  adv. 

krumm,  adj.  (Komp.  krümmer,  Superl. 
krümmst,  auch  krummer,  krummst) :  von  einer 
und  derselben  Richtung  abweichend.  Ältemhd. 
krumh,  krum,  mhd.  krump  (Gen.  krumhes),  aber 
auch  schon  krumm,  krum,  spätmhd.  vereinzelt 
krumpf,  ahd.  chrump,  crumb,  einmal  chrumph 
«gebogen,  gewunden,  verdreht»;  dazu  and. 
krumh,  1477  cleväsch  crum,  crom,  ags.  u.  afries. 
crumb,  engl,  crump.  Dazu  ablautend  ahd. 
chramph  «gekrümmt»  u.  md.  krimp  «krumm», 
vgl.  Krampf.  ABL.  Krümme,  f.,  mhd. 
knimbe,  krümbe,  krumme,  krümme,  ahd.  krumbi, 
chrumpi;  dazu  and.  krumbi  f.  krümmen, 
V.:  krumm  machen,  mhd.  krümben,  krümmen, 
ahd.  chrumben,  and.  crumben,  dagegen  mhd. 
krumben  «krumm  sein  oder  werden»;  davon 
Krümmung,  f.,  1482  im  Voc.  theut.  r5^ 
krumung,  ags.  crymbing  f.  Krummheit,  f., 
1482  im  Voc.  theut.  r  5^  krumheit  f.  Krümm- 
ling,  m.:  gekrümmt  gewachsnes  Holz  zu 
Mühlradfelgen  (Moser  patr.  Phant.  3,  249), 
1419  im  Frankfurter  Baumeisterb.  36^  krume- 
ling,  später  im  15.  Jahrh.  krumlhig.  ZUS. 
Krummholz,  n.:  krummes  Holz,  bes.  beim 
Fleischer,  um  geschlachtetes  Vieh  aufzuhängen. 
Bei  Goethe  50, 9;  die  Krummholzkiefer.  Daher 
Krummholzöl,  n.  Bei  Geliert.  Krumm- 
stab, m.:  Bischofsstab,  1697  bei  Besold  The- 
saurus 1,  480,  'dafür  mhd.  krumber  stap. 

Krumpel,  m.  (PI. -w):  knitterige  Falte.  Im 
westlichen  Mitteldeutschland.  Auch  Krümpel, 


1161 


Krümper 


Küche 


1162 


engl,  crumple  «Runzel,  fehlerhafte  Falte». 
Gleichen  Stammes  wie  krimpen,  Krampe, 
Krampf  (s.  d.).   krumpeln,  krumpeln,  v. : 

faltig  machen,  zerknittern,  bei  Wagner  Kinds- 
mördei-in  12  (lOj  verkrumpeln,  engl,  crumple 
«ninzelig  werden,  zerknittern»,  kmmpe- 
licht,  krumpelig,  adj.,  1741  bei  Frisch 
krumplig,  engl,  crumply  «ninzelig». 

Krümper,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  ausgebildeter 
Ersatzresei-yist  im  preußischen  Heere  1808 — 12. 
Anfangs  eine  volkstümlich  wohl  spöttische 
Bezeichnung.  Schon  1478  bayr.  krümper  m. 
«Kiüppel»  (Liliencron  2,145*^).  schles.  kremper 
m,  «alter  wackliger  Kerl»,  zu  mhd.  krump, 
krümpel,  krumpeleht  «krumm»,  obd.  im  15.  Jh. 
krümpel  «Krüppel»  (Diefenbach  nov.  gl.  111^). 
ZTJS.  Krümperpferd,  n.:  Resei-vepferd,  das 
eine   berittne  Truppe   über  ihren  Etat  hält. 

Krünitz,  s.  Krinitz. 

krunken,  V.:  stöhnen,  ächzen.  Bei  Luther 
7,224%  im  östl.  Mittel-  u.  Niederdeutschland; 
engl,  cronk  «krächzen».  Davon  krunksen, 
V.:  ächzen,  1680  bei  Riemer  polit.  Colica  154. 

Krupp,  m.  (-s):  häutige  Bräune,  s.  Krupp- 
husten. 

Kruppe,  f.  (PI.  -n):  Hinterkreuz,  Rücken- 
erhöhung von  den  Nieren  bis  zum  Schweife 
des  Pferdes  usw.  1678  bei  Krämer  Kruppe, 
1664  bei  Duez  Kruppe  f.  Aus  gleichbed. 
franz.  Croupe,  ital.  groppa  f.  (s.  unter  Kropf). 

Krüppel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.)r  Glieder- 
gebrechlicher: Verstümmelter;  Verwachsner. 
Bei  Luther  Krüpel  und  Kräpel,  mhd,  krüpel, 
krüppel,  md.  krüpel,  kruppel,  kropil,  kropel  m.; 
dazu  mndl.  cruepel,  cropel,  crepel,  nndl.  kreupel, 
krepel,  afries.  kreppel,  ags.  crypel,  cryppel, 
mengl.  crepel,  engl,  tripple,  anord.  kryppill, 
krypplingr,  neben  schwed.  krympling,  aschwed. 
krymplinger  m.  Derselbe  Stamm  erscheint  in 
Schwab,  kröpf,  kruft,  Schweiz,  grupf,  grüpf, 
grüpft  und  chruft,  bayr.  krapf,  kröpf  m..  «kleine 
schwächliche  oder  verwachsne  Person»,  älter- 
nhd.  krüpfen  «krümmen,  biegen»  (vgl.  Kropf 
und  kröpfen),  femer  mit  Nasal  in  mhd.  krump 
«krumm»  (s.  d.),  obd.  im  15.  Jh.  krümpel 
«Krüppel»  (s.  Krümper).  Urverwandt  mit 
gr.  TPÜiTÖc  «gekrümmt».  ABL.  krüppelig, 
adj.,  1741  bei  Frisch  krüpplig,  1734  bei  Stein- 
bach krüplicht,  bei  Lessing  7,  19  krieplicht. 
krüppelhaft,  adj.,  1774  bei  Klopstock  Ge- 
lehrtem-epublik  106. 

Krupphusten,  m.:  die  häutige  Bräune. 
Entlehnt  aus  gleichbed.  franz.  croup  m.,  das 
1765    durch    den    Edinburger    Arzt   Francis 


Home  in  seinem  Trait^  du  croup  verbreitet 
wurde,  der  das  Wort  dem  volkstümlichen 
schottischen  croup  «Bräune,  Häutchen»  ent- 
nahm, vgl.  engl.  Croup  «krächzen». 

Kruste,  f.  (PI.  -n)-.  harte  trockne  Rinde 
worüber.  1462  kruste,  ahd.  knista,  mrhein. 
im  13.  Jh.  croste  f.  (gl.  Jun.  285),  aus  lat. 
crusta  f.  «harte  Rinde  oder  Schale  eines 
Körpers».  ABL.  krustig,  adj.,  1691  bei 
Stieler  krusticht.  ZTJS.  Krusteutier,  n.: 
Schalentier,  bes.  Krebs.     Im  19.  Jh. 

Kruzifix,  n.  {-es,  PI.  -e):  das  Bild  Christi 
am  Kreuze.  Mhd.  crüzifix  n.,  aus  mlat.  cru- 
cifixum  n.,  eig.  «ans  Kreuz  Geheftetes». 

Kryställ,  in  Österreich  und  Bayern  noch 
neben  Kristall  (s.  d.). 

Kuhhe,  f. :  Möwe.  Nordfries,  kuh,  helgol, 
koih,  engl.  cob.   Zu  gr.  'fv^v,  '^vnöc  m.  «Geier»? 

Kuböbe,  f.  (PI.  -n):  pfefferähnliche  in- 
dische Gewürzbeerenfrucht,  mhd.  im  13.  Jh. 
kubebe  f.,  clevisch  1477  cohebe,  aus  ital.  cubebe 
m.,  von  gleichbed.  arab.  kabäbat. 

Kübel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  hölzernes 
Gefäß,  das  gewöhnlich  oben  weiter  als  unten 
ist.  Mhd.  kiibel,  md.  kubel,  auch  kubbel,  kübbel 
m.,  ahd.  nur  im  Dim.  chubili  n.,  aus  mlat. 
cupellus  m.,  dem  Dim.  von  lat.  cüpa  f.  «Kufe» 
(s.  d.  und  Kopf).  Aus  dem  Germanischen  ent- 
lehnt abg.  küblü  m.  «Gefäß  als  Getreidemaß», 
lit.  kübilas  m.  «Kübel».  ABL.  Kubier,  m. 
(-5,  PI.  wie  Sg.) :  Böttcher.  In  Südwestdeutsch- 
land. 1561  bei  Maaler  Kubier,  mhd.  kübeler  m. 

Kubfk-  in  Kubikmeter.  Kubikumrzel  usw., 
entlehnt  aus  franz.  cubique  adj.  «viereckig 
wie  ein  Würfel»,  lat.  cubicus,  gr.  KußiKÖc,  von 
lat.  albus,  gr.  Kußoc  m.  «Würfel».  1712  bei 
Hübner  Cubic-Zahl,  Cubic-  Wurtzel.  kubisch, 
adj.,  1558  bei  Rivius  Büxenmeisterey  3, 1,  41* 
cubisch  «wm-fflicht  gevierdt». 

Küche,  f.  (PI.  -n):  zum  Kochen  bestimmter 
Teil  des  Hauses.  Mhd.  küchen,  kuclien,  auch 
kuchtn,  kuchi.  küche,  kuche,  ahd.  cuchina, 
chuhhina  f ;  dazu  and.  koke,  mnd.  kokene,  koke, 
nnd.  koke,  koken,  ndl.  keuken,  1599  bei  Kilian 
kokene,  keiikene,  ags.  cycene,  cicen  f.,  engl. 
kitchen,  überkommen  aus  glbd.  volksmäßig- 
lat.  coquina  f.  (statt  culina),  dem  Fem.  des 
lat.  Adj.  coquinus  «zum  Kochen  gehörig»,  von 
lat.  coquere  «kochen»  (s.  d.).  ZTJS.  Küchen- 
garten,  m.:  Gemüsegarten.  1678  bei  Krämer. 
Küchenjunge,  m.:  Küchenknecht,  1455  in 
der  kursächs.  Hofküche,  dafür  mhd.  küchen- 
knabe,  küchenkneht,  um  1480  im  Voc.  ine. 
teut.  nS*  kuchenbube.     Küchenlatein,  n.: 


1163 


Kuchen 


Enddelmuddel 


1164 


schlechtes  Latein,  Mönchslatein,  1523  bei  | 
Luther  Kuchenlatiii.  Küchenmeister,  m.:  1 
Oberkoch,  Küchenvorstand,  mhd.  küchen-,  \ 
kuchenmeister.      Küchenschelle,    f.:     die  | 

Pflanze  anemone  pulsatilla,   1538   bei  Rößlin  [ 
Kuchenschell,    Kuschellen,     1546    im    Dios- 
corides72^  Küchenschell;  der  ani  Küche  oder 
Kuh  umgedeutete  erste  Bestandteil  liegt  in  i 
andrer  Gestalt  vor  in  den  gleichbed.  Namen  j 
Schweiz.  Guggelblume  Guggüche  f.    (auf  den 
Kuckuck  als  Frühlingsboten  anspielend),  nieder- 
österr.  Arst-  (d.  h.  Erst-)  oder  Zarschtgucken  \ 
f.  und  Chigersscheckerl  (Höfer  Dialektnamen  i 
S.  10  u.  21),  und  entspricht  dem  franz.  coque- 1 
hur  de  f.    «Küchenschelle»    (schon    1567    bei 
Junius  133^,    vgl.    1546    bei   Bock  156^    m 
fremhd  kraut,  das  die  Weiber  Kuchen-  oder  ' 
Kuschellen  deuten,   darum  das  seine  hlumen  | 
den  schellen  oder  Cymhalen  gleich  sind,  •  •  •  | 
zu  tvelsch  Codes).  I 

Kuchen,  m.  (-s,  PI.  wie  Sg.):  feinres  I 
Gebäck  aus  Mehlteig.  Bei  Luther  Küche  j 
und  Kuchen  (Werke  6,  48  ^  J.),  mhd,  kuoche, 
ahd.  kuocho  m.;  dazu  mnd.  koke,  ndl.  koek 
und  im  Ablaut  ags.  cecil,  cicel  m.,  engl,  (seit 
13.  Jh.)  cake,  anord.-schwed.  käka  f.,  dän. 
kage,  auch  ndl.  kaek,  kaakje.  Dieses  Ab- 
lautsverhältnis deutet  auf  einheimischen  Ur- 
spnmg  (man  hat  in  K.  ein  Wort  der  Ammen- 
sprache *kökö  gesehen,  oder  man  stellt  es 
zu  ^Kufe  (s.  d.),  das  wohl  «Krummholz»  be- 
deutet hat.  Das  Gebäck  wäre  nach  der  Form 
des  Gefäßes,  in  dem  es  gebacken  wurde,  be- 
nannt) ;  andrerseits  legen  die  auf  lat.  coquere, 
cocere  «kochen,  backen»  zurückgehenden  roma- 
nischen Wörter  (picard.  couque,  in  der  Langue- 
doc  coco,  churwelsch  cocca,  catalanisch  coca 
«Kuchen»,  ital.  cucca  «Naschwerk»,  eig.  «Ge- 
backnes»)  die  Vermutung  nahe,  daß,  wie  bei 
Koch,  kochen,  Küche  (s.  d.),  auch  bei  Kuchen 
Entlehnung  aus  der  römischen  Kultur  vor- 
liegt, wobei  aber  cake  n.  unerklärt  bleibt. 
Yon  diesem  cucca,  coca  usw.  kommt  durch  Ab- 
leitung ital.  Cuccagna,  franz.  Cocagne,  afranz. 
Coqiiaigne  f.  «Schlaraffenland»,  weil  dort  die 
Häuser  mit  Kuchen  gedeckt  sind.  ABL. 
Küchlein,  n.,  obd.  Küchel,  m.  n.:  kleiner 
Kuchen,  mhd.  kuochlin,  chüchel  n.;  davon 
kücheln,  v.:  Küchel  backen,  im  16.  Jahrh. 
küchlen,  und  Küchler,  m.:  Küchel-,  Kuchen- 
bäcker, im  16.  Jh.  kucheler,  kuechler  (Diefen- 
bach  gl.  589'',  nov.  gl.  282  a),  süddeutsch.  ZUS. 
Kuchenbäcker,  m.,  im  15.  Jh.  kuchenhecker 
(Diefenbach  gl.  248  »). 


Küchlein,  n.  (-s,  PI.  vde  Sg.):  Junges 
der  Hühnerbrut.  Bei  Luther  Matth.  23,  37 
Küchlin,  1605  bei  Hulsius  Küchlein,  im  15.  Jh. 
kuchelin,  küchlein,  md.  1340  kuchil  n.  (Fund- 
gruben 1,  380^),  bei  Waldis  Esop.  4,  53,  13 
Keuchel,  mit  Diminutivendung  von  md.  kuchin 
(Junges  der  Tauben),  kuchen  (jung.  Hühnchen), 
mnd.  küken,  kuken  n. ;  dazu  mndl.  cuken,  nndl. 
kuiken,  kieken,  1477  clevisch  cuycken,  ags.cycen 
n.,  engl,  chicken,  anord.  kjüklingr  m.,  schwed. 
kyckling,  dän.  kylling,  noch  urspr.  nd.  im  15.  .Jh. 
kuke  (Diefenbach  gl.  393^),  ags.  coce  «Küch- 
lein», engl. wesfcocA;  «Nestküchlein».  Zugrunde 
liegt  eine  wie  franz.  coq  m.  lautmalende  ger- 
manische Benennung  des  Hahns,  ags.  cocc  m., 
engl,  cock,  anord.  kokr  m.,  wonach  also  Küch- 
lein, eig.  «Junges  vom  Hahn».    Vgl.  Gockel. 

kucken,  s.  gucken, 

Kücken,  Küken,  n.  (-s,  PI.  wie  Sg.): 
Junges   vom    Huhn.      Nordd.    für  Küchlein. 

Kuckuck,  m.  {-[e]s,  PI.  -e):  der  nach 
seinem  Ruf  benannte  Waldvogel  lat.  cuculus; 
seit  dem  16.  Jh.  auch  verhüllender  Name 
des  Teufels  (zum  K,  des  K.s  sein,  hol  ihn 
der  K).  In  eig.  Bed.  bei  Luther  Kuckuc, 
mhd.  kukuk,  gugguc  m.  (meist  jedoch  gouch, 
ahd.  gouh,  kouch,  s.  Gauch);  dazu  mnd.  kukuk, 
1477  clevisch  cuyckcuyck,  ndl.  koekoek.  Das 
Wort  stimmt  zwar  nicht  der  Lautverschiebung 
gemäß,  aber  doch  im  Klange  überein  mit 
gleichbed.  lat.  cuculus,  bei  Horaz  cncülus, 
gr.  KÖKKuE,  laus.-wend.  kokula,  poln.  kokulka, 
russ.  kukuska,  kelt.-bret.  kuku,  pers.  kökäh, 
aind.  kökilas  und  ist  lautnachahraend.  Des 
Kuckucks  Küster  in  Norddeutschland  Name 
des  Wiedehopfs,  weil  er  im  Frühling  mit 
dem  Kuckuck  kommt  und  im  Herbst  mit  ihm 
wieder  weggeht,  1645  bei  Colerus  Calend.  57 
des  Giickgucks  Küster,  nd.  kukuks -koster. 
ZUS.  Kuckucksblume,  f.:  die  Pechnelke, 
lychnis  flos  cuculi,  auch  Kuckucksnelke, 
Kuckucksspeichel,  benannt  nach  dem  weißen 
Schaum  auf  den  Stengeln,  der  für  Speichel 
des  Kuckucks  gehalten  wurde.  Im  16.  Jh. 
bei  Chyträus  Cap.  115  der  PI.  kuckushlömen, 
1546  bei  Bock  152^  Gauchhlum.  Kuckucks- 
uhr, f.:  hölzerne  Wanduhr  mit  einem  die 
Stundenzahl  abrufenden  Kuckuck,  1730  im 
Schwarzwald  erfunden  (SchedelWarenlex.376). 

Kuddelmuddel,  m.  (-s):  Mischmasch. 
Der  erste  Teil  wohl  zu  kudeln  «xsudeln»,  nd. 
koddeln  «Sudelwäsche  halten»,  schles.  kudeln, 
kotteln  «wirren,  zausen»,  der  zweite  vielleicht 
zu  Moder,  nd.  Modder.     Erst  im  19.  Jh. 


1165 


Kufe 


küU 


1166 


*Knfe,    f.    (PL  -n):    oben   offnes   tiefres 
Daubengefäß.      Mbd.  kuofe   f.    «Faß,    Bade- 
wanne», ahd.  chuopha,  chuofa,  ch&pha  f.  «Faß»; 
dazu   and.  cöpa,    mnd.  köpe,   mndl.  cüpe   f. 
Entlehnt   aus   mlat.  cöpa,   lat.  cüpa  f.  «Faß, 
Tonne».  Vgl.  Kopf,  Küpe.  ABL.  Küfer,  m. 
(-S,  PI.  wie  Sg.):  Böttcher,  der  Fässer,  bes. 
Weinfässer  fertigt,  Faßbinder:  Fässerund  Wein 
besorgenderKelleraufseher  eines  Weinhändlers. 
In  l.Bed.  mhd.  kiiefer,  straßburgisch  im  13.  Jh. 
küfere,  kuofere,  1263  kueffer  f Germ.  20, 47  f. ) : 
dazu  clevisch  1477  cuper,  ndl.  kuiper,  mengl. 
couper,  engl,  cooper^  aus  mlat.  aiparius  m. 
'Kufe,  f.   (PI.  -«):   der  vom  aufwärtsge- 
krümmte Schlittenbalken.  1517  österr.  Klmeffe 
f.  (Fontes  rer.  austr.  1,1, 113),  tirol.  Chiefe  f., 
bayr.  Kuefen  m.,  bei  Hebel  Kife  m.   Daneben 
in  ältrer  Zeit  Formen  mit  ch,  ältemhd.  Kueche 
f.,  1480  im  voc.  ine.  teut.  cc4*  schlitkuchen, 
ahd.  chcrlia  f.  (im  Akk.  PI.  slitochöho),  noch 
bayr.  Kuechen  f.,   tirol.  Gueche  f.,   Schweiz. 
Ckueclien  m.f.,  selten  Euechen  m.,  dazu  götting. 
kauke,  mnd.ÄroÄref.  (Schambach  98»).  Vielleicht 
verwandt  mit  lit.  zägre  f.  «Pflug»,  zagaras  m. 
«dürrer  Ast»,  zaginai  PI.,  «Pallisaden,  Pfosten». 
Vielleicht   gehören  auch  die  unter  Kak  be- 
handelten Worte  mit  Ablaut  dazu. 
Küfer,  s.  'Kufe. 

^ Kugel,  f.  (PI.  -n):  allseitig  ki-eisrunder 
Köiper.    Mhd.  kugele,  kugel  f.,  mnd.  und  ndl. 
kogel,   ältermd.  zsgez.  küle  f.,    heute   Kaule 
(s.  d.).    Wenn  g  aus  to  entstanden  wäre,  vgl.  > 
Jugend,  könnte  man  aind.  gölas  «Kugel»  ver- ' 
gleichen,  das  aber  auch  ganz  anders  erklärt 
werden  kann.     Man  könnte  auch  *klugel  als 
Grundform  ansetzen  mit  Schwund  des  l  durch 
Dissimilation,  und  es  dann  zu  knäuel  stellen. 
Das  Schweiz.  Chrugelm.  f.  «Kugel,  Zusammen- 
geballtes, Knäuel»  (selten  Chlugele  f.)  hat  wie 
chroglen   «kolleni,   rollen»  sein  r  wohl  von 
rugelen    «rollen»,  Bügele,  Rugel  f.  «Kugel». 
ABL.  kug(e)licht,  kug(e)lig,  adj.,  mhd. 
kugeleht,  Anfang  des  15.  Jh.  higlig  (Diefenb. 
gl.  265 bj.     kugeln,   V.:    eine  Kugel  werfen 
( 1482  im  Voc.  theut.  r  7*'),  eine  Kugel  machen 
(ebd.  r6b),  wie  eine  Kugel  rollen  (Fischart 
Garg.  147);    davon  Kugeluug,  f.:    BaUung 
(1541    bei   Frisius  393'*),    Abstimmung    mit 
Kugeln,  Ballotage,  1797  bei  Heynatz  als  ziem- 
lich neu  erwähnt.     ZUS.  Kugelblitz,  m.: 
besondre  Form  des  Blitzes,    kugelfest,  adj.: 
fest  wider  die  abgeschoßne  Kugel,   1716  bei 
Ludwig    (1648    bei    Chemnitz  1,  213*    fest). 
kugelrund,  adj.,   1691   bei   Stieler. 


-Kugel,  f.:  Kapuze,  s. Kogel  u.  (higelhopf 
Kuh,  f.  (PL  Kühe):  weibliches  Rind,  so- 
bald es  einmal  trächtig  geworden.  Bei  Luther 
Kue  (PL  Küe),  mhd.  kiio  (PI.  küeje,  küeioe), 
ahd. chuo,  cho  (PL  chuoe,  chiioge,  cuawi,  chöi), 
noch  im  15.  Jh.  kuow ,  kuowe  (Diefenbach 
gL  604^1,  md.  kü  (PL  kmce):  dazu  and.  kö 
(PL  köji),  mnd.  kö,  kü  (PL  köie,  köge),  ndL 
koe,  afries.  kü,  ags.  cU  (PL  cy),  engl,  cow, 
anord.  kyr  f.,  schwed.-dän.  ko.  Urverwandt 
mit  aind.-aw.  gäus  m.  «Ochs»,  f.  «Kuh»,  abg. 
govedo  n.  «Rindvieh»,  lett.  guoivs,  arm.  kov 
«Kuh»,  gr.  ßoöc  m.  f.  «Rind»  (Stamm  ßoF-), 
lat.  hos  m.  f.  (Gen.  bovis)  «Rind»,  air,  bö 
«Kuh».  ABL.  Küher,  m.  (-S,  PL  wie  Sg.): 
Kuhhirt.  Schweizerisch.  Im  18.  Jh.  ZUS. 
Kuhfuß,  m. :  eiserne  Brechstange  mit  klauen- 
förmig  gespaltnem  Ende  (bei  Ludwig  1716 
Kühe  fuß);  wie  Kuhbein  scherzhafte  Bezeich- 
nung des  Gewehrs  (1792  bei  Ditfurth  bist. 
Volksl.  von  1756—1871  S.  85j.    Kuhhandel, 

m.,  seit  den  90  er  Jahren  des  19. -Jh.  Hohn  wort 
für  politische  Abmachungen.  Vgl.  Ladendorf. 
Kuhhaut,  f.  RA.  Das  geht  auf  keine  K 
«das  läßt  sich  gar  nicht  alles  sagen».  1808 
ähnlich  bei  Campe  das  läßt  sich  auf  keine 
K.  schreiben,  also  K.  =  Pergament.  Kuh- 
horn,  n.:  Blashorn  der  Hirten  oder  Wächter, 
1545  bei  Uhland  Volksl.  639  kähorn,  ältermd. 
kühorn,  mnd.  köhorn.  Kuhreigen,  Kuh- 
reihen,  m.:  Melodie  der  Schweizer  Hirten 
beim  Beziehen  der  Berge  mit  der  Herde  im 
Frühling,  eig.  die  sich  lang  hinziehende  Kette 
der  Senner  und  der  Rinder  (im  18.  Jh.  bei 
Stolberg,  Claudius,  aber  Schweiz,  bei  Stalder 
Kühreihen  m.).  Kuhschluck,  m.,  studen- 
!  tisch  für  «tüchtiger  Schluck».  Kuhstall,  m., 
mhd.  kuostal. 

kühl,   adj.:   mehr  kalt   als  warm.     Mhd. 
küele,  küel,  ahd.  chuoli,  md.  küle;  dazu  mnd, 
köl,  ndL  koel,  ags.  cöl,  engl.  cool.    Desselben 
'  Stammes  wie  kalt  (s.  d.).    ABL.  Kühle,  f., 
mhd.  küele,  ahd.  chtioli,  md.  küle  f. :  dazu  a?s. 
j  cele,  cyle  f.  «Frost».    Daneben  Kühlde,  f., 
i  bei   Luther  Spr.  SaL  25,  13   külde,   ältermd. 
I  AM We (Herbort  7890),  andfrk.a/oZiY/Mzf.«Küble», 
j  nd.  kadde,  koelte,  im  Seewesen  «frischer  Segel- 
wind»,  verhochdeutscht  Kühlte  f.  (1793  bei 
Röding) :  verschieden  von  nd.  külde,  külle  (mit 
kurzem  Vokal),  mnd.  und  md.  im  15.  Jh.  hilde 
'  f.  «Kälte»,  die  sich  zu  glbd.  ags.  cyldu,  anord. 
I  kuldi  m.  stellen,    kühlen,  v. :  kühl  werden 
'  oder  sein  (mhd.  kü.elen  und  kuolen,  ahd.chuolen, 
chuolön,  asächs.  cölon,  ndl.  koelen,  ags.  cölian 


1167 


kühn 


Knmme 


1168 


und  Celan,  engl,  cool,  anord.  kölna);  kühl 
machen  (mhd.  küelen,  md.  Mlen,  ahd.  chuolan 
und  mit  II  füi-  Ij  chuollan,  mnd.  kölen,  ndl. 
koelen).  Dazu  Kühlschiff,  n. :  in  Brauereien 
länglich  viereckiges  Gefäß  zum  Abkühlen  des 
gesottnen  Bieres,  1775  bei  Adelung,  in  gleicher 
Bed.,  um  1480  im  Voc.  theut.  n8*  kulscha/f. 

kühn,  adj.:  furchtlos  trotz  Gefahr  und 
Widerstand.  Bei  Luther  küne,  mhd.  küene, 
küen,  auch  koene,  md.  küne,  ahd.  kuoni,  choni; 
dazu  mnd.  köne,  küne,  mndl.  coene,  nndl.  koen 
«unerschrocken,  verwegen»,  ags.  eine,  cyne 
«kühn,  scharf»,  engl,  keen  «schai-f,  eifrig», 
anord.  köenn  «erfahren,  kundig,  umsichtig, 
verständig,  geschickt».  Nach  dem  Nordischen 
zu  ui'teilen,  vielleicht  gleichen  Stammes  wie 
got.-ahd,  kunnan  «wissen,  können»  (s.  d.), 
aber  bei  den  Westgermanen  auf  die  Kriegs- 
tüchtigkeit konzentriert.  Vgl.  auch  die  Be- 
deutungsentwicklung  von  lat.  ignävus.  ABL. 
Kühnheit,  f.,  mhd.  kuonheit,  ahd.  chuon- 
heit  f.     kühnlich,  adj.,  mhd.  küenlich. 

KnjÖn,  m.  (-S,  PI.  -e):  Schurke.  Anfang 
des  16.  Jh.  in  der  Zimm.  Chron."^  2,  531,  35 
u.  ö.  Gujon,  1588  bei  Jobs.  Nas  von  der 
grossen  Gloggen  zu  Erfurdt  S.  31  Cuian, 
im  17.  Jh.  Gojon  (Lauremberg  3,  333)  und 
Coujon  (Simpl.  228),  über  franz.  coi'on,  aus 
ital.  coglione  m.  «Memme,  Schuft»,  urspr. 
aber  (wie  afranz.  coillon,  mundartlich-ital. 
coglione,  span.  cojon  m.)  «Hode»,  abgeleitet 
von  lat,  cöleus  m.  «Hode».  kujonieren,  v.: 
jem.  fortgesetzt  empfindlich  plagen,  hudeln, 
1642  bei  Armatus-Rist  Rettung  der  edlen 
teutschen  Hauptsprache  A  2^  cujoniren,  aus 
frsLiiz.  ( oionner,  itsii.  coglionare  «als  Schuft  be- 
handeln, einen  Hundsfott  heißen». 

Küken,  s.  Küchlein. 

Kukümer,  f.  (PI.  -n)-.  Gurke.  Im  west- 
lichen Deutschland.  1541  bei  Frisius  232 » 
Cuconhern  PI.  (1556  Cucuniren),  1546  bei 
Bock  Cucumer,  aber  in  Vokab.  des  15.  Jh. 
cucumer  «kleiner  Kürbis»,  schon  im  13.  Jh. 
bei  Wolfram  Parz.  145,  29  Kukumerlant  Aus 
lat.  cucumis  m.  «Gurke»  (Gen.  cucumeris), 
woher  ital.  cocomero  m.  «Wassermelone», 
franz.  concombre  m.  «Gurke».  Durch  Kür- 
zung mrhein.  Kummer  f.,  schwäb.  Gomnier  f., 
fränk.  Kümmerling  m.  «Gurke». 

Kukuruz,  m.  (-[e]s) :  der  türkische  Wei- 
zen, Mais  (s.  d.).  In  Slavonien,  Dalmatien, 
Rumänien  usw.     Auch  tschech.  kukuruc  m. 

kulant,  adj.:  entgegenkommend.  1813 
bei  Campe  noch  in  der  Bedeutung  fließend. 


Im  18.  Jh.  entlehnt  aus  franz.  coulant  «flie- 
ßend», von  couler  «durchseihen,  rennen,  lau- 
fen» aus  gleichbed.  lat.  cöläre.  Davon  im 
Deutschen  in  neurer  Zeit  gebildet  Kulanz,  f. : 
Entgegenkommen,  besonders  im  Geschäfts- 
verkehr. 

Kule,  niederdeutsche  Form  für  Kaule  (s.  d.). 

Kuli,  m.  (-S,  PI.  -s):  chinesischer  Aus- 
wandrer, Taglöhner.  Eig.  Name  eines  indi- 
schen Volkes.  In  der  neuern  Zeit  Schlagwort. 

Kulisse,  f.  (PI.  -w):  Schiebewand  der 
Schaubühne.  Aus  franz.  coulisse  f.,  afranz.  co- 
Ze*ce  «Fallgatter»,  von  fram.  couleur,  s.  kulant. 
Im  18.  Jh.  entlehnt  (Lessing  7,  206). 

kullern,  s.  kollern. 

Kulm,  m.  (-[e]s,  PL  -e):  oberste  Berg- 
kuppe.  In  den  Schweiz,  und  kärntn.  Alpen, 
Schweiz.  Gulm,  Kuhn  f.  m.  (schon  1661  be- 
legt), kämt.  Kolm  m.  (PI.  Köhn).  Aus  ital. 
colmo  m.  «Gipfel»,  churwelsch  culm  «Vor- 
berg», von  lat.  culmen  n.  «Gipfel,  Kuppe». 
Als  Bergkuppenname  im  östlichen  Mittel- 
deutschland, im  Fichtelgebirge  bereits  1469 
Chulm  und  1282  Kulme  m.  (Schmeller-  1, 
1241),  entlehnt  aus  abg.  chlümü,  cholmü  m., 
tschech.  chlum  «Hügel»,  die  vom  deutschen 
Holm  stammen. 

Kult,  m.  {-[e]s,  PI.  -e),  gekürzt  aus 
Kultus,  m.  (Gen.  ebenso,  PI.  Kulte) :  öflFent- 
liche  Gottesverehrung.  In  der  zweiten  Hälfte 
des  18.  Jh.  Cult,  im  16.  Jh.  in  der  Augsb. 
Konfession  Cultus,  aus  lat.  cultus  m.  «Pflege, 
Anbau,  Bebauung,  Ausbildung,  Verehrung 
einer  Gottheit»,  zu  lat.  colere  «bearbeiten, 
pflegen,  verehren»,  kultivieren,  v.:  an- 
bauen, pflegen,  höher  ausbilden,  1714  bei 
Wächtler  cultiviren,  aus  franz.  cultiver,  mlat. 
cultivare,  von  lat.  cultus  m.  Kultur,  f. 
(Pl.-en):  Anbau,  angebaute  Fläche,  (Geistes-) 
Büdung,  im  18.  Jh.  Gultur,  aus  lat.  cultüra  f. 
«Landbau,  Ausbildung»;  dazu  Kulturge- 
schichte, f.,  hervorgerufen  durch  Adelungs 
Geschichte  der  Cultur  1782.  Kulturkampf, 
m.,  schon  1840  nachgewiesen,  aber  erst  1873 
durch  Virchow  politisches  Schlagwort. 

Kumme,  f.  (PI.  -n):  tiefe  Schale,  tiefer 
Tischnapf  (bei  Claudius,  Voß).  Aus  dem  nd. 
kumm  f.,  daneben  kump,  kumpen  f.  «Schale, 
Napf,  Trog»,  kummen,  kumme  f.  «Kasten» 
(daher  kumpwagen  m.  «Kastenwagen»,  kumm- 
karre  f.  «Schiebkarre  mit  Kasten»),  ndl.  1599 
bei  Kilian  koni  f.  «tiefe  Schüssel»,  mnd.  kumme 
und  Schweiz,  chumme  f.  «Zisterne».  Verwandt 
mit  Kumpf  (s.  d.). 


1169 


Kümmel 


Enmpf 


1170 


Enmmel,  m,  (s,  PI.  wie  Sg.):  die  in 
Dolden  blühende  Pflanze  lat.  cuminum  und 
ihi-e  als  Gewürz  benutzten  Samenkörner.  Mhd. 
kümel  m.,  md.  im  1.5.  Jh.  komel,  ahd.  kumil 
aus  kumin  (vgl.  ZfdW.  6,  185),  noch  ahd.- 
mhd.  kumin  m.:  dazu  and.  kumin,  ags.cynien 
m.  n.,  engl,  cunimin.  Entlehnt  aus  gleichbed. 
lat.  cuminum,  gr.  kuuivov  n. :  Name  und  Pflanze 
aber  stammen  aus  dem  Orient,  hebr.  kammön, 
arab.  kammün.  Ahd.  Nebenformen  sind  kumi 
und  kumich,  mhd.  kume,  küme,  kumich,  kü- 
mich  m.,  noch  oberd.  kümi,  küm,  kumich  m. 

KÜmmelblättclien,  n.:  gaunerisches 
Hasardspiel  mit  di'ei  Karten.  Kümmel-  statt 
Kimm^l-,  aus  gimmel,  in  der  Gaunersprache 
«drei»,  von  hebr.  gim£l,  Name  des  dritten 
Buchstaben  (g)  und  zugleich  Zahlzeichen  für  3. 

Kümmeltürke,  m.  (-n,  PL-w):  Student 
aus  der  Nähe  der  Universitätsstadt,  besonders 
bis  etwa  zwei  Meilen  von  dieser.  In  der 
Studentensprache,  urspr.  in  Halle  a.  S.,  «aus 
der  Umgegend,  dem  Saalkreise  (wo  starker 
Kümmelbau  betrieben  wird)  gebürtiger  Stu- 
dent».    1781   bei  Kindleben. 

^Kummer,  m.  {-s,  ohne  PI.):  Schutt, 
Bau-,  Steinschutt  (im  westlichen  Mittel-  und 
Norddeutschland);  angreifende,  zehrende  Be- 
trübnis worüber;  gerichtliche  Haft,  Arrest 
(hessisch).  Mhd.  kumher,  md.  kummer,  kumer, 
kommer,  mnd.  kummer  m.  «Aufschüttung, 
Schutt»,  auch  als  «Hemmung»  oder  «Hinder- 
nis», daher  in  übertragner  Bed.  im  Rechts- 
leben «Beschlagnahme,  Arrest»,  und  daraus 
bildlich  in  allgemeiner  Bed.  «Beschädisungr, 
Wunde,  Belastung,  Bedrängnis,  Mühsal,  Not, 
bedrückende  Sorge,  Gram».  Im  westlichen 
Deutschland  hervorgegangen  aus  der  Ver- 
mischung eines  germanischen  mit  einem 
romanischen  Wortstamme:  einerseits  anord. 
kuml.  kumbl  n.  «aufgeschütteter  Grabhügel, 
Grabmal»,  auch  «Denkmal,  Denkstein,  Marke, 
Zeichen  überhaupt»,  schwed.  ÄumbeZ,  kummel 
n.  «Steinhaufen  als  Wahrzeichen  für  Schifi"er», 
asächs.  kumhal  n.  «Himmelszeichen»,  ags. 
cumbol,  cutnbl,  cuml  n.  «Zeichen»,  bes.  «kriege- 
risches Feldzeichen»,  auch  «Wundzeichen, 
Wunde»;  andrerseits  das  unerklärte  früh- 
mlat.  cumbrus,  combrus  m.  «Haufe  abgehau- 
ner  Äste,  Verhau,  hemmende  Aufschüttung, 
dämmend  Eingerammtes  im  Flusse  zu  Fisch- 
hegung  und  Fischfang»,  woher  franz.  combre 
in  encombre  m.  «Schutt,  Bauschutt,  Hinder- 
nis», encombrer  «versperren,  beschweren,  be- 
trüben»,  ital.  ingombro  m.   «Hindernis»,   in- 

Weigand,  Deutsches  Wörterbuch.    5.  Aufl. 


'  gombrare  «den  Weg  sperren»,  portug.  combro 
m.  «Erderhöhung»,  comoro  m.  «Deich».  ABL. 
kümmerlich,  adj.,  mhd.  kumberlich  «schwer 
bedrängt,  kummervoll»,  Schweiz.  1420  kumber- 
:  lieh  «verhaftet»  (Weist.  4,  390).    kümmern, 
'  V.,  mhd.  kumbern  «belästigen,  in  Not  bringen, 
bedrängen»,  md.  im  15.  Jh.  kummern,  kommern 
«mit  Arrest  belegen»,  sich  kümmern  «sich  um 
etwas   bemühen».     Kümmernis,  f.,   mhd. 
kumber-,  kümbernis,  chumernusse,  kümmernüss 
f.  n.  «Bedrängnis».    ZTJS.  kummerTOU,  adj., 
im  17.  Jh.  bei  A.  Gryphius  Leo  Armenius  5,  51. 
-Kummer,  f.  (PI.  -n),  bayrische  Schrei- 
bung füi-  Kuktiyner  (s.  d.). 
Kümmerling,  s.  Kukum^. 
Knm(me)t,  n.  (-[e]s,  Pl.-e):  den  Hals  um- 
schließendes Geschirr  des  Zugpferdes.    Mhd. 
ko)nat  m.  n.,  später  kommot,  kummot,  kommet, 
kumet,  im  Vl.Sh.chomat,  entlehnt  aus  slaw.-abg. 
chomqtü  m.,  poln.  chomM  m.  und  chomc^to  n., 
russ.  chomutü  m.,   tschech.  rhomout  m.,    die 
wiederum  dem  Altgermanischen  entstammen: 
ahd.  Äawio  m.  «Kappzaum  für  wilde  Pferde», 
I  1537  bei  Dasypodius  kühamvie,  küicham,  kam- 
[  tvide  «hölzernes  Halsband  der  Kühe  zum  An- 
:  binden  an  die  Krippe»,  ndl.  1599  bei  Kilian 
koehamme  und  koekamme,  auf  der  Eifel  harnen 
m.,  nd.  ham,  engl,   hame  «Kummet».     Vgl. 
Lagercrantz  KZ.  34,  399. 
Knmp,  s.  Eumpf. 

Knmpän,  m.  (s,  PI.  -e):  Genosse.  Schon 
mhd.  kompän.  kumpän,  mnd.  kumpän,  kumpen, 
anord.  kumpänn  m.:  im  16. — 18.  Jh.  gekürzt 
Kumpe,  Kontpe,  Kump  m.,  im  18.  Jh.  (Bürger, 
Voß,  Kindleben)  erneuert  Kumpan.  Aus  prov. 
und  afranz.  compaing,  ital.  compagno  m.  «Ge- 
fährte, Gesellschafter»,  von  mlat.  companio  m. 
eig.  «Brotgenosse»,  zu  lat.  pänis  m.  «Brot» 
(s.  Compagnie).  Ähnlich  im  Ahd.  gimaggo  m. 
«Tischgenosse»  (von  ahd.  tnag  n.  «Speise»)  und 
galeibo,  got.  gahlaiba  m.  «Genosse»  (von  ahd. 
leip,  got.  hlaifs  m.  «Brotlaib»), 

Kumpell,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.),  s.  Kump. 
Kumpf,  m.  (-[e]s,  PI.  -e  und  Kümpfe): 
tiefe  Schale,  tiefer  Napf;  Trockenmaß,  fiiiher 
•^/jg  Malter.  Auch  Kump  und  Kumpen  m.,  aus 
deraNiederd.  ins Hochd.  eingedrungen,  daneben 
Kumpe  f.  Mhd.  kumpf,  komph,  md.  und  mnd. 
kump,  komp  m.  «Gefäß  als  Fruchtmaß,  Trink- 
schale» (davon  mnd.  kumpere  m,  «Faßbinder, 
Küfer»),  im  Mhd.  auch  «tiefes  hölzernes  Ge- 
fäßchen des  Mähers  zum  Mitführen  des  Wetz- 
steins», im  16,  Jh.  bergm.  Kumpjf  m.  «Poch- 
.  trog  für  Erze»  (1562  Mathesius  Sarepta  141*), 

74 


1171 


Kumt 


Kunkel 


1172 


noch  jetzt  in  Walkmühlen  Kump  m.  «Stampf- 
trog», Schweiz.  Chmnpfm.  «Mörser  zum  Stam- 
pfen», ebenso  nd.  im  15.  Jh.  kump  (Diefen- 
bach  gl.  368");  dazu  ags.  ciimh  m.  «Getreide- 
maß», engl.  comb,coomh.  Verwandt  mit  Kumme 
(s.  d.).  Dieselben  Laute  zeigen  aind.  kiimhhäs 
«Topf,  Krug»,  awest.  xumbö  m.  «Topf»,  npers. 
Xumb,  gr.  KÜiaßoc  m.  «Gefäß,  Becher»,  KÜiußri 
«Boot,  Nachen».  Ob  und  wo  hier  Entlehnung 
stattgefunden,  läßt  sich  nicht  entscheiden. 
Vgl.  Humpen. 

Kumt,  s.  Kummet 

kund,  adj.  (aber  nur  in  prädikativer  Stel- 
lung und  in  gehobner  Rede) :  zur  Wissenschaft 
wovon  kommend  oder  gekommen.  Mhd.  kunt, 
auch  künde,  künde,  ahd.  kund:  daza  asächs. 
cüd,  mndl.  cont,  ags.  cüß,  engl,  couth  in  uncouth 
«unbekannt»,  anord.  kunnr,  kUdr,  got.  kunps 
«bekannt».  Urspr.  Part.  Prät.  von  got.-ahd. 
kunnan  «kennen,  wissen»  (s.  können  und  vgl. 
kalt,  traut,  tot),  aber  schon  im  Ahd.  mit  völlig 
adj ektiv.  Geltung.  ABL.  kündbar,  adj.:  be- 
kannt, 1541  bei  Frisius  21 2  ^  kuntbar.  Kunde, 
m.  (-n,  PI.  -n):  der  in  einem  Geschäft  Be- 
kannte, der  dort  kauft  oder  arbeiten  läßt  (1570 
bei  Fischart  Nachtr.  1277;  auch  f.,  1716  bei 
Ludwig) ;  Kerl,  Kumpan  (spöttisch  tadelnd  im 
16.  Jh.  bei  H.  Sachs  Fab.  273,  9,  oft  bei  Fischart, 
Scheidt  Grob.  705).  Mhd.  künde,  ahd.  kundo  m. 
«Bekannter»,  ags.  cüpa  m.  «Bekannter,  Freund, 
Verwandter»,  die  schwache  Form  des  Adj. 
kund.  Kunde,  f. :  Kenntnis  wovon,  Bekannt- 
schaft womit,  mhd.  künde,  md.  u.  mnd.  künde, 
ahd.  chundi  in  unchundi  f.  künden,  v. :  kund- 
tun, von  den  Dichtern  des  ausgehenden  18.  Jh. 
wieder  aufgebracht,  mhd.  künden,  künden,  ahd. 
kundan;  dazu  asächs.  cüäian,  mnd.  künden,  ags, 
cydan,  anord.  kynna.  kundig,  adj.:  kennend, 
wissend,  mhd.  kündec,  kündic,  kündig  «be- 
kannt, erfahren,  klug,  geschickt,  listig»,  im 
15.  Jh.  chundig,  kundig  «kennend»,  ahd.  chun- 
dig  «bekannt,  klug,  schlau»;  dazu  mnd.  kun- 
dich  «kennend,  bekannt»,  ags.  cydig  «bekannt», 
anord.  kunnigr  «bekannt»,  kyndugr  «klug, 
schlau»,  kündigen,  v.:  kundtun,  von  den 
Dichtern  um  1800  wieder  aufgenommen,  mhd. 
kündigen;  die  Auflösung  eines  Vertrags  an- 
sagen, statt  aufkündigen,  1808  bei  Campe. 
kündlich,  adj.:  offenkundig,  im  18.  Jh.  alter- 
tümelnd  bei  Bürger,  Claudius  usw.,  mhd.  kunt- 
lich,  im  15.  Jh.  küntlich,  ahd.  adv.  chundlihho. 
Kundsame,  f.:  Kundschaft.  Mhd.kuntsame  f, 
«beeidigte  Sachverständige,  Schiedsrichter,  ihr 
Ausspruch».  Schweizerisch.  Kundschaft,  f. : 


Kunden  eines  Kaufmanns.  Mhd.  kuntschaft  f. 
Kenntnis,  Nachricht,  Erforschung,  Aussage, 
Auskunft,  Beglaubigung,  Zeugnis,  Bekannt- 
schaft, mnd.  kuntschapt:  davon  kundschaf- 
ten, V.:  spionieren,  spätmhd.  kuntschaften. 
Kundschafter,  m.:  Spion,  spätmhd.  kunt- 
schafter  m.  ZUS.  Kundmachung,  f.:  Be- 
kanntmachung, 1691  bei  Stieler,  amtlich  in 
der  Schweiz  und  Österreich. 

Kunft,  f.  (PI.  Künfte) :  das  Kommen.  Mhd. 
kunft,  kumft,  ahd.  quumft  (in  üfquumft), 
chumft (V\.  chumfti),  chunftt  «Zu-,  Ankunft», 
got.  gaqumps  f.  «Zusammenkunft,  Versamm- 
lung». Verbalabstraktum  zu  kommen  (s.  d.), 
mit  eingeschobnem  f  wie  in  Brunft,  Ver- 
nunft, Zunft.  Daneben  mit  ableitendem  -st 
mnd.  kumst,  kamst,  kompst  f.,  im  14.  Jh. 
bayr.  kunst  f.  ABL.  künftig,  adj.,  mhd. 
künftic,  kümftic,  md.  kunftic,  kunfiec,  kumftec, 
auch  kumstic,  ahd.  kumftig,  künftig  «was 
kommen,   sich  ereignen  wird». 

kungeln,  s.  kunkeln. 

Kunigunde,  Frauenname,  mhd.  Küni-, 
Künegunt,  ahd.  Chunigund,  -gunt,  von  ahd. 
kunni,  got.  kuni  n.  «Geschlecht,  Stamm»,  und 
ahd.  gunt  f.  «Kampf,  Krieg».  Latinisiert 
Chunigunda,  Chunigundis,  auch  Cunegondis, 
woraus  franz.  Cunegonde,  woher  bei  Schiller 
(Gang  nach   dem  Eisenhammer)  Kunigonde. 

Kunkel,  f.  (PI.  -n)-.  Spinnrocken,  Spinn- 
rockenstock; Spinnstube  (1612  bei  Albertinus 
Schauplatz  300,  kunkelstube  Zimm.  Chron.^ 
4,  9,  22  von  1547);  Weibsbild  (schwäb.  bei 
Schmid  333).  Schwäb.-alem.-rhein.,  auch  ndl. 
In  l.Bed.  mhd.  kunkel,  1468  gunckel  (Dietenh. 
nov.  gl.  102*',  auch  bei  Keisersberg),  im  15.  Jh. 
an  der  Saar  konkel,  ahd.  chonacla,  chuncula 
(ZfdA.  8, 470'',  9^),  kuncliela,  chunchla  f.;  dazu 
ndl.  konkel,  kunkel  f.  Aus  gleichbed,  älter- 
mlat.  conucula  f.  statt  *colucula,  dem  Dim.  von 
lat.  colus  m.  f.  «Spinnrocken»,  woher  auch  das 
gleichbed.  ital.  conocchia  f.,  afranz.  conoille, 
nfranz.  quenouille  f.,  altir.  cuicel.  Selten  Kunkel 
als  Mask.  (Grillparzer  [^Sauer]  6,  171,  schon 
bei  Rädlein,   Schottel    und   1534  bei  Franck 

Weltb.  15b).  ABL.  kuukelu,  kungeln,  v.: 

heimUch  zusammenschwatzend  Pläne  oder 
Ränke  schmieden  (bei  Bürger  Macbeth) ;  heim- 
lichen Kauf-  und  Tauschhandel  machen  oder 
vermitteln  (daher  Kinkelweib  n.  «heimlichen 
Handel  besorgendes  oder  vermittelndes  Weib»). 
Mrhein.  und  nd.,  von  der  Kunkelstube  her- 
genommen, zuä.  Kunkellehen,  n.:  Lehen, 
das  auch  den  weiblichen  Nachkommen  einer 


1173 


Kirnst 


Kuppe 


1174 


Familie  übertragen  werden  kann  (die  Kunkel 
als  Sinnbild  des  Weibes,  wie  das  Schwert  als 
Zeichen  d.  Mannes),  1575  bei  Fischart  Garg.434. 
Knnst,  f.  (PI.  Künste)  -.  das  Wissen  worin 
mit  ausgebildeter  Geschicklichkeit:  Wissen- 
schaft (mhd.  die  siben  frien  künste  Renner 
10036);  die  Darstellung  des  Schönen  (1727  bei 
König  zu  Canitz  Ged.  233  die  schönen  Künste 
nach  franz.  les  heaux  arts,  bei  Luther  2  Chron. 
3,  10  der  Bildener  Kunst,  1482  im  Voc.  theut. 
r  7  *  kunst  des  gesangs,  als  Begriff  vollendeter 
Schönheit  schon  mhd.  diu  gotes  kunst  Parz. 
123,  13):  im  Bei'gbau  die  zum  Fördern  aus 
der  Tiefe  verwendete  Maschine,  bes.  zum 
Heben  des  Wassers  (im  15.  Jh.  Weisth,  2,  797), 
auch  bei  Wasserleitungen  (1517  bei  Trochus 
0  4*).  Mhd.  kunst  (Gen.  und  PI.  künste),  alem. 
konst,  ahd.  chunst  (Gen.  und  PI.  chunsti)  f. 
«das  Wissen,  Kenntnis,  Weisheit,  Geschick- 
lichkeü»;  dazu  mnd.-ndl.  cunst,  afries.  konst  f. 
(abweichend  gebildet  anord.  kunnasta  f.  «Ver- 
mögen, Fähigkeit»).  Verbalabstraktum  zu 
können  (s.  d.)  mit  s  wie  in  Brunst,  Gunst. 
Gleiche  Büdung  in  lit.  pa-zintis  f.  «Kennen, 
Kenntnis».  ABL.  künsteln,  v.:  im  16.  Jh. 
bei  S.  Franck  Lob  der  Thorheit  105^  künstlen. 
Künstler,  m.,  im  16.  Jh.  bei  Aventin  4,  1181, 
15  und  Seb.  Franck  Chron.  (1531)  243%  dafür 
im  15.  und  16.  Jh.  künstner,  künster,  kunster, 
mnd.  kunstener,  kunster,  noch  ndl.  hmstenaar 
m.  (entlehnt  schweä.  konstnär,  däp.  kunstner): 
dazu  Künstlerin,  f ,  1595  im  24,  Buche  des 
Amadis  540,  und  künstlerisch,  adj.,  1786 
bei  Haas  teutsch-franz.  Wb.  1,  1863.  künst- 
lich, adj.,  mhd.  künstlich,  knnstlos,  adj., 
mhd.  künste-,  kunstelos,  Anfang  des  15.  Jh. 
bei  Vintler  kunstlos.  ZUS.  kunstfertig,  adj. : 
kunstgeübt,  1575  bei  Fisch.  Garg.  278.  Knnst- 
form,  f.,  1663  bei  Schottel  842.  kunst- 
gerecht, adj.,  1808  bei  Campe  als  neues 
Wort.  Kunstgriff,  m.,  1641  bei  Schottel  366 
aus  Luther.  Kuustliebhaher,  m.,  1558  bei 
Rivius  Büxenmeisterey  3,  2,  17^.  Kunst- 
pfeifer,  m.,  1673  bei  Weise  Hauptverderber 
34.  kunstreich,  adj.,  mhd.  künsterich,  1495 
bei  Reuchlin  Demosthenes  1.  olynth.  Rede 
Widm.  konstreich.  Kunstreiter,  m.,  1691  bei 
Stieler.  Kuustricllter,  ra.,  1740  bei  Bodmer. 
Kunstsprache,  f.:  kunstvolle  Sprache  (1691 
bei  Stieler);  technische  Sprache  (1775  bei 
Adelung).  Kunststück,  n.,  1576  bei  Fischart 
(Kloster  10,  973).  Kunstwerk,  n.,  1578  bei 
Fischart  Ehz.  Q4^  und  in  Scheibles  Kloster 
10,  973,  dafür  um  1480  bei  Melber  b5*  ein 


wer-ck  der  kunst.  Kuustwort,  n.,  1644  bei 
Harsdörffer  Gespr.  1, 215  u.  1641  bei  Schottel  366. 

kunterbunt,  adj.:  bunt  durcheinander, 
verworren.  1645  bei  Zesen  Ibrahim  4  kunter- 
bunt, bei  Wieland  Schach  Lolo  65  konterbunt, 
aber  1499  bei  Lenz  Schwabenkrieg  1^  conter- 
bunt  und  Acta  germ.  1,  262,  Xr.  27  in  einem 
Liedchen  von  der  Altenburger  Bauernkii-ms 
Spelmon,  spon  du  deine  Saita,  daß  es  klingt 
fein  contrabund,  15.  Jh.)  noch  deutlich  von  dem 
Stimmendurcheinander  eines  kontrapunktisch 
geführten  Musiksatzes  (s.  Kontrapunkt). 

Kunz,  urspr.  Kosename  für  Konrad  (s.  d.). 
RA.  Hinz  oder  Kunz  «der  oder  jener»,  1501  im 
Alsfelder  Passionsspiel  1 12 Heincz  adder  Concz. 

Küpe,  f.  (PI.  -n):  großer  kupferner  von 
innen  überzinnter  Kessel  zum  Indigofärben: 
dann  die  aufgelöste  Farbe.  1775  bei  Adelung, 
aus  nd.  küpe,  kupe  f.  «Kufe,  Bottich»,  älter 
auch  kope,  im  15.  Jh.  cupe,  ndl.  kuip  f  «Bütte, 
Faß»,  wie  Kufe  (s.d.),  entlehnt  aus  lat.  cUpa  f. 
ZUS.  küpenblau,  adj.:  indigoblau. 

Kupee,  deutsche  Schreibung  für  Coupe,  s.d. 

Küper,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Küfer  (s.  d.), 
aus  nd.  küper  m. 

Kupfer,  n.  (-S,  PI.  wie  Sg.) :  das  bekannte 
rötliche  MetaU:  Kupferstich  (1691  bei  Stieler): 
roter  finniger  Fleck  im  Gesicht  (im  17.  Jh.  bei 
Abr.  a  S.  Clara).  In  urspr.  Bed.  mhd.  knpfer, 
kopfer,  Österreich,  im  11./12.  Jh.  chofer,  ahd. 
kuphar  n.:  dazu  mnd.  kopper,  ndl.  koper  n., 
ags.  copor  n.,  engl,  copper,  anord.  koparr  m., 
schwed.  koppar,  dän.  kobber.  Aus  spätlat. 
cuprum,  älterlat.  cyprium  n.  (eig.  cgprium  aes 
«cyprisches  Erz»).  ABL.  kupf(e)richt, 
kupf(e)rig,  adj.,  1664  bei  Duez  kupfferigt 
(auch  von  bleibender  Gesichtsröte),  1562  bei 
Mathesius  Sar.  105*  kupfferig,  98^  küpfferig. 
kupfern,  adj.,  im  16.— 18.  .Ih.  auch  küpfern, 
mhd.  kupferin,  ältermhd.  chuphirin,  mnd.  kop- 
pern. ZUS.  kupferrot,  adj.,  mhd.  kopher- 
röt.  Kupferschmied,  m.,  mhd.  kupfersmit. 
Kupferstechen,  n.,  1575  bei  Fischart  Garg. 
294.  Kupferstecher,  n.,  bei  Fischart  Pract, 
Großm. (1607)  0  2*^.   Kupferstich,  m.:  das 

in  Kupfer  gestochne  Bild  (1644  bei  Hars- 
dörffer Gespr.  1,  82). 

kupieren,  v.:  abtrennen,  durchlochen. 
In  diesem  Sinne  erst  im  19.  Jh.  nach  franz. 
couper,  s.  Coupe.  Das  Partizip  kupiert,  adj.: 
zerschnitten.  1813  bei  Campe.  KupÖU,  s. 
Coupon  (so  noch  amtlich  geschrieben). 

Kuppe,  f.,  (PI.  -n):  Spitze,  insbesondre 
Bergspitze.    In  das  Schriftdeutsch  im  letzten 

74* 


1175 


Kuppel 


Küraß 


1176 


Viertel  des  18.  Jh.  aus  der  md.  Volkssprache 
aufgenommen,  1687  bei  Zesen  (des  helikon. 
Näglein -Tahles  dritter  Vorbericht  5)  Kubhe 
«Kopf  der  Gewürznäglein»,  md.  im  14.  Jh. 
kwppei.  «Berggipfel,  Gipfel»,  welche  Bed.  aus 
mhd.  kuppe,  ahd.  chuppa  f.  «Kopfbedeckung 
unter  dem  Helm,  Haube»  hei-vorging,  dies 
wohl  entlehnt  aus  lat.  cuppa  f.  «Tonne,  Becher» 
(neben  cupa,  s.  Kopf,  Kufe)  und  nach  der 
Ähnlichkeit  auf  die  rund  anschließende  Kopf- 
bedeckimg  übertragen.  Daneben  mithochd.jp/" 
mhd.  kupfe,  kuffe,  gupfe,  ahd.  chuppha  f.  «Kopf- 
bedeckung unter  dem  Helme»,  und  mhd.  gupfe, 
gupf  m.,  «Gipfel  des  Berges,  Spitze  des 
Turmes».  ABL.  kuppen,  v.:  die  Kuppe 
abhauen  oder  abschneiden,   1691   bei  Stieler. 

^Kuppel,  f.  (PI.  -n):  halbkugelai-tig  ge- 
wölbtes Dach.  1678  bei  Krämer  Cupel,  1711 
bei  Rädlein  Cupel,  Koppel  f.  Aus  glbd.  ital. 
cupola  f.  (daher  franz.  coupole),  mlat.  cupula, 
cuppula  f.  «Becher»,  Dim.  von  lat.  cüpa  f. 
«Tonne,  Faß»,  cuppa  f.  «Tonne»,  ital.  coppa  f. 
«Becher»  (s.  Kopf).  Dies  Dach  wm*de  nach  der 
Gestalt  eines,  umgestürzten  Bechers  benannt, 

'^Kuppel,  f.:  Koppel  (s.  d.). 

^Kuppel,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Kuppelei, 
bei  Lessing  2,  445.  kuppeln,  v.:  zu  einem 
Liebesverhältnisse,  zu  außerehelicher  Zusam- 
menkunft zusammenführen.  1353  kuppeln 
(Städtechron.  9,  1021,  3).  Eine  besondre 
Bed.  aus  mhd.  kuppeln  «an  ein  Band  legen, 
verbinden»,  von  lat.  cöpuläre  «zusammen- 
binden» (s.  koppeln).  ABL.  Kuppelei,  f.,  1678 
bei  Krämer.  Kuppler,  m.,  mhd.  im  14.  Jh. 
kuppeler,  kuppler  m.;  davon  Kupplerin,  f., 
mhd.  im  14.  Jh.  kupplerin,  Kupplerei,  f.,  im 
15.  Jh.  kupplerei  (ZfdA.  8,  540,  109),  kupp- 
lerisch,  adj.,  1605  bei  Albertinus  Lustg.  228 
kuplerisch.  ZUS.  Kuppelpelz,  m.:  Ehrenlohn 
für-  Stiftung  einer  Heirat,   1711  bei  Rädlein. 

^Kur,  f.  (PL  -en):  Wahl,  Erwählung. 
Mhd.  kür,  küre,  im  12.  Jh.  auch  chure,  chur, 
md.  kur,  kure,  ahd.  churi  f.  «Prüfung,  prüfende 
Wahl,  insbesondre  Königswahl»  (mhd.  auch 
schon  «die  Kurfürstenwürde»,  die  siben  kür 
Lohengrin  1962);  dazu  mndl.  eure,  core  f. 
und  als  Mask.  ndrhein.  im  13.  Jh.  kure,  mnd. 
köre,  auch  md.  kure,  kur,  köre,  mndl.  core, 
ags.  cyre  «Wahl».  Substantiv  zu  kiesen  (s.  d.). 
Die  umgelautete  Form  noch  in  Willkür  (s.  d.). 
Das  anlautende  oberd.  ch,  das  in  den  letzten 
Jahrzehnten  des  15.  Jh.  aufs  neue  geltend 
wurde,  hat  sich  von  der  Kaiserwahl  in  der 
altertümlichen  Schreibung  Chur  bis  ins  19.  Jh. 


erhalten.      ABL.    küren,   v.    (Prät.  kürte, 
Part,  gekürt):  wählen,  1616  bei  Henisch  603, 
t  62,    in  urspiünglicherer  Bed.  aber  1595  bei 
Rollenhagen  Froschm.  1,  2,  3,  42  nach  Hasen 
i  küren  «auf  Hasen  lauern,  ihnen  nachstellen», 
j  ostfries.  küren  «scharf  hinsehen»,  mndl.  coren 
I  «wartend  blicken»,  kürisch,  adj.:  wählerisch, 
bes.  in  leckeren  Speisen,  1786  bei  Bode  Thomas 
Jones  2,  241  kührisch,  aus  md.  und  nd.  Mund- 
arten.    ZUS.  Kurfürst,  m.  (-en,  PI.  -en): 
Wahlfüi'st  des  deutschen  Reiches,  mhd.  Anf. 
des  14.  Jh.  kurfurste  (Ottokars  Reimchr.  12529 
neben  kurherre  12087),  1338  kürfürste  (Höfer 
'  Urk.  S.  327),  md.  kor  forste  (Ködiz  Ludw.  6) ; 
]  davon  kurfürstlich,  adj.,  mhd.  im  14.  Jh. 
kurvürstlich,  und  Kurfürstentum,  n.,  mhd. 
1340    kurfürstentuom.     Kurhut,  m.:    roter 
j  mit  Hermelin  ausgeschlagner  Hut  als  Zeichen 
1  der  Kurfürstenwüx'de,  1631   das  Dim.   Chur- 
\hütlin   bei  Opel  und  Cohn  30 j.  Kr.  320,  8. 
Kurprinz,    m. :    Erbprinz     in    einem    kur- 
j  fürstlichen  Hause,    1678   bei   Krämer   Chur- 
printz.  Kurschwert,  n.,  die  zwei  kreuzweis 
gelegten  Schwerter  im  kurfürstlich  sächsischen 
Wappen  als  Zeichen  des  Reichs-Erzmarschall- 
■amts,  1740  bei  Frisch  der  PI.  Chur schw erder. 
Kurstaat,  m.:  Kurfürstentum,  1808  beiCampe. 
1       ^Kur,  f.   (PI.  -en):  ärztliche  Behandlung, 
Heilung.    1557  bei  Heußlin  Vogelb.  122^  und 
!  1616  bei  Henisch  Cur,  aus  glbd.  lat.  cUra  f., 
zunächst* «Sorge».  Vgl.  kurieren.  ZUS.  Kur- 
pfuscher, m.:  wer  ohne  staatliche  Appro- 
bation Kranke   heilt.     Erst   in   neurer  Zeit. 
[  Kurschmied,  m. :  Hufschmied,  der  zugleich 
die  Kur  des  Pferdefußes  usw.  versteht,  Tier- 
arzt, 1775  bei  Adelung  Curschmid. 

kuränt,  adj. :  geläufig, gangbar  (als Münze). 
Das  franz.  courant  «laufend,  gang  und  gäbe», 
Part.  Präs.  von  cownV  (aus  lat.  CMrr^re)  «laufen». 
I  Im  17.  Jh.  entlehnt  (1703  im  Zeit.-Lex.). 

kuränzen,  v.:    züchtigen,  runtermachen, 

hart  anfahren;  auch  umherrennen.     In   den 

'  Mundarten  weitverbreitet.  Daneben  koranzen 

i  (1785  bei  Voß.  Ged.  1,  294),  karanzen  (thürin- 

I  gisch),  kurrenzen  1673    bei  Weise  Erzn.  146 

j  Nach  Schröders  einleuchtender  Auseinander- 

'  Setzung   (Streckformen    106)    Streckform   zu 

!  kränzen,  eig.  im  Kranz  (Kreise)  herumtreiben. 

Küraß,  m.  (Gen.  -sses,  PI.  -sse):  Panzer, 

:  Brustharnisch.     Im  15.  Jh.  küraß  (Sachsen- 

'  heim  Mörin),  kicrisz  (Janssen  Reichscorr.  1, 

474  von   1439),  mpist  küriß,  mnd.  kuresser, 

'•  koritz,  koritzer  m.,  urspr.  wohl  «Lederpanzer», 

i  aus  fi-anz.  cuirasse  f.  «(Leder-)Panzer»,  prov. 


1177 


Knrat 


Snrs 


1178 


coirassa,  ital.  carazza  f.,  vom  lat.  Adj.  coriaceus 
«ledern»,  zu  lat.  corium  n.,  franz.  cuir  m. 
«Leder».  ABL.  Kürassier,  m.,  {-s,  PI.  -e): 
mit  Kiiraß  bekleideter  Reiter.  Xach  glbd. 
franz.  cuir  assier  m.  1740  bei  Frisch  Küraßier, 
im  17.  Jh.  Kürassirer  und  Kürissirer,  1664 
bei  Duez  1,  223^  Kürissier,  1654  bei  Logau 
2,  4,  82  Curassirer,  im  15.  u.  16.  Jh.  Kürisser 
(Liliencron  2,  93  von  1476),  kuresser  (Städte- 
chron.  5,  195,  A.  1  vom  J.  1450),  md.  1517  bei 
Trochus  F  2  *  koritzer  m. 

Kurät,  m.  (-en,  PI.  -en);  katholischer 
Geistlicher.  Neulateinische  Bildung  von  lat. 
curare  «sorgen»,  entsprechend  dem  glbd.  franz. 
eure  m.  In  Tü-ol.  Kuratel,  f.  (PI.  -en) : 
Schutzpflege  eines  Kurators.  Im  18.  Jh.  aus 
mlat.  curatela  f.  «Vormundschaft».  Kurator, 
m.  (-5,  PI.  -en) :  amtlicher  Vorstand  und  Ver- 
treter einer  Körperschaft  in  Verwaltungs- 
sachen^  Rechtsvorstand,  Vorsteher  eines  zur 
eigenen  Vermögensverwaltung  Unfähigen.  Im 
16.  Jh.  Curator  (Reichsordn.  197*  von  1521), 
aus    lat.  cürätor  m.   «Besorger,  Vormund». 

Klirbe,f.  (Pl.-n):  Kurbel.  1768  bei  Moer- 
beek  Kurhe,  1687  bei  Hohberg  1, 101  ^  Eürhe  f., 
rhein.  im  15.  Jh.  korbe  (Diefenb.  gl.  263^), 
in  den  Fastnachtspielen  des  15.  Jh.  748,  14 
der  Dat.  kurm  d.  i.  kurbe  «gebogner  Hand- 
griff am  Schleifstein»,  mhd.  kurbe,  ahd.  curba  f. 
«Winde  am  Ziehbrunnen»,  1541  Schweiz,  der 
PI.  Garben  «Schiffsrippen»  FrisiUs  227*  und 
noch  heute  Grürbe  m.  f.  «Schiffsrippe,  krummer 
Handgriff  an  der  Sense,  Kurbel  am  Rad». 
Entlehnt  aus  franz.  courbe  f.,  von  lat.  curvus 
«gekrümmt».  Davon  Kurbel,  f.  (PI.  -n): 
krumm  gebogne  Handhabe  zum  Drehen  eines 
Dinges,  1775  bei  Adelung  Kurbel,  1748  bei 
Geßner  Buchdruckerkunst  436  Gorbel,  451 
Gorbel  «Handgriff»,  1562  bei  Mathesius  Sar. 
207''  körbel,  vielleicht  schon  im  15.  Jh.  kwhel, 
körbel  (Diefenbach  gl.  273*). 

Kürbis,  m.  (Gen.  -sses,  PI.  -sse) :  Ranken- 
gewächs und  Frucht,  lat.  Cucurbita.  Bei 
Luther  Kürbis,  Körbis,  bei  Dasypodius  1537 
Kürbiß,  Kürps,  mhd.  kürbig,  kürbeg,  kürbg  m. 
(selten  n.),  ahd.  churbi^,  curbi^  m.  (selten  f.); 
dazu  and.  (entlehnt)  kurbiz,  mndl.  im  14.  Jh. 
curvete,  ags.  cyrfcBt,  cyrfet  m.  Aus  glbd.  lat. 
Cucurbita  f.  i 

küren,  Kurfürst  usw.,  s.  Kur, 

Kuriälstil,  m.  (-s):  die  gerichtliche,  Kanz- 
leischreibart. Kurial-  aus  dem  lat.  Adj.  cMriäZis 
(spätlat.  «zum  kaiserl.  Hof  gehörig»)  von  lat. 
curia  f.  «Senatsversammlung»  usw.    Kuriä-  ; 


lien,  PI. :  Förmhchkeiten  des  Kanzleistils  bei 

einem  Gerichtshofe,  1714  bei  Wächtler,  aus 

;  cüriälia,  dem  Neutr.  PI.  das  lat.  Adj.  cüriälis. 

Kurier,  m.  {-s,  PI.  -e)-.  Eübote.  Mhd. 
kurrier,  kurier  m.  «Läufer»,  aus  franz.  courrier 
m..,  von  franz.  courir,  lat.  currere  «laufen, 
eilen».     ZUS.  Kurierzug,    m.,   im  19.  Jh. 

kurieren,  v.:  ärztlich  behandeln,  heilen. 
1557  bei  Waldis  Esopus  4,  23, 84  curiern,  aus 
glbd.  lat.  curare,  eig.  «Fürsorge  haben  für 
jem.».    Vgl.  ^Kur. 

kurios,  adj.:  seltsam,  verwunderlich.  Im 
17.  Jh.  curiöß  «begierig,  neugierig,  geschäftig» 
(Nehring  1694),  aus  franz.  curieux  «neugierig, 
sonderbar»,  von  lat.  cüriösus  «sorgfältig,  allzu 
sorgsam,  wißbegierig,  neugierig»,  zu  lat.  cüra  f. 
«Sorge,  Sorgfalt»,  während  am  Ende  des  18.  Jh. 
curios  (Goethe  1773  [im  Götz]  8,  23)  wieder  auf 
lat.  cüriösus  zurückging.  Kuriosität,  f., 
(PI.  -en):  Neugier,  Wißbegierde  (1620  bei 
Albertinus  Lustg.  195  Curiositet);  Seltenheit, 
die  Neugier  anregendes  Ding  (1673  bei  Weise 
Hauptverderber  17).  Aus  lat.  cüriösitas  f. 
«Wißbegierde,  Neugierde». 

kürmeln,  v.:  lallend  sprechen  (Opitz2,93); 
mit  verliebtem  Tun  leise  reden,  freundlich 
verliebt  murren  (bei  Lohenstein  Arm.  1,  92 
kirmeln):  miteinander  schön  tun,  kosen  (bei 
Sperontes  singende  Muse  1, 74  kümieln).  Noch 
schles.  kirmeln,  Schweiz,  chirmen  «lallen». 

kurren,  v.:  in  tiefem  Ton  laut  werden, 
wie  kirren  (s.  d.)  in  feinerm.  Vom  wohl- 
behaglichen Schnurren  der  Katze  1788  bei 
Bode  Thom.  Jones  4,  325,  1562  bei  Mathesius 
Sar.  309''  murren  und  kurren,  mhd.  kurren 
«grunzen»,  mndl.  curren  (von  der  Turteltaube). 
ABL.  kurrig,  adj. :  zu  neckischem  Mutwillen 
aufgelegt,  leicht  reizbar,  leicht  zoniig.  Von 
Bürger  etwa  1773  aus  nd.  Mundarten  in  die 
Schriftsprache  eingeführt. 

Kurrende,  f :  das  Singen  armer  Schüler 
von  Haus  zu  Haus  um  milde  Gaben.  Zu 
lat.  currere  «laufen».  Current  f.  in  der  kur- 
sächsischen Schulordnung  von  1580,  Currente 
f.  1740  bei  Frisch,  Gurrende  1775  bei  Adelung. 

Kurrentschrift,  f :  die  gangbare  (lau- 
fendej,  gewöhnHehe  deutsche  Schreibschiift 
1562  bei  Mathesius  Sar.  79*  Current  f.,  1582 
bei  Fischart  Garg.  277  Current- Schrifft.  Aus 
lat.  currens  (Gen.  currentis),  dem  Part.  Präs. 
von  currere  «laufen». 

kurrig,  s.  kurren. 

Kurs,  m.  (Gen.  -es,  PI.  -e):  Lauf,  Weg 
(des  Schiffes,  1557  bei  Waldis  Esopus  2, 30, 87 


1179 


Kurschmied 


kurz 


1180 


Curs);  Gang  einer  Münzsorte;  laufender  Geld-  j 
wert,  Wechselhöhe  (bei  Nehrmg  1694  Cours); 
Lehrgang,   Zeit    eines    abgeschloßnen   Lehr- 
ganges  (bei   Krämer  1678   Curs).     Aus  lat.  I 
cur  ms,  franz.  cours  m.  «Lauf».    Davon  kur- 
sieren, V. :  im  Umlaufe,  gang  und  gäbe  sein,  j 
bei  Lessing  8,  31  cursiren.  Kursivschrift,  f.: 
schräge  lateinische  Schrift.  1714  bei  Wächtler 
Gursivschrift,    1694  bei  Nehring  cursiv  «ge- 
schobne  Schrift»,   aus  glbd.  mlat.  cursiva  f. 

Kurschmied,  s.  -Eur. 

Kürschner,  m.  (-5,  PI.  wie  Sg.):  Hand- 
werker in  Pelzwerk.  Statt  urspr.  s  mit  un- 
organischen seh,  das  erst  im  17.  Jh.  durch- 
drang, 1516  bei  Pinicianus  prompt.  K  3*^ 
kirschner,  mhd.  kürsencere,  kursener,  kürsner, 
mnd.  korsener  m.  Abgeleitet  von  mhd.  kürsen, 
kursen  f.,  1382  auch  schon  kür  sehen,  ahd. 
chursinna,  crusina  f.  «Pelzmantel,  Pelzrock»; 
dazu  ags.  crusene,  crusne  f.,  mlat.  (937)  cru- 
sina, erosina,  crosna,  erusna  f.  Ins  Slawische 
entlehnt  aruss.  krüzno,  korozno,  korzno  n. 
«Pelzkleid».  Urverwandtschaft  mit  gr.  ßüpca  f. 
«abgezogne  Haut,  Fell»  ist  möglich. 

Kurt,  s.  Konrad. 

Kurtine,  f.  (PI.  -n):  die  Fläche  der  Fe- 
stungsmauer zwischen  zwei  Bollwerken,  Mit- 
tel-, Zwischenwall.  1678  bei  Krämer  Cortin  f. 
Aus  glbd.  franz.  courtine,  ital.  cortina  f.,  von 
lat,  cortina  f.  «kesseiförmige  Rundung»,  (spät- 
lat.)   «Vorhang». 

Kurtisane,  f.  (PI.  -w):  Buhlerin.  1616 
bei  Henisch  Curtisan,  Cortisan  f.,  1615  bei 
Albertinus  Landstörzer  399  Cortisanin  f.  Aus 
glbd.  franz.  courtisane,  ital.  cortigiana,  span. 
cortesana  f.,  eig.  «Hofdame»,  Fem.  zu  franz. 
courtisan,  ital.  cortigiano,  span.  cortesano  m. 
«Hofmann,  Höfling»  (daher  Curtisan  «Höf- 
ling» bei  Luther,  1571  bei  Rot  Curtisan  «ein 
lauffer  gen  Rom  nach  pfmnten»),  von  franz. 
cour,  ital.  corte  f.  «Hof»,  zu  lat.  cohors,  ge- 
kürzt cörs  (Gen.  cörtis)  f.  «Hofraum». 

Kurve,  f.  (PI.  -n):  krumme  Linie.  Aus 
lat.  curva,  dem  Fem.  des  Adj.  curvus  «krumm», 
1813  bei  Campe. 

kurz,  adj.  (Komp.  kürzer,  Sup.  kürzest): 
an  Ausdehnung  in  die  Länge  gering.  Mhd. 
kwz  (im  Adv.  kurze,  kurz),  ahd.  churz  und 
kurt,  churt;  dazu  andfrk.  kurt,  mnd.  und  afries. 
kort,  kurt,  mndl.  cort,  Island,  kortr  «kurz», 
ferner  ags.  cyrtel  m.,  engl,  kirtle  «Mieder, 
Jacke,  Mantel»,  eig.  «Kurzkleid».  Entlehnt 
aus  dem  lat.  Adj.  curtus  «verstümmelt,  ge- 
kürzt, kurz»,   woher  auch  franz.  court,  ital.- 


span.  corto.  RA.  kurze  fünfzehn  machen  «eine 
Tätigkeit  kurz  endigen»,  hergenommen  von 
dem  ehedem  beliebten  «der  lange  Puff»  ge- 
nannten Spiele,  wovon  mhd.  der  fünfzehen 
spiln  (Erec  869)  gesagt  wurde.  Wer  hier  einen 
Glückswurf  (mit  Würfeln)  tut,  daß  er  alle 
seine  15  Steine  auf  einmal  herausnehmen  kann, 
der  endet  das  Spiel  kurz.  Auch  1540  des 
kurtzen  spieln  «etwas  kurz  zu  Ende  bringen» 
(Alberus  dict.  KK2^).  über  kurz  oder  lang, 
mhd.  über  kurz  ade  üher  lanc  (Erec  6296), 
ahd.  (mit  der  Negation  noh)  noh  über  lang 
noh  über  churz,  wie  auch  nhd.  über  lang  oder 
kurz  bei  Lessing  12, 195.  Den  kürzern  ziehen 
«im  Kampf  oder  Wettstreit  verlieren,  gegen 
jem.  zu  kurz  kommen,  im  Nachteil  sein»  (1599 
bei  Schütze  Preußen  175),  erklärt  sich  aus 
der  alten  Sitte  des  Losens  mit  Stäbchen  oder 
Halmen,  wobei  der,  welcher  das  kürzeste 
Stäbchen  oder  den  kürzesten  Halm  zog,  ver- 
lor, kurzer  Hand  «ohne  Förmlichkeit,  ohne 
Umstände»,  eine  Nachbildung  des  Ausdrucks 
der  lat.  Rechtssprache  brevi  manu.  ABL. 
Kürze,  f.,  mhd.  kürze,  ahd.  churzl  und  kurti, 
mnd.  körte  f.;  RA.  in  der  Kürze,  in  Kürze 
«in  kurzer  Zeit»,  bei  Luther  Offenb.  Job.  1, 1 
in  der  kürtz,  im  15.  Jh.  in  ainer  kurz,  mhd. 
in  kürze,  kürzen,  v.:  kurz  machen,  mhd. 
kürzen,  md.  kurzen  und  kürten,  ahd.  kurzen, 
mnd.  körten;  davon  Kürzung,  f.,  mhd.  kur- 
zunge.  kürzlich,  adj.,  mhd.  kurzlich,  ahd. 
kurzi-,  kurz-  und  churtlich,  mnd.  körte-,  kort- 
lik,  das  Adv.  mhd.  kurzliche  «in  kurzer  Zeit», 
ahd.  churzlicho  «gar  kurz»,  ZUS.  Kurz- 
schluß, m.:  fehlerhafter  Nebenschluß  für  den 
elektrischen  Strom.  In  der  neuern  Zeit.  Kurz- 
schrift, f.,  Verdeutschung  von  Stenographie, 
Im  19.  Jh.  kurzsichtig,  adj.,  im  körper- 
lichen Sinne  1775  bei  Adelung,  ndl.  1599  bei 
Küian  kortsichtig,  in  geistiger  Hinsicht  1738' 
bei  Haller  an  Bodmer  123.  kurzum,  adv., 
bei  Luther  kurzumb.  Kurzware,  f.:  kleine 
Eisenware,  Spielgerät  usw.,  1808  bei  Campe, 
früher  kurze  Ware  (bei  G.  Freytag  20, 167  vom 
J.  1622).  kurzweg,  adv.,  1775  bei  Adelung. 
Kurzweil,  f.,  mhd.  kurz-,  kurzewile,  auch 
kürzwile  f.  (noch  im  15.  und  16.  Jh.  oft  kürz- 
weil) «vergnügliche  Unterhaltung  zur  Zeit- 
verkürzung», als  Neutr.  bei  Goethe  16,  53, 
Schiller  Teil  3, 3,  als  Mask.  bei  Claudius  8, 176. 
Davon  kurzweilcu,  v.:  Kurzweil  treiben, 
mhd.  kurze-,  kurzwüen,  noch  im  18.  Jh.  (1781 
bei  Kindleben),  dann  erlöschend,  und  kurz- 
wellig, adj.,  mhd.  kurzwilec,  nhd.kurzweiliger 


1181 


kusch 


Kuvert 


1182 


Eat,  als  Titel  des  Hofnarren  1659  bei  Butschky 
Kanzl.  498,  schon  im  15.  Jh.  kurziveilrat,  kurz- 
weilerrat. 

kusch!  Imperativ  von  kuschen,  v.:  sich 
legen  (von  Hunden,  zunächst  von  dressierten 
Jagdhunden;,  beides  1741  bei  Frisch.  Aus 
franz.  coucher  «niederlegen»  von  lat.  collocäre. 

Euß,  m.  (Gen.  -sses,  PI. Küsse):  Berührung 
mit  gespitzten  Lippen  als  Zeichen  der  Liebe 
und  Achtung.  Mhd.  kus  m.  (Gen.  kusses), 
im  12.  Jh.  auch  kos  n.,  ahd.  aus  m.  (Gen. 
cusses);  dazu  asächs.-mnd.  kus,  afries.  kos, 
ags.  cos,  coss  m.,  engl,  kiss,  anord.  koss  m., 
schwed.-dän.  kyss.  Zu  lat.  läsium  n.  «Kuß», 
falls  dieses  Lehnwort  aus  dem  Sabinischen. 
Tgl.  Walde  und  Johansson  KZ.  36,  355. 
ABL.  küssen,  V.,  mhd.  küsseyi,  ahd.  kussan; 
dazu  asächs.  kussian,  mnd.  küssen,  afries.  kessa, 
ags.  cyssan,  engl,  kiss,  anord.  kyssa,  dän.  kysse. 
Got.  dafür  kukjan,  ostfries.  kükken  «küssen» 
mit  andrer  Wurzelableitung.  KÜßcheu,  n., 
1691  bei  Stieler  Küßgen,  mndl.  cusken  n. 
kußlich,  adj.,  von  Höltj  und  Voß  um  1770 
aus  den  Liedern  der  Minnesänger  wieder  auf- 
genommen, mhd.  kuslich,  küslich ;  bei  Wieland 
21,  15  küsserlich.  ZUS.  Kußhand,  f.,  1716 
bei  Ludwig.  Küßmouat,  m.:  der  erste 
Monat  in  der  Ehe  {Kußmonat  Basl.  Chr.  1, 
463,  33  von   1529). 

Küste,  f.  (PI.  -n):  Meeresrand.  Bei  Duez 
1664,  Krämer  1678,  aber  ndl.  schon  1599  kuste, 
koste  f.,  aus  afranz.  coste  f.  (jetzt  cöte)  «Rippe, 
Seite»,  dann  «Seeufer,  Küste»,  ital.-port.  costa, 
Span,  cuesta  f.,  von  lat.  costa  f.  «Rippe,  Seite». 

Küster,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Kirchendiener. 
Mhd.  kuster,  guster,  ahd.  kustor,  gustor  m., 
aus  mlat.  custor,  lat.  custos  m.  «Wächter,  Auf- 
seher, Hüter»  (hier  der  Kirchenkleinodien, 
heiUgen  Gefäße).  ABL.  Küsterei,  f.,  mhd. 
1328  kusterte,  1242  custrey.  Küsteriu,  f., 
mhd.  kusterin,  küsterin,  gustrinne  f. 

Kute,  f.:  Loch,  Grube.  Niederd.  Form 
für  Kaute.     Bei  Fontane  Mathilde  Möhring, 

Kutsche,  f.  (PI.  -n):  überdeckter  Pracht- 
wagen. Im  16.  und  im  17.  Jh.  Kotsche,  Cotschy, 
Gotschi,  Gutschi,  Gotschiwagen ,  Kutzsche, 
Gutsche,  Kutze  f.,  schlesisch  damals  Kutsche  m. 
wie  poln.  kocz  und  tschech.  koc  m.  Entlehnt 
um  1500  aus  gleichbed.  ungar.  kotsi  (im  15.  Jh. 
kocsi,  sprich  kotschi),  ans  dem  Dorfe  Kocs 
bei  Raab  stammend,  wo  solche  urspr.  zwei- 
rädrige Wagen  nach  Zeugnissen  des  15.  und 
16.  Jh.  gebaut  wurden.  Daher  auch  ndl. 
koets  f.,  ital.  coccio  m.,  franz.  cocJie  m.,  engl. 


coach.     ABL.  Kutscher,  m.,   im   16.  und 

17.  Jh.  Ghitscher  (Kiechel  6  von  1585,  Henisch, 
Schönsleder).  1589  bei  Mathesius  das  1.  Kap. 
des  Evang.  Job.  92  »  Kutzscher,  1664  bei  Duez 
Kutscher.  Auch  gewöhnlicher,  aber  unver- 
fälschter, eig.«Kutschen>- Wein,  kutschieren, 
V.,  1678  bei  Krämer,  im  16.  Jh.  kutschen,  1590 
bei  Fischart  Garg.  15  das  Subst.  Gutschirer  m. 
ZTjS.  Kutschbock,  m.:  erhöhter  Kutscher- 
sitz, 1808  bei  Campe.  Kutschkasten,  m., 
1691   bei  Stieler. 

Kutte,  f.  (PI.  -n):  weites  verhüllendes 
(Mönchs-)Gewand.  Mhd.  hitte,  kotte  f.,  aus 
afranz.  cote  f.  «langes  Oberkleid»,  nfranz.  cotte  f. 
«Kleid»,  provenz.  cota,  und  diese  aus  ahd. 
chozza  f.  und  chozzo,  kozzo  m.  «grobes  zottiges 
Wollenzeug    und   Kleid    davon»    (s.  Kotze). 

Kuttel,  f.  (fast  nur  im  PI.  Kutteln):  die 
Gedärme  samt  Wanst  und  Magen,  insbes.  eines 
eßbaren  Tieres.  1537  bei  Dasypodius  der 
Sg.  Kutle,  1561  bei  Maaler  Kuttel  f.,  spät- 
mhd.  der  PI.  kutlen,  kutlan,  md.  1308  der 
PI.  kotelen,  schles.  1422  kottü  und  1340  der 
PI.  kutiln;  1716  bei  Ludwig  Kuttel  m.  Dazu 
wohl  got.  qißus  m.  «Bauch,  Magen,  Mutter- 
leib», ahd.  quiti  «Gebärmutter»,  ags.  ctviß  m., 
anord.  kvidr  m.  «Bauch»;  nd.  Küt  «Eingeweide» 
ist  nicht  verwandt.  ZUS.  Kuttelfleck,  m.: 
zerschnittnes  Gedärme  mit  Magen  usw.  zum 
Essen,  1482  im  Voc.  theut.  r  8^  kuttel  fleck, 
bei  Schmeller-  1,  1312  schon  1429  vom 
Stück  eines  zerteilten  Rindsmagens  (s.  ^Fleck). 
Kuttelhof,  m.:  Schlachthof,  md.  1340  kutel- 
hof.  Kuttelwurst,  f.:  in  den  Dickdarm 
gefüllte  Wurst,  in  Thüringen. 

Kutter,  m.  (-S,  PI.  wie  Sg.):  Kriegsboot 
zum  SchneUsegeln,  einmastiges  Fahrzeug  zum 
Schnellsegeln.  1791  bei  Roth,  1792  bei  Krünitz 
Kutter,   Cutter,   aus   gleichbed.  engl,  cutter. 

Kutz,  m.:  in  den  Kutzen  streichen 
«schmeicheln»,  eig.  «den  zum  Vogelfang  ab- 
gerichteten Kauz  (s.  d.)  streicheln»  dann 
durch  Schöntun  sich  beliebt  machen.  Im 
15.  bis  17.  Jh.  vielgebraucht  (1494  bei  Brant 
NaiT.  100,  13),  noch  bei  Wieland. 

Kuvert,  n.  (-[e]s,  PI.  -e):  Gedeck;  Brief- 
umschlag. Das  franz.  couvert  n.,  aus  einem 
mlat.  coopertum  n.,  dem  Neutr.  des  Part.  Perf, 
Pass.  von  rolaX.  cooperire  «bedecken»  (woraus 
franz.  couvrir),  das  aktivische  Bedeutung  er- 
halten hat.  Zunächst  nach  dem  lat.  Copert, 
schon  1482  Ä;oper^  «Decke»  im  Voc.  theut.  aa  2% 
im  17.  Jh.  auch  in  der  Bed.  «Briefumschlag» 
(Grimmeishausen  Simpl.293),  verzeichnet  1678 


1183 


Kux 


Kyrie  eleison 


1184 


als  Copert  «Überzug»  bei  Krämer  und  noch 
1711  als  Copert  «Umschlag»  bei  Rädlein;  das 
franz.  couvert  dringt  gegen  Ende  des  17,  Jh. 
ein  (bei  Nehring  1710),  1716  als  Covert  eines 
Briefes  bei  Ludwig. 

Kux,  m.  {-es,  PI.  -e):  ^las  ^^^^^  Zeche 
im  Bergbau.  1562  bei  Mathesius  Sarepta  35*' 
Kiix,  1595  bei  Rollenhagen  Froschm.  1,  2,  14 
Kuchs,  m.,  zusammengezogen  aus  Kuckes 
(Luther  Tischreden  226^),  Kukus  (sächs. 
Urkunde  von  1478  bei  Veith  311,  lat.  cuccus, 
in  einer  böhm.  Urk.  von  1327  ebd.),  daneben 
Guckes  (H.  Sachs  Fastn.  8,  309),  Guckus 
(Brant  Narr.  102,  56).     Wie  sich  das  gleich- 


bed.   tschech.  kukus   m.,    dazu    verhält,    ist 
unklar. 

Kyrie  eleison,  «Herr,  erbarme  dich». 
Mhd.  und  md.  kirjeleison,  kyrj eleison,  aus 
gr.-Mrchenlat.  kyrie  eleison,  kyrieleison,  kjrch- 
lich-gr.  KÜpie  ^Xericov,  das,  schon  im  Ahd.  der 
Anfang  der  Litanei,  bald  Kirchen-  und  reli- 
giöser Volksgesang,  selbst  Schlachtruf  und 
Schlachtgesang  geworden,  später  der  Schluß- 
vers (Refrain)  der  meisten  geistl.  Lieder  wurde. 
Daher  mhd.  kyrleise,  kirleis  m.  «geistliches  mit 
kyrie  eleison  schließendes  Lied»;  auch  gekürzt 
leise,  leis  m.:  «geistlicher  Gesang»,  dann  «Ge- 
sang» überhaupt. 


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